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1 RELIGION UND ENTWICKLUNG: EINE TYPOLOGIE (DRAFT 1) 27.01.2014 Inhaltsverzeichnis EINFÜHRUNG ...................................................................................................................................... 2 TEIL 1: GESCHICHTEN ...................................................................................................................... 3 TEIL 2: TYPOLOGIE .......................................................................................................................... 13 TEIL 3: ARCHETYPEN...................................................................................................................... 13 ANHANG: Leitfaden zum Umgang mit Religion und Entwicklung .............................................. 24

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RELIGION UND ENTWICKLUNG: EINE TYPOLOGIE (DRAFT 1)

27.01.2014

Inhaltsverzeichnis

EINFÜHRUNG ...................................................................................................................................... 2

TEIL 1: GESCHICHTEN ...................................................................................................................... 3

TEIL 2: TYPOLOGIE .......................................................................................................................... 13

TEIL 3: ARCHETYPEN ...................................................................................................................... 13

ANHANG: Leitfaden zum Umgang mit Religion und Entwicklung .............................................. 24

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EINFÜHRUNG Zweck Das vorliegende Dokument hat zum Zweck, Programmverantwortliche auf die Schnittstelle zwischen Religion und Entwicklungszusammenarbeit zu sensibilisieren. Es baut auf konkrete Erfahrungen in der Projektarbeit auf und leitet typische Akteure und Situationen aus diesen Beispielen ab. Diese Typologie soll darauf hinweisen, worauf in der konkreten Projektarbeit geschaut werden soll, um dem oft unterschwelligen Einfluss der Religion auf die Entwicklungszusammenarbeit grössere Aufmerksamkeit zu schenken. Programmverantwortliche die mit dem Thema wenig vertraut sind können diesbezüglich konkrete Beispiele in diesem Dokument finden – sei es in der Form von Geschichten oder kurzen Portraits. Diese Typologie stellt aber auf keinen Fall den Anspruch auf die Vollständigkeit und soll als Anregung zum weiteren Denken und Beobachten dienen. Sie soll in diesem Sinne als eine Ergänzung zum von der zuständigen KoGe-Arbeitsgruppe entwickelten „Leitfaden zum Umgang mit Religion und Entwicklung“ verstanden werden. Der Leitfaden soll gerade den Programmverantwortlichen mit gezielten Fragen ermöglichen, im eigenen Kontext die Zusammenhänge zwischen Religion und Entwicklung selber zu untersuchen. Er ist im Anhang zu finden. Aufbau In den folgenden Seiten werden die Ergebnisse eines halb-tägigen Workshops mit Programmverantwortlichen aus sieben Mitgliedorganisationen der BFA-Kooperationsgemeinschaft dokumentiert. In einem ersten Schritt wurden in drei Kleingruppen konkrete Geschichten zum Thema Religion und Entwicklung gesammelt. Diese Anekdoten sind im Teil 1 abgeschrieben und nach den drei Gruppen aufgeteilt, wo sie zusammen erzählt und in den folgenden Schritten bearbeitet wurden. In einem zweiten Schritt wurden aus den Anekdoten immer wiederkehrende Akteure und Situationen abgeleitet und mit positiven wie auch negativen Eigenschaften verliehen. Diese Typologie ist im Teil 2 beschrieben. In einem dritten Schritt wurden die Eigenschaften der typischen Akteure vermischt, neu gruppiert und an Archetypen zugeteilt. Archetypen sind ambivalente Figuren, die Facetten von unterschiedlichen Personen vereinen. Sie sind im vorliegenden Fall ein subjektives Konstrukt, das aber Eigenschaften widerspiegelt, die bei vielen Projektakteuren an der Schnittstelle zwischen Religion und Entwicklung zu finden sind. Diese Gemeinsamkeiten werden im Teil 3 graphisch mittels verschiedener Farbschriften dargestellt. Die Archetypen sollen immer den entsprechenden Geschichten zugewiesen werden, weshalb auch dabei die die Anekdotengruppen erwähnt werden, auf welche sie zurückzuführen sind. Grenzen und Potential Obwohl die entstandenen Archetypen nicht sehr pointiert sind, ist jedoch interessant zu sehen, welche gemeinsamen Eigenschaften an welche Akteure –auch wenn spontan- zugewiesen wurden. Die Archetypen sind zwar aus einer subjektiven Übung entstanden, vielleicht sind sie aber deswegen interessant, weil sie nicht so sehr die Vorstellungen der Südpartner sondern unsere eigenen (und kontextspezifischen) wiederspiegeln und somit zeigen, dass Religion und Kultur die Akteure der Entwicklungszusammenarbeit im Norden gleich wie im Süden prägt. Die Typologie sowie die Archetypen sind als Rohmaterial wiedergegeben. Sie irritieren (und sollen auch anregen), gerade weil sie Widersprüche, Paradoxen und Lücken enthalten. Sie sind somit Ausdruck der ambivalenten Rolle der Religion in der Entwicklungszusammenarbeit. Es stellt sich die Frage, ob die Typologie nach den richtigen Kategorien gebildet wurde: vielleicht sagen Akteure und Situationen nicht so viel über Religion und Entwicklung aus, so dass man in den Geschichten z.B. eher nach besonderen Orten oder signifikanten Zeiten suchen hätte können. Auf jeden Fall zeigen die Typologie sowie die Archetypen auf, dass unterschiedliche Vorstellungen der Welt und des Menschen das Verhalten der Akteure der Entwicklungszusammenarbeit im Norden wie auch im Süden beeinflussen. Solche Vorstellungen lassen sich auch kaum in einem Logframe abbilden, wobei sie einen eindeutigen Einfluss haben auf Projekte, die meistens Verhaltensänderungen erzielen. Viele Anekdoten weisen darauf hin, dass die Auseinandersetzung mit Religion und Entwicklung uns auf eine besondere Art nach dem eigenen Verständnis der Entwicklung

