journalistische recherche im social web
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technische universität dortmund
Tobias Eberwein & Horst Pöttker | München, 12. Februar 2009
Fakultät KulturwissenschaftenInstitut für Journalistik
Journalistische Recherche im Social Web:Neue Potenziale, neue Probleme?
2Tobias Eberwein & Horst Pöttker | München, 12. Februar 2009
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StudiVZ als journalistische Recherchequelle?
3Tobias Eberwein & Horst Pöttker | München, 12. Februar 2009
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Journalistische Recherche im Social Web:Neue Potenziale, neue Probleme?
Fragestellung:
Welche berufsethischen Konsequenzen ergeben sich aus den neuen Möglichkeiten einer journalistischen Recherche im Social Web?
Zielsetzung:
Identifikation und Systematisierung verschiedener Problemdimensionen Formulierung von Handlungsempfehlungen für die redaktionelle Praxis
Vorgehen:
Forschungsstand Inhaltsanalyse und Experteninterviews: Methode, Ergebnisse, Diskussion Schlussfolgerungen
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Journalistische Recherche im Internet:Forschungsstand
Journalistische RecherchemittelAnteil pro Journalist
in ProzentDauer pro Journalist
in Stunden
Computergestützt 47,0 1:18:15
Suchmaschinen und Webkataloge
Verschiedene Onlineangebote
Onlineangebote redaktioneller Medien
Hausinterne Archive
Datenbanken und Archive
Interaktive Formen
Sonstiges
12,1
8,3
8,0
7,5
7,1
3,3
0,5
0,1
0:22:09
0:09:16
0:12:49
0:14:19
0:12:44
0:05:50
0:00:55
0:00:13
Nicht computergestützt 40,6 1:52:33
Agenturen 11,5 0:23:57
Gesamt 100,0 3:34:45
Quelle: Machill/Beiler/Zenker 2008: 108
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Journalistische Recherche im Internet:Forschungsstand
Problem:
Viele Journalisten weisen sich beim Umgang mit webbasierten Informationsquellen keineswegs als Rechercheprofis aus, sondern gehen meist eher intuitiv, unreflektiert und unsystematisch vor, weil ihnen eine entsprechende Fachkompetenz fehlt. (vgl. Machill/Beiler/Zenker 2008: 290; Neuberger/Welker 2008: 32 und 39; Springer/Wolling 2008: 54f.; Wyss/Keel 2007: 156f. und 2008: 69f.)
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Journalistische Recherche im Internet:Forschungsstand
Welche Relevanz haben Web-2.0-Angebote für die journalistische Arbeit?
Sehr hohe Relevanz 5 %
Hohe Relevanz 25 %
Geringe Relevanz 52 %
Gar keine Relevanz 9 %
Weiß nicht 9 %
Quelle: news aktuell 2007
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Journalistische Recherche im Internet:Forschungsstand
Aber: Einzelne Erhebungen betonen immer wieder das große Potenzial neuer webbasierter Medienformate – vor allem Weblogs – für den journalistischen Alltag:
Weblogs als publizistisches Tool und Recherchetool (Welker 2006 und 2007) Medienblogs, die ins Publikationsumfeld der traditionellen Massenmedien integriert
sind, scheinen bei Journalisten positive Erwartungen zu schüren. (Wied/Schmidt 2008)
„Mit wachsender Vertrautheit mit Blogs steigt offenkundig […] das Ansehen der Blogs.“ (Holler/Vollnhals/Faas 2008: 108)
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Journalistische Recherche im Internet:Zwischenfazit
Quellen im Social Web werden für die journalistische Recherche zunehmend wichtiger.
Der Einbezug von Web-2.0-Quellen in die journalistische Recherche kann dazu beitragen, die Qualität der Berichterstattung zu steigern.
Der Einbezug von Web-2.0-Quellen ist gleichzeitig mit neuen Problemen verbunden, die die journalistische Berufsethik auf die Probe stellen.
