plasmatechnologie für die life sciences
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plasmatechnologie für Die life sciences
F R A U N H O F E R - i N s t i t U t F ü R s c H i c H t- U N d O b E R F l ä c H E N t E c H N i k i s t
Kalte atmosphÄrenDrUcKplasmen für Biologie, hYgiene UnD meDiZinIm Bereich Life Science, z. B. in der Biologie, Hygiene oder
Medizin besteht ein großer Bedarf, Oberflächen zu behandeln.
Ein Ziel ist es oft, die Benetzbarkeit zu steuern oder auch die
Oberflächen mit bestimmten chemischen Funktionen zu ver-
sehen, ein anderes, Heilungsprozesse zu beschleunigen oder
Keime abzutöten. Umweltfreundliche Verfahren, die einfach
zu handhaben und auch zur Behandlung temperaturempfind-
licher Materialien wie Kunststoffe oder Haut geeignet sind,
basieren auf dem Einsatz kalter Atmosphärendruckplasmen.
Das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik
IST mit seiner Abteilung Atmosphärendruck-Verfahren in
Braunschweig und seinem Anwendungszentrum für Plasma
und Photonik in Göttingen entwickelt die hierzu notwendigen
Schichten, Prozesse und Geräte für die unterschiedlichsten
Anwendungsfelder von der Medizin und Hygiene über die
Medizintechnik, die Mikrobiologie und Zellkulturtechnik bis hin
zur Agrar- und Lebensmitteltechnologie.
Unser Angebot
� Schicht- und Prozessentwicklung
� Fertigung und Beschichtung von Demonstratoren, Prototypen und Kleinserien
� Unterstützung beim Anlagenbau
� Komponenten- und Geräteentwicklung
� Beratung und Machbarkeitsstudien
� Schichtcharakterisierung
� Testverfahren zum Wirksamkeitsnachweis
� Technischer Partner für klinische Plasma-Therapieansätze
Anwendungsfelder für Atmosphärendruckplasmen
� Medizin und Hygiene
� Antiseptische Therapie
� Heilungsunterstützung bei infektiösen Hauterkrankungen
� Zahnmedizin
� Handhygiene
� Entkeimung von Oberflächen und Desinfektion
� Medizintechnik
� Mikrofluidik
� Biosensorik
� Lab-On-A-Chip
� Innenbeschichtung von Schläuchen, Flaschen und Beuteln
� Funktionalisierung von Disposables
� Zellkulturtechnik und Mikrobiologie
� Steuerung der Zelladhäsion und Differenzierung
� Steuerung von Proteinadsorption
� Kopplung von Antikörpern
� Zelltransfektion und -poration
� Agrar- und Lebensmitteltechnik
� Schädlingsbekämpfung
� Entkeimung von Saatgut und Lebensmitteln
� Desinfektion von Verpackungen
1 Zellkultur in Nährmedium.
2 Untersuchungen mittels
Fluoreszenzmikroskopie.
1 2
Die Technologie
Kalte physikalische Plasmen mit energiereichen Elektronen
und Ionen weden direkt aus der umgebenden Atmosphäre
mittels starker elektrischer Felder erzeugt. Dabei entstehen
hochreaktive Radikale sowie stabilere reaktive Sauerstoff- und
Stickstoffspezies, die im synergistischen Verbund mit den
freien Ladungsträgern die Zellmembranen und -wände von
Bakterien und Pilzen angreifen.
Durch Verwendung geeigneter Gase und Reagenzien können
Atmosphärendruckplasmen auch eingesetzt werden, um Ober-
flächen mit reaktiven Gruppen chemisch zu funktionalisieren.
Bei Bedarf lassen sich die Plasmen auch in sehr kleinen Volu-
mina erzeugen. Mit Hilfe dieser sogenannten Mikroplasmen ist
eine gezielte lokale Modifikation von Oberflächen wie z. B. die
Einstellung der gewünschten Oberflächenenergie möglich.