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nachfragt. Wie ich Religion und eine andere Kultur begegnen und wahrnehmen will und kann, hängt schlussendlich davon ab, was ich unter Entwicklung verstehe. Gerade aus diesem Grund ist aber unabdingbar, dass Programmverantwortliche sich durch die ambivalente Frage der Rolle der Religion und der Kultur in der Entwicklung irritieren und befragen lassen.

TEIL 1: GESCHICHTEN GRUPPE A Indonesien Ich habe festgestellt, dass in Indonesien etwas anderes unter Zivilgesellschaft verstanden wird und diese äusserst schwach ist. Die Politik in unserem Sinn äussert sich nicht über Parteien, sondern über religiöse Gemeinschaften, die für Menschenrechte offen sind. Strömungen links/rechts laufen über die Theologie. Wenn man etwas bewegen will, dann über religiöse Organisationen, denn staatliche Organisationen gelten als korrupt. Ein Beispiel sind die Frauenhäuser. Ein vom Staat geführtes Programm wurde kaum genutzt. Von Religionsgemeinschaften gebaute Häuser gelten hingegen als Vorbild. Haiti Caritas wusste kaum, wo ihre Partnerorganisationen standen. Religion wurde eher ausgeblendet und als Tabuthema behandelt. Westafrika Wir hatten den Auftrag in Westafrika die Landwirtschaftsarbeit mit der Kirche aufzubauen. Der Auftrag wurde jedoch zu wenig präzise formuliert, was sich folgendermassen geäussert hat. Der Mitarbeiter vor Ort hat mit unabhängigen Organisationen zusammengearbeitet und die Kirche aussen vor gelassen. Als ich dann kam, wurde ich mit der Frage konfrontiert, warum wir nicht mit ihnen arbeiten – denn sie seien die Richtigen dafür. Darauf haben wir die Zusammenarbeit mit den unabhängigen Organisationen und der Kirche gesucht. Die Kirche hat den Auftrag erhalten, Ausbildungskurse zu Landwirtschaft zu geben. Die Auszubildenden waren jedoch ausschliesslich Pastoren und nicht Landwirte. Ostkalimatan In Ostkalimantan übten Hirten eine Pfarrerfunktion aus (nicht ausgebildet). Die Kirche hatte jedoch Schwierigkeiten diese Pfarrer zu entlöhnen. Die Lösung für dieses Problem sah folgendermassen aus: Die Kirche stellte den Pfarrern Land und Landwirtschaftstraining zur Verfügung. Die Pfarrer, die dieses Land bewirtschafteten wurden so zu Vorbildern für die Bauern. Afrika In meiner Studienzeit haben wir in den frühen 90er-Jahre in Afrika eine Studie durchgeführt und untersucht, ob Kleinbauern, die Christen sind, erfolgreicher waren. Das Resultat dieser Studie war eindeutig � Die Christen waren effektiv erfolgreicher. Die unterschiedlichen Religionen hatten unterschiedliche Auswirkungen auf die Agrarwirtschaft. Auch kulturelle und Genderaspekte spielten eine grosse Rolle. Malaysia Eine Geschichte zu Reisanbau in Sabah (Malaysia): Missionare haben versucht, Leute, die Sammelwirtschaft betrieben, sesshaft zu machen und Trockenreisbau zu betreiben. Die Schwierigkeit bestand aber darin, dass diese Leute aus traditionellen und religiösen Gründen keine Löcher in die Erde machen durften. Solche Vorhaben haben einen Sinn, stossen aber oft an Grenzen. Aidsprävention Eine Geschichte zu Aidsprävention und Ehearbeit: Wir haben mit christlichen Werten gearbeitet – erst im christlichen Umfeld. Die Moslems haben dies dann mitbekommen und dasselbe gemacht. Die religiösen Werte waren religionsübergreifend und haben zu einem sehr guten Output geführt. Nigeria

