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Netzwerk Magazin 2019 Preis 5.00 Euro • 30 Jahre Netzwerk • Tai Chi für die Polizei • Das Burnout-Syndrom aus Sicht der TCM

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NetzwerkMagazin

2019

Preis 5.00

Euro

• 30 Jahre Netzwerk

• Tai Chi für die Polizei

• Das Burnout-Syndrom aus Sicht der TCM

Inhalt

Netzwerkmagazin des BVTQ · 20192

Magazin der Bundesvereinigung für Taijiquan und Qigong e.V. –

Das Netzwerk

ChefredakteurinSonja Blank

Redaktionelle MitarbeitGabriele Bührer, Volkmar Ostheimer-Pietsch,Markus Maria Wagner

GestaltungMartina Schughart, Düsseldorf

Druckbonitasprint gmbh, Würzburg

HerausgeberBundesvereinigung für Taijiquan und Qigong e.V. – Das NetzwerkOberkleener Straße 23, D-35510 ButzbachFon: 06447 88 59 37Fax: 06447 88 60 204Mail: [email protected]: www.taijiquan-qigong.de

Einzelpreis: 5,00 Euro

VorstandAnnette Deinzer [email protected] Harras, [email protected] Wagner [email protected]

Beiträge bis spätestens 30.11. jeden Jahres an:Sonja BlankOberkleener Straße 2335510 ButzbachFon: 06447 88 59 37Mail: [email protected]

Titelfoto:Übung mit der Pferdeschwanzpeitsche(Fuchen)

© Copyright by BVTQ e.V.

Die einzelnen Beiträge geben nicht unbe-dingt die Meinung der Redaktion wieder.

BildnachweisTitel: Peter FrankS. 8-10 Anne Baisch, S. 43 Gabriele Bührer, S. 48 Hella Ebel

andere Seiten Archive der Autoren, sowie Adobe Stock, Fotolia, Netzwerk-Archiv, Shutterstock.

Illustrationen: S. 40 und 45 Anne Baisch

IMPRESSUMEditorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

FACHLICHES

Und jedem Wandel wohnt ein Zauber inne · Von Axel Dreyer . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

30 Jahre Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Einmal lernen – überall anwenden · Von Dieter Mayer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Tai Chi für die Polizei · Von Daniel Grolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

Taiji-Meisterinnen · Interview mit Hella Ebel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

Wenn sich Betriebe um die Gesundheit sorgen · Von Michael Raab . . . . . . . . . . 24

Power Qi – Chang Qiang Qigong · Von Achim Eckert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

Das Burnout-Syndrom aus Sicht der TCM · Von Angela Cooper . . . . . . . . . . . . . . 30

Qigong, Taiji und FinanzenDas §20-Krankenkassen-Dilemma · Von Helke Brunkhorst . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

Über die innere Kraft Peng-Jin und wodurch sie entsteht · Von Hyo-Won Gim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

VEREINSINTERNES

Das Jahr 2018 – Rückblick und Ausblick · Vom Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

Jubiläumstagung 2019Impulse – Informationen – Austausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

Qilin-Akademie – Neustart in 2019 · Von Gudrun Geibig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

ZPP-Kurskonzepte, ZPP-Beratungsstelle, Neuer Leitfaden · Von Susanne Hainbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .43

Fragen zu Steuern, Versicherungen und Marketing · Von Petra Welz . . . . . . . . 46

Serviceleistungen für Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .46

EVENTS

Tai Chi und Qigong als universitäres Bildungsprogramm · Von Emi Chatzipanagiotti. . . . . . . . . . . . . . . . 47

Erstes Osnabrücker Push Hand Treffen · Von Sonja Blank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

WISSENSWERTES ZUR BERUFSPRAXIS

Betriebsprüfungen · Von Brigitte Siegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

Die EU Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) · Von Petra Welz . . . . . . . . . . . . 52

DVD-Tipps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

Netzwerkmagazin

Editorial

3Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

Liebe Leserinnen und Leser,

Im Februar hat das chinesische Neujahr begonnen – das Jahr desSchweins. Alle Kenner des chinesischen Tierkreises wissen na-türlich sofort, das Schwein bleibt ruhig, egal, wie schwierig dieProbleme auch sein mögen. Mit großem Verantwortungssinnund der entsprechenden Qualität führt es die Dinge zu Ende, fürdie es sich verpflichtet fühlt. Wohlan. Wir dürfen gespannt sein.

Für unseren Verein ist 2019 ein Jubiläumsjahr. Wir blicken aufdreißig Jahre Taijiquan und Qigong Netzwerk zurück. Mittler-weile sind seit der Gründung Generationen nachgewachsen. Ei-nige der „GründerInnen“ des Netzwerkes sind inzwischen leiderschon gestorben. Umso wichtiger wird es, die Geschichte zu be-wahren. Als wir uns in Vorbereitung des Jubiläums dieser Auf-gabe annehmen wollten, stießen wir – wie übrigens auch schonbei früheren Jubiläen – auf ein Problem. Es gibt nicht die Netz-werkchronik oder die Netzwerkgeschichte. Wie bei jedem wach-senden Organismus war zu Beginn noch kein Bewusstsein da-für, alles für eine Nachwelt zu dokumentieren. Man war ja be-schäftigt mit den täglichen Aufgaben. Nun haben wir unsumgeschaut, Gespräche geführt, Material ausgegraben und ver-sucht Puzzleteile zusammen zu setzen. Einen Teil dieses „For-schungsprojektes“ finden Sie hier in diesem Heft. Wir fragten ei-nige AkteurInnen der Anfangsjahre nach ihren Erlebnissen undErfahrungen und stellen ihre interessanten Geschichten in die-sem Heft nebeneinander. Aus allen Geschichten leuchtet diecharismatische Persönlichkeit von Christel Proksch, der Inspira-torin unseres Netzwerkes, hindurch. Das Beeindruckende andieser Frau ist, wie sie mit Leichtigkeit und Charme die Künstezu verbinden wusste. Sie konnte auf so unvergleichliche WeiseTaijiquan mit Philosophie, Musik, Literatur und Sprache verbin-den. Da gab es keine Abgrenzungen. Und so war auch ihre Taiji-Lehre. Sie forderte von Anfang an ihre zahlreichen SchülerInnendazu auf, über den Tellerrand zu schauen, sich zu vernetzen undvoneinander zu lernen.

Als wir das Jubiläum vor zwei Jahren vorzubereiten begannen,entstand im Team ganz stark der Wunsch, nicht nur die Ver-gangenheit im Blick zu haben, sondern zu schauen, wie sich un-sere Künste entwickeln und welche Herausforderungen unsererharren. Wir stellten uns die Frage, ob sich unsere Künste mo-dernen Trends anpassen sollten und wenn ja welche Ideen esdazu gibt und ob vielleicht sogar schon erste Erfahrungen vor-

liegen. „Taijiquan und Qigong im Wandel“ – unter dieses Themastellten wir unsere Fachtagung, die im Juni dieses Jahres imKloster „St. Gottfried in Niddatal stattfinden wird. Das ThemaWandel inspirierte uns auch für diese Ausgabe des Magazins.Wir schauten uns um, welche Trends derzeit erkennbar sind undstellen einiges davon hier vor.

Sie dürfen gespannt sein, wie Taijiquan in einer Studie als Aus-bildungsbaustein für PolizistInnen abgeschnitten hat, welcheErfahrungen es mit Qigong in der Burnout-Prophylaxe gibt, wieMuskelaufbau auf der Basis der Meridiane funktioniert, welchepersönlichen Qualitäten für das betriebliche Gesundheitsmana-gement erforderlich sind, wie man endlich genug Geld mit Taiji-quan oder Qigong oder mit beidem verdienen kann und erfah-ren, was es mit Peng-Jin wirklich auf sich hat.

Darüber hinaus berichtet der Vorstand über seine Arbeit. Wirstellen die neuen Anforderungen des Leitfadens Prävention undinformieren darüber, welche Konsequenzen diese Änderungenfür uns als Anbieter haben. Außerdem freuen wir uns, Ihnenwieder interessante Informationen zu Ihrer beruflichen Praxisals Taijiquan- oder Qigong-LehrerIn geben zu können mit so in-teressanten – wenn auch nicht gerade besonders beliebten –Themen wie die Datenschutzverordnung oder die Betriebsprü-

fung. Und sollten sich bei Ihnen jetzt schonbeim Lesen dieser Themen die Nackenhaareaufstellen, denken Sie dran – das Schweinbleibt ruhig, egal, wie schwierig die Problemeauch sein mögen.

Ich wünsche Ihnen viel Inspiration beim Lesen

Sonja Blank

Ich behaupte, es ist bereits eines der in-telligentesten und am weitesten entwi-ckelten Systeme, das uns Praktizierendeauffordert, in es hineinzuwachsen undmit Leben zu erfüllen. Wenn uns dasnicht gelingt, wird Taijiquan verflachenund in der Beliebigkeit versinken.

Sobald es um Wandlung und Verände-rung geht, sind zwei Worte für mich wich-tig: Loslassen und Menschlichkeit. Los-

lassen ist ein universales Prinzip. Obwohlwir in jedem Augenblick unseres Lebenslernen müssen loszulassen, versuchenwir uns abzusichern, klammern uns anBestehendes und rechtfertigen unsereExistenz durch das, was wir leisten. Los-lassen bzw. Nicht-Tun, ist ein Gegenent-wurf. Nicht-Tun ist die wörtliche Überset-zung des chinesischen Wortes „wu wei“,bedeutet aber eher so viel wie geschehenlassen, sich überlassen, sich lassen, ge-

lassen sein. Der deutsche Mystiker Meis-ter Eckhart (1260-1328) hat gesagt „wodu dich findest, da lass dich. Das ist dasAllerbeste.“ Er meint damit das konse-quente Loslassen unseres kleinen vom Ei-genwillen und der Ichbezogenheit ge-prägten Selbst. Wandel so verstanden istalso ein ständiger Prozess vom kleinenSelbst hin zum großen SELBST, zu dem,was uns im Kern ausmacht. Von der Ich-Zentriertheit, bei der es hauptsächlichum den eigenen Vorteil, die eigenen Inte-ressen geht, hin zum Wohl der Familie,der Gemeinschaft, des Landes usw., vondestruktiven Kräften zu lebensbejahen-den. Entscheidend ist, dass wir auf vielenEbenen bewusster werden. Bewussterwas unsere Motive betrifft, bewussterdafür, was unser Tun oder Nicht-Tun fürFolgen hat und vor allem bewusster da-für, wer und was wir sind. Wie sehe ich

Fachliches

Netzwerkmagazin des BVTQ · 20194

Von Axel Dreyer

Und jedem Wandel wohnt ein Zauber inne

Welch eine verblüffende Gleichzeitigkeit der Ereignisse? Da werde ich von SonjaBlank gefragt, ob ich für das Netzwerk-Heft 2019 einen Artikel zum Thema „Taiji-quan und Qigong im Wandel“ schreiben kann und unmittelbar darauf erscheinenim Taijiquan & Qigong Journal 4/18 gleich mehrere Beiträge, die dieses Thema auf-greifen. Helmut Oberlack in seinem Editorial, Dietlind Zimmermann in ihrer Kolum-ne „Loslassen – warum eigentlich?“ und Jan Silberstorff antworten auf die Frage„Wie sieht die Zukunft von Taijiquan aus?“: „Taijiquan wird zu einer Weltkunst wer-den … es wird sich zu einem der intelligentesten und am weitesten entwickeltenSysteme herausbilden, um Körper und Geist zu pflegen ...“

Fachliches

mich selbst, welche Gedanken und Über-zeugungen prägen mein Leben usw.Wenn wir etwas genauer hinschauen,merken wir, wie oft wir im Verlauf des Ta-ges negative Gedanken und Gefühle unsselbst und anderen gegenüber hegen.Bewusster leben heißt dann auch, nega-tive Gedanken und Gefühle immer mehrloszulassen und das Leben nährende Ge-fühle und Verhaltensweisen zu stärken.Negativ wirkt sich zum Beispiel ein verur-teilendes, abwertendes Verhalten ausund zwar für beide Seiten – die verurtei-lende Person und die Verurteilte – oderEmotionen wie Scham, Schuld, Wut,Angst. Wenn wir uns stattdessen trauen,auf andere offen zuzugehen, ihnen Ver-ständnis entgegen zu bringen, ihnen mitRespekt zu begegnen, wenn wir uns ge-genseitig unterstützen, Mitgefühl zei-gen, wenn wir im anderen unseren Bru-der, unsere Schwester sehen und friedlichmiteinander umgehen, demonstrierenwir wahre Menschlichkeit.

Die Anwendung der Taiji- und Qigong-Prinzipien im Alltag taugen, um einigender aktuellen politischen und gesell-schaftlichen Strömungen etwas entge-gen zu setzen. Als Helmut Oberlack dazueingeladen hat, das Logo „Miteinanderhat Kultur“ zu verbreiten, habe ich gernemitgemacht. Populismus, Rassismus,Hetze gegen Menschen, die anders sind,breiten sich aus, wo diffuse Ängste und

Verunsicherung herrschen. Es geht nichtum richtig und falsch, besser undschlechter, sondern um ein Miteinander,um Mitmenschlichkeit.

Dieses konstruktive Miteinander und derfruchtbare kollegiale Austausch war undist die Idee des Netzwerks. Natürlich hatsich das Netzwerk seit seiner Gründunggewandelt. Aus einer überschaubarenSchar von Taiji-Enthusiasten ist eine Or-ganisation geworden, die sich „Bundes-vereinigung Taijiquan und Qigong – dasNetzwerk“ nennt und die Interessen ihrerMitglieder in der Öffentlichkeit vertritt.Struktureller Wandel und Lobbyarbeitsind eins, aber sie müssen Hand in Handgehen mit dem inneren Wandel eines je-den Einzelnen. Ein Bewusstseinswandelist das eigentliche Anliegen von Taiji.Jede Organisation ist nur so „gut“ wieihre Mitglieder. Lasst uns also die Verän-derung sein, die wir im Außen zu sehenwünschen. Aber wir sollten uns auchnichts vormachen, nur weil man Taijipraktiziert, ist man nicht automatisch eintiefenentspannter, zentrierter, stets aus-geglichener Mensch. Dieses Klischee hältsich zwar hartnäckig, entspricht abernicht der Realität. Ich bewege mich seitüber 40 Jahren in der Taiji- und Qigong-Szene und habe in ihr die gleichen Ge-fühlslagen und Verhaltensweisen ange-troffen wie in jeder anderen Gruppierungauch. Aus meiner Zeit als Vorstandsmit-

glied im Netzwerk erinnere ich mich, wieerstaunt ich manchmal darüber war, mitwelch großen Ansprüchen und Erwartun-gen einzelne Mitglieder an uns bzw. dieGeschäftsstelle herangetreten sind.Wahrscheinlich machen sich manchenicht bewusst, dass bis auf die Ge-schäftsstelle alle Gremien ehrenamtlicharbeiten. Wir alle zusammen bilden dasNetzwerk, daher gilt auch für uns, etwasabgewandelt, der bekannte Satz: „Fragtnicht nur, was das Netzwerk für euch tunkann, fragt auch, was ihr für das Netz-werk tun könnt.“

Wenn das Netzwerk im Juni sein 30-jäh-riges Bestehen feiert, kreisen viele Vor-träge und Workshops um die Fragen: Wiereagieren wir auf aktuelle gesellschaftli-che Strömungen? Wie gehen wir mit demdemografischen Wandel um? Passen wiruns den Herausforderungen einer Ar-beits- und Lebenswelt an, die in immergrößerem Ausmaß zu psychosomati-schen Krankheiten führt? Sollen Taiji-quan und Qigong ein fester Bestandteil inder Wellness- und Fitnessbranche wer-den? Sobald diese und ähnliche Fragenfür viele von uns wichtig werden, ist essinnvoll, dafür eine Plattform zu schaf-fen, die Gelegenheit bietet, die unter-schiedlichen Meinungen auszutauschen.

Für mich stellt sich die grundsätzlicheFrage, ob wir uns mit Taijiquan- und Qi-

5Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

Fachliches

gong an Trends anpassen wollen oder anMenschen, die zwar Erleichterung suchen,aber nicht bereit sind, ihre Verhaltens-weisen zu hinterfragen? Laufen wir nichtGefahr, das was Taijiquan und Qigong imKern ausmachen zu verlieren, wenn wirsie zunehmend mehr modifizieren? Soll-ten wir diese beiden Methoden nicht inihrer Einzigartigkeit für Menschen be-wahren, die sie nicht ihrem Lebensstil an-passen wollen, sondern erkannt haben,dass es darum geht, sich zu ändern, wennsie ihre Lebensqualität verbessern wol-len. Taijiquan und Qigong stellen ein Kul-turgut dar, das in sich so kostbar ist, so-viel Tiefe und Gehalt besitzt, dass wir esin unserem Leben kaum ausloten kön-nen? Wollen wir sie wirklich dem Diktatvon Angebot und Nachfrage unterwerfen?Jemand könnte argumentieren, „ich bie-te zunächst einmal niederschwellige Kur-se an, um die Menschen da abzuholen, wosie stehen“. Mein Ansatz ist, meine Schü-lerInnen von Anfang an zu fordern (nichtzu überfordern!), sie zu motivieren, sichweiter zu entwickeln und zu wachsen.Wir sind nicht verpflichtet, es unserenSchülerInnen immer nur so leicht wiemöglich zu machen. Ein bequemer Wegist meistens nicht dafür geeignet, nach-haltige Veränderungen herbeizuführen.Wir alle neigen dazu, etwas zu wählen,wofür wir eine Begabung haben, das unsleichtfällt. Aber im Sinne einer ausgewo-genen Entwicklung bringt uns oft dasweiter, wo wir Defizite haben, womit wiruns schwertun. Taiji- und Qigong-Lehre-rInnen dürfen ihren SchülerInnen durch-aus etwas zumuten. Immer nur das zuunterrichten, was die SchülerInnen wol-len, bringt weder den Lehrer, noch dieSchüler weiter.

Ja, ich fühle mich der Taiji-Tradition ver-pflichtet, was nicht bedeutet, dass sichnichts ändern darf. Taiji ist Wandel undBewegung unter Bewahrung seiner Es-senz. Bevor wir diese Essenz nicht an-satzweise verstanden und erlebt haben,führen Vereinfachungen vom Weg ab.Jede/r kann, soll und muss innerhalb desweit gespannten Rahmens der Traditionseinen persönlichen Stil finden, Taiji undQigong zum Ausdruck zu bringen.

Womit ich mich allerdings schwer tue ist,wenn Taiji oder Qigong in einem Atemzugmit Fitness erwähnt werden oder wennsie zum Lifestyle werden, wie es teilwei-se mit Yoga passiert ist. Der Aspekt derGesundheit gehört zu unseren Künsten,aber Gesundheit und Fitness sind nichtdas Gleiche. Man kann ziemlich fit unddoch nicht gesund sein und man kannziemlich gesund sein, ohne übermäßig fitzu sein. Gesundheit hat etwas mit demZustand unserer inneren Organe zu tun,mit unserem Immunsystem, dem Ener-giefluss usw., Fitness bemisst sich nachdem äußeren Muskeltonus und hat etwasmit der Herz-Lungenkapazität zu tun.Fitness kommt und geht relativ schnell,unser Gesundheitszustand baut sichüber lange Zeit auf und nimmt nur übereinen langen Zeitraum ab.

Einer der zentralen Impulse, die von Taiji-quan und Qigong ausgehen, ist die Be-reitschaft zu Aufbruch und Veränderung.Das Aufbrechen verkrusteter Denkge-wohnheiten, die Veränderung ungünsti-ger Bewegungs-, aber auch Verhaltens-weisen, das vertrauensvolle Eintauchenin den Fluss des Lebens, weil man weiß,dass man sich nur so entfalten kann.Wenn die weitere Entwicklung von Taiji-quan und Qigong gesund und authen-tisch verlaufen soll, kann die äußere Ent-wicklung nur ein Ausdruck der innerenEntwicklung der Praktizierenden sein.

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Axel Dreyer ist Ausbilder und Lehrer für Taijiquan, Lehrer für Qigong, F.M.Alexander-Technik und Releasing. Seine Schule ist in Freiburg/Breisgau.

Der Autor

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Fachliches

◗ Die Geschichte von AlenaAlena Maria Schneider ist Musikerin, Shiatsu-Praktikerin und Taijiquan- und Qi-gong-Lehrerin. Sie leitet heute den Früh-lingsgarten für Lebenspflege, Lebens-kunst und Bewegungskunst in Hamburg.

Alena, was weißt du über die Gründung des Netzwerkes?

Ich würde gern von vorn anfangen. Esgab so etwas wie eine Keimzelle. Christel,Daniel und ich hatten uns in Daniels Woh-nung getroffen und sprachen über die

Idee, man sollte mal ein Netzwerk grün-den, wo man sich austauscht. Das habenwir rumerzählt in Christels Schülerkrei-sen, zu denen u.a. auch Claudia Müller,Ulla Fels, Claus Albermann, Helmut Ober-lack und Wilhelm Mertens gehörten. Diefanden die Idee auch gut. Und so habenwir uns dann bei Christel in ihren Räumengetroffen. Sie selbst wollte nicht mitmi-schen. „Macht ihr das mal, ihr seid dieneue Generation“, meinte sie. Ich habemich bei diesen Treffen zunehmend un-wohl gewühlt. Es wurde mehr und mehrein Männerclub. Der Moment, wo ich die-

se Gruppe verlassen habe, war sehr per-sönlich. Wir hatten ausgemacht, uns ge-genseitig die Form zu zeigen, um unsdann darüber auszutauschen. Als ich mei-ne Form getanzt hatte, sagte einer derumstehenden Kollegen: „Süüüß“. Im Tonschwang mit, dass Mann auf alles anderegeachtet hatte, als auf meine Interpreta-tion der Form. Das war es dann für mich.Es gab keine respektvolle Wahrnehmungund kein nachdenkliches Interesse.

Ich habe später immer mal von weiterenTreffen gehört, fand aber keinen Weg zurZusammenarbeit. Stattdessen traf ich michüber einige Zeit zum Austausch mit Kolle-ginnen aus Christels Kreisen wie Ulla Fels,Ingrid Stamp-Cieslik und Claudia Müller.

Wie bist du zum Taijiquan gekommen?

Ich spielte während meines Musikstudi-ums in einer freien Theatergruppe. Bei ei-nem Festival in Italien sah ich zwei Leute

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Zur Geschichte des Taijiquan und Qigong Netzwerkes (heute Bundesvereinigung fürTaijiquan und Qigong Deutschland e.V. – Das Netzwerk) gibt es viele Erzählungenvon den AktivistInnen der ersten Stunden. In den Zeiten des Anfangs denkt mannicht an Dokumentation und Archivierung. Gleichwohl existieren viele Geschichtenaus den Anfangszeiten. Diesen sind wir nachgegangen und fragten einige der „Ehe-maligen“ nach den ihren. Wir stellen die Erzählungen im Folgenden nebeneinanderund wollen damit der Leserin und dem Leser die Möglichkeit geben, die Anfangszeitnachzuerleben. Die ErzählerInnen sind Alena Maria Schneider, Daniel Grolle, HelmutOberlack und Li Portenlänger.

Fachliches

einen unglaublich schönen, stillen Zeit-lupentanz tanzen. Ich wollte das sofortauch lernen. Einer der beiden brachtemir dann den Peking-Stil bei. Wieder imNorden nahm ich an einer Intensiv-Wo-che bei einem chinesischen Lehrer inder Heide teil. Ich habe noch lustige Fo-tos, von unserem damaligen (Un)-ver-ständnis des Taijiquan. Ich habe daranviel übers Unterrichten gelernt. Ichsuchte weiteren Unterricht in Ham-burg. Claus Albermann, den ich aus derFreien Musikimprovisation kannte,brachte mich zu Christel.

Wie war der Unterricht bei Christel?

Ich bildete mir ein, ich hätte ja schonTaiji gelernt. Doch als ich zu ihr kam,wurde ich sehr bescheiden. Gleichzeitigbehandelte sie mich so respektvoll, wieich es z.B. aus meinem damaligen Stu-dium an der Musikhochschule nichtkannte. Sie stellte sich nicht über uns,sie unterrichtete nicht. Zuerst fandendie Gruppen bei Christel recht improvi-siert in einem Flur der Uni statt – Taiji-Gehen im Uni-Flur. Es war eine Pionier-zeit. Ich bin froh, dass ich Taiji, Qigongund Shiatsu immer in den Anfängenkennengelernt habe. Christels Unter-richtsstil war sehr besonders. Das Be-sondere war einmal, dass sie eine Frauwar und zum anderen, dass sie ganzviel erforscht hat. Diesen Forschergeisthat sie an uns weitergegeben. Wirstanden oft zusammen und haben aus-probiert, nachgedacht und zu verste-hen gesucht. Im Vergleich zu dem, wasich später mitgekriegt habe an hierar-chisch denkenden und unhöflichenLehrern, war Christel ein großes Glück.Ich schätzte sie sehr als eine Entdecke-rin, die eigenwillig und mutig ihren ei-genen Weg gegangen ist.

Das ermutigte mich meinerseits aucheinen ganz eigenen Weg zu gehen. Mei-ne Erfahrungen aus der Musik, der Mu-siktherapie, der freien Improvisation,Tanz und Theater sowie Freud und Leiddes Lebens prägten meine eigene Ar-beit mit Taiji. Besonderen Raum gebeich dabei dem Gebrauch des Wortes,

der Wirkung der Sprache in Klang, At-mosphäre und Inhalt.

Wie ging es dann für dich weiter?

Christel gab mir den Impuls zu unter-richten. Ich war erst ziemlich verdat-tert und habe in meiner WG davon er-zählt. Die Mitbewohner wollten gleichvon mir lernen und schleppten auchnoch ihre Freunde an. Sie sagten: Wenndu uns das zeigst, dann trauen wir uns.Ich dachte, vielleicht machen wir malein Wochenende. Aber auf einmal warda eine Gruppe, die weiter lernen woll-te. Und ich stellte fest, dass es mir gro-ße Freude machte, Taiji zu vermitteln.

Wie ist es für dich heute?

Diese ganze Vermarktung von Taiji-quan interessiert mich nicht, obwohlich ja mein ganzes Erwachsenenlebenmit Taiji, Qigong und Shiatsu - mit denQi-Künsten - mein Brot verdient habe.Ich finde die Bemühungen, Taiji zu ver-walten eher als beengend und störend.Mir ist sehr wichtig, dass man seinenSchülerInnen als Mensch das gibt, wasman in sich selbst ausgebildet hat. Esist mir wichtig, dass sie ihrerseits dabeiwerden dürfen, wer sie sind. Das habeich u.a. von Christel so wahrgenommenund es ist stimmig für das, was ich derWelt zu geben habe.

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Fachliches

◗ Die Geschichte von Daniel Daniel Grolle ist einer der erfolgreichs-ten Taijiquan-Ausbilder in Deutschland.Mit seiner Schule „Tai Chi spielen“ gehter kreative Wege und ist auch über dieGrenzen Deutschlands bekannt. Er warvon Anfang dabei als Christel Prokschihr Taijiquan in Deutschland zu unter-richten begann.

Daniel, wie hat es angefangen mit dem Netzwerk?

Mir ist wichtig, dass die Herkunft desNetzwerkes richtig erzählt wird. VonChristel kam das Taiji und ich habe ausChristels „Suppe“ heraus das Netzwerkkreiert. Ich war damals Christel am nächs-ten. Es gab damals so eine Art Stimmung,dass es doch vielleicht schön wäre, ein Hauszu kaufen, so eine Art Zentrum damit Taijinoch mehr verbreitet werden kann.Christel fand die Idee gut. Sie wollte da-mals sogar mal eine Partei gründen. Eswar klar, wir hatten einen neuen Geistund wollten davon etwas in die Welt brin-gen. Man traf sich regelmäßig über meh-rere Jahre. Aber es ging nicht vom Fleck.Ich schrieb damals ein Zehn-Punkte-Manifest und schickte es an Wilhelm,Christel und Alena.

Christel wollte sich zu dieser Zeit nichtweiter einbringen, wünschte uns allesGute – das war vermutlich 1989 (Anmer-kung der Redaktion). Sie riet uns zu demNamen „Netzwerk“. Einmal die Wochegab es nun in Christels Räumen Treffenzur Arbeit an dem Manifest. Es war sehrmühsam und konfrontativ. Allmählichkamen noch mehr Leute dazu. Ich mach-te den Vorschlag, bei den Treffen auchTaijiquan zu üben. Die Idee war, dass je-der mal unterrichtet und dann Supervisi-on bekommt. Die Mehrheit unserer Grup-pierung wollte sich jedoch mehr um Lob-byarbeit und die Zusammenarbeit mitden Krankenkassen u. ä. kümmern. Ir-gendwann gab es eine Kampfabstim-mung (so etwa nach zwei Jahren ab demersten Zusammentreffen), ob wir mehreinen daoistischen oder einen konfuzia-nistischen Weg beschreiten wollen.Hauptvertreter des konfuzianistischenFlügels war Wilhelm, der des anderen warich. Die Abstimmung war eindeutig fürden konfuzianistischen Flügel. Ab dannging es in Wilhelms Wohnung weiter, diedann lange das Büro des späteren Ver-eins war. Ich bin nicht mehr zu den Tref-fen hingegangen, bin aber zahlendesMitglied geblieben, um die Initiative wei-ter zu unterstützen.

Was war Christel für eine Lehrerin?

Christel hatte in Taipei von einem direk-ten Zhenmanqing-Schüler gelernt. Beidem hatten damals übrigens auch Hart-mut Riedel und Frieder Anders gelernt.Christel war für uns so etwas wie ein Guru.Sie wurde verehrt, weil sie so wenig per-fekt war. Sie bekam von ihren SchülerIn-nen wenig Kritik und viel Bewunderung.Das liebte sie. Das Bedürfnis, bewundertzu werden, wurde im Alter noch stärker.

