pulverdispersoide und ihre abkömmlinge

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,,Pulverdispersoide und ihre /]bkdmmlinge " KOLLO I D-ZE ITSCH RI FT zur Zeit vereinigt mit den Kolloid-Belheften 104. Band August/September 1943 Heft 2/3 Pulverdispersoide und ihre Abk6mmlinge. Zur Einf~hrung. Von WoIfgang Osfwald (Leipzig). Pulver sind disperse Systeme yon der allge- meinen Zusammensetzung f+ g. Bei kleiner Konzentration des dispersen Anteils und viel gasfiSrmigem Dispersionsmittel sprechen wir yon Stauben, Rauchen, allgemein Aerosolen. Gegen- fiber diesen im ganzen gasfiSrmigen dispersen Systemen sind Pulver gekennzeichnet durch eine sehr groge r~iumliche Konzentration des disper- sen Anteils in wenig gasfOrmigem Dispersions- mittel. Pulver zeigen charakteristische physika- lische Ubergangserscheinungen zwischen dem Verhalten fester und fliissiger KiSrper; sie sind typisehe Metastasen f-+fl, wie Mirzlich n~her ausgeftihrt wurdel). Pulver zeigen abet auch in bezug auf ihre chemischen Reaktionen zahlreiche Besonderheiten, die im Rahmen des allgemeineren Forschungsgebietes ,,Reaktionen fester Ktirper" in den letzten Jahrzehnten bekanntlich Gegen- stand vielfacher Untersuchungen waren. Die groBe praktische und technische Rolle pulver- ftJrmiger Systeme etwa in der Bodenkunde, in der Bauphysik und Bauchemie, z.B. in der Zement-und keramischen lndnstrie, in den mannigfaltigen Industrien zur Herstetlung streu- ffihiger oder Zerst~iubbarer Stoffe (Dfingemittel, Pflanzenschutzmittel, Fallstoffe), bei der Her- stellung yon Erz- und Kohlenpulver, der Her- stellung anorganiseher Farbstoffe, in der Phar- mazie (Streu-, Gleit- und Haftpuder), in der Nahrungsmittelindustrie (Mfillerei) usw., sei nur durch diese Stichworte angedeutet. Typische u. a. wirklich trockene Pulver haben noch ein weiteres allgemeineres stereometrisches Kennzeiehen: ihre Teilchen sind selbstfindig, das Dispersoid ist inkohfirent. Zwar beriihren sich die Teilchen je nach ihrer korpuskularen, fibril- laren oder laminaren Gestalt mit Haftpunkten, Haftlinien oder Haftfl~ichen, wobei alle.~drei Be- rahrungsarten in ein und demselben s3)stem auf- treten k0nnen. Desgleichen kiSnnen bei diesen Berfihrungen merkliche Anziehungskrfifte wirk- sam werden, lndessen bestehen bei typischen Pulvern keine fester~ oder flfissigen m a t e rie 11 e n Brticken zwisehen den Teilehen, nut gasf6rmige. Es gentigen daher meist sehr kleine Schub- spannungen, um ein Pulvervolum zu deformieren. Typische Pulver sfiiuben oder flieBen. ~) Wo. Ostwald, Kolloid-Z. 100, 28 (1942). Solche typische, inkoh~irente Pulver kiJnnen nun Zustands~inderungen erfahren, welche diese Systeme aus dem inkoh~renten in einen kohfi- renten Zustand ~berffJhren, wobei die allge- meine Zusammensetzung fq-g erhalten bleibt. Dagegen verschwindet der stereometrische Unter- schied zwischen dispersem Anteil und Disper- sionsmittel. Es entstehen zwei kohtirente oder zusammenhtingende Stasen, wie dies dem Kol- loidchemiker bei vielen Gelen z. B. beim Kiesel- stiuregel seit tangem bekannt ist2). Man spricht von porodinen, gegebenenfalls auch yon spon- goiden und retikularen Systemena), im Hinblick sowohl auf ihre Genese aus korpuskularen, la- minaren und fibrillaren Strukturelementen als auch im Hinblick auf die stereometrisehen Be- sonderheiten im fertigen Bau dieser Systeme. Experimentell k6nnen diese Zustands~nde- range n herbeigefahrt werden durch Anwendung yon Druck, htiherer Temperatur, von elektrischem Strom und Kombination dieser Behandlungswei- sen, durch Einleitung physikalisch-chemischer abet auch rein chemischer Reaktionen, gegebenenfalls durch Zusatz vermittelnder Bestandteile und durch Wahl geeigneter Gase, durchZusatz oderErzeugung kleiner Mengen flfissiger Stasen usw. Man pflegt im Schrifttum zu unterscheiden einerseits zwi- schen Umwandlungsvorg:angen, bei denen die Starrheit der Tei!chen erhalten bleibt, und bei denen nur physikalisch-chemisclie Gitterpro- zesse in der Teilchenoberfl~iche zur Kohiirenz fiihren: Fritten. Andererseits zwischen solchen Vorg~ingen, bei denen kleine Mengen flassiger Bestandteile wfihrend des Prozesses auftreten und die Brfiekenbildung bewirken: Sintern. Unbe- schadet der Frage nach der strengen Durchffihr- barkeit dieser Unterscheidung entstehen in beiden Fallen aus den beweglichen inkoh~ilenten Pal- verdispersoiden starre kohiirente Fritten- oder Sinterdispersoide, die erst bei erheblichen Schub- spannungen deformiert werden. Einen besonders interessanten reversiblen We'chsel zwischen Kohfirenz und Inkohfirenz zeigen die Metall- und Kohlepulver, welche far 2) Siehe z. B. Wo. Ostwald, Kolloid-Z. 55, 266 (1931). In neuerer Zeit hat bekanntlich A. Frey- Wyssling diesen Dispersoidtypus besonders hervor- gehoben: siehe z. B. Koltoid-Z. 85, 148 (1938). a) Wo. Ostwald, Kolloid-Z. 85, 158 (1938). ] Kollold-Z, I I0