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Eine Geschichte zur Auswirkung von Religion im Bereich HIV/Aids in Nigeria: Ein gutes Projekt zu Aidsprävention wurde von den Pfarrern blockiert. Ich wurde angefragt, diese Blockaden zu lösen. Über drei Monate haben Workshops in verschiedenen Regionen von Nigeria stattgefunden. Aids wurde als Strafe Gottes gesehen und Kondome per se als schlecht. Tansania In Tansania haben wir Lehrveranstaltungen zu HIV/Aids - Sexualaufklärung durchgeführt und sind auf massive Widerstände bei der Kirche gestossen. Interessante Diskussionen haben stattgefunden. Rwanda Ein gelungenes Beispiel zu HIV/Aidsprävention in Rwanda: Der Staat war sehr aktiv in der Aidsprävention und hat auch aktiv mit den Pfarrern zusammengearbeitet. Haiti In Haiti ist der Fatalismus gegenüber Naturkatastrophen und Armut sehr ausgeprägt. Afrika Lehrveranstaltungen zu feministischer Theologie in Afrika: Die Kirchen sind sehr konservativ eingestellt und es wird viel auf die Bibel verwiesen � diese begründet, wieso Frauen dieses oder jenes nicht dürfen. Westafrika In Westafrika wird Benachteiligung bis hin zu Verfluchung auf die Herkunft zurückgeführt. Z.B. Söhne von xy können keine Entwicklung erleben. Generell Warum Völker zum Protestantismus übertreten: Sie haben die Einsicht, dass man mit dieser Religion den Mächten (Natur, Dämonen, etc.) weniger ausgeliefert ist. Mit Gott kann man verhandeln und dies ist ein Fortschritt für diese Leute. In moslemischem Kontext In einer abgelegenen Gegend wurde ein Grundstück gekauft, um eine Schule zu bauen. Auf diesem Grundstück stand jedoch ein grosser Baum, ein heiliger Baum, der nicht gefällt werden durfte. Schlussendlich wurde gebetet, der Baum gefällt und die Schule gebaut. Kamerun Eine Geschichte, die erzählt, wie religiös motivierte Stigmatisierung überwunden worden ist. HIV-positive Leute waren nicht mehr Teil der Gesellschaft und Kirche (HIV = von Gott bestraft). Zu dieser Thematik wurden in Kamerun Kurse durchgeführt. Wir wollten Betroffene dazu einladen, haben aber niemanden gefunden. In Kongo hingegen haben sie’s geschafft, HIV-Positive in die Veranstaltungen zu integrieren und darüber zu sprechen. Jeden Morgen über fünf Tage haben Leute ihre Geschichte erzählt, was den Teilnehmenden die Angst genommen und eine Vorstellung gegeben hat, wie es ist, mit dieser Krankheit zu leben. In Nigeria hat die Kirche beschlossen, dass HIV-positive Leute nicht heiraten durften. Mikrofinanzprojekt Eine Geschichte zu einem gescheiterten Mikrofinanzprojekt und die Rolle der Kirche da drin: Die Kirche hat selbst ihre Finanzen nicht in Ordnung gebracht, aber von der Kanzel hinab gepredigt, die Kredite zurückzubezahlen. Theologie Ich habe oft erlebt, dass vom strafenden Gott gesprochen wurde, oder dass Sünden bestraft würden. Dies ist eine Frage der theologischen Ausbildung und zentral, um in diesem Bereich etwas verbessern zu können. Afrika In Gesprächen über Theologie mit Religionswissenschaftlern und Kollegen aus Afrika, wurde oft gesagt, dass es in Afrika gar nicht anders funktioniere und dass das Christentum alles durcheinandergebracht hat.

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Erntedank Ich habe zum Thema Erntedank geforscht. Erntedankfeste sind eine grosse Einnahmequelle für die Kirchen. Es wurde damit gedroht, dass Gott die Leute mit einer schlechten Ernte bestraft, wenn sie nicht zahlen. Haiti In Haiti besteht die Schwierigkeit, dass in der EZA wenig über Voodoo bekannt ist, dem aber oft die Schuld zugewiesen wird. Kamerun In meiner Studienzeit in Kamerun war ich mit einem Kollegen am Krankenbett eines Studienkollegen. Dieser war an Aids erkrankt, lag im Sterben, hat sich aber bis zuletzt dagegen gesträubt, dass er als angehender Pfarrer davon betroffen sein könnte. Er hat meinen Kollegen gebeten, für ihn zu beten. Dieser sah sich mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass er nicht dafür beten konnte, dass Gott ihn wieder heil macht. GRUPPE B

