lust auf zukunft - statt angst vor krisen
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Orientierung und Inspiration für turbulente Zeiten: Neue Wege zu mehr persönlichem, beruflichem und gesellschaftlichem Engagement.
EINE EINFÜHRUNG
Lust auf Zukunft statt Angst vor Krisen
DIETER LUTZ
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LUST AUF ZUKUNFT
STATT ANGST VOR KRISEN
ORIENTIERUNG UND INSPIRATION FÜR TURBULENTE
ZEITEN: NEUE WEGE ZU MEHR PERSÖNLICHEM,
BERUFLICHEN UND GESELLSCHAFTLICHEN ENGAGEMENT
EINE EINFÜHRUNG
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„Wir dürfen Menschen jedoch nicht dadurch mitzunehmen
versuchen, dass wir ihnen die Wahrheit verschweigen. …
Wer Wählerstimmen oder soziale Akzeptanz durch falsche
Verlockungen, Verheißungen und Versprechungen gewinnt,
die Menschen damit aber langfristig in ihr Verderben führt,
handelt nicht sozial. Wir müssen den Menschen – in den Un-
ternehmen und in der Gesellschaft – die Dinge so schildern,
wie sie sind. Dann werden wir sie auch von den notwendigen
Maßnahmen überzeugen können. ... Zukunft braucht Mut und
Klarheit – Mut zur Wahrheit also!“
Utz Claassen, ehem. Vorstandsvorsitzender der EnBW AG und
erfolgreicher Unternehmenssanierer, in: „Mut zur Wahrheit“
„Die Gesellschaft hat die Verantwortung, jeder Person die
Möglichkeit zu geben und sie dazu zu ermutigen, sich selbst
zu entdecken. Denn wenn die Leute ihre eigene Kreativität und
ihr eigenes Potenzial entdecken können, leisten sie auch einen
Beitrag für die Gesellschaft. Alle Menschen sind von Natur aus
und von Geburt aus UNTERNEHMER. Herausforderungen brin-
gen die Menschen zum Aufblühen! Das Beste, was eine Gesell-
schaft tun kann, ist, ihren Mitgliedern zu erlauben, Herausfor-
derungen anzunehmen und sie dazu auch zu ermutigen.“
Muhammad Yunus, Friedensnobelpreisträger
Gründer der Grameen Bank für Mikrokredite
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EINLEITUNG
Krisen sind etwas sehr Gesundes, oder wie Max Frisch
einmal gesagt hat: „Krise ist ein produktiver Zustand.
Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe
nehmen.“
Warum? Weil Zukunft und Lust auf Zukunft aus Krisen
entstehen. Erst das „Kontrastprogramm einer Krise“ lässt
die Sehnsucht nach einer besseren Zukunft entstehen.
Es ist keine Schande in eine Krise zu geraten – meist sind
wir an ihrer Erschaffung beteiligt. Es wäre aber ein
Fehler, sie nicht zu nutzen und angemessen darauf zu
reagieren. Ob Flüchtlingsproblematik, Terror und
Kriegsgefahr, ob Wirtschafts- und Finanzkrise, Umwelt-
katastrophen, die Ausbeutung von Mutter Erde oder
geistige Orientierungslosigkeit – die menschliche Zivili-
sation steht derzeit vor existenziellen Herausforderun-
gen. Diese vielen krisenhaften Entwicklungen dürfen
nicht isoliert gesehen werden, sondern hängen zusam-
men und verdichten sich zu einer großen Transformati-
onskrise des Lebens auf diesem Planeten. Da diese Zu-
sammenhänge oft nicht verstanden und die vielfältig
vorhandenen Möglichkeiten der Lösung nicht gesehen
werden, reagieren die Menschen, je nach Bewusstseins-
lage, mit Flucht, Angriff oder „Totstellen“. Alle drei Ver-
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haltensweisen gehören zu einem evolutionären Pro-
gramm, das das Überleben sichern soll.
Flucht wäre das Ausblenden der Realitäten, „Totstellen“
verantwortungsloses Nichtstun und Abwarten. Was wir
brauchen ist ein Angriff in Form von beherzten Initiati-
ven und einer ganzheitlichen Herangehensweise.
Derzeit verhalten wir uns noch wie Fachärzte in der
Schulmedizin, von denen jeder an bestimmten Symp-
tomen „herumdoktert“, die Verschiebung der Symptome
auf eine andere Ebene als Heilerfolg feiert und nicht be-
greift, was die Quantenphysik schon längst begriffen hat:
Dass alles mit allem zusammenhängt und alle Symptome
physischer wie psychischer Art nichts anderes sind, als
Signale, die uns darauf aufmerksam machen wollen, dass
auf einer tieferen Bewusstseinsebene Unbewusstes ins
Bewusstsein integriert werden will.
Menschen zeigen Symptome, wenn sie krank werden –
ebenso wie Unternehmen in den typischen Krisen ihrer
Entwicklungszyklen, wie Systeme in Wirtschaft, Gesell-
schaft und Politik sowie derzeit die gesamte Zivilisation
auf diesem Planeten.
Wollen wir das Überleben dieser Zivilisation für die künf-
tigen Generationen nicht nur sichern, sondern unseren
Beitrag leisten für eine gerechtere, friedlichere, nachhal-
tige und lebenswerte Welt, dann wird es höchste Zeit,
dass jeder seinen Beitrag leistet – an der Stelle, wo ihn
das Leben hingestellt hat.
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Unternehmer und Entscheider in Wirtschaft und Gesell-
schaft können durch ihr Beispiel und ihre besonderen
Kompetenzen zu Initialzündern einer solchen Bewegung
werden.
Krisen gehören zum Leben und stellen notwendige
Stufen in Transformationsprozessen dar, in denen kom-
plexe Systeme, die aus dem Gleichgewicht geraten sind,
sich auf dem nächsthöheren Niveau eine neue Balance
suchen.
Was wir am wenigsten brauchen können, ist ein naiver
Zukunftsoptimismus nach dem gefährlichen Motto „Wei-
ter so!“. Wir sollten die Krise als Handlungsimpuls, als
Motivation, ja Energiequelle für unsere Kreativität sehen.
Was uns oft fehlt, ist eine positive Einstellung zu Krisen.
Sie sind keine Krankheiten, die es zu vermeiden oder zu
unterdrücken gilt, sondern Situationen, die uns heraus-
fordern, unser Bestes zu geben. In einem Interview
brachte es die US-Ökonomin Hazel Henderson auf den
Punkt und sagte: „A crime to waste a crisis.“ – Ein Ver-
brechen, eine Krise ungenutzt vorbeigehen zu lassen.