Welche Rolle spielt das Netzwerk heute für dich?

Ich habe mit Freude gehört, dass bei denletzten Mitgliederversammlungen auchTaiji geübt wurde. Es scheint, dass derSpagat zwischen Lobbyarbeit und fachli-chen Austausch gelingt.

◗ Die Geschichte von Li Li Portenlänger ist Malerin und Grafi-kerin. Sie begegnete in den achtzigerJahren Christel Proksch in Bremen, hatTaijiquan bei ihr gelernt und das Buchvon C. Proksch „Taijiquan“ (1987 beiLuchterhand erschienen) gemeinsammit Anne Baisch illustriert. Heute leitetsie die Lithografie Werkstatt in Eichstättund lädt Künstler aus der ganzen Weltein. Dem Taijiquan ist sie treu und unter-richtet heute im System von Wee Kee Jin.

Li, wie hast du Christel kennengelernt?

Ich habe von 1974-78 Malerei und Grafikstudiert. Mitte der 80er Jahre begann ichmit einer Ausbildung in Modern-Tanzoder Dance. Da war eine Frau, die wusste,dass jemand in Bremen Taijiquan anbot.Wir sind zusammen hingegangen. Ichwar von Anfang an fasziniert. Es warganz anders als das, was ich vom Tanzkannte. Der Unterricht fand in ChristelsWohnung in Bremen statt. Im Sommerwaren wir im Garten. Christel hatte nebenPhilosophie und Slawistik auch Sinologiestudiert. In ihrem Haus gab es viele inte-ressante Bücher, die sie sehr großzügigauslieh. Jedes Jahr ging sie nach Chinaoder Taiwan und brachte dann neue

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Fachliches

Erfahrungen mit, auch Qigong-Formenwie etwa das Kranich Qigong oder späterdas Fan Teng Gong. Ihre Erlebnisse hieltsie mit damals üblichen Filmausrüstun-gen auf Kassetten fest. Die haben wir unsdann gemeinsam angesehen.

Wie war der Unterricht bei Christel? Wie war sie als Lehrerin?

Die Leute, die zum Unterricht zu Christelkamen, waren vom Geistigen angezogen.Uns interessierte das Fernöstliche. Christelgelang es immer auch Rückbezüge zu un-serer europäischen Kultur herzustellen.Sie fand viele Verständnishilfen wie etwadie Kleistnovelle vom Marionettentheater,die ja auch im Buch erwähnt wird. DieSprache spielte eine große Rolle. Über dieSprache vermittelte sie uns eine andereWelt und über die Sprache gelang es, dasswir uns ein Stück weit in dieser wiederge-funden haben. Manchmal bezog sie auchdie Kalligrafie mit ein. Morgens um 7 Uhrübte Christel für sich im Park. Da konnteman dazukommen. Ansonsten gab es dieGruppen in ihrem Haus. Christel war im-mer im Austausch. Sie versuchte, das Sys-tem auszuloten und in andere Systeme hi-nein Vergleiche zu schaffen. Sie regte unsimmer dazu an, auch zu anderen Lehrernzu gehen. Gern führte sie sich als Beispielfür die gute Wirkung des Taijiquan an. Siehatte einige Wirbel gebrochen und sagteuns: „Schaut, dank Taiji kann ich michohne Probleme bücken.“

Sie hatte einen weiten Horizont und sahTaiji auch als Brücke, die Welt zu verste-hen. Sie gab uns viele Anregungen, unstiefer mit philosophischen Fragen zu be-schäftigen. Beispielsweise machte sieuns auf Jean Gebser aufmerksam. Daswar damals alles ganz neu. Christels Ar-beit war so ein erstes Bündeln in der Rich-tung. Sie war eine Pionierin. Im Nordenwar sie die Erste, die das Taiji bekannt ge-macht hat, im Süden war es Kobayashi.

Wie war die Arbeit an dem schon erwähnten Buch?

Das war ein sehr interessanter Prozess.Mit meinen Arbeiten habe ich versucht,

die Taiji-Bewegungen auszudrücken.Aber nicht als Darstellung der Bewegungan sich. Meine Bilder sind Schichtungs-zeichnungen, Verdichtungen. Sie sindProtokolle beobachtenden Zeichnens.Mich beschäftigten die Rundheit der Be-wegung, die Kugel, die Gestalt, aufrech-tes Stehen, Tui shou …

Anne Baisch, die auch Illustrationen zumBuch anfertigte, hat sich mehr an der Taiji-Form und ihren Ausdrucksformenorientiert. Christel und wir beiden warenzu einem internationalen Kongress nachWien eingeladen worden, um das Buchvorzustellen. Das Buch war eine Sensati-on. Es gab ja damals so gut wie keine Literatur. Christel hielt dort einen Vortragvor Fachpublikum und hatte viel Erfolg.Das Buch ist längst vergriffen. In der spä-teren Neuauflage vom Bacopa-Verlagsind meine Zeichnungen leider nicht mitaufgenommen worden.

◗ Geschichte von HelmutHelmut Oberlack war einer der vielenSchüler von Christel Proksch. Er unter-richtet seit Mitte der achtziger Jahre.Dem Netzwerk fühlte er sich sehr verbun-den und war viele Jahre als Vorstandaktiv. Gemeinsam mit Foen Tjoeng Liegab er 1993 bis 2000 die Zeitschrift„Dao“ heraus. Nach dem Ende von „Dao“gründete er einen eigenen Verlag undgibt seit dem das „Taijiquan & QigongJournal“ heraus.

Helmut, wie hat es angefangen mit dem Netzwerk?

Einige Christel-Schüler, haben sich inChristels Hamburger Wohnung so einmalim Monat getroffen, um sich über Taijiauszutauschen und miteinander zu üben.Ich erinnere mich an Michael Dackau,Claus Albermann, Alena Maria Schneider,Claudia Müller, Roland Jurth, MichaelPlötz, Wilhelm Mertens und Karin Berger,eine Schülerin von Daniel Grolle. Wir woll-ten von- und miteinander lernen. Diemeisten hatten bereits angefangen,selbst zu unterrichten und so konntenwir auch mal „KollegInnen“ um eine Ver-

tretungsstunde bitten, wenn wir mal ver-reist waren, damit unsere Kurse nichtausfielen. Und es ist ja immer interes-sant, mal einen anderen Lehrer oder eineandere Lehrerin kennenzulernen.

Wir gaben dann irgendwann ein gemein-sames PR-Heftchen heraus. In diesen A5-Heften standen die Personalia und Kurs-termine der LehrerInnen drin und siewurden ausgelegt, in Buch- oder Ökolä-den etc. Das war das erste Mal, dass es sowas gab. Wir nannten uns damals „Taiji-quan-Netzwerk Hamburg“. Das begannEnde der 80er Jahre.

Später kamen die ersten Nicht-Hambur-ger dazu wie etwa Nils Klug, Axel Dreyerund Christian Auerbach. Die BremerSchülerInnen hatten ein eigenes Taiji-Netzwerk Bremen gegründet. ChristelProksch lebte ja überwiegend in Bremenund hatte ein großes Haus, in dem sie un-terrichtete. Einige Hamburger sind da-hingefahren, wenn besondere Work-shops angeboten wurden und Gäste ein-geladen waren wie etwa William C. C.Chen. Bei Christel konnten wir immerübernachten und natürlich in großer

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201910

Fachliches

Runde essen. Sie hatte immer ein vollesHaus. So trafen wir auch regelmäßig die„Bremer“.

Was waren die Hauptthemen des Netzwerkes?

Unsere Netzwerkidee war, dass es überallin Deutschland lokale Netzwerke und ir-gendwo eine Zentrale geben sollte. Aberdie lokalen Netzwerke sollten eigenstän-dig funktionieren. Berufspolitische Arbeitwar lange gar kein Thema, sondern mitei-nander üben, sich austauschen, Fragenstellen und beantworten. Wir wolltenauch gerne Kontakt zu anderen Taiji-Or-ganisationen haben, denn wir dachten:Miteinander ist besser als nebeneinander.Nach und nach kamen mehr Interessiertedazu, auch aus anderen Städten undauch „Qigong-Leute“. So wurde Qigong inden Netzwerk-Namen genommen, zumalviele von uns „Gründern“ mittlerweileauch Qigong anboten. Unsere Ziele warender Austausch, Vermittlung von LehrerIn-nen, Vernetzung und eine gemeinsamePR-Arbeit.Der Verein wurde gegründet,weil eine Verantwortlichkeit entstand,wenn beispielsweise Veranstaltungen

durchgeführt wurden. Wir waren vomSelbstverständnis ja ein „amorpher Hau-fen“ und wollten eigentlich nie ein Vereinwerden. Aber rein rechtlich waren wireine GbR, und damit waren alle für alles –egal wer was machte – verantwortlich.Und ab einer gewissen Größe geht dasnicht mehr. Wir brauchten eine Organisa-tionsform, in der alle das machen konn-ten, was sie wollten und die möglichstwenig Verwaltungsaufwand inkl. „Steu-erkram“ hatte. Und da bot sich ein Vereinan. Manche fanden das natürlich nichtgut, dass wir uns nun zu einem „Kanin-chenzüchterverein“ entwickeln würden.

Als die Krankenkassen Anfang der neun-ziger Jahre begannen ihre Präventivpoli-tik zu machen, begann eine Zusammen-arbeit mit ihnen. Wilhelm Mertens hattegute Kontakte mit Herrn Kramer von derDAK. Die haben viel miteinander gespro-chen. Der Kontakt zur AOK lief über An-dreas Brannasch. Damals kam auch Ste-phan Langhoff mit seinem Tai Chi Zen-trum Hamburg auf den Plan, der sehrrege war in Bezug auf PR und Zusam-menarbeit mit den Krankenkassen. Dawollten wir zeigen, dass es auch noch an-dere Spieler gibt.

Es begann auch eine Zusammenarbeit mitdem Deutschen Turnerbund (DTB) undderen Landesverbänden. Unser Netzwerkentwickelte zwischen 1995 und 1997 einAusbildungscurriculum für Qigong-Kurs-leiter für den Verband für Turnen und Frei-zeit, dem Hamburger Landesverband desDTB. Der Landesverband Hamburg war fe-derführend im Bereich Gesundheit. DiesesCurriculum wurde zum Teil von anderenBundesländern übernommen und dieAusbildungen wurden mit NetzwerkerIn-nen vor Ort durchgeführt. Diese Ausbil-dung für Qigong-Kursleiter existiert nochheute in Hamburg mit Ruth Arens als Aus-bildungsleiterin.

Dass Anfang der 90-er Jahre die Kran-kenkassen, Sportvereine und auch vieleVolkshochschulen Taijiquan und Qigong„auf dem Schirm“ hatten, zeigte uns,dass unsere Künste in der Gesellschaftangekommen waren und es notwendig

wurde, mit diesen „gesellschaftlich rele-vanten Institutionen“ in Kontakt zu sein.Und auch dafür war es hilfreich, eine „ge-sellschaftlich akzeptierte Struktur“, wiezum Beispiel einen Verein, zu haben. Eine„amorphe Masse“ wäre wohl kein akzep-tierter Ansprechpartner geworden. Be-reits zum damaligen Zeitpunkt kamendie ersten Nachfragen nach Qualifikatio-nen und Zertifikaten. Im Grunde unseresHerzens lehnten wir so einen Papierkramab, zumal die Art und Weise unserer Aus-bildung, dem langen Lernen bei einemLehrer oder einer Lehrerin, nicht demsonst in der Gesellschaft gängigen Aus-bildungsmuster entsprach. Allerdings gabes schon einige Taiji- und Qigong-Organi-sationen, die Ausbildungen mit entspre-chenden Zertifikaten anboten. Und wirwussten, dass wir darauf reagierenmussten, wenn wir was bewegen woll-ten. Und das wollten wir.

11Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

Fachliches

Nach der jetzigen Chronik führte das Netzwerk 1992 seine erste Tagungin Bad Oyenhausen durch. Wie kam es zu dieser Idee und zu denKooperationen?

Es war eine Idee von Wilhelm Mertensund Michael Plötz. Die hatten Kontakt zurStichting und waren inspiriert von derenVeranstaltungen und deren Offenheit ge-genüber allen Stilen. Sie wollten aucheine größere bundesweite Veranstaltungorganisieren. Über Rudolf Schmittmann,er war Therapeut in der Reha-Klinik inBad Oyenhausen und ein Schüler vonKlaus Moegling, konnten wir dieses Tref-fen in der Reha-Klinik durchführen, undso kam auch ein Kontakt mit der IFBUB,der Organisation von Klaus Moegling, diedamals schon eine beachtliche Größehatte und modern strukturierte Ausbil-dungen anbot, zustande.

Welche internationalen Kontakte wurden durch das Netzwerk aufgebautund gepflegt?

1995 war das Netzwerk Mitveranstalterdes European Taijiquan & Qigong Forumin Lago d‘Orta (Italien). Die Idee kam vonWilhelm und Franz Redl vom Taiji-VereinShambala, Wien. Sie hatten den Wunschnach einem Treffen, zu dem Taiji- und Qi-gong-Übende aus möglichst vielen Län-dern kommen. Veranstaltungsort war einwunderschönes Zentrum, das von Sany-assins (Schüler von Osho) geführt wurde,bisschen den Berg hoch mit Blick überden See. Ich erinnere mich, dass SergeDreyer, der Gründer vom Recontres Jas-niere, des ältesten Taiji-Treffens Europas,da war, und auch Bob Lowey, der im glei-chen Jahr mit Ronnie Robinson das Tai ChiCaledonia zum ersten Mal organisierte.Teilnehmer kamen u. a. aus Frankreich,Belgien, Italien, Großbritannien und Hol-land. Auch Christel Proksch war dabei! Eswar einfach ein Zusammenkommen undwir haben richtig viel gefeiert! Dan Do-cherty von der Tai Chi Union of Great Bri-tain erklärte sich bereit, in zwei Jahrenwieder so ein Treffen zu veranstalten. Erschlug Osteuropa vor, da es für die Ost-europäer ziemlich schwierig war, nach

Westeuropa zu kommen, da es erstensoft sehr teuer war und zweitens oft nochein Visum benötigt wurde.

Ein Jahr später hatte die wohl größte fran-zösische Taiji-/Qigong-Organisation nachFrankreich, ich glaube Straßburg, eingela-den, um eine europäische Zusammenar-beit zu initiieren. Das Netzwerk hatte daszu spät mitgekriegt. Aber ein paar Teil-nehmer aus Deutschland waren dabei.

Beim nächsten europäischen Treffen, dasDan Docherty 1997 in Mosonmagyarovar,in Ungarn an der Grenze zu Österreich,ausrichtete, wurde dann die EuropäischeOrganisation TCFE (Taijiquan & QigongFederation for Europe) gründet. Epi vande Pol wurde als Präsident gewählt undkümmerte sich fortan um alle Formalitä-ten, da die TCFE in den Niederlanden re-gistriert wurde. Ronnie Robinson wurdeder Sekretär und damit zum zentralenAnsprechpartner.

Alle zwei Jahre gab es Treffen, die sichCongress Forum nannten und eine Wochedauerten, mit Workshops, Diskussionenund der Mitgliederversammlung. Dienächsten drei Congress Forum fandenwieder in Osteuropa statt: Budapest,dann einem Urlaubsort in den bulgari-schen Bergen nahe Sofia und in Prag.Später kamen als weitere Veranstaltungdie Taiji-Europameisterschaften dazu.Die TCFE ist heute wenig aktiv, das Con-gress Forum gibt es längst nicht mehr,nur noch die Europameisterschaften. Ichbin seit Jahren nicht mehr in der TCFE in-volviert.

Wie kam es zu den „Deutschen Qigongtagen“?

Die ersten wurden 1994 von der Deut-schen Qigong Gesellschaft organisiert.Sie gingen hervor aus einem Treffen dervon vier namhaften Gruppierungen imQigong, die sich über gemeinsame Anfor-derungen an Qigong-Ausbildungen eini-gen wollten. Dazu gehörten auch die Me-dizinische Gesellschaft, Kolibri Seminareund die Uni Oldenburg. Diese vier riefendie Deutschen Qigongtage ins Leben, die

abwechselnd alle zwei Jahre organisiertwerden sollten.

Die 3. Qigongtage fanden in Oldenburgstatt. Ab da kam das Netzwerk dazu. Da-vor waren wir noch nicht als Qigong-Ex-perten wahrgenommen worden. Bei jedenQigongtagen gab es eine Besprechung,wer die nächsten Qigongtage veranstal-ten sollte. Wilhelm und ich konnten, mitUnterstützung von Foen Tjoeng Lie, zuder Besprechung dazu kommen. DasNetzwerk war dann 2004 und 2008 Aus-richter der Deutschen Qigongtage. Dieletzten fanden 2010 in Halle und der Lei-tung von Kolibri Seminare, Foen TjoengLie statt.

Welche Kooperationen gab es noch?

Es gab ja Ende der neunziger Jahre denGesetzesentwurf des sog. Lebensbewäl-tigungshilfegesetzes. Damals haben diemeisten Betroffenen die Gefahr eines sol-chen Gesetzes nicht erkannt. Einige Ver-bände aus den Bereichen Qigong, Taiji-quan, Atemtherapie, Yoga, Kinesiologie,Shiatsu und Kunsttherapie, viele spiritu-elle Zeitschriften und Einzelpersonensind aber aktiv geworden und haben dieInteressensgemeinschaft Lebenskunstgegründet. Das Büro der IG Lebenskunstwar damals in meiner Wohnung in Ham-burg. Wir berieten, wie man das Gesetzabwenden kann. Und bei den Verbändenentstand der Gedanke, ob sie – nicht nurwegen dem drohenden Gesetz – zusam-menarbeiten sollten, um gemeinsam einestärkere Stimme zu haben und politischeLobbyarbeit zu machen. Daraus wurdendie „Frankfurter Gespräche“ und späterder Dachverband „Freie Gesundheitsbe-rufe“. Das Netzwerk war von Anfang anmit dabei, denn uns war ein möglichstgroßes Miteinander sehr wichtig.

➜ Zum Weiterlesen:https://www.taijiquan-qigong.de/bundesvereinigung/geschichte

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201912

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 12

Fachliches

Mein Thema der letzten 30 Jahre war dasCrosstraining, d.h. ich konnte mich niewirklich zwischen Meditation, Qigong, Tai-ji und Kung Fu entscheiden. Je nach Le-benssituation und Interessenlage ging ichzu einem Schweige-Retreat, einem Qi-gong-Kongress oder auch einmal zu einemVollkontakt-Turnier. Heute weiß ich, dassein Trainingsleben viele Stationen hat unddas, was in diesem Augenblick wichtigscheint, schon bald in den Hintergrund tre-ten kann. Um meinen SchülerInnen diesel-be Freiheit zu ermöglichen, habe ich michviel mit interdisziplinärem und vor allemdem lebenslangen Lernen beschäftigt.

Wer sich im digitalen Zeitalter erfolg-reich vernetzen will, braucht einheit-liche Standards, durchlässige Grenzenund eine gemeinsame Sprache.

Einheitliche Standards sind für viele vonuns ein rotes Tuch. Unsere Szene wurdevon querdenkenden Individualisten ge-prägt, die bewusst neue Wege gesuchtund gefunden haben. Unsere Vielfalt, un-sere unorthodoxe Herangehensweiseund unser Spezialistentum bzw. unsereLinientreue (mein Meister, sein Meister,unser Stil) ist unsere große Stärke, aberauch unsere Achillesferse. Für Außenste-

hende wirken wir (manchmal) wie dieComputer-Nerds aus der ersten Generati-on, umständlich, unverständlich und rea-litätsfern.

Sicher werden mir jetzt viele widerspre-chen und mich an die Alltagstauglichkeitvon Taiji und Qigong erinnern wollen. Dahaben sie sicher recht, aber ist es nichtauch so, dass wir bei jedem Austausch-treffen wieder um eine gemeinsame Be-grifflichkeit ringen und uns die relativeBerührungslosigkeit zwischen den ver-schiedenen Stilen im kreativen Miteinan-der behindert?

Es ist leicht, über die Schattenseiten derDigitalisierung zu schimpfen und das Be-nutzerverhalten der Online-Generationzu kritisieren. Viel schwerer ist es, sichvon ihrem Benutzerverhalten herausfor-dern zu lassen und die eigene Vorge-hensweise zu hinterfragen. Sobald wiruns darauf einlassen, werden wir fest-stellen, dass wir viel von den erfolgrei-chen Online-Netzwerken lernen können.

Die gut vernetzte Online-Generationfordert uns im besten Sinne.

Die Kinder unserer Zeit sind es gewohnt,dass alle Geräte intuitiv bedienbar sindund sich untereinander (relativ) pro-blemlos verstehen. Für jedes Bedürfnisgibt es spezielle Apps und individuelleAngebote. Sie surfen durch das Internetund lassen sich vom grenzenlosen Ange-bot inspirieren. Im Training zeigen sie mirVideos von anderen Stilen und fragenmich, ob ich ihnen diese oder jene Technikvormachen und erklären kann. Sie sindneugierig, undogmatisch und eigenstän-dig. Anstatt einem vorgezeichneten Wegzu folgen, suchen sie sich ihren eigenen.

13Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

Von Dieter Mayer

Einmal lernen – überall anwenden

Das Potential der Fünf Elemente im Spannungsfeld von Tradition und Moderne

Mit diesem Artikel möchte ich auf das Jubiläumstreffen (14.-16.06.19) des Netz-werks einstimmen und zur Teilnahme ermutigen. Dieser besondere Anlass ist sicherder ideale Zeitpunkt, um das Spannungsfeld von Tradition und Moderne auszulo-ten, die eigene Position neu zu verorten und sich auf die Herausforderungen der Zu-kunft vorzubereiten.

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 13

Fachliches

Übrigens sind es nicht nur unsere jungenSchülerInnen, auch die Fortgeschrittenengehen heute überall hin und trainierenkreuz und quer. Damit sie sich nicht verzet-teln und ein hohes Niveau erreichen kön-nen, brauchen sie unsere Unterstützung.

Wir legen uns zu früh fest und gehen sofort in die Spezialisierung.

Die meisten Lehrer führen ihre Schüler inihren Stil ein: So geht der Bogenschritt, erist x lang und y breit, das Gewicht ist x %vorne und y % hinten. Die Drehung funk-tioniert so ….. und das Bein wird so … ge-setzt, usw…. Im praktischen Unterrichtwerden die elementaren Bewegungs-muster einfach in die grundlegendenTechniken gegossen und der Neuling wirdauf die innere Logik des gewählten Übes-ystems geeicht. Dadurch entsteht einePrägung, in der Wesentliches mit der in-dividuellen Auslegung des jeweiligenLehrers, seiner Übertragungslinie undseines Stiles nahezu untrennbar ver-knüpft wird.

Solange die Lernenden ihren LehrerInnenfolgen ist das meistens kein Problem.Aber falls sie im Laufe der nächsten Jah-re einmal in eine andere Richtung hinein-schnuppern wollen oder zu einem Aus-tauschtreffen möchten, fangen die Pro-bleme an. Denn dann wird andersgedreht, früher verlagert oder…! Oft ent-stehen dadurch Irritationen und Missver-ständnisse. Dann werden erlernte Posi-tionen instinktiv verteidigt und es wirdum die Deutungshoheit (mehr oder we-niger) gerungen.

Stilübergreifendes Lehren und Lernenmuss sich auf wandelbare Yin-Yang-Basisübungen und flexible Yin-Yang-Leitlinien gründen.

Wer von den Vorteilen einer stilübergrei-fenden Vernetzung profitieren will, darfseine SchülerInnen nicht einseitig „prä-gen“. Er muss ihnen mit flexiblen Yin-Yang Leitlinien und wandelbaren Yin-Yang Basisübungen die situationsge-rechte Abwandlung grundlegenderBewegungsmuster vermitteln. Später

kann er ihnen dann zeigen, wie sie in dergewählten Tradition zweckbezogen vari-iert und verfeinert werden. Wenn erdann noch andere Stile zitiert und deut-lich macht, dass wir alle mit demselbenWasser kochen und die gleiche Frage-stellung ganz unterschiedlich angegan-gen werden kann, gibt er ihnen tiefeWurzeln und bringt gleichzeitig Luft un-ter ihre Schwingen.

Die Weisheit der Klassiker bewährt sich auch im digitalen Zeitalter.

Im Spannungsfeld von östlicher Traditionund westlicher Methodik, bzw. von Tradi-tionspflege und vernetztem Denkenhabe ich mich als Ausbilder für Taiji undQigong im ASS-Institut mit verschiede-nen Ansätzen der Anatomie- und Bewe-gungslehre, der Didaktik und Methodikund der Traditionellen Chinesischen Me-dizin auseinandergesetzt.

Im Laufe der Jahre ist es mir gelungeneine fachübergreifende Bewegungslehrenach den Fünf Elementen zusammenzu-tragen. Sie beschreibt den Power-Re-sponse-Zyklus als rhythmische Grundla-ge der spiraligen menschlichen Bewe-gungsmuster. Seine vier Phasen kreisenum die Wechselwirkung von Yin undYang (Power-Response). Zusammen re-präsentieren sie die fünf Wandlungen.Am Ende konnte ich jeder Bewegungs-phase (und der Mitte) einen der fünf Be-wegungstypen der TCM zuordnen unddie verschiedenen Ansätze miteinanderin Beziehung setzen.

Das war ja schön undgut, aber auch sehrtheoretisch. Es hatdann noch Jahre ge-braucht, um von derTheorie zu einer le-bendigen Praxis zukommen. Eine, dieden Anfängern ei-nen niederschwelli-gen Einstieg bietetund die Fortgeschrit-tenen überall hinbe-gleiten kann. Am

Ende hat mir ein Vers aus dem 42. Kapi-tel des Daodeijing den entscheidendenHinweis zur Formulierung der Power-Re-sponse-Leitlinien geliefert:

Das DAO erzeugte die EinsDie Eins erzeugte die Zwei

(Yin und Yang)Die Zwei erzeugte die Drei

(die innere Dynamik des Wechsel-spiels polarer Kräfte)

Die Drei erzeugte die 10 000 Dinge (die unendliche Vielfalt der

Erscheinungsformen)

Ich spreche übrigens von Power-Respon-se-Leitlinien, weil ich möglichst neutralbleiben will und die Anwendung in Sport,Alltag und Beruf im Blick habe. Denn mei-ner Meinung nach gehört der Erfah-rungsschatz der östlichen Tradition in dieMitte der Gesellschaft und nicht in eineexotische Nische.

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201914

Die zentrale PRT-Leitlinie und leicht – und schwer

Ergänzende PRT-Leitlinienbeugend-strecken – streckend-beugen

komprimierend-weiten – weitend-komprimierenbremsend-beschleunigen – beschleunigend-bremsen

über innen nach außen – über außen nach innenüber links nach rechts – über rechts nach links

schließend-öffnen - öffnend-schließenverbindend-lösen – lösend-verbinden

ausatmend-einatmen – einatmend-ausatmenuvm.

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 14

Fachliches

Die Vorteile des vernetzenden Lehrens:

• Die relative Unschärfe der Power-Response-Leitlinien erleichtert diezweckbezogene Abwandlung grund-legender Bewegungsmuster.

• Die Reduktion der Komplexität auf das, was Laien fühlen, verstehen undgestalten können, funktioniert wieeine benutzerfreundliche Oberfläche.

• Jeder kann sofort mitmachen und sichin viele Richtungen entwickeln.

Einmal aneignen – überall anwendenDie Power-Response-Logik bietet eineSchnittstelle zwischen Profi-Know-howund Laienbedürfnissen. Die Lehrendenkönnen ihre Inhalte hinter einem simplenund leicht – und schwer verstecken undsie ganz nebenbei vermitteln.

Erkläre es mir nicht, zeige es mir.• Lehrende können auf der Power-

Response-Basis aufbauen und kom-men schneller zu ihren Inhalten, bzw.haben mehr Zeit für die Ziele, Wünscheund Bedürfnisse ihrer Lernenden

• Trends und neue Entwicklungen (z.B. Faszientraining, Tensegrity-Modell, Spiraldynamik) können alsentwicklungsfördernde Faktoren indas große Ganze integriert werden.

• Die Arbeit mit den PRT-Leitlinien fördert die Eigeninitiative, die Flexibili-tät und die Offenheit für andere Sicht-und Verhaltensweisen.

• Jeder kann die PRT-Leitlinien in seinemSinne verwenden und der Unschärfeseinen eigenen Stempel aufdrücken.

Unsere jungen KursleiterInnen brauchen zukunftsfähige Strategien.

Mir liegen die jungen Menschen und ihreZukunftsperspektiven am Herzen. IhreAusgangssituation lässt sich nicht mitder unseren vergleichen. Uns fehlten we-sentliche Informationen und wir musstenuns Vieles erst mühsam erarbeiten, an-dererseits war die Nachfrage riesengroßund wir hatten volle Kurse. Heute gibt esfundierte Ausbildungen und unzähligeSchulungsangebote, aber auch viel mehrKonkurrenz und schlechtere Arbeitsbe-dingungen.

Mit der wandelbaren Bewegungslehrenach den Fünf Elementen können Kurlei-ter ihre „Mitte besetzen“, ihre erlerntenMethoden systematisch ordnen und siezielgruppengerecht aufbereiten. Sie kön-nen Trends aufgreifen und die altenKünste überaus modern und attraktivpräsentieren. Dadurch finden sie neue Ni-schen und können sich im hart um-kämpften Markt behaupten. Über diePower-Response-Basis können sie sichmit Gleichgesinnten vernetzen, sich in-haltlich ergänzen und sich effektiver ver-markten.

Linientreue und vernetztes Denkenkönnen sich kongenial ergänzen.

Dass Menschen beim Taiji und Qigongbleiben und sich immer weiter einlassen,hat viele Gründe. Neben dem Spaß amTraining und den positiven Effekten aufLeistungsfähigkeit, Lebensfreude und

Gesundheit, genießen sie vor allem dasZusammensein mit Gleichgesinnten. Einetraditionelle Schule kann viel Nestwärmebieten und eine hohe Qualität vermitteln.Mit den Mitschülern, den Lehrenden undder Tradition kann man sich identifizie-ren und seinen Platz in einer starkenGruppe finden.

