Über die beziehung zwischen den traditionellen und...
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Über die Beziehung zwischen den traditionellen und europäischen Gedanken in den neueren
Philosophien Japans―Von Nishi zu Kuki
Yoichi Kubo
Mehr als 1500 Jahre vorher, im 6.-7. Jahrhundert wurden der Buddhismus und der
Konfuzianismus aus China in Japan eingeführt. Seitdem ist das Denken der Japaner durch
den großen Einfl uss dieser fremden Gedanken stark geprägt worden. Aber die Japaner haben
diese Lehren zugleich den eigenen Verhältnissen angepasst, so dass es die Tendenz dazu
gab, den Wert mehr auf die Reinheit des Gemütes als auf das Prinzip der Weltanschauung
zu legen. Nach Meinung eines Forschers des japanischen Gedankens, Sagara, haben Japaner
so konsequent nach der Reinheit und Uneigennützigkeit der Seele gestrebt, dass sie anfangs
die „reine und klare Seele“ [「清き明き心」; kiyoki akaki kokoro] in der alten Zeit, später
dann die „Ehrlichkeit“ [正直 ; syojiki] im Mittelalter und schließlich die „Redlichkeit“ [ 誠
; makoto] in der Tokugawa-Feudalzeit (1603-1867) hochgeschätzt haben. Eine solche
treue Seele sollte zwar gegenüber der schlechten Tendenz hoch angesehen werden, die hinter
der oberflächlich guten Haltung das eigene Interesse verfolgt. Aber der konkrete Zweck
dieser Seele ist nicht immer konsequent gewesen, so dass sie meist den Gewohnheiten und
der jeweiligen Situation unterworfen war. Ohne den objektiven Inhalt einer Norm zu prüfen,
wurde die Seele hoch geachtet, wenn man sie nur „ehrlich“ vollzieht. Diesbezüglich gab es
kaum eine Einstellung eines allgemeinen, objektiven Prinzips, das bei den Griechen, Hebräern,
Indern oder Chinesen gefunden werden konnte. Also ist der japanische traditionelle Gedanke
vielmehr eine praktische Weisheit als ein theoretisches Wissen, der es an Allgemeinheit und
Objektivität mangelt1.
Aber die Japaner haben angefangen, dieses Defizit zu überwinden und nach einem
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allgemeinen Prinzip zu suchen, seitdem sie sich mit der europäischen Zivilisation vom
Ende der Tokugawa-Zeit bis Anfang der Meiji-Zeit beschäftigt haben und bemüht waren,
sich zu relativieren und objektiv zu sehen. Diese Tendenz war besonders stark, als die
Philosophie erst zur Zeit der Meiji-Restauration (1868)2 aus Europa nach Japan eingeführt
wurde. Die Philosophie, d.h. der allgemeine und umfassende Standpunkt, auf dem man den
Zusammenhang der verschiedenen Bereiche miteinander auf der Basis der sicheren Kenntnisse
über das Prinzip der Welt begreifen kann, begann, seitdem die Aufklärer wie Amane
NISHI (1829-1897) und Yukichi FUKUZAWA(1835-1901) die Philosophie aus Europa
übernahmen. Sie bemühten sich, die europäische neue Zivilisation wie Freiheit und Gleichheit
der Menschen, Wissenschaft, Technik, Industrie und ein soziales System einzuführen. Man
kann sagen, daß es davor kein Wort wie „Philosophie“ in Japan gab und ihr Inhalt kaum
im oben erwähnten Sinn gekannt wurde. Deswegen wurde der Anfang der japanischen
Philosophie unmittelbar vom neuen aufklärerischen Charakter geprägt. Tatsächlich war die von
Nishi und Fukuzawa eingeführte Philosophie weder die griechische noch die scholastische,
sondern neuere, vor allem der Positivismus und der Utilitarismus, die damals, d.h. in der
letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts in England, Amerika und Frankreich vorherrschend waren.
Diese frühen Aufklärer waren jedoch nicht ganz vom Einfluss der japanischen
traditionellen Gedanken befreit. Übrigens stammten die Mitglieder der „Meirokuscha“,
der ersten aufklärerischen Gesellschaft, der Nishi, Fukuzawa u. a. zugehörten, fast alle aus
den unteren Klassen des Samuraistandes [Ritterstandes]. Sie hatten zunächst besonders den
Konfuzianismus als Norm der Samurai in ihrer Jugendzeit gelernt, dann sind sie nach Europa
und Amerika gefahren, um sich die neuen Wissenschaften anzueignen. Deshalb haben sie um
die Philosophie, die Wissenschaft und das soziale System im neuen Europa aufzunehmen,
1 Vgl. Toru Sagara, Nihonjin no Kokoro [Die Seele der Japaner], Tokyo 1984, S.74-75.2 Es gab Dispute über das Wesen der Meiji-Restauration in der Geschichtswissenschaft seit der Vorkriegszeit. Die Koza-Schule hielt sie für den Übergang der Gewalt von der feudalen Elite zu der monarchistischen Clique, während die Rono-Schule sie als die bürgerliche Revolution bezeichnete. Nach dem zweiten Weltkrieg entstand die neue Ansicht, dass die Basis für die Modernisierung der Gesellschaft schon in der Tokugawa-Zeit keimte. Vgl. T. R. H. Havens, Nishi Amane and modern Japanese. Princeton 1970, S.5-6.
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ihren Anhaltspunkt oft im Konfuzianismus gefunden und die neuen Übersetzungswörter
daraus geschaffen. Desweiteren waren die Politiker in der Meiji-Restauration auch, nach
Ansicht Nitobes, „Leute, die keine andere moralische Lehre als Bushido kannten“3. „Das
stärkste Motiv“, das sie zu dem Niederschlag des feudalen Systems und der Aufnahme
der neuen europäischen Zivilisation trieb, war „Bushido, vor allem „das Ehrgefühl, eine
Beleidigung nicht zu ertragen, z.B. dass Japan als ein minderwertiges Land verachtet wird“4.
Jedenfalls existierten diese beiden Seiten mehr oder weniger nebeneinander in den neueren
japanischen Philosophen. Einerseits setzten sie sich mit dem feudalistischen Gedanken, vor allem
dem des Neu-Konfuzianismus, d.h. der Schule von Chu Hsi (朱熹) auseinander. Andererseits
ließen sie den traditionellen Gedanken bestehen. Nach Ansicht Fukuzawas sah die japanische
Intelligenz unter den Philosophen und Politikern in der früheren Meiji-Zeit so aus, als ob sie
gleichsam „beide Körper [die traditionelle Lehre und die europäischen Gedanken] in sich
selbst besitzen, als ob jeder die beiden Leben durchreist“5. Dabei hielt er diesen zweiseitigen
Charakter insofern für vorteilhaft, als man selbst die „Vergangenheit diskutiert“. Allerdings
kann man sagen, dass die erste Seite stärker in der früheren Meiji-Zeit erschien, während
die letzte später in den Vordergrund trat. Oder man kann auch wie folgt sagen: Viele der
japanischen philosophischen Forscher besuchten selbst Europa oder Amerika, um die neue
Philosophie zu studieren. Dabei wurden sie sich des Problems erst während ihres Aufenthaltes
im Ausland stärker bewusst, „was ein Japaner eigentlich gewesen ist“. Angesichts dieses
Problems meinten sie anfangs, dass sie sich darum bemühen müssen, den zurückliegenden
Zustand Japans zu überwinden und den Europas zu erreichen. Später dagegen bezeichneten sie
die Eigentümlichkeit der japanischen Denk- und Handlungsweise als vortreffl ich, um entweder
daraus das beiden gemeinsame Prinzip zu fi nden, oder die Eigentümlichkeit der japanischen
Gedanken betonend, deren Vorrang über den europäischen zu erkennen. .
3 Inazo Nitobe, Bushido. The Soul of Japan. [1899] New York, Tokyo, Osaka, London 2001, S.160. Besonders die Gedanken der Yomeigaku-Schule hatten Politiker wie Shoin YOSHIDA (1830-1859) und Takamori SAIGO (1827-1877) aufgegriffen und praktisch angewandt unter dem Gedanken der Einheit der Theorie und der Praxis. Vgl. T. R. T. Havens, op. cit. S.13. 4 Ebd. S.162.5 Yukichi Fukuzawa, Bunmeiron no Gairyaku [『文明論の概略』], 1875, S.12.
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Tatsächlich war die Vorliebe für die europäische Zivilisation bald vorbei und als deren
Gegenwirkung trat die nationalistische Tendenz ungefähr seit 1889 ein. Nachdem die
Bewegung des Volks nach Freiheit und Demokratie (seit 1874) unterdrückt worden war,
wurde die auf dem Tenno[Kaiser]-System basierende Verfassung im Jahre 1889 verabschiedet
und der Erziehungserlass des Tennos verbreitet. Hirobumi ITO (1841-1909), der erste
Ministerpräsident und ein Entwerfer dieser Verfassung war der Meinung, dass diejenige
Achse der Verfassung, die in Europa im Christentum bestand, nur im Tenno-System in Japan
gefunden werden kann. Dementsprechend fing die Wiedereinsetzung des Konfuzianismus
und des Buddhismus an. Aber diese Neubewertung der traditionellen Gedanken wurde von
verschiedenen Standpunkten aus gemacht. Einerseits haben Kanzo UCHIMURA (1861-
1930) und Inazo NITOBE (1862-1933) den japanischen Gedanken hoch vom Standpunkt
des Christentums aus geschätzt. Uchimura hat „zwei J“, d.h. „Jesus“ sowie „Japan“ zugleich
als sein Ziel proklamiert, während Nitobe „Bushido“ vom Gesichtspunkt der „internationalen
Ethik“ her gelobt hat. Deswegen haben sie den traditionellen Gedanken hoch geschätzt, ohne
unter Einfluss des fremdenfeindlichen Nationalismus zu geraten. Vielmehr haben sie das
beiden gemeinsame Prinzip gesucht, um beide zu überbrücken. Andererseits haben Tetsujiro
INOUE (1855-1944) und Enryo INOUE (1858-1919), dem Christentum widersprechend,
den Buddhismus und Konfuzianismus in der akademischen Welt verteidigt, um sie
philosophisch zu rechtfertigen. Dabei haben sie die deutsche Philosophie aufgenommen6,
so dass sie den buddhistischen bzw. konfuzianistischen Gedanken mit der Terminologie des
deutschen Idealismus wie „Idealismus“ und „Realismus“ ausgedrückt haben. Das bedeutete
die Möglichkeit, die neue Denkweise des Gegensatzes zwischen Geist und Materie zu
überwinden, die Nishi und Fukuzawa behauptet hatten.
6 Von 1884 bis 1890 hatte T. Inoue die Philosophie in Deutschland studiert, wo er Erdmann, Fischer, Wundt, Hartmann usw. kennen gelernt hatte. Dann brachte er die deutsche Philosophie, vor allem den deutschen Idealismus in die akademische Welt Japans hinein. Von 1882 bis 1923 war er Professor an der imperialen Tokyo Universität, wo Ludwig Busse, als ihr erster deutscher Lehrer, die Philosophie von 1887 bis 1892 lehrte. Nach Ansicht Inoues haben die japanischen, philosophischen Forscher von 1891 bis 1906 hauptsächlich die deutsche Philosophie unter dem Einfl uss von Busse und Inoue selbst untersucht, nachdem sie die aufklärerische Philosophie von Amerika, England und Frankreich von 1868 bis 1891 erforscht hatten.
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Diese von T. Inoue u.a. eingeführte Tendenz bestimmte bald ebenso die Kyoto-Schule
wie Kitaro NISHIDA(1870-1945) und Hajime TANABE(1885-1962). Sie vertraten
jedoch nicht ganz den „reaktionären“ Standpunkt. Sie stellten vielmehr die Haltung dar, die
auch von Fukuzawa und Uchimura vertreten wurde, nach der der Gedanke der Freiheit und
Selbstständigkeit des Volkes in der wirklichen Gesellschaft geweckt werden sollte, doch in der
späteren anderen Situation und zwar nur in dem Bereich der Bildung, d.h. der inneren Seite
des Einzelnen gesucht werden musste. Nishida und Daisetu SUZUKI(1870-1966) haben
sich bemüht, das eigentliche Selbstbewusstsein hauptsächlich im Erlebnis des Buddhismus zu
fi nden.
Dieser Übergang des Schwerpunktes von der „Zivilisation“ zur „Bildung“ bot einen neuen
Anblick bald zusammen mit der Entwicklung der deutschen Philosophie selbst, worauf
das Denken vieler japanischer philosophischer Forscher beruht hatte. Zunächst hatten
die Lehren von T. Inoue und Nishida u.a. auf dem deutschen Idealismus, Schopenhauer,
der Evolutionstheorie, dem Neu-Kantianismus usw. beruht, während die hermeneutische,
existenzialistische Philosophie Heideggers ein Ziel der neuen Generation wurde. Hier haben
Tetsuro WATSUJI(1889-1960) und Syuzo KUKI(1888-1941) unter Einfl uss der modernen
Denkweise Heideggers neu den Sinn der japanischen Nationalität in der philosophischen
Weltanschauung und Theorie der Kultur aufgefasst. Dabei legten sie die Sache auch ein
wenig anders als Heidegger aus, da sie sie unter ihrer Berücksichtung ihrer eigenen Interessen
anwandten.