Vorteile von kalten Atmosphärendruckplasmen
� Energie- und ressourceneffiziente Technologie
� Universell, material- und geometrieunabhängig sowie einfach zu handhaben
� Leichte Integration in Prozessketten
� Keine Änderung des Grundmaterials
� Keine thermische Schädigung der Substrate
� Erzeugung wirksamer Agenzien unmittelbar bei der Plasmabehandlung
� Beim Einsatz in der Therapie: wundheilungsfördernd, schmerz- und bisher nebenwirkungsfrei für den Patienten
� Antibakterielle Wirksamkeit unabhängig von pharmazeutischen Resistenzen
� Gezielte lokale chemische Modifikation der Oberfläche
Atmosphärendruck-Plasmaverfahren am Fraunhofer IST
Das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik
IST ist ein anwendungsnahes FuE-Dienstleistungszentrum auf
dem Gebiet der Dünnschichttechnik. Neben Niederdruck-
Plasmaverfahren verfügt das Institut über breite Kompeten-
zen im Bereich der Atmosphärendruck-Plasmatechnologie,
ein Schwerpunkt, der kontinuierlich ausgebaut wird.
So betreibt das Fraunhofer IST seit 2012 zusätzlich das
Anwendungszentrum für Plasma und Photonik am
Standort Göttingen. Das Anwendungszentrum hat sich zum
Ziel gesetzt, Innovationen der modernen Plasmatechnologie
in den Bereichen Umwelt, Hygiene, Gesundheit, Produktion
und Energie sowohl für die Industrie als auch für kleine und
mittelständische Unternehmen nutzbar zu machen und maß-
geschneiderte Konzepte für die Wirtschaft zu entwickeln.
Strategischer Partner des Fraunhofer IST im Bereich der
Atmosphärendruck-Plasmatechnologie am Standort
Braunschweig ist das Institut für Oberflächentechnik IOT der
Technischen Universität Braunschweig und am Standort Göt-
tingen die HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft
und Kunst.
3 4
3 Ausschnitt einer Sensor-
karte mit 80 metallisierten
Palladiumsensoren. Layout:
Gesellschaft zur Entwicklung
und Herstellung bioelektro-
chemischer Sensoren mbH.
4 Wassertropfen (mit Fuch-
sin angefärbt) auf superhyd-
rophobem Vliesstoff.
Dermatologie
Die Plasmamedizin ist vor allem im Bereich der Dermatologie
eine vielversprechende neue Disziplin. Gerade bei der
Versorgung von chronischen Wunden wie offenen Beinen
oder Hautkrankheiten wie Schuppenflechte und Neurodermitis
gerät die Medizin mit den aktuell verfügbaren Therapien oft
an ihre Grenzen. Die Niedertemperatur-Plasmatechnologie
eröffnet hier ganz neue Möglichkeiten zur Entwicklung
wirksamer und dabei gleichzeitig schmerz- und nebenwir-
kungsfreier Therapien. Durch die Plasmabehandlung werden
die unerwünschten Mikro organismen auf der Haut oder in
der Wunde inaktiviert bzw. abgetötet. Gleichzeitig kann das
Plasma zur pH-Modulation des Wundmilieus genutzt und auf
diese Weise die Heilung beschleunigt werden. Die Behandlung
erfolgt mit einem Medizinprodukt (Klasse IIa), das gemeinsam
mit dem Unternehmen CINOGY GmbH entwickelt wurde.
Die Vorteile
� Schmerz- und nebenwirkungsfreie Therapie
� Bestehende Resistenzen z. B. gegenüber pharmazeutischen Antibiotika spielen keine Rolle
� pH-Absenkung des Wundmilieus
� Schnell und wirkungsvoll
Unser Angebot
� Abschätzung von Wirk-Risiko-Potenzialen auch im Rahmen klinischer Studien
� Individuelle Anpassungen der Geräteausführung sowie der Prozessparameter für das jeweilige Krankheitsbild
� Technischer Partner für klinische Plasma-Therapieansätze
5 6 7
Bakterien
Staphylococcus aureusBehandlungsdauer: 30 s
Pseudomonas aeruginosaBehandlungsdauer: 30 s
Escherichia coliBehandlungsdauer: 10 s
Hautpilze
Candida albicansBehandlungsdauer: 60 s
Microsporum canis Behandlungsdauer: 300 s
Live-Dead-Assay zum Wirksamkeitsnachweis der Plasmabe-
handlung. Lebende Zellen fluoreszieren grün, tote rot. Links:
unbehandelte Referenz, rechts: Probe nach Plasmabehand-
lung bei 430 mW/cm².