Wer lange genug zu Hause war, wird neu-gierig auf die Welt da draußen. Dann kön-nen Netzwerktreffen oder der Besuch ei-ner anderen Schule den Horizont erwei-tern und neue Perspektiven eröffnen.Über das gemeinsame Training wächstdie Offenheit für andere Traditionen undes ergeben sich fruchtbare Kontakte.

In einer immer komplexer werdendenWelt braucht es beides: die Spezialisie-rung und die fachübergreifende Vernet-zung. Beispielsweise gehören Lehrlingeeines traditionellen Handwerks noch im-mer zu einem Betrieb, nehmen aber auchganz selbstverständlich an überbetriebli-chen Schulungen teil. So wird sicherge-stellt, dass sie sich in einem von persön-lichen Beziehungen getragenen Umfeldverwurzeln können, sich aber auch dienötige Flexibilität aneignen, um späterüberall arbeiten zu können.

Es ist ganz natürlich, dass es zwischen in-nen und außen, mein und dein, Rei-bungspunkte gibt. Das Ringen um prag-matische Lösungen kann manchmal ganzschön anstrengend sein. Aber zum Glückerzeugt Reibung ja auch Wärme undsorgt für die nötige Betriebstemperatur.Dreißig Jahre Taiji und Qigong Netzwerkzeigen, dass sich Linientreue und ver-netztes Denken mit viel Pragmatismusund einer Prise Humor immer wieder kon-genial ergänzen lassen.

15Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

Dieter Mayer ist Ausbilder für Qigong,Taijiquan, Wing Chun und Escrima. Er ist Mitbegründer des ASS�Instituts für Taiji und Qigong, Erfinder des PowerResponse Trainings und Autor verschie-dener Fachbücher.

Der Autor

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 15

Fachliches

Als junger Erwachsener war ich monate-lang auf einer Filmexpedition im brasilia-nischen Urwald bei Steinzeitindianern,Piranhas und Sandflöhen. Wir waren zudritt: ein Überlebenskünstler, ich und Uli,unser Kameramann, ein Polizist, Bundes-grenzschützer und GSG 9ler. Er war zeit-weise in denselben großen Kämpfen umdie Atommüllendlager gewesen wie ich.Er hatte tags die Anlagen verteidigt undabends, da wo es ging, mit den Gegnernabgehangen, er war genauso gegenAtomkraft wie sie.

Ich persönlich hatte Angst vor einemAtomkrieg, vor dem Polizeistaat; fühltemich aber auch nicht wohl mit der Pro-testbewegung, denn ihre Methoden wa-ren denen ihrer Gegner ähnlich. So lernteich bei meiner Tante Christel Tai Chi, eineinnere Kampfkunst, einen Weg, Friedenin mir selbst zu schaffen und auf dieseWeise einen Beitrag für den Frieden in derWelt zu finden. Sie ging das eher philoso-phisch an, ohne sich wirklich auf dieKampfkunst einzulassen. Bei meinen chi-nesischen Lehrern lernte ich die Kunst der

Manipulation, das Gewinnen mit den Mit-teln der Wahrnehmung. Am Ende ging esdoch wieder ums Gewinnen. Also begannich zu forschen. Wie ist es möglich, nichtvor dem Kampf davon zu rennen und sichdoch nicht von ihm dominieren zu las-sen? Gibt es Möglichkeiten, den Kampf zueiner Begegnung werden zu lassen, an-statt zu gewinnen oder zu verlieren?Schließlich ist mit „Tai Chi Spielen“ etwasentstanden, das sich für mich anfühlt wieeine Antwort auf die Fragen, die mich aufdiesen Weg gebracht haben. Inzwischenkommen auch erfahrene Kämpfer zu mir,um ihr Handwerk neu zu erleben.

Einer der Erstaunlichsten dieser Kämpferkam in Uniform, weil das das Bahnfahrenkostenlos macht. Allerdings fragte er als

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201916

Von Daniel Grolle

Tai Chi für die PolizeiUnser Vater hat uns oft Geschichten von der Polizei und von Räubern erzählt. Ir-gendwie ging es immer darum, dass die Räuber es schaffen, heil davon zu kommen.Später im Gymnasium sprachen alle von den „Bullen“, die die Kernkraftwerke undAtomwaffenbunker verteidigten. Eine Polizeisirene zu hören, bedeutete immerVorsicht! Mache ich gerade etwas falsch?

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 16

Fachliches

Erstes nach der Begrüßung, wo er sich um-ziehen könne. Er wollte mir als Mensch be-gegnen, nicht als Polizist. Es war ein Mann,der maßgeblich verantwortlich war für dieAusbildung der Polizei in Niedersachsen,ein vielseitig gebildeter Mensch, der sichneben der polizeilichen Ausbildung privatals Heilpraktiker, Coach und Hypnothera-peut weitergebildet hatte. Er hatte von„Tai Chi Spielen“ gehört, hatte von unse-rem Verständnis inneren Kämpfens gele-sen, hatte YouTube Filme von uns gesehenund war überzeugt: Unsere Polizei brauchtgenau das: Wahrnehmung, gutes Hand-werk und die Ausrichtung nicht aufs Ge-winnen, sondern aufs sichere Erspürendessen, was geschieht.

Die Polizei hat viele Grundlagen ihrerAusbildung noch aus militärischen Wur-zeln. Ein guter Teil des Trainings ist amWorst Case ausgerichtet. Die Kollegensind am Ende sehr wohl in der Lage, wir-kungsvoll zu handeln, sie können sichdurchsetzen und gewinnen … aber ver-passen sich selbst und das sogenannte„polizeiliche Gegenüber“ dabei leicht. DieFolge davon sind hohe Krankenstände,

Überforderung, Unzufriedenheit mit demBeruf, mit der Institution Polizei selbst,Burnout und schließlich die Frage: Gibt eslebenswertere Wege, mit sich und derWelt umzugehen? Im Gespräch entstanddie Idee, die Grundlagen unseres schönen„Tai Chi Spielens“ in die Ausbildung derPolizei Niedersachsen einzubinden. Dasist aber nur möglich, wenn die Wirkungunserer Methode wissenschaftlich unter-sucht wurde und nachweislich die ge-wünschten Ergebnisse erzeugt. So ka-men von der Polizei aus noch ein Profes-sor der Psychologie und von „Tai ChiSpielen“ noch Gudrun, die mit mir zu-sammen ausbildet und unsere Schulemanagt, und Steffi, die eine der erfah-rensten Spielerinnen und Assistentinnenunserer Schule ist. Wir steckten die Auf-gabenfelder ab und den Rahmen des Pi-lotprojektes.

Unser Kernsatz wurde: „Wahrnehmung ist die Voraussetzung

für sinnvolles Handeln.“

Wir sollten in vier mehrtägigen Termineneine Gruppe von freiwilligen Polizeitrai-

nern so weit in das von uns entwickelte„Polizei Tai Chi“ einführen, dass sie späterin der Lage sein würden, ohne uns einmehrstündiges Training mit Polizistenauszuführen. Diese Schüler würden danngegen eine Vergleichsgruppe antreten,die anstelle des Tai Chi eine allgemeineEntspannung bekommen hatten. Dannwürden die beiden unterschiedlichenGruppen sogenannten Polizei-Standard-Situationen ausgesetzt werden, etwa ei-ner simulierten Fahrzeugkontrolle. Vor-her, während dessen und danach würdenverschiedene Blutwerte genommen,ebenso würde eine Bewertung der poli-zeilichen Angemessenheit vorgenommenwerden und die Interaktion mit dem „po-lizeilichen Gegenüber“ bewertet werden.So eine „Polizei-Standard-Situation“ lässtsich ein bisschen mit einer unserer Tai-Chi-Formen vergleichen. Da die Trainersehr vertraut damit sind, können sie anvielen Details genau die Sinnhaftigkeitvom Vorgehen des Geprüften erkennen.

Ich selbst habe schon unter vielen exoti-schen Bedingungen Tai Chi unterrichtet:Ich habe Langzeitinhaftierte in Santa Fu,

17Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 17

Fachliches

zum Teil mit tätowiertem Hakenkreuzauf der Stirn als Schüler gehabt, ich habeverfeindete Beduinen in der Wüste un-terrichtet, gewalttätige Grundschulkin-der, demente, blinde und bettlägerigeAlte, spastische Babys und einen alkohol-kranken Kautschukbaron in Manaus,Kampfkunst-Olympioniken, Mercedes-Manager oder Sitznachbarn in Flugzeugoder Bahn …

Aber eine Gruppe gestandener Polizeitrai-ner, das war auch für mich eine Grenzer-fahrung. Da waren zwei Männer, die sicheinen Namen als die schärfsten Hunde imBundesland gemacht hatten. Sie suchtennoch Handwerk fürs „pre attack“: Woranerkenne ich den Angriff bevor er stattfin-det? Es waren Männer dabei, die schon al-les gesehen und erlebt hatten und dieeben deswegen da waren, weil sich einmal

etwas zur Polizei verirrt hatte, was es dortzuvor noch nie gegeben hatte. Da war einMann dabei, der parallel zu seiner Polizei-trainer Tätigkeit eine Yoga-Schule auf-machte. Ein Anderer der mir sehr freund-lich half, mein eigenes Auto aufzubrechen,als ich meinen Schlüssel darin vergessenhatte. Wir saßen zusammen in der Saunaund in Biergärten voller Geschichten undeinem gegenseitig sich vertiefenden Ver-trauen zwischen Polizei und Tai Chi.

Und alle diese Männer – die einzige Fraudie kam, war nur Besucherin und an demExperiment interessiert – waren sehr do-minant. Polizisten sind Alphatiere undunter diesen Alphatieren muss der Trai-ner der Dominanteste sein. Alle warenKampfkünstler und im Zweifel hätte je-der dieser Männer mich in einem Stra-ßenkampf sehr in Bedrängnis gebracht.Jetzt sollte ich diesen Menschen etwaszeigen, was sie nicht schon konnten? Wirhaben nach etwas Vortext so begonnen,wie ich unser Tai Chi Spielen immer be-ginne, mit dem „Nichts tun“ oder dem„Arme Schaukeln“.

In Zweiergruppen spielt einer die Haupt-person, Yin. Er steht aufrecht, wenn ermag, schließt er die Augen, und versuchtsicher zu stehen, aber nichts selbst zutun. Der Andere, Yang, berührt sanft YinsArm und beginnt ihn wie ein Pendel zu

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201918

Im Dezember 2014 wurde der Antrag für dieStudie genehmigt. Es wurde eine Pilotgruppeaus Polizeitrainern des Systemischen Einsatz-trainings – SET – der Behörden und der Poli-zeiakademie Niedersachsen von 12 Personengegründet.

Die Polizeitrainer wurden 2015 auf die Expe-rimentalphase vorbereitet. Diese beinhalteteEchttrainings mit PolizeivollzugsbeamtInnen,die in Ausübung ihres Dienstes im Bürgerkon-takt einem erhöhten Gefahrenpotenzial aus-gesetzt sind.

Daniel Grolle hat ein Konzept für die 3 Fortbil-dungsveranstaltungen für die Polizeitrainer

Aus dem Abschlussbericht der Pilotphase mit wissenschaftlicher und experimenteller Studie an der Polizeiakademie Niedersachen:

Studienort: Hann. Münden.Thema der Studie: „Wahrnehmungschulung/Tai Chi in der Polizei Niedersachsen“

und das dazugehörige Unterrichtsmaterialentwickelt und es in drei Unterrichtseinheiten(1mal 3 Tage, 2 mal 4 Tage) an die Polizei-trainer vermittelt.

Die Zielsetzung der Studie waren:a) Die Trainingskompetenz der Polizeitraine-

rinnen / Polizeitrainer für das SystemischeEinsatztraining (SET) soll erweitert undvertieft werden.

b) Die Handlungskompetenz innerhalb derZielgruppe des Systemischen Einsatztrai-nings in Hinblick auf• Selbstwahrnehmung• Fremd- und Situationswahrnehmung• Erkennen der eigenen Stressbelastung

• Erkennen und Bewerten von Gefahrensituationen

• Die Vermeidung Opfer von Gewalt gegenPolizeibeamtinnen/Polizeibeamte zuwerden bzw. unangemessene Reaktionenauf Gewalt zu zeigen, soll verbessert undergänzt werden.

Außerdem sollten in der Studie Erkenntnisseüber die Umsetzung im Bachelorstudium derPolizeiakademie Niedersachsen gewonnenwerden.

Die Studie von Prof. a. d. PA Dr. Bernd Körberin Zusammenarbeit mit Dipl. VerwaltungswirtDetlef Schmidt durchgeführt.

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Fachliches

schwingen und dabei zu schauen, obHandgelenk, Ellenbogen und Schulter,später die Hüftgelenke, Knie und vor al-lem die Wirbelsäule frei von steifer Hal-temuskulatur ist und frei von Einmi-schungen des Geistes. Kein Schützen,kein dagegen Gehen, kein Weggehen,kein Helfen, kein Verstehen. Stehe wie einBaum, den der Wind bewegt.

Die Männer fanden das unmöglich, be-langlos, peinlich, nicht ernst zu nehmen…bis sie merkten, dass egal wie gut einerim Prinzip mit der Übung zurechtkam, esimmer noch etwas zu entdecken gab. Im-mer ist da eine Festigkeit, die man erstbemerkt, wenn der andere es dir zeigt…und es fühlt sich wirklich gut an. Es ist an-genehm loszulassen, zu vertrauen und zuentdecken, was sich in dir tut, wenn du

dich sein lässt, wie du bist.Die Männer begannen, sichfür die Sache zu interessie-ren. Anfangs hieß es: „Aberjetzt nicht wieder dieses„Arme Schaukeln“! Undnenne das nie gegenüberPolizisten „Arme Schau-keln“, nenne es „reflektori-sches Training“ oder „Be-wegungs-Kontroll-Übung“.Nach wenigen Tagen hörteich plötzlich: „Und wannmachen wir wieder das

Arme Schaukeln?“ Dabei hatte unserTeam sich schon einen Polizei kompati-blen Namen für die Übung ausgedacht.Aber jetzt waren sich alle einig, es solltebeim „Arme Schaukeln“ bleiben.

Ich habe gestaunt, selten habe ich eineGruppe von so bewegungsbegabtenMenschen unterrichtet. Auch waren die-se Männer sehr schnell in der Lage, dieZusammenhänge zwischen Übungenund deren Anwendungen auf Polizeiall-tags-Situationen zu verstehen. Es gabsogar ein Kompliment, wie ich es so nochnie bekommen hatte. Wir unterrichtetendie elastische Aufrichtung bei gleichzei-tig friedlichem und freiem Geist. Einer der„harten Hunde“ gab mir überraschendeinen heftigen Stoß … anstatt aber zustürzen, federte mein Körper elastischein und stand ruhig und sicher wie zuvor.Der Mann schwieg eine Weile und staun-te dann ungläubig: „Krasser Scheiß!“

Aber richtig in Fahrt kamen unsere Trai-ner erst, als sie das Erlernte dann von unssupervidiert an Polizeischüler weiterga-ben. Da standen junge Polizisten, denendie Trainer sagten: „Ja jetzt bist du coolund stark und du kriegst alles hin. Abernach ein paar Jahren vielleicht, da bist dukaputt und da ist keiner, der dich wiederheil macht. Du fängst jetzt erst an unddas brauchst du als Allererstes: Spürejetzt schon wie es dir wirklich geht undwo die Grenze ist … Wenn ich das am An-fang schon gewusst hätte, mein Lebenhätte anders ausgesehen.“ Und die jun-gen Schüler nahmen das so offen undstaunend und widerstandslos an, weil es

ja von den erfahrenen Meistern ihrerKunst kam. Wir standen daneben und eskam uns wie ein kleines Wunder vor.

Die Evaluierung fand dann erst ein Jahrnach unserem Training statt und die Aus-wertung des Versuches dauerte wiederüber ein Jahr. Ich habe unglaublich ge-staunt, wie vielschichtig und durchdachtso ein wissenschaftlicher Versuch ange-legt und ausgeführt wird. Am Ende kamheraus, das die Tai-Chi-Probanden in al-len gemessenen Werten signifikant überdem der Vergleichsgruppe lagen. Und dasnach nur einem einzigen, zweistündigenTraining!

Seit dem liegt die Sache in der großen po-lizeiinternen Maschine und die Frage istoffen, ob unser Projekt eine liebenswerteAnekdote am Rande bleibt oder ob in dennächsten Jahren jeder Polizist in Nieder-sachsen sowohl in seiner Ausbildung wieauch in seiner Weiterbildung etwas „TaiChi Spielen“ auf den Weg bekommt.

19Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

Daniel Grolle hat bei Christel Proksch gelernt und ist Initiator des Taijiquan &Qigong Netzwerkes. Er leitet eine Schulein Hamburg und bietet in mehrerenStädten Deutschlands Taiji- und Push-Hand-Ausbildungen an. Daniel Grollehat ein eigenes Unterrichtssystem ent-wickelt, zu dem mehrere Transfer-Inhal-te gehören wie etwa Taiji und Tantra.

Der Autor

Fazit der Studie:1. Die Intervention durch Tai Chi ermöglicht

eine geringere Ressourcenmobilisierung zurBewältigung eines polizeilichen Sachverhal-tes im SET. Anders formuliert: man benötigtweniger energetische, körperliche Aktivie-rung, um einen Einsatz zu bewältigen.

2. Die Intervention durch Tai Chi führt zurAufrechterhaltung bzw. Steigerung ein-satzkompetenten Verhaltens in den Berei-chen Selbstkontrolle/Selbststeuerung undSituationskontrolle.

Aus Sicht der Studienleitung würde die Kom-plementierung der Ergebnisse für die Berei-che Aus- und Fortbildung in der Polizei Nie-dersachsen die Eigensicherung und damitdie Gewalt gegen Polizeibeamte und die Po-lizeibeamtinnen mit wenig Aufwand sinn-voll ergänzen.

Die genauen Inhalte der Studie stehen nachderen Veröffentlichung zur Verfügung.

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Fachliches

GB: Lass uns mit dem Begriff Meisteroder Meisterin beginnen. In Deutsch-land werden Lehrer häufig als Meisterbezeichnet, sie sind aber weder ausge-zeichnet noch ernannt worden. Wasmacht für dich einen Meister oder eineMeisterin aus? Was muss man dafürtun, Meisterin zu werden? Wer kann ei-nen solchen Titel verleihen. Hast du ei-nen solchen Titel?HE: Mein Lehrer (Wee Kee Jin) bezeichnetsich selbst nicht als Meister, wobei ichsage, er ist ein großer Meister. Ich glaubeim chinesischen Denken hat der BegriffMeister etwas Vollkommenes, Fertiges.Deshalb bezeichnet man sich in der Tra-dition nicht gern als MeisterIn aus Angststehen zu bleiben. Im westlichen Denkenist es leichter, sich als Meister zu bezeich-nen. Ich sehe mich als Meisterin, die wei-ter verfeinert. Nach meinem Verständnishat ein Meister das ganze System gelerntund entwickelt es weiter.

GB: Wie ist es mit dem Begriff innereSchüler oder Schülerin? Ist das mit demBegriff MeisterIn verknüpft?

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201920

Von Gabriele Bührer

Taiji-Meisterinnen Interview mit Hella Ebel

In den chinesischen Kampfkünsten sinddie weiblichen Stars eher eine Rarität.Im letzten Magazin begannen wir da-mit, eine chinesische Meisterin zu por-trätieren. Diesmal stellen wir mit HellaEbel eine deutsche Taiji-Koryphäe vor.Sie leitet die Tai-Chi-Schule in Osna-brück, bildet seit vielen Jahren Lehre-rInnen aus und gibt Workshops inEuropa und Asien. Sie begann ihre eige-ne Taijiquan-Ausbildung Ende der sieb-ziger Jahre bei Petra und Toyo Kobayas-hi. Heute lehrt sie in der Tradition desMeisters Huang Sheng Shyan und ge-hört zum inneren Schülerkreis von WeeKee Jin, einem der Nachfolger von Meis-ter Huang. Gabriele Bührer (GB) befrag-te Hella (HE) zu ihrer Taiji-„Kariere“.

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Fachliches

HE: Ich bin innere Schülerin von Wee KeeJin. Normalerweise war ein Meister inne-rer Schüler eines Meisters. Ich habe Leute,die seit 25 Jahren bei mir trainieren, diewürde ich als innere Schüler bezeichnenoder auch viele meiner Ausbildungsteil-nehmer.

GB: Wie kamst du zur Kampfkunst?Wann war das und wie alt warst du damals?HE: Ich war Mitte zwanzig. Ich war am Su-chen und probierte in Richtung Meditati-on und Körperarbeit vieles aus, auch Be-wegungsmeditationen. In dieser Zeit bekam ich während einer Rebirthing-Session – eine Form von Atemarbeit – dieBotschaft, etwas mit Bewegung zu ma-chen. Ich war frisch nach Köln gezogenund fand in meiner Nachbarschaft einFaltblatt, das Taiji anbot. Das hat michangesprochen. Ich wusste von der erstenStunde an, das ist meine Sache und habedas intensiv geübt. Das war damals Pe-king-Stil. Der Lehrer war gut und es hatmir viel Spaß gemacht.

GB: Wie ging es dann weiter?HE: Ich war nicht sehr lange bei ihm, weilich dann nach Osnabrück zog und dort zu-nächst verzweifelt einen Lehrer suchte.

Es gab hier kaum Lehrer, deshalb schauteich mich auch in der Taiji-Szene außer-halb von Osnabrück um. So geriet ich anSchüler von Toyo und Petra Kobayashiund wurde selbst Kobayashi-Schülerin,12 Jahre lang!

GB: Was war dein erster Eindruck vom Taiji?HE: Es kommt etwas ins Fließen und ichglaube, mich hat auch die Taiji-Haltung,respektive die Beckenhaltung, körperlichsehr angesprochen. Das hat mir einfachsehr gutgetan. Mein Rücken mochte dassofort, meine Hüfte auch. Ich hatte das Ge-fühl – wie die Chinesen das ausdrücken –das Qi fließt und es gibt mir Kraft undRuhe zugleich.

GB: Wie war es angesehen, wenn manTaiji gemacht hat?HE: Es war schon ein etwas exotisch.Wenn ich draußen geübt habe, gab esmanchmal merkwürdige Begegnungen.Aber dann wurde es relativ schnell zumTrend. Es kam die Phase, in der jeder Taijilernen wollte. Aber es gab zu wenig Leh-rer. Deshalb habe ich sehr früh schon an-gefangen zu unterrichten, obwohl ich sel-ber erst zweieinhalb Jahre dabei war. Ein-fach weil es kaum Lehrer gab.

GB: Wurde damals anders unterrichtet als heute?HE: Ja, das hat sich sehr unterschieden.Toyo Kobayashi zum Beispiel hat in denersten Jahren einfach nur die Form vor-gemacht und wir haben die Bewegungen

kopiert. Es gab wenig Erklärungen in ein-fachem Englisch, und viel Schauen, Beob-achten und körperlich Nachmachen. Dashatte auch was. Man kam sehr ins Fühlen,sehr schnell auf diese körperliche Ebene.Heute wird viel mehr erklärt, das machtes schon viel leichter.

GB: Und wie war das Angebot überhaupt? Gab es nur die Peking-Form?HE: Nein, es gab auch Yang-Stil in vielenVariationen. Der Zheng Manqing Stil warz. B. sehr verbreitet. Ich hatte mich jaauch umgestellt auf die Zheng ManqingForm der Kobayashis. Chen-Stil gab esdamals nicht so viel, aber Yang-Stil warbekannt.

GB: Wie ging es dann weiter mit deinerTaiji-Karriere. Du hast dann irgendwanndeine eigne Schule gegründet, hast WeeKee Jin kennengelernt, bist heute Lehre-rin, Ausbilderin, wie kam das alles?HE: Ich hatte lange Zeit eine gute Koope-ration mit der Volkshochschule hier. Ichhatte praktisch meine Taiji-Schule in derVolkshochschule. Da war es immer schwie-rig gute Räume zu finden. Auf einmal warda ein Angebot, geeignete und bezahlba-re Räume zu mieten. Gleichzeitig fühlteich mich reif dafür diese Verantwortungzu übernehmen. Das war der Beginn mei-ner eigenen Schule.

Wie kam ich zu Wee Kee Jin? Ich hattemich schon immer, auch während der Ko-bayashi Zeit, viel umgesehen, war bei BenLo, bei William Chen und anderen Meis-

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Fachliches

tern. Ich hatte aber immer das Gefühl,dass ich bereits einen guten Lehrer für dasTaiji habe. Die Hamburger Frei-Push-Sze-ne hat mich damals auch sehr interessiert.In Hamburg kam es 1992 zum ersten Kon-takt mit Patrick Kelly und da dachte ich:„Oh das ist ein ganz interessantes Sys-tem.“ Eine Münchener Freundin fördertemeine Neugier. „Komm doch mal nachMünchen, da ist Wee Kee Jin, du musst ihnkennenlernen“, meinte sie. Ich glaube, eswar 1994, Wee Kee Jin kam damals mitYek Sing Ong zusammen nach Deutsch-land. Und ich war so beeindruckt, vor al-lem auch von der Art, dass egal, ob mandie Form macht, die Lockerungsübungenoder Pushing Hands, dass man sich immernach den Taiji-Prinzipien bewegt und dassman das, was man in der Form übt, in diePartnerarbeit mitnimmt. Und, dass wir esauch konsequent immer weiter ins FreiePushen bringen. Ich war so begeistert,dass ich Wee Kee Jin gleich fragte, ob ernach Osnabrück kommen wolle. Er wollte.„Wir kommen. Kein Problem. Und wirwohnen dann bei dir“, sagte er noch.

GB: Das heißt, du bist dann in diese Schule eingestiegen und dortgeblieben?HE: Ja, das war am Anfang nicht leicht,mich umzustellen. Meine Schüler wolltenmich lynchen: „Was, wir sollen von vorneanfangen?“ Obwohl es auch die ZhengManqing Form war, musste ich komplettvon vorne anfangen.

GB: Das heißt neben Jin gab es bei dirnicht viele andere Lehrer über diesenlangen Zeitraum?HE: Nein. Gut, ich habe mir immer wiedermal andere Lehrer angeschaut. Ich warbei Feng Zhi Qiang, einem Chen-Stil-Leh-rer. Ich habe mich schon immer mal wie-der umgeschaut und hatte viel Aus-tausch. In den Jahren 2005, 2010 und2017 war ich mit Wee Kee Jin zum Bei-spiel in einigen Huang-Schulen in Malay-sia und China. Ich war lange bei PatrickKelly, viele Jahre habe ich bei beiden ge-lernt. Auch Tony Ward war wichtig. Ichhabe einiges von ihm gelernt und Work-shops mit ihm organisiert. Durch diesedrei sehr unterschiedlichen Lehrer konn-te ich ein besseres Verständnis des Hu-ang-Systems entwickeln.

GB: Außerdem hast du ja auch aquati-sche Körperarbeit gemacht und bistauch noch Goldschmiedin. Wie gehtdas alles zusammen?HE: (Lacht) Also, am Werktisch sitze ichkaum noch, nur noch ab und zu. Aberaquatische Körperarbeit ist Taiji im Was-ser. Im Wasser lässt jeder los. WarmesWasser, Hauttemperatur, 35° und da ent-spannt jeder. Ich liebe diese Arbeit. ...

GB: Wie kam es, dass Taiji dein erstes Standbein wurde?HE: Ich musste mich einfach entscheiden.Ich hatte ja immer einen kleinen Laden,ein kleines Atelier. Früher in einem Kunst-handwerkerhaus, nachher alleine. Es wur-de für mich immer schwerer, die Öff-nungszeiten einzuhalten, weil ich ja auchunterrichtete. Das war eigentlich derHauptgrund. Da habe ich mich für das„goldene Handwerk“ Taiji entschieden.

GB: Hat es oder spielt es heute nocheine Rolle, dass du eine Frau bist? Wie war oder ist es als Frau in der Männerdomäne Kampfkunst?HE: Wo ich es hauptsächlich merke, istbeim Pushing Hands. Ich glaube, für Män-ner in meiner Generation ist es immernoch schwer, von Frauen zu lernen. DieJüngeren haben damit weniger Probleme.Wenn ich heute auf einem Push HandsTreffen unterrichte, hat es sich aber, zum

Positiven entwickelt, vielleicht weil derStil bekannter wurde, vielleicht auch, weilich bekannter wurde. Mittlerweile habeich das Gefühl, es spielt keine Rolle mehr.Aber in den ersten Jahren gab es schondas Bild: Gut Pushen können nur Männer.Man sah ja auch meist Demonstrationen,die ein Mann mit einem Mann vorführte.Dieses Bild – muss ich zugeben – hatte ichauch und konnte sogar bei mir beobach-teten, dass, wenn ich was zeigen wollte,mir einen Mann aussuchte, statt einerFrau. Aber ich glaube, es hat sich mittler-weile sehr angeglichen.

GB: Wer waren deine wichtigsten Lehrer oder Lehrerinnen?HE: Wee Kee Jin, Patrick Kelly, Toyo undPetra Kobayashi und Ben Lo, der war auchwichtig.

GB: Wer sind oder waren deine Vorbilder?Gibt es auch weibliche Vorbilder?HE: Wen ich gefunden habe als weiblichesVorbild, ist Wu Ying-hua, die Frau von MaYueliang und die Tochter des Wu-Stil Be-gründers. Von der habe ich mal ein Videogesehen, wie sie pusht, unspektakulär,einfach, schlicht, aber man sieht, sie pushtmit innerer entspannter Kraft. Vielleichtist es so, dass die Frauen nicht so spekta-kulär die Leute durch die Gegend werfen.