In diesem Sinne wünsche ich den Leserinnen und Lesern
dieses Textes eine positivere Einstellung zu Krisen und
eine gesteigerte Lust auf eine Zukunft, die oft erst aus der
erfolgreichen Bewältigung unserer persönlichen, berufli-
chen, politischen und gesellschaftlichen Krisen hervor-
geht. Das bisherige Feedback der Leserinnen und Leser
dieses Textes hat gezeigt, dass die in diesem Buch aufge-
worfenen Fragen, vermittelten Erkenntnisse, Prinzipien
und Empfehlungen sehr nützlich sind. Je mehr man da-
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von in der Praxis umsetzt, desto nützlicher. Es genügt
nicht zu wissen, man muss es auch tun.
Wir müssen uns vielleicht an Krisen gewöhnen. Eine
durch permanentes Training gesteigerte Kompetenz,
damit umzugehen, wird uns helfen, in einem Zeitalter der
großen Instabilitäten ihre Schwere und Häufigkeit ab-
zumildern.
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POLITIK & WIRTSCHAFT ALS SPIEL
„Herausforderungen bringen Menschen zum Aufblühen!“
(Muhammad Yunus)
Wie fühlen sich die Menschen, wenn sie bemerken, dass
das große Wirtschaftsspiel, in dem sie mitspielen, auf
zum Teil selbst erzeugten Täuschungen und Illusionen
beruht?
Wie fühlt sich der Unternehmer, wenn er spürt, dass
das bisherige Geschäftsmodell und die alten Spielregeln
und Überzeugungen in seiner Branche, trotz immer grö-
ßerer Anstrengungen, irgendwie nicht mehr richtig funk-
tionieren?
Wie würden Sie sich fühlen? Eine mögliche und wahr-
scheinliche Antwort könnte sein: „Ich fühle mich unvoll-
kommen, ich meine, nicht den Anforderungen zu genü-
gen – ich fühle mich sozusagen im Mangel. Es fehlt etwas,
nichts macht mehr Sinn. Es muss etwas geben, von dem
ich noch nichts weiß.“
Jetzt erst beginnen Sie vielleicht nach Antworten und
einem höheren Sinn für Ihr Leben zu suchen.
An diesem Punkt erinnern Sie sich noch nicht daran, wer
Sie in Wirklichkeit sind und welche Kraft, Weisheit, Fülle
und Freude Sie als Potential in sich tragen. Dennoch be-
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ginnen Sie nach einer direkten Erfahrung davon zu su-
chen – zum Beispiel, indem Sie dieses Buch lesen.
Im Jahr der Fußballeuropameisterschaft liegt es nahe,
das Spiel des Lebens mit einem groß angelegten Mann-
schaftsspielspiel zu vergleichen. Auch dort gibt es Regeln.
Die wichtigste ist die, dass es zwei Halbzeiten gibt und
nach der ersten Halbzeit die Seiten gewechselt werden.
Wer dies im Spiel des Lebens nicht weiß, verhält sich wie
ein Fußballspieler, der auch in der zweiten Halbzeit auf
das gleiche Tor schießt, und sich wundert, dass er lau-
fend Eigentore produziert, von seinen Mitspielern immer
weniger Unterstützung erfährt und irgendwann niemand
mehr mit ihm spielen will.
So verhalten sich derzeit die meisten Menschen, obwohl
das Leben all die Antworten auf die Fragen nach den
wichtigsten Spielregeln längst bereithält. Der Mensch
muss nur fragen:
1. Warum soll das Leben in allen seinen Erscheinungs-
formen solche Spiele spielen wollen?
2. Warum spielt man überhaupt Spiele und investiert
solche enormen Mengen an Zeit, Geld, Training und ist
davon überzeugt, dass spielen eine legitime Aktivität
ist?
3. Warum verlässt man warme und bequeme Wohnun-
gen, um unter Schmerzen und hohen Risiken Berge zu
besteigen oder als Milliardär wie Michael Schumacher
in den gefährlichen Formel-1-Zirkus zurückzukehren?
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Stellen Sie sich vor, Sie sind Architekt und erhalten den
Auftrag, ein wunderbares Gebäude zu entwerfen und zu
bauen. Sie stellen es sich vor, zeichnen erste Skizzen und
entwerfen Pläne. Das alles bedeutet viel Freude und ist
sehr lohnenswert, aber noch viel aufregender ist es, zu
erleben, wie das Gebäude dreidimensional entsteht und
real wird.
Ähnlich fühlt man sich beim Auf- und Umbau eines Un-
ternehmens bei privaten und sozialen Projekten.
Die Herausforderung, die Freude am Erschaffen, der
Spaß, die Begeisterung, die Belohnungen, die bei erfolg-
reichem Abschluss eines Projektes winken – das ist die
Ur-Motivation aller Spiele.
Wir erleben es immer wieder: Während der Fußballsai-
son unterbricht ein Großteil der Bevölkerung, noch
mehr, wenn es sich um Welt- oder Europameisterschaf-
ten handelt, ihre Arbeit und verbringt ihre Zeit vor dem
Fernseher, in den Stadien oder beim Public Viewing.
Und die Fans hoffen alle auf Augenblicke höchster Span-
nung, genauso wie der Leser eines Romans oder der Zu-
schauer eines Films. Sie alle genießen etwas, was in ih-
rem realen Leben höchsten Stress hervorrufen würde,
nämlich Unsicherheit bis zum letzten Moment. Für ein
neues Buch oder einen Film, die Eintrittskarte zu einem
Spitzenspiel oder einer gefährlichen Achterbahn im Frei-
zeitpark sind Menschen bereit, teilweise stundenlang
anzustehen.
Erinnern wir uns: Wenn eine Mannschaft – sogar die
Mannschaft für die wir schwärmen – zu leicht gewinnt,
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fällt unsere Freude am Spiel in sich zusammen. Was die
Zuschauer beim Sport und die Leser oder Filmfreunde
am meisten freut, ist der Wettbewerb starker Gegner. Ein
Spiel, Roman oder Film dessen Ausgang bis zur letzten
Sekunde offen ist- die Spannung des Dramas – ist das,
was wir lieben.
Diese Beobachtungen werfen zusätzlich ein Licht darauf,
warum das Leben in der ersten Halbzeit niemals perfekt
ist, und warum wir uns Höhen und Tiefen, Herausforde-
rungen oder die Illusion von Konflikten selbst oder mit
anderen immer wieder kreieren, und das totale Eintau-
chen in die Erfahrung die Wirklichkeit und das Reale
vergessen lässt.