Sicher, wirksam und schmerzfrei
Die Anwendung von Plasmen direkt auf der Hautoberfläche
ist bisher weitgehend unerforscht. Vor der Anwendung in der
Humanmedizin müssen daher umfangreiche sicherheitsrelevante
Aspekte untersucht werden. Die Temperatur der Haut steigt wäh-
rend der Anwendung lediglich um wenige Grad. Der Ableitstrom,
der als Folge der Gasentladung auf der Haut durch den Körper
fließt, ist gemäß DIN EN 60601-1 als unbedenklich einzustufen.
Die UV-Emission des Plasmas ist so gering, dass arbeitsschutz-
rechtliche Grenzwerte zur UV-Belastung erst bei mehreren
Stunden täglichen Einsatzes erreicht werden, in der Praxis dauert
die Behandlung nur wenige Minuten täglich. Ozon als eines der
Hauptkomponenten des »chemischen Plasmacocktails« tritt in-
nerhalb der Plasmazonen in vergleichsweise hoher Konzentration
auf und entfaltet dort seine antimikrobielle Wirkung. Aufgrund
der geringen Plasmavolumina werden aber bereits in einigen
Zentimetern Abstand zur aktiven Plasmazone die MIK-Grenzwerte
zum Schutz der Atmungsorgane (0,1 ppm) unterschritten.
Ableitstrom bei steigender elektrischer Leistung während
der Plasmaentladung auf porcinem Hautgewebe.
Leistungseinstellung
400
300
200
100
00 1 2 3 4 5
1 2 3 4 5110
120
130
140500
Erster Fehler
Normalzustand
Arb
eits
stro
m [µ
A]
Ozonkonzentrationen im Plasmavolumen (0 cm) sowie in
einigen cm Abstand zur Plasmaelektrode (Gasspalt: 1mm).
Abstand zur Plasmaelektrode [cm]
10-1
101
100
10-2
102
103
10-3
0 1 2 3 6 7 8 9 104 5
MIK-Grenzwert
P=147 mWP=202 mWP=311 mW
Ozo
nkon
zent
ratio
n [p
pm]
5 Anwendung eines kalten
Atmosphärendruckplasmas
auf der menschlichen Haut.
6+7 Der Hautkeim Staphy-
lococcus epidermidis vor (2)
und nach (3) der Plasmabe-
handlung mit 1,8 J/cm² (10s).
8 Wärmebildaufnahme
des Unterarms: Nach 60 s
Behandlung beträgt die Tem-
peraturdifferenz zu unbe-
handelten Arealen nur 3,5°C.
9 Einsatz des als Medi-
zinprodukt der Klasse IIa
zugelassenen PlasmaDerm
der CIINOGY GmbH in der
Dermatologie.
8 9
Schädlingsbekämpfung
Schädlinge in unserer nächsten Umwelt mindern nicht nur
unsere persönliche Lebensqualität, sondern verursachen auch
krankheitsbedingte Arbeitsausfälle und richten damit einen
beträchtlichen volkswirtschaftlichen Schaden an. Typische
Schädlinge sind Hausstaubmilben oder Schimmelpilze – sie
können das Immunsystem schwächen und Allergien oder
Asthma auslösen. Es besteht daher ein großer Bedarf an
wirksamen und umweltschonenden Verfahren zur Beseitigung
von Schädlingen. Die derzeit eingesetzten, konventionellen
Methoden basieren häufig auf bioziden Inhaltsstoffen, die
besonders in Privathaushalten mit Kindern ein nicht unerheb-
liches Gefahrenpotenzial darstellen. Falsch oder unbedacht
eingesetzt können Biozide bis in die Endprodukte und damit in
unsere Nahrungskette gelangen.