GB: Du unterrichtest seit mehr als 30Jahren, welches Ansehen genießt duals Taiji-Lehrerin in Deutschland? Hatsich das im Laufe der Jahre verändert?HE: Ja, es hat sich sehr verändert. Anfangssagten zum Beispiel meine Geschwister:„Was macht sie denn jetzt schon wieder,Taiji unterrichten. Was ist das denn?“Mittlerweile sind sie stolz, „Ah toll undeine schöne Website und ...“ (lacht) UndTaiji ist natürlich jetzt anerkannt, als Ge-sundheitstraining als Prävention, das hatsich schon sehr verändert. Anfangs war esetwas Exotisches, Ungewöhnliches.

GB: Wie nimmst du das wahr, ist es so,dass viele Frauen in die Kurse kommen,aber nur wenige erfolgreiche Lehrerin-nen werden?HE: Ja, das nehme ich sehr stark wahr,auch in meiner Schule. In den Anfänger-

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Fachliches

kursen habe ich mehr Frauen und im Qi-gong. Aber in den Fortgeschrittenenkur-sen habe ich viel mehr Männer, auch inder Ausbildung.

GB: Und was glaubst du woran das liegt?HE: Ich denke, dass die Frauen eher in dieBreite und die Männer eher in die Tiefegehen. Also, dass Frauen eher gucken,ach, jetzt probiere ich noch mal Shiatsu,Qigong und Yoga gibt es ja auch noch. Sieprobieren aus, während die Männer,wenn die was gefunden haben und es fürsie interessant ist, eher sagen, ok das ma-che ich und bleibe dabei.

GB: Wie kam es, dass du so viel reist und Wee Kee Jin auf seinen Lehrgängen begleitest?HE: Ja, ich reise gerne. Ich war vierzehnMal in Neuseeland. Es war einfach immereine super Chance, vier bis fünf Wochenam Stück zu trainieren. In den ersten Jah-ren war das noch mehr ein Privattraining,es waren kleine Gruppen. Mittlerweilesind es Camps, nur einen Monat lang. Da-mals konnte man so zwischen Novemberund Februar kommen und bleiben solan-ge man wollte.

GB: Was lernst Du, wenn Du assistierst? HE: Wenn ich assistiere, bin ich ja nicht dieganze Zeit am Assistieren. Ich trainieremit, ich mache den Time Keeper beim Frei-en Pushen morgens. Wenn ich in einemCamp bin, lasse ich mental total los, ichsteige ganz tief in eine Meditation, in eineEntspannung ein. Gleichzeitig ist es abermein Job, den Überblick zu behalten. .... Ichhabe so diesen ständigen Wechsel, in denKurs einsteigen und wieder den Rahmenzu geben.

GB: Du unterrichtest mittlerweile seitmehr als 30 Jahren in Deutschland undEuropa. Wie siehst du die Entwicklungdes Taiji in Deutschland oder vielleichtsogar in Europa?HE: Wir haben ein kleines Problem, unsfehlen junge Leute. Das sagen alle welt-weit. Ich weiß nicht wie das Durch-schnittsalter ist, aber ich würde sagenüber 50. Das Problem ist, dass die jungenLeute nicht nachkommen. Ich weiß auch

nicht, was man machen kann, ich habeimmer mal wieder junge Leute, ich versu-che sie auch zu halten, aber es bleiben lei-der nur wenige.

GB: Wie hat sich dein eigenes Taiji imLaufe der Zeit verändert, was ist heutedein Schwerpunkt?HE: Die Prinzipien sind mein Schwer-punkt, die innere Arbeit. Meine Lieblings-beschäftigung ist schon das Pushen. Ichkann mit einem ganz anderen Selbstbe-wusstsein heute sagen: Ich kann jedenentwurzeln. Das macht unheimlich vielSpaß, ohne dass ich äußere Kraft anwen-den muss. Vielleicht war es die erstenJahre doch noch mehr ein äußeres Üben.

GB: Wo geht deine Reise hin, deine Entwicklung hin?HE: Ich habe in Frankreich mit jemandemgepusht, der sehr sehr gut war, ganz sub-til Dinge bei mir gesehen und gespürthat, die mir nicht bewusst waren und derhat mir gesagt: „Du brauchst mehr Leich-tigkeit“. Daran möchte ich arbeiten.

GB: Was waren deine größten Erfolge imTaiji, worauf bist du besonders stolz?HE: Hmm, schwer zu sagen, ich habe nieCompetitions gemacht, keinen Wett-kampf gewonnen. Also ich glaube, wo-rauf ich stolz bin, ist dass ich immer bes-ser in der Partnerarbeit auch im FreienPushen beim Nachgeben bleiben kann. Inden ersten Jahren das kennt wohl jeder –leistet man Widerstand, sobald jemandein bisschen fester pusht. Ich bin immerstolz drauf, wenn ich mein Ego überwin-den und nachgeben kann. Das Verrücktedabei ist: Je besser ich nachgeben kann,desto schwerer bin ich zu pushen.

GB: Gibt es für dich in der Kampfkunstetwas, das du unbedingt lernenmöchtest?HE: Oh. Nichts Äußeres.

GB: Und was Inneres?HE: Taiji-Erleuchtung.

23Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

Huang Sheng Shyan, chin. 黃性賢, Huang Hsing-hsien (W.-G.) oder Huáng Xìngxián (Pinyin),(1910-1992) war ein chinesischer Taijiquan-Meister.Huang Sheng Shyan lernte bereits mit 14 Jahren von Xie Zhong-Xian Fujian White Crane(Weißer Kranich) und war in dieser Kampfkunst bereits ein Meister, als er 1949 nach Taiwan zog, um dort Schüler von Zheng Manqing zu werden. Zheng Manqing war ein Schülerdes Enkels des Begründers des Yang-Stils, Meister Yang Chengfu.In den folgenden 45 Jahren widmete sich Huang Sheng Shyan der Verfeinerung und Weiter-entwicklung des von Zheng Manqing gelehrten Taijiquan im Yang-Stil.

Quelle: http://deacademic.com

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Fachliches

Die chinesischen Künste Qigong und Tai-jiquan sind in der Mitte der Gesellschaftangekommen. Jede Volkshochschule hatganz selbstverständlich entsprechendeAngebote im Programm. Aber auch Be-triebe bieten solche Kurse für die Mitar-beiter an. Man hat erkannt, dass gesun-de Mitarbeiter die Grundlage für einengesunden Betrieb darstellen. Man inves-tiert deshalb in die betriebliche Gesund-heitsförderung (BGF), denn man hat er-

kannt, dass Präventionskurse für Mitar-beiter keine „nice-to-have’s“ sind, sondernsich in barer Münze lohnen.

Betriebliche Gesundheitsförderungrechnet sichVerschiedene Studien belegen, dass für je-den Euro, der ins BGM/BGF investiert wird,mehrere Euro Ersparnis entstehen. Der„return on investment“ (ROI) bewegt sichje nach Studie zwischen 1:2 und 1:6. Das

heißt, dass das Unternehmen für jeden in-vestierten Euro 2 bis 6 Euro gewinnt. Die-ser Gewinn entsteht hauptsächlich durchdie Senkung der krankheitsbedingtenFehlzeiten (Absentismus). Angebotenwerden Präventionskurse mit den klassi-schen Handlungsfeldern Bewegung, Er-nährung, Stressbewältigung und Sucht-prävention. Aus diesem Feld sind für dieBetriebe Kurse zu den Themen Fitness, Rü-ckenschule und Ernährung am Wichtigs-ten. Beim Thema Stress denken die Ver-antwortlichen zuerst an kognitive Verfah-ren, bei denen es beispielsweise um dieBewertung von Situationen geht. Danachkommen im Ranking die klassischen Ent-spannungsverfahren wie Autogenes Trai-

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Von Michael Raab

Wenn sich Betriebe um die Gesundheit sorgen

Ein kurzer Leitfaden für Qigong und Taiji in Betrieben

Unternehmen investieren in das betriebliche Gesundheitsmanagement. Der Artikelzeigt auf, welche Dinge zu beachten sind, wenn man als Lehrender in das Themaeinsteigen möchte. Beleuchtet werden die Erwartungshaltungen der Unternehmen,wie wir uns darstellen und präsentieren sollten und welche Honorare wir verlangenkönnen.

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Fachliches

ning, die Progressive Muskelentspannungund achtsamkeitsbasierte Meditationen.Letztere sind zurzeit sehr in Mode. Die chi-nesischen Künste Qigong und Taijiquanwerden dabei eher als Exoten betrachtetund weniger oft in Betracht gezogen.Wenn Firmen in einen Entspannungskursinvestieren, dann haben sie ganz be-stimmte Erwartungen. Inhaltlich möchtensie effektive Übungen, die die Teilnehmersofort alleine umsetzen können.

Die klassische Vorstellung, dass man sicherst jahrelang mit Grundlagen wie richtigerStand oder Bewegungsprinzipien beschäf-tigen müsse, bevor man sich an die eigent-liche Essenz heranwagen könne, ist nichtgefragt. Besser wäre die Aussage, dassman effektive Entspannungsübungenlehrt, die sich an die alten Künste Qigongoder Taijiquan anlehnen und die nur dieTeilaspekte Entspannung oder innere Mit-te zum Inhalt haben. Von Vorteil ist es auch,wenn wir zu der Wirkungsweise auch einekurze Erklärung parat haben, die mit demwissenschaftlichen Denken in Einklang ist.Etwa die, dass ruhige Bewegungen einenruhigen Geist erzeugen! Wenn wir die ruhi-gen Bewegungen dann noch mit einem ru-higen Atem koordinieren, dann wird derGeist noch viel stärker beruhigt!

Angebote ohne FachchinesischDer Verweis auf Qi, Dantians und Meri-diandehnungen wird von dem meistenPersonalverantwortlichen eher der Kate-gorie „Esoterik und anderer Klim-Bim“ zu-geordnet und sollte in einer Präsentationnicht an erster Stelle stehen. Unser Kurs-konzept sollte zwei oder drei einfache (!!)Übungen enthalten, die als Kern des Kur-ses leicht zu erlernen und allein gut um-zusetzen sind. Daneben können wir einpaar komplexere Übungen einbauen, dieals Kür dazu dienen, den Kurs interessantzu gestalten. Wir dürfen aber nicht erwar-ten, dass die Teilnehmer diese Kür zuhau-se auch umsetzen. Wir dürfen auch nichttäglich 30 Minuten Üben einfordern. Un-ser Kurs war gut, wenn es ein Drittel derTeilnehmer schafft, dreimal in der Woche10 Minuten ins Runterkommen zu inves-tieren. Mehr ist unter diesen Bedingungenwahrscheinlich nicht zu holen!

Ich kann mich gut an einen Präsentati-onstermin mit dem Leiter eines mittel-ständigen Unternehmens erinnern. Unterder Vermittlung einer Krankenkasse undeines Physiotherapie-Studios sollte einQigong-Kurs für die Belegschaft angebo-ten werden. Mit dem Sekretariat hatte icheinen Termin vereinbart, bei dem mir ei-gentlich nur der Raum gezeigt werdensollte. Ich wurde in ein Besprechungszim-mer geführt und plötzlich waren da auchder Geschäftsführer und ein Vertreter derbeteiligten Krankenkasse. Ehe ich michversah, war ich plötzlich Akteur in einerBusiness-Präsentation. Dabei wurde ichauch gefragt, was ich denn in diesen Kurshineinpacken wolle. Jemand erzählte voneinem betriebsinternen Yoga-Kurs, indem der Kursleiter plötzlich mit Mantra-Singen angefangen hätte.

Das löste bei allen Beteiligten eine gewisseHeiterkeit aus. Mit leichtem Spott in derStimme wurde ich dann gefragt, wie ich esdenn mit solchen Dingen halten würde. Der

Kurs war nämlich als Pflichtveranstaltungfür alle Mitarbeiter während der Arbeits-zeit geplant. Da das Team größtenteils ausTechnikern und Ingenieuren bestand, wardie Affinität zu alternativen Weltsichtennatürlich sehr gering ausgeprägt. Manwollte hier keine „Esoterik“ haben!

Essenz in KürzeBei einem anderen Unternehmen wurdeich zu einem Gesundheitstag eingeladen.Dort sollte ich vor der versammelten Be-legschaft in einem kurzen Vortrag meinQigong vorstellen. Als Dauer waren nurwenige Minuten vorgesehen. Zeit zur Vor-bereitung hatte ich nicht. Unternehmenund Entscheider sind von ihren potentiel-len Kooperationspartnern ein professio-nelles Auftreten gewohnt und erwartendieses auch von einem Kursanbieter imGesundheitsbereich. Wer sich hier etab-lieren will, sollte sich in den Bereichen Prä-sentation, Rhetorik und der Kunst derKurz-Vorstellung, dem sog. Elevator-Pitch, schulen lassen. Viele Inhouse-Schu-

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Das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) begründet sich auf der WHO-Charta zur Gesundheitsförderung von 1986. Die Handlungsfelder Arbeitsschutz und betriebliches Ein-gliederungsmanagement sind für die Unternehmen verpflichtend. Präventionskurse mit denklassischen Handlungsfeldern Bewegung, Ernährung, Stressbewältigung und Suchtpräventiongehören zur betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF), die ein Teilbereich des BGM ist. Das BGF ist für die Unternehmen nicht verpflichtend. Die Krankenkassen unterstützen dasBGF finanziell nach den Richtlinien des § 20 SGB V. In Zeiten von Fachkräftemangel möchtensich Unternehmen auch durch Gesundheitsangebote für Bewerber attraktiv gestalten.

http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0006/129534/Ottawa_Charter_G.pdf

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Fachliches

lungen zum Thema Stressbewältigungfinden nicht während der Arbeitszeitstatt, sondern werden vom Unternehmenauf die Mittagspause gelegt. Dort werden60, manchmal auch nur 45 Minuten Dau-er anberaumt.

Wenn ein Unternehmen einen Präventi-onskurs für seine Mitarbeiter anbietet,kann das mit oder ohne Beteiligung einerKrankenkasse geschehen. Im ersterenFall wird oft von den Mitarbeitern eine Ei-genbeteiligung verlangt. Den größtenTeil der Kosten trägt aber meist das Un-ternehmen. Hier kann es passieren, dassvom Kursleiter trotzdem eine ZPP-Zertifi-zierung verlangt wird, um so einen ge-wissen Qualitätsstandard zu sichern.Wenn der Kurs über die Krankenkassenmitfinanziert werden soll, dann wendetsich das Unternehmen an nur eine Kran-kenkasse, bei der ein Teil der Belegschaftversichert ist. Diese Krankenkasse regeltmit dem Unternehmen, welchen Teil derKosten sie tragen will. In beiden Fällenwird zwischen dem Unternehmen und

dem Kursleiter das Honorar frei ausge-handelt. Bei der Honorarfrage passiert esschnell, dass man sich zu billig verkauft.

Man muss hier deutlich mehr verlangen,als man es von Volkshochschulen undKliniken gewöhnt ist. Dort ist ein Stun-densatz von 25 bis 30 Euro, selten 35Euro üblich. Bei Trainern und Beraterngilt ein Tageshonorar von 1.000 bis1.300 Euro als Durchschnitt. Anfängernwird geraten, nicht unter 800 Euro zugehen. Allerdings wird hier ein akademi-scher Hintergrund stillschweigend vo-rausgesetzt. Das entspräche einemStundensatz von 100 bis hin zu 160Euro. Für unser Themenfeld würde ichden Stundensatz etwas niedriger anset-zen, nämlich auf 80 bis 120 Euro. Wersich viel zu billig anbietet, der wird vonden Unternehmen nicht ernst genom-men und deshalb nicht in die engereWahl gezogen.

Wer deutlich höhere Preise verlangenwill, muss auch deutlich mehr bieten als

„nur“ eine Anerkennung durch die Kran-kenkassen. Lässt man sich als Honorar-kraft bei einem Seminaranbieter vermit-teln, muss man sich mit etwa 40 % zu-friedengeben. Dafür spart man sichAkquisition und Werbung. Der Vermittlerhat sich in jahrelanger mühevoller Arbeiteinen Namen gemacht und eigene Wer-bewege aufgebaut. Dafür sind 60% vomHonorar durchaus angemessen. Natür-lich ist auch eine Individualprävention imBetrieb möglich, bei der man einen nor-malen Präventionskurs mit der üblichenRückerstattung anbietet. Das BGF ist fürLehrende der chinesischen Künste ein in-teressantes Gebiet mit vielen Entwick-lungschancen.

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201926

Michael Raab ist Industriekaufmann,Entspannungspädagoge, Hypnose-therapeut, Heilpraktiker, Taijiquan- undQigong-Lehrer und Autor. Er arbeitet inKarlsruhe als Trainer für Unternehmen.

Der Autor

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Fachliches

Dabei werden Übungen des Meridian-Qi-gong ausgewählt, die den Meridian akti-vieren, der über den gerade trainiertenMuskel führt. Diese Übungen regen denQi-Fluss in dem entsprechenden Muskelan. Die verbesserte Qi-Versorgung unter-stützt den Muskelaufbau. Außerdembleibt der Muskel geschmeidig und wirdnicht hart und unflexibel, wie es bei rei-nem Krafttraining oft der Fall ist.

Wesentliches Kriterium des Power Qi sindAtemtiefe und Atemort. Letzteres ist je-ner Bereich, der sich bei der Einatmungam meisten ausdehnt. Die Bewegung mitGewichten gibt dem Atem Kontur. Der be-wusste tiefe Atem ist wichtiger, als dasHeben des Gewichts. Im Power Qi ist Kraft-training und Atemübung mit Gewicht.

Muskeltraining – Einfluss auf Gefühle und PersönlichkeitDas Besondere an diesem Krafttrainingist sein Einfluss auf die Persönlichkeit. Je-der Muskel hat neben seiner physiologi-schen auch eine psychologische Funkti-on. Wenn man einzelne Muskeln mehr alsandere trainiert, hat man daher auch ei-nen Einfluss auf die Gesamtgestalt derPersönlichkeit. Aus der chinesischen Me-dizin ist bekannt, dass ein Zusammen-hang zwischen einzelnen Organen undKörperbereichen und bestimmten Ge-fühlsbereichen sowie Denkgewohnhei-ten und geistigen Funktionen besteht.

Aus der Shen-Dao-Faszienarbeit weiß ichaus jahrzehntelanger Erfahrung, dass einZusammenhang zwischen einzelnen

Muskeln und Muskelgruppen und Emo-tionen und Charaktermustern existiert.Das bedeutet, dass ein Fitness- oder Kör-pertraining individuell auf eine Person sozugeschnitten werden kann, dass es ihrerseelischen und geistigen Eigenart ent-spricht und eventuell schwächer vorhan-

dene Persönlichkeitsmerkmale und Cha-rakterzüge fördert und unterstützt. Sokönnte zum Beispiel eine Person, die anmangelndem Selbstbewusstsein leidet,dieses Grundgefühl durch ein gezieltesTraining des großen Brustmuskels undDeltamuskels in einer positiven Weise

27Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

Von Dr. med. Achim Eckert

Power Qi –Chang Qiang Qigong

Power Qi ist eine Kombination von Han-teltraining und Qigong-Übungen in ei-ner festen Abfolge, so dass Power Qi zu-gleich auch eine Meditationstechnik mitFokus auf den Fluss des Atems ist.

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verändern – mit einer starken Brust undkräftigen Schultern fällt es schwer, sichauf die Dauer niedergeschlagen, depri-miert, pessimistisch, mutlos, zaghaft undschüchtern zu fühlen.

Beim Power Qi gibt es vier Grundeinhei-ten, die jeweils 45-60 Minuten dauern.Die erste fokussiert auf das Training derunteren und mittleren Fasern des großenBrustmuskels und des vorderen und hin-teren Deltamuskels. Durch das Aufbau-training des großen Brustmuskels wirddie Brust voller. Da der große Brustmus-kel ein Atemhilfsmuskel ist, vergrößert erim trainierten Zustand den Brustkorb.Dadurch wird das Lungenvolumen größerund die Atmung effektiver und tiefer.

Da die Hautlänge von Schlüsselbein zuBrustwarze gleich bleibt, bewirkt das Auf-bautraining des großen Brustmuskels ei-nen volleren und strafferen Busen – da ei-nerseits die Muskelmasse mehr wird undandererseits der knöcherne Brustkorbnach vorne mehr gewölbt wird, was bei-des die Brust voller macht und die Brust-warze hebt.

Der große Brustmuskel ist die physischeKorrelation von Selbstwert, Optimismusund Ausdrucksstärke. Mit einer kräftigenBrust hält man physischen wie verbalenund energetischen Attacken mit mehrRuhe und Selbstsicherheit stand.

Das Aufbautraining des vorderen undhinteren Deltamuskels bewirkt eine Stär-kung der Schultern. Breite Schultern be-deuten, dass man handlungsfähiger wirdund mehr Verantwortung tragen kann.Die Schultern sind die Schnittstelle zwi-schen dem Rumpf, dessen Form undFunktion unser Sein bestimmt und Ar-men und Händen, mit denen wir uns ho-len, was wir zum Leben brauchen, mit de-nen wir geben, was wir zu geben habenund mit denen wir abwehren, was unsGewalt antun will.

Muskeltraining und deren Einfluss auf die MeridianeZum Aufbautraining der unteren undmittleren Fasern des großen Brustmus-kels und des vorderen und hinteren Del-tamuskels werden die Meridian-Qigong-Übungen der in dem Bereich verlaufen-den Meridiane durchgeführt und damitdas Qi durch den großen Brustmuskelund die Meridiane von Herz und Lungeund zum vorderen Deltamuskel durchden Dickdarmmeridian geleitet.

Die zweite Grundeinheit des Power Qi trai-niert mit Bizeps, Trizeps und dem mittle-ren Deltamuskel unsere Fähigkeit zu han-deln und uns im Leben durchzusetzen. DieMeridiane, die diese Muskeln versorgen,sind die Meridiane der Lunge, der Herz-hülle, des Dreifachen Erwärmers und desDünndarms. Zum Training der drei Mus-keln macht man die Meridian-Qigong-Übungen der entsprechenden Meridiane.

Die dritte Grundeinheit des Power Qi trai-niert die oberen, vom Schlüsselbein her-kommenden Fasern des großen Brust-muskels, den breiten Rückenmuskel oderlatissimus dorsi und die Bauchmuskeln.Diese Einheit stärkt den Rumpf undmacht ihn gleichzeitig geschmeidig undflexibel, denn die dazu gewählten Übun-gen dehnen Wirbelsäule und Rücken undwirken vor allem auf Blasen- und Leber-meridian. Diese Trainingseinheit stärktdas Sein, belebt die Zwölf Organe, ver-größert ihren Schutz und verringertHohlkreuz und Buckel oder Kyphose.

Die vierte Grundeinheit des Power Qi trai-niert Beine und Po und arbeitet an derVerringerung eventueller X- oder O-Bein-Struktur. Hier werden sowohl die Kraft-übungen als auch das Meridian-Qigongnach individuellem Körperlesen zusam-mengestellt.

Zum Abschluss einer Power-Qi-Stundesetzt man sich noch 5–15 Minuten inMeditationshaltung, beobachtet denAtem und genießt das Gefühl, im Körper

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zu sein. Nach der Power-Qi-Stunde fälltes leicht, in Ruhe die Gedanken, Gefühleund Körperwahrnehmungen zu beob-achten. Der sonst bei vielen im Kopf üb-liche Bienenschwarm an Gedanken hatsich zum Honig des Körpergefühls ge-wandelt.

Individuelle Anwendung und ErgänzungsmethodenPower Qi funktioniert am besten, wenndie Übungen individuell ausgewählt wer-den. Nach individueller Körperdiagnostikwerden nur die Power-Qi-Stunden emp-fohlen, die schwache und unterentwickel-te Muskeln trainieren. Wenn Muskelndurch übergroße Spannung oder verkleb-te Faszien verkürzt sind, können sie durchShen-Dao-Faszienarbeit entspannt undgedehnt werden.

Sowohl Power Qi als auch Shen Dao sindTeil meines Tao-Trainings, einer ganzheit-lichen Methode, die Menschen unter-stützt, emotional wie physisch fit und ge-sund zu werden und zu bleiben. Shen Daoist eine Form der strukturellen Körperar-beit, die ich aus mehreren Quellen entwi-ckelt habe: einerseits aus der Faszienbe-handlung von Ida Rolf (Rolfing) und JackPainter (Posturale Integration), anderer-seits aus der Lehre von den Körper- undCharaktertypen, die von Wilhelm Reich

entworfen und dann unter anderen vonAlexander Lowen (Bioenergetik), JohnPierrakos und Ron Kurtz (Hakomi) wei-terentwickelt wurde. Die Faszienbehand-lungen habe ich so angeordnet, dass siedem Fluss des Qi in den Meridianen ent-spricht. Insofern ist Shen Dao eine Form

der strukturellen Körperarbeit, die demEnergiefluss des Organismus folgt und soden westlichen und östlichen Ansatz ver-schmilzt. Shen Dao arbeitet nach einerAnalyse der Körperhaltung am Bindege-webe, um den Körper neu zu modellieren.

Auch wenn Power Qi nur ein Teil des ganz-heitlichen Tao Training ist, kann es durch-aus auch alleine praktiziert werden. Mankann Power Qi als Morgenmeditation vorder Arbeit machen, untertags, wenn manZeit hat oder auch abends nach der Ar-beit, um vom meist recht beanspruchtenKopf wieder zurück in den Körper und insSelbstgefühl zu kommen und dadurch inder Folge erholsamer und tiefer zu schla-fen. Für Praktiker von Qigong und Taijistärkt Power Qi die muskuläre Grundlagedes Qi-Flusses im Körper, ohne diesendurch einseitiges Training unflexibel undstarr zu machen.

Dr. med. Achim Eckert, Akupunktur-Diplomdes International College of Acupuncture,

Schweiz. Ausgebildet in traditioneller undmoderner chinesischer Medizin am Colom-bo South Hospital, Sri Lanka. Mitglied desInternational College of Acupuncture, Mit-glied der Sri Lanka Acupuncture Society.Ausgebildet in klassischer und intuitiverMassage, Namikoshi-Shiatsu, Zen-Shiatsu,Meditation und in traditioneller chinesi-scher Medizin an der RIMU, Indien. Trainerfür Posturale Integration (Strukturelle Kör-perarbeit), California.

Zum Weiterlesen:• Tao Training, Achim Eckert, Naturaviva

(Teil von Häddecke Verlag), Weil derStadt, 2. Auflage 2011.

• Das heilende Tao, Achim Eckert, Müller &Steinicke, München, 14. Auflage 2018(www.naturmed.de).

• Shen Dao wird in einem Kapitel im BuchTao Training sowie auf www.taotrai-ning.at genauer beschrieben.

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Dr. med. Achim Eckert ist Begründer desTAO TRAINING, welches eine Synthesebildet aus Power Qi, TCM und struktu-reller Arbeit an Körper und Charakter(Shén Dào).Kontakt: [email protected] , www.taotraining.at

Der Autor

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Im Rahmen der wissenschaftlichen Re-cherche stellte ich fest, dass bei Bur-nout sowohl ein Ungleichgewicht vonYin und Yang als auch eine Dysbalancealler fünf Elemente besteht. Mithilfeder beiden zentralen Konzepte der TCM(Yin-Yang und Fünf-Elemente) könnendie Vorgänge und Phasen des Burnoutsin einem einfachen Schema dargestelltwerden. Die Entwicklung dieses TCM-Burnout-Modells bildete die Basis mei-ner Masterthesis, in der die sieben Pha-sen des Burnout-Syndroms, die Matthi-as Burisch in „Das Burnout-Syndrom“beschreibt, mit den Konzepten der TCMverglichen wurden.

Nach diesem Modell beginnt das Burnoutmit einer Schwächung des Yin (Phase 1laut Burisch) und endet mit einer Schwä-chung des Yang (Phase 7 laut Burisch).

Die zwischen diesen Polen liegendenPhasen (2 bis 6) werden durch den Zer-störungszyklus der fünf Elemente be-schrieben.

Es ergibt sich daraus folgende Zuteilung:

• Phase 1 – Yin-Schwäche• Phase 2 – Metall-Ungleichgewicht• Phase 3 – Holz-Ungleichgewicht• Phase 4 – Erde-Ungleichgewicht• Phase 5 – Wasser-Ungleichgewicht• Phase 6 – Feuer-Ungleichgewicht• Phase 7 – Yang-Schwäche

Bei Burisch bildet die Aufzählung der Ka-tegorien bzw. Phasen eine ungefährezeitliche Reihenfolge ab. Auch im TCM-Modell muss die individuelle Natur desBurnout-Syndroms berücksichtigt wer-den. Es handelt sich hier um eine Über-sicht der möglichen Symptome. Welche

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Von Angela Cooper

Das Burnout-Syndrom aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin

Die Hintergründe des Burnout-Syndroms werden in der Traditionellen ChinesischenMedizin (TCM) unterschiedlich beschrieben. Einig ist man sich darüber, dass es sichum ein Ungleichgewicht des Yin-Yang-Haushaltes handelt. Angeregt durch diesenDiskurs und die Uneinheitlichkeit in der Thematik, verfasste Angela Cooper im Jahr2012 ihre Masterthesis zum Thema Burnout-Syndrom, TCM und Qigong. Persönli-che Erfahrungen schürten ihr Interesse an der Fragestellung, wie Qigong und TCMbei Burnout eingesetzt werden können.

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Symptommuster sich tatsächlich und inwelcher Ausprägung entwickeln, hängtvon Persönlichkeit, Umwelt und den Er-fahrungen der Betroffenen ab. Der Pro-zess kann jederzeit unterbrochen wer-den – durch Veränderungen einerseitsder äußeren Bedingungen oder anderer-seits der Innenwelt der Betroffenen.

Im Folgenden wird das TCM-Burnout-Mo-dell den Phasen des Burnout-Syndromsnach Burisch gegenübergestellt.