Soweit habe ich den Umriss der Entwicklung der neueren japanischen Philosophie vom
Anfang der Meiji-Zeit bis zu den 1930er Jahren dargestellt. Indem sie im großen Strom der
Zeit nach dem neueren Staat und der kapitalistischen Wirtschaft dazu getrieben wurden, die
europäischen Gedanken aufzunehmen, mussten sie vielmehr der traditionellen Gedanken
in sich selbst bewusst werden, die jenen fremd waren. Deswegen müssen wir danach
fragen, in welcher Weise sie beide in Zusammenhang bringen wollten. Unten sehen wir
die hauptsächlichen Typen dieses Zusammenhangs. Anfangs war das Bewusstsein stärker,
dass sie das Defizit des traditionellen Gedankens, vor allem das des Neu-Konfuzianismus
überwinden wollten, um den neuen europäischen zu erreichen(1). Dann kam die Neigung
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zur Neubewertung des traditionellen Gedankens. Einerseits haben sie dabei auf dem beiden
gemeinsamen Standpunkt gestanden, obwohl sie den Unterschied beider anerkannt haben(2).
Andererseits haben sie die Eigentümlichkeit des traditionellen Gedanken, besonders des
Buddhismus derart betont, dass sie dessen Vorrang über den europäischen behauptet haben(3).
Als der Gegenstand ihres Interesses an der europäischen Philosophie sich bald von der
neueren zu der modernen Heideggers hinwandte, haben sie die hermeneutische Analyse
des menschlichen Selbstverständnisses durch die Anwendung der Philosophie Heideggers
durchgeführt(4).
1. Aufklärung und Kritik am Konfuzianismus
(1)Amane NISHI
Das europäische Wort „Philosophie“ wird heutzutage auf japanisch mit dem Wort „Tetsugaku“
[「哲学」] übersetzt, das Nishi bekanntlich erst am Anfang der Meiji-Zeit bildete. Er übersetzte
Philosophie zunächst als „Kitetsugaku“ [「希哲学」] 1862 , dann einfach, ohne „Ki“, in „Tetsugaku“
1874, das sich seitdem in Japan eingebürgert hat. Übrigens bedeutet die „Philosophie“ nach
ihrem griechischen Wortursprung bekanntlich die „Liebe des Wissens“, die gerade das Wort
„Kitetsugaku“ beinhaltet. Denn „Ki“ [「希 」] bedeutet „hoffen“ oder “ suchen“, „Tetsu“ [「哲」]
„klug“ oder „klar“ und „Gaku“ [「学」] die „Wissenschaft“, so dass „Kitetsugaku“ die nach der
klugen Einsicht suchende Wissenschaft bedeutet.
Der Inhalt der klugen Einsicht, die Nishi aus Europa übernommen hat, war hauptsächlich
die positivistische Philosophie von Comte7. Wie Comte die Vereinigung der Wissenschaften
vom positivistischen Standpunkt der modernen Wissenschaft her hervorzubringen suchte,
konzipierte Nishi auch die Einheit der Wissenschaften in „Hyakugakurensa“ [『百学連鎖』]
(1870) und „Hyakugakuisshinron“ [『百学一新論』] (1874). Comte erzielte den Fortschritt
der Zivilisation durch die Wissenschaft. Nishi untersuchte auch die Wissenschaft, die zum
7 Nishi studierte die Philosophie zusammen mit der Wirtschaftslehre, Statistik, Rechtswissenschaft, Staatswissenschaft und dem internationalen Recht bei dem Professor Vissering an der Leiden Universitaet(Niederland) in 1863-65, dessen Gedanken von dem Positivismus von Comte und J. S. Mill geprägt wurde.
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Fortschritt der Zivilisation Japans beitragen konnte.
Zugleich haben Nishi sowie Fukuzawa bemerkt, dass ein Hindernis für diese Zivilisation
Japans gerade in den traditionellen Gedanken, insbesondere im Neu-Konfuzianismus lag,
welchem sie sich deswegen gründlich entgegengesetzt haben. Wir blicken also zunächst kurz
zurück, was die Denkweise des Neu-Konfuzianismus ausmachte.
Der Konfuzianismus ist eigentlich nichts anderes als der moralische Gedanke des Einzelnen
und die soziale Norm, die durch KONFUZIUS(BC.552-479) in China gegründet, und dann
durch MENGTSE(c.BC.372-289) u.a. weiterentwickelt wurde. Konfuzius predigte vor
allem die Notwendigkeit der „Jin“ [仁 ; Menschenliebe], die die „Rei“ [礼 ; die höfl ichen
Umgangsformen der Kommune] in der Seele unterstützen soll, als die „Rei“ damals
zusammenzufallen drohte. Dazu braucht man, so Konfuzius, die Zurückhaltung der eigenen
Begierde und das Mitleid mit den anderen. Dann legte Mengtze Gewicht auf die moralische
Seite der Lehre Konfuzius, so dass er die Tugenden wie „Jin“,“Gi“ [義;Gerechtigkeit], „Rei“
und „Ti“ [「智 ; Weisheit」] sowie den Weg der „fünf Sittlichkeiten“(die von Herr und Gefolge,
Vater und Sohn, Mann und Frau, Ältere und Jüngere sowie Freunde) predigte. Diese Lehre
betrifft hauptsächlich die Moralität. Dort gab es jedoch kaum eine theoretische Erklärung und
wissenschaftliche Forschung der Natur.
Nachher haben ZHU XI ( 朱熹;AD.1130-1200) u.a. die Kosmologie und die Moral
gemeinsam aus einem Prinzip aufgefasst. Gerade, wie der Stoiker im europäischen Altertum
dem Gesetz des Kosmos, folglich auch der menschlichen Natur als einem Teil des Kosmos
folgte, um ein asketisches Leben zu führen, behauptete Zhu Xi, dass man auf „Ri [ 理 ; das
Prinzip des Kosmos] durch die einzelnen Naturerscheinungen einsehen soll, um die eigene
Seele als Teil des Kosmos zu reinigen. Der Mensch solle den Kosmos theoretisch untersuchen,
nämlich sein „Ri“ erkennen, zugleich die äußere Gestalt der eigenen Haltung in Ordnung
bringen und die Seele ohne Zerstreuung auf einen Punkt konzentrieren, damit er des „Ri“ in
sich selbst bewusst werden könne. Dadurch könne man „Makoto“ in sich selbst erwecken,
d.h. ein Mensch werden, der die Tugenden wie „Jin“, „Gi“, „Rei“, „Ti“ und „Shin“ [「信」 ;
Vertrauen] besitzt. In diesem Sinn der kosmologisch begründeten Moral fasste er die
moralische Lehre von Konfuzius und Mengtse ergänzend auf. Diese Lehre von Zhu Xi wurde
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bereits im 12. Jahrhundert in Japan eingeführt und später als Gedanke der Samurai in der
Tokugawa Zeit, nämlich als Norm für die Anpassung an die feudale Gesellschaft akzeptiert.
Tatsächlich enthielt der Gedanke von Zhu Xi die Denkart der Kontinuität zwischen den
verschiedenen Bereichen, Natur und Menschen, die günstig war, um die feudale Gesellschaft
von der mentalen Seite her zu unterstützen. Zum einen wurden das Naturgesetz und die
menschliche Moral dort als kontinuierlich angesehen. Deswegen wurde die soziale Ordnung
durch die Analogie mit der Beschaffenheit der Natur gerechtfertigt. Wie der Himmel höher
als die Erde sei, so verstehe es sich, dass es einen angeborenen Unterschied der menschlichen
Stände gebe. Aber wie Maruyama gezeigt hat, war dieser Zusammenhang vielmehr in
Wirklichkeit so, dass man „den Wert der sozialen Ordnung heimlich in die die soziale Ordnung
begründende Natur von Anfang an hat hereinschleichen lassen“, um dadurch „die apriorische
Gültigkeit der sozialen Ordnung sowie der konfuzianistischen Moral zu bestätigen“8. Zum
anderen wurden die Moral und die Politik für kontinuierlich gehalten. Denn, nur der Weise,
der auf das sich im Kosmos und Menschen befi ndende „Ri“ einsehen und die Tugend daher
wissen könne, solle das primitive Volk führen, das noch nicht das „Ri“ erkennen könne.
Nishi dagegen setzte einerseits der Kontinuität der Natur zum Menschen den strengen
Unterschied zwischen der Physis [Butsuri;「 物 理 」] und der Psyche [Shinri;「 心 理 」]
entgegen. Ferner setzte er die Kontinuität der Moral zur Politik die Verschiedenheit zwischen
der moralischen Lehre[Oshie;「教」] und dem Gesetz [Ho;「法」] entgegen. Nishi zufolge
sind die Naturerscheinung und das menschliche Leben „seit alten Zeiten nicht verschieden“
in „China und Japan“ gewesen. Aber die Identität beider sei jetzt „in Europa überall nicht
geglaubt worden“. Denn die Physis könne wegen der „Wirkung des Himmels und der Erde“
keineswegs „durch die menschliche Macht beherrscht werden“, während die Psyche „nur
den Menschen betreffe“, die dieser willkürlich verändern kann9. Anders gesagt, stand Nishi
bewusst auf dem Standpunkt des neueren Rationalismus, der in dem auf Entzauberung
der Natur basierenden Dualismus von Geist und Materie (Descartes) oder im Unterschied
8 Masao Maruyama, Fukuzawa Yukichi no Tetsugaku[『 福 沢 諭 吉 の 哲 学 』;Philosophie von Fukuzawa Yukichi], S.499 Amane Nishi, Hyakugakuisshinron [『百学一新論』], S.103-104.
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Über die Beziehung zwischen den traditionellen und europäischen Gedanken in den neueren Philosophien Japans―Von Nishi zu Kuki
zwischen der kausalen Natur und der menschlichen Freiheit (Kant) besteht10.
In Bezug auf die Psyche fragte Nishi ferner nach dem Zusammenhang zwischen
Moral und Gesetz. Ihm zufolge waren sie bisher „ungefähr Eins“, obwohl sie „eigentlich
verschieden“ sind. Einerseits sei Moral das „Mittel, womit man sich selbst beherrscht “,
das „dem innen seienden Geist den Vorschrift“ durch den „Willen“ gibt, dem es um das
„Gute“ geht. Anderseits sei Gesetz „das Mittel, womit man die Leute beherrscht“, das „das
System der äußerlich erscheinenden Formen“ durch das „Wissen“ schafft und dem es
um die „Gerechtigkeit“ geht11. In diesem Sinn hat Nishi, m.E. ganz mit dem Denken Kants
über den Unterschied zwischen Moralität und Legalität übereingestimmt. Aber Nishi hat
inhaltlich nicht der Pflichtethik Kants zugestimmt, sondern vielmehr den Standpunkt der
utilitaristischen Moral von Bentham und J. S. Mill vertreten, womit er geradezu im Gegensatz
zum Asketismus des Konfuzianismus gestanden hat. Nach Ansicht von Nishi ist das beste
Ziel des menschlichen Lebens nichts anderes als die „allgemeine Glückseligkeit“, welche
durch die „drei Schätze“ wie „Gesundheit“, „Erkenntnis“ und „Reichtum“ verwirklicht
werden kann. Dadurch vernachlässige man die konfuzianistische Moral wie „Höfl ichkeit und
Bedürfnislosigkeit“, aber es sei nicht denkbar, dass das „Übel“ gleich daraus entstehe. Wenn
man im Gegenteil die „drei Schätze“ vernachlässige, „komme die Vergeltung dagegen sofort“12.
(2)Yukichi FUKUZAWA
Fukuzawa stand ebenso auf dem Standpunkt des Unterschiedes zwischen Natur und
Menschen, Moral und Politik und übte Kritik am Konfuzianismus. In seinem Werk
„Bunmeiron no Gairyaku [『文明論の概略』; Umriss der Zivilisationslehre]“ (1875) hat
er Kritik an der konfuzianistischen Denkweise geübt, die den menschlichen Wert in die
10 Nishi versuchte dann, neu die Beziehung zwischen Physis und Psyche auf dem materialistischen Standpunkt zu erklären. Aber dieser Versuch gelang ihm nicht. Vgl. T. Koizumi, Nishi Amane to Obei Shiso tono Deai [『西周と欧米思想との出会い』;Nishi Amane und seine Begegnug mit dem europäischen und amerikanischen Gedanken]. Tokyo 1989, S. 98-106. 11 A. Nishi, op. cit. S.74-99.12 A. Nishi, Jinsei Sanpou Setsu[『人生三宝説』; Lehre der drei Schätze im menschlichen Leben], S.230-232.
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Natur hereinschleichen lässt, um die Kontinuität zwischen Natur und Menschen zu erkennen.
„Nachdem es die Materie gab, gibt es die Sittlichkeit. Materie entsteht nicht, nachdem es die
Sittlichkeit gab. Man darf nicht zuerst die Sittlichkeit der Materie vermuten, um das Gesetz
der Materie nicht zu schädigen“13. Wenn dem so ist, könnte man nicht die Sittlichkeit der
Menschen durch die sogenannte „Sittlichkeit der Materie“ begründen. Deswegen ist die
feudale Ordnung und Tugend keineswegs wie die natürliche, der jeder Mensch angeboren
folgen muß. Tatsächlich, obwohl er die Sittlichkeit von „Vater und Sohn“, „Mann und Frau“,
Ältere und Jüngere“ und „Freunde“ in den konfuzianistischen „fünf Sittlichkeiten“ als die in
aller Gesellschaft und Zeit existierenden anerkannt hat, hat er die von „Herr und Gefolge“ als
„zufällige“, nämlich als die nur in der besonderen Gesellschaft und Zeit wirkende angesehen.
