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Rechtsschutz in der europäischen Informationsgesellschaft
Dr. Martin Selmayr
Sprecher der Europäischen Kommission,
zuständig für Informationsgesellschaft und Medien
Passau, 30. Oktober 2008
Gliederung
1. Rechtsschutz im Europarecht
2. Europas Informationsgesellschaft
3. E-Justiz als europäischesEffizienz-Instrument
4. EU-Rechtsschutz DURCH die Informationsgesellschaft
5. EU-Rechtsschutz GEGEN die Informationsgesellschaft
6. Schlussfolgerungen
Gliederung
1. Rechtsschutz im Europarecht
2. Europas Informationsgesellschaft
3. E-Justiz als europäischesEffizienz-Instrument
4. EU-Rechtsschutz DURCH die Informationsgesellschaft
5. EU-Rechtsschutz GEGEN die Informationsgesellschaft
6. Schlussfolgerungen
Rechtsschutz im Europarecht
Rechtsschutz als EU-Ziel
Art. 2 EU-Vertrag:
„Die Union setzt sich folgende Ziele:
[…]
die Erhaltung und Weiterentwicklung
der Union als Raum der Freiheit,
der Sicherheit und des Rechts.“
Rechtsschutz im Europarecht / 2
Rechtsschutz als EU-Grundrecht
Art. 47 Grundrechte-Charta:
„Jede Person, deren durch das Unionsrecht
garantierte Rechte und Freiheiten verletzt
worden sind, hat das Recht, […] bei einem
Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf
einzulegen.“
Rechtsschutz im Europarecht / 3
Rechtsschutz als Mittel effektiver
Durchsetzung des Europarechts
EuGH, Rs. 26/62, van Gend, S. 26:
„Die Wachsamkeit der an der Wahrung
ihrer Rechte interessierten Einzelnen
stellt eine wirksame Kontrolle dar, welche die
durch die Kommission und die Mitgliedstaaten
gemäß den Artikeln 169 und 170 [jetzt Art. 226,
227 EGV] ausgeübte Kontrolle ergänzt.“
Das EU-Rechtsschutzsystem
EGEuGH
EuG
27 nationale Verwaltungen 27 nationale Gerichtsbarkeiten
Indirekter Vollzug
Klagen nach nationalem Recht
Individualkla-gen nach Art. 230, 232, 235/288 IIEGV
Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV
Gerichtliche Kontrolle
Kontrolle
Stellungnahmen als amicus curiae
Kooperation in Europäischen Netzwerken der Verwaltungs-behörden
Direkter Vollzug
durch die Kommission
Gerichtliche
Das EU-Rechtsschutzsystem
EGEuGH
EuG
27 nationale Verwaltungen 27 nationale Gerichtsbarkeiten
Indirekter Vollzug
Klagen nach nationalem Recht
Individualkla-gen nach Art. 230, 232, 235/288 IIEGV
Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV
Gerichtliche Kontrolle
Kontrolle
Stellungnahmen als amicus curiae
Kooperation in Europäischen Netzwerken der Verwaltungs-behörden
Direkter Vollzug
durch die Kommission
Gerichtliche
Vollzugsverbesserung
durch e-Kommission
und e-Government
Das EU-Rechtsschutzsystem
EGEuGH
EuG
27 nationale Verwaltungen 27 nationale Gerichtsbarkeiten
Indirekter Vollzug
Klagen nach nationalem Recht
Individualkla-gen nach Art. 230, 232, 235/288 IIEGV
Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV
Gerichtliche Kontrolle
Kontrolle
Stellungnahmen als amicus curiae
Kooperation in Europäischen Netzwerken der Verwaltungs-behörden
Direkter Vollzug