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,,Pulverdispersoide und ihre /]bkdmmlinge "

K O L L O I D - Z E I T S C H R I F T zur Zeit vereinigt mit den K o l l o i d - B e l h e f t e n

104. Band Augus t /Sep tember 1943 Hef t 2/3

Pulverdispersoide und ihre Abk6mmlinge. Zur Einf~hrung.

Von WoIfgang Osfwald (Leipzig).

Pulver sind disperse Systeme yon der allge- meinen Zusammensetzung f + g. Bei kleiner Konzentration des dispersen Anteils und viel gasfiSrmigem Dispersionsmittel sprechen wir yon Stauben, Rauchen, allgemein Aerosolen. Gegen- fiber diesen im ganzen gasfiSrmigen dispersen Systemen sind Pulver gekennzeichnet durch eine sehr groge r~iumliche Konzentration des disper- sen Anteils in wenig gasfOrmigem Dispersions- mittel. Pulver zeigen charakteristische physika- lische Ubergangserscheinungen zwischen dem Verhalten fester und fliissiger KiSrper; sie sind typisehe Metastasen f-+fl, wie Mirzlich n~her ausgeftihrt wurdel). Pulver zeigen abet auch in bezug auf ihre chemischen Reaktionen zahlreiche Besonderheiten, die im Rahmen des allgemeineren Forschungsgebietes ,,Reaktionen fester Ktirper" in den letzten Jahrzehnten bekanntlich Gegen- stand vielfacher Untersuchungen waren. Die groBe praktische und technische Rolle pulver- ftJrmiger Systeme etwa in der Bodenkunde, in der Bauphysik und Bauchemie, z .B. in der Z e m e n t - u n d keramischen lndnstrie, in den mannigfaltigen Industrien zur Herstetlung streu- ffihiger oder Zerst~iubbarer Stoffe (Dfingemittel, Pflanzenschutzmittel, Fallstoffe), bei der Her- stellung yon Erz- und Kohlenpulver, der Her- stellung anorganiseher Farbstoffe, in der Phar- mazie (Streu-, Gleit- und Haftpuder), in der Nahrungsmittelindustrie (Mfillerei) usw., sei nur durch diese Stichworte angedeutet.