Daher hat er die Norm der privaten Verhältnisse streng von dem der öffentlichen unterschieden
und betont, dass die Norm der privaten Verhältnisse einigermaßen unveränderlich ist, aber die
Norm der öffentlichen Verhältnisse sich mit der Zeit verändert.
Folglich wurde der aufklärerische Gedanke Fukuzawas zugleich im geschichtlichen
Zusammenhang gedacht. Man dürfe nicht eine Erkenntnis, Moral oder Gesellschaft durch
ein allgemeines, ewig unveränderliches Kriterium schätzen, sondern müsse danach fragen,
ob die jeweilige Erkenntnis, Moral oder Gesellschaft in der jeweiligen Situation wirksam sei.
Es könnte sein, daß eine vorher wirksam gewesene Moral nicht mehr wirksam sei, oder das
Gegenteil. Von diesem geschichtlichen Standpunkt her nannte Fukuzawa die Haltung, in der
man auf der vorher wirksam gewesenden Sache hartnäckig beharrt, die jetzt nicht mehr so ist,
„Wakudeki“ [「惑溺」] 14 und übte Kritik daran. Dieses Wort „Wakudeki“ ist, wie Maruyama
hinwies, das Schlüsselwort des Gedankens Fukuzawas, das er auf das von einem englischen
Historiker, Backle in seinem „History of civilization in England“ (1857-1861) gebrauchten
Wort „credulty“ und „superstition“ bezog15. Allerdings wurde das japanische Wort „Wakudeki“
schon von einem Konfuzianisten in der späteren Tokugawa-Zeit, Banto YAMAGATA (1748-
13 Y. Fukuzawa, op. cit. S.65.14 Y. Fukuzawa, op. cit. S.49.15 Vgl. Inoki Takenori, Einführung zu An Outline of a Theory of Civilization(Yukichi Fukuzawa), Columbia University Press, New York, (1893) 2008, S. xviii.
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Über die Beziehung zwischen den traditionellen und europäischen Gedanken in den neueren Philosophien Japans―Von Nishi zu Kuki
1861) in seinem Werk „Yumenoshiro“ benutzt, welches etwas „nicht von der unrechten Lehre
Loskommendes“ oder etwas „vom grundlosen blinden Glauben irreführendes Werdendes“
bedeutete. Also hat Fukuzawa das oben erwähnte Wort Backles in das Wort „Wakudeki“
Yamagatas übersetzt und es deswegen in dem Sinn vom „blinden Glauben“ angewandt.
Allerdings bedeutet es den „blinden Glauben“ im geschichtlichen Kontext, der daher m.E. dem
Wort der „Positivität“ bei Hegel ähnlich ist, das dieser in der Neufassung von „Die Positivität
der christlichen Religion“ verwandte16.
Dabei wurde der Prozess der Geschichte bei Fukuzawa wesentlich als der des Fortschrittes
nach der aufklärerischen Geschichtsauffassung angesehen, d.h. der von der „Barbarei“ durch
die „Halbaufgeklärtheit“ zur „Zivilisation“. Er nahm diese Ansicht aus Guizots Werk
„Historie de la civilisation en Europa“ (1828) und dem oben erwähnten Backles auf. Er
hielt die gegenwärtige Situation Japans für „Halbaufgeklärtheit“, weswegen er die dringende
wichtige Aufgabe darin sah, dass Japan zur Stufe der “Zivilisation“ gelangt, in der sich Europa
schon befi ndet.
Ausgehend von einem solchen geschichtlichen Gesichtspunkt hat Fukuzawa den
Konfuzianismus gerade für „Wakudeki“ gehalten. Insofern die konfuzianistische Lehre die
private Tugend ist, so Fukuzawa, darf sie „nicht vernachlässigt werden, insoweit sie rein und
unvermischt ist“. Gewiss hatte die private Tugend den Sinn in der unzivilisierten Zeit, indem
sie „das grobe und brutale Benehmen im Zaum hielt“ und das Volk auch dazu neigte, ihrer
Behauptung zu folgen. Wenn die Welt zivilisiert und die Kommunikation der Leute zunehmen
würde, würde man die Wissenschaft und Technik sowie das „öffentliche Wissen und die
öffentliche Tugend“ mehr fördern, so dass die private Tugend „ihre Macht verlieren müsste“.
Die Tugenden wie „Sanftmütigkeit und Bescheidenheit“ oder die Verhaltensweise wie „durch
das Nichtstun kommt die Situation zu Ruhe“ seien „in der europäischen Sprache gesagt,
passiv“, und bedeuten nur „die Geduld und Sklaverei“. Wenn man trotzdem auf dem alten Weg
gegen „die gegenwärtigen menschlichen Angelegenheiten“ und „die äußerlich erscheinende
sichtbare Politik“ Maßnamen ergreifen würde, wäre es „Wakudeki“.
16 Vgl. Hegels theologische Jugendschriften. Hrsg. v. Nohl, Tübingen 1907, S.141,143.
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Zugleich ist es bemerkenswert, dass er auch seine Aufmerksamkeit darauf gerichtet hat, dass
es zwei Seiten der „Zivilisation“, nämlich die „äußerlich gesehene Sache“ und den „innerlich
seienden Geist“ gibt. Jene Seite sei z.B. „Kleidung, Essen ,Getränk, Zeug und Wohnung“,
„Regierungsverordnung und Gesetz“ . Diese Seite stelle die „Gemütsart des Volks“ dar, die
auch die „Zeitumstände“, „Volksstimmung“, „Sitte“ oder „öffentliche Meinung“ genannt
werde, und nichts anderes als das „Wissen“ und die „Tugend“ des Volkes sei.
Mit Rücksicht auf die damalige Situation Japans behauptete Fukuzawa, dass der Fortschritt
der Zivilisation im innerlich seienden Geist dem in der äußerlich gesehenen Sache vorangehen
soll. Man solle zuerst das Wissen und die Tugend des Volks verändern, um dann das
politische, soziale System und die äußerliche Sache zu verbessern. Denn er fand die Ursache
der „Krankheit“ der damaligen japanischen Gesellschaft in dem unterdrückenden Charakter
der neuen Regierung und der sklavischen Gesinnung des Volks. Er schrieb über das Problem
gerade nach der Meiji-Restauration in seinem Werk, „Gakumon no Susume [「学問のすす
め」; Aufmunterung zur Wissenschaft]“ (1873-77) wie folgt. „Trotz der großen Veränderung
der äußeren Gestalt der Regierung bleibt ihr Charakter der Unterdrückung jetzt noch bestehen.
Obwohl das Volk ein wenig sein Recht zu bekommen scheint, ist seine sklavische und treulose
Gemütsart noch unverändert“. „In diesem Punkt besteht die Ursache der Krankheit, dass die
Regierung, trotz ihrer Bemühungen seit der Restauration, Wissenschaft, Technik, Gesetz und
Geschäfte zu fördern, keine befriedigenden Ergebnisse hervorgebracht hat“. Diese Einstellung
Fukuzawas, die die Modernisierung der Mentalität, nämlich die Gemütsart der Freiheit und
Unabhängigkeit des Volks für wichtiger als die der äußerlichen Sache hielt, unterscheidet sich
von den folgenden beiden Alternativen; Eine ist wie die „asiatische Moral und europäische
Technik“ von Schozan SAKUMA (1811-1864), die andere die des „Lehrers für Zivilisation
und Aufklärung“, die nur die Sitte und Gewohnheit Europas nachahmt. In Wirklichkeit prägte
dieses Problem gerade den späteren Weg Japans. Allmählich neigten die Japaner mehr zu der
Denkweise Sakumas von der „japanischen Moral und europäischen Technik“ [Wakon Yosai;
「和魂洋才」] als zu der Fukuzawas, die erst nach dem zweiten Weltkrieg wieder geschätzt
wurde.
Wie oben gesehen, übten Nishi und Fukuzawa Kritik an der konfuzianistischen Denkweise
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Über die Beziehung zwischen den traditionellen und europäischen Gedanken in den neueren Philosophien Japans―Von Nishi zu Kuki
durch den neuen Dualismus von Geist und Materie, den Unterschied zwischen Moral und
Politik und zwischen dem privaten und öffentlichen Bereich sowie durch den Utilitarismus,
während sie diese neue Denkweise jedoch oft durch die vom Konfuzianismus geprägten
Wörter auszudrücken versuchten. Der Grund liegt nicht nur darin, dass sie, wie oben erwähnt,
eine konfuzianistische Bildung seit ihrer Jugendzeit erfahren hatten, sondern auch darin, dass
die Berufung auf den den vielen damaligen Japaner vertrauten konfuzianistischen Ideen ein
kluges Verfahren schien, um sie zu überzeugen.
Als Fukuzawa z.B. zum Prinzip der Demokratie behauptet hat, dass der Mensch sein Recht
auf Leben, Besitz und Gedanken hat und alle gleich darin sind, benutzte er das Wort „Ten
[「天」; Himmel], das Gott in China bedeutete. Seit alten Zeiten wurde in China gesagt, dass
„Ten“ und „Mensch“ „gleich“ oder „korrelativ“ seien, so dass der Konfuzianismus auch die
Kontinuität zwischen Natur und Menschen predigte, um daraus den Unterschied der Stände zu
rechtfertigen. Aber Fukuzawa hat versucht, gerade mit Berufung auf die Autorität des „Ten“
das Recht und die Gleichheit der Menschen zu begründen, wie er in „Gakumon no Susume“
schrieb; „Ten schuf den Menschen weder über ihn noch unten ihn“ [mit anderen Worten, Ten
schuf den Menschen ohne Klassenunterschied], „Als Ten den Menschen schuf, gab er ihm die
Tätigkeit von Geist und Körper, um ihn deren Gerechtigkeit vollziehen zu lassen“.
Das gleiche ist auch bei Nishi zu erkennen. Er sagte zwar wie oben erwähnt, dass es
nicht ein allgemeines Gesetz in der Psyche gibt und der Geist des Menschen frei ist. Aber er
behauptete zugleich, dass es Allgemeines in der Psyche gibt. Nach seiner Meinung gibt es
etwas im menschlichen Geist, das der Mensch nie willkürlich verändern kann, weil er eine
Art des „Ten“ ist. Jeder habe z.B. das Gefühl der „Unannehmlichkeit, dass er nicht geschlagen
oder gestoßen werden will“, d.h. allen Menschen sei die „gleiche Eigenschaft“ gegeben. Aus
dieser Selbstliebe ergebe sich das „Recht der Unabhängigkeit und Selbstständigkeit“ und das
„Eigentumsrecht“. Daraus folge die „Gerechtigkeit, weil niemand geschlagen werden darf“,
was Nishi zufolge der Tugend von Konfuzius „Ehrlichkeit und Sympathie“ entspricht, die die
„Grundlage des Gesetzes“ darstelle. Diese Ansicht, dass die Selbstliebe als die menschliche
Natur durch „Ten“ gegeben ist und den Grund des Rechts ausmacht, und dass sich aus der
Ehrlichkeit und Sympathie mit den anderen das Gesetz ergibt, ist dem oben erwähnten
Yoichi Kubo
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Gedanken von Zhu Xi ähnlich. Danach ist die Moralität in der menschlichen Natur erteilt,
und der Mensch soll ihr folgen. Das besagt, dass Nishi auch gleichsam den neuen Wein des
neuzeitlichen Menschenrechts in das alte Gefäß des Konfuzianismus gegossen hat.
Dabei ist auch der folgende Punkt zu beachten; Als diese Aufklärer in der früheren Meiji-
Zeit die Gedanken und Zivilisation des neuen Europas mit Berufung auf den Konfuzianismus
aufnahmen, veränderten sich diese konfuzianistischen Gedanken ihrerseits ziemlich von
den anfänglichen in der früheren Tokugawa-Zeit. Vor allem unterschieden sie sich von dem
vor-neuzeitlichen Charakter der Lehre von Zhu Xi, so dass die neue Denkart innerhalb
des Neu-Konfuzionismus keimte. Dazu sagte Maruyama folgendes: „Obwohl die Idee der
Zivilisation ‚importiert‛ in Bezug auf ihrem unmittelbaren Stammbaum wäre, konnte das
Ausländische darum hineinkommen, weil das bisherige ‚Innerliche‛ schon derart verändert
war, dass das Ausländische ohne ein grosses Hindernis aufgenommen wurde“17. Maruyama
zufolge wurde die Denkweise der Schule von Zhu Xi, wie die Kontinuität zwischen Natur
und Menschen, die Verbindung der Moral mit Politik usw., die Razan HAYASHI (1583-
1657) u.a. vom Anfang bis zur Mitte des 17. Jahrhundert gelehrt hatten, bald durch andere
Konfuzianisten wie Jinsai ITOH (1583-1657) und Sorai OGYU (1666-1728) u.a. sowie
durch den japanischen Philologen Norinaga MOTOORI (1730-1801) vom Ende des 17.
Jahrhunderts bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts abgelöst, so dass die neue Denkweise
der Trennung der verschiedenen Momente (Natur und Mensch, Moral und Politik) daraus
keimte18. Diese machte möglicherweise das „Innerliche“ aus, durch das Nishi und Fukuzawa
eine „importierte“ europäische Philosophie aufnahmen19.