Peru Ich bin seit über 40 Jahren in verschiedenen Projekten in Peru tätig und habe dort auch 18 Jahre selber gelebt. Mittlerweile lebe ich wieder in der Schweiz, bin aber noch für verschiedene Projekte vor Ort zuständig. Eine besonders eindrückliche Situation erlebte ich, als ich vor ungefähr fünf Jahren mit einem Zivildienstleistenden – einem jungen Biobauern aus der Schweiz – in der Gegend um Huánuco unterwegs war. Wir waren für ein NGO namens Paz y esperanza im Feld. Diese Organisation setzt sich für die Prävention häuslicher Gewalt ein und ist dabei besonders hartnäckig, oftmals nehmen sie bei Missständen gar die Strafverfolgung der Täter auf. Eines Tages nahmen sie unseren Zivildienstleistenden zu ihrer Tätigkeit mit und fuhren ungefähr eine Stunde aus der Stadt raus. Als er aus dem Auto ausstieg, sammelte sich relativ schnell eine grosse Gruppe von Comuneros [Dorfbewohner] an, welche ihn packten und wild auf ihn einredeten. Die Stimmung war sehr feindlich, er wurde bedroht und schlussendlich kam es gar zu einem Handgemenge. Die Lage drohte immer weiter zu eskalieren, schlussendlich musste die Polizei gerufen werden. Der Zivildienstleistende konnte sich nur mit Mühe und Not aus der Situation befreien und beteuerte immer wieder seine friedliche Absicht. Als sich die Menschenmasse dann mit Hilfe der Polizei ein bisschen beruhigen liess, konnten wir uns über die Hintergründe dieser Feindseligkeiten informieren: In Peru gab es damals den Mythos, dass eine Gruppe von Serienmördern in dieser Gegend ihr Unwesen treibt. Diese so genannten Pishtacos sollen Kinder entführt haben, um an ihr Körperfett zu gelangen und dies teuer an Kosmetikfirmen in Europa zu verkaufen. Das Wort Pishtaco stammt aus einer andinischen Legende und kommt von „in Streifen schneiden“. Ich weiss, dass in Peru auch schon Ausländer gelyncht wurden, die Geschichte hat sich in den Köpfen der Leute im Hochland regelrecht festgekrallt. Meine Anekdote ist also nicht primär eine religiöse Angelegenheit, sie zeigt aber die extremen Hindernisse, welche im Spannungsfeld zwischen Religion und Entwicklungszusammenarbeit auftauchen können. Es gibt Leute, welche aus Angst nicht mehr in die Gegend reisen. Vielleicht brauchen die Einheimischen aber genau diese Geschichten, um ihre Eigenständigkeit und Unantastbarkeit zu bewahren. International Ich lebte mehrere Jahre in Bolivien und war im Jahr 2008 an ein Symposium eingeladen. Hier kam ich wirklich mit dem Spannungsfeld zwischen Religion und Entwicklungszusammenarbeit in Berührung. Der ganze Anlass war sehr interessant, besonders auffällig war zu sehen wie die Thematik von Europäern hinübergebracht wurde und einseitig akademisch aufgearbeitet wird. Die Menschen dort zerbrachen sich gar nie den Kopf über diese Problematik, die Trennung zwischen Religion und Entwicklung findet nicht statt. Ich konnte der Rede eines Aymara lauschen, welcher über sein Verständnis von Entwicklung

