rekursive lösung der bewegungsgleichung von elastischen mehrkörperketten

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Ferrara, Paolo; Bremer, Hartmut Rekursive L¨ osung der Bewegungsgleichung von elastischen Mehrk¨ orperket- ten Roboterarme, Manipulatoren, Konstruktionswerkzeuge sind derzeit auf hohe Genauigkeit und Schnelligkeit optimiert. Diesen Anforderungen entsprechend sind deren Arme und Getriebe steif und unnachgiebig gebaut. Dies ist mit hohem Eigengewicht verbunden. Dort wo Gewichteinsparung, Leichtbau oder auch Kosteneinsparungen an Bedeutung ge- winnen, werden starre Elemente durch nachgiebige ersetzt werden m¨ ussen. Die Nachgiebigkeit ist dabei nicht nur von Nachteil. Nachgiebige Elemente sind z.B. geradezu pr¨adestiniert f¨ ur hybride Antriebe, wo Position und Kraft gleich- zeitig geregelt werden. Auch Laufmaschinen, die meist der Natur nachempfunden sind, k¨onnten mit nachgiebigen Beinen nat¨ urlicher, leichter undflexibler gebaut werden. Die Schwierigkeiten der Handhabung elastischer Mehrk¨orper liegen darin, dass sich, durch die auftretenden Verformungen, das Verhalten des elastischen Systems gegen¨ uber dem starren drastisch ¨andert. Bauteilverformungen pflanzen sich von Element zu Element fort. Der Versuch, einzelne Kettenglieder als elastische Balken zu beschreiben und diese modular zu einem System zusammenzuf¨ ugen, soll die Komplexit¨at der Beschreibung verringern unddie Interpretation sowie die messtechnische Kontrolleeinzelner Terme erleichtern. 1. Bewegungsgleichung einer Mehrk¨ orperkette Der numerische Aufwand bei der Simulation starrer Mehrk¨ orperketten konnte u.a. durch die in [1, 2] beschriebenen Verfahren, welche ohne Inversion der Massenmatrix auskommen, wesentlich verringert werden. Durch eine Erweite- rung und Systematisierung der obigen Algorithmen in [3], ¨ uber die Methode der Projektionsgleichung, wird dieser rekursive Algorihmus der Ordnung(n) bei n K¨ orpern, stark vereinfacht und bietet sich besonders f¨ ur elastische Syste- me an. Ausgehend von Impuls- und Drallsatz f¨ ur freigeschnittene K¨ orper, angegeben in beliebigen Referenzsystemen R, erh¨ alt man die Bewegungsgleichung durch Projektion auf die Richtungen der Minimalgeschwindigkeiten ˙ s k . N k=1 v S ˙ s k T ω S ˙ s k T ˙ p ω IR p - f e ˙ L ω IR L - M e i (1) Nach einer Transformation in k¨ orperfeste Gelenkskoordinaten, die sich f¨ ur die weiteren Berechnungen als vorteil- haft erweisen werden und durch Verwendung geeigneter Zwischenvariablen ˙ y i , asst sich die Bewegungsgleichung in Matrixform darstellen. N k=1 ˙ y i ˙ s T M i ¨ y + G i ˙ y i - Q i = 0 (2) Gesucht ist dessen Aufl¨ osung nach den Minimalbeschleunigungen ¨ s ohne Aufstellung und Inversion der Gesamt- massenmatrix. Der dabei angewandte Algorithmus der Ordnung (n) unterscheidet dabei grunds¨ atzlich nicht zwi- schen starren und elastischen Segmenten. Das Verfahren, das 3 Teilschritte erfordert, ben¨ otigt das Ergebnis des Vorg¨ angerk¨ orpers als Eingang f¨ ur den nachfolgenden. 2. Erster Teilschritt, Absolutgeschwindigkeiten Im ersten Schritt, vom ersten zum letzten Segment hin, wird die Absolutgeschwindigkeit ˙ y i zusammengesetzt aus der F¨ uhrungsgeschwindigkeit ˙ y p des Vorg¨ angers und der neu hinzukommenden Relativbewegung. ˙ y i = T ip ˙ y p + F i ˙ s i (3) T ip stellt dabei die Transformationsmatrix zwischen K¨ orper ’i’ und seinem Vorg¨ anger ’p’ dar, F i die ’lokale’ Funk- tionalmatrix der neu hinzukommenden Relativgeschwindigkeiten ˙ s i . Daraus werden die ’Systemmatrizen’ G i und Q i ur jeden Teilk¨ orper konstruiert. PAMM · Proc. Appl. Math. Mech. 3, 152153 (2003) / DOI 10.1002/pamm.200310351