2. Die Überbrückung des traditionellen und des europäischen Gedankens
Das Streben nach Zivilisation und die Gegenbewegung gegen den Feudalismus und
Konfuzianismus hat aber bald nachgelassen. Die freidemokratische Bewegung um 1874
17 M. Maruyama, Geschichte der politischen Gedanken in Japan, 1952, S.196.18 Vgl. op.citt. S.34-180.19 Vgl. T. R. H. Havens, op. cit. S.9-19. In der Tat war Nishi stark von der Kritik Ogyus an Zhu Xi schon seit seiner Jugend einfl usst worden. Er nahm dann die Lehre von Comte gleichsam durch den Filter der von Ogyu auf. Vgl. Koizumi, op. cit. S.28-29, 55-56, 80ff., 97, 107ff..
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Über die Beziehung zwischen den traditionellen und europäischen Gedanken in den neueren Philosophien Japans―Von Nishi zu Kuki
wurde dann unterdrückt, stattdessen wurden die den Tenno [Kaiser] zentrierende Verfassung
1889 proklamiert und der Erziehungserlass des Tennos 1890 erteilt. Folglich wurde die
Modernisierung oder der Nationalismus Japans „von oben“ durch die Ideologie des Tenno-
Systems vorangetrieben. Dementsprechend wurde der Konfuzianismus und der Buddhismus
von den verschiedenen Standpunkten neu geschätzt, während die von Nishi und Fukuzawa
vertretene neue Denkart über Dualismus und Utilitarismus kritisiert wurde. Aber wir sehen
zunächst, wie die Christen wie Uchimura und Nitobe das beiden gemeinsame Prinzip trotz
der Verschiedenheit beider gefunden haben und aus einem solchen Gesichtspunkt her die
japanische konfuzianistische oder buddhistische Verhaltensweise als die zu rühmende
Tradition gelobt haben.
(1)Kanzo UCHIMURA
Uchimura wurde zunächst durch einen amerikanischen Pfarrer des Methodismus mit 17
Jahren (1878) in Sapporo getauft, aber er war bald nicht mehr von seinem Christentum
überzeugt. Deswegen entschied er sich, nach Amerika, dem „Land des Christentums“ zu
fahren, um dort ausreichende Erfahrungen für seine Überzeugung zu sammeln. Dort traf er den
Pfarrer Seele an der Amast Universität, von dem er stark beeinfl usst wurde und in der Folge zu
seiner „zweiten Bekehrung“ fand. Damals kam er auf die Idee von „zwei J“, d.h. Jesus sowie
Japan. Sie wurde wie folgt in einer Notiz niedergeschrieben, die auch auf seinen Grabstein
geschrieben wurde; „I for Japan. Japan for the World. The World for Christ. And All for God“.
In welchem Sinn konnte er “Japan” und “Jesus Christus” koexistieren lassen ?
In seinem englischen Buch How I became a Christian (1895) setzte er sich zunächst wie
Nishi und Fukuzawa zum Zweck, „unser Land mächtig wie Europa und Amerika zu machen“,
als „dessen Motor“ er das „Christentum fand“. Aber in Folge seiner zweiten Bekehrung
in Amerika kam er zu dem Gedanken, dass „die Liebe zum Vaterland nun für die Liebe
zum Himmel geopfert werden sollte“. Das besagt jedoch nicht, die Liebe zum Vaterland
aufzugeben, sondern vielmehr den Zweck zu verfolgen, „die Liebe zum Vaterland in ihrem
echtesten und höchsten Sinne wiederherzustellen“20. Folglich hat er die Liebe zum Vaterland
nicht nur in der zu Jesus und Gott aufgegeben, sondern auch bewahrt und vollendet.
Yoichi Kubo
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In welcher Weise ist eine solche Beziehung nun denkbar? Er erkärt wie folgt: Der Grund
dafür, warum er vorher nicht vom Christentum überzeugt war, obwohl er ernsthaft nach dem
Glauben gesucht hatte, liegt schließlich darin, dass er nur über sein „Inneres“ refl ektiert, aber
nicht auf sein „Äußeres“, nämlich Jesus als Sühner seiner Sünde hinaufgeblickt hatte, um sich
ihm ganz zu überlassen. Auf diesen Punkt hat der Pfarrer Seele hingewiesen, wodurch sich
alle seine Leiden fast lösten. „Die Lösung aller schwierigen Probleme, die meine Seele bisher
gequält haben“, liege gerade darin, dass „der Sohn Gottes bereit war, sich ans Kreuz schlagen
zu lassen“21. Deswegen könne man ein Christ nicht durch eigene selbsttätige Bemühung
werden, sondern nur durch die Hilfe Gottes. Daraus folge, daß „alle gute Gabe“ „aus Gott
entsteht“22. Zu solcher Gabe zähle auch die „zu lobende Nationalität unseres Volks“23. Erst
durch seinen Aufenthalt in Amerika sah er mit eigenen Augen die schlechten Seiten der
Amerikaner wie die „Anbetung des Mammons“ und die „Diskriminierung“24, während Japan
ihm, vom fernen Ort aus gesehen, „sehr schön auszusehen anfi ng“25. Aber wir müssen nun
daran denken, dass dieses Gute nicht wegen seiner selbst sondern wegen der Macht Gottes
existiert, die wir erst durch die ganze Entsagung unserer selbst sehen können. Also dadurch,
dass wir auf die Liebe zum japanischen Land verzichten, können wir das Gute der japanischen
Nationalität als von Gott gegeben sehen.
Wenn es so sei, müssen Japaner nicht ihre besondere Nationalität verlassen, um sich
an Europa und Amerika anzupassen. Vielmehr „erwarte Gott es nicht, dass wir unsere
Nationalität ganz durch den europäischen und amerikanischen Gedanken ersetzen“26. Folglich
hielt Uchimura das echte Christentum nicht für eine dem Buddhismus und Konfuzianismus
entgegengesetzte Religion. Vielmehr verstand er es als ein „in allen Religionen einschließlich
des Buddhismus und Konfuzianismus von ihrer inneren Seite her Wirkendes“. Wenn dem so
20 K. Uchimura, How I became a Christian, S.141.21 Op. cit. S.163.22 Op. cit. S.168.23 Op.cit. S.168 24 Op. cit. S.110.25 Op. cit. S.127.26 Op. cit., S.173.
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Über die Beziehung zwischen den traditionellen und europäischen Gedanken in den neueren Philosophien Japans―Von Nishi zu Kuki
ist, ist Uchimuras Verständnis des Christentums m.E. dem Theismus oder der moralischen
Theologie im 18. Jahrhundert in Europa ähnlich. Insofern kann man sagen, dass es noch der
Denkart der Aufklärung zugehörte. Tatsächlich setzte sich Uchimura dem Sektionalismus
und der Pedanterie der bestehenden Kirche lebenslang entgegen, und forderte stattdessen die
„Moral“ des „reinen einfachen Christentums“ und die „Freikirchen“. Jedenfalls glaubte er,
dass ein Japaner auf dem Standpunkt des echten Christentums stehen kann, wenn er nur das
„wahre Wesen des Buddhismus oder Konfuzianismus“ „vollendet“.
Ausgehend von diesem Standpunkt hat er in seinem englischen Buch Representative Men
of Japan (1894, 1908) darauf hingewiesen, dass das Vorbild der japanischen Mentalität
konkret in einigen Japanern der Vergangenheit verkörpert wurde, die er so hoch wie die
christliche Moral geschätzt hat. Zum Beispiel hatte ein Held der Meiji-Restauration, Saigo oft
im Bewusstsein des „Tens“ gesagt; „Habt es mit Ten zu tun. Habt es nicht mit dem Menschen
zu tun“, oder „Da Ten alle Menschen gleich liebt, müssen wir auch den Menschen lieben, wie
wir uns lieben“. Uchimura hat diese Sätze als „Zusammenfassung der Gedanken von Geboten
und Propheten“ im Alten Testament angesehen27. Als ein Fürst, Yozan UESUGI (1751-
1822) die Verwaltung und Industrie seines Landes reformiert hatte, hatte er seine Bemühung
zur „Erziehung seiner Gefolgsmänner zu tugendhaften Menschen“ umgesetzt und eine
„Genossenschaft“ der „gegenseitigen Abhängigkeit und Unterstützung“ errichtet. Uchimura
hat in dieser Genossenschaft ein ähnliches System wie in der „Kirche der Apostel“ gefunden28.
Ein Spezialist des Agraproblems, Sontoku NINOMIYA (1789-1856) hatte von den Leuten
zuerst die „Tugend“ wie „Liebe zu den Menschen, Fleißigkeit und Selbsthilfe“ verlangt,
um das verwüstete Ackerland wieder fruchtbar zu machen. Uchimura hat gesagt, dass sich
„das Blut des Puritaners„ mit ihm mischt29. Deswegen ist er im Gegensatz zu Nishi und
Fukuzawa der Meinung, dass der „Feudalismus“ dem neueren „Parlamentsystem“ in einem
Punkt überlegen ist, weil es im Feudalismus noch die vertraute Beziehung zwischen Herrn
und Gefolge gibt, während im Parlamentsystem die Verhältnisse untereinander kühler sind. Er
27 Uchimura, Representative Men of Japan, 1997, S.22,40.28 Op. cit., S.67-71.29 Op. cit., S.86ff.
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schätzte auch die „Denkweise, die die Wirtschaft nicht von der Moral unterscheidet“, hoch als “
eine Vortreffl ichkeit des orientalischen Gedankens“30.
Auf der anderen Seite hat er nie „Japan“ über „Jesus“ gestellt. Das zeigte insbesondere
der „Vorfall der Majestätsbeleidigung“, der sich am 9. Januar 1891 in dem Gymnasium
ereignete, wo er als Lehrbeauftragter arbeitete. An diesem Tag fand eine Zeremonie anläßlich
der Vorlesung des Erziehungserlasses des Tennos dort statt, wobei alle Lehrer eine tiefe
Verbeugung vor dessen Unterschrift machen mussten. Da Uchimura sich nicht so tief
verbeugte, wurde ihm ein Vorwurf gemacht und er wurde am Ende aus seinem Amt entlassen.
Es steht außer Zweifel, dass er immer Achtung vor der Familie des Tennos gehabt hat. Aber
der Tenno war für Uchimura nur ein Mensch. Wenn man ihn als Gott in den Himmel erheben
würde, würde es nicht mit seinem christlichen Gewissen übereinstimmen.
(2)Inazo NITOBE
Nitobe, der ein Mitschüler Uchimuras und ebenso ein Christ war, wollte selbst lebenslang
eine „Brücke“ zwischen Japan und der Welt werden. Von diesem allgemeinen Standpunkt
aus lobte auch er die traditionelle Nationalität Japans, die er gerade in der Ritterlichkeit, d.h.
dem „Bushido“ fand. Ihm zufolge war der Bushido eigentlich die „gemeinsame Norm der
Handlungen der Samurai“ gewesen, die am Ende des 12. Jahrhunderts zusammen mit dem
Feudalismus entstanden war und sich dann im ganzen Volk allgemein ausbreitete, und zur
moralischen Norm der Japaner im ganzen wurde31. Er wurde vor allem durch die Tugenden
wie „Gi“, „Yuki“ [勇気;Tapferkeit],“Jin“,“Makoto“,“Meiyo“ [名誉;Ehre],“Chugi“ [忠義;
Loyalität],“ Kokki „[克己;Selbstherrschung] ausgedrückt, deren Quelle im Buddhismus,
Shintoismus und Konfuzianismus liegt. Vom Buddhismus, besonders von der Lehre Zens
[ 禅 ] wurden das „sich in Schicksal ergebende ruhige Gefühl, die stille Unterwerfung in
die Unvermeidlichkeit, die stoische Selbstbeherrschung im Angesicht der Gefahr und des
Unglücks und der das Leben verachtende und sich mit dem Tod vertraut machende Geist“
übernommen. Vom Shintoismus wurden die „Loyalität gegenüber dem Herrn, die Achtung
30 Op. cit., S.67.31 I. Nitobe, Bushido, [1899], 1938, S.27f.,130.
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Über die Beziehung zwischen den traditionellen und europäischen Gedanken in den neueren Philosophien Japans―Von Nishi zu Kuki
vor den Vorfahren, der Gehorsam gegenüber den Eltern“ und der „das Kaiserhaus für den dem
ganzen Volk gemeinsamen Vorfahren haltende Gemüt“ aufgenommen. Vom Konfuzianismus
fanden der „Weg der fünf Sittlichkeiten“ und der Gedanke der „Übereinstimmung des Wissens
mit der Handlung“32 Eingang in die neue Norm Bushido.
Allerdings beinhaltete seine Belobigung des Bushidos nie einen ausländerfeindlichen
Nationalismus. Vielmehr wurde er vom Gesichtspunkt der „internationalen Ethik und der
vergleichenden Forschung über Charakter“33 her aufgefasst, so dass seine Ähnlichkeit mit
dem europäischen Gedanken, besonders dem Christentum erkannt wurde. Zum Beispiel
wurde die „Jin [Liebe] gegenüber dem Schwachen, dem Unterlegenen und dem Besiegten“
im Bushido gelobt, worin dieses Gefühl des „Sokuin“ [ 惻隠 ; Mitleid] als dem „Mitleid“ bei
Adam Smith ähnlich ist34. „Seppuku“ [ 切腹;Selbstmord durch Bauchaufschlitzen] stelle die
„Methode“ dar, „mit der ein Samurai für seine Sühne büßt, sich für seinen Fehler entschuldigt,
seiner Schande entkommt, seinem Freund Wiedergutmachung gewährt oder seine Redlichkeit
beweist“ und dieser Geist sei mit der christlichen Ethik verwandt; „Wer sein Leben für mich
verliert, wird gerettet“35. Die „Selbstnegation“ der Frau, besonders die „Hilfe für den Ehemann
von Seiten seiner Frau“ stimmt auch mit der christlichen Lehre überein; „Man soll sein Selbst
opfern, um einem höheren Zweck als dem Selbst zu dienen“36.