Phase 1 Eine Schwäche des Yin, des passiven Prin-zips, äußert sich deutlich in fehlenderRuhe. Zum Vorschein kommt gesteigerteAktivität, die nicht auf einem Übermaßan Kraft oder Energie beruht, sondern aufdem Fehlen von Entspannung und inne-rem Frieden. Aus TCM-Sicht besteht einrelativer Yang-Zustand, der sich in Hy-peraktivität und Unruhe ausdrückt.

Es besteht nicht ein Zuviel an Yang, son-dern ein Zuwenig an Yin. Oft fällt es Be-troffenen schwer, abzuschalten, eskommt zu Schlafstörungen und in derFolge zu Erschöpfung und Energieman-gel, was wiederum erhöhte Unfallgefahrnach sich ziehen kann. Trotz der Erschöp-fung bestehen starke Unruhe und derDrang, etwas zu tun. Oft wird gerade indiesem Zustand, der einer Erholung be-darf, besonders viel gearbeitet. Man fühlt

sich unentbehrlich, verleugnet eigene Be-dürfnisse, da die Ruhe fehlt, sich der ei-genen Bedürfnisse bewusst zu werden,sich Wünsche zu erfüllen oder sie über-haupt erst wahrzunehmen. Es entstehtder Eindruck, dass Betroffene nie Zeit ha-ben, in der Folge werden soziale Kontak-te reduziert oder eingestellt. All dieseFaktoren stimmen mit den bestimmen-den Symptomen der ersten Phase nachBurisch überein.

Phase 2 Das Element Metall hat laut TCM mit dem„Wert“ zu tun, Wert im Sinne von Selbst-wert, Achtung der Werte der Mitmen-schen und der Umwelt, aber auch des ma-teriellen Werts. Ist der Metallmensch ausdem Gleichgewicht, kann er seinen eige-nen Wert nicht schätzen und braucht dieAnerkennung von außen, von Kollegen,Mitarbeitern, Klienten und Freunden.Bleibt diese aus oder kann er sie nichtausreichend wahrnehmen, leidet der Me-tallmensch unter dem Gefühl mangeln-der Anerkennung, er fühlt sich ausge-beutet. Oft reagiert er mit Eifersucht oderNeid, was zu Familienproblemen und Ent-fremdung vom Freundeskreis führenkann. Diese Phänomene beschreibt auchBurisch in der Phase 2.

Metallmenschen neigen zu Perfektionis-mus und Idealismus, die sich sowohl imPrivat- als auch im Berufsleben äußern.

Kommt es zu einem Ungleichgewicht, las-sen sich diese Ideale oft nicht aufrechter-halten, es entstehen Desillusionierung,Verlust des Idealismus und eine Krise derWerte. Daraus folgt oft eine negative Ein-stellung zur Arbeit, die sich zum Beispielin Widerwillen und Überdruss an dieser,kombiniert mit Fluchtfantasien, äußert.Der Metallmensch hat ein ausgeprägtesBedürfnis nach Struktur und Klarheit. Inder Konsequenz kann sich bei einer Im-balance im Metall-Element diese Neigungzu einem Verlangen nach vermehrterKontrolle und Ordnung, nach strengenRegeln und festen Grenzen steigern.

In der zweiten Phase finden sich eben-falls eine verstärkte Akzeptanz von Kon-trollmitteln sowie die Stereotypisierungvon Mitmenschen, was als ein Ringen umOrdnung und Struktur zu sehen ist. DasMetall-Element in Harmonie steht für ei-nen gesunden Austausch mit der Umweltund den Mitmenschen. Die Unfähigkeit,zu geben, gilt als deutliches Zeichen einesUngleichgewichts des Metall-Elements.Weitere Hinweise sind gesteigerte Kritikund der Verlust des Einfühlungsvermö-gens, was sich oft in Verständnislosigkeit,Zynismus und der Schwierigkeit, auf an-dere einzugehen bzw. ihnen zuzuhören,äußert. Auch dies sind laut Burisch häufi-ge Zeichen des zweiten Stadiums einesBurnout-Syndroms.

Ist das Metall-Element im Ungleichge-wicht, kann sich das über den Zerstö-rungszyklus negativ auf das Holz-Ele-ment auswirken.

Phase 3 Burisch unterteilt die dritte Phase in zweiThemengebiete: Depression und Aggres-sion. Dies sind auch die prägenden As-pekte eines Ungleichgewichts des Holz-Elements. Die Phase 3 äußert sich lautBurisch in Ungeduld, Launenhaftigkeit,Intoleranz und Kompromissunfähigkeit.Dies liest sich wie eine Beschreibung derSymptome eines Ungleichgewichts imHolz-Element, ebenso wie Nörgelei, Ne-gativismus und Reizbarkeit. EbendieseThemen sind bei Burisch in Phase 3 auf-gelistet. Ein Holz-Typ neigt zu Konflikten

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mit anderen, zu Ärger und Ressenti-ments. Auch diese Tendenz teilt er mitBetroffenen des Burnout-Syndroms inder dritten Phase. Daraus folgen oft Miss-trauen, Vorwürfe und Schuldzuweisun-gen, gepaart mit Verleugnung der Eigen-beteiligung an vorhandenen Problemen.Wendet sich die Aggression aber nach in-nen, kommt es laut TCM zu Depression,Schuldgefühlen und Humorlosigkeit, wieauch zu abrupten Stimmungsschwan-kungen und verringerter emotionaler Be-lastbarkeit, Symptome, die auch die drit-te Phase des Burnout-Syndroms prägen.

Das Holz-Element in Imbalance wirktüber den Zerstörungszyklus belastendauf das Erde-Element.

Phase 4 Laut TCM sorgt ein gesundes Erde-Elementfür reichlich Energie und physische sowiepsychische Kraft. Bei einer Imbalance da-gegen kommt es zu chronischer Müdigkeitund damit einhergehend verringerter Ini-

tiative und Produktivität. Das Fehlen desAntriebs und der Motivation erinnert anPhase 4 des Burnout-Syndroms. Ein weite-res Merkmal eines Ungleichgewichts imErde-Element ist die Unfähigkeit, sich zukonzentrieren, und damit verbunden Un-genauigkeit und Desorganisation, Symp-tome, die in der vierten Phase auftreten.Der Intellekt und somit das Vermögen,komplexe Aufgaben zu lösen, wird eben-falls dem Erde-Element zugeordnet. Bei ei-ner Unausgewogenheit wird diese Fähig-keit beeinträchtigt. Ein Problem, das Bu-risch der Phase 4 zuschreibt.

Ein gesundes Erde-Element hat laut TCMeine wichtige Funktion bei der Entschei-dungsfindung. Wird das Erde-Element ge-schwächt, kommt es – entsprechend derPhase 4 – zur Unfähigkeit, klare Anwei-sungen zu geben und sich zu entscheiden.

Ist das Erde-Element angegriffen, kannsich das negativ auf das Wasser-Elementauswirken.

Phase 5 Laut TCM ist das Element Wasser assozi-iert mit Rückzug und Innenschau. Wasser-menschen tendieren dazu, sich intensivmit sich selbst zu beschäftigen und sichzurückzuziehen. Bei einem Ungleichge-wicht und somit einer Verstärkung dieserTendenzen kann es zu Eigenbrötelei undEinsamkeit und somit zu genau der Ver-flachung des emotionalen Lebens und dergefühlsmäßigen Reaktion sowie in der Fol-ge zu Gleichgültigkeit kommen, die Bu-risch als Merkmal der Phase 5 beschreibt.

Der Austausch mit anderen Menschen re-duziert sich, das soziale Leben verflachtsowohl bei einem Ungleichgewicht imWasser-Element als auch in der Phase 5laut Burisch. Das geistige Leben kann be-einträchtigt werden, wenn im Wasser-Element die natürliche Neigung des Was-sermenschen, den Dingen auf den Grundzu gehen, durch eine Imbalance unter-drückt wird und Langeweile und Desinte-resse entstehen, was sich auch bei Be-

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Qigong als Burnout-Prophylaxe

Aufbauend auf diesemBurnout-Modell erarbei-tete die Autorin eine ein-fache Qigong-Form, diespeziell auf die sieben Kategorien bzw. Phasendes Burnout-Syndromsabgestimmt ist. Ihr Kon-zept basiert dabei auftraditionellen Qigong-Übungen, den Erkenntnis-sen der TCM und ihrenpersönlichen Erfahrungenmit Qigong als Hilfe beiihrem eigenen Burnout.

Die komplette Übungs-beschreibung finden Siein der Online-Ausgabeunseres Magazinswww.taijiquan-qigong.de/medien/netzwerkmaga-zin/aktuelle-ausgabe

Phase 1: • das Yin nähren und einen Yin-Yang-Ausgleich schaffen

Grundhaltung: aufrecht stehen. Der Rücken ist lang, Kopf, Schul-tergürtel, Becken und Füße sindim Lot.

Phase 2: • das Metall-Element harmonisieren

Kleine Qi-Sammlung vor demDantian (= Energiezentrum imUnterbauch), große Qi-Samm-lung vor dem AkupressurpunktLunge 1 (ein Daumenbreit un-terhalb des Schlüsselbeins), umden Lungenmeridian ins Gleich-gewicht zu bringen. Dazu dieHände in einer kleinen Kreisbe-wegung vor das Dantian brin-gen, danach mit einer großen,sammelnden Kreisbewegungvor die Brust bringen, als würdeman einen Energie-Ball halten.

Phase 3: • das Holz-Element harmonisieren

Die Hände von Akupressur-punkt Leber 14 ausgehend (unterhalb der Brustwarze aufHöhe des sechsten ICR) nachvorne führen, als würde manetwas wegschieben.

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Angela Cooper, MBA für Gesundheits- und Sozialmanagement, Leiterin der Qigong Akademie Cooper in Wien, unterrichtet seit dem Jahr 2000 Qigong u.a. an der Akade-mie der Wissenschaften, Zentrum für Molekulare Medizin, Vital-Akademie, GEA-Akade-mie, Peugeot, Wella, Taiji-Schule-Jena. Sie ist zertifizierte IQTÖ-Qigong-Ausbilderin, Dipl. Tanz-Pädagogin, Dipl. Entspannungstrainerin, Dipl. TCM-Energetikerin, Dipl. Kine-siologie-Stressberaterin, Dipl. Lebens- und Sozialberaterin, www.qi.at

Der Autorin

Phase 4: • das Erde-Element harmonisieren

Die Handrücken aneinander-legen und über die Mitte des Körpers nach oben bringen, die Hände in einer runden Bewegung nach vorne und unten führen.

Phase 5: • das Wasser-Element harmonisieren

Die Arme weit ausbreiten, alsmöchte man einen großen Ballumarmen, in einer runden Bewegung zusammen und zumKörper führen, mit den Hand-rücken über den Rücken undüber die Rückseite der Beinestreichen. Dabei Wirbel für Wirbel abrollen.

Phase 6: • das Feuer-Element harmonisieren

Die Arme nach oben öffnen, wieeine Blume, die ihre Blätter zurSonne hin öffnet. Anschließenddie Handteller vor dem Herzenaneinanderlegen.

Phase 7: • das Yang nähren und Yin und Yang harmonisieren

Die Arme weit über die Seitennach oben ausbreiten und vordem Körper wieder sinken lassen.

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troffenen des Burnout-Syndroms in derPhase 5 zeigt.

Ein angegriffenes Wasser-Element hatmeist negative Folgen auf das Feuer-Element.

Phase 6 Während bei jedem Element, das im Un-gleichgewicht ist, psychosomatische Re-aktionen auftreten, decken sich die Symp-tome, die Burisch in der Phase 6 aufzählt,auffallend mit denen des Feuer-Elements.So gehören Schlafstörungen, Albträume,ein gerötetes Gesicht, Herzklopfen undEngegefühl in der Brust zu den Sympto-men einer energetischen Imbalance imFeuer-Element, wie auch beschleunigterPuls, erhöhter Blutdruck und sexuelleProbleme auf einem Feuer-Ungleichge-wicht beruhen können.

All diese Symptome zählt Burisch für diePhase 6 auf. Weiteres beschreibt er Pro-bleme mit dem Muskeltonus, Verdau-

ungsstörungen, Übelkeit, Magen-Darm-Störungen, Gewichtsveränderung undveränderte Essgewohnheiten als typi-sche Beschwerden. Diese werden in derTCM mit Problemen des Erde-Elementsassoziiert, das oft als eine Folge einer Im-balance im Feuer-Element entsteht.

Phase 7 Die letzte Phase des Burnout-Syndromsnennt Burisch „Verzweiflung“. Sie wirdals das Endstadium des Verlaufs gese-hen. Vergleichbar ist dieser Zustand miteiner intensiven Schwächung des Yang.

Das Fehlen der aktiven Kraft des Yang be-wirkt Hoffnungslosigkeit, das Gefühl der

Sinnlosigkeit und eine existentielle Ver-zweiflung., Eine positive Einstellung zumLeben ist ohne die lebensbejahende Kraftdes Yang unmöglich. Selbstmordgedan-ken können auftreten, wenn das Yangschwindet.

Qigong als Burnout-ProphylaxeAufbauend auf diesem Burnout-Modellerarbeitete ich eine einfache Qigong-Form, die speziell auf die sieben Katego-rien bzw. Phasen des Burnout-Syndromsabgestimmt ist. Mein Konzept basiert da-bei auf traditionellen Qigong-Übungen,den Erkenntnissen der TCM und meinenpersönlichen Erfahrungen mit Qigong alsHilfe bei meinem eigenen Burnout.

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Vielleicht gehören Sie auch zu jenen, dieeinfach nur gute Qigong- und oder Taiji-Kurse oder Einzelbetreuungen anbietenmöchten, aber in regelmäßigen Abstän-den mit dem Thema „Zuschuss von derKrankenkasse“ konfrontiert werden. Daskann ganz unterschiedlich geschehen.

1) Vielleicht sind es die Kursteilnehmer,die und mitteilen, dass sie sich nur be-wegen, wenn die Krankenkasse denKurs bezahlt. Oder, da wo sie sich an-sonsten bewegen, bekommen sie im-mer etwas von der Krankenkasse dazu.

2) Vielleicht kommt der Krankenkassen-hinweis von einem Fortbildungsan-bieter, der jetzt endlich sein „Kon-zept“ für die nächsten drei Jahre beider ZPP (Zentrale Prüfstelle für Prä-vention) gelistet hat.

3) Vielleicht kommt der Krankenkassen-Zuschuss-Alarm auch von einem Mit-bewerber, der jetzt zertifiziert ist unddamit sehr offensiv wirbt.

Und schon befinden wir uns in der Zwick-mühle:

• Muss ich mit meinen Angeboten gleich-ziehen, weil ich ansonsten weniger Teil-nehmer bekomme?

• Ist es ein Qualitätssiegel oder Vorteil,wenn ich über eine Krankenkasse ge-funden werde?

• Habe ich noch genügend Interessentenfür meine Angebote, wenn ich dieseausschließlich für Selbstzahler anbie-ten möchte?

Plädoyer für eine andere FragestellungVielleicht sollten wir uns als Kursanbietereher fragen:

• Möchte ich mich alle drei Jahre von ei-ner Behörde anerkennen lassen, derenEntscheidungen sich ausschließlich amsich regelmäßig ändernden „Leitfadenfür Prävention“ orientieren?

• Möchte ich mich alle drei Jahre neu zer-tifizieren lassen?

• Passen die Ideen und Ziele meiner prak-tischen Arbeit „ohne Wenn und Aber“zu den Vorgaben dieses sich regelmäßigändernden Leitfadens?

• Möchte ich mein Kurs-Programm nacheiner Anerkennung auch zu 100 % ge-nau so in der Praxis mit den Teilneh-mern umsetzen? Dies müsste ich dannnämlich auch tun! Spielräume für ta-gesaktuelle Herausforderungen oderspezielle Teilnehmer sind eigentlichnicht gewünscht.

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201934

Angesichts eines steigenden Angebots an Qigong- und Taiji-Kursen und wachsendenKonkurrenzdruck unter den Anbietern beschäftigt sich der Autor mit der Frage, obund unter welchen Voraussetzungen ein Verzicht auf die Kooperation mit den Kran-kenkassen möglich ist. Er möchte damit zur Diskussion anregen und plädiert dafürTaiji- und Qigong-Schulen als Unternehmen aufzubauen.

Von Helko Brunkhorst

Qigong, Taiji und Finanzen Das §20-Krankenkassen-Dilemma

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• Möchte ich mich betriebswirtschaftlichvon einem System abhängig machen,welches (die Langjährigen erinnernsich) bereits 1995 schon einmal kom-plett abgeschafft wurde?

• Möchte ich meine Einnahmesituation einem System anvertrauen, dessen Än-derungen nicht in meinem Kompetenz-,Verantwortungsbereich liegen?

• Komme ich mit diesem 10-Wochen-proJahr-Zuschuss-System gut klar? Odermuss ich vielleicht regelmäßig meineMiete bezahlen?

• Warum bekommen alle, die sich dasganze Jahr bewegen, keinen Zuschussvon der Krankenkasse?

Wird sich das irgendwann mal ändern?

Eine allgemeingültige Lösungsstrategiefür das §20-Dilemma gibt es selbstver-ständlich nicht. Dazu sind die Vorausset-zungen der Anbieter von Qigong- undTaiji-Kursen zu verschieden. ABER ...

Qualität statt KrankenkasseBrauchen wir den §20 wirklich? Was wäre,wenn wir uns trauten, die Qualität unse-rer sehr speziellen und besonderen Ange-bote herauszustellen? Dafür spricht:

• Qigong und Taiji sind seit vielen Jahr-zehnten (oder Jahrhunderten) über denPrüfstatus hinweg. Ihre Effekte habensich längst bewährt. Diese Methodenwären garantiert längst verschwunden,hätten sie nicht zu den verschiedenstenZeiten viel Positives bewirkt. Von Aero-bic oder Zumba ist nach 10 oder 30 Jah-ren kaum noch die Rede.

• Vor allem in der heutigen bewegungs-armen, gestressten, schnellen, digitalenZeit können die Übungen des Qigongund Taiji ganz besonders wichtige, aus-gleichende Wirkungen entfalten.

• Auf der Suche nach fundierten undnachhaltigen Bewegungs- und Ent-spannungskonzepten kämen immermehr Menschen in den westlichen In-

dustrienationen neben dem Marketing-Topseller „Yoga“ automatisch auch aufdie altchinesischen Ideen, wenn wir sienoch besser vermarkten würden.

Oder wollen wir das vielleicht gar nicht?

Wenn wir das erreichen wollen, dann darfein sich ständig verändernder Kranken-kassen-Leitfaden nicht unsere inhaltli-che, organisatorische oder finanzielleOrientierung sein. Wir wissen z. B. aus un-serer alltäglichen Praxis, dass die wenigs-ten Kursteilnehmer nach 10 Mal Qigongdies selbständig und mit guter Qualität inihren Alltag integrieren können (Ziel desKurses aus der Perspektive der Kranken-kassen).

Wenn es unser Ziel ist, die größtmögli-chen, nachhaltigen Effekte bei unserensehr individuellen Kursteilnehmern zubewirken, dann müssen wir sie inhaltlich-flexibel dort abholen, wo sie stehen. Undwir müssen sie methodisch-didaktischindividuell und über einen längeren Zeit-raum betreuen. Das regelmäßige sozialeMiteinander einer sich über einen langenZeitraum bildenden Kursgemeinschaftist ein weiterer wichtiger Effekt für vieleTeilnehmer und unterstützt das sozialeBindegewebe.

Vielleicht sollten wir dem potentiellenKursteilnehmer offen sagen, dass wir unseinem §20-angepassten Kurskonzept

nicht (mehr) unterordnen können undwollen und unsere besonderen Angebotezu angemessenen Preisen direkt an dieKursteilnehmer zu verkaufen.

Gehen wir also davon aus, wir haben einwirklich tolles Produkt, dann ist diesesProdukt nach der gegenwärtigen be-triebswirtschaftlichen Praxis auch etwaswert. Oft kostet das, was gut ist, auch et-was mehr und wird selten subventio-niert. Warum ein die Lebensqualitätnachhaltig verbessernder Qigong- oderTaiji-Kurs nichts oder wenig kosten solloder darf, ist nicht logisch und vielleichtnur der Tatsache geschuldet, dass diesesProdukt auch nahezu kostenlos (mitKrankenkassenzuschuss von 80%), sehrgünstig (z. B. im Rahmen eines Reha-sport-, Vereins- oder VHS-Angebotes)oder sogar völlig ohne Gegenwert (kos-tenlose Schnupperangebote) zu habenist. Wir sollten keine Angst haben, dempotentiellen Kursteilnehmer zu sagen,was wir wert sind! Die Erfahrung zeigt,dass dann auch unsere Arbeit angemes-sen wertgeschätzt wird!

Wie ein Unternehmen denken und handelnDies ist natürlich nur wichtig, wenn wirvon unseren Kursangeboten leben müs-sen. Nur dann sind wir automatisch Un-ternehmerInnen mit allen Pflichten (diewir sehr gut kennen) und mit allen Rech-ten. Wir sind als UnternehmerInnen ge-zwungen, mit unseren Ausgaben (ma-chen wir) wie mit unseren Einnahmen,verantwortungsvoll zu planen und zu han-deln. Wie kann das gehen? Vielleicht so:

➜ Öffnen wir uns neuen Zielgruppen!Den sich selbst suchenden Taiji-Versinker,der die authentische Form in den nächs-ten 10 Jahren bis ins Detail lernen möch-te, gibt es nicht so häufig. Lockern wir unsein wenig auf. Bieten wir auch jenen un-sere (vereinfachte) Kunst, die einfach nurviel sitzen Rückenschmerzen oder Stresshaben oder davon hörten und sich aufdiese Themen einlassen möchten.Manchmal ergibt sich die Tiefe dann vonselbst. Und wenn nicht, tun wir immernoch Gutes!

35Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

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Fachliches

➜ Präsentieren wir uns angemessen für unsere (neuen) Zielgruppen!

Ohne einen gut auffindbaren Internet-auftritt wird es heute sehr schwierig. Lo-kale Werbung sollte gut überlegt, gestal-tet und vielleicht nicht zu „erleuchtend“oder „missionarisch“ sein.

➜ Kalkulieren wir einen angemessenenPreis für unsere Dienstleistungen!

Dabei müssen wir uns natürlich am Marktorientieren. Aber: in diesen Betrag müs-sen alle fixen und variablen Kosten (ggf.Umsatzsteuer, Miete, Nebenkosten, Reini-gung, Personal, Werbung, ...), aber auchalle Investitionen eingepreist werden. Wirhaben z. B. viel Zeit und Geld investiert,um das zu können, was den Kursteilneh-mern heute hilft. Und zumeist lernen wirimmer weiter. Auch diese Kosten solltensich amortisieren. Einnahmen, auf die wirkeinen direkten Einfluss haben, machennur einen sehr kleinen Teil der Gesamtein-nahmen aus! Die Einnahmen von § 20, Re-hasport, ... liegen leider nicht in unsererHand. An diesem Punkt stellen wir viel-leicht bei ehrlicher Betrachtung fest, dassunsere Idee nicht ausreichend rentabelfunktionieren wird? Oder: Das wir unsvielleicht mit anderen Themen/Konzep-ten zusammenschließen sollten?

➜ Verkaufen wir Mitgliedschaften statt Zehnerkarten!

Zehnerkarten sind sehr schlecht zu kalku-lierende Einnahmen. Den aktuellen Teil-nehmern alle acht Wochen zu erklären, wieschön doch unser Angebot ist, ist anstren-gend. Alle zehn Wochen ausreichend neueKursteilnehmer zu akquirieren, ist unmög-lich. Mitgliedschaften sind gut kalkulierba-re, langfristige Einnahmen. Ihr Verkaufoder Umstieg funktioniert problemlos übergut gestaltete Beratungsgespräche. Auchunser Qigong-/Taiji-Unternehmen hat denSinn, Gewinn zu erwirtschaften! Da mit unsniemand das Risiko und die Verantwor-tung eines evtl. Verlustes teilt, dürfen wiruns auch an einem möglichen Gewinn ohneschlechtes Gewissen erfreuen!

Akzeptanz und EinigkeitEin solche Herangehensweise funktio-niert natürlich am besten, wenn alle an ei-

nem Strang ziehen und eine ähnlicheWertigkeit für ihre Arbeit einfordern. Diesbedeutet außerdem die Akzeptanz des„Konkurrenten“ mit seinem vielleichtganz anderen Qigong oder Taiji. Leider istes immer noch häufig ein solides Hauenund Stechen zwischen den Schulen, Ver-bänden, Lehrern, Schülern. Wer macht dasauthentischste, traditionellste, energe-tischste, krankenkassenanerkannteste, ...Qigong oder Taiji? Wer hat von wem wasgelernt und ist deshalb schlechter oderbesser? Wer nennt sich wie und darf eroder sie das überhaupt? Sobald es unse-ren Kursteilnehmern mit unserer Art vonQigong oder Taiji ehrlich besser geht(geistig oder körperlich oder emotionaloder sozial oder anders), können wir unsglücklich schätzen. Vielleicht machen wirzuerst „nur“ einen Teil einer vereinfach-ten, gymnastischen Form einer altenÜbung, weil die komplexe Übung oder dieenergetische Arbeit die Kursteilnehmer inihrer aktuellen Situation überfordert.Aber vielleicht sind wir auch genau danngut im Lehren, wenn wir das erkennenund ein ausreichendes Repertoire besit-

zen, um unseren Unterricht teilnehme-rangemessen zu gestalten, auch wenn esdann manchmal gar nicht mehr so ganzdoll authentisch ist.

Trotzdem können wir das Tiefgründigefür jene, die es suchen, bewahren! Trotz-dem sitzen wir dann alle gemeinsam imsich immer weiter entwickelnden Qi-gong- oder Taiji-Boot und wissen, wiewertvoll unsere Arbeit eigentlich ist undsogar irgendwann von dieser wunderba-ren Arbeit auch „gut“ leben.

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201936

Helko Brunkhorst ist Sportwissenschaftler(Humboldt-Universität) und Sport-therapeut (DVGS). Er lernte Taiji, Qigongund Meditation u. a. bei Frieder Anders(Frankfurt/M.), Thomas Karthaus (Berlin) und Ernährung nach den 5 Elementen bei Barbara Temelie (Hamburg). Er ist seit 1995 Gründer und Inhaber des Trainer- und Therapeutennetzwerkes„bewegungsart“ Berlin und heute alsDozent für diverse Institutionen tätig.

Der Autor

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NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 36

Fachliches

Im Taijiquan geht es um die innere Kraft.Peng-Jin ist der Schlüssel zum Yang-Fa-milien-Taijiquan. Alles, was wir trainieren(Formen, Push Hands, Qigong-Formen,Solo-Drills etc.), ist darauf ausgerichtet,Qi zu kultivieren und Peng-Jin zu nähren.Viele Formen zu kennen, ohne die Prinzi-pien „Chuan Fa“ zu verstehen, bedeutetim Taijiquan sehr wenig. Um Taijiquan zudurchdringen, ist es notwendig, die Prin-zipien von „Eisen in Baumwolle“, „Ener-gie ausleihen“, „Stille in Bewegung“ etc.

zu verstehen. Das Verständnis dieserPrinzipien wird abgeleitet aus der tief-gründigen Methode des Tui Sao.

(Anmerkung des Übersetzers: Gim Sifubenutzt oft die für deutsche Mutter-sprachler missverständliche, weil mitenergetischer Grobheit assoziierte - Be-zeichnung „Dynamic Power PushingHands“. Es ist sprachlich wesentlich tref-fender, die englische Übersetzung von „TaSau“; „Strik ing Energy Push Hands“ zu

verwenden, die dann weiter ins Deutscheübersetzt wird als „Energie anstoßendesPush Hands“ – oder einfach den kantone-sischen Oberbegriff „Tui Sao“ zu benut-zen. Das hier gemeinte Anstoßen oderAnschlagen ist das in den Klassikern er-wähnte „Anstoßen der Energie, wie manein Trommelfell anschlägt“. Siehe auch„Bu Ta, Bu Gao“ – zu deutsch „nicht zuschlagen, bedeutet, nicht zu lehren“.

Zur Abgrenzung der Trainingsmethode,die Gim Sifu hier referiert, von dem, waslandläufig unter „Pushing Hands“ ver-standen wird, bezeichne ich ersteres imText mit dem kantonesischen Begriff „TuiSao“ und letzteres mit dem Mandarin-Chinesischen „Tuishou“.)

37Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

Von Hyo-Won Gim

Über die innere Kraft Peng-Jin und wodurch sie entsteht

Die innere Kraft Peng-Jin wurde von vielen bedeutenden Lehrern in der Geschichtedes Taijiquan als die wichtigste Fertigkeit dieser Kampfkunst angesehen. So auchvon Gim, Hyo-Won, einem Vertreter des Yang Stils in zweiter Generation nach Yang,Sau Chung. Markus Maria Wagner übersetzte und kommentierte einige wichtige Aspekte.

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 37

Fachliches

Im modernen Taijiquan scheint niemanddas Dynamic Pushing Hands zu trainierenaußer die Nachfolger von Yang, SauChung. Der original chinesische Name derMethode ist „Tui Sao“. Das Wort „Dyna-mic“ wurde hinzugefügt, um dieseÜbungsform von den modernen Versio-nen des Push Hands zu unterscheiden. Dader wesentliche Aspekt des „Anschla-gens der Energie“ bei diesen Variantennicht praktiziert wird, lassen diese mo-dernen Übenden das wichtigste Prinzipdes Taijiquan unberücksichtigt.

Das chinesische Zeichen „Tui“ hat nichtdie Bedeutung von „schieben“! Es ist ab-surd, dass viele „Tui“ als „schieben“ in-terpretiert haben. Wenn man schiebt istdas physisch! Wenn die innere Kraft nichtvorhanden ist, bewirkt der Versuch zuschieben, dass du dich von einem Punktzum nächsten mit muskulärer Anstren-gung bewegst. Du weißt sehr wohl, dassdu keine Muskelkraft verwenden sollst …also höre auf zu schieben!