durch die Kommission
Gerichtliche
Vollzugsverbesserung
durch e-Kommission
und e-Government
Rechtsschutzverbesserung
durch e-Justiz
Gliederung
1. Rechtsschutz im Europarecht
2. Europas Informationsgesellschaft
3. E-Justiz als europäischesEffizienz-Instrument
4. EU-Rechtsschutz DURCH die Informationsgesellschaft
5. EU-Rechtsschutz GEGEN die Informationsgesellschaft
6. Schlussfolgerungen
Europas Informationsgesellschaft
• 49% der Haushalte in der EU27 haben heute Internet-Anschluss
• Breitbanddurchdringungsrate (Januar 2008): – EU27: 20%– Deutschland: 23,8%– Schweden: 35.6%– Bulgarien: 7.6%
• Verwaltungen Online (2007):– EU27: Vollständige Online-Verfügbarkeit öffentlicher Dienste bei 58%– Deutschland: 73% – Österreich: 100%– Bulgarien: 15%
• EU-Strategie i2010: Verbesserung der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologienhttp://ec.europa.eu/information_society/eeurope/i2010/index_en.htm
Gliederung
1. Rechtsschutz im Europarecht
2. Europas Informationsgesellschaft
3. E-Justiz als europäisches Effizienz-Instrument
4. EU-Rechtsschutz DURCH die Informationsgesellschaft
5. EU-Rechtsschutz GEGEN die Informationsgesellschaft
6. Schlussfolgerungen
e-Justiz als Effizienz-Instrument
• E-Justiz-Mitteilung der Europäischen Kommission vom 30. Mai 2008 - KOM(2008) 329
• E-Justiz = Rückgriff auf Informations- und Kommunikationstechnologien
– für einen besseren Zugang der Bürger zur Justiz
– für ein effizienteres Vorgehen der Justiz bei der Streitbeilegung und der strafrechtlichen Ahndung
• Wichtigstes Ziel der e-Justiz: „Die Effizienz der Justiz in ganz Europa zum Wohle der Bürger zu steigern.“
Bestehende e-Justiz-Werkzeuge
• Online-Rechtsdatenbanken:– eur-Lex http://eur-lex.europa.eu/
– N-Lex http://eur-lex.europa.eu/n-lex/
– PreLex http://ec.europa.eu/prelex/apcnet.cfm?CL=de
– OEIL http://www.europarl.europa.eu/oeil/
• Internetportal des Europäischen Justiziellen Netzes
für Zivil- und Handelssachen:http://ec.europa.eu/civiljustice
• Europäische Gerichtsatlas für Zivilsachen:http://ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil/html/index_de.htm
• Europäischer Gerichtsatlas für Strafsachen:www.ejn-crimjust.europa.eu/
Das geplante e-Justiz-Portal
Elektronische europäische Verfahren
Informationen
Zugang der Bürger und Unternehmen zur Justiz (e-Zugang)
Orientierung
• für Opfer von Straftaten• über Strafverfahren• über in Frage gestellte
Persönlichkeitsrechte• über die zivil- und handels-
rechtlichen Justizordnungen
• Strafgerichtsatlas• Zivilgerichtsatlas
• Europäischer Zahlungsbefehl/Mahnbescheid
• Sonstige Verfahren(Online Anträge aufStrafregisterauszüge)
Dynamische Formulare für
Privatpersonen
• EurLex• PreLex• Scad+• N-Lex• Oeil
• Netz der Staatsräte• Netz der obersten Gerichtshöfe• Caselex• Rat der Notare der
europäischen Union
• EBR• EULIS• SOLVIT• OHMI• Epoline• Werkzeug für die
Suche in denInsolvenzregistern
• Alternative Streitlösung• INCADAT• E-Apostille
• Eurovoc• IATE• Übersetzungshilfe
(evt.)