Aber Nitobe hat noch mehr Sinn im Christentum gefunden, als dass es nur der ein dem
Bushido ähnlicher Geist ist. Obwohl der Bushido bald verschwinde, bleibe das Christentum
als ein ethisches System noch bestehen, das den Geist des ersteren übernehme und
weiterentwickele. Nach Ansicht von Nitobe verschwindet der Bushido langsam zusammen
damit, dass der Feudalismus als seine Basis untergeht und stattdessen „der Emporkömmling
des Typus wie Bentham und Mill“, „die hedonistische Ethik“, „die Demokratie“, „die
allgemeine Erziehung, die Industrie sowie die Technik, der Reichtum und das Stadtleben“ nun
32 Op. cit., S.32-34.33 Op. cit., S.26.34 Op. cit., S.52.35 Op. cit., S.100,105.36 Op. cit. S.119-120.
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an seiner Stelle erscheinen37. Was diesem „Utilitarismus“ und „Materialismus“ widerstehen
könne, finde sich jetzt nur im „Christentum“, dessen Moral den „Einzelnen bzw. den
persönlich an Christ Glaubenden betreffe“38. „Es finde Anwendung auch in weiteren
Bereichen“, da der „Individualismus“ jetzt einflussreicher werde39. Deswegen werde die
Tugend „Jin von Konfuzius“ oder die „Barmherzigkeit des Buddhismus“ bald zur „Idee der
christlichen Liebe erweitert werden“40.
3. Die philosophische Verteidigung des Buddhismus
Somit haben Uchimura und Nitobe einen dem Christentum ähnlichen Gedanken im
Buddhismus und Konfuzianismus gefunden, während Tetsujiro Inoue und Enryo Inoue dem
Christentum widersprochen haben und dasjenige Problem vielmehr in der traditionellen
Weltanschauung, besonders der des Buddhismus erkannt haben, das die neuere europäische
Philosophie, vor allem die deutsche interessierte. Sie setzten sich vor allem mit der Kritik Kants
an der Erkenntnis des „Ding an sich“ auseinander und fragten danach, wie die „Philosophie“ sich
nicht nur zu der von der „Wissenschaft“ behandelten „Erscheinung“ sondern auch zu dem „Ding
an sich“ beziehen kann, das sie „Jitsuzai“ [実在 ; Realität] nannten, oder, wie der Dualismus
zwischen Geist und Materie überwunden werden kann. Sie versuchten dann, die Lösung dieser
Probleme mit der buddhistischen Idee zu verbinden.
(1)Tetsujiro INOUE
Tetsujiro Inoue fand die Aufgabe der Philosophie zunächst wie folgt in einem positiven
Zugang zur wahren Realität („Ding an sich“), den Kant zurückgenommen hatte.
„Die Philosophie beschränkte ihre Forschung nicht nur auf die Grenze der Erfahrung,
sondern bemühte sich, die Idee der wahren Realität klar zu machen, nach irgendeiner
Methode. Oder es gab auch den philosophischen Versuch, die wahre Realität zum Gegenstand
37 Op. cit., S.143-144.38 Op. cit., S.148.39 Op. cit.40 Op. cit., S.145.
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Über die Beziehung zwischen den traditionellen und europäischen Gedanken in den neueren Philosophien Japans―Von Nishi zu Kuki
der Erkenntnis zu machen, so dass er es für etwas in der Erscheinung Existierendes hielt
und dafür die Disziplin der „Ontologie“ verlangte. Aber nachdem Kant bewiesen hatte, dass
diese Ontologie nicht bestehen kann, wurde diese Disziplin ganz aufgegeben. Trotzdem wird
die Idee der wahren Realität nicht aufgehoben. Wenn sie nicht gebilligt wird, kann unsere
Wissbegierde nicht mit der Auslegung der Welt sowie des Lebens erfüllt werden. Wenn die
wesentliche Lebenshandlung hiermit nicht erklärt werden kann, ergibt sich kein befriedigendes
Resultat. Deswegen, gehöre es zur wichtigen Pfl icht der Philosophie, zu untersuchen, wie wir
die Idee von der wahren Realität bekommen, wofür wir die Erkenntnis dieser Realität halten
und wie wir uns dazu beziehen, obwohl wir nicht die wahre Realität selbst erkennen können“41.
Als einen positiven Zugang zu dieser Realität, fi ndet Inoue die „Anschauung“, vor allem die
„innere“ des Menschen über sich selbst gewiss. Sie bleibe jedoch eine individuelle Gewissheit,
welche nicht von anderen Menschen erkannt werden könne. „Obwohl wir selber daran denken
und es innerhalb unser bekommen, haben wir kein Mittel, es den anderen mitzuteilen“.
Deshalb sollen wir die „Realität“ nicht getrennt von der „Erscheinung“, sondern jene an dieser
auffassen. „Wenn wir die Erscheinung zunächst gründlich untersuchen, dann können wir die
Idee der wahren Realität an dem Ort erreichen, worauf sich die Erscheinung reduziert“42.
Durch wissenschaftliche Untersuchung kann man die wahre Realität an dem Ort finden,
worauf sich der Gegenstand der Untersuchung reduziert. Diesen Zugang nannte Inoue die
„Lehre der Vereinigung von Erscheinung und Realität“. Wie ist diese Lehre konkret denkbar
? Ein Beispiel hierfür findet er in der Evolutionslehre Darwins, die von der Willenslehre
Schopenhauers ergänzt worden ist. Er hielt den „Willen“ für die wahre Realität der
Erscheinung am Ort, worauf sich die „Evolutionslehre“ reduziert.
Nach Meinung von Inoue ist die „Evolution“ nichts anderes als ein Übergang „von der
Unvollständigkeit zur Vollständigkeit“, „von der Einfachheit zur Kompliziertheit“ und „von
der Unordnung zur Ordnung“, in dem die Idee des zu erreichenden „Zwecks“ vorausgesetzt
wird. In der Tat ergebe der die „Evolution“ der Arten mit sich bringende „Kampf ums Dasein“
41 T. Inoue, Hauptpunkt der Lehre der Erscheinung-Realität, [1898], 2003, S.380.42 Op. cit.
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sich eigentlich ohne den „Willen zum Dasein“ nicht43. Derjenige, der diese Erklärung nicht
nur auf Lebewesen, sondern auch auf alles angewandt habe, um die „Entwicklung aller Dinge
mit dem Willen als Prinzip zu erklären“, sei Schopenhauer44. Dabei wird die Entwicklung
der „Tätigkeit des ganzen Kosmos“ wie „Tätigkeit-Trieb-Wille“ übersehen. „Die lebendige
Tätigkeit des Kosmos wird der Trieb beim Organismus, der zusammen mit der Entwicklung
des Wissens sowie des Gefühls immer der Wille wird“45. Ausserdem hat die Lehre des
Willens von Schopenhauer ihren Ursprung nach Inoue „möglicherweise im Buddhismus und
Brahmanismus“46. Somit ist die „wahre Realität“, auf der sich die „Erscheinung“ reduziert,
d.h. das dem „Ding an sich“ entsprechende, „mit dem Buddhismus gesagt, Sinyojisso [ 真如
実相;Wahrheit und Wesenheit]“47.
(2)Enryo INOUE
Enryo Inoue hielt den Buddhismus für eine philosophische Lehre, die „die Wahrheit des
Kosmos“ untersucht, worauf er gleichsam das enzyklopädische System der Philosophie entwarf.
Nach ihm ist das Prinzip des Buddhismus nichts anderes als ein „Mittelweg“ [「中道」], der die
„Synthesis“ oder „Subsumtion miteinander“ der Entgegengesetzten bedeutet, und „sowohl weder
Sein noch Nichts, als auch Sein wie Nichts“ [「非有非空亦有亦空」] heißen kann48. Somit
müssen die Gegensätze wie „Glauben“ und „Vernunft“, „Geist“ und „Materie“, „Entstehung“
und „Struktur“, „Körper“ und „Energie“ in Korrelation aufgefasst werden49. Daher ist die
Philosophie E. Inoues, die eine „reine, echte Philosophie“ [「純正哲学」] genannt wurde, weder
Monismus noch Pluralismus, weder Materialismus noch Idealismus, sondern die „Lehre der
Vereinigung von Erscheinung und Realität“ oder die „Lehre der Vereinigung von Idealismus und
Realismus“. Insofern kann man sagen, dass er den buddhistischen Gedanken mit den Worten des
43 T. Inoue, Evolutionslehre von der Gesichtspunkt der Philosophie, [1911], S.220-22344 Op. cit.45 Op. cit., S.228.46 Op. cit., S.223.47 Op. cit., S.212.48 Vgl. E. Inoue, Lehre der Wiederbelebung des Buddhismus, 1888.49 Vgl. E. Inoue, Neue Idee zur Philosophie, 1910.
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Über die Beziehung zwischen den traditionellen und europäischen Gedanken in den neueren Philosophien Japans―Von Nishi zu Kuki
deutschen Idealismus auszudrücken versucht hat.
Allerdings haben beide Inoue das Resultat der einzelnen Wissenschaften als solches
übernommen, obwohl sie die Beschränkung ihres Horizontes erkannt haben. Aber insofern sie
auf dem Standpunkt der „Lehre der Vereinigung von Idealismus und Realismus“ gestanden
haben, haben sie Kritik am Dualismus zwischen Geist und Materie geübt.
(3)Kitaro NISHIDA
Diese Spekulation wie die „Lehre der Vereinigung von Idealismus und Realismus“ und die
„Lehre der Vereinigung von Erscheinung und Realität“ sollte die weitere Entwicklung der
japanischen Philosophie wie die von Nishida u.a. bestimmen. Tatsächlich beschrieb Nishida,
dass er schon wie folgt auf einem der „Lehre der Vereinigung von Erscheinung und Realität“
nahen Standpunkt in seiner Jugendzeit gestanden hatte, als er zur Philosophie hingestrebt
hatte.
„Ich bin schon früh der Meinung gewesen, ohne zu wissen, unter welchem Einfluss ich
gestanden hatte, dass die Realität gerade die Wirklichkeit als solche sein muss und die die
Materie genannte Welt nur davon aus gedacht wird. Ich erinnere mich jetzt auch daran, daß
ich in der Stadt Kanazawa gehend, in diesen Gedanken versunken war, wie ich träumte, als ich
noch ein Schüler des Gymnasiums gewesen war“50.
Allerdings wurde die „Lehre der Vereinigung von Erscheinung und Realität“ bei
beiden Inoue vom theoretischen wissenschaftlichen Interesse bestimmt, was „Realität“
bzw. „Wahrheit des Kosmos“ ist, während dieses Problem bei Nishida zugleich mit dem
praktischen moralischen, d.h. mit dem des „Guten“ oder des Sinns des Lebens verbunden
wurde.
Die Denkweise, dass man das theoretische und praktische Problem nicht voneinander trennen
soll, fi ndet sich schon in seinem Erstlingswerk Über das Gute [Zen no kenkyu, 『善の研究』]
(1911). Nishida zufolge wurden „Erkenntnis“ und „Gefühl“ bei der „indischen Philosophie
und Religion“, dem „Christentum“, der „Chinesischen Ethik“ in der Sung-Dynasti und bei
50 Vgl. Y. Takeuchi, Nishida Kitaro, [1966] 2007, S.68.
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„Sokrates und Plato“ in Einklang gebracht, während sich in der „Neuzeit“ die Erkenntnis und
das Gefühl „mit dem rasenden Fortschritt auf der Seite der Erkenntnis“ die Tendenz „sich von
einander zu trennen“ entwickelten. Aber „dies widerspricht dem ursprünglichen Bedürfnis
der menschlichen Seele“51. Deswegen sei die Wahrheit der wahren Realität nicht nur der
objektive Gegenstand der Erkenntnis. Sie erscheine dem subjektiven Verhalten des sowohl die
„Erkenntnis“ als auch das „Gefühl“ habenden Menschen. Sie stelle z.B. den Zustand dar, in
dem wir von der schönen Musik gerührt, gefesselt sind, wo weder ein Subjekt noch ein Objekt
existiert. Beide entstehen nur erst als Folge der Refl exion auf dieser unmittelbaren Erfahrung.
Dazu sagte Nishida wie folgt.
„In der unmittelbaren Erfahrung gibt es nur die je eine unabhängige, selbstbestimmte
Tatsache, aber kein Subjekt, das sieht, und kein Objekt, das gesehen wird. Es ist gleichsam,
wie wenn unser Herz, von einer schönen Musik betört, sich und die Welt vergisst und das
ganze Universum zu einem einzigen Klang wird. In diesem Augenblick ist die sogenannte
wahre Realität präsent. ― Der Gedanke: das ist ein Schwung der Luft, oder: ich bin es, der das
gerade hört, hat uns bereits aus der wahren Realität herausgerissen, denn er kann nur in einer
Refl exion entstehen, die schon nicht mehr am wahren Geschehen der Realität teilhat“52.