„Je größer die Kraft ist, mit der der Geg-ner angreift, umso härter wird der zu-rückgegebene Schlag oder Push,“ DiesesPrinzip machte Taijiquan zur mächtigenund gefürchteten Kampfkunst. Woherkommt die Verwirklichung dieses Prin-zips? Es geschieht, wenn jemand Peng-Jin besitzt und kontrollieren kann. Je här-ter der Gegner pusht, umso mehr „Wi-derstand“ wird er fühlen. So schwer eszunächst zu glauben scheint, der „Wider-stand“ oder Druck, den der Pushendefühlt, ist sein eigener Push, der ihm zu-rückgegeben wird, und zwar keineswegsdurch muskulären Gegendruck oder He-belkraft. Wenn man das Prinzip verstan-den hat, dann verwirklicht man: „DieForm üben wie Tui Sao, Tui Sao üben wiedie Form.“

Verschiedene Positionen zu halten, dieFormen durchlaufen, etwas erspüren, alldas kann Peng-Jin nicht erzeugen. „Lü“oder „Ji“ ausführen, wird nicht helfen,um die Energie zu realisieren – in all demführt man lediglich die jeweilige Technikaus. Man muss die Peng-Jin- Energie zu-erst durch das Energie anschlagende TuiSao entwickeln, um die Grundlage zuetablieren.

Es wird gesagt, dass man über seinephysische Erschöpfung hinaus pushenmüsse. Man sieht oft Übende, die glau-ben, mit ihrer ganzen Kraft pushend,aus großer Anstrengung Peng-Jin zu er-zeugen. Das ist grundverkehrt. „Pushenjenseits physischer Erschöpfung“ be-deutet, dass man ohne physische Stärkepushen soll. Um diesen Zustand desNichtvorhandenseins physischer Stärkesicher zu stellen, bemüht man sich be-wusst, die physische Stärke zu erschöp-fen; so dass danach, in der Bemühung zupushen, wenn man keine physischeStärke mehr zur Verfügung hat, die in-nere Kraft/Energie hervortreten wird.

Große Reserven von Peng-Jin-Energie be-wirken, dass die Energie von Taijiquanweich und anstrengungslos ist. Viele ha-ben eine Idee einer anstrengungslosenKraft des Taijiquan, die von einem an-strengungslosen Training herkomme. Zu

denken, dass eines schönen Tages dieseanstrengungslose Kraft aus dem Nichtsauftauchen wird.

Qi ist nicht die das Taijiquan kennzeich-nende Energie. Qi muss transformiert wer-den in eine höhere Form der Energie. Qi istwie Rohöl und Peng Jin entspricht demBenzin, das aus dem Rohöl raffiniert wird.Innere Qi-Energie wird zu innerer Peng-Jin-Energie, und wie zu erwarten, realisiertman; es gibt weitere, höhere Stufen dieserinneren Energie. Wenn Tui Sao und Formensich ergänzen und andere Elemente desCurriculums unterstützen, beginnt derAufstieg zum Status des „Neng“. Die Be-schaffenheit der inneren Kraft entwickeltsich dann jenseits der Vorstellung. Ob esder Kampfkunst, der Gesundheit, derSelbstkultivierung oder der Erleuchtungdient - das Training ist dasselbe, unabhän-gig vom Fokus des persönlichen Ziels.Letztlich ist Taijiquan innere Alchemie, ge-stützt auf Kultivierung, Anreicherung undVeredelung der Energie.

Es ist so bewundernswert, dass jemanddiese tiefreichenden Konzepte von TuiSao und Ta Sao ergründet hat. Sie gebenuns solch hochentwickelte Prinzipien andie Hand, um sich die Energie zunutze zumachen, die Kompression der Energieund das „molekulare“ Anschlagen derEnergie. Die Energie unter Druck zu set-zen, um sie zu in höhere Energie zu ver-wandeln, die Energie anzuschlagen, umdie bereits angereicherte Energie weiterzu stimulieren und um wiederum nochhöher geladene Energie zu generieren,das ist einfach wunderbar!

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201938

Won Gim ist zweiter und letzter Schülervon G. S. Chu. Er unterrichtet in der Nachfolge Yang Sau Chungs. Neben seiner Schule in New York betreuter kleine Trainingsgruppen in Toronto, Seoul, Brüssel und Zürich.

Der Autor

Die Übersetzung aus dem Englischen von Markus Wagner. Er ist Ausbilder für Taijiquan,Qigong-Kursleiter, Philosoph und Religions-wissenschaftler (M.A.). Sein Fachbuch zum Daoismus in den Taijiquan-Klassikern ist bei Lotus-Press und im Handel erhältlich. www.taiji-akademie.de

Peng-Jin Training („Energie-anschlagendesTui Sau“) in der Tradition von Yang SauChung

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 38

Vereinsinternes

Neben dem Feiern ist die Arbeit nicht zu kurz gekommen. Aufdie Initiative von Sabina Woll hin, konnten wir 2018 einige ZPP-zertifizierte Kurskonzepte von unseren Mitgliedern erhalten,die in eine vereinseigene Datenbank Eingang finden werden.Noch sind einige Vorarbeiten zu leisten, bis dann alle Mitgliederdavon profitieren können. Neben den bereits zur Verfügung ste-henden vereinseigenen Konzepten zu den 8 Brokaten sowie Tai-jiquan-Einsteigerkurse mit jeweils 90 oder 60 Minuten-Kursein-heiten wurden weitere Konzepte bearbeitet und stehen kurzvor der Fertigstellung, so z. B. zu den 18 harmonischen Übun-gen des Taiji-Qigong. Wir halten Euch über den Newsletter aufdem Laufenden.

Neuer Leitfaden PräventionEin großes Thema, das uns das ganze letzte Jahr beschäftigte,war die Überarbeitung des Leitfadens Prävention. Wir habendiesen Prozess intensiv begleitet und die offiziellen Einrichtun-gen fachlich beratend unterstützt, dabei auch mehrere Stel-lungnahmen abgegeben. Mit dem neuen Leitfaden wollen wirunsere gute Zusammenarbeit mit den Krankenkassen in der Zu-kunft fortsetzen. Die Mitgliederversammlung sprach sich dafür

aus, die bewährte Qualität unserer Ausbildungsstandards bei-zubehalten und zugleich die Anerkennung durch die ZPP zu ge-währleisten. So steht nun in 2019 die Überprüfung und Anpas-sung unserer AALL an. Eine Arbeitsgruppe mit Beteiligung un-serer Ausbilder hat sich dazu schon gefunden und wird bereitsAnfang 2019 konkrete Vorschläge erarbeiten.

Für Ausbilder ergibt sich die Notwendigkeit, mit Aufnahme neu-er Inhalte in ihre Ausbildungen (Inhalte und/oder erhöhte Zeit-einheiten) zu reagieren. Für bislang noch nicht abgedeckte In-halte in den neuerdings explizit genannten Bereichen wird dieBildungsakademie der Bundesvereinigung („Qilin“) Module be-reitstellen. Nachdem sich Jan Leminsky und Divyam de Martin-Sommerfeldt zum Jahresende 2018 aus der Qilin-Akademie zu-rückgezogen haben, konnten wir Gudrun Geibig gewinnen, dieLeitung der Akademie zu übernehmen. Sie wird für die neuen An-forderungen Lösungen entwickeln, die an den Qilin-Standortenoder auch bei den Mitgliedern „in-house“ angeboten werden.

Neuer VorstandIn der Mitgliederversammlung wurden dann auch Änderungenim Vorstand vereinbart: Sonja Schillo und Robin Saar habensich zum Ende ihrer Amtsperiode aus der Vorstandsarbeit zu-rückgezogen. Ein großes Dankeschön an die beiden für ihr En-gagement. Dank gilt auch Markus Maria Wagner und AnnetteDeinzer, die in der Mitgliederversammlung in Göttingen alsVorstand erneut kandidiert haben und wiedergewählt wurden.Neu hinzugekommen ist Claudia Harras, die das ehrenamtlicharbeitende Vorstandsteam ergänzt.

39Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

Das Jahr 2018 –Rückblick und Ausblick

Von Annette Deinzer, Claudia Harras und Markus Wagner

Ganz schön viel bewegen konnten wir 2018. Und wer viel arbeitet, darf auch angemessen feiern. Mit dem Festival am 5. und 6. Mai 2018 am Speichersee in Geeste haben wir dasmit unseren Mitgliedern und Freunden in einer sehr schönenUmgebung getan. Tolle Gäste, tolles Programm, tolle Stim-mung – so lässt es sich ganz kurz beschreiben – und machtLust auf mehr. Dazu weiter unten mehr.

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 39

Vereinsinternes

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201940

Ohne Ehrenamt läuft nichtsOhne die Unterstützung und Mitarbeit vieler Vereinsmitglieder,wäre dies alles nicht möglich. Ob Beirat, Arbeitsgruppe, Regio-nalvertreter und alle anderen vereinsinternen Tätigkeitsberei-che – alle arbeiten ehrenamtlich und bringen ihre individuellenStärken zum Nutzen des Vereins und damit für alle Mitgliederein. Von uns, dem ebenfalls ehrenamtlich tätigen Vorstand, da-für ein großes Dankeschön.

Und an alle, die sich schon einmal überlegt haben, sich ebenfallseinzubringen: gerne. Meldet euch bei euren Regionalvertrete-rInnen, der Geschäftsstelle oder beim Vorstand.

Mitarbeit an wissenschaftlichem ForschungsprojektIn 2019 wird ein großes und – vor allem im medizinischen undadministrativen Bereich – sehr breit beworbenes wissenschaftli-ches Forschungsprojekt (BMBF) zu Taijiquan und Sturzprophyla-xe unter Leitung von Dr. Gunver Kienle (Uni Klinik Freiburg)durchgeführt. Wir konnten als BVTQ einige unserer Mitglieder alsMitarbeiterInnen in diesem Projekt platzieren. Das vom Bundes-ministerium für Bildung und Forschung geförderte Forschungs-projekt ist eine hervorragende Referenz für die Bundesvereini-gung als „der Berufsverband für selbstständige Taijiquan- undQigong-Lehrende in Deutschland“ – sowie für alle Teilnehmer fürdie eigene Expertise. Vorstandsseitigwird Markus Maria Wagner das Projekteng begleiten.

Unser Jubiläumsjahr – 30 Jahre Netzwerk Taijiquan & QigongGanz selbstverständlich profitieren wirheute von dem, was unsere Vorgängeraufgebaut haben. Ein Jubiläum ist daeine gute Gelegenheit, auch einmal zu-rückzuschauen: wie hat alles angefan-gen, wer waren die Pioniere, mit welchenThemen waren sie damals konfrontiert… Im Jubiläumsjahr blicken wir ganz in-tensiv zurück, sichten alte Unterlagen,um die Anfänge und die ersten 30 JahreRevue passieren zu lassen. An dieserStelle möchten wir allen Mitgliederndanken, die das Netzwerk all die Jahregetragen und wichtige Strukturen auf-gebaut haben, sei es in den Vorständenoder in den Arbeitsgremien.

Bei unserer Jubiläumsveranstaltung vom14. bis 16. Juni 2019 im Kloster St. Gott-fried in Niddatal wollen wir ein Stück Ge-schichte in Foto- und Filmdokumentenpräsentieren. Gleichzei-tig bietet unsereFachtagung unter dem Motto „Taijiquanund Qigong im Wandel“ mit einer Viel-zahl von ausgewählten Vorträgen, Work-shops und Diskussionsrunden einenidealen Rahmen, das Jubiläum angemes-sen und gebührend zu feiern. Mit demRückblick auf Vergangenes und demAusblick auf Kommendes beleuchten wirden Wandel über einen langen Zeitraum.Und wir suchen nach Ideen, Chancen undImpulsen, wie wir mit unseren KünstenTeil des weiteren Wandels in der Gesell-schaft sein können und wollen.

UmfrageIm Herbst 2018 starteten wir eine Umfrage. Erfreulicherweise haben sich darauf auchMitglieder gemeldet, von denen wir sonst gar nichts mitbekommen. Das hat uns sehr gefreut. Wir bekamen viel positives Feedback. Eure Antworten zeigen uns, dass wir eineGemeinschaft sind und gemeinsame Ziele haben.

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Vereinsinternes

41Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

Jubiläumstagung 2019Impulse – Informationen – Austausch

Die Welt ist im ständigen Wandel, eine Feststellung, die fast ba-nal erscheint, aber eine echte Herausforderung darstellt. Verän-derung der Arbeitswelt, demografischer Wandel und multikul-turelle Gesellschaft sind Entwicklungen, die sich auch auf unsund unsere Klientel auswirken.

Was aber bedeuten diese Veränderungen für uns als Praktizie-rende und Lehrende des Taijiquan und Qigong? Wie gehen wirselbst mit Veränderungen um und was können wir unserenKursteilnehmer*innen anbieten? Wollen wir uns auf dem wach-senden Wellness-Markt positionieren oder doch lieber stärkerdie Traditionen pflegen? Oder gibt es noch andere neue Mög-lichkeiten? Bezug nehmend zum Tagungsthema „Taijiquan undQigong im Wandel“ haben wir ein Programm aus Vorträgen undWorkshops zusammengestellt und wollen damit Impulse undDenkanstöße geben. Zusätzlich werden wir das Tagungsthema

in einer Podiumsdiskussion mit Fachleuten von verschiedenenSeiten beleuchten.

Am Samstagnachmittag werden parallel zum Vortragspro-gramm Arbeitsgruppen mit den Themenschwerpunkten „For-schung und Entwicklung“ (Leitung: Dieter Bund), „Medien“(Leitung: Angela Cooper) und „Wirksamkeit“ (Leitung: StefanFrey) angeboten. Die jeweilige Essenz aller Vorträge und Work-shops sowie die Ergebnisse der Arbeitsgruppen werden auf Pos-tern dokumentiert. Bei der Vorbereitung der Tagung haben wirauch viel darüber nachgedacht, wie sich die BewegungskünsteTaijiquan und Qigong in Deutschland etabliert haben und in wel-che geistigen Strömungen diese Entwicklung eingebettet war.Dazu haben wir nach Dokumenten gesucht und werden einenkleinen Teil davon in einem Extra-Raum (historischer Raum)präsentieren.

Wir freuen uns, wenn die Tagung und ihre Themen Ihr Interesseerweckt haben und wir Sie im Juni im Kloster Ilbenstadt begrü-ßen dürfen.

Ihr TagungsteamSonja Blank, Gabriele Bührer, Stefan Frey und Dirk Ortlinghaus

Vom Orga-Team

Dreißig Jahre Taijiquan und Qigong Netzwerk Deutschland,das ist Grund für uns zu feiern und auf das Geleistete zurück-zublicken. Das finden Sie auf den Seiten … Mit unserer Fach-tagung wollen wir allerdings auch mit Ihnen als Fachleute undInteressierte einen Blick in die Zukunft zu wagen. „Taijiquanund Qigong im Wandel“ – so haben wir getitelt.

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 41

Vereinsinternes

Zu dem Bereich „fachwissenschaftliche und fachübergreifendeKompetenz“ gehören Seminare zu Themen wie Pädagogik, Psy-chologie und Philosophie und naturwissenschaftlich-medizini-sche Themen wie Anatomie, Physiologie, Sportmedizin, Neuro-biologie, Gesundheitsförderung, TCM und mehr. Die Seminare inder Qilin-Bildungsakademie werden von Referenten angebotendie sowohl eine fachpraktische Ausbildung in Taijiquan und/oder Qigong haben als auch einen Hochschulabschluss aus demjeweiligen fachwissenschaftlichen Themenfeld nachweisen kön-nen. Der Bezug zur Praxis ist uns ein wichtiges Anliegen.

Für die Anbieter von Taijiquan- und Qigong-Ausbildungen, diediese Themenfelder nicht durch eigene Referenten abdeckenkönnen oder möchten, gibt es zwei Möglichkeiten Ihren Teilneh-mern die Kompetenzpunkte zugänglich zu machen. Die Ausbil-dungsschüler nehmen an den bundesweit angebotenen Semina-ren der Qilin-Bildungsakademie teil oder die Ausbildungsleiterbuchen einen der Qilin-Referenten für ein Inhouseseminar nurfür ihre eigenen Schüler. In beiden Fällen werden die Kompe-tenzpunkte vom BVTQ für eine Zertifizierung nach den neuen ALanerkannt.

Für 2019 sind bereits die ersten Seminare in Planung.• Dr. med. Christian Brockbreder, Arzt und Psychotherapeut bie-

tet aus dem Bereich Psychologie das Thema „Wichtige psycho-somatische Krankheitsbilder und ihre Bedeutung für das Taiji-quan“. Das Seminar findet vom 13.-14. April in Hamburg statt.

• Markus Wagner, Philosoph und Religionswissenschaftler bietetaus dem Bereich Philosophie das Thema „Philosophie und Ge-schichte des Taijiquan“ an. Das Seminar findet vom 22.-23. Juniin Aschaffenburg statt.

• Ralf Rousseau, Diplom-Psychologe, bietet aus dem Bereich Psy-chologie das Thema „Stresstheorie und Stressbewältigung“ an.Das Seminar findet vom 7.-8. September in Saarbrücken statt.

• Thomas Luther-Mosebach, Diplom-Päda-goge, bietet aus dem Bereich Pädago-gik/Didaktik das Thema „Methodik undDidaktik im Taijiquan und Qigong-Unter-richt“ an. Der Termin und Ort stehen nochnicht fest.

• Geplant sind außerdem Seminare aus demBereich Sportwissenschaft und Sportthe-rapie mit Dr. Janina Burschka (Diplom-Sportwissenschaftlerin). Themen, Termi-ne und Kursort stehen noch nicht fest.

Die Internetseite der Qilin-Bildungsakademeie (www.qilin-aka-demie.de) wird Anfang des Jahres überarbeitet. Sie finden dortdann alle Informationen zu den neuen Regelungen der GKV unddas Kursangebot. Sie können auch Referenten für Inhous-Semi-nare über die Qilin-Akademie buchen. Über die genauen Bedin-gungen informiere ich Sie gerne in einem persönlichen Bera-tungsgespräch.

Wenn Sie Interesse haben, im Rahmen der Qilin-Bildungsakade-mie selbst ein Seminar anzubieten, dann wenden Sie sich gernean mich: Fon: 0171 6884 309 oder per Mail: verwaltung@qilin-akademieSie können sich auch an das Büro des BVTQ wenden: Fon (06447) 88 59 37, Mail [email protected]

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201942

Qilin-Akademie – Neustart in 2019Von Gudrun Geibig

Der neue Leitfaden Prävention, der im Ok-tober 2020 gültig wird, verlangt von denKursleiterInnen, die sich über die ZPP zer-tifizieren lassen möchte in Zukunft nebender fachpraktischen Kompetenz mehrfachwissenschaftliche und fachübergrei-fende Kompetenz. Die neuen Vorgabensind für viele Ausbildungsschulen nichtleicht umzusetzen. Die Qilin-Bildungs-akademie wird deshalb in Zukunft Modu-le anbieten, die diese Inhalte abdecken und den Ausbildungs-schülern den Erwerb der entsprechenden Kompetenzpunkte(ECT) ermöglichen.

Jan Leminsky und Divyam de Martin-Sommerfeldt haben dieLeitung der Qilin-Bildungsakademie aus privaten Gründen ab-gegeben. Sie leiteten von 2012 bis 2018 die Akademie mit vielpersönlichem Engagement. Im Namen des gesamten Vereinsdanken wir Jan Leminsky und Divyam Martin-Sommerfeldt fürihre Ideen und ihre Tatkraft, die sie in dieses Projekt gestecktund so die Akademie mit Leben erfüllt haben. Darüber hinausstellten sie auch völlig uneigennützig die Räume ihrer gemein-samen Schule zur Verfügung. Auch dafür sagen wir Dank.Auf der Jahreshauptversammlung in Göttingen hat sich Gudrun Geibig bereit erklärt, die Leitung wieder zu überneh-men. Sie hatte 2006 zusammen mit Sonja Blank die Akade-mie gegründet.

Gudrun Geibig ist Taiji- und Qigong-Lehrerin seit 1990. Sie leitet seit 1999 das Kurszentrums Taiji-Raum in Aschaffen-burg und ist dort auch als Heilpraktikerin tätig. Sie ist von derBVTQ zertifizierte Ausbilderin für Taijiquan und Qigong und alsAusbilderin zertifiziert im Übungssystem Taichi Spielen nachDaniel Grolle. Seit 1994 praktiziert sie Zen unter der Leitungvon Rolf Drosten Roshi.

Der Autorin

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 42

Vereinsinternes

43Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

ZPP- Kurskonzepte, ZPP-Beratungsstelle, Neuer Leitfaden

Von Susanne Hainbach

Die wesentlichen Veränderungen sind: Ein Grundberuf ist fürTaiji, Qigong und Hatha-Yoga nicht mehr nötig, es werden erst-mals inhaltliche und quantitative Mindestanforderungen an dieAnbieter gestellt und der Ausbildungsrahmen wird an europäi-sche Vorgaben adaptiert.

Präventivkurse sind MultiplikatorenPräventivkurse bilden nur einen Teilbereich des Taiji oder QigongUnterrichtes ab, dennoch erhöht dieser Sektor das berufliche An-sehen aller Taiji und Qigong Lehrer. Gesundheits-kurse generieren automatisch Werbung. So ste-hen auf den Portalen der Krankenkassen vorteil-hafte Informationen zu Taiji und Qigong unddazugehörige Kursangebote. In medizinischenZeitschriften findet man öfter Artikel, es gibt zu-nehmend Angebote in Reha-Kliniken, Ärzte emp-fehlen schon mal unsere Methode und Taiji- undQigong-Bewegungen rücken in den Fokus von me-dizinischen Studien. Durch die genannten Bei-spiele steigt der Bekanntheitsgrad von Taiji undQigong in der Bevölkerung und dies dient der ge-samten Berufsgruppe.

Prävention wird wichtigerDie allgemeine berufliche und familiäre Belas-tung steigt und somit der Bedarf an gesund-heitsfördernden Maßnahmen. Im Leitfaden sindneben den verhaltensbezogenen Präventionen,die mit den Präventivkursen bedient werdenauch viele weitere Bereiche angesprochen. Sosind allgemeine Ziele wie „Gesund aufwachsen“,„Gesund leben und arbeiten“ und „Gesund im Al-

Der GKV Spitzenverband hat im Oktober2018 den neuen Leitfaden Prävention ver-öffentlicht. Hierin werden die Leistungender gesetzlichen Krankenkassen (GKV)nach § 20 SGB V geregelt und die Förde-rungsziele festgelegt. Im Sommer 2015entstand ein neues Gesetz zur Stärkungder Gesundheitsförderung und der Präven-tion. Dieser gesetzliche Auftrag an die GKVerforderte neue Strukturen, an denen im-mer weitere Anpassungen vorgenommen werden. Nach GKVAngaben wurde mit dem neuen Leitfaden das Gesetz von2015 vollständig umgesetzt.

ter“ beschrieben. Auch Themen wie gesund-heitliche Chancengleichheit oder Förderungselbstbestimmten gesundheitsorientiertenHandelns in Lebenswelten wie Kommunen,Schulen, Kitas bis hin zur Arbeitswelt werdenaufgegriffen.

Die Ziele und neuen gesundheitsförderndenStrukturen sind weitreichend. Es gibt sogareine ärztliche Empfehlung, wie die Abbil-

dung Präventionsempfehlung zeigt. Ich erkenne ein Umdenkenund bin froh, dass unsere Berufsgruppe partizipiert.

Was wurde geändert?Die Anbieterqualifikation aller Handlungsfelder wurden in eineinheitliches Raster umgestellt. Die Ausbildung wird in Zukunfttransparenter, vergleichbarer und vor allem modularer, wasdem europäischen Bildungswandel entspricht.

Wie in der Tabelle: Anbieterqualifikation für Tai Chi und Qigongersichtlich, wurden drei Kompetenzbereiche mit Ausbildungsin-halten und Mindeststandards definiert und die Themen mitStunden (h) oder Creditpoints (ETCS) quantitativ gewichtet.

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 43

Vereinsinternes

Hinter naturwissenschaftlich-medizinischen Grundlagen ver-stecken sich Kenntnisse in Anatomie wie Funktion von Gelen-ken, Muskel, Faszien, Atemmechanik oder wesentliche Organ-systeme. Während der Inhalt von Medizin die aktuelle Studien-lage abdecken soll, die die Wirksamkeit der angewendetenMethode belegt. Bei Taiji/Qigong Praxis und Krankheit sind The-men wie Umgang mit vorhandenen Einschränkungen der Teil-nehmer, Übungsanpassung und Kontraindikationen gemeint.

In die ETCS kann auch Vor- und Nachbereitungszeit zu Hause mitberechnet werden. Das gilt aber nicht für den fachpraktischenTeil, der muss ausschließlich in Präsenzzeit geleistet werden.DieInhalte, die z. Zt. mit einem Grundberuf in Pädagogik oder Me-dizin abgedeckt werden sollen, sind durch den neuen Leitfadenin die jeweilige Ausbildung integriert. Somit entfällt künftig derGrundberuf. Interessanterweise gilt diese Regelung nur für diesog. fernöstlichen Verfahren. Man geht davon aus, dass perso-nale Kompetenzen (neuer Terminus im Leitfaden siehe Abb.) injedem staatlichen Beruf erworben werden. Personen ohne Be-rufsabschluss müssen mindestens 200 Stunden Unterrichtser-fahrung nachweisen und sich dort diese Kompetenzen aneig-nen. Des Weiteren wird es künftig möglich sein, auch bereitsfachübergreifende Kompetenzen einzubringen.

Aus Sicht der GKV geht es bei den Präventivkursen um Gesund-heitsförderung und darum, eine Methode wie etwa Taiji oder Qi-gong kennenzulernen, die bei den TeilnehmerInnen einen nach-haltigen Effekt auslösen soll. Dafür ist ein gewisses Maß antheoretischem Wissen erforderlich.

Chance zur Mitgestaltung nutzenDie MV Ende Oktober 2018 in Göttingen beschloss, sich den neu-en Anforderungen im neuen Leitfaden nicht zu verschließen,sondern seine Qualitätsstandards entsprechend anzupassen.So sollen alle Mitglieder, die das möchten, auch weiterhin denPräventivmarkt bedienen können. Dies war goldrichtig, wie dieInfoveranstaltung am 17.12.18 in Berlin zeigte. Der Spitzen-verband der Krankenkassen hatte die Fachverbände der fern-

östlichen Verfahren (Taiji, Qigong, Yoga) eingeladen, um die zu-künftigen Regelungen, der an den "europäischen Qualifikati-onsrahmen angepasste Anbieterqualifikation" zu erläutern.Es fällt auf, dass für die fernöstlichen Methoden im neuen Leit-faden viele Sonderregelungen eingeräumt wurden. So ist bei-spielsweise kein staatlicher Grundberuf mehr nötig und es wirdexplizit erwähnt, dass die fachliche Ausbildung an nicht staatli-chen Einrichtungen stattfinden darf und sie in der Obhut derVerbände bleibt. Man hat die Bedingungen an unsere vielfälti-gen Berufssozialisationen angepasst und das vor dem Hinter-grund, dass das Kursgeschäft nach jetzigem Planungsstand aufkeinen Fall weiter ausgebaut werden wird, d. h. keine Aufnah-me weiterer Berufsgruppen. Die Angst, dass die Krankenkassenbzw. die ZPP uns alle neuen Ausbildungsinhalte bis ins Detaildiktieren wird oder die neuen Regeln zu einer Akademisierungführen, ist unbegründet. Im Gegenteil, die Fachverbände habenden Auftrag bekommen, den gegeben Rahmen mit Inhalten zufüllen und es wurde genügend Zeit eingeplant, die Ausbildun-gen dementsprechend anzupassen.

Großzügige ÜbergangszeitenStichtag für den neuen Leitfaden ist der 1. Oktober 2020. Werbis dahin bei der ZPP nach den jetzigen Bedingungen registriertist, hat Bestandsschutz und es bleibt alles wie gehabt. Ab die-sem Stichtag sollten die neuen Ausbildungsleitlinien fertig seinund angewendet werden. Aber es gibt noch eine weitere groß-zügige Frist. Wer seine Ausbildung vor dem Stichtag mit den jet-zigen Bedingungen angefangen hat, kann sie in aller Ruhe bis2024 beenden. Erst ab dann zählen nur noch die neuen Regeln.

Ohne Verein geht’s in Zukunft nicht.Die Fachorganisationen haben den Auf-trag bekommen, die Inhalte des neuenLeitfadens zu gestalten und durchzuset-zen. Wir haben die Freiheit, einen eige-nen zusätzlichen Ausbildungsplan zuentwickeln, aber als Berufsverband auchdie Pflicht, dies zu tun. In Zukunft wird eskeine Einzelprüfung mehr geben. Wennwir als Verband ein zertifiziertes Curricu-lum vorweisen, sind die zukünftigen Ab-solventen einer Ausbildung nach diesemCurriculum bei der ZPP anerkannt. Da-mit haben wir eine große Aufgabe undauch schon erste Ideen.

Die BVTQ beginnt ab Januar damit, für alle Mitglieder, die in Zu-kunft die Krankenkassen bezuschusste Kurse anbieten wollen,die entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Eine Ar-beitsgruppe wird im ersten Schritt prüfen, wie weit die jetzigenAusbildungsinhalte mit dem neuen Leitfaden konform gehenund welche noch fehlen. Im zweiten Schritt werden wir die feh-lenden Inhalte definieren und schauen, wie man diese praktischund organisatorisch anbieten kann. Beispielsweise könnten

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201944

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 44

Vereinsinternes

Spezialmodule über die Qilin-Akademie an verschiedenenStandorten angeboten werden. Dafür gibt es von der neuenAkademieleiterin, Gudrun Geibig, schon konkrete Planungen.Nicht jeder Ausbilder wird alle fachwissenschaftlichen Kompe-tenzen voll umfänglich unterrichten können. So kann die Aus-bildung in großen Zügen bleiben wie gehabt und die fachprak-tische Kompetenz abdecken, während die zusätzlichen Inhaltedurch unsere Akademie angeboten werden.