Mit Atmosphärendruckplasmen gegen Schädlinge
Durch das Plasma werden Milben, Blattläuse und sogar
Schimmelpilze gezielt und wirkungsvoll inaktiviert, ohne ne-
gative Effekte auf den Wirt, den Anwender oder die Umwelt
auszuüben und ohne persistente schädliche Rückstände zu
hinterlassen. Die Technologie ist darüber hinaus einfach zu
handhaben und kostengünstig.
10 11 12
10 Prototyp eines Plasma-
kamms zur Anwendung an
Menschen, Tieren oder
Pflanzen.
11+12 Intakte Raubmilbe
der Gattung Phytoseiulus
persimilis vor und nach einer
ca. zweisekündigen Plasma-
behandlung.
Für Anwendungen im privaten häuslichen Bereich sind Gerä-
teprototypen verfügbar. Die Technologie ist skalierbar, so dass
auch große Geräte, die eine Schädlingsbekämpfung mittels
Plasma z. B. auch in der Agrartechnik erlauben, entwickelt
werden können.
Unser Angebot
� Technologieentwicklung zur biozidfreien Abtötung von Ektoparasiten und Hygieneschädlingen
� Mobile, batteriebetriebene Geräte
13 14 15 16
Entkeimung von Oberflächen
Die antimikrobielle Wirkung von Niedertemperaturplasmen
eröffnet auch außerhalb der Medizin breite Anwendungs-
bereiche. Durch den geringen thermischen Einfluss können
sämtliche thermoempfindliche oder -labile Werkstoffe an
Oberflächen dekontaminiert werden. Beispiele sind
� die Behandlung von Saatgut zur Verbesserung der Keimfähigkeit,
� die Abtötung von Pilzsporen zum Schutz von Holz und Holzwerkstoffen,
� die Sterilisation von Verpackungsmaterialien der Lebens-mittelindustrie sowie
� die direkte Behandlung von Lebensmitteln zur Verbesserung
der Produkthaltbarkeit.
Die Entkeimung von Oberflächen mittels physikalischer
Plasmen ist schnell, energieeffizient und umweltfreundlich
und kann in vielen Fällen nasschemische, z. T. ökologisch
bedenkliche Verfahren ersetzen.
Unser Angebot
� Anlagenentwicklung
� Technologieentwicklung zur Entkeimung von Saatgut, Lebensmitteln, Verpackungen und weiteren thermolabilen Werkstoffen
Radiales Wachstum einer definierten Konzentration des
Schimmelpilzes Fusarium culmorum auf Nährmedien nach
unterschiedlichen Behandlungen.
20
16
12
8
4
0
24
Inkubationszeit [Tage]
20
16
12
8
4
00 1 2 3 4
24 Referenz720s Wärme (55° C)60s Plasma180s Plasma360s Plasma
Radi
ales
Wac
hstu
m [m
m]
13 Lichtmikroskopische
Aufnahmen des Myzels von
Fusarium culmorum: Refe-
renz (oben) und nach 360 s
Plasmabehandlung. (unten)
14+15 Keimungsverhalten
von unbehandelten (links)
und plasmabehandelten
(rechts) Markerbsen (Pisum
sativum) zehn Tage nach der
Pflanzung.
16 Ein kaltes Atmosphären-
druckplasma umschließt ein
Saatkorn.