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Page 1: Rekursive Lösung der Bewegungsgleichung von elastischen Mehrkörperketten

Ferrara, Paolo; Bremer, Hartmut

Rekursive Losung der Bewegungsgleichung von elastischen Mehrkorperket-ten

Roboterarme, Manipulatoren, Konstruktionswerkzeuge sind derzeit auf hohe Genauigkeit und Schnelligkeit optimiert.Diesen Anforderungen entsprechend sind deren Arme und Getriebe steif und unnachgiebig gebaut. Dies ist mit hohemEigengewicht verbunden. Dort wo Gewichteinsparung, Leichtbau oder auch Kosteneinsparungen an Bedeutung ge-winnen, werden starre Elemente durch nachgiebige ersetzt werden mussen. Die Nachgiebigkeit ist dabei nicht nur vonNachteil. Nachgiebige Elemente sind z.B. geradezu pradestiniert fur hybride Antriebe, wo Position und Kraft gleich-zeitig geregelt werden. Auch Laufmaschinen, die meist der Natur nachempfunden sind, konnten mit nachgiebigenBeinen naturlicher, leichter und flexibler gebaut werden. Die Schwierigkeiten der Handhabung elastischer Mehrkorperliegen darin, dass sich, durch die auftretenden Verformungen, das Verhalten des elastischen Systems gegenuber demstarren drastisch andert. Bauteilverformungen pflanzen sich von Element zu Element fort. Der Versuch, einzelneKettenglieder als elastische Balken zu beschreiben und diese modular zu einem System zusammenzufugen, soll dieKomplexitat der Beschreibung verringern und die Interpretation sowie die messtechnische Kontrolle einzelner Termeerleichtern.

1. Bewegungsgleichung einer Mehrkorperkette

Der numerische Aufwand bei der Simulation starrer Mehrkorperketten konnte u.a. durch die in [1, 2] beschriebenenVerfahren, welche ohne Inversion der Massenmatrix auskommen, wesentlich verringert werden. Durch eine Erweite-rung und Systematisierung der obigen Algorithmen in [3], uber die Methode der Projektionsgleichung, wird dieserrekursive Algorihmus der Ordnung(n) bei n Korpern, stark vereinfacht und bietet sich besonders fur elastische Syste-me an. Ausgehend von Impuls- und Drallsatz fur freigeschnittene Korper, angegeben in beliebigen ReferenzsystemenR, erhalt man die Bewegungsgleichung durch Projektion auf die Richtungen der Minimalgeschwindigkeiten sk.

N∑k=1

{[(∂vS

∂sk

)T (∂ωS

∂sk

)T][

p + ωIR p− fe

L + ωIR L − Me

]}i

(1)

Nach einer Transformation in korperfeste Gelenkskoordinaten, die sich fur die weiteren Berechnungen als vorteil-haft erweisen werden und durch Verwendung geeigneter Zwischenvariablen yi, lasst sich die Bewegungsgleichung inMatrixform darstellen.

N∑k=1

(∂yi

∂s

)T [Miy + Giyi − Qi

]= 0 (2)

Gesucht ist dessen Auflosung nach den Minimalbeschleunigungen s ohne Aufstellung und Inversion der Gesamt-massenmatrix. Der dabei angewandte Algorithmus der Ordnung (n) unterscheidet dabei grundsatzlich nicht zwi-schen starren und elastischen Segmenten. Das Verfahren, das 3 Teilschritte erfordert, benotigt das Ergebnis desVorgangerkorpers als Eingang fur den nachfolgenden.

2. Erster Teilschritt, Absolutgeschwindigkeiten

Im ersten Schritt, vom ersten zum letzten Segment hin, wird die Absolutgeschwindigkeit yi zusammengesetzt ausder Fuhrungsgeschwindigkeit yp des Vorgangers und der neu hinzukommenden Relativbewegung.

yi = Tipyp + Fisi (3)

Tip stellt dabei die Transformationsmatrix zwischen Korper ’i’ und seinem Vorganger ’p’ dar, Fi die ’lokale’ Funk-tionalmatrix der neu hinzukommenden Relativgeschwindigkeiten si. Daraus werden die ’Systemmatrizen’ Gi undQi fur jeden Teilkorper konstruiert.