FazitDie Hürden des neuen Leitfadens sind für Taiji und Qigong so ge-ring angehoben worden, dass wir sie gut bewältigen können. Esgibt viele Mitglieder ohne staatlichen Beruf, die sich über dieUmstrukturierung freuen werden. Den angedachten modularenAufbau künftiger Ausbildungen sehe ich als Bereicherung. Erstellt in Zukunft das Wissen des Lehrers auf eine breitere Basisund ist ein zusätzliches freiwilliges Angebot, aber nicht zwin-

gend notwendig für jeden zukünftigen Lehrer.Ich begrüße die Umstrukturierung, so haben alle Anbieter in Zu-kunft in etwa die gleichen Grundkenntnisse und sind nicht aufberufliches Vorwissen angewiesen. Insgesamt betrachte ich dendurch den Leitfaden angestoßenen Prozess als eine Qualitäts-steigerung und eine Wertschätzung unseres Berufes.

Ich wünsche mir, dass viele kreative Netzwerker in den Arbeits-gruppen mitarbeiten und wir ein optimale Ausbildungscurriculumentwickeln. Der Leitfaden Prävention ist eindeutig eine Chance!

45Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

Susanne Hainbach ist seit 2008 im Netzwerk als Lehrerin zertifiziert. Sie unterrichtet Taijiquan und Qigong im RaumUsingen. Seit 2017 kümmert sie sich um den ZPP-Support für die BVTQ Mitglieder und besuchte die Veranstaltungen des GKV Spitzenverbandes zum neuen Leitfaden.

Der Autorin

Übersicht über vereinseigene Kurskonzepte

Die im folgenden aufgelisteten Kurskonzepte wurden von unseren Mitgliedern Sonja Blank, Susanne Hainbach, Achim Rache, Stephan Röll, Wolfgang Scheurer und Markus Wagner erarbeitet.

Titel Kurskonzept Konzept ID

Taijiquan mit 8 Kurseinheiten 90 Minuten

Für Erwachsene Konzept-ID: 20161122-V3878Für Jugendliche Konzept-ID: 20161122-V3881

Taijiquan mit 10 Kurseinheiten 90 Minuten

Für Erwachsenen Konzept-ID: 20161122-V3879Für Jugendliche Konzept-ID: 20161122-V3882

Taijiquan mit 12 Kurseinheiten 90 Minuten

Für Erwachsene Konzept-ID: 20161122-V3880Für Jugendliche Konzept-ID: 20161122-V3883

Taijiquan mit 8 Kurseinheiten 60 Minuten Konzept-ID: 20181123-V8680

Taijiquan mit 10 Kurseinheiten 60 Minuten Konzept-ID: 20181123-V8681

Taijiquan mit 12 Kurseinheiten 60 Minuten Konzept-ID: 20181123-V8682

Qigong mit 8 Kurseinheiten 90 Minuten

Für Erwachsene Konzept-ID: 20161122-V3884Für Jugendliche Konzept-ID: 20161122-V3887

Titel Kurskonzept Konzept ID

Qigong mit 10 Kurseinheiten 90 Minuten

Für Erwachsene Konzept-ID: 20161122-V3885Für Jugendliche Konzept-ID: 20161122-V3888

Qigong mit 12 Kurseinheiten 90 Minuten

Für Erwachsene Konzept-ID: 20161122-V3886Für Jugendliche Konzept-ID: 20161122-V3889

Qigong – Acht Brokate – 8 UE 60 Minuten

Für Erwachsene Konzept-ID: 20180508-V7278Für Jugendliche Konzept-ID: 20180511-V7299

Qigong – Acht Brokate – 10 UE 60 Minuten

Für Erwachsene Konzept-ID: 20180620-V7524Für Jugendliche Konzept-ID: 20180620-V7522

Qigong – Acht Brokate – 12 UE 60 Minuten

Für Erwachsene Konzept-ID: 20180620-V7523Für Jugendliche Konzept-ID: 20180620-V7521

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NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 45

Vereinsinternes

Unser Verein bietet schon seit vielenJahren für Mitglieder mit dem vollenJahresbeitrag (110 Euro oder mehr)eine Beratungshotline an. In den letz-ten Jahren hatten das für uns Brigit-te Siegel und Dr. Marie Sichtermannvon Geld & Rosen übernommen. SeitOktober letzten Jahres sind sie in denverdienten Ruhestand gegangen. Wirdanken an dieser Stelle beiden fürdiesen Dienst. Auch als Vorstand konnten wir von ihrem pro-funden Wissen immer wieder profitieren.Glücklicherweise wird es die Hotline weitergeben. Petra Welz vonGeld & Rosen Düsseldorf hat das gleich nahtlos übernommen.

Petra Welz ist Diplom Sozialpädagogin, Heilpraktikerin (Psycho-therapie), Supervisorin und Coach. Als Referentin unterrichtetsie seit 1994 in der Erwachsenenbildung, ist als Unternehmens-beraterin für Gesundheits- und Sozialberufe seit 2007 aktiv undAutorin zahlreicher Artikel in Fachzeitschriften.

www.geldundrosen.petrawelz.de

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201946

Fragen zu Steuern, Versicherungen und Marketing

Die Hotline ist verfügbar:Jeden 1. Montag im Monat 13:00 bis 16:00 UhrFon 0211 - 933 71 848 Alle Infos zur Beratung findet ihr aufunserer Webseite https://www.taijiquan-qigong.de/bundesvereinigung/serviceleistungen/beratung

Unsere neue Beratungshotline

Image-BroschüreKostenloser Versand auf Bestellung.

BVTQ-Button „I love Taiji“Durchmesser: 2,3 cmStückpreis: 0,50 €

LesezeichenText: In unserer Fähigkeit zu entspannen, spiegelt sich unsere Bereitschaft, zu vertrauen. Größe 14,5 x 5 cmKostenloser Versand auf Bestellung.

RucksackSchöner kleiner Rucksack mit Getränkehalteran der rechten und linken Seite, ein kleineresFach mit Reißverschluss auf der Frontseite undeinem praktischen Ausgang für Kopfhörer.Größe: 40 x 28 cm, Stückpreis: 5,00 €

DVD – Christel ProkschDieser Film wurde 2008 im Auftrag der BVTQproduziert. Unser Mitglied, Brigitte Krafft, besuchte Christel Proksch in ihrer BremerWohnung und befragte sie zu ihrem Leben.Stückpreis: 18 €

Serviceleistungen für Mitglieder

Außer der schon genannten Beratungshotline bieten wir für Mitglieder mit dem höheren Beitrag (ab 110 €) noch folgende Serviceleistungen an:✔ Berufshaftpflichtversicherung✔ Kostenfreie Veröffentlichung eines Profils incl. Umkreissuche

und Listung unter Anbietern auf unserer Webseite✔ Kostenfreier Kalendereintrag

Allen Mitglieder bieten wir:✔ Kostenfreie Zustellung des Netzwerk-Magazins✔ Ermäßigtes TQJ-Abo✔ Kostenfreie Veröffentlichung eines einfachen Profils

auf unserer Webseite✔ Materialien für Werbezwecke

s. nachfolgende Auflistung (Produkte)

Produkte für Werbezwecke

Stempel QualitätssiegelDas Qualitätssiegel der BVTQ kann auch alsStempel bestellt werden.Unkostenpreis: 30 Euro

Werbeflyer zu Taijiquan und QigongGeeignet zum Auslegen auf Info-Veranstaltun-gen und Messen.Auf der Rückseite ist Platz für den Stempel oder Aufkleber deiner Schule.Kostenloser Versand auf Bestellung.

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 46

Events

Im Mittelpunkt des diesjährigen Pro-gramms standen Muskel-Skelett-Er-krankungen und mögliche Präventiv-maßnahmen durch Bildungsprogramme.Die Muskel-Skelett-Erkrankungen sindeine große gesundheitliche Belastungfür die Bevölkerung in den EU-Mitglied-staaten. Die europäische Bevölkerung al-tert und lebt zum größten Teil einen eherpassiven Lebensstil. Bewegungsmangelund Stress sind hier die Stichworte. ImUrlaub verlässt man vorübergehend sei-nen Alltag und ist bereit, neue Gewohn-heiten und Denkweisen anzunehmen,die man dann wiederum in seinen Alltagintegrieren kann.

Ziel war es, mit einem Bildungspro-gramm, einer Web-Plattform und einer

Multimedia-Anwendung mit multidiszip-linärem Ansatz qualitativ hochwertigeFähigkeiten und Kompetenzen auszubil-den und Gesundheitsexperten zu qualifi-zieren. Auf diese Weise sollten Expertendazu befähigt werden, geeignete Bil-dungsprogramme für Touristen zu ent-werfen und ihnen dabei zu helfen, in ih-rem täglichen Leben gesünder zu leben.Das gesamte Programm (das sich übermehrere Jahre erstreckt) hat zum Ziel,kompetente Trainer auszubilden, die fürdie gesundheitliche Bildung von Touris-ten verschiedene Dienste bereitstellen.Auf diese Weise sollen Tourismus-Profisdazu befähigt werden, ihren Kunden ei-nen neuen und gesünderen Lebensstil zuvermitteln und sie dazu anregen, auchwährend des Urlaubs aktiver zu sein.

In diesem Rahmen war ich als Diplom-Sportlehrerin und Studentin des Master-studienganges Sportwissenschaften derDemokrit Universität mit einem Taiji-Vortrag eingeladen. Mein Vortrag hatteden Titel „Taiji und Qigong – mind-bodyexercises” und beinhaltete die Prinzipiender Übungsreihe des Taiji-Qigongs (Shi-bashi) und ihre Anwendungen als alter-native Bewegungsart im Bereich der Prä-vention, der Rehabilitation und im Tou-rismus. Es wurden wissenschaftlicheAnsätze und Forschungsergebnisse prä-sentiert in Hinblick auf die berufsspezifi-schen Möglichkeiten der Experten fürGesundheitsförderung.

Parallel unterrichtete ich für die Teilneh-merInnen und DozentInnen des Program-mes an zwei Tagen je eine Übungseinheitals Einführung in die Taiji-Qigong-Metho-de. Sowohl Vortrag als auch der prakti-sche Teil fanden viel Interesse und manwar sich einig, dass dieser Stoff weiterhinBestandteil der Fortbildungen sein sollte.

47Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

Von Emi Chatzipanagiotti

Tai Chi und Qigong als universitäres Bildungsprogramm

Im Oktober 2018 fand in Zypern im Rahmen des Erasmus+ Programms eine Aktionund Studie für Lehrende statt. Es nahmen Studenten im Diplom- und Masterstu-diengang teil. Von den europäischen Hochschulen beteiligten sich zehn Studentenaus der Sporthochschule der Democritus Universität in Komotini, Griechenland (Koordinator), zehn aus der European University of Cyprus (Nicosia, Zypern) und 20Studenten der Kristiania University College (Oslo, Norwegen). Dozenten des Pro-gramms waren Wissenschaftler aus den o.g. drei Universitäten, aber auch Wissen-schaftler der Orthopädischen Klinik St. Anna Krankenhaus in Herne (Deutschland),der Universität von Suffolk (UK), Absolventen des Technological Educational Insti-tuts (TEI) und der ALBA Graduate Business School in Athen, Griechenland. Es han-delte sich um das dritte Treffen, das diesmal in Nicosia (Zypern) stattfand.

Emi Chatzipnagiotti ist Sportpädagoginund -wissenschaftlerin. Sie leitet in Xanthi(GR) eine Schule für Taijiquan und Qigong.Seit drei Jahren organisiert sie das Internationale Festival für Taijiquan undPhilosophie.

Die Autorin

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 47

Events

Eingeladen hatten die beiden OsnabrückerLehrerInnen Hella Ebel und Thomas Kirch-ner und sich dabei sehr an dem Internatio-nalen Push Hand Treffen orientiert, dasjährlich zu Fronleichnam in Haßfurt statt-findet. Vielleicht werde das Osnabrückertreffen mal sowas wie die kleine Schwes-ter des Haßfurter Treffens, meinte Hella.Deshalb hatte man wohl auch gleich denInitiator dieses Treffens, Roland von Loe-fen, mit ins Boot geholt und sich sehr starkam erfolgreichen und bewährten Konzeptdieses Treffens orientiert.

Im Mittelpunkt steht der konkrete Bezugauf die klassischen Schriften. In den Work-shops am Morgen nutzen alle Unterrich-tenden in ihrer individuellen Art die glei-chen Partnerübungen, um ihr Verständnisder Prinzipien des Taiji zu vermitteln. Esgeht um die Leitfrage, wie erzeuge ich eineentspannte Kraft und pushe damit, was istwichtig beim Nachgeben, welche Bedeu-tung haben die fünf Prinzipien, Haften,

Verbinden, Folgen, kein Widerstand undVerbindung behalten.

Ich kannte die Haßfurter Treffen schonmit ihrer angenehmen Atmosphäre ge-meinsamen Lernens und war nun auf denVersuch in Osnabrück gespannt. Das Tref-fen fand in der Black Belt Academy im Os-nabrücker Bahnhofsviertel statt. Sobaldman die große Toreinfahrt passiert, istman in einer anderen Welt. Skulpturenvon Kriegern, Drachen und Buddhas zie-hen einen in ihren Bann. Auf dem etwa2000 Quadratmeter großen Gelände be-finden sich mehrere Trainingsräume, diefür dieses Event großzügig zur Verfügunggestellt worden waren. Etwa 50 Teilneh-merInnen aus Dänemark, Frankreich, Nie-derlanden, und Deutschland natürlich wa-ren der Einladung gefolgt. Nach einer kur-zen Begrüßung gingen erstmal alle in dieWorkshops, die alle das gleiche Themahatten: Seven Pushes und Slow Push ausdem Übungssystem von Meister Huang

Sheng Shyan. Ziel aller drei LehrInnen wares, uns die oben genannten inneren Qua-litäten nahe zu bringen. Wie man sich vor-stellen kann, geschah das sehr unter-schiedlich, geprägt durch die Persönlich-keiten von Hella, Roland und Thomas. Inder darauffolgenden Pause wurden wirbestens versorgt mit Suppe, Tee, Kaffee,Stollen und anderen guten Sachen. So ge-stärkt ging es zum ‚Halbfreien’ Pushen,bei dem ein wechselnder Stand und dieRollen – eine Person greift an, die andereneutralisiert – vorgegeben sind. Nach ei-ner weiteren Pause folgte eine Zeiteinheitdes freien Pushens im festen Stand mitwechselnden Fußstellungen. Dieser Ab-lauf wiederholte sich an allen Tagen.

Alles verlief in einer außergewöhnlichfreundlichen und friedvollen Atmosphä-re, die jeglichen Stress verhinderte undechte Lernerfahrungen ermöglichte. Auf-fällig war auch, wie bereitwillig erfahreneÜbende ihr Wissen mit weniger erfahre-nen TeilnehmerInnen teilten. Ringen undKämpfen durften auch stattfinden, wennbeide das wollten.

Die Osnabrücker GastgeberInnen möch-ten dieses Treffen gern fortführen undluden alle TeilnehmerInnen schon zumnächsten Treffen zum ersten Advent2019 ein.

Ich finde, das ist nicht die schlechtesteArt, sich auf Weihnachten einzustimmen.

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201948

Von Sonja Blank

Erstes Osnabrücker Push Hand Treffen

„Du könntest auch einen Schritt zurück gehen“, meinte mein Gegenüber und tem-porärer Push Hand Partner. „Stimmt“, dachte ich. „Aber ist das meine Art?“, frag-te ich mich und wusste schon, dass ich hier mal wieder an meine Grenzen komme.Na schön, ich hatte es so gewollt und war zu diesem Push Hand Treffen gefahren.

Sonja Blank ist als Taijiquan- und Qigong-Lehrerin regional und überregional tätig.Sie organisiert seit 25 Jahren Sommer-camps mit Taijiquan- und Qigong-Work-shops, die sich als Geheimtipp etablierthaben. Sie war von 2002 bis 2011 als Vorstand in der BVTQ tätig und leitet seit2004 dessen Geschäftsstelle.

Die Autorin

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 48

Wissenswertes zur Berufspraxis

In den meisten Fällen ist es Zufall, dassgerade Sie geprüft werden. Es gibt aberauch Prüfungen auf Grund von Anzeigen.Die Anzeigen kommen durch enttäusch-te Kunden, Kooperationspartner, verär-gerte Mitarbeiter oder wütende privatePartnerInnen und Nachbarn. Wir be-schreiben in diesem Artikel, welche Be-triebsprüfungen Sie ereilen könnten.

Vor einer Finanzamtsprüfung haben alleSelbständigen Respekt. Der Gedanke da-ran ist vergleichbar mit dem Phänomen,dass Ihnen ein Polizeiauto hinterherfährtund man sofort überlegt, ob man eineStraftat begangen hat. Die Regelungenfür die Prüfungen des Finanzamts sind inden §§ 193-207 der AO (Abgabenord-nung) und in der BpO (Betriebsprüfungs-ordnung) zu finden.

Achten Sie auf den Text Ihres Einkommen-steuerbescheids. Eine Betriebsprüfungwird hier schon oft angekündigt. ….“unterVorbehalt der Nachprüfung“ ergeht die-ser Bescheid. Sollten Sie diese Formulie-rung in Ihrem Einkommensteuerbescheidfinden, fragen Sie beim Finanzamt nach,warum diese Formulierung ergangen istund passen Sie Ihr unternehmerischesHandeln entsprechend an. Reagieren Sieschnell und freundlich, das kann Prüfun-gen verhindern.

FinanzamtsprüfungenBei den Prüfungen des Finanzamtes gehtes immer darum, ob Sie die Grundlagenfür Ihre Steuererklärungen korrekt ermit-telt und Ihre Steuern bezahlt haben, d.h.ob Ihre Aufzeichnungen und Belege voll-ständig, wahrheitsgemäß und nachvoll-

ziehbar sind. In der Regel meldet sich IhrFinanzamt schriftlich zur Betriebsprü-fung an mit Nennung des Zeitraums unddes Umfangs der Prüfung. Sie könnendann telefonisch einen Termin mit derprüfenden Person vereinbaren, auchdann, wenn im Schreiben schon ein Ter-min vorgeschlagen wird. Die prüfendePerson kommt zum vereinbarten Terminzu Ihnen in die Geschäftsräume, bzw. anden Ort, an dem Ihre Unterlagen sich be-finden, das kann in Ihren Praxisräumensein oder in Ihrer Wohnung, um die Bele-ge und Ihre Aufzeichnungen (Buchhal-tung) zu prüfen. Prüfungen an anderenOrten oder in Ihrem Steuerberatungsbü-ro – sofern Sie eins haben – sind nur nochin Ausnahmefällen zugelassen (§ 200AO), weil mit der Prüfung auch eine „Be-triebsstättenschau“ einhergeht.

Auch unangemeldete Finanzamtsprü-fungen sind möglich, zum Beispiel seit01.01.2018 die Kassennachschau, wennSie die überwiegenden Einnahmen bartätigen. Wir haben aber bisher noch nichtgehört, dass das wirklich vorkommt,ohne dass es einen Verdacht auf eineStraftat (Verschleierung, Steuerhinter-ziehung) gibt.

49Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

Von Brigitte Siegel

BetriebsprüfungenDie meisten Selbständigen fürchten Betriebsprüfungen, Sie sicher auch. Wir versu-chen mit unserem Artikel Licht in dieses angstbesetzte Mysterium zu bringen. DieBetriebsprüfung des Finanzamts, der Deutschen-Rentenversicherung oder der Be-rufsgenossenschaften kann jede UnternehmerIn und somit auch alle selbständigenTaijiquan-Qigong-AnbieterInnen treffen. Die Rechtsform, in der Sie tätig sind, Ein-zelunternehmen, Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder Verein, spielt dabei ebensowenig eine Rolle wie der Umfang Ihrer Selbständigkeit. Unwichtig ist auch, ob Sie IhreUmsätze in Vollzeittätigkeit oder im Nebenerwerb erzielen. Auch die AnbieterInnenmit Heilerlaubnis, in der Regel tätig als HeilpraktikerInnen, können geprüft werden.

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 49

Wissenswertes zur Berufspraxis

In diesen Bereich der „kleinen Überprüfun-gen“ gehört auch die Adressennachschau,hierbei wird geprüft, ob die von Ihnen an-gegebene Geschäftsadresse stimmt. Eben-so denkbar ist die Arbeitszimmerüberprü-fung. Für kleinere Teilprüfungen könnenSie aufgefordert werden, Unterlagen beimFinanzamt vorzulegen. Zum Beispiel dieRechnung über den Kauf eines Geschäfts-wagens oder das lückenlos handschriftlichgeführte Fahrtenbuch.

Es können auch andere Unterlagen als dieBelege über Einnahmen und Betriebskos-ten eingesehen werden, z.B. können IhreFlyer, Ihre Website, Ihre Honorarverträgeu. ä. zur Prüfung herangezogen werden.Nicht selten werden auch Betriebsräumebesichtigt. Es geht um den Gesamtein-druck der Unternehmensführung, ausder sich dann ableitet, welche Betriebs-kosten anerkannt werden oder wie IhreUmsätze ggf. umsatzsteuerlich zu be-werten sind.

Sollten Sie überwiegend unterrichtendtätig sein und Ihre Jahresumsätze über 17.500 € liegen, wird es bei einer Prüfungdarum gehen ob Sie die Vorsteuer (MwSt.die Sie bei Betriebskosten zahlen) kor-rekt gebucht haben. Wenn Ihre Umsätzeunter 17.500 € im Jahr liegen, wird Ihnenauch schon mal die Möglichkeit einge-räumt, die Unterlagen zur Prüfung zumFinanzamt zu geben. Die Prüfungen wer-den meistens nach dem Zufallsprinzipangeordnet. Die Finanzämter habenSelbständige nach Klassen eingeteilt.

• Eine Klasse ist die der„Kleinstbetriebe“bis 190.000 € Umsatz und bis40.000 € Gewinn,

• „Kleinbetriebe“bis 840.000 € Umsatzund bis 70.000 € Gewinn.

Die meisten Selbständigen in Ihrem Fach-gebiet, ob mit oder ohne eigene Betriebs-räume, gehören zu diesen beiden Klasseund müssen daher ca. alle 30 Jahre mit ei-ner Betriebsprüfung des Finanzamtsrechnen. Es kann aber auch sein, dasseine Betriebsprüfung bei Ihnen angekün-digt wird, weil es bei Ihnen Auffälligkei-ten in der letzten Steuererklärung gege-ben hat.

Wenn es zu einer Betriebsprüfung bei Ih-nen kommt, dann sind folgende Unterla-gen beliebte Prüfungspunkte:

• Arbeitsverträge mit EhepartnerInnenund Angehörigen

• Bewirtungsbelege (Gaststättenrechnungen)

• PKW Kosten und private Nutzung des Fahrzeugs, z.B. Fahrtenbuch

• Geschenke an KundInnen und Angestellte

• Privater Telefonanschluss und Handy, beruflich genutzt

• Anlagevermögen (Anschaffungen über 800 €) und die dazu gehörendenAbschreibungen

• Rechnungsstellungsvorschriften, z.B. ob die Eingangs- und Ausgangs-rechnungen korrekt gestellt sind

• Kassenbuch (Barkasse)

Sie haben ein Steuerberatungsbüro be-auftragt, das Ihre Buchhaltung und Steu-ererklärungen bearbeitet. Dann könnenSie entscheiden, ob Ihre BeraterIn bei derPrüfung anwesend sein soll oder nicht.Diese Dienstleistung kostet extra und eskann sein, dass die/der PrüferIn nur mitIhrer SteuerberaterIn redet und Sie nichtalles verstehen. Es kann aber auch sein,dass es Ihnen gut tut und Ihre Angst er-träglich macht, wenn Sie eine Fachpersonbei der Prüfung dabei haben. Denken Sieimmer daran, Chefin oder Chef sind Sie.

Sie müssen der prüfenden Person nebenden Unterlagen einen Arbeitsplatz zurVerfügung stellen. Lassen Sie übertrie-bene Zuwendungen, wie eine Einladungzum Mittagessen oder ähnliches liebersein; erfahrungsgemäß schätzen Prü-fer-Innen diese kleinen Versuche derAnnäherung nicht. Am Ende der Prü-fung wird mit Ihnen eine Schlussbespre-chung durchgeführt. Dieses Schlussge-spräch gibt Ihnen eine gute Möglichkeit,Einigungen über strittige Fragen zu er-zielen. Bei vielen Sachverhalten undSteuerfragen gibt es für das FinanzamtBeurteilungsspielräume. Einige Tagenach diesem Gespräch werden Sie danneinen Prüfbericht bekommen. Wenn al-les gut gelaufen ist, werden es nur Klei-nigkeiten sein, die Sie für die Zukunftbeachten sollten. Wenn es viele Bean-standungen gegeben hat, werden SieSteuern nachzahlen müssen. Die Prü-fungen haben aber nie das Ziel, Sie zuruinieren. Wer will schon die Kuhschlachten, die man melkt?

Das Finanzamt kann auch Teilprüfungenveranlassen. Die häufigste ist sicher dieUmsatzsteueraußenprüfung. Diese kannausgelöst werden, wenn Ihre Umsätzeüber 17.500 € liegen und Sie keine Um-satzsteuervoranmeldungen abgegebenhaben oder Zweifel an der berechnetenUmsatzsteuer bestehen. Diese Prüfungkann auch AnbieterInnen mit Heilprakti-kerschein erwischen, wenn der Verdachtbesteht, dass Ihr Angebot keine Heilbe-handlung ist, sondern eher dem Unter-richt, dem Freizeitangebot oder demWellnessangebot zuzuordnen ist.

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201950

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 50

Wissenswertes zur Berufspraxis

Eine weitere Prüfung ist die Lohnsteuer-außenprüfung. Bei dieser Prüfung gehtes um alle Arten der Lohnzahlung und obLohnsteuer und Kirchensteuer richtig be-rechnet und abgeführt wurde. Es werdenalle Lohnunterlagen geprüft, von der ge-ringfügigen Beschäftigung bis zur Hono-rarzahlung. Besonders eingehend ge-prüft werden die Anstellungsverträgeund die Verwaltung der Gehälter von Fa-milienmitgliedern. Die Prüfungen des Fi-nanzamtes umfassen in der Regel dieletzten drei abgeschlossenen Geschäfts-jahre. Der Aufbewahrungszeitraum fürdie Buchhaltung, die Belege, die Jahres-abschlüsse und Steuerunterlagen be-trägt immer noch 10 Jahre.

Und noch etwas: Rechnen Sie immer da-mit, dass die FinanzbeamtIn Ihre Werbe-träger und Ihre Webseiten vor der Prü-fung angeschaut hat. Buchhaltung, Steu-ererklärungen und Werbung solltenzusammenpassen. In Deutschland ist ei-gentlich alles in Gesetzen oder Verordnun-gen geregelt, so auch die Betriebsprüfungin der Betriebsprüfungsordnung. Solche In-formationen findet man beim Bundesfi-nanzministerium. www.bundesfinanzmi-nisterium.de/Web/DE/Themen/Steuern/Steuerverwaltungu-Steuerrecht/Betrieb-spruefung/Betriebspruefungsordnung/betriebspruefungsordnung.html

Prüfung der Deutschen RentenversicherungWenn Sie Angestellte haben oder Kolleg -Innen auf der Grundlage von Honorarver-

trägen bezahlen, kann die Deutsche Ren-tenversicherung bei Ihnen prüfen, ob Siedie Sozialabgaben richtig berechnet undabgeführt haben. Auch diese Prüfungkann eine Außenprüfung (bei Ihnen)sein. In den meisten Fällen werden Sieaufgefordert, die Lohn- und Gehaltsun-terlagen in Kopie einzureichen. Das Er-gebnis der Prüfung wird immer der Be-rufsgenossenschaft (BG), also der gesetz-lichen Unfallversicherung, mit geteilt.Diese kann ggf. auch eine Prüfung bei Ih-nen veranlassen (s.u.).

Wenn Sie Honorarkräfte (Unterauftrag-nehmerInnen) beschäftigen, raten wirIhnen dringend ein Clearing der Deut-schen Rentenversicherung zu veranlas-sen, damit Sie Sicherheit haben wie Siediese Person bezahlen können. Sie haf-ten im Zweifelsfall für die Sozialabga-ben. Hier finden Sie Informationen undAnträge:

http://www.clearingstelle.de/drv.htmlDer Haftungszeitraum hierfür beträgt 4 Jahre. (§25 SGB IV).

Prüfung der BerufsgenossenschaftSie können sich freiwillig in der Berufsge-nossenschaft für das Gesundheitswesenoder je nach dem was Sie genau anbieten,in der BG-Verwaltung, gegen Berufsun-fälle versichern. Wenn Sie Angestelltehaben, sind diese immer dort versichert.Die Prüfungen der Berufsgenossenschaftbeziehen sich vor allem auf Aspekte derArbeitssicherheit. Das trifft Sie nur, wenn

Sie eigene Betriebsräume und Angestell-te haben. Die BG prüft dann, ob Sie die Ar-beitsschutzbestimmungen einhalten.

Sonstige BetriebsprüfungenWenn Sie Ihr Angebot im eigenen Wohn-haus praktizieren und es sich um eine ab-geschlossene Etage oder Wohnung han-delt, die Sie nicht vom Bauamt für „ge-werbliche Nutzung“ haben genehmigenlassen, kann das Ordnungsamt, evtl. ge-meinsam mit dem Bauamt, zu einer Über-prüfung kommen. In dieser Überprüfunggeht es dann auch darum, ob Sie die Wer-beschilder so anbringen durften und obSie ausreichenden Parkplatz auf IhremGrundstück ausgewiesen haben.