17 18
Biofunktionale Oberflächen
Bei der Kultivierung von Zellen, der Reinigung von Proteinen,
der Entwicklung von Medikamenten und Biosensoren, bei
medizinischen Produkten wie Stents oder Schläuchen – in
vielen Bereichen der Biologie und der Medizin werden be-
sondere Anforderungen an die Oberflächen der verwendeten
Materialien gestellt. Oft werden die eingesetzten Produkte
aus kostengünstigen Kunststoffen gefertigt. Damit deren
Oberfläche den hohen Anforderungen genügt und die
gewünschten physikalischen oder chemischen Eigenschaften
aufweist, werden sie in vielen Fällen beschichtet oder
modifiziert und mit chemischen Gruppen für nachfolgende
Kopplungsreaktionen ausgestattet. Herkömmliche Verfahren
zur Oberflächenbehandlung basieren oft auf nasschemischen
Prozessen. Atmosphärendruck-Plasmaverfahren, wie sie am
Fraunhofer IST entwickelt werden, können eine wirtschaftliche
und unter Umweltaspekten interessante »trockene« Alternati-
ve darstellen.
Erzeugung biofunktionaler Oberflächen mit
Atmosphären druck-Plasmaverfahren
Plasmaverfahren auf Basis der dielektrisch behinderten
Entladung (DBE) bei Atmosphärendruck bieten vielseitige
Möglichkeiten, Oberflächen in ihren Eigenschaften so zu ver-
ändern, dass sie für biomedizinische Anwendungen verwendet
werden können.
Bei dieser Technologie wird in einem Gasspalt zwischen
zwei Elektroden durch Anlegen einer Wechselspannung ein
physikalisches Plasma erzeugt, wodurch Ionen, energiereiche
Elektronen, reaktive Radikale und metastabile angeregte
Gasteilchen entstehen. All diese Spezies treten mit dem zu
behandelnden Substrat in Wechselwirkung und verändern
dessen Oberfläche. Durch Zusatz von schichtbildenden Sub-
stanzen, sogenannten Präkursoren, gelingt es, Schichten auf
dem Substrat abzuscheiden, die typischerweise nicht dicker
als 10 bis 100 nm sind. In Abhängigkeit von der Wahl der Pro-
zessparameter, z. B. der Zusammensetzung des Prozessgases
oder der Behandlungszeit können folgende Veränderungen
bzw. Effekte durch die Oberflächenbehandlung mittels DBE
erzielt werden:
� Aktivierung der Oberfläche zur Verbesserung der Benetz-
barkeit mit wässrigen Medien
� Funktionalisierung der Oberfläche zur Erzeugung chemisch
reaktiver Gruppen
� Abscheidung einer Beschichtung, um der Oberfläche die
gewünschte Funktion zu verleihen
Atmosphärendruck-Plasmaverfahren weisen gegenüber
anderen Technologien zur Oberflächenbehandlung eine Reihe
von Vorteilen auf: die Prozesszeiten sind kurz, Lösungsmittel
oder Bäder nicht erforderlich und es wird keine teure
Vakuumanlagentechnik benötigt. Darüber hinaus lassen sich
Atmosphärendruck-Plasmaprozesse sehr gut skalieren und in
bestehende Prozessketten integrieren. Auch hinsichtlich der
behandelbaren Materialien und Geometrien besteht eine gro-
ße Flexibilität: Neben Polymerfolien, Glas, Siliziumwafern oder
Metallen, können auch poröse Materialen, Textilien oder Leder
modifiziert oder beschichtet werden. Als Substrate kommen
sowohl Folien als auch Formteile in Frage.
Anwendungsbeispiele
Eine Plasmabehandlung an Luft, die sogenannte Coronabe-
handlung, von z. B. Mikrotiterplatten oder Zellkulturflaschen
zur Verbesserung der Benetzbarkeit der Oberfläche ist in der
Industrie bereits weit verbreitet. Am Fraunhofer IST werden
mit Atmosphären druck-Plasmaverfahren Oberflächen zur
Förderung des adhärenten Zellwachstums in Zellkulturbeuteln
oder auf 3D-Gerüststrukturen, sogenannten Scaffolds,
erzeugt. Durch den Einsatz von sauerstofffreien stickstoffhal-
19 20
tigen Gasgemischen als Prozessgas bilden sich verstärkt stick-
stoffhaltige chemische Gruppen auf der Substratoberfläche,
die eine Anlagerung der Zellen begünstigen.