Die wahre Realität, die durch diese selbstlose, gleichsam „mystische“ Erfahrung, d.h. „reine
Erfahrung“ zu Tage komme, habe die „Einheitskraft“ als deren Grundzug im allgemeinen. Sie
sei nichts anderes als die Funktion, die die verschiedenen Entgegengesetzten wie „subjektives
Bewusstsein und objektive Welt“, „Vergangenheit und Gegenwart“, „Selbst und Anderes“,
„Aktivität und Passivität“, „Bewusstsein und Unbewusstsein“, „eine und andere Vorstellung“,
„Begierde und Bewegung“ usw. vereinigen könne. Allerdings stelle sie, streng genommen,
nicht einen stillen Zustand dar, sondern ein die Form der „Entwicklung“ enthaltendes: Sie
entwickele sich von der „Einheit“ durch die „Trennung“ zum „Ganzen“. „Zunächst erscheint
das Ganze implicit, dann differenziert und entwickelt sich sein Inhalt bis zu einem ultimativen
Punkt, an dem das Ganze der Realität verwirklicht und vollendet ist“53.
51 Vgl. Kitaro Nishida, Über das Gute, übersetzt v. P. Pörtner, Insel Verlag, Frankfurt a. M. 1989, S.71-72.52 Op. cit., S.84.
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Über die Beziehung zwischen den traditionellen und europäischen Gedanken in den neueren Philosophien Japans―Von Nishi zu Kuki
Diese Entwicklung der Einheitskraft fi ndet sich überall in den Bewusstseinserscheinungen
wie „Wahrnehmung“, „Einbildungskraft“, „Denken“, „Wille“ und „intellektuelle Anschauung“.
Über die „Entwicklung eines Einzeldings“ durch die „intellektuelle Anschauung“ beim Maler
sagte er z. B. folgendes:
„Im Hintergrund einer komplexen Funktion ― wie zum Beispiel im Fall eines Malers unter
Inspiration, dessen Pinsel sich von selber bewegt, ― wirkt ein einheitliches die Entwicklung
eines Dings. Intellektuelle Anschauung meint nun das Erfassen dieses Einzeldings. Solcherart
unmittelbare Wahrnehmung ist nicht der hohen Kunst vorbehalten, sie ist ein geradezu
alltägliches Phänomen, wie es auch in unseren erprobten Tätigkeiten sichtbar wird“54.
Diese Entwicklung der „Einheitskraft“ wird auch im Bereich der Natur wie bei Mineralien,
Pflanzen und Tieren gefunden. Übrigens hat Nishida ein „Urphänomen“ Goethes, dessen
„Metamorphosen“ verschiedene Pfl anzen und Tiere sind, ebenso als das dieser Einheitskraft
entsprechende angesehen55. Dagegen entstehe die von dem Naturwissenschaftler aufgefasste
Natur nur, „wenn von der konkreten Realität die subjektive Seite, […] abgezogen wurde“.
Sie werde bloß „von außen bewegt“, und bewege „sich nicht spontan aus sich selbst“56.
Darüberhinaus werde die „Einheit“ der Natur und des Geistes gedacht, die nichts anderes als
„Gott“ sei, insofern sie als „Persönlichkeit“ gesehen werde57. Folglich sei Gott nicht von der
Natur und den Menschen verschieden. Daher könne Gott nicht der Gegenstand des „Wissens“,
sondern nur der der „Liebe“ sein. Insofern stimmt Nishida der mystischen Ansicht über Gott
von Böhme und Eckhard zu.
Von dieser Weltanschauung der „Einheitskraft“ her antwortet er auch auf das Problem
des „Guten“, „was der Mensch machen soll“. Nach ihm besteht das Gute weder in der
„Anschauung“ noch in der „Autorität“ noch in der „Vernunft“ noch in der „Lust“, sondern
in der „Tätigkeit“ des Menschen. Sie sei nichts anderes als „Verwirklichung unseres inneren
53 Op. Cit., S.88.54 Op. cit., S.66.55 Op. cit., S.109-110.56 Op. cit., S.106.57 Op. cit., S.200f., 204.
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Bedürfnisses, d.h. des Ideals“, „Entwicklung und Vollendung des Selbst, Selbstrealisierung“.
Übrigens sei unsere „Persönlichkeit“ die „Inbetriebsetzung der Einheitskraft des Kosmos“.
Insofern das Gute die „Verwirklichung der im Grund der Wirklichkeit liegenden unendlichen
Einheitskraft“ sei, sei es daher schließlich, „was das innere Bedürfnis des Selbst befriedigt“.
Es stelle auch dar, was Konfuzius gerade sagte: „Wenn man auch freiwillig nach seinem
Wunsch handelt, übertritt man nicht die Richtschnur“. Wenn es so ist, kann man sagen, dass
der Standpunkt Nishidas der Denkweise des Neu-Konfuzianismus ähnlich ist, der wie oben
auf der Kontinuität zwischen der Natur und der menschlichen Norm basiert. In der Tat fi ndet
Sagara eine Verbindung mit der Tugend des „Makoto“ in der Tokugawa-Zeit wie bei Jinsai
ITO, Soko YAMAGA, Shoin YOSHIDA und der Mito-Schule gerade im Gedanken Nishidas
über das Gute. Aber die Verwirklichung des „Makoto“ wird bei Nishida mit der buddhistischen
„Bildung der Persönlichkeit“ verbunden. Sie soll von allem in der „Kasteiung der Meditation
in der Sitzstellung“ im Zen-Buddhismus verstanden werden58. Möglicherweise wird das Wort
Nishidas „die Verwirklichung des inneren Bedürfnisses des Selbst“ selbst unter Einfl uß des
Wortes „self-realization“ bei Thomas Hill Green gebraucht, dessen Prolegomena to Ethics er
1894 gelesen hatte. Aber als das konkrete Mittel zur Verwirklichung des Selbst hielt er wohl
bald die Lehre des Zen59. Danach besteht das „wahre Selbst“ oder die „Persönlichkeit“ darin,
wenn man vom Hang zur Selbstliebe durch die Kasteiung der Meditation befreit wird. Ein
solches Erlebnis der buddhistischen Übung zur Bildung der Persönlichkeit wurde, spekulativ
refl ektiert, nun als Philosophie der „Einheitskraft“ aufgefasst.
(4)Daisetsu SUZUKI
Suzuki, der ein Mitschüler Nishidas im Gymnasium war, hat auch über sein buddhistisches
Erlebnis refl ektiert, so dass er den Zustand der „Reisei“ [「霊性」 ; Geistlichkeit] erkannt hat, der
der „reinen Erfahrung“ oder „Einheitskraft“ Nishidas verwandt ist. Nach Meinung von Suzuki
ist die „Reisei“ eine „Welt“, welche „hinter der Seele und der Materie“ liegt60. Hier werde der
58 Vgl. Sagara, op. cit. S.270.59 Vgl. Takeuchi, op. cit., S.111ff.60 D. Suzuki, Nihonteki Reisei [「日本的霊性」;Japanische Geistlichkeit][1944] S.17.
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Über die Beziehung zwischen den traditionellen und europäischen Gedanken in den neueren Philosophien Japans―Von Nishi zu Kuki
dualistische Gegensatz, wie „Seele“ und „Materie“, „Ich“ und „Andere“, „ein guter Mensch“
und „ein schlechter Mensch“, „Bedingung“ und „Folge“, „Sein“ und „Nichts“ und „A“ und
„Nicht-A“ im allgemeinen aufgehoben. Besser gesagt werde man hier von dem Gegensatz
befreit, der wieder positiv auf einem neuen Gesichtspunkt aufgefasst wird. „Reisei“ gelte
„allgemein“, aber „ihre Erscheinungsweisen“ seien verschieden je nach der Verschiedenheit
der Völker. „Japanische Reisei“ erschien zuerst durch die zwei neuen buddistischen Sekten in
der Kamakura-Zeit (AD. 1185-1333), „Jodoshinsyu [「浄土真宗」]“ und „Zensyu [「禅宗」]“61.
Sie erschien auf der Seite des „Gefühls“ als „Daihi“ [「大悲」; grosse Barmherzigkeit] in der
„Jodoshinsyu“, während sie auf der Seite des „Wissens“ als „Sokuhi“ [「即非」;so zugleich nicht
so] und auf der Seite der „Handlung“ als „Musyoju“ [「無所住」;Nicht an einem bestimmten
Ort wohnen] in der „Zensyu“ erschien.
Nach der Lehre von „Jodoshinsyu“, deren Gründer Shinran (1173-1262) war, kann
der Mensch erlöst werden, ohne Rücksicht darauf, ob er gut oder schlecht ist, nur wenn er
die Worte „Namuamidabutsu“ [「南無阿弥陀仏」;Ich bekehre mich zu Amitabha(einem
Buddha)] rezitiert. Das bedeutet nicht, dass sich die Wiedergeburt des Menschen im Paradies,
unter der „Bedingung“ dieser Rezitation, „nach ihr“ ergibt, sondern dass diese Rezitation
schlechthin das Paradies darstellt. Mit anderen Worten „werden die als sukzessiv denkbaren
Zeitpunkte im Moment der jetzigen Rezitation einbegriffen, so dass das Volk ohne bestimmte
Bedingung unmittelbar mit dem Buddha verhandeln kann“. Aber dies sei „unmöglich in der
Welt, in der die dualistische Logik wie entweder A oder Nicht-A vorherrscht“62. Dies könne
nur durch die „absolut abhängige Erlösung von Amitabha“, d.h. die „unmittelbare Daihi des
Absoluten“ ermöglicht werden, das über den Gegensatz springe63.
Dieselbe Weisheit erklärte die „Zensyu“-Sekte, deren einer Stifter Dogen (1200-1253)
war, von einem anderen Gesichtspunkt aus, d.h. aus dem des Wissens und der Handlung.
Hier wird der rätselhafte Schluß wie folgt gesprochen. „Die durch Buddha gelehrte Weisheit
über den Weg ins Nirwana[Jenseits] ist nämlich nicht die Weisheit über den Weg ins Nirvana.
61 Op. cit., S.19, 21-26.62 Op. cit., S.25, 162.63 Op. cit., S.25.
Yoichi Kubo
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Deswegen wird sie die Weisheit über den Weg ins Nirvana genannt“. Allgemein gesagt; „Dass
etwas A ist, ist nicht, dass es A ist. Deswegen ist es A“. Was bedeutet dies ? Suzuki erklärt wie
folgt.
„Wenn wir etwas wissen, sei es durch das praktische Wissen, sei es durch das
wissenschaftliche Wissen, sehen wir es als ein bestimmtes. Aber nach der buddhistischen
Weisheit nehmen wir es zuerst nicht als ein bestimmtes auf, d.h. negieren es, um dann positiv
zu ihm zurückzukehren“64.
Demzufolge bedeutet der erste Satz, „dass etwas A ist, ist nicht, dass es A ist“, folgendes:
Wenn man hartnäckig darauf beharrt, dass etwas A ist, dann verliert man, was A eigentlich ist,
weil A eigentlich vergänglich und nur in der Beziehung zu Nicht-A existiert. Wenn man dies
bemerkt, beharrt man nicht mehr darauf, dass etwas A ist. Erst dann kann es in seiner eigentlichen
Seinsweise derart aufgenommen werden, dass es A ist. Denn, wenn man auf dem den Gegensatz
zwischen A und Nicht-A übergehenden Standpunkt zu demselben Gegensatz zurückkommt,
ist es egal, ob etwas A oder Nicht-A ist. Insofern kann es auch so aufgenommen werden, dass
es A ist. Das bedeutet der letzte Satz, „deswegen ist es A“. Man negiert, dass es A ist, insofern
es durch das auf A beharrende Wissen aufgefasst wird, während man A affi rmiert, insofern es
auf dem von A freigelassenen Standpunkt berücksichtigt wird. Deswegen nennt Suzuki diesen
Zusammenhang die „Logik von Sokuhi“, worin „Soku [「 即 」]“ die Affi rmation bedeutet und
„Hi [「非」]“ die Negation beinhaltet65.
Wenn man den Gegenstand nach dieser „Logik von Sokuhi“ auffasst und danach fragt,
welche Handlung zu ihm sich daraus ergibt, wird sie als „Musyojyu“66 bestimmt. Sie bedeutet
die Verhaltensweise, in der man es negiert, an einem bestimmten Ort zu wohnen, d.h. auf ihn
zu beharren. Sie ist der stoischen Einstellung wie „Adiaphora“ ähnlich. Es ist egal, ob man
A oder Nicht-A besitzt. Aber man negiert auch nicht alles (sowohl A als Nicht-A), weil diese
Negation selbst ein neues Beharren bedeutet. Vielmehr bedeutet sie in der Tat das Verhalten,
64 Op. cit., S.423.65 Op. cit., S.428.66 Op. cit., S.430. Deswegen ist das hier erwähnte “Mu” [「無」;Nichts] nicht das relative “Nichts”, das dem “Sein” entgegengesetzt wird, sondern es, was das “absolute Nichts” (S.431) genannt wird.
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Über die Beziehung zwischen den traditionellen und europäischen Gedanken in den neueren Philosophien Japans―Von Nishi zu Kuki
welches A positiv als eine mögliche Alternative darin anerkennt. Man darf A genauso in der
Einstellung wählen, wie man auch A eventuell ablehnen kann.
Übrigens hob Hegel auch die Dimension des Gegensatzes zwischen A und Nicht-A derart
auf, dass er von der durch den Verstand gesetzten Bestimmung zum „unendlichen Urteil“ wie
„A ist Nicht-A“(z.B., „Ding ist Ich“ oder „Ich ist Ding“) überging. Durch diese „Dialektik“
gelang er zu der ganzen, A und Nicht-A als Momente enthaltenden Struktur, in welcher A zu
seiner „Wahrheit“ kam. Zwar zog er diese Logik von seiner Deutung des Christentums heraus
und wies auf die Grenze der asiatischen, selbstlosen Verhaltensweise vom Gesichtspunkt der
„Freiheit“ her hin. Aber der Strunktur nach gibt es eine Ähnlichkeit der Logik Suzukis mit der
von Hegel.