Folgende Metapher hilft mir und vielleicht auch Ihnen,
das Ausmaß des Realitätsverlustes in der ersten Halbzeit
unseres Lebens begreiflich zu machen:
Die Sonne scheint in Wirklichkeit immer: Bei blauem,
wolkenlosem Himmel oder, wenn sich eine dichte Wol-
kendecke dazwischen geschoben hat, und wir sie nicht
sehen können. Sie scheint bei Tag und bei Nacht – alles
ist eine Frage der Perspektive. Die Wärme, das Licht, die
Energie und die Fülle sind immer da. Wenn wir die Täu-
schung – die Illusion des Nichtvorhandenseins der Sonne
– durchschaut haben, fällt es leichter, das aktuelle nur
gefühlte Nichtvorhandensein zu ertragen.
Der Prozess der Bewusstwerdung läuft in etwa so ab, als
ob man mit bestimmten Werkzeugen und Methoden
immer größere Löcher in eine betonharte Wolkendecke
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bohrt, durch die immer mehr Sonnenlicht in unser Leben
auf der Erde scheinen kann, bis der Himmel völlig frei ist.
Die imaginären Wolken sind unsere mentalen Modelle,
Überzeugungen, Glaubenssysteme, Weltbilder, Meinun-
gen und Annahmen, die in Wahrheit Illusionen sind und
uns den Blick auf die Wirklichkeit des Lebens mit all
seiner Fülle und Schönheit verhüllen.
Die Menschheit befindet sich derzeit mitten im Prozess
dieses Bewusstseinswandels.
In diesen instabilen und krisenhaften Zeiten drängt sich
folgende Fragen förmlich auf:
Wie wird das neue Lebensspiel in der zweiten Halbzeit
gespielt?
Unter welchen Rahmenbedingungen werden wir in
Zukunft arbeiten und welchen Beitrag haben wir in
dieser Zeit der Übergänge zu leisten?
Die vollständigen Antworten kenne ich nicht, stattdessen
möchte ich Sie dazu einladen, gemeinsam davon zu
träumen, wie schön es wäre, in einer Welt zu leben, die
ich wie folgt skizzieren möchte:
1. Wir leben in einem inneren Raum, freudvoll, friedvoll
und ruhig – unabhängig davon, was um uns herum
vorgeht oder was irgendwer sagt oder tut.
2. Wir spielen das Wirtschaftsspiel aus schierer Freude
am Spiel ohne spezielle, bewusste Ziele, Aktionspläne
oder Zwänge, spezielle Resultate zu erzielen und er-
zielen dennoch außerordentliche Resultate, finanziel-
le und ideelle.
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3. Wir haben einen stark positiven Einfluss auf unsere
Kunden und die Welt, nicht zuletzt durch unsere
Produkte und Dienstleistungen, jedoch wiederum
ohne jegliche Anstrengung, spezifische Absichten,
Ziele oder Aktionspläne.
4. Wir tun ausschließlich was wir gerne tun, was uns
jeden Tag begeistert, energetisiert, uns in Flow bringt
und lassen alles los, was uns behindert.
5. Wir arbeiten nur, wenn wir wirklich wollen und ha-
ben mehr freie Zeit und Freiheit, als man es sich ge-
rade jetzt vorstellen kann, während wir noch unsere
Rollen möglichst effektiv und effizient spielen.
6. Wir bleiben innerlich komplett unberührt von den
Entwicklungen der Wirtschaft, der Märkte, den Prei-
sen, der Wettbewerber, von Trends, technischen In-
novationen oder anderen Faktoren, die uns jetzt noch
verletzbar oder angreifbar fühlen lassen.
Diese aufregenden Dinge und Zustände werden wir nicht
– wie bisher durch eine Erhöhung der Schlagzahl errei-
chen. Diese Dinge werden eher geschehen, wenn wir sie
auf eine freudvolle, überraschende und anstrengungs-
freie Art und Weise „geschehen lassen“. Das setzt wiede-
rum voraus, dass wir sie für möglich halten. Wir können
nur erreichen, was wir uns vorstellen können.
Nach diesem „Ausflug in die Zukunft – mit dem Kopf in
den Wolken“ erden wir uns, indem wir „mit den Füßen
auf den Boden kommen“ und die gegenwärtige Situation
in den Unternehmen betrachten.
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Erfolgsverhinderer neutralisieren
Wenn ich mich an Unternehmer und Beraterkollegen
sowie ihre Mitarbeiter wende, weise ich zu Beginn
meiner Ausführungen oft darauf hin, dass einiges von
dem, was ich ihnen vermitteln möchte, in krassem Wi-
derspruch zu dem steht, was sie seit dem Eintritt in ihren
Beruf gelernt, gehört, für wahr gehalten, praktiziert und
an Kollegen, Mitarbeiter und Kunden weitergegeben
haben.
Möglicherweise kommen Ihnen, während Sie das Fol-
gende lesen, ähnliche Gedanken wie vielen Ihrer Kolle-
gen und Kolleginnen:
„Das kann in der Praxis nicht funktionieren.“
„Dafür haben wir keine Zeit.“
„Dafür haben wir kein Geld.“
„Das haben wir auch schon gedacht, probiert, und bei
uns hat das nicht funktioniert.“
„Das machen wir schon lange so.“
„Das haben wir noch nie so gemacht.“
„Wir sind doch nicht blöd.“
„Spinnt der, das kann er doch nicht ernst meinen.“
„Wir sind so erfahren und kompetent. Wenn das ginge,
wären wir selbst schon drauf gekommen.“
Wenn Sie ernsthaft motiviert sind, kreativ daran zu ar-
beiten, Ihr Unternehmen zu erneuern und damit an die
sich wandelnden Verhältnisse anzupassen, habe ich ei-
nen Vorschlag für Sie:
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Ich lade Sie dazu ein, alle Ihre Gedanken und Gefühle, die
in eine ähnlich negative Richtung gehen, zunächst einmal
wahrzunehmen, dann anzunehmen – sie dürfen nämlich
alle sein – und sich bewusst zu machen, dass Sie es sind,
die diese Gedanken und Gefühle produzieren oder in ei-
ner früheren entsprechenden Situation kreiert oder
übernommen hatten. Auch wenn meine Ausführungen
die Auslöser sein sollten – Sie haben die Wahl und die
Verantwortung, wie Sie darauf reagieren: Mit Wider-
stand und Ablehnung oder offen und neugierig. Gedan-
ken und Gefühle sind unsere Geschöpfe, die wir irgend-
wann, meist unbewusst, geschaffen haben und die – weil
negativ empfunden – wie ungezogene Kinder in den Kel-
ler des Unbewussten verdrängt haben. Werden sie aus-
gelöst, ist es wie ein Schrei nach Aufmerksamkeit.