Chemisch reaktive Oberflächen zur kovalenten Kopplung von
Biomolekülen, z. B. Proteinen oder Antikörpern können durch
die Abscheidung von Schichten, die Epoxy-, Carbonyl- oder
Carboxylgruppen enthalten, auf ganz unterschiedlichen
Substraten hergestellt werden.
Eine unspezifische Adsorption von Biomolekülen kann
vermieden werden, indem die Benetzbarkeit der Oberfläche
mit wässrigen Medien vermindert wird. Dies gelingt besonders
wirksam mit sogenannten superhydrophoben Beschichtungen,
die sich durch Wasserrandwinkel über 145° auszeichnen.
Atmosphärendruck-Plasmabehandlungen können ganzflächig
oder ortsselektiv durchgeführt werden. Für eine ortsselektive
Oberflächenbehandlung oder Strukturierung eignet sich
das am Fraunhofer IST entwickelte Plasma-Printing, bei dem
die Struktur mittels Plasma quasi aufgestempelt wird. Auf
diese Weise lassen sich Funktionalitäten auf der Oberfläche
erzeugen, deren Ausdehnung auf wenige 10 µm begrenzt ist.
Derartig strukturierte Oberflächen spielen bei der Herstellung
von Biosensoren oder Lab-on-a-Chip-Systemen eine wichtige
Rolle.
Schichtcharakterisierung
Zur Untersuchung der am Substrat vorgenommenen Ober-
flächenmodifizierung verfügt das Fraunhofer IST über eine
Vielzahl analytischer Möglichkeiten, z. B. Fluoreszenzanalytik,
Infrarotspektroskopie, Laser-Scanning-Mikroskopie (LSM),
UV / Vis-Spektroskopie, Röntgen-Elektronenspektroskopie
(XPS), Rasterelektronenmikroskopie (REM ) / Energiedispersive
Röntgenspektroskopie (EDX) oder Ellipsometrie.
Darüber hinaus werden bei Bedarf für die jeweilige
Anwendung spezifische Nachweisreaktionen entwickelt, die
es erlauben, quantitative Aussagen über die Effizienz und
Effektivität der Belegung der Oberfläche mit chemisch reak-
tiven Gruppen zu machen, die in nachfolgenden Reaktionen
mit Biomolekülen wechselwirken oder diese kovalent binden.
Ein Beispiel ist die Entwicklung eines Tests zum Nachweis von
Amino-Gruppen, die beispielsweise zur Biotinylierung von
Oberflächen eingesetzt werden.
Unsere Kompetenzen
� Ganzflächige und strukturierte Modifizierung von Oberflächen
� Beschichtungen zur Kontrolle von Zellwachstum oder
-adhäsion auf Oberflächen
� Einstellung der Benetzbarkeit
� Erzeugung chemisch reaktiver Oberflächen und Entwick-
lung von Funktionsschichten
Unser Angebot
� Schicht- und Prozessentwicklung
� Prototypenherstellung
� Schichtcharakterisierung und Oberflächenanalytik
� Beratung und Schulung
17 Aminierung einer 24-well Mikrotiterplatte aus Polystyrol durch
Atmosphärendruck-Plasmaverfahren.
18 HeLa-Zellen in aminofunktionalisierter Mikrotiterplatte aus Polystyrol.
19 Steuerung der Zelladhäsion auf einem Scaffold aus PBT-PEOT
durch Beschichtung mittels Atmosphärendruck-Plasmaverfahren.
20 MC3T3-Zellen nach Infektion mit Virus an Tag 12 der Kultivie-
rung auf plasmabehandeltem Scaffold aus PBT-PEOT.
AB
21 22 23
Mikrofluidik – Innenbeschichtung
In komplexen, oft miniaturisierten und spezialisierten
fluidischen Systemen werden an die inneren Oberflächen, die
Kontakt mit den eingesetzten Medien haben, besondere An-
forderungen gestellt. Mit Atmosphärendruck-Plasmaverfahren
lassen sich die Oberflächeneigenschaften gezielt einstellen.