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gesprochen hat und war richtiggehend überrumpelt. Er sagte, dass Entwicklung für ihn vor allem den Besitz von Fernsehern und Autos bedeutet. Die Bewahrung ihrer Werte kam gar nie zur Sprache. Ich hatte etwas völlig anderes erwartet und wähnte mich im falschen Film. „Wie definiert man Entwicklung? Mit welchem Anspruch sollte man als NGO-Mitarbeiter in ein Land reisen? Wie sollte das Thema aufgearbeitet werden?“ Mir wurde bewusst, dass die Fragen noch lange nicht fertig diskutiert sind. Schade finde ich besonders, dass die Diskussionen rund um diesen Fragenkomplex in den letzten Jahren abgeflaut sind. Ich bin seit drei Jahren für Chile zuständig und solche Grundlagediskussionen spielen eigentlich keine Rolle mehr. Benin Ich war in den 80ern für mehrere Jahre in Benin, dem Zentrum des Voodoo. Dort hatte ich im Rahmen der praktischen Arbeit viel mit Spiritualität zu tun. Ich war daran, mir meinen PhD zu verdienen und somit vorwiegend in Kontakt mit hochgebildeten Leuten an der Uni. Die Zusammenarbeit klappte immer gut, das einzige Hindernis war jedoch die Planung. Da die Projekte immer wieder an dieser Grundlage scheiterten, bot ich eine Weiterbildung zu diesem Thema an. Die Leute waren sehr interessiert und besassen auch schon viel Wissen. Sie kannten die Instrumente und wussten, wie man Umfragen macht. Sobald es jedoch konkret hinter die Planung ging, klappte nichts mehr. Nach meinen drei Jahren dort versucht ich rauszufinden, was der Grund für diese Schwierigkeiten war. Hierbei stellte sich interessanterweise heraus, dass die Zukunft immer aus der Vergangenheit heraus passiert. In ihrer Kultur fragt man als Erstes den Aco [Familiengeist], wie die Zukunft aussieht. Nach dieser Erkenntnis hinterfragte ich meine Prägungen; was habe ich für einen Bezug zur Zukunft. Ich merkte, dass ich immer aus der Gegenwart in die Zukunft plane. Ist es nicht vielleicht auch ein Verlust, dass die Vergangenheit nicht einbezogen wird? Ich merkte, dass Planungsinstrumente in einem anderen Kontext eine völlig andere Bedeutung haben. Diese Erkenntnis hat mir auch in meiner Tätigkeit in Brasilien geholfen, ich lernte meine Ungeduld ein bisschen zu dämpfen. Peru Diese Anekdote aus Peru hat viel mit dem Spannungsfeld zwischen der katholischen und der evangelischen Kirche zu tun. Während meiner Tätigkeit ging ich regelmässig in die Kirchgemeinde Allianza christiana y missionera. Diese hatten in den 80er Jahren den Slogan Lima al encuentro con dios. Ich spielte jeweils ein Stück auf der Trompete im Gottesdienst, begleitet von einem Klavier. Einmal wollten wir Ave Marie spielen. Wir beide vorne auf der Bühne, der Pastor ganz hinten im Raum. Sobald er jedoch das Lied erkannte, schickte er einen Diakon um uns zu unterbrechen. Ich habe mich damals wahnsinnig geschämt, fühlte mich gedemütigt und habe nie mehr dort gespielt. In dieser Zeit konvertierten viele Leute von der Katholischen zur Protestantischen Kirche. Die Katholische war für sie oftmals nur ein Etikett, sie hatten keine Beziehung zu Gott und äusserten ihren Glauben nur durch äussere Rituale. Dann vergassen sie das alte Leben und durfte nicht mehr daran erinnert werden. Ich war sehr erstaunt über das Vorgehen des Pastors. Denn für mich persönlich hat das Lied nichts mit der katholischen Kirche zu tun, die Musik kann man ja nicht reservieren! Ich bedaure es sehr, habe ich das Thema nachher nicht wieder aufgenommen und mit dem Pastor diskutiert. Diese Vorgehensweise schuf wie eine künstliche Grenze zwischen den beiden Konfessionen. Jetzt ist die evangelische Kirche viel stärker, rund 15% der Leute gehören ihr an. Die beiden Dinge viel besser nebeneinander her, auch Dialog ist möglich! Mozambik Ich arbeite mit einer Kirche in Mozambique zusammen, welche durch einen Schweizer Missionar gegründet wurde. Diese Kirche hatte jedoch ihre Grundlage in der Entwicklungszusammenarbeit, die religiöse Seite kam erst später. Sie haben im Jahr 2010 mit ihrer Arbeit angefangen, sind jedoch noch immer sehr interessiert an Entwicklungsfragen. Dies jedoch nur lokal, nicht an der Entwicklung des ganzen Landes. Der Pfarrer bedauert seine Abhängigkeit von der Kirche fast ein bisschen, da ihn diese bei seiner Arbeit einschränkt. So haben sie ausserhalb des kirchlichen Gebildes Institutionen