Besonders Gefühle, wenn sie unangenehm oder gar
schmerzhaft waren, pflegen wir gerne wegzusperren, um
den Schmerz oder das Unwohlsein nicht mehr spüren zu
müssen.
Ein vorrangiges Ziel aller bewussten Veränderungen
sollte doch sein, dass es uns danach besser geht.
Ihre Lebensqualität wird sich in dem Maße verbessern,
wie es Ihnen gelingt, die in diesen negativen Gefühlen
gespeicherte Energie freizusetzen und zu sich zurückzu-
holen. Immer wenn solche Gefühle hochkommen, sollten
Sie dies als eine Gelegenheit und Chance erkennen, die
zugrunde liegende, ursprüngliche Verletzung zu heilen
und eventuelle Mangel- und Unterlegenheitsgefühle los-
zulassen.
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Symptome jeder Art sind ein Signalsystem unserer Seele,
das uns hilft, bisher Unbewusstes bewusst zu machen,
damit wir heiler werden und uns dauerhaft wohler
fühlen.
Möglicherweise werden Ihre Gefühle gemischt sein:
Während Sie einerseits einen inneren Widerstand gegen
das Neue, Unbekannte spüren, fühlt sich ein anderer Teil
in Ihnen – der neugierige – gerade davon angezogen und
spürt, dass es sich dabei vielleicht gerade um das han-
deln könnte, wonach Sie schon lange gesucht haben.
Der innere Widerstand gegen das Neue, Fremde ist völlig
normal. Er ist Ausdruck Ihres psychischen Immunsystems,
das wie das physische Immunsystem alles Neue erst
einmal darauf überprüft, ob es eine Gefahr darstellt für
das Überleben. Und in der Tat: Neue, realitätsdichtere
Erkenntnisse sind immer eine Gefahr für illusionäre
Glaubenssätze und überholte Verhaltensmuster.
Die neugierige, nach der Wahrheit suchende und die
Wahrheit erkennende Seite in Ihnen – ich nenne sie die
Stimme des Herzens – ist in der Regel leise, zart und
macht nicht so einen Lärm wie die skeptische Stimme
des Verstandes, der meist gar nicht so gesund ist, wie
immer behauptet. Im Verstand ist alles aus der Vergan-
genheit gespeichert, was Sie von anderen übernommen
oder unbewusst selbst kreiert haben. Es ist nicht ver-
kehrt, die Essenz Ihrer Erfahrungen aus der Vergangen-
heit, soweit sie nicht einschränkender Art sind, für die
Gestaltung der Zukunft zu nutzen. Dies kann Ihnen aller-
dings erst dann gelingen, wenn Sie sich dieser Überzeu-
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gungen bewusst sind und sie diversen Tests unterzogen
haben, z.B. ob sie übernommen oder selbst erzeugt wur-
den, ob sie für Ihr Leben nützlich oder eher einschrän-
kend wirken.
Bevor es richtig losgeht, zum Einstieg zwei Fragen:
„Fühlen Sie sich lieber gut als schlecht?“
„Bevorzugen Sie Lust oder Angst?“
Mit diesen Fragen, deren Antworten so offensichtlich zu
sein scheinen, dass sie sich fast erübrigen, steige ich oft
in meine Seminare ein. Die Reaktionen, die ich erhalte,
reichen von zögerlicher Verlegenheit bis hin zu sponta-
ner Heiterkeit. Was alle Menschen wollen ist klar – wie,
auf welchen Wegen, mit welchen Strategien es zu errei-
chen ist, hingegen eher selten. Deshalb geht es in diesem
Buch vor allem darum.
Neben meiner praktischen Tätigkeit habe ich 1984 be-
gonnen, Vorträge und Seminare zum Thema „Erfolgsstra-
tegien für Unternehmer“ für Unternehmen, Kanzleien,
Verbände und Banken zu halten. Seither ist viel Zeit ver-
gangen und ich habe mich immer wieder davor gescheut,
meine Ideen, Erfahrungen und aus der Praxis entwickel-
ten Theorien und Prinzipien in Buchform zu veröffentli-
chen. Warum?
Zum einen fühlte ich mich selbst dafür nicht reif genug
und meinte dies erst dann tun zu dürfen, wenn es eine
perfekte Lehre darstellt, die bis in die letzte Verästelung
systematisch durchdrungen und vor allem in ausrei-
chendem Maße in der Praxis getestet sei.
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Zum anderen wollte ich ein Orientierungswissen zur
Verfügung stellen, welches für jede Art von unternehme-
rischer Rahmenbedingung funktioniert und nicht ledig-
lich der allgemeinen Informationsflut ein weiteres Mana-
gementbuch hinzufügen, das lediglich eine Sammlung
von Erfolgsrezepten und Erfolgsstories darstellt.
Solche Rezepte haben den großen Nachteil, dass sie un-
ter ganz bestimmten Rahmenbedingungen und unter-
nehmerischen Voraussetzungen in der Vergangenheit
zwar funktioniert haben, es jedoch keine zwei Unter-
nehmen gibt, die zum einen absolut gleich sind und zum
andern exakt diese Rahmenbedingungen vorfinden. Es
brauchte also seine Zeit in der Praxis, bis ich die hinter
Erfolg und Misserfolg liegenden tieferen Muster wirklich
„be-griffen“ hatte.
Das wirkliche Begreifen und Verstehen kommt erst
durch das Tun und Sein dessen, was wir intellektuell
vielleicht schon längst verstanden haben. Dem Theoreti-
ker wird nachgesagt, er wisse alles, aber nichts funktio-
niert. Es nützt allerdings nichts, wenn bei einem Prakti-
ker alles funktioniert und keiner weiß warum. Praktiker
brauchen dringender denn je Theorien, die aus der
Praxis stammen, damit alles funktioniert und jeder
weiß warum.
Ein Buch zu schreiben, das nur auf Erfahrungen fußt –
den eigenen oder denen anderer – genügt allerdings auch
nicht, weil hier jeweils von aus Erfahrung resultierenden
Überzeugungen ausgegangen wird, die umgekehrt die
Wahrnehmungen und die Erfahrungen beeinflusst haben.
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Der Inhalt dieses Buches ist Gott sei Dank stark beein-
flusst von einem universalen Wissensfeld, zu dem jeder
Mensch mit Hilfe seiner Intuition potentiell Zugang hat.
Mit diesem Buch habe ich den Versuch unternommen,
beide Quellen des Wissens, das äußere durch Erfahrung
und Lernen gewonnene, wie auch das innere „anzuzap-
fen“ und zusammenzuführen.