4. Die hermeneutische Analyse des menschlichen Selbstverständnisses
Wie oben bereits erwähnt haben Tetsujiro Inoue, Enryo Inoue und Nishida hauptsächlich
das umfassende Prinzip der Welt und des Menschen, mit dem sich die europäische Philosophie
bisher beschäftigte, in der buddhistischen Lehre und im buddhistischen Erlebnis gefunden,
wobei sie Kritik an der von Nishi und Fukuzawa erzielten Denkweise der Allmacht der neueren
Wissenschaften, dem Dualismus zwischen dem Geist und der Materie und dem Unterschied
zwischen dem Wissen und der Moral geübt haben. Andererseits haben Uchimura, Nitobe
und Suzuki den Buddhismus, den Konfuzianismus und die unter ihrem Einfluß gebildete
japanische Nationalität vielmehr unter dem Gesichtspunkt des moralischen Gedankens als
nach dem Prinzip der Weltanschauung gelobt. Diese beiden Tendenzen finden sich bald in
der neuen Generation wie zum Beispiel bei Tetsuro Watsuji und Shuzo Kuki. Allerdings
ist die europäische Philosophie, mit der sie sich im Zusammenhang mit den japanischen
Gedanken und und der Kultur in ihrer Weltanschauung und Japanologie beschäftigen, nicht
mehr die neuere Philosophie oder die auf derer verlängerten Linie liegende wie der deutsche
Idealismus, Schopenhauer, die Evolutionstheorie, James oder der Neukantianismus, sondern
die Philosophie Heideggers, der sich bemüht, den Rahmen der neueren Philosophie radikal
zu überwinden. Mit anderen Worten kann man sagen, dass sie zur neuen Refl exion über den
Sinn der japanischen Denkweise in der Weltanschauung und über die Eigentümlichkeit der
Yoichi Kubo
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japanischen Kultur angeregt wurden, indem sie von dem modernen Gesichtspunkt Heideggers
positiv beeinfl usst wurden. Dabei sind Watsuji und Kuki gemeinsam der Meinung, dass die
Seinsstruktur des Menschen als die Art und Weise des menschlichen Selbstverständnisses im
Verhältnis zu der Welt (der Natur, dem anderen Geschlecht usw.) aufgefasst wird, als deren
Ausdruck die Erscheinungen der japanischen Kultur ausgelegt werden. Für diesen Punkt
dankten sie der hermeneutischen Ontologie des frühen Heideggers sehr. Zugleich legten sie die
Sache aber auch anders als Heidegger aus, indem sie sie unter Berücksichtigung ihrer eigenen
Angelegenheiten anwandten.
(1)Tetsuro WATSUJI
Was Heideggers Denkweise von der neueren Philosophie unterscheidet, liegt wohl darin, dass
jener diesen dem Bewusstsein immanenten Standpunkt übersteigt und die Intensionalität des
Bewusstseins, d.h. die Relation wie „Existenz“ oder „Transzendenz“ betont, in der der Mensch
immer schon außer sich ist(„ex-istiere“)67. Als Watsuji 1927 das frisch erschienene Werk
Heideggers Sein und Zeit in Berlin las68, wurde er möglicherweise sehr von diesem Gedanken
der Relation oder Transzendenz beeinfl usst. Allerdings hat er den Gedanken Heideggers auch
als Anhaltspunkt benutzt, um mehrere Seiten der Relation oder Transzendenz im menschlichen
Selbstverständnis aufzufassen, in denen die von Heidegger nicht bemerkten Aspekte enthalten
waren. Watsui zufolge kann die Transzendenz des Menschen nicht nur in der von Heidegger
betonten „Zeitlichkeit“ des „Einzelnen“ erkannt werden, sondern auch in den folgenden drei
Aspekten; Erstens in dem „Verhältnis zwischen den verschiedenen Menschen untereinander“ [「間
柄」], zweitens in der „Geschichtlichkeit“ [「歴史性」] dieser gesellschaftlichen Beziehungen
selbst und drittens in dem „klimatischen Verhältnis“ [「風土性」]69.
Den ersten Punkt erklärt Watsuji in „Ningen no Gaku toshiteno Rinrigaku“ [『人間の学とし
ての倫理学』;Ethik als Wissenschaft des Menschen](1934) etymologisch vom chinesischen
und japanischen Ursprung des Wortes 「人間」 [Ningen;Menschen]. Da sein Wortelement
67 Vgl. Heidegger, Sein und Zeit, Tübingen 1967, S.42,61,68 Watsuji hielt sich in Deutschland von 1927 bis 1928 auf.69 Watsuji, Fudo [『風土』;“Klima”] S.22
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Über die Beziehung zwischen den traditionellen und europäischen Gedanken in den neueren Philosophien Japans―Von Nishi zu Kuki
「間」 [Aida; Zwischen] ein Verhältnis bedeutet, bedeutet es eigentlich auf chinesisch die „Welt“,
nämlich „Gesellschaft“. Japaner befolgten anfangs dieser Anwendungsweise. Aber sie benutzten
es bald auch im Sinn von 「 人 」 [Hito], d.h. dem Menschen als dem Einzelnen, indem er „es
「人間」 [Ningen] im Vergleich mit dem Tier [「畜生」; Chikusyo] nannte, was dem Tier
gegenübergestellt wird“. Hiermit enthielt es einen zweifachen Sinn, d.h. den vom „Einzelnen“
und den von der „Gesellschaft“70. Dagegen werden diese zwei Elemente in den europäischen
Sprache nicht zusammen in einem Wort ausgedrückt, sondern getrennt wie „homme“ und
„on“ auf französisch sowie „Mensch“ und „man“ auf deutsch71. Allerdings besteht der Mensch
eigentlich nach Watsuji im „Zusammenhang der Handlung“72, der nicht nur als „leibliche“
Handlung sondern auch im Verhältnis mit den anderen, in der „Gemeinschaft“ zum Ausdruck
kommt. Deswegen ist es berechtigt, dass das Wort 「人間」den zweifachen Sinn, sowohl
den vom „Einzelnen“ als auch den von der „Gesellschaft“ beinhaltet. Aber in der bisherigen
„Anthropologie“ „geht es nur um den einzelnen Charakter, den man von dem zweifachen, d.h.
einzelnen sowie gesellschaftlichen abstrahiert“73.
Das „Sein“ dieses einzelnen und sozialen Menschen hat ferner nach Watsuji zwei Dimensionen
wie die „Zeitlichkeit“ und die „Räumlichkeit“. Dieser Punkt wird auch etymologisch vom
japanischen Wort 「存在」 [Sonzai; Sein] erklärt. Einerseits habe das Wortelement 「存」 [Zon
oder Son] einen „zeitlichen Charakter“, weil es die „selbstbewußte Erhaltung“ oder „subjektive
Wirkung“ wie in seiner Wendung 「存じております」[Zonjiteorimasu; „Ich weiß es“] beinhalte74.
Andererseits habe das Wortelement「在」 [Zai] einen räumlichen Charakter, dass etwas „an einem
Ort liegt“75. Also stelle das Wort 「存在」dar, dass die Zeitlichkeit und die Räumlichkeit des
Seins nicht getrennt seien. Dagegen betont Heidegger die „Zeitlichkeit“ als die wesentliche
Seinsweise des Menschen. Ferner entspriche das Wort「在」dem Element der „Gesellschaft“
im Menschen, weil es eigentlich bedeute, dass etwas „an einem gesellschaftlichen Ort liegt“,
70 Watsuji, op. cit. S.11-32.71 Op.cit. S.15.72 Op. cit. S.43.73 Watsuji, Fudo, S.21.74 Watsuji, Ningen no Gaku toshiteno Rinrigaku, S.38-39.75 Op. cit. S.39.
Yoichi Kubo
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insofern die Bestimmung des Ortes durch den Menschen gegeben werde. Nun fasse Heidegger
die Struktur des menschlichen Seins als die Zeitlichkeit auf, gerade weil er in die „Einseitigkeit“
geräte, „das menschliche Sein nur auf dem Boden des Bewusstseins des Einzelnen zu fi nden“76.
Deswegen ergänzt Watsuji die „Zeitlichkeit“ des „Einzelnen“ bei Heidegger einerseits mit
der Zeitlichkeit der „Gesellschaft“, andererseits mit der „Räumlichkeit“ des Einzelnen und der
Gesellschaft. Die Zeitlichkeit der Gesellschaft betrifft die oben erwähnte „Geschichtlichkeit“,
während die Räumlichkeit des Einzelnen und der Gesellschaft das „klimatische Verhältnis“
darstellt. Genauer gesagt, hat Heidegger die Räumlichkeit nicht ganz ignoriert, sondern auch
gleichsam die „lebendige Natur“ erwähnt und die „Räumlichkeit des Daseins“ betrachtet77.
Aber sie “verlor“ nach Watsuji fast „ihre Gestalt im starken Licht der Zeitlichkeit“. Daher
hat er „die Grenze des Werks Heideggers in diesem Punkt gefunden“78. In welchem Sinn
hat Watsuji nun die Analyse Heideggers einerseits als seinen Anhaltungspunkt benutzt und
andererseits wegen ihrer Einseitigkeit kritisiert, um ein „klimatisches Verhältnis“ zu behaupten ?
Das Wort「風土」[Fudo], d.h. das Klima bezeichnet die Erscheinungen wie „das Wetter, die
meteorologischen Erscheinungen, die Bodennatur, die Bodenbeschaffenheit, die Bodengestalt,
den Anblick des Landes“ im allgemeinen79. Sie ist nach Watsuji weder „der Gegenstand
der Naturwissenschaft“, nämlich „das Objekt“, das sich vom „Subjekt“ unterscheidet,
noch die Erscheinung im „Subjekt“, sondern die „Naturerscheinung“ als „Moment“ im
„menschlichen Verhältnis“80. Der Mensch gehe nach draußen in die Natur. Insofern verstehe
er die Naturerscheinung, während er das Selbst als das verstehe, was im Verhältnis zu dieser
Naturerscheinung existiere. Übrigens hat Heidegger den Menschen („Dasein“) als das Seiende
aufgefasst, dem es um sein Sein in sich selbst geht, und die „Welt“ nicht als ein „Objekt“
charakterisiert, sondern als das „Zeug“, dessen Sinn der Mensch versteht. Watsuji hat seinen
Anhaltspunkt in dieser Lehre Heideggers vom „Dasein“ und „Zeug“ gefunden, um das Klima
76 Watsuji, Fudo, S. 19.77 Heidegger, op. cit. S.71, 110ff.78 Watsuji, Fudo, S.3-4. 79 Op. cit. S.9.80 Op. cit. S.10-12.
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Über die Beziehung zwischen den traditionellen und europäischen Gedanken in den neueren Philosophien Japans―Von Nishi zu Kuki
als einen struktuellen Moment des menschlichen Selbstverständnisses aufzufassen. Dabei
ist das „Zeug“ wesentlich „etwas, um zu…“.81 Aber Watsuji findet ferner die „klimatische
Bestimmung“ im Grund dieses Zusammenhangs von „um, zu…“82. Zum Beispiel sei der
Schuh ein Zeug des Menschen, um zu Fuß zu gehen. Aber viele Menschen können ohne ihn
zu Fuß gehen. Er bedürfe seiner gerade wegen der Kälte oder Hitze. Obwohl das „Zeug“ am
Ende für den „Menschen“ da sein solle, habe es zugleich einen „engen Zusammenhang mit der
klimatischen Bestimmung“83. Anders gesagt, genau wie der „Entwurf“ als das „Verstehen“
des „Zeugs“ durch die „Geworfenheit“ in der „Stimmung“ bei Heidegger bedingt wird, besteht
das „Zeug“ unter der „klimatischen Belastung“ wie unter der „Geworfenheit“.84
Nun ist der Mensch, der das „Zeug“ unter der „klimatischen Bestimmung“ versteht und
dadurch sich selbst versteht, im konkreten, wie oben, das „Verhältnis zwischen Menschen“,
das einzeln sowie gesellschaftlich ist und außerdem die „Geschichtlichkeit“ umfasst. Deshalb
kann der sich selbst unter der klimatischen Bedingung verstehende Mensch als der die
gesellschaftliche und geschichtliche Bestimmtheit tragende verstanden werden. Also versuchte
Watsuji in seinem Werk Fudo, diese „geschichtlich und klimatisch besondere Struktur des
Menschen“ zunächst „von der Seite des Klimas aus“85 aufzufassen.
Watsuji hat die Typen des Selbstverständnisses des Menschen unter der „klimatischen
Belastung“ dort aufgrund seiner eigenen Erfahrungen auf der Seereise von Japan nach
Europa in drei Typen wie „Monsuntyp“, „Wüstentyp“ und „Wiesentyp“ eingeteilt. Bei dem
„Monsuntyp“ wie bei Menschen in Indien, China und Japan sei es sehr „feucht“. Insofern die
feuchte Natur dem Menschen viel Gnade gebe, erwecke sie in ihm nicht den „Widerstand
gegen sie“. Insofern sie aber Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Taifun usw.
mit sich bringe, mache sie ihn „passiv“. Deshalb sei das Selbstverständnis des Menschen
vom „Monsuntyp“ „duldsam“ und „passiv“ gegenüber der Welt. Beim „Wüstentyp“ wie bei
81 Heidegger, op. cit. S.68.82 Watsuji, Fudo, S.24.83 Op. cit. 84 Op. cit. 25.85 Op. cit. S.28.
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Menschen in Arabien und Afrika sei es sehr „trocken“. Deswegen verhalte sich der Mensch
um Wasser zu kriegen „gegnerisch und kämpferisch“ zur Natur, und zwar zusammen mit
anderen Genossen der „Gemeinschaft“. Von daher sei das Selbstverständnis des Menschen
vom „Wüstentyp“ „kämpferisch“ und „gehorsam“ gegenüber der Welt. Beim „Wiesentyp“
wie bei Menschen in Europa sei es teils „feucht“ und teils „trocken“. Da die Natur dort in
der Regel keine „großen Naturkatastrophen“ mit sich bringt“, könne sie leicht durch den
Menschen beherrscht werden, so dass sie „sich in der rationalen Gestalt offenbart“. Deshalb sei
das Selbstverständnis des Menschen vom „Wiesentyp“ „beherrschend“ gegenüber der Welt.