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geschaffen, welche ihnen völlig selbstständiges Handeln erlauben. Diese Erfahrung machte mir gewisse wichtige Fragen wieder bewusst. Was beispielsweise ist Entwicklung genau? Und für wen soll diese stattfinden? Bolivien Wenn ich auf meine Zeit in Bolivien zurückblicke merke ich, dass ich zum Teil sehr direkt war, dass ich nicht sehr kultursensitiv vorgegangen bin. Im Unterricht lies ich meine Schüler beispielsweise immer abstimmen, obwohl sie eher einer Konsenskultur angehören. Auch war ich mit meinen, vorwiegend indigenen Studenten oftmals viel zu ungeduldig. Hier sehe ich eine Parallele zu der Entwicklungszusammenarbeit. Die Ziele sind oftmals sehr strikt. Die vorherrschende Kultur würde jedoch verlangen, dass man zuerst die Grundlagen diskutiert. Ich merkte erst nach fünf Jahren, dass das Zustimmen in einer Diskussion nicht immer auch wirklich so gemeint ist. Zum Teil sagte der Gesprächspartner „Klar, ich bin vollkommen einverstanden“, holte dann aber zu einem langen Dialog aus und sagte am Schluss genau das Gegenteil. Ich war mit der Frage konfrontiert, wie man damit umgeht, wenn Menschen völlig anders funktionieren. Die Einheimischen mussten sich schlussendlich oftmals einfach stark anpassen, obwohl das in ihrer Denkweisen vielleicht nicht so vorgesehen war. Mexico Ich war im Süden Mexikos mit einer Organisation, welche für die Umwelt sensibilisiert. Leider konnten wir nicht viel machen, denn es hat über Wochen nur geregnet. Es regnete und regnete, der Regen wollte einfach nicht aufhören. Schlussendlich gab es Erdrutsche und Überschwemmungen, viele Leute haben ihr Haus verloren. In der Folge haben wir ein kleines Hilfszentrum aufgestellt und wollten einer Stadt solidarisch helfen. Wir organisierten Essen für die Leute und Material für den Wiederaufbau. Unser Kontakt vor Ort dabei war ein lokaler Pastor. Neben der direkten Hilfe versuchten wir die Leute zu sensibilisieren. Wir wollten ihnen beibringen, dass das vollständige Abholzen der Bäume für die schweren Schäden mitverantwortlich ist. Als wir jedoch bei einer Versammlung eintrafen, stellte sich der Pastor sofort ins Zentrum und hat verkündet, dass Gott die Einheimischen bestrafe weil sie nicht in die Kirche kamen. Für uns war diese Indoktrination, dieses Ausnützen einer Katastrophe nur schwer zu akzeptieren. Nach dem Diskurs des Pastors durfte auch einer unser Mitarbeiter sprechen, er konnte dem Pastor aber nicht direkt wiedersprechen. So hat er andere Gründe aufgeführt, der Schaden war aber schon angerichtet. Unsere Botschaft wurde gar nicht wirklich aufgenommen, hatte doch der wichtigste Mann des Dorfes völlig andere Gründe angegeben. Benin Ich habe damals im Norden von Benin gearbeitet. Schnell bin ich auf die Praktik gestossen, dass alle Kinder, bei welchen die oberen Zähne zuerst wachsen, in den Fluss geworfen werden. Dies signalisiere, dass ein Fluch auf der Familie laste und die Kinder eliminiert werden müssen. Auch der Staat störte sich nicht daran, die Polizei schaute weg. Dies beschäftigte mich sehr stark, das Gehörte liess mich einfach nicht mehr los. Nicht nur ging es mir persönlich sehr nahe, auch bedingt Entwicklungspolitik für mich die Hochhaltung der Menschenrechte. Ich erfuhr dann jedoch von einem NGO, welches die Kinder weiter unten am Fluss wieder gerettet hat. Sofort nahm ich mit dieser Organisation Kontakt auf und fragte, ob dies nicht eine gefährliche Arbeit sei. So zogen sie nach meiner Einschätzung den Zorn der Einheimischen auf sich. Sie versicherten mir jedoch, dass sie in der Gegend akzeptiert sind, die Leute ihre Tätigkeit gar schätzen. Dies hat mir dann erlaubt, meine Tätigkeit in dieser Gegend weiterzuführen. Die Leute werfen ihre Kinder zwar in den Fluss, jedoch mit dem Wissen, dass sie sicher wieder rausgezogen werden. Peru Ich war für eine Organisation tätig, welche in Peru in der Gegend um Huánuco verschiedene Projekte hat. Es war eine noch sehr junge Organisation, wir arbeiteten dezentral und gingen auch raus in die ländlichen Gegenden. Dort werden schwerbehinderte Leute oft einfach versteckt. Die

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Dorfgemeinschaft denkt, dass sie von einem Dämon oder vom Teufel besessen sind. Dies dient ihnen als Erklärungsversuch, warum ihr Kind nicht gleich wie alle anderen ist. Als Resultat werden die behinderten Leute vor der Öffentlichkeit verborgen. Ich fand es toll, dass wir als christliche Organisation diese Einstellung ein bisschen aufweichen, das für uns bedenkliche Verhalten in Frage stellen konnten. Angola Ich habe lange in Angola gearbeitet. Dort fand ich eine starke Opposition gegen das Themenfeld Religion & Entwicklung vor. Unsere Organisation befasste sich mit der Ausbreitung der AIDS-Pandemie, wir suchten die besten Lösungen. Die lokale Kirche sah die Abstinenz als einzigen Ansatz, was natürlich nicht funktionierte. Sie haben alle anderen Lösungen abgelehnt, sich also gegen unsere Lebensrettungsversuche gewehrt. Leider konnten wir keinen wirklichen Konsens schaffen. Einige kirchliche Vertreter wollten uns zwar helfen, andere jedoch eher ihre Botschaft verbreiten. Den Spagat zwischen Sensibilität und der eigenen Einstellung zu schaffen ist sehr schwer. Ich persönlich bin ein pragmatisch denkender Mensch und will die Probleme mit den bestmöglichen Mitteln lösen. Andererseits sollte man sich auch nicht zu fest in den Vordergrund stellen, nicht die eigene Kultur aufzwängen. GRUPPE C

Indonesien Zusammen mit einer Gruppe aus der Friedensarbeit in Nigeria, wo ich seit 10 Jahren arbeite, habe ich im Oktober zum ersten Mal in Indonesien besucht. Grund war, dass die Friedensarbeit dort in einem ähnlichen Kontext stattfindet. Dies traf in vielen Bereichen auch tatsächlich zu. Durch die Distanz, die ich dank der ersten Auseinandersetzung mit einem neuen Land gegenüber der Friedensarbeit vor Ort hatte, wurde mir aber bewusst, dass die religiös-kulturelle Dimension nebst der soziökonomischen und rechtlichen eine wichtige Rolle spielt. Dies war mir in Nigeria nie so direkt aufgefallen.