Links zu „e-Government“-Seiten
Übersetzungshilfe
Verbindung zur Rechtsdokumentation
Alternative Verfahren und Begleitung der justiziellen Verfahren
Gliederung
1. Rechtsschutz im Europarecht
2. Europas Informationsgesellschaft
3. E-Justiz als europäischesEffizienz-Instrument
4. EU-Rechtsschutz DURCH die Informationsgesellschaft
5. EU-Rechtsschutz GEGEN die Informationsgesellschaft
6. Schlussfolgerungen
EU-Rechtsschutz DURCH die Informationsgesellschaft
• EU-Fragen sind in der Regel grenzüberschreitend
• Elektronische Kommunikationsmittel helfen, Grenzen zu überwinden:
– erleichtern Informationsbeschaffung im Ausland
– beschleunigen behördliche und gerichtliche Verfahren
– sparen Kosten
– verhelfen dadurch zu Chancengleichheit, effizientem Wettbewerb, Marktzugang und EU-Rechtsdurchsetzung
e-Rechtsschutz beim EuGH
e-Rechtsschutz beim EuGH
• Klageeinreichung per e-mail (gescannter Schriftsatz):
EuGH: [email protected]
EuG: [email protected]
ABER: - Original-Schriftsatz/Dokument muss zur Fristwahrung
innerhalb von 10 Tagen per Post nachgeliefert werden.
- Keine Einzel-e-mails > 4 MB
• Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichts per e-mail
ABER: nur im Eilverfahren
• http://curia.europa.eu/
e-Rechtsschutz-Erleichterung gegen nationale Verwaltungen
• Europäische Problemlösungsstelle SOLVIT http://ec.europa.eu/solvit/
e-Rechtsschutz-Erleichterung gegen nationale Verwaltungen / 2
• Online-Beschwerdeeinreichung bei SOLVIT http://ec.europa.eu/solvit/
e-Rechtsschutz-Erleichterung gegen nationale Verwaltungen / 3
SOLVIT hilft spanischer Studentin, ihre Studien in Belgien zu beginnen –gelöst in 2 Wochen
SOLVIT verhilft britischem Unternehmen zum Markt-eintritt in Frankreich –gelöst in 11 Wochen
e-Rechtsschutz in .eu-Domain-Streitigkeiten
• Seit dem 7. April 2006 ist die TLD „.eu“ offen für jedermann.
• Im Fall eines Rechtsstreits:Außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren in Prag.http://www.adr.eu/
• Reines Online-Verfahren
• Gebühren 1665 bis 3339 EUR
• 10% Nachlass bei Verwendung fortschrittlicher elektronischer Signaturen
e-Rechtsschutz in Zivilsachen
e-Rechtsschutz in Zivilsachen
• Europäisches Mahnverfahrennach Verordnung (EG) Nr. 1896/2006:
schriftlicher oder elektronischer Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls innerhalb von 30 Tagen, wenn:
– grenzüberschreitender Rechtsstreit: mindestens eine Partei hat Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt im EU-Ausland
– unbestrittene zivil- und handelsrechtliche Geldforderungen
– Antragsgegner hat nur 1 Chance, Einwendungen zu erheben (einstufiges Verfahren)
– gilt ab Dez. 2008 für alle EU Staaten mit Ausnahme Dänemarks
– in Deutschland: ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Berlin-Wedding,
– interaktiver Online-Mahnantrag: https://www.online-mahnantrag.de/
e-Rechtsschutz in Zivilsachen / 2
• „Small-Claims“-Verfahren (nach Verordnung (EG) Nr. 861/2007)
– Ermöglicht grenzüberschreitendes Zivilverfahren für Forderungen bis € 2.000.
– Mindestens eine Partei muss Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt im EU-Ausland haben.
– Formulargestützt: Klageformblatt A, kann per e-mail eingereicht werden; Verfahren wird grds. schriftlich durchgeführt, kein Anwaltszwang.
– Falls mündliche Verhandlung erforderlich, kann diese vom Gericht per Videokonferenz oder unter Zuhilfenahme anderer Mittel der Kommunikationstechnologie abgehalten werden.
– Urteil wird in anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarkeitserklärung bedarf.