Auf diese Weise werden Produkten wie Disposables kosten-
günstig und in Sekundenschnelle anspruchsvolle Funktionen
verliehen.
In fluidischen Systemen aus dielektrischen Materialien wie z. B.
Glas und Kunststoff lassen sich bei Atmosphärendruck elekt-
rische kalte Plasmen zünden, die eine allseitige Beschichtung
des Kanalinneren erlauben. Für die Beschichtung wird der
Kanal oder Schlauch zwischen zwei Elektroden positioniert.
Mittels Wechselspannung werden elektrische Felder erzeugt,
die die Zündfeldstärke in dem Kanal übersteigen. Durch
geeignete Wahl des Gases bzw. des Gasgemisches, das durch
die Kanäle strömt, können die inneren Oberflächen in Form
eines Post-Processings beschichtet oder aktiviert werden.
Durch die Verwendung lokaler Elektroden lassen sich u. a.
auch hydrophobe Stopps in hydrophilen Kanälen abscheiden.
Die lokale Innenbeschichtung erlaubt die Auftrennung
flüssiger Mehrphasensysteme unter Ausnutzung der
unterschiedlichen Oberflächenspannungen der einzelnen
Phasen. Entsprechende Separatoren benötigen kleine Kanal-
dimensionen oder Membranstrukturen, so dass die einzelnen
Flüssigkeitsphasen mit unterschiedlichen Oberflächen in
Kontakt kommen können. Die Phasen lassen sich trennen, in-
dem das Mehrphasensystem durch eine Kanalstruktur geleitet
wird, die sich in hydrophile und hydrophobe Kanäle aufspaltet.
Dabei gilt: Je besser die Auslegung und Dimensionierung der
Kanalstrukturen z. B. hinsichtlich Oberfläche, Volumen- und
Aspektverhältnis den Durchmessern der Fluidsegmente, d. h.
der Tröpfchen, entsprechen, desto vollständiger gelingt die Se-
paration. Durch Kombination von Mikrostrukturierungstechni-
ken und Oberflächenbeschichtungsverfahren können derartige
Trennsysteme in einer breiten Materialvielfalt realisiert werden.
Vorteile
� Allseitige Beschichtung der Oberflächen in Schläuchen und gedeckelten Kanälen
� Realisierung fluidischer Funktionen wie hydrophober Stopp und fluidische Separation
� Möglichkeit zum Einsatz kostengünstigerer Materialien, z. B. Kunststoff statt Glas
� Siegelflächen von mikrofluidischen Systemen bleiben unbeschichtet
Unser Angebot
� Hydrophobe und hydrophile Beschichtungen
� Beschichtungen für Droplet-based Microfluidics, fluidische Separatoren und hydrophobe Stopps
� Beratung und Prototypenfertigung
� Chemisch reaktive Beschichtungen für die Ankopplung von Oligomeren oder Biomolekülen
� Analytik, Funktionstests, Prozess- und Anlagenentwicklung
21-23 Beschichtung eines
Separators zur Hydrophili-
sierung. (21) Simulation mit
COMSOL® Multiphysics. Nur
Zweig A und ein Teil des
Hauptkanals sind beschichtet
(weiß in 22), nur hier fließt
das rot gefärbte Wasser (23).
160 μm 160 μm
2624 25
Zellkulturtechnik – Plasma im Beutel
Lebende Zellen werden in modernen Therapieverfahren
wie Bluttransfusionen, Stammzelltherapien und Knochen-
marktransplantationen oder bei der Regeneration von
schweren Verbrennungen immer häufiger verwendet. Die
standardmäßige Kultivierung dieser Zellen in offenen Systemen
ist mit einem hohen Kontaminationsrisiko verbunden, welches
nur durch hohen apparativen Aufwand und eine geeignete In-
frastruktur im Labor verringert werden kann. Die Verwendung
geschlossener Beutelsysteme als Kultivierungsgefäße kann hier
Abhilfe schaffen.