Typische u. a. wirklich trockene Pulver haben noch ein weiteres allgemeineres stereometrisches Kennzeiehen: ihre Teilchen sind selbstfindig, das Dispersoid ist i nkoh f i r en t . Zwar beriihren sich die Teilchen je nach ihrer korpuskularen, fibril- laren oder laminaren Gestalt mit Haftpunkten, Haftlinien oder Haftfl~ichen, wobei alle.~drei Be- rahrungsarten in ein und demselben s3)stem auf- treten k0nnen. Desgleichen kiSnnen bei diesen Berfihrungen merkliche Anziehungskrfifte wirk- sam werden , lndessen bestehen bei typischen Pulvern keine fester~ oder flfissigen m a t e rie 11 e n Br t i cken zwisehen den Teilehen, nut gasf6rmige. Es gentigen daher meist sehr kleine Schub- spannungen, um ein Pulvervolum zu deformieren. Typische Pulver sfiiuben oder flieBen.

~) Wo. Ostwald, Kolloid-Z. 100, 28 (1942).

Solche typische, inkoh~irente Pulver kiJnnen nun Zustands~inderungen erfahren, welche diese Systeme aus dem inkoh~renten in einen kohfi- r e n t e n Zustand ~berffJhren, wobei d ie allge- meine Zusammensetzung f q - g erhalten bleibt. Dagegen verschwindet der stereometrische Unter- schied zwischen dispersem Anteil und Disper- sionsmittel. Es entstehen zwei kohtirente oder zusammenhtingende Stasen, wie dies dem Kol- loidchemiker bei vielen Gelen z. B. beim Kiesel- stiuregel seit tangem bekannt ist2). Man spricht von p o r o d i n e n , gegebenenfalls auch yon spon- goiden und retikularen Systemena), im Hinblick sowohl auf ihre Genese aus korpuskularen, la- minaren und fibrillaren Strukturelementen als auch im Hinblick auf die stereometrisehen Be- sonderheiten im fertigen Bau dieser Systeme.

Experimentell k6nnen diese Zustands~nde- range n herbeigefahrt werden durch Anwendung yon Druck, htiherer Temperatur, von elektrischem Strom und Kombination dieser Behandlungswei- sen, durch Einleitung physikalisch-chemischer abet auch rein chemischer Reaktionen, gegebenenfalls durch Zusatz vermittelnder Bestandteile und durch Wahl geeigneter Gase, durchZusatz oderErzeugung kleiner Mengen flfissiger Stasen usw. Man pflegt im Schrifttum zu unterscheiden einerseits zwi- schen Umwandlungsvorg:angen, bei denen die Starrheit der Tei!chen erhalten bleibt, und bei

denen nur physikalisch-chemisclie G i t t e r p r o - zesse in der Teilchenoberfl~iche zur Kohiirenz fiihren: F r i t t e n . Andererseits zwischen solchen Vorg~ingen, bei denen kleine Mengen f l a s s i g e r Bestandteile wfihrend des Prozesses auftreten und die Brfiekenbildung bewirken: S in t e rn . Unbe- schadet der Frage nach der strengen Durchffihr- barkeit dieser Unterscheidung entstehen in beiden Fallen aus den b e w e g l i c h e n inkoh~ilenten Pal- verdispersoiden s t a r r e kohiirente Fritten- oder Sinterdispersoide, die erst bei erheblichen Schub- spannungen deformiert werden.

Einen besonders interessanten reversiblen We'chsel zwischen Kohfirenz und Inkohfirenz zeigen die Metall- und Kohlepulver, welche far

2) Siehe z. B. Wo. Ostwald, Kolloid-Z. 55, 266 (1931). In neuerer Zeit hat bekanntlich A. Frey- Wyssling diesen Dispersoidtypus besonders hervor- gehoben: siehe z. B. Koltoid-Z. 85, 148 (1938).

a) Wo. Ostwald, Kolloid-Z. 85, 158 (1938).

] Kollold-Z, I I0

138 Ostwald, Pulverdispersoide und ihre Abk6mmlinge [- Kolloid- [ Zeitschrift

Koh/ i rer , F r i t t e r und insbesondere ffir das auch heute noch unentbehrliche K o h l e n m i k r o - phon verwendet werden. Im letzteren Apparat werden die im ruhenden Pulver vorhandenen ,,mechanischen Bindungen zwischen den Kohle- teilchen durch die Schatlerregung gestSrt, stellen sich aber beim AufhSren der Erregung yon selbst wieder ein"~). Es handelt sich hier freilich nur um Kohfirenz ftir elektrische Energie, also um Auftreten und reversibles Unterbrechen von Kontakten. Beim Kohlenmikrophon erfolgt die Wiederherstellung der Kohfirenz automatisch, beim Kohfirer durch Anwendung geringer me- chanischer Krfifte wie Klopfen usw.

Die uns hier vorwiegend interessierenden porodinen koh~irenten Pulverdispersoide besitzen je nach den Herstellungsbedingungen sehr ver- schiedene Porenvolumina, Permeabilitfiten, Dich- ten usw. Es ist m~iglich, dutch groge Drucke usw. Pulverpregk~irper herzustellen von fast der- selben Dichte wie Schmelzki3rper aus gleichem Material. Sehr bemerkenswert ist abet, dab die physikalisch-chemischen Eigenschaften solcher Pulverdispersoide ganz wesentlich abweichen ktinnen von den Eigenschaften mass ive r Sy- steme gleicher Zusammensetzung, die aus dem Schmelzflug erzeugt sind. So kann beispiels- weise die Hfirte eines Pulverpregk6rpers erheblich grtiger sein als diejenige des analogen Schmelz- k/3rpers. Diese und andere Erkenntnisse haben u. a. zu den technisch sehr wichtigen Forschungs- gebieten geftihrt, die heute unter dem Namen , , M e t a l l k e r a m i k " oder , , P u l v e r m e t a l l u r - g ie" bekannt geworden sind.

Das vorliegende Heft bringt fiber die Ent- stehung und die zum Teil erstaunlichen Eigen- schaften dieser metallischen koh/irenten Pulver- dispersoide aus der Feder der Pioniere auf diesem Forschungsgebiet Uberblicke yon verschiedenen Gesichtspunkten aus. Aber auch die Herstel- lung vieler keramischer Produkte (Filtersteine, -platten, -kerzen usw.), desgleichen diejenige tier Glas- und Kunststoff-Filter beruhen auf diesem Grundvorgang der Umwandlung eines inkoh~iren- ten in ein kohfirentes Pulverdispersoid.

Bei den bisher betrachteten Zustands~inde- rungen von Pulverdispersoiden bleibt die Zu -~ sammensetzung f - t - g erhalten. Es gibt nun weitere wichtige Umwandlungen solcher koh~iren- ter Pulverdispersoide, bei denen durch Ver- dr~ingung des gasfi3rmigen Anteils zunfichst dutch eine flfissige Stase alas System f 4 - g in

~) Vgl. z . B . H . S e l l , Handb. d. Phys ikVI I I , S. 356 (Berlin 1927). Zur Theorie siehe besonders R. Holm, Techn. Physik d. elektr. Kontakte (Ber- lin 1941), S. 150, 298 usw. Uber Koh~irer vgl. die k/irzlich erschienene Arbeit von J. A. H e d v a I 1 und G.A. A h l g r e n , Kolloid-Z. 100, 137 (1942).

ein solches vonder Zusammensetzung f + f l fiber- ffihrt wird. Durch Aufnahme steigender Mengen yon Flfissigkeit unter gleichzeitiger Verdr~ingung yon Luft kann ein zunfichst inkohfirentes Pulver alle m6glichen Metastasen .[-+fl, mit anderen Worten file Ubergangszustfinde zwischen Sy- stemen sehr verschiedener Deformierbarkeit his zum fliegenden Schlamm zeigen, wobei bei mitt- leren Fltissigkeitsgehalten ein Maximum des An- laBwertes der Schubspannung aufzutreten pflegt. Aber auch ein koh/irentes Pulverdispersoid ver- mag Fltissigkeit aufzusaugen, oder fails in ibm durch teilweises Schmelzen Fl~issigkeit entsteht, diese festzuhalten. Beim Abk/ihlen wandelt sich dann das disperse System f + fl um in ein solches v o n d e r Zusammensetzung f4- f . Auf diese Weise entstehen z. B. die sogenannten Verbund- metalle, bei denen ein ,,SkelettkiJrper", etwa ein Sinterdispersoid aus W oder Mo ,,getrfinkt" wird durch Eintauchen in flfissiges Cu oder Ag. Ferner auch die bertihmten ,,Sinterhartmetalle", bei denen in einem WC+Co-Pulverdispersoid etwa von tier Zusammensetzung 95 Proz. WC + 5 Proz. Co durch Erhitzen ein Tell des Co geschmolzen wird, der seinerseits bei hohen Temperaturen etwas WC molekulardispers aufI6st, das sich bei Abk/ih- lung unter ungew~ihnlich inniger Verschweigung des ganzen Systems wieder abscheidet. - -

Das vorliegende Heft will nun die Aufmerk- samkeit der Kolloidforscher und anderer Inter- essenten physikalisch-chemischer Grenzgebiete auf diese Systeme und ihre verschiedenartigen Abki3mmlinge lenken, die in mancher Hinsicht noch keineswegs die allgemeine Beachtung ge- funden haben, die sie verdienen. Pulverdisper- soide gehiJren unzweifelhaft in das Erscheinungs- gebiet der Dispersions-Metastasen und damit auch in das Arbeitsgebiet des Kolloid- oder Dispersoid- forschers. Denn bei aller Verschiedenheit der Pulvermaterialien und der technischen Verwen- dung der aus ihnen erzeugten Systeme ist ihnen die Zustandsform tier Zerteilung oder der grogen spezifischen inneren Oberflfichenentwicklung ge- meinsam. In einem Gesamtbild tier Kolloid- wissenschaft im allgemeineren Sinne dfirfen daher Pulverdispersoide nicht fehlen; es w~ire sonst un- vollstfindig. Auf tier anderen Seite gibt eine solche Zusammenfassung und Zusammenschau yon Forschungsergebnissen fiber Pulverdisper- soide ganz verschiedener Art und Verwendung vielleicht auch dem Spezialisten Anregungen, Ver- gleichsm/3glichkeiten, Gesichtspunkte und schlieg- lich den Hinweis, dab in tier Physik und Chemie der Zerteilungen diejenige Wissenschaft sich ent- wickelt, welche ibm auch bei seinen besonderen Problemen hier und da schon heute zu helfen vermag, und dies in Zukunft noch wesentlich besser tun wird.

Band 104 "] Ostwald, Pulverdispersoide und ihre Abk6mmlinge 139 H. 2/3 (1943)A

Bezfiglich der Entstehungsgeschichte des vor- liegenden Heftes sei bemerkt, dab J. Re i t s t 5 t t e r an den Herausgeber herantrat mit dem Vorschlag, auf dem neutralen Boden der I(olloid-Zeitschrift ein Sonderheft fiber Metaltkeramik herauszu- bringen. Dieser Vorschlag traf sich mit einem ~lteren, allerdings wesentlich allgemeineren Plan des Herausgebers, eine Haupttagung der Kolloid- Gesellschaft fiber ,,Pulverdispersoide" zu ver- anstalten. Aus bekannten Grfinden erschien die Form eines ,,schriftlichen" Symposiums heute am zweckm/il3igsten. Der Inhalt des vorliegenden Heftes enth~ilt auBer Arbeiten fiber metallische Pulverdispersoide im Sinne des erw~ihnten all- gemeineren Gedankens auch solche fiber die Theorie besonderer Kugelpackungen, fiber die HersteIlung. monodisperser Suspensionen, fiber chemische Reaktionen pulverfSrmiger Stoffe, fiber verschiedene nichtmetallische Pulverdisper-