An dieses innere Wissen gelange ich – angeregt von mei-
ner Frau, die ein besonderes Talent dafür hat – durch
Fragen, die ich mir stelle, die meine angeborene Neugier
und mein Interesse so stark stimulieren, dass als Ant-
worten Bilder und Gedankenformen entstehen. Diese
versuche ich in Worte zu fassen, indem ich oft zeichne,
aufschreibe oder direkt diktiere und die Texte anschlie-
ßend überarbeite. In dieses innere Wissen fließt dann
mein durch Aus- und Weiterbildung gewonnenes Wissen
aber insbesondere meine praktische Erfahrung selbst-
verständlich mit ein.
Es war ein langer Weg, bis mein Verstand bereit war, die
Kontrolle und den Perfektionismus loszulassen, der Intu-
ition zu vertrauen und mit ihr zu kooperieren.
Intuitiven Hinweisen zu folgen oder sie zu unterdrücken,
ist in gewisser Weise auch eine Frage des Persönlich-
keitstyps und der „Lernumgebung“, in der man auf-
wächst und ausgebildet wird, aber noch mehr eine Frage
des Trainings und der Achtsamkeit bzgl. seiner Intuition.
Ein weiterer Faktor, damit intuitives Wissen aktiviert
und mobilisiert wird, hängt neben dem individuellen
Interesse und dem Bedarf auch vom kollektiven Interes-
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se an bestimmten Problemlösungen und deren Not-
Wendigkeit ab. Not macht bekanntermaßen erfinderisch.
Unser Wirtschaftssystem steckt in einer tiefen System-
krise und bedarf dringend der Erneuerung und nicht nur
kleiner Verbesserungen und Reparaturen, die nicht an
die Wurzel gehen, weil ihnen der Tiefgang fehlt.
Vielfach würde es genügen, sich zurück zu den Wurzeln
zu begeben, wenn „der Baum des alten Systems“ keine
Früchte mehr trägt. Wie es schon in der Bibel heißt: „An
ihren Früchten sollt ihr sie erkennen...“. Dieser erste Satz
wird oft zitiert, es geht aber noch weiter in Matthäus
7, 16-20:
16 An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Kann man
auch Trauben lesen von den Dornen oder Feigen von
den Disteln?
17 Also ein jeglicher guter Baum bringet gute Früchte;
aber ein fauler Baum bringet arge Früchte.
18 Ein guter Baum kann nicht arge Früchte bringen, und
ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen.
19 Ein jeglicher Baum, der nicht gute Früchte bringet,
wird abgehauen bis auf die Wurzel und ins Feuer
geworfen.
20 Darum an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.
„Back to the roots” lautet die Devise. Und vieles von dem,
was mir meine Intuition und meine Erfahrung ins Be-
wusstsein brachte, konnte ich im Grundlagenwerk von
Peter F. Drucker „The Practice of Management“ – schon
1954 erschienen – nachlesen. Die Nichtbeachtung dieser
„Naturgesetze der Unternehmensführung“ war einer der
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Hauptgründe dafür, dass die Welt bis Oberkante Unter-
lippe in diesen Schlamassel dieser globalen Transforma-
tionskrise hineingeraten ist.
Shakespeare hat einmal gesagt: „Unsere Zweifel sind
Verräter. Sie lassen uns das Gute – das wir oft erringen
könnten – nur verlieren, weil wir den Versuch fürchten.“
Obgleich ich nie Probleme damit hatte, meine Gedanken
mündlich mit anderen Menschen zu teilen, hatte ich lange
Jahre Zweifel, ob es mir zu diesem grundlegenden Thema
auch schriftlich gelingen würde – trotz mehr als 80 veröf-
fentlichter Artikel, einem Marketing-Buch und der Mitar-
beit an anderen Büchern. Diese Zweifel musste ich in
Anbetracht der derzeitigen Krisensituation und der ver-
ständlichen Orientierungslosigkeit vieler Menschen los-
lassen. Ich sehe es als Verpflichtung und Auftrag an, mei-
ne Gedanken und Ideen in der weniger flüchtigen Form
festzuhalten und zu verbreiten. Dieses Buch soll Mut
machen und helfen, den Blick in die Zukunft zu richten,
um neben den Problemen und Risiken vor allem Lösun-
gen und Chancen zu erkennen. Probleme werden nicht
dadurch gelöst, dass wir unsere Aufmerksamkeit nur auf
sie richten, weil wir dadurch in eine immer stärkere
Problemtrance geraten können. Da die Energie immer
der Aufmerksamkeit folgt, werden diese Probleme mit
immer mehr Energie aufgeladen, damit immer verwi-
ckelter und „problematischer“. Probleme löst man, indem
man sich von ihnen löst. Loslassen kann man jedoch nur,
was man vorher angenommen hat. Das Wegschauen und
Ausblenden von Realitäten verhindert neue Lösungen.
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Auch liegt es nahe, nicht in jedem Fall mehr vom Gleichen
zu tun, sondern Neues auszuprobieren.
Neu könnte z.B. sein, sich stärker um zwei – bisher weit-
gehend ungenutzte – Ressourcen zu kümmern, die wenig
oder keine finanziellen Investitionen erfordern:
Kooperation durch Nutzung Ihrer privaten, berufli-
chen, gesellschaftlichen und politischen Beziehungen,
und
Innovation durch stärkere Nutzung des Ideenpotenzi-
als aller interessierten Menschen Ihres Umfelds.
Eine weitere Grundvoraussetzung für Lust auf Zukunft
wäre sozusagen eine „Währungsreform der Ansprüche“.
Diese wiederum setzt voraus, dass wir die sogenannte
„Vergleichsfalle“ vermeiden. Diese Vergleichsfalle beruht
auf drei Lücken:
1. Was man hat, verglichen mit dem, was man sich
wünscht.
2. Was man hat und was man glaubt, was andere haben.
3. Was man hat, verglichen mit dem Besten, was man in
der Vergangenheit hatte.
Der Vergleich mit denen, denen es besser geht, macht nur
unzufrieden und erzeugt Mangelgefühle. Wie heißt es so
schön: „Zufrieden werden großes Glück. Zufrieden blei-
ben Meisterstück.“
Dieses Bonmot ist die beste Medizin gegen die nie nach-
lassenden Versuche der Marketing-Industrie, Mangelbe-
wusstsein zu erzeugen, um leichter verkaufen zu können.
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Wenden wir uns in schwierigen Zeiten besser der „Fülle
der Möglichkeiten“ zu und freuen uns lieber auf das, was
an Gutem auf uns wartet.
„Vor-Freude ist die schönste Freude“. Sie erzeugt LUST,
was deutlich mehr ist als Vergnügen, das sich ableitet
von genug bekommen und aus der Rechtssprache
kommt: wenn genug bezahlt wurde, ist der Gläubiger
zufriedengestellt und vergnügt.