Gewöhnliche Kunststoffe bieten meist keine geeignete
Oberfläche für die Kultivierung, da eine Anhaftung der Zellen
nicht möglich ist. Um diese zu erreichen, muss die Oberfläche
vorbehandelt oder beschichtet werden. Hierzu wurde am
Fraunhofer IST basierend auf einem Plasmaverfahren bei
Atmosphärendruck ein Prozess entwickelt, der eine auto-
matisierte Beschichtung der Innenseiten von geschlossenen
Kunststoffbeuteln ermöglicht. Der Beutel wird mit einem
Schichtbildner und dem Prozessgas gefüllt. Durch Anlegen
einer Spannung an zwei Elektroden, die sich oberhalb und
unterhalb des Beutels befinden, wird das Plasma im Inneren
gezündet. Die Behandlung ist bereits nach wenigen Sekunden
abgeschlossen, und der Beutel kann nach dem Ablassen des
verbrauchten Beschichtungsgases direkt für die Zellkultivierung
eingesetzt werden. Die Beschichtungen des Fraunhofer IST
eignen sich sowohl für die Kultivierung verschiedener humaner
und tierischer Zelllinien als auch für die humaner mesenchy-
maler Stammzellen.
Die Auswahl des Schichtbildners beeinflusst die Eigenschaften
der Oberfläche nach der Plasmabehandlung. Es können
sowohl Oberflächen mit chemisch reaktiven Gruppen wie
primären Aminogruppen, Carboxylgruppen, Carbonylgruppen
oder Epoxiden erzeugt werden, als auch Oberflächen mit
definierter Benetzbarkeit (hydrophil, hydrophob).
Die Vorteile
� Innenbeschichtung geschlossener Kunststoffbeutel ohne Verlust der Sterilität
� Homogene Beschichtung auf den Beutelinnenseiten
� Lösungsmittelfreie Beschichtung
� Kurze Prozesszeiten
� Modifikation kommerzieller Systeme möglich
Unser Angebot
� Einstellung der Benetzbarkeit der Kunststoffoberflächen (hydrophil, hydrophob)
� Erzeugung chemisch reaktiver funktioneller Gruppen
� Beschichtungen zur adhärenten Zellkultivierung in geschlossenen Systemen
� Oberflächenanalytik
� Prozess- und Anlagenentwicklung
24 Innenbeschichtung eines
geschlossenen Kunststoff-
beutels durch Atmosphären-
druck-Plasmaverfahren.
25 Kultivierung von huma-
nen mesenchymalen Stamm-
zellen in beschichteten
Beuteln: Es erfolgt ein adhä-
rentes Zellwachstum.
26 Unbeschichteter Beutel:
Es wird kein adhärentes Zell-
wachstum beobachtet.
Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST
Abteilung Atmosphärendruck-Verfahren
Bienroder Weg 54E
38108 Braunschweig
www.ist.fraunhofer.de
Dr. Michael Thomas
Leiter der Abteilung
Telefon +49 531 2155-525
Dr. Kristina Lachmann
Gruppenleiter
Telefon +49 531 2155-683
Dr. Jochen Borris
Geschäftsfeldleiter Life Science und Umwelt
Telefon +49 531 2155-666
Fraunhofer-Anwendungszentrum für Plasma und Photonik des
Fraunhofer-Instituts für Schicht- und Oberflächentechnik IST
Von-Ossietzky-Straße 100
37085 Göttingen
www.plasmaundphotonik.fraunhofer.de
Dr. Marko Eichler
Abteilungsleiter Anwendungszentrum für Plasma und
Photonik
Telefon +49 531 2155-636
In Kooperation mit der HAWK Hochschule für angewandte
Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen
Prof. apl. Prof. Dr. Wolfgang Viöl
Vizepräsident für Forschung und Transfer
Telefon +49 551 3705-218
KontaKt
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