Nach unserer Erfahrung kommt es vor al-lem durch Anzeigen aus Ihrem nachbar-schaftlichen Umfeld zu dieser Prüfung.Im schlimmsten Fall untersagt Ihnen dasAmt, die Räume weiterhin beruflich zunutzen. Es wird Ihnen aber meistens einDuldungszeitraum eingeräumt.

Wir hoffen sehr, dass Sie von all diesenPrüfungen weiterhin verschont bleiben.

51Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

Brigitte Siegel, Geld & Rosen, Unternehmensberatung für Frauen und soziale Einrichtungen, Mail: [email protected], www.geld-und-rosen.de

Die Autorin

TAIJI-POWERNeigong/Peng Jin  Seminar in Frankfurt 5. bis 7. April 2019

Für Fortgeschrittene. Won Gim [Yang Sau Chung -> Gin Soon Chu -> Won Gim] arbeitet mit jedem der max. 15 TN individuell.

Das Seminar wird auch als Fortbildungsmodul der Taiji-Akademie Marburg für Yang- und Wu-Stil Taijiquan (BVTQ) anerkannt.

www.taiji-akademie.de | [email protected]  | 01575 5298964

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NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 51

Wissenswertes zur Berufspraxis

In diesem Artikel möchte ich die wesent-lichen Aspekte aufzeigen, die Sie als selb-ständige Taijiquan- und Qigong-Lehrer -Innen betreffen. Sie können selbst über-prüfen, welche Anforderungen Sie bereitserfüllen – und wo Sie noch etwas zu tunhaben.

Die neue EU Datenschutzgrundverord-nung (DSGVO) gilt seit dem 25.05.2018und löst damit bisher geltende Regelun-gen des Bundesdatenschutzgesetzes(BDSG) und des Telemediengesetzes(TMG) ab. Die Verordnung gilt für alleUnternehmen, die in der EU niedergelas-sen sind und personenbezogene Datenverarbeiten.

Was Sie tun sollten in Bezug auf personenbezogene DatenDGSVO Artikel 4 (1) lautet:„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnetder Ausdruck: „Personenbezogene Daten“alle Informationen, die sich auf eine iden-tifizierte oder identifizierbare natürlichePerson (im Folgenden „betroffene Per-son“) beziehen; als identifizierbar wirdeine natürliche Person angesehen, die di-rekt oder indirekt, insbesondere mittelsZuordnung zu einer Kennung wie einemNamen, zu einer Kennnummer, zu Stand-ortdaten, zu einer Online-Kennung oderzu einem oder mehreren besonderenMerkmalen, die Ausdruck der physischen,physiologischen, genetischen, psychi -

schen, wirtschaftlichen, kulturellen odersozialen Identität dieser natürlichen Per-son sind, identifiziert werden kann.“

Gemeint sind alle personenbezogenenDaten, die unmittelbar erfasst werden.Beispielsweise im persönlichen Gesprächund auch die nicht sichtbaren Daten wieIP-Adressen oder Cookies.

Neu sind folgende Rechte für KundInnen und NutzerInnen:➜ Auskunftsrecht (Art. 15 DSGVO)➜ Berichtigungsrecht (Art. 16 DSGVO)➜ Recht auf Löschung und Einschrän-

kung der Verarbeitung von Daten(Art. 17 DSGVO)

➜ Recht auf Vergessenwerden (Art. 17 DSGVO)

➜ Recht auf Datenübertragbarkeit (Art. 20 DSGVO)

➜ Widerspruchsrecht (Art. 21 DSGVO)➜ Recht auf Beschwerde

bei Aufsichtsbehörden

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201952

Von Petra Welz

Die EU Datenschutz-grundverordnung (DSGVO)

Rechte und Pflichten für selbständige Taijiquan- und Qigong- LehrerInnen

Datenschutz ist kein neues Thema und hatte auch bisher bereits Konsequenzenfür Selbständige. Wie immer gibt es hier zwei Seiten der Medaille: zum einenmöchte niemand, dass Daten missbraucht werden, deswegen werden gesetzlicheRegelungen begrüßt. Zum anderen kommen neue Transparenz- und Informati-onspflichten auf alle UnternehmerInnen zu, die für kleine Unternehmen teilwei-se etwas absurd wirken.

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 52

Wissenswertes zur Berufspraxis

Sie, als selbstständige Taijiquan- und Qi-gong-LehrerIn dürfen mit EinwilligungIhrer TeilnehmerInnen zur Vertragserfül-lung und bei einem berechtigten Interes-se wie Marketing, Direktwerbung oderzur MitarbeiterInnenverwaltung Datenverarbeiten.

In der eigenen Schule oder der eigenenPraxis sollten Sie zur Information IhrerKundInnen oder TeilnehmerInnen einenDatenschutzaushang machen, wie undzu welchem Zweck Sie Daten verarbeiten.Folgende Gliederung ist sinnvoll:1. Verantwortliche Person für die

Datenverarbeitung (i. d. R. die InhaberIn, sonst falls vorhandendie/der Datenschutzbeauftragte)

2. Welche Daten werden genutzt?3. Zu welchem Zweck werden

die Daten verarbeitet?4. Wer bekommt Ihre Daten?5. Wie lange werden die

Daten gespeichert?6. Hinweis auf Löschungs- und Wider-

rufsrechte der KundIn/TeilnehmerIn

Wenn Sie ein Datenblatt zur Aktenfüh-rung in Ihrer Kundendatei angelegt ha-ben, ergänzen Sie es um ein paar Sätzezur Einwilligung der Datenverarbeitung(Inhalte siehe oben), dem Hinweis aufdas Widerrufsrecht und lassen Ihre Kurs-teilnehmerIn unterschreiben. Besondersgeschützte Daten sind u. a. Gesundheits-daten, also wenn Sie für Ihre ArbeitKrankheiten und Diagnosen schriftlichfesthalten. (Art. 9 Absatz 2 (h)). Ergän-zen Sie in diesem Fall Ihre Akten um eineexplizite Einwilligungserklärung für die-sen Aspekt – dann dürfen Sie auch diesepersönlichen Daten speichern.

Grundsätzlich sollen personenbezogeneDaten für Dritte nicht einsehbar sein. Dasbedeutet konkret: Für Papierakten brau-chen Sie einen abschließbaren Schrank!Ihren Computer müssen Sie schützen, un-mittelbar durch einen passwortgeschütz- ten Bildschirmschoner zur Verhinderungder Einsicht, wenn Sie den Raum verlas-sen. Darüber hinaus sorgen Sie für einenprofessionellen Virenschutz und machenregelmäßig Sicherungskopien, denn den

Verlust von Daten müssen Sie zukünftiginnerhalb von 72 Stunden der zuständi-gen Aufsichtsbehörde melden (Art. 33DSGVO).

Dieselben Regelungen gelten auch, wennSie mit mehreren Menschen gemeinsamdie Räume nutzen. Jede UnternehmerInist für die eigene Datenverwaltung ver-antwortlich. Die Aufbewahrungszeit rich-tet sich nach den jeweils gesetzlichenFristen, die Sie für das Finanzamt, die Ab-rechnung mit Krankenkassen oder wegenöffentlicher Fördergelder einhalten müs-sen. Gesetzlich geregelt für HeilpraktikerPsychotherapie ist die Speicherfrist auf10 Jahre nach der Behandlung festgelegt.Dieser Zeitraum gilt auch für die Aufbe-wahrungsfrist der Steuerunterlagen. Fürden Fall, dass Sie Daten länger speichernwollen, holen Sie sich die Einwilligung derKursteilnehmerIn oder KundIn.

Diese neue Regelung gilt – wie gesagt -ab dem 25.05.2018. Das bedeutet, Siemüssen nicht rückwirkend alle KundIn-nen/TeilnehmerInnen erfassen, sondernnur die aktuellen ab diesem Zeitpunkt.

Brauchen Sie eine Datenschutzbeauftragte?Als EinzelunternehmerIn/InhaberIn sindSie als Verantwortliche zu benennen.Sollten in Ihrer Praxis/Schule mehr als

10 MitarbeiterInnen sein oder Sie sich ineiner Gemeinschaft/Verein mit mehr als10 Menschen zusammengeschlossen ha-ben, dann klären Sie, wie viele PersonenZugang zu personenbezogenen Datenhaben bzw. Zugriff auf den Computer/das Netzwerk. Sollten es mehr als 10sein, dann brauchen Sie einen Daten-schutzbeauftragten.

Anlegen eines Verarbeitungs-verzeichnisses (Art. 30 DSGVO)Für die Transparenz legen Sie ein soge-nanntes Verarbeitungsverzeichnis an, in-dem Sie alle Orte und Möglichkeiten derDatenverarbeitungsprozesse dokumen-tieren. Das zwingt Sie zu ein wenig Fleiß-arbeit. Überprüfen Sie genau, wie und woSie Daten sammeln, und/oder diese wei-tergeben.

➜ Detaillierte Hinweise finden Sie hier:https://www.bfdi.bund.de/DE/Datenschutz/DatenschutzGVO/Aktuelles/Aktuelles_Artikel/Muster_Verzeichnis_Verarbeitungs-taetigkeiten.html

Datenschutz im WWWAufgepasst: Hier besteht akuter Hand-lungsbedarf! Da Ihre Webseiten die erstesichtbare Anlaufstelle Ihrer Praxis oderSchule im Außen sind, besteht am ehes-ten die Gefahr, von Abmahnvereinen er-

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Wissenswertes zur Berufspraxis

wischt zu werden, falls bis jetzt nochnicht alle Voraussetzungen zum Daten-schutz erfüllt sind. Das kann unter Um-ständen sehr teuer werden.

Jede Website braucht eine rechtskonformeDatenschutzerklärung (Art. 13 DSGVO),die den Anforderungen der Neuregelungangepasst ist. Es gibt zahlreiche Muster imInternet, die Sie für den eigenen Bedarfverändern können. Beispielsweise bei derUni Münster: https://www.uni-muenster.de/de/daten-schutzerklaerung.html

Sollten Sie Ihre Website fachlich betreu-en lassen, sprechen Sie Ihre(n) Adminis-tratorIn wegen einer Vorlage an oder las-sen sich bei erecht24 gegen eine Gebühreine Datenschutzerklärung erstellen:https://www.e-recht24.de/muster-datenschutzerklaerung.html

Sollten Sie Präsenzen in sozialen Netz-werken haben oder in Datenbanken ge-listet sein, nehmen Sie entsprechendePassagen mit auf.

Die wichtigsten Einstellungen auf Ihrer Webseite sind:➜ SSL-Verschlüsselung Ihrer Webseite –

erkennbar am „https://“ in derAdresszeile des Webbrowsers

➜ Cookie-Hinweis als Popup – mit Verlinkung zu Ihrer Datenschutz-erklärung

➜ Hinweis auf die Datenschutz-erklärung im Kontaktformular

Wie gehen Sie mit Newsletter-Anmeldungen und Email-Listen um?Ganz wichtig ist der Hinweis und die Ver-linkung Ihrer Datenschutzerklärung imFormular zur Newsletter-Anmeldung.Stellen Sie das sogenannte Double-Opt-In-Verfahren zur Aufnahme in denNewsletter sicher. D. h. Ihre Interessen-tInnen müssen zweimal per Klick bestäti-gen, dass sie den Newsletter wirklich er-halten möchten.

Wenn Sie mit einem europäischenNewsletter Anbieter zusammenarbeitenwie Cleverreach, Rapidmail oder anderen,wenden Sie sich an den/die AnbieterIn

und stellen die Formalitäten für den Da-tenschutz sicher. Es ist auf jeden Fall einPassus zum Newsletter erforderlich in Ih-rer Datenschutzerklärung.

Wahrscheinlich sind Sie bereits selbstvon vielen Institutionen und Fachkolle-gInnen angeschrieben worden, ob Sieweiterhin im Verteiler bleiben wollen. Alseinfache Variante für Mailings wird häu-fig Outlook genutzt. Zukünftig sollten Siedie, für Ihren Email-Verteiler erhaltenenAnmeldungen, Zusagen und Bestätigun-gen in einem separaten Ordner digitaloder analog speichern.

Wenn Sie auf einer Ihrer Veranstaltungenoder Kursen eine Unterschriftenliste aus-legen, in der Sie um Aufnahme in IhrenNewsletter oder Verteiler bitten, ist Fol-gendes zu beachten: Erklären Sie in An-wesenheit aller, wozu die Daten (Vorna-me, Nachname, Adresse, Email-Adresse)verwendet werden und was die Empfän-gerInnen im Newsletter erwartet. Zum Einen. Zum Anderen leisten Sie auf derListe selbst eine Unterschrift, versehen

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Wissenswertes zur Berufspraxis

diese mit Datum und Ort und legen diesePapierliste an einem sicheren Ort ab. ZurSicherheit können Sie diese parallel abfo-tografieren und digital speichern.

Wie lege ich sicher einen eigenen Verteiler an?Eine sichere Emailliste zu erstellen, stelltviele Taijiquan- und Qigong-LehrerInnenvor eine große Herausforderung! StellenSie sicher, dass Sie Ihren Verteiler unbe-dingt unsichtbar halten. Denn es passiertimmer noch recht oft, dass MenschenNachrichten in offene Verteiler verschi-cken ... Soll heißen: Adressen gehören indas Blindcopy (BCC) und nicht das offensichtbare Empfänger- (an) oder Copyfeld(CC). Damit begehen Sie einen grobenFehler. Löschen Sie nach dem Versand dieEmail, damit diese Daten nicht bei IhremDienstleister (Microsoft oder Apple) blei-ben. Leeren Sie auch den Papierkorb!

Was tun in und mit der Cloud?Grundsätzlich problematisch. Denn dorthaben Sie die Daten nicht im Griff. Ver-zichten Sie auf Cloud-Lösungen – dannsind Sie auf der sicheren Seite. Wenn dasnicht möglich ist, schließen Sie soge-nannte und erforderliche Auftragsdaten-verarbeitungsverträge (ADV) – siehe un-ten – ab.

Datenschutzfalle: WhatsappDas Problem: Whatsapp verstößt gegendie DSGVO, weil die App automatisch aufalle Kontakte im Smartphone zugreift.Alternative Messenger finden Sie hier:https://www.impulse.de/it-technik/dsgvo-konforme-messenger-dienste/7307638.html

Auftragsdatenverarbeitungsvertrag(ADV)Was ist das? Diese Verträge stellen diesachgemäße und sichere Speicherung Ih-rer von KundInnen gesammelten Daten si-cher. Diese Vereinbarungen zur Datenver-arbeitung schließen Sie mit Ihren Dienst-leistern, als da beispielsweise wären:•Telefonanbieter• Provider (Internetanbieter)• Newsletter-Anbieter• ...

Also überall dort, wo Sie sich im Netz miteinem eigenen Profil einloggen und mitIhren KundInnen (via E-Mail) in Kontakttreten.

Internes in Ihrer Praxis, Ihrer Schule oder Ihrem VereinSchulen Sie Ihre MitarbeiterInnen! Wel-che Vereinbarungen in Bezug auf den Da-tenschutz haben Sie mit ihnen getroffen?Stellen Sie die Verpflichtung zur Einhal-tung datenschutzrechtlicher Anforde-rungen sicher.

Wenn Sie AuftragnehmerIn sind ...In der Regel erhalten Sie vom Weiterbil-dungsträger, Institut, Akademie oder derlokalen VHS eigene Verschwiegenheitser-klärungen und Belehrungen, die Sie zu un-terzeichnen haben. Schließlich erfahrenSie interne Daten, die nicht die Ihren sind.

Ein ganz wesentlicher Punkt: Sie dürfen Vernetzungswünsche von Teil-nehmerInnen von Kursen bei Ihrem Auf-traggeber nicht forcieren. Dies bedingtalleine das faire Miteinander. Auf der an-deren Seite können Sie dies natürlichnicht in allen Fällen verhindern. Auch hierhilft: offene Kommunikation mit demAuftraggeber. Sperren Sie diese Kontakteauf jeden Fall für die Kommunikation beiWhatsApp. Greifen Sie hier auf die „gutealte SMS“ zurück, da hierüber kein Proto-koll geführt und die Daten nicht bei Face-book (als Mutter von WhatsApp) landen.Nun können Sie starten und überprüfen,an welchen Stellen Sie tätig werden soll-ten. Die hier für Sie präsentierten Infor-mationen sind nach bestem Wissen undGewissen zusammengestellt. Sie erset-zen keine Rechtsberatung. Entscheiden

Sie selbst, welche Informationen Ihnennoch fehlen und vertiefen sich in die Ma-terie. Bei Bedarf wenden Sie sich an dieDatenschutzbeauftragten Ihres Bundes-landes.

Bleiben Sie wachsam für Änderungen imRahmen der DSGVO. Es gibt in einzelnenBundesländern Aussagen dazu, dass fürVereine und kleine Unternehmen an derein oder anderen Stelle Vereinfachun-gen verabschiedet werden sollen. Aufjeden Fall sollten Sie mit der UmsetzungIhrer Maßnahmen begonnen haben,auch wenn vielleicht noch nicht allesperfekt ist.

Zum Weiterlesen:

➜ Online-Version der DSGVO:https://dsgvo-gesetz.dehttps://www.e-recht24.de/dsgvo-gesetz.html

➜ Liste der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länderhttps://www.ldi.nrw.de/mainmenu_Service/submenu_Links/Inhalt2/Datenschutzbeauftragte/Daten-schutzbeauftragte.php

➜ Datenschutz-Generatoren für die eigene Webseite:https://datenschutz-generator.de/https://www.e-recht24.de/muster-datenschutzerklaerung.html

➜ Kostenloser Generator für Datenschutzerklärungen:https://www.wbs-law.de/it-recht/datenschutzrecht/datenschutzerkla-erung-generator/

55Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 55

Wissenswertes zur Berufspraxis

➜ Hinweise für die Einwilligungserklärunghttps://www.lda.bayern.de/media/oh_einwilligung.pdf

➜ Muster Verzeichnis Verarbeitungstätigkeiten:https://www.bfdi.bund.de/DE/Datenschutz/DatenschutzGVO/Aktuelles/Aktuelles_Artikel/Muster_Verzeichnis_Verarbeitungs-taetigkeiten.htmlhttps://www.lfd.niedersachsen.de/themen/wirtschaft/verfahrensver-zeicnis_und_verfahrensregister_nach_bdsg/verfahrensregister-und-verfahrensbeschreibung-fuer-den-nicht-oeffentlichen-bereich-56247.html

➜ Muster für eine Auftragsverarbeitunghttps://www.lfd.niedersachsen.de/themen/auftragsdatenverarbei-tung/auftragsverarbeitung-nach-art-28-ds-gvo-161994.html

➜ Hinweise für HeilpraktikerInnen-praxen und Musterbeispielehttp://www.kbv.de/html/datensicherheit.php

➜ Hinweise für Vereine:https://www.lda.bayern.de/de/kleine-unternehmen.html

➜ Muster Einwilligungserklärung Verein:https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/wp-content/uploads/2013/03/Verein-Einwilli-gungserkl%C3%A4rung-angepasst.pdf

➜ Weitere Informationsquellen:https://www.datenschutzzentrum.de/dsgvo/https://www.datenschutzzentrum.de/artikel/1236-Startschuss-DSGVO-Was-muss-ich-wissen-Die-wichtigs-ten-Neuerungen-auf-einen-Blick.htmlhttps://www.datenschutzzentrum.de/verwaltung/

https://www.datenschutzzentrum.de/medizin-soziales/https://www.ldi.nrw.de/index.phphttps://www.ldi.nrw.de/mainmenu_Aktuelles/submenu_EU-Daten-schutzreform/index.htmlhttps://www.cloudcomputing-insider.de/was-ist-beim-daten-schutz-in-der-cloud-zu-beachten-a-607518/

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201956

Petra Welz – Geld& Rosen Düsseldorf,Unternehmensberatung – Coaching –Supervision – Moderation, Diplom Sozialpädagogin, Heilpraktikerin (Psychotherapie), Supervisorin undCoach. Als Referentin unterrichtet sieseit 1994 in der Erwachsenenbildungund ist als Unternehmensberaterin fürGesundheits- und Sozialberufe seit 2007aktiv, Autorin zahlreicher Artikel inFachzeitschriften.

www.geldundrosen.petrawelz.de

Die Autorin

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DVD-Tipps

57Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

Zum Menü-Teil „Acht Teilübungen“: Hier dominiert ebenfalls dasathletische Prinzip. Die Einzelbewegungen werden zügig, kraft- undschwungvoll ausgeführt. Wieder zeigt die Sorgfalt der Darstellungpositiv den erfahrenen Lehrer. Vereinzelt werden Kontraindikatio-nen erwähnt, in zwei Übungen wird zur „moderaten“ Durchführunggeraten. Es stellt sich mir jedoch die Frage, ob die ausladend gezeig-ten Bewegungen nicht über die Grenzen dessen, was die meistenKursteilnehmerInnen leisten können, hinausgehen.

Das letzte Kapitel ist der Gesamtdurchgang der acht Übungen. Hierwird erstmals mit Tellern geübt. Inklusive Anfangs- und Abschluss-übung dauert dieser Teil etwa 9 Minuten.

Der Text auf dem Cover empfiehlt „für Einsteiger und Fortgeschrit-tene“. Die athletische Art der Gesamtdarstellung mit extremen Po-sitionen lässt Bedenken aufkommen, dass Ungeübte, Einsteiger oderMenschen, die aus einer ReHa-Maßnahme in einen Kurs kommen,sich überanstrengen oder sich sogar schaden könnten. Fortgeschrit-tene Sportler und Athleten aber dürften Gewinn von dieser DVD ha-ben und die Bewegungen nachmachen und üben können.

Dr. Bettina Stackmann

Teller-Qigong –Pan Zi Gong

Vor ansprechendem Hintergrund – einem sommerlich grünem Park– werden nach Begrüßung und Vorstellung zunächst diverse Auf-wärm- und Vorbereitungsübungen gezeigt. Dann folgt eine num-merierte Serie von acht Einzelübungen, zum Schluss ein kontinuier-licher Schnelldurchgang dieser acht Übungen. Es handelt sich um einLehrvideo von Sören Philipzik, in dem das Unterrichten der acht Tel-ler-Übungen den Schwerpunkt bildet.

Jede Übung wird in verschiedenen Blickwinkeln – frontal und vonhinten, einzelne auch von der Seite – kraftvoll demonstriert. Dabeiwerden diese bewegungsorientierten Übungsteile mit der Stimmebegleitet und häufig genug wiederholt. Anspruchsvollere Bewe-gungsfolgen werden zur Erleichterung des Lernens in sinnvolle Teilezerlegt, so werden zuerst die Bewegungen der Arme demonstriert,dann die der Beine, wie z.B. der Kreuzschritt in der Hocke. Klarheitund Unterrichtsmethodik zeigen den erfahrenen Lehrer. Schade,dass die Kamera in der Naheinstellung oft die Beine halbiert.

Das „Aufwärmprogramm“ beinhaltet im Wesentlichen einigeSelbstmassagen (z.B. „Öffnen der Sinne“), Abklopfen, ausladendeRotationen und Dehnübungen. In den „Vorbereitenden Übungen“werden Teilbewegungen der späteren Tellerübungen demonstriert,z.B. Schulter-Arm-Kreise, Gewichtsverlagerung, Beinpositionen –athletisch und mit großem Schwung.

Vergeblich wartet man auf eine Phase der Einstimmung, um in „dieMitte“ zu kommen. Auch wer in diesem Menüteil eine Einführung indie korrekte Körperhaltung im Qigong erwartet, wird enttäuscht (unddas ist in den folgenden Kapiteln nicht anders). Immerhin wird kurzerwähnt: „Rücken/Mingmen öffnen“ und „weiten, setzen, Leistenöffnen“. Zumindest auf den Atemfluss im Qigong einzugehen, wäremir sinnvoll erschienen. Ein Verdeutlichen der Qigong-Vorbereitungund des sorgfältigen Sammelns und Beendens fehlt. In diesem Teilder DVD, wenn nicht schon in der Begrüßung, hätte sich empfohlen,über die Herkunft des „Teller-Qigong“ zu informieren.

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NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 57

DVD-Tipps

➜➜

Netzwerkmagazin des BVTQ · 201958

Der Aufbau der DVD ist sehr professionell und ästhetisch gestaltet.

Zuerst begrüßt einen ein Intro vor beeindruckender Naturkulisse,

unterlegt von chinesischer Musik, in welchem Robin Saar in ver-

schiedenen Perspektiven erscheint. Daraufhin sieht man ihn die

komplette Form laufen. Vor jedem der vier Teile wird eine kurze Im-

pression aus verschiedenen Bereichen eingespielt, welche man auch

unter „Extras“ anschauen kann. In den Kapiteln „Impression-Waf-

fen“ und „Impression-Handform“ erlebt man noch einmal Robin

Saar in Action, wieder sehr beeindruckend und professionell in Sze-

ne gesetzt.

Der Schlussteil macht gute Laune und verrät Details über die Perso-

nen hinter der Kamera und den einmaligen Drehort. Zusammenge-

fasst ist „Der Alte Rahmen des Chen Taijiquan – Lao Jia Yi Lu“ sowohl

fachlich als auch ästhetisch ein wertvolles Werk für die Taiji-Szene.

Das Preis-Leistung-Verhältnis (€ 29,90) ist angemessen, ob jedoch

eine DVD das geeignete Medium zum Üben ist, muss jeder für sich

entscheiden.

➜ Erhältlich unter www.kungfu-school.de

Melanie Kura

Der Alte Rahmen des Chen Taijiquan –

Lao Jia Yi Lu

Robin Saar ist es gelungen, den inzwischen sehr breiten Markt deut-

scher Lehr-DVDs um ein bislang einmaliges Werk zu bereichern. Als

Inhaber der Yu Shui Dao Kung Fu School Germany hat er erstmalig

ein optisch und fachlich sehr ansprechendes, hoch professionelles

Programm über die Urform aller Taiji-Familienstile entwickelt.

Diese DVD ist schon vom Äußeren sehr ansprechend. Aber auch in-

haltlich hat sie was zu bieten. Kameraführung, Schnitt und Ton sind

professionell, das Menü ist leicht verständlich und das Hin- und Hers-

witchen zwischen den vielen Sequenzen geht problemlos.

In vier Kapiteln, je ca. 30 Minuten, unterrichtet Robin Saar die vier

Teile des Alten Rahmen des Chen Stils. Der Lehrteil ist fundiert und

gründlich aufgebaut: zuerst sieht man Robin Saar die Bewegung

ausführen. Das eingeblendete Auge deutet an, dass man nur zu-

schauen soll. Der Name der Bewegung erscheint jeweils auf Deutsch

und Chinesisch. Dann wiederholt er die Übung mit detaillierter Er-

klärung. Das eingeblendete Lautsprecher-Symbol weist daraufhin,

dass man nur zuhören soll. Beim dritten Durchlauf kann man dann

gemeinsam mit Robin die Bewegung üben.

Es wird jedoch schnell klar, dass dies keine Anfänger-DVD ist. Ver-

ständnis und Wissen um diesen Taiji-Stil werden vorausgesetzt.

Ohne dem ist es Anfängern nicht möglich die Abläufe nachvollzieh-

bar umzusetzen. Für Vertraute des Chen-Stils ist diese DVD jedoch

umso wertvoller, da es noch kein vergleichbares Werk in Deutschland

gibt, das die Möglichkeit bietet, diese Handform so zu vertiefen und

zu verstehen.

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Achim Eckert

Das heilende Tao Die Lehre der fünf Elemente

14. Au . 2018, 171 Seiten, Preis 29,95 €

ISBN 978-3-87569-202-0

Verlag Müller & Steinicke

Jedes der fünf Elemente manifestiert sich einerseits in bestimmten Organen und Geweben, andererseits in bestimmten Gefühlen und intellektuellen und psychischen Funktionen. Der praktische Teil enthält geistige und körperliche Übungen, um die Element-kräfte zu entwickeln, unter anderem jeweils zwei Übungen zur Aktivierung des Qi-Flusses in jedem der zwölf Organe.

Die Lehre der fünf Elemente ist die geistige Wurzel aller Erscheinungsformen der klassischen chinesischen Kultur; auf ihr beruhen nicht nur die traditionelle chinesische Medizin, Shiatsu und Akupunktur, sondern auch Feng Shui, das Wissen vom harmonischen und kraftspendenden Wohnen, die energetisieren- den Körperübungen des Qi-Gong und Tai Ji , die verschiedenen Selbstverteidigungsformen des Kung Fu und das chinesische Wissen über gesunderhaltende und heilende Ernährung. Das heilende Tao gilt als Standardwerk über die Lehre der fünf Elemente und wurde bisher in acht Sprachen übersetzt.

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Poetisches

Leben im Frühling

Benetzt vom leichten RegenIm Garten jeder Baum

Und jedes Blatt erstrahlt beperlt im neuen Licht

Darunter wiegt der WindDes Teiches Spiegel sanft

Der flachen Sonne Rund im Wellenspiel zerbricht

Dann naht die Dämmrung schonDer Schatten Spiel beginnt

Der Frühling lässt des Wassers Farbe tiefer leuchten

Ich denk‘ an Táo YuanmingDie Qin an seiner Wand

Die ließ er saitenlos im Geist gespielt erklingen

Ich greif zu meiner QinMit Saiten stets bespannt

Die werden diese Frühlingszene mir besingen.

(Bái Juyi)Aus: Lass die Bilder erklingen – Gedichte aus dem Chinesischen von Manfred Dahmer,

Medizinische Literarische Verlagsgesellschaft, UelzenBái Juyi (772-846), Beiname Leitian („der fröhliche Tag“), herausragender Poet der mittleren Tang-Zeit.

59Netzwerkmagazin des BVTQ · 2019

NWM_2019_innen_v2.qxp 19.02.19 14:30 Seite 59

Bundesvereinigung für Taijiquan und Qigong Deutschland e.V.

Oberkleener Straße 23 D-35510 Butzbach

NWM_Titel_2019_final.qxp 19.02.19 14:41 Seite 2