Wenn es anders kommt, als Sie es sich vorgestellt haben,
sollten Sie nicht zu lange enttäuscht sein. Die genossene
Vorfreude kann einem niemand mehr nehmen.
Im Gegensatz zu Vergnügen ist Lust eine Empfindung des
Herzens und noch stärker als Freude. Sie schmeckt nach
Leidenschaft.
Ein Hindernis, wahre Lust auf Zukunft zu empfinden, ist
in der heutigen Zeit die Sucht nach Vergnügungen, um
Spaß zu haben. Spaß kann man sich kaufen nach dem
Motto: Ich bezahle Geld dafür, dass ich genug bekomme,
z.B. als Konsument von Unterhaltung. Spaß ist letztlich
ein unvollkommener Ersatz für wahre Freude. Freudlo-
sigkeit ist die Mutter der Vergnügungssucht. Die Spaß-
Gesellschaft spiegelt die Tristesse unserer Zeit und ist
letztlich verletzend und inhuman. Es ist erschreckend,
wenn 94,3 % junger Frauen in der Altersgruppe zwi-
schen 18 und 24 Shopping als ihr größtes Vergnügen
bezeichnen.
Spaß bleibt immer an der Oberfläche und wird
gebraucht, um die dunkle Stimmung des Herzens zu
vertreiben.
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Begriffe wie „Ich-AG“ fördern und zeigen eine Tendenz,
ohne Rücksicht auf andere seinen eigenen Spaß zu ha-
ben. Viele Comedy-Formate beruhen darauf, Spaß auf
Kosten anderer zu haben, andere lächerlich zu machen
und sich daran zu vergnügen. Dagegen machen Freude
und Lust lebendig, bewegt, lassen „das Herz hüpfen“,
machen froh und LUST-ig.
Von Martin Walser stammt der Satz: „Dass das mehr
wird, was ich mit anderen teile“ und das Sprichwort „Ge-
teilte Freude ist doppelte Freude“ deutet in die gleiche
Richtung. Die Welt der Wirtschaft braucht dringend eine
„Kultur des Teilens“ als Grundlage menschlicher Zivilisa-
tion statt des rücksichtslosen Wettbewerbs. Gegen Wett-
bewerb ist solange nichts einzuwenden, als er dazu führt,
dass jeder sein volles Potenzial entwickeln kann, unab-
hängig davon, wer letztlich der Beste ist. Insoweit haben
Kooperation und Wettbewerb das gleiche Ziel und kön-
nen gleichermaßen Strategien, also Wege zum Ziel, sein,
die die Lebenslust entfachen und den Frohsinn fördern
können. Im Spiel wird dies ganz deutlich.
Eine wirksame Methode, Problemtrancen in Lösungs-
trancen zu verwandeln, ist die Beantwortung folgender
Fragen:
1. Was ist gut an der heutigen Situation?
2. Was haben wir und was wollen wir nicht mehr?
3. Was hätten wir gerne stattdessen?
4. Wann war es schon mal besser?
5. Wenn ein Wunder geschehen würde, woran würden
wir es merken, dass es besser geworden ist?
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Eine weitere Voraussetzung für Lust auf Zukunft ist inne-
re Stabilität, hervorgerufen durch sinnvolle Zukunfts-
bilder (Visionen), das Bewusstsein der eigenen Kom-
petenz, stärkende Rituale und vor allem ein gesundes
Selbstwertgefühl. Letzteres ist nicht nur eine psychische,
sondern gleichermaßen eine ökonomische Not-
wendigkeit.
Krisen stellen neue Anforderungen an die psychologi-
schen Ressourcen der Menschen. „Wendig sein in der
Not“ wird zur Not-wendigkeit im Sinne von Anpassungs-
fähigkeit an eine dynamische und komplexe Umwelt.
Unabhängig von der Position brauchen die Menschen
mehr Innovationsbereitschaft, mehr Selbstmanagement-
kompetenz, mehr Selbstverantwortung und mehr Eigen-
initiative. Daraus erwachsen mehr Selbstbewusstsein,
mehr Selbstvertrauen und das o.g. gesunde Selbst-
wertgefühl.
Wir brauchen ein nie da gewesenes Wissens- und Quali-
fikationsniveau aller Menschen. Die Menschen sind zu-
mindest in unseren Breiten freier als jemals zuvor. Sie
haben die „Qual der Wahl“ bezüglich Ihrer Religion, Ihres
Berufes, Ihres Aufenthaltsortes, Ihres Partners und Ihres
Lebensstils.
Dies erfordert ein höheres Maß an Autonomie. Je größer
die Wahlmöglichkeit desto größer muss das Selbstwert-
gefühl sein.
Der Begriff Selbstwertgefühl sollte nicht verwechselt
werden mit dem Ich-Bewusstsein oder EGO, das immer
Angst hat, nicht zu überleben. Selbstwert setzt sich zu-
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sammen aus Selbstwirksamkeit im Sinne von Kompetenz
im Umgang mit den grundlegenden Herausforderungen
des Lebens und Selbstachtung im Sinne von Wertigkeit
(es wert sein, Erfolg und Glück zu haben).
Beim Begriff „Selbst“ fällt auf, dass es zumindest sprach-
lich keine „Selbsts“ und keine „Selbste“, also keinen Plu-
ral gibt, sondern nur ein großes Selbst, ein großes Ganzes
oder eine Ganz-heit, das sich aus uns allen als Teil-heiten
zusammensetzt. Das gleiche gilt für den Begriff Bewusst-
sein, der auch nur in der Einzahl besteht. „Bewusstseine
oder Bewusstseins“ gehen uns nur schwer über die Lip-
pen, auch wenn wir von Unter-, Überbewusstsein, kollek-
tivem, individuellem und kulturellem Bewusstsein spre-
chen. Es gibt offensichtlich nur ein Bewusstsein im Sinne
von Bewusstheit und wir können uns dafür öffnen oder
uns in Wahnvorstellungen des Egos flüchten – mit den
desaströsen Folgen, mit denen wir derzeit in unserer
globalisierten Welt zu kämpfen haben. Ebenso wie die
vielen Kriege mit ihren „Kollateralschäden“ in den letzten
5.000 Jahren, sind sie auf die intelligente Unbewusstheit
oder intelligente Dummheit des Egos zurückzuführen.
Dagegen macht die Freude der Bewusstheit im wahrsten
Sinne des Wortes lebenslustig.