Ich ging davon aus, dass die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben in der sozioökonomischen und rechtlichen Situation der Gemeinschaften zu suchen ist. Auch hatte ich mich als Vorbereitung mit der Menschenrechtslage in Indonesien auseinandergesetzt. Intuitiv nahm ich an, dass in den Gemeinschaften, auch interkulturellen und interreligiösen ein Bewusstsein vorhanden ist, dass alle voneinander abhängig sind, von den gleichen gesellschaftlichen Ressourcen und Strukturen leben. Als ich dann aber einen Anführer einer militanten islamischen Organisation fragte, was seine Interessen an einem Dialog mit den Christen sind, antwortete mir dieser: ‚Keine. Wenn die uns nicht passen, fliegen sie raus‘. Wie stark diese Macht- und Konkurrenzüberlegungen und die Definition der eigenen Identität durch Abgrenzung der Anderen das gemeinsame Interesse an einer friedlichen Gemeinschaft untermauern kann, überraschte mich.

Ich erzählte dem Anführer von einem Angklung-Festival, das ich kürzlich besuchte. Ein Angklung ist ein monotones Bambus-Instrument, das in der lokalen Tradition unabhängig der Religionszugehörigkeit stark verankert ist. Schon der Bambus als wasserspeicherndes Material ist kulturell aufgeladen. An diesem Festival, an dem Christen, Muslime, Buddhisten und Angehörige anderer Religionen teilnahmen, wurden acht Angklungs verteilt. Jedes spielte einen anderen Ton. Alleine zu spielen, war langweilig – zusammen, und unter der Leitung eines designierten Dirigenten, konnten die Teilnehmer jedoch die schönsten Melodien spielen. Jede/r einzelne Spieler/in war wichtig, war essentiell, und doch konnte jede Person seine Fülle nur im Einklang mit den Anderen erlangen. Das Gemeinschaftsgefühl, das dabei entstand war stark.

Die Geschichte wirkte stark auf den Milizenführer. Es machte ihm Eindruck, dass Identität nicht nur durch Macht, Mehrheit und Dominanz definiert werden kann, sondern es auch möglich ist, Identität im Einklang mit der Gemeinschaft zu finden. Noch heute stehe ich mit ihm im Email-Kontakt.

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Haiti Ich organisierte mit allen Partnerorganisationen in Haiti ein Treffen zum Thema ‚Kultur und Identität‘. Gleich zu Beginn gab es Schwierigkeiten, da das Treffen in einem Zentrum stattfand, welches viele seit langem nicht betreten hatten. Einige erzählten von einem Vorfall, der sich dort ereignete, bei dem Anhänger von Jean-Bertrand Aristide auf sie schossen und einige von ihnen ums Leben kamen. Es flossen Tränen. Diesen Vorfall assoziierten sie noch immer mit dem Ort. Bei der Kontroverse, die diese Geschichte zwischen Anhängern und Gegnern von Aristide auslöste, wurde mir bewusst, wie die Vergangenheit trennend wirken kann.

Am nächsten Tag trafen wir uns zu einer Zeremonie mit Voodoo-Priestern in einem Voodoo-Tempel. Auch katholische Priester waren dabei. Unser Chauffeur, ein Protestant, weigerte sich, die Mittagsverpflegung in den Tempel zu bringen. Voodoo löste bei ihm Unbehagen aus und er hatte Angst, über die Schwelle zu treten. Sogleich entbrannte eine Diskussion zwischen Katholiken und Voodoo-Anhängern zur Kommunion. Streitpunkte waren die Kommunion und Opferbringung. Auch hier zeigten sich die vorhandenen Differenzen.

Dann gingen die Voodoo-Priester zur Zeremonie über. Sie hielten die Teilnehmer an, mit Kreidepulver kreisförmige Zeichen auf den Boden zu zeichnen. In der Voodoo-Religion gelten diese Zeichen als Eingangstore für die Voodoo-Geister. Die Priester begannen zu tanzen und verfielen in Trance. Mit grossem Enthusiasmus folgten die Teilnehmer der Zeremonie. In der Mittagspause hatte ich ein Gespräch mit einer Frau, deren Mutter Voodoo-Anhängerin war. Sie selbst studiert im Ausland und war in einem katholischen Internat gross geworden. Sie erzählte mir, aufgrund ihrer Ausbildung die Voodoo-Religion ihrer Mutter stets verachtet hatte. Dies hatte zu einer sehr distanzierten Beziehung zwischen den beiden geführt. Durch die Erfahrungen, die sie während der Zeremonie gemacht hatte, wurden ihr diese Vorurteile etwas genommen. Sie sagte: ‚Jetzt fühle ich mir hier [im Tempel] zu Hause. Ich habe keine Angst mehr vor Voodoo‘. So ging es vielen anderen, die das erste Mal einen Voodoo-Tempel betreten hatten.