9Tobias Eberwein & Horst Pöttker | München, 12. Februar 2009
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Inhaltsanalyse und Experteninterviews:Methode
Inhaltsanalyse:
Untersuchungsgegenstand: fünf überregionale Qualitätszeitungen (SZ, FAZ ohne FAS, Welt ohne WamS, FR, taz)
Vollerhebung im Zeitraum bis zum 31.12.2008 Ziel: Identifikation von Beiträgen, in denen Quellen aus dem Social Web einbezogen wurden
Experteninterviews:
Fünf leitfadengestützte Interviews mit Fachleuten aus journalistischer Praxis, Journalistik, Journalistenausbildung, Medienselbstkontrolle und Blogosphäre
Ziel: Identifikation und Bewertung von berufsethischen Problemdimensionen bei der Einbeziehung von Quellen aus dem Social Web in den journalistischen Rechercheprozess
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Inhaltsanalyse:Weblogs in der überregionalen Qualitätspresse
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 gesamt
SZ 1 2 2 5 21 70 157 290 433 981
FAZ 0 1 3 6 15 63 155 191 289 723
Welt 0 2 0 4 15 75 206 166 242 710
FR 0 0 2 20 36 220 216 409 467 1370
taz 0 0 3 8 13 77 151 282 331 865
gesamt 1 5 10 43 100 505 885 1338 1762 4649
Quelle: eigene Erhebung
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Experteninterviews:Recherche im Social Web – Potenziale und Probleme
Grundsätzlich: Positive Einschätzung der Potenziale des Social Web für diejournalistische Recherche
Aber: Differenzierte Bewertung der unterschiedlichen Formate des Social Web zeigt auch Problemdimensionen auf: Wikis Weblogs Social-Networking-Communities
12Tobias Eberwein & Horst Pöttker | München, 12. Februar 2009
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Experteninterviews:Wikis als Quelle journalistischer Recherche
„Wikipedia ist nach meiner Überzeugung das heimliche Leitmedium im Internet. Jeder, der im Netz war, war auch schon bei Wikipedia. […] Die Wikipedia, eingedampft auf
einen Satz, ließe sich so beschreiben: Viele Leute erzählen freiwillig, was sie wissen. Das ist doch eine traumhafte Situation – gerade für uns Journalisten. Wir kennen das
normalerweise nur so, dass die Leute nicht freiwillig erzählen, was sie wissen.“
(Albrecht Ude, Netzwerk Recherche)
13Tobias Eberwein & Horst Pöttker | München, 12. Februar 2009
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Experteninterviews:Wikis als Quelle journalistischer Recherche
„Die Sorgfaltsregeln, die bisher schon im traditionellen konservativen System für die Nutzung von Quellen galten, gelten auch bei Quellen wie Wikipedia.“
(Manfred Protze, Deutscher Presserat)
14Tobias Eberwein & Horst Pöttker | München, 12. Februar 2009
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Experteninterviews:Weblogs als Quelle journalistischer Recherche
„Als Anstoßpunkt für Recherchen eignen sich Blogs sehr gut. Sie können die journalistische Arbeit bereichern, weil sie zeigen, wie zivilgesellschaftlich gedacht wird – je nachdem in welchen Bereichen man recherchiert. Im Technik-Bereich geht es ohne Blogs gar nicht. Wenn ich wissen will, was eine Bürgerrechtsgruppe oder ein Verband
zu einem bestimmten Thema denkt, dann stoße ich in der Regel auf Blogs. Das sind die zentralen Quellen.“
(Christiane Schulzki-Haddouti, Freie Journalistin)
15Tobias Eberwein & Horst Pöttker | München, 12. Februar 2009
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Experteninterviews:Weblogs als Quelle journalistischer Recherche
„Wenn klar ist, wer da spricht, und wenn sich das auch für Dritte nachvollziehen lässt, dann ist es in Ordnung, aus Weblogs zu zitieren. Wenn es sich aber um ein anonymes
Blog handelt, würde ich damit natürlich vorsichtiger umgehen.“
(Andreas Bittner, DJV-Bundesfachausschuss Online)
16Tobias Eberwein & Horst Pöttker | München, 12. Februar 2009
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Experteninterviews:Netzwerk-Plattformen als Quelle journalistischer Recherche
„Für mich ist das völlig unproblematisch: Die Recherchemöglichkeit in Social Networks ist da und man sollte sie auch nutzen. Die Frage ist nur: Wie gehe ich […] mit den
Ergebnissen um?“
(Albrecht Ude)
17Tobias Eberwein & Horst Pöttker | München, 12. Februar 2009
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Experteninterviews:Netzwerk-Plattformen als Quelle journalistischer Recherche
„Es gelten […] in sozialen Netzwerken unverändert die Regeln, die bisher auch galten: Ein Journalist muss sich, wenn er recherchiert, gegenüber den Quellen ausweisen. Er
muss sich als Journalist zu erkennen geben. Er hat eine berufliche Identifizierungspflicht. Das gilt uneingeschränkt auch für Facebook oder StudiVZ.“
(Manfred Protze)
18Tobias Eberwein & Horst Pöttker | München, 12. Februar 2009
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Schlussfolgerungen
Internetquellen generell, aber auch Quellen im Social Web, werden für die journalistische Recherche zunehmend wichtiger.
Der Einbezug von Web-2.0-Quellen in die journalistische Berichterstattung eröffnet zahlreiche neue Potenziale, kann aber herkömmliche Techniken der (Offline-) Recherche nicht ersetzen.
Der Einbezug von Web-2.0-Quellen ist gleichzeitig mit verschiedenen ethischen Problemen verbunden, die Journalisten im Recherche-Alltag berücksichtigen müssen.
Die ethischen Problemdimensionen sind nicht vollständig neu: Die journalistische Berufsethik hält verschiedene grundlegende Handlungsempfehlungen bereit, um ihnen angemessen zu begegnen.
Die Operationalisierung der gängigen berufsethischen Richtlinien im Kontext des neuen Anwendungsfeldes Social Web scheint bei vielen journalistischen Akteuren noch unzureichend – eine neue Herausforderung für die Journalistenausbildung!
19Tobias Eberwein & Horst Pöttker | München, 12. Februar 2009
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Journalistische Recherche im Social Web:Neue Potenziale, neue Probleme?
Kontaktadresse:
Dipl.-Journ. Tobias Eberwein
Institut für Journalistik
Technische Universität Dortmund
Emil-Figge-Str. 50
44227 Dortmund
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://www.journalistik-dortmund.de
Weblog: http://www.coolepark.de
Titelfoto: Angelika Lutz/pixelio.de
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