soide usw. Es ist dem Herausgeber eine besondere Freude, die drei deutschen Pioniere auf dem Ge- biete metallischer Pulverdispersoide: A. Mit- t a sch , F. S k a u p y und F. S a u e r w a l d , selbst zu den Lesern sprechen lassen zu kSnnen. In der Tat ist auch dieses Forschungs- wie Anwendungs- gebiet ganz wesentlich ein Ergebnis deutscher wissenschaftlicher und technischer Arbeit, trotz- dem gerade in den letzten Jahren die anglo- amerikanischen Fachgenossen bier eine ungewbhn- lich rege, nicht zum wenigsten auch propagandi- stische T~tigkeit entwickelt haben, wie aus dem Referatenteil des vorliegenden Heftes hervorgeht.

Ffir mannigfache Hinweise und Anregungen bei der Vorbereitung des Heftes dankt der Her- ausgeber ferner F. S k a u p y , H. G e r d i e n , ganz besonders abet G. F. Hf i t t ig . Weitere Arbeiten aus diesem Forschungsgebiet werden auch in den folgenden Heften erscheinen.

Aus der I~ntwicklungsgeschichte der Carbonylmetalle. V o n A. Mittasch (Heidelberg). (E ingegangen am 19. April 1943)

Es war im Frfihling des Jahres 1900, in Wilhelm Os twa lds Physikalisch-chemischem Institut in Leipzig. Ich hatte mein Verbands- examen bestanden, und die Frage eines Themas ffir die Doktorarbeit tauchte auf. Eines Tages befand ich reich im Assistenfenzimmer yon Dr. Max B o d e n s t e i n - - der kurz zuvor yon Heidel- berg fibergesiedelt war - - , als dieTfir aufging und der Institutsdirektor hereintrat. In den H~nden hatte er ein Glasrohr, an dem innen stellenweise kleine Metallspiegel glfinzten: ,,Das ist metalli- sches Nickel, aus N i c k e l c a r b o n y l niederge- schlagen, nach einer Herstellungsvorschrift von Lange r und Qu incke bei tier Firma Ludwig Mond in England 1) . . . . Das k/Jnnte eine pas- sende Doktorarbeit geben."

Wie W. Os twa ld berichtete, hatte er ge- m~if3 den Vorschriften der Entdecker dutch Be- handlung yon Nickelpulver mit Kohlenoxyd bei schwach erhShter Temperatur Nickelcarbonyl- d~impfe erzeugt und diese in ein beiderseits aus- gezogenes GIasrohr geleitet, das dann durch Ab- schmelzen geschlossen wurde. An den Ab- schmelzenden sowie an nachtr~iglich erhitzten Stellen - - e i n brennendes Streichholz, an die Rohrwand gehalten, genfigt schon I - - batten sich leichte Nickelfiberzfige gebildet, die beim Lagern durch Umsetzung mit vorhandenem Kohlenoxyd wieder verschwinden kSnnen.

Diese eigenartige Reaktion land sogleich bei Dr. B o d e n s t e i n wie bei mir Interesse, und unter der ausgezeichneten Leitung yon B o d e n s t e i n

1) Mond, Langer und Quincke, J. chem. Soc. 57, 749 (1890).

ging ich an die Arbeit, die 1901 beendigt werden konnte2).

Die Hauptaufgabe bestand darin, die Gle ieh- gewi ch t sve rh ~i'ltn iss e zwischen Nickelearbo-

Fig. 1. Aus dem Phys ika l . -chem. Ins t i tu t Leipzig 1901.

2) Uber die chemische Dynamik des Nickel- kohlenoxyds (Dissertafion), Z. physik. Chem. 40, 1 (1902). Die Beurteilung der ver6ffentlichten Arbeit durch James Dewar und H. Owen Jones in Proc. Royal. Soc. 71, 427 (1903): ,,an admirable and exhaustive investigation" war dazu angetan, auf den jungen Chemiker far sein weiteres Tun anfeuernd zu wirken. Siehe auch Wilh. O s t w a l d , Z. Elektro- chem. 36, 1 (1930).

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