Auch ich überlegte mir, wie man die Voodoo-Religion im positiven Sinn einsetzen könnte. Da Bäume beispielsweise heilig sind, könnte man daraus ein Engagement gegen die Erosion ableiten. Auch ist in der Voodoo-Religion das Geschlechterverhältnis deutlich ausgeglichener als in der restlichen Haitianischen Gesellschaft. Auch diese könnte positiv genutzt werden.

Transsilvanien Obwohl ich nur mit christlichen Kirchen arbeite spielen kulturell-religiöse Unterschiede eine grosse Rolle. In Transsilvanien, Rumänien, zum Beispiel ist die rumänische Mehrheit orthodox, die ungarische Minderheit mehrheitlich protestantisch. Die Arbeitsweise der beiden Kirchen ist durch ihre unterschiedliche Auffassung der Liturgie und ihrer Kirchentradition verschieden. Die protestantische Kirche ist vorwiegend westlich geprägt. Sie arbeitet mit dem Staat, setzt soziale, politische und rechtliche Instrumente ein, um Strukturen zum Besseren zu verändern. Es geht ihr darum, in der gelebten Gemeinschaft den Himmel auf die Erde zu bringen. Die mächtige, nationalistische orthodoxe Kirche versteht ihre Aufgabe anders. Der ‚Himmel auf Erden‘ wird vor allem durch den Gottesdienst in der Kirche herbeigeführt und weniger durch die rechtlichen und politischen Strukturen der Gesellschaft. Ihr soziales Engagement beschränkt sich darauf, Almosen zu verteilen.

Diese unterschiedlichen Traditionen haben einen Einfluss auf die Entwicklungsarbeit der Kirchen. Mit ihrem weltlichen Ansatz und wenig Scheu vor rechtlichen und bürokratischen Instrumenten findet sich die protestantische Kirche im modernen Staat besser zurecht. Die orthodoxe Kirche tut sich mit den Prozessen, Reports, Anträgen, etc. viel schwieriger. Sie erhält vor allem durch ihre Macht und Beziehungen Einfluss, arbeitet weniger legalistisch. So fühlt sie sich vom Erfolg der Arbeit der protestantischen Minderheit oft bedroht. Dies insbesondere, da Religion in Transsilvanien nicht die einzige Identität ist. Die reformierte Kirche ist gleichzeitig der grösste Ungaren-Verein und ist dadurch immer auch ungarisch-nationalistisch geprägt. Dies macht die Beziehung zur rumänischen Bevölkerung oft schwierig, da diese oft mit Ablehnung gegenüber der ehemaligen Besatzer-Nation

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reagieren. Die Spannungen bewegen sich also irgendwo zwischen unterschiedlicher Kirchentraditionen, der Mehrheit und der Minderheit sowie der Konkurrenz im Anbieten sozialer Leistungen.

Ein Spitex-Projekt der reformierten Kirche illustriert diese Spannungen. Der Bürgermeister einer mehrheitlich rumänischen Gemeinde wählte aufgrund der oben erwähnten Gründe die Zusammenarbeit im sozialen Bereich mit der protestantischen Kirche. Gleichzeitig stiess dies bei der orthodoxen Kirche auf Kritik, und bei einem Teil der rumänischen Bevölkerung auf Ablehnung, da die protestantische Kirche trotz guter sozialer Leistungen gleichzeitig mit nationalistisch-ungarischen Eigenschaften assoziiert wird.

Pakistan Die Heilsarmee hat Wiederaufbau-, Livelihood- und Wasserprojekte in der Punjab-Region in Pakistan, einer politisch sehr heiklen Region. Da es dort nur Muslime und keine Christen gibt, hat die Entwicklungszusammenarbeit erst den Dialog zwischen den beiden Religionen geöffnet und gefördert. Durch die Projekte, an deren Erfolg alle ein Interesse haben, hat sich Schritt für Schritt eine Beziehung zwischen den christlichen Mitarbeitern und der muslimischen Bevölkerung aufgebaut. Über Weihnachten habe ich sogar Weihnachtsgrüsse aus streng muslimischen Gemeinden erhalten.

Osteuropa Ich habe oft mit religiösen Minderheiten zu tun. Dabei ist mir aufgefallen, dass diese bei grossem Druck oder Gefährdung oft stark auf Bewahrung ihrer Position und Verteidigung setzen, was ihre eigene Entwicklung behindern kann. Dies ist stärker ausgeprägt, je kleiner die Minderheit und je grösser der gefühlte Druck (Diskriminierung, Existenzängste, etc.). Dies drückt sich oft in absurden Tendenzen aus. In Osteuropa definieren sich Minderheiten beispielsweise oft über Gebäude, um Präsenz zu markieren und ihrer Marginalisierung entgegenzuwirken. In Kosice (Serbien) wollte die ungarisch reformierte Kirche beispielsweise für 1 Million Euro ein neues Gemeindezentrum bauen, mit der Begründung, man könne damit junge Mitglieder anziehen und den Fortbestand sichern. So sind Minderheiten oft in Eigeninteresse, Verteidigung und Bewahrungsdrang gefangen und können sich nicht im Sinne ihