informationsstruktur und intonation hauptseminar ws 2003/04 information structure
TRANSCRIPT
Informationsstruktur
und Intonation
Hauptseminar WS 2003/04
Information Structure
Übersicht
Phonetik der Intonation / Akzentuierung
Autosegmental-Metrische Phonologie und ToBI
Funktionen von IntonationIS und Intonation
“Focus-to-Accent”-Ansätze Metrischer Ansatz
Phonetik der Intonation
Intonation im engeren Sinne: “Sprachmelodie” (Tonhöhenbewegungen)
Intonation im weiteren Sinne (=Prosodie): Tonhöhenbewegungen und –umfang) Phrasierung (Gliederung in sprachliche
Einheiten, inkl. Pausen)
Phonetik der Intonation
Akzentsetzung (Hervorhebungen auf Äußerungsebene)
Wortbetonung (Hervorhebungen auf Wortebene)
Rhythmus (Verhältnis von prominenten und nicht-prominenten Silben)
Tempo (Sprechgeschwindigkeit)
Phonetik der Intonation
Akzentuierung
a) Hervorhebungen von Silben auf Wortebene (lexikalisch, abstrakt) = stress (primär od. sekundär)
’Bundes,kanzler ,Bundes’grenzschutz
b) Hervorhebungen von Silben auf Äußerungsebene (post-lexikalisch, konkret) = accent
Autosegmental-Metrische Phonologie
u.a. Pierrehumbert (1980)Dekomponierung von
Intonationskonturen in Ton-Sequenzen mehrere unabhängige Ebenen mit
eigenständigen Elementen ( „Autosegmente“), z.B. Tonebene, metrische Ebene, Textebene; verknüpft über Assoziationsprinzipien
Autosegmental-Metrische Phonologie / ToBI
tonale Information ist präzise auf bestimmten Silben lokalisierbar
“Standard”-Annotationssystem ToBI (Tones and Break Indices) basiert auf Prinzipien der AM Phonologie
Toninventar: zusammengesetzt aus H(igh) und L(ow) Tönen
2 Tontypen: Tonakzente und Grenztöne
Autosegmental-Metrische Phonologie / ToBI
Tonakzente Hervorhebung von Information Assoziation von Tönen mit lexikalisch
starken (stressed) Silben (markiert durch *)
mono- (z.B. L*) oder bitonal (z.B. L+H*) Nukleus = letzter Tonakzent einer
Phrase
Autosegmental-Metrische Phonologie / ToBI
Grenztöne Phrasierungsfunktion 2 Phrasengößen:
(kleinere) intermediate phrase = ip(größere) Intonation Phrase = IP
mit Grenzen von Phrasen assoziiert (nicht mit lex. starken Silben), markiert durch - (ip) bzw. % (IP)
Autosegmental-Metrische Phonologie / ToBI
Beispiel a) H* H* L-L%
| | / Do it now.
b) H* H* L-L%| | /
Her mother is a lawyer.
Autosegmental-Metrische Phonologie / ToBI
( ( also ich bin genau ) ( waagerecht rechts von der Goldmine ) )
H- L-
L%
Grenztöne ip(intermediate phrase)
Grenzton IP (Intonation Phrase)
Funktionen von Intonation
Para- u. extralinguistisch Emotionen, Einstellungen, soziale
Markierung
Linguistisch Unterscheidung von Satzmodi (zus. mit
Wortwahl u. Wortstellung), z.B. Frage vs. Aussage
Funktionen von Intonation
Unterscheidung von Illokutionen (Absicht des Sprechers unabhängig vom Satzmodus), z.B. Warum ziehst du nicht nach Kalifornien?