PAMM · Proc. Appl. Math. Mech. 3, 152–153 (2003) / DOI 10.1002/pamm.200310351

Page 2: Rekursive Lösung der Bewegungsgleichung von elastischen Mehrkörperketten

Die elastischen Vervormungen werden uber einen Ritzansatz beschrieben. Im behandelten Beispiel einer ebenen Be-wegung um die z-Achse, wird fur die elastische Auslenkung v(x, t) vereinfacht ein eingliedriger Ansatz v(x) · q(t)gewahlt. Dadurch ergeben sich unterschiedliche Systemmatrizen fur starre oder elastische Segmente. Die Berech-nungsvorschrift fur den O(n) Algorithmus bleibt jedoch gleich. Fur eine Drehbewegung um die z-Achse lauten dieseSystemmatrizen:

Tst

x y ωz

cos(ϕ) sin(ϕ) L sin(ϕ)-sin(ϕ) cos(ϕ) L cos(ϕ)0 0 1

;Tel

x y ωz qR

cos(ϕ) sin(ϕ) -cos(ϕ)vq + L sin(ϕ) v sin(ϕ)-sin(ϕ) cos(ϕ) sin(ϕ)vq + L cos(ϕ) v cos(ϕ)0 0 1 0

L

(4)

Mst

m 0 0

m mr0 mr JC + mr2

;Mel

m 0 -∫

∂m∂x vdxq 0

0 m mr∫

∂m∂x vdx

-∫

∂m∂x vdxq mr JC + mr2

∫∂m∂x xvdx

0∫

∂m∂x vdx

∫∂m∂x xvdx

∫∂m∂x vvdx

(5)

Gst

0 −m −mr

m 0 0mr 0 0

ωz;Gel

0 −m -mr −2∫

∂m∂x vdxq

m 0 − ∫∂m∂x vdxq 0

mr∫

∂m∂x vdxq 0 −2q

∫∂m∂x vvdx∫

∂m∂x vdx 0 − ∫

∂m∂x vvdx 0

ωz (6)

3. Zweiter Teilschritt, Systemmatrizen

Vom letzten zum ersten Segment werden dann die oben definierten Systemmatrizen folgendermaßen berechnet:

Mp := Mp + TTipNiMiTip; Gp := Gp + TT

ipNi(GiTip + MiTip); Qp :=Qp + TTipNi(Qi − GiFisi);

mit Ni :=[E− Mi(FiM−1

i FTi )

]; Mi : = FT

i MiFi;

Die ’lokal’ zu invertierende Massenmatrix hat die Dimension der Relativfreiheitsgrade des Segments gegenuberseinem Vorganger.

4. Dritter Teilschritt, Auflosung der Gleichung; Ergebnisse

Vom ersten Korper zum letzten hin, kann dann die errechnete Beschleunigung des Vorgangers im Nachfolger einge-setzt werden,

si = − [FT

i MiFi

]−1FT

i

{Mi(Tipyp + Tipyp) + Gi(Tipyp + Fisi) − Qi

}(7)

wobei Mi(Tipyp + Tipyp) und Tipyp furs erste Segment null ergeben. Mit bekanntem si, si folgt yi, yi aus Gl(3)fur den nachfolgenden Korper, etc. Die notwendigen Rechenoperationen furs gesamte O(n) Verfahren beschrankensich auf Multiplikation, Addition und Inversion von Matrizen der Dimension der einzelnen Relativfreiheitsgrade.

Ein solches, modular aufgebautes, Konzept wurde als Matlab-Simulink ”Baukasten” implementiert und brachte erste,noch zu prufende Ergebnisse.

5. References

1 Brandl, H.; Johanni, R.; Otter, M.: A Very Effective Algorithm for the Simulation of Robots and Similar MultibodySystems Without Inversion of the Mass Matrix, Proc. IFAC Symp. Wien, (1986) 365–370.

2 Vereshagin, A.F.: Computer Simulation of the Dynamics of Complicated Mechanisms of Robot Manipulators, Eng.Cybernetics, No. 6, (1974) 65–70.

3 Bremer, H.: Elastische Roboter, ZAMM, Z. Angew. Math. Mech. 83, No. 9, 1-17 (2003).

Dipl.-Ing. Paolo Ferrara, O.Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Hartmut Bremer, Johannes Kepler

Universitat Linz, TNF Mechatronik, Abteilung Robotik; Altenbergerstraße 69, A-4040 Linz.

http://robotikserver.mechatronik.uni-linz.ac.at

Section 3: Multibody systems and kinematics 153