Das Selbstverständnis Japaner hat Watsuji dann in der „besonderen Art“ der „Duldsamkeit
und Passivität“ des „Monsuntyps“ gekennzeichnet. Da das Klima Japans teils zu den
„Tropen“ und teils zu dem „kalten Kreis“ gehöre und „saisonbedingt“(ordentlich) und
„urplötzlich“(außerordentlich) sei, werde die „japanische Nationalität“ als „stille Leidenschaft
und kämpferische Ungebundenheit“ dargestellt. Ferner findet Watsuji den objektiven
Ausdruck dieser Nationalität im Verhältnis zwischen den Menschen, besonders in der
Familie. Japaner bevorzugen die Totalität der Familie gegenüber dem Einzelnen. In der
Familie gebe es eine enge Verbindung als das „innere“ Gebiet, das sich von dem „äußeren“
fremden Gebiet distanziere. Dagegen sehen Europäer den Menschen als den „Einzelnen“ und
verstehen die Familie auch als eine „Verbindung der Einzelnen miteinander“. Einerseits sei
er „individualistisch“, so dass die Menschen voneinander „distanziert“ seien. Andererseits sei
er „gesellschaftlich“ und „öffentlich“, so dass sich eine „Gemeinsamkeit“ der voneinander
distanzierten Menschen ergeben. Aber Japaner seien nicht mit diesem „öffentlichen“ Leben
vertraut. Deswegen sei das Bewusstsein des Rechts und der Pfl icht des Menschen als eines
„Bürgers“ bei ihnen eigentlich schwach ausgebildet. Darin fi ndet Watsuji die Problematik der
Modernisierung Japans seit der Meiji-Restauration, worauf Fukuzawa wie oben schon erwähnt
hingewiesen hat. Watsuji sagt wie folgt: „Möglicherweise haben Japaner das europäische
Leben in seiner äußerlichen Form gelernt. Aber insofern sie nicht das individualistische und
gesellschaftliche Leben wegen der Gebundenheit an die Familie führen können, werden sie
kaum europäisiert“86.
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Über die Beziehung zwischen den traditionellen und europäischen Gedanken in den neueren Philosophien Japans―Von Nishi zu Kuki
(2)Schuzo KUKI
Wie Watsuji ein neues Licht auf die japanische Nationalität vom Gesichtspunkt der
„klimatischen Belastung“ unter Einfl uß der Gedanken der „Transzendenz“ Heideggers geworfen
hat, hat Kuki die Eigentümlichkeit der japanischen Kultur neu in „Iki“ [「いき」], d.h. dem dem
Japaner eigenen ästhetischen Sinn aufgefasst, indem er den Gedanken Heideggers, vor allem
den der „Hermeneutik“ angewandt hat87. „Iki“ stammt aus der Welt der Togugawa-Zeit, in
der „Geisha“ nach Meinung von Kuki in verschiedenen körperlichen(Figur, Gestik usw.)
und künstlichen Formen(Muster der Kleidung, Struktur des Teezimmers usw.) verfeinerte
Sensibilität ausgedrückt haben. Er hat sie umfassend in Iki no Kozo [『「いき」 の構造』;
Struktur von Iki](1930) analysiert, wo er die Methode der Analyse für „hermeneutisch“
gehalten hat. „Wir sollen vielmehr nach „extentia“ von Iki als nach ihrer „essentia“ fragen“.
„Wir dürfen Iki nicht „nach Eidos“, sondern müssen „hermeneutisch“ untersuchen88.
Was bedeutet es nun, nach Iki hermeneutisch zu fragen, oder mehr existentia als essentia
von Iki zu untersuchen? Das bedeutet nicht, das allgemeine „Eidos“ von Iki , d.h. den „ihren
Erscheinungen umfassenden Gattungsbegriff“ zu suchen, sondern sie „in ihrer lebendigen
Gestalt aufzufassen, wie sie ist, ohne ihre Konkretheit als Tatsache zu verlieren“89. Mit
anderen Worten, sollten wir Iki nicht in ihrem allgemeinen Wesen auffassen, das den anderen
Erscheinungen gemeinsam ist, sondern sie in ihrem „besonderen“ Merkmal auffassen, das von
den anderen Erscheinungen verschieden ist. Nun ist die Besonderheit von Iki nichts anderes als
„die die Geschichte habende besondere Kultur“, nämlich die nationale Besonderheit, d.h. die
japanische Kultur. In der Tat gebe es keinen Ausdruck in den ausländischen Sprachen, durch
86 Op. cit. S.95.87 Kuki hielt sich in Europa von 1921 bis 1929 auf, wo er die Philosophie direkt von Rickert, Husserl, Bergson und Heidegger lernte. Der lange Aufenthalt in Europa brachte ihn bald zur scharfen Einsicht in die japanische Kultur. Er hat sich tatsächlich über Iki gerade mit Heidegger unterhalten. Merkwürdigerweise hat Heidegger dabei den Zweifel, “ob es für die Ostasiastischen nötig und berechtigt sei, den europäischen Begriffssystemen nachzujagen” ausgedrückt. Vgl. Heidegger, Aus einem Gespräch von der Sprache―zwischen einem Japaner und einem Fragenden; in Unterwegs zur Sprache, [1959] Stuttgart 2007, S,87.88 Kuki, Iki no Kozo, S.12-14..89 Op. cit. S.12.
Yoichi Kubo
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den der japanische Ausdruck „Iki“ gerade richtig ausgedrückt werden kann. Vielmehr müβe
man verstehen, dass in Iki die „besondere Seinsweise des japanischen Volks“ ausgedrückt
werde. Wenn man so die „Selbstoffenbarung“ der „besonderen Seinsweise“ der japanischen
Kultur in Iki auffasse, folge man der „hermeneutischen“ Auffassung. In diesem Sinn „kann die
Untersuchung über Iki nur als die Hermeneutik des nationalen Seins möglich“90 sein.
Aber eine solche Methode der Untersuchuung, mit der man die verschiedenen körperlichen
und künstlichen Formen als Ausdruck von Iki als der Sichoffenbarung der besonderen
Seinsweise des japanischen Volks auslegt, erinnert uns vielmehr an die Hermeneutik Diltheys,
der das Werk als den Ausdruck des Erlebnisses verstand, als an die Heideggers. Bei diesem,
besonders in seinem Werk Sein und Zeit, ist die Hermeneutik nicht mehr die Methode der
Geisteswissenschaft, sondern die der „Fundamentalontologie“, und zwar diejenige, durch
die er das gemeine Seinsverständnis „zerstört“ und „vollendet“, um die Grundstruktur des
menschlichen Daseins zu erklären. Dagegen scheint ein solcher Sinn der Hermeneutik, nicht
bei Kuki gefunden werden zu können. Trotzdem kann der Einfl uss von Heidegger m.E. in der
Auffassung Kukis über den Zusammenhang zwischen „Erlebnis“ und „Auslegung“ erkannt
werden. Kuki zufolge muß das „Erlebnis“ bzw. „Erlernen“ des „Sinnes“ von Iki zuerst
vorangehen, nach dem ihre „begriffl iche Analyse“ gemacht werden kann. Zwischen beiden
gebe es „einen Spalt, den man nicht übersteigen kann“91. Damit ein Ausländer z.B., der noch
nicht Iki erlebt habe, Iki wahrhaft verstehen könne, müße er, aus Anlass der begrifflichen
Analyse, selbst Iki erleben. Aber die begriffl iche Analyse liefere nicht nur den „Anlaß“ zum
„Erlebnis“. Sie könne auch das „Erlebnis des Sinnes zu seinem begriffl ichen Selbstbewußtsein
führen“92.
Auch bei Heidegger muß der „Sinn“ der Welt zuerst „als etwas verstanden“, d.h. „ausgelegt“
werden, ohne durch Sprache ausgedrückt zu werden. Dann als „abkünftiger Modus der
Auslegung“ ergibt sich die „Aussage“. Aber durch die Aussage wird der Sinn der Welt vom
„zuhandenen“ zum „vorhandenen“ verändert. In diesem Sinn gibt es einen Spalt zwischen
90 Op. cit. S.78.91 Op. cit. S.74.92 Op. cit. S.74-75.
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Über die Beziehung zwischen den traditionellen und europäischen Gedanken in den neueren Philosophien Japans―Von Nishi zu Kuki
der vorsprachlichen Auslegung und der Aussage. Trotzdem erhält diese Aussage als eine
besondere Weise des In-der-Welt-Seins folgenden Gedanken: „als Wissenschaft die Führung
übernehmen über das In-der-Welt-Sein“93. Obwohl die Hermeneutik Kukis nicht ganz der
Heideggers gleich ist, wird sie deswegen unter Einfl uß dieser Auffassung des Zusammenhangs
zwischen der vorsprachlichen Auslegung und der Aussage konzipiert.
In welchem konkreten Sinn wird die besondere Seinsart der Japaner nun als in Iki ausgedrückt
ausgelegt ? Zuerst wird die „Koketterie“ [「媚態」 ; Bitai] als die „materielle Ursache“ von Iki
angegeben. Sie sei die „dualistische Haltung, in der das monistische Selbst sich dem anderen
Geschlecht entgegensetzt, um ein mögliches Verhältnis zwischen beiden zu konstruieren“94.
Aber wenn „das gespannte Verhältnis durch die Vereinigung beider verloren wird“, gehe diese
Koketterie auch verloren95. Deswegen sei die „dualistische Haltung“ notwendig in Iki, durch
die die Vereinigung beider Geschlechter nicht erreicht werde. Aber die Koketterie selbst könne
auch durch die andere Sprache (z.B. „coquet“ auf französisch) ausgedrückt werden, so dass
sie nicht eine ganz dem Japaner eigentümliche Haltung sei. Iki ergebe sich, erst wenn die
„japanisch eigene, formale Ursache“ zu dieser allgemeinen „materiellen Ursache“ der Koketterie
hinzugefügt werde.
Diese „formale Ursache“ ist eine „Spröde“ [「意気地」;Ikiji] sowie ein „Verzicht“ [「諦め」
; Akirame]. Einerseits stelle die „Spröde“ das „starke Bewußtsein, dem anderen Geschlecht eine
Art des Widerstands zu zeigen„ dar, in dem das „Ideal von Bushido“ am Leben sei96. Andererseits
stelle der „Verzicht“ die „Gleichgültigkeit“ dar, „aus dem Beharren aufgrund der Einsicht über
das Schicksal ausgetreten zu sein“, hinter dem die „buddhistische Weltanschauung“ liege97. Das
„Ideal von Bushido“ und die „buddhistische Weltanschauung“ sind nach Kuki nichts anderes als
etwas, was die nationale Besonderheit Japans auszeichnet. Deshalb wird Iki schließlich als etwas
aufgefasst, „in dem die Koketterie als die materielle Ursache ihre Seinsverwirklichung durch den
93 Op. cit. S.62. S.153ff.94 Op. cit. S.17.95 Op. cit.96 Op. cit. S.18-19.97 Op. cit. S.21.
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moralischen Idealismus und die religiöse Unwirklichkeit als formale Ursache vollendet, welche
die Kultur unseres Landes auszeichnet“98.
Insofern wird die „dualistische Möglichkeit“ der Koketterie, dass das monistische Selbst in
der Beziehung zum anderen Geschlecht ohne Aufl ösung der dualistischen Möglichkeit stehen
bleibt, in Iki gleichsam auf die japanische Weise vollendet. Kuki betrachtet diese dualistische
Möglichkeit nicht nur als Eigentümlichkeit der japanischen Kultur, sondern auch noch
gründlicher als Problem der Metaphysik, das nichts anderes als das Problem der „Zufälligkeit“
ist. Denn sie bedeutet nach Kuki die „Berührung der heterogenen Pole, die die Notwendigkeit
der Identität aufhebt“ oder die „Setzung des Anderen gegenüber der Notwendigkeit des
Einen“99. Auch in dieser Beschäftigung mit dem metaphysischen Problem ist m.E. die Nähe
Kukis zu Heidegger klar. Denn sie wird als ein „die Negation enthaltendes Sein“ angesehen,
weil sie „nicht den ausreichenden Grund in sich selbst hat“100, während Heidegger auch in
Sein und Zeit betont hat, dass der Mensch die Negation in seinem Sein enthält, wie er „nichtig“
mit seiner Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und der absoluten Negation des Todes
konfrontiert sei. In der Tat bestehe der Kernpunkt der „Berührung der heterogenen Pole“ auch
darin, dass nicht zu berühren auch möglich sei, nämlich „nicht zu sein auch möglich sei“101.
98 Op. cit. S.26.99 Kuki, Problem der Zufälligkeit, S.320, 255.100 Op. cit. 9.101 Op. cit. S.254-255.