Lebensfrohe Menschen sind allerdings keine leicht mani-
pulierbaren Konsumenten, die man in die oben genannte
„Vergleichsfalle“ locken kann – nach der Maxime unserer
Zeit: „Geben Sie sich nicht zufrieden, es gibt noch etwas
Besseres.“ Durch diese Maxime wird Unzufriedenheit
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erzeugt, das normale gesunde Verlangen bis zur Gier
stimuliert und Zweifel bis zur Ver-zweiflung gesät.
Sie erinnern sich an Shakespeare? „Unsere Zweifel sind
Verräter und lassen uns oft das Gute, das wir gewinnen
könnten, dadurch verlieren, dass sie uns abhalten, es
ernstlich zu wollen“.
Wir sollten uns immer vor Augen halten, dass diese sys-
temimmanenten Manipulationsversuche mit dem Ziel,
unsere Unzufriedenheit zu nähren und aus diesem Man-
gelgefühl heraus uns kauf-lustiger zu machen, die Reali-
tät verschleiern müssen. Global betrachtet, wenn auch
nicht in der erwünschten Geschwindigkeit, wird nämlich
das Leben für die Menschen immer besser, was Wohl-
stand, Bildung, berufliche Erfüllung, Partnerschaft und
die oben genannten Wahlmöglichkeiten anbelangt.
Ich will die globalen Verhältnisse nicht schön färben,
sondern versuchen, möglichst dicht an die Realität heran
zu kommen.
Diese Absicht findet man leider nicht bei Allen, die Ein-
fluss auf die öffentliche Meinung nehmen. Schlimm bis
unerträglich sind die Vernebelungsstrategien all der
gesellschaftlichen Gruppen, die man als Nullsummen-
Spieler bezeichnen kann. Dieser Begriff aus der Spielthe-
orie trifft auf die Politik ebenso zu wie auf die Medien. In
der Politik führt der Gewinn von Wählerstimmen durch
die eine Partei zum Verlust von Wählerstimmen bei den
Anderen. In den Medien führt der Gewinn von Einschalt-
quoten oder Lesern zum Verlust bei der Konkurrenz.
Immer wenn der Gewinn des Einen den Verlust bei den
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Anderen bedeutet, bleibt die Summe sozusagen Null,
weshalb diese Situation Null-Summen-Spiel genannt
wird.
Aufgabe der Politiker wie der Medien wäre es, der Bevöl-
kerung die reale Lage ungeschminkt zu schildern und
gleichzeitig Zuversicht zu verbreiten und aufzuzeigen,
dass die Probleme lösbar sind, wenn man sie
beherzt anpackt.
Eine weitere Behinderung unserer Zukunftslust ist im
kulturellen Unbewussten der Deutschen zu sehen, unse-
rem Nationalcharakter. Im Vergleich mit anderen Län-
dern besteht in Deutschland eine unglaubliche Angst vor
Chaos, die sogenannte „German angst“. Dies hängt mit
unserer Geschichte zusammen: Jeder größere Krieg der
letzten Jahrhunderte hat Deutschland aufgrund seiner
geografisch zentralen Lage betroffen. Nach dem 2. Welt-
krieg entwickelte Deutschland eine große Sehnsucht
nach Frieden und Ordnung. Angst vor Risiko und
Fehlern, für die man zur Verantwortung gezogen wird,
ist weit verbreitet. Ebenso die Vorsicht und Skepsis ge-
genüber jeder Art von Visionen (Zukunftsbildern), die
naturgemäß immer ein Risiko des Scheiterns beinhalten.
Treffender als in dem Spruch: „Wer Visionen hat, soll
zum Arzt gehen.“, der seltsamerweise zwei ehemaligen
Kanzlern der Bundesrepubliken Deutschland und Öster-
reich, nämlich Helmut Schmidt und Bruno Kreisky nach-
gesagt wird, kann man dies nicht ausdrücken. Beide So-
zialdemokraten waren Teilnehmer des 2. Weltkriegs und
gehören zur sogenannten von den Nazis verratenen Ge-
neration. Die Deutschen haben nach Aussage des franzö-
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sischen Psychoanalytikers Clotaire Rapaille „Keinen
Traum, sie haben eine Angst“. So wird auch verständlich,
wieso die Friedens- als auch die Umweltbewegung in
Deutschland so stark sind. Nach seiner Meinung ist die
deutsche Kultur „eine verdammt ernste Kultur“, eine
extrem fordernde Kultur, die besagt, dass wir nicht zum
Spaß hier sind. Eine Kultur mit sehr viel Tiefgang, die
berühmte Psychiater wie Freud und Jung ebenso wie
Dichter, Denker, Philosophen und Musiker von Weltrang
hervorgebracht hat. Durch die tiefe Suche nach Bedeu-
tung und Sinn ist unser kulturelles Unbewusstes seiner
Meinung nach sehr viel erwachsener und sehr viel reifer
als das vieler anderer Kulturen.
Durch diese Disposition fällt es den Deutschen – auch
aufgrund ihrer historischen Erfahrungen – schwerer als
zum Beispiel Amerikanern oder anderen Völkern, Lust
auf Zukunft zu entwickeln. Es erscheint paradox und
macht es gleichzeitig verständlich, wenn trotz oder gera-
de wegen der Angst vor Fehlern deutsche Unternehmen
weltweit als Organisationsweltmeister und Innovations-
führer gelten. Während es im Mittelstand sehr mensch-
lich zugeht, ist in Großunternehmen bei der Manage-
ment-Elite die Humanorientierung vergleichsweise un-
terdurchschnittlich ausgeprägt, dafür die
Durchsetzungsbereitschaft, sprich Dominanz umso mehr.
Das Problem: Angst vor Fehlern bedeutet mangelnde
Experimentierfreude und Kreativität und ist Gift für die
Innovationskraft, eine der großen deutschen Stärken.
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Insbesondere der Verantwortungsverlust der Manage-
ment-Eliten hat die Kernressource zerstört, ohne die
Zukunft nicht möglich ist, nämlich Vertrauen. Man kann
sich derzeit besonders im Bankenbereich kaum noch vor
vollmundigen Beteuerungen in der Werbung retten, dass
man ihnen jetzt wieder trauen kann. Allein mir fehlt der
Glaube, wenn ich beobachte, dass unter anderen Be-
zeichnungen die gleichen riskanten Finanzprodukte an-
geboten werden und damit die Kunden weiterhin über
den Tisch gezogen werden wie vor dem Bankencrash.
Hier wurde offenbar nichts gelernt.