Wortbedeutung in Tonsprachen, z.B. Mandarin: ma (gleichbleibend = Mutter, steigend = Hanf, fallend-steigend = Pferd, fallend = schimpfen)
Phrasierung, z.B. [Der Mensch denkt,] [Gott lenkt] vs. [Der Mensch denkt, Gott lenkt]
Markierung der Informationsstruktur
Intonation und IS
grundlegende Annahme: Akzente signalisieren Fokus = Focus-to-Accent (FTA)- Ansatz
zwei Varianten: radikal (highlighting-based) formal (structure-based)
Radikaler FTA-Ansatz
Beziehung Akzent-Fokus ist bidirektional u. universal
Akzentposition ist nicht vorhersagbar, nur abhängig von Absichten des Sprechers u. dem Äußerungskontext ( Pragmatik)
fokussiert und damit hervorgehoben werden einzelne Wörter u. keine Bereiche/größere Konstituenten
Radikaler FTA-AnsatzHauptvertreter: Bolinger (z.B. 1958, 1972,
1985, 1989)Bsp:
A: I don´t see John around anywhere - where did he go?
B: I don´t know WHERE he went.
Akzentuierung als graduelles Phänomen, das mit Grad an kommunik. Wichtigkeit für den Sprecher korrespondiert
Radikaler FTA-Ansatz
2 Funktionen von Akzenten: accent of interest (semantisch-
pragmatisch): informativstes Element erhält Akzent
accent of power (mechanisch):wenn Elemente gleich informativ sind, fällt der (primäre) Akzent ans Ende (und ein sekundärer Akzent an den Anfang)
z.B. ONE, two, three, four, FIVE.
Probleme des radikalen FTA-Ansatzes
Bidirektionale Definition Akzent - Fokus führt zu zirkulärer Argumentation
Keine Unterscheidung zwischen engem Fokus u. weitem Fokus
Probleme des radikalen FTA-Ansatzes
Bsp. nach Chomsky (1971): (John (was warned (to look
out for (an ex-convict (with (a red ( SHIRT )))))))
Akzent auf shirt ist ambig im Hinblick auf die Ausdehnung des Fokusbereichs
Probleme des radikalen FTA-Ansatzes
bei weitem Fokus findet Fokusprojektion statt:
(John was warned to look out for an ex-convict with a red SHIRT)
shirt ist hier Fokusexponent (phonologischer Fokus) eines größeren Fokusbereichs (semantischer Fokus)
Probleme des radikalen FTA-Ansatzes
Bei engem Fokus besteht der Fokusbereich nur aus einem Element, d.h. phonologischer und semantischer Fokus fallen zusammen:
John was warned to look out for an ex-convict with a red ( SHIRT )
Unterschied nicht zu erklären bei 1:1-Beziehung von Fokus u. Akzent
Probleme des radikalen FTA-Ansatzes
ein Akzent auf jedem anderen Wort markiert engen Fokus, z.B.
John was warned to look out for an ex-convict with a ( RED ) shirt
Formaler FTA-Ansatz
Fokussiert werden (größere) Konstituenten statt einzelner Wörter (bei weitem Fokus; kein Unterschied zu radikaler Variante bei engem Fokus)
Bestimmung der Fokusbereiche unabhängig von der Akzentverteilung
sprachspezifische Regularitäten statt Universalitätsanspruch
Formaler FTA-Ansatz
Akzentposition zu einem gewissen Grad vorhersagbar über semantisch-syntaktische Regeln einer Sprache
Vertreter: z.B. Gussenhoven (SAAR), Selkirk (Basic Focus Rule, Phrasal Focus Rule)
Gussenhovens (1983, 1999) Sentence Accent Assignment Rule (SAAR)
Domain assignment: P (X) A [ P (X) A ] A (X) P [ A (X) P ]
Y [ Y ] Accent assignment: [ ] [ * ] in
AP / PA, accent A underlining: [+focus]
A=Argument (subject, internal verbal complements) P=Predicate (verbs, predicate nominals and adjectives)
M=Modifier (adverbials, other adjuncts) X,Y=any of A,P,M
Formaler FTA-Ansatz
AP [A*P] [Our DOG´s disappeared]
AMP [A*] [M*] [P*] [Our DOG´s] [misTERiously]
[disapPEARED]
AMP [A*MP] (modifier is given)[Our DOG´s misteriously disappeared]
Argumente vs. Prädikate
Postulat, dass Argumente (im Englischen und Deutschen) stärker akzentuiert werden als Prädikate (bei weitem Fokus)
universal gültig oder sprachspezifisch?