– Ab 1. Januar 2009 in allen EU-Staaten mit Ausnahme Dänemarks.
e-Rechtsschutz in Zivilsachen / 2
Gliederung
1. Rechtsschutz im Europarecht
2. Europas Informationsgesellschaft
3. E-Justiz als europäischesEffizienz-Instrument
4. Rechtsschutz DURCH die Informationsgesellschaft
5. Rechtsschutz GEGEN die Informationsgesellschaft
6. Schlussfolgerungen
Fallbeispiel 1: ECRIS
• ECRIS - Europäisches Strafregisterinformationssystem(Rahmenbeschluss des Rates, politische Grundsatzeinigung am 24.10.2008)
Anfrage
Mitteilung
1004 00
1403 00
1505 00
1601 00
Fallbeispiel 2: „Nackt-Scanner“
• Betroffene Grundrechte:
– Recht auf Freiheit und Sicherheit, insbes. Reisefreiheit
– Menschenwürde
• Rechtsgrundlage:
– Verordnung (EG) Nr. 300/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften für die Sicherheit der Zivilluftfahrt
– Geplante Kommissions-Verordnung zur Ausführung/Konkretisierung (Annahme im Komitologie-Verfahren)
• Zulassungs-Entscheidung treffen die Mitgliedstaaten
• Scanner-Anwendung unterliegt dem Freiwilligkeits-Grundsatz
• Scanner bereits im Test: Schweden, Vereinigtes Königreich, USA
Fallbeispiel 3: Vorratsdatenspeicherung
• Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates erlaubt Vorratdatenspeicherung „für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten und höchsten zwei Jahren“
• Rechtsgrundlage: Art. 95 EG-Vertrag
• Zweck:– Binnenmarkt: Harmonisierung– Gewährleistung, dass diese Daten zum Zwecke der Ermittlung, Feststellung und
Verfolgung von schweren Straftaten zur Verfügung stehen
• Nichtigkeitsklage Irlands (Art. 230 EG-Vertrag), wegen Kompetenzwidrigkeit, unterstützt durch Slowakei wegen Datenschutzbedenken
– BVerfG: Einstweilige Anordnung vom 11. März 2008, Teil-Aussetzung der Anwendbarkeit des deutschen Umsetzungsgesetzes: „Diese Klage [Irlands] erscheint angesichts der Erwägungen, mit denen die Kl. die Kompetenzwidrigkeit der Richtlinie begründet, zumindest nicht von vornherein aussichtslos. Sollte der Antrag der Republik Irlands Erfolg haben, wäre Raum für eine umfassende Prüfung der angegriffenen Normen durch das BVerfG am Maßstab der deutschen Grundrechte.“
– Generalanwalt Yves Bot, Schlussanträge vom 14. Oktober 2008: schlägt dem EuGH vor, die Klage Irlands abzuweisen. Art. 95 EG-Vertrag ist richtige Rechtsgrundlage.
Gliederung
1. Rechtsschutz im Europarecht
2. Europas Informationsgesellschaft
3. E-Justiz als europäischesEffizienz-Instrument
4. Rechtsschutz DURCH die Informationsgesellschaft
5. Rechtsschutz GEGEN die Informationsgesellschaft
6. Schlussfolgerungen
Rechtsschutz in der europäischen Informationsgesellschaft - Fazit
1. e-Justiz kann zu erheblichen Rechtsschutzverbesserungen in Europa führen
1. erleichtert Zugang zum (Europa-)Recht
2. vereinfacht und beschleunigt grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten
3. ermöglicht elektronische vor- oder außergerichtliche Streitbeilegung
2. e-Justiz muss aber noch erhebliche Vorbehalte („Technologie“, „Europa“) überwinden
3. Der Erfolg on e-Justiz hängt entscheidend davon ab, dass alle Bürger Zugang zum Internet (Breitband) haben. Ohne Zugang kein Rechtsschutz!
4. Der Einsatz von e-Justiz-Instrumenten in der justiziellen und polizeilichen Zusammenarbeit wird nur dann Akzeptanz finden, wenn effektiver Rechtsschutz gewährt wird. Es bedarf dafür der Einbeziehung der heutigen „3. Säule“ in das Rechtsschutzsystem des Gemeinschaftsrechts (Vertrag von Lissabon).