Das kommt davon, wenn man es den Verantwortlichen
zu leicht macht, weil die mitverantwortliche Politik be-
fürchtet, an ihre eigenen Fehler der Vergangenheit erin-
nert zu werden. All die Versuche, mit Hilfe konjunkturpo-
litischer Maßnahmen den Zusammenbruch „systemrele-
vanter“ Marktteilnehmer zu verhindern, unterstützt die
Teile der Elite, die weiterhin Gewinne individualisieren
und Verluste sozialisieren wollen. In der ersten Signal-
krise nach 2001 haben sie in unverantwortlicher Weise
unser Land mit seinem System der sozialen Marktwirt-
schaft schlechtgeredet, die USA in den Himmel gelobt.
Jetzt, da die Realität sichtbar geworden ist, versuchen sie
alles um weiterhin die Realität zu vernebeln, das alte
System zu reparieren, die Stimmung so lange wie mög-
lich hochzuhalten, um den Unfug der weiteren Verschul-
dung fortsetzen zu können.
Der Philosoph Peter Sloterdijk erinnert dazu mit gewis-
ser Ironie an den Kinderreim: „Die Feuerwehr ist gar
nicht dumm, die löscht gleich mit Petroleum.“
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Wer sich anschickt, „Erfolgsstrategien“ zu finden, die
auch unter den Extrembedingungen einer Krise funktio-
nieren, kommt nicht darum herum, grundsätzlich
zu werden und sich auf die Prinzipien guten Manage-
ments zu besinnen. Vorab gilt es die wichtigsten Begriffe
zu klären.
Unter Erfolg verstehen wir die Art und den Grad der Ziel-
erreichung. Strategien sind Vorgehensweisen, wie man
seine Ressourcen organisiert, um Ziele zu erreichen, also
Wege zum Ziel. Ziele sind zukünftige Sollzustände, die Sie
nur erreichen können, wenn Sie sich der aktuellen Ist-
Situation bewusst sind.
Strategisch ist alles, was „Stärken stärkt“ und „Schwä-
chen schwächt“ sowie „Chancen nutzt“ und „Risiken mi-
nimiert“ und so einen Beitrag zur Erreichung der Unter-
nehmensziele liefert.
Fragt man Unternehmer nach ihren strategischen Zielen
erhält man meist sehr ähnliche Antworten:
1. kompetente und engagierte Mitarbeiter, die zu
ihnen passen,
2. eine effiziente Organisation,
3. eine hohe Attraktivität des Unternehmens und
Kunden, die begeistert weiterempfehlen,
4. großzügige Honorierung, nachhaltige Gewinne und
Cash Flows, also wirtschaftlichen Erfolg, und
5. Verbesserung der Lebensqualität aller Beteiligten.
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„Was“ die meisten wollen, ist also ziemlich klar. „Wie“ sie
es erreichen können, insbesondere auch in schwierigen
Zeiten, schon viel weniger. Oft sieht man im Tagesge-
schäft vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. In die-
sem Buch gehe ich häufig von sogenannten Orientie-
rungsverallgemeinerungen aus. Diese sind von breiter
Übereinstimmung getragen und zeigen uns, wo die wich-
tigen Wälder stehen, auch wenn wir uns noch streiten,
welche und wie viele Bäume sie enthalten.
Um die Darstellung so einfach wie möglich und nicht
komplexer als nötig werden zu lassen sowie das Rad
nicht neu zu erfinden, baue ich auf den Erkenntnissen
ganzheitlich orientierter Management-Denker und Prak-
tiker auf. Stellvertretend seien hier nur drei genannt:
Peter F. Drucker, Wolfgang Mewes und Fredmund Malik.
Das St. Galler Management-Modell, mit dem ich seit mehr
als einem Vierteljahrhundert die besten Erfahrungen in
der Praxis gemacht habe, nutze ich unter anderem als
Fundament für meine Ausführungen. Dabei fließen die
neuesten Erkenntnisse aus verschiedenen Wissenszwei-
gen ein, wie Betriebswirtschaftslehre, Ökonomie, Psycho-
logie, Kybernetik, Systemtheorie und weiteren Komplexi-
tätswissenschaften wie Bionik.
Diese Erkenntnisse stellen bereits gesichert geltendes
Wissen dar. Durch ihre Verwendung in diesem Buch
entsteht eine ungefähre Wissenslandkarte. Für das Nach-
tragen weiterer Details in diese Karte besteht viel Spiel-
raum, so dass diese Orientierungskarte an keiner Stelle
als fix und fertig verstanden werden soll. Deshalb eine
Empfehlung für diese Lektüre:
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Glauben Sie nichts, weil schon der Begriff „Glaube“ einen
Rest von Zweifeln enthält.
Wissen hingegen bedeutet Gewissheit, totales überzeugt-
sein. Probieren Sie die Erkenntnisse und eventuellen
Handlungsempfehlungen in der Praxis aus und wenden
Sie die Prinzipien in Ihrem Alltag an. Sammeln Sie Ihre
eigenen Erfahrungen und prüfen Sie, ob sich Ihr Leben
dadurch verbessert.
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Liebe Leserinnen und Leser,
ich sehe dieses Buch nicht als einseitige Informations-
vermittlung, sondern vor allen Dingen als ein Instrument
der Kommunikation. Es ermöglicht Ihnen und mir,
in einen fruchtbaren Dialog einzutreten. Ich lade Sie
deshalb herzlich ein, mit mir Kontakt aufzunehmen und
mir Ihre Fragen, Erfahrungen und Anregungen
mitzuteilen.
Telefon: 07854 9696-0, E-Mail: [email protected];
Homepage: www.erc.de
Noch ein Hinweis zum Umgang mit diesem Text: Nutzen
Sie die freien Stellen auf den Seiten für Ihre persönlichen
Notizen und Ideen, Fragen und Erkenntnisse. Schreiben Sie
auf diese Art und Weise den Text für sich fort.
Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre.
Ihr
Dieter Lutz
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Zurück von seiner letzten Forschungsreise, bringt Dieter Lutz die neuesten Erkenntnisse mit, u. a.: wie wir gerade aus Krisen neue Kraft schöpfen, Herausforderungen annehmen, Chancen nutzen und gestärkt mit Mut und Zuversicht die Zukunft gestalten können.
Er hat als Unternehmer, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht vielfältige Erfahrungen gesammelt, u. a. als Krisen- und Sanierungsberater.
Der Pionier des Life- und Business-Coaching vertritt auch als Autor in „ Lust auf Zukunft statt Angst vor Krisen! – Erfolgsstrategien für Unternehmer und Entscheider “ einen ganzheitlichen Ansatz, wonach gerade persönliches Engagement zu einer noch höheren Lebensqualität aller Beteiligten führt.
Er entwickelt und leitet seit vielen Jahren Seminare und strategische Trainingsprogramme zur Potenzialentwicklung.
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