Argumente vs. Prädikate
Bengali (SOV): Ram Shamoli DEKHlo. Präd (lit. Ram Shamoli sah)
Türkisch (SOV): Eski müdür bir KItap yazdi. (lit. ehemaliger Direktor ein Buch schrieb)
Arg
Argumente vs. Prädikate
Entscheidungsfragen Dt.: Hat sie ein BUCH gekauft? Arg Engl.: Did she buy a BOOK? Arg
Russisch: Ona KUpila knigu? Präd(lit. sie kaufte Buch?)
Aber in Deklarativsätzen: Ona kupila KNIgu. Arg (lit. sie gekauft Buch)
Argumente vs. Prädikate
Hinweis auf sprachspezifische Unterschiede in Prädikat-Argument-Strukturen
spricht für formalen FTA-Ansatz
Deakzentuierung
Deakzentuierung bekannter Information üblich in westgermanischen Sprachen Engl.: A:
I found an article for you in a German journal. B: I don´t READ German.
Aber keine Deakzentuierung z.B. im indischen Englisch (Gumperz 1982): If you don´t give me that CIgarette I will have to buy a CIgarette.
Deakzentuierung Italienisch: (Kontext: Präsident Scalfaro zu
Untersuchungen in einem Korruptionsskandal)
[le inchieste] servono a mettere a POSto cose andate fuori POSto.´the investigations are helping to put back in ORder things that have got out of ORder.´
eher Variation der Wortstellung als des Akzentmusters Problem für radikalen FTA-Ansatz
Deakzentuierung
Semantisch leere Konstituenten
Indefinitpronomen (in germanischen Sprachen), z.B.
Ich habe jemanden beLOgen vs. Ich habe meinen
besten FREUND belogen.
Deakzentuierung
Semantisch leere Inhaltswörter
He was arrested because he KILled a man. vs. He was arrested because he killed a poLICEman.
Aber im Italienischen: ... perche ha ucciso un UOmo.
vs. ... perche ha ucciso un poliZIOTto
Äquivalente zu Akzenten
Konzept pitch accent gilt nicht als universales Phänomen einige Tonsprachen erzielen Highlighting-
Effekte durch Veränderungen des Tonhöhenumfangs (pitch range), z.B. Chinesisch, Japanisch
oder durch bestimmte Phrasierungen (z.B. Koreanisch)
Dephrasierung
Beispiel Koreanisch A: [satšun-enni] [irimi] [mweni]
(lit. Cousine Name was) B: [satšun-enni irimi] [suni-dži]
(lit. Cousine Name Suni) Analogie zu Deakzentuierung: Name ist der
Kern in der Frage in A realisiert als eigene Phrase; in B ist Name kontextuell gegeben keine eigene Phrase (“Dephrasierung“)
Metrischer Ansatz
z.B. Ladd (1996)
Postulat: Fokus wird nicht durch Akzente markiert, sondern durch die relative metrische Stärke der Konstituenten
Metrischer Ansatz
Phrasierung und Akzentuierung jede ip hat ein DTE (= in der Regel
realisiert durch einen Primärakzent)
s w [JOHNson died]
DTE
Metrischer Ansatz
(w s)
w s
w s s w s w
[[Former President JOHNson] [unexpectedly DIED today]]IP
DTE DTE
Metrischer Ansatz Verknüpfung von Fokus und Akzent ist
abhängig von der Aufteilung einer Äußerung in intermediate phrases (ips) = Akzentdomänen
[DOGS must be carried] = 1 ip = 1 (Primär-) Akzent
[DOGS] [must be CARried] = 2 ips = 2 (Primär-) Akzente
Metrischer Ansatz
keine Frage “Argument vs. Prädikat”, sondern “eine Akzentdomäne vs. zwei”?
je “schwerer” eine Konstituente ist, desto eher bildet sie eine eigene ip phonologisch schwer: Länge semantisch schwer: „Eigenständigkeit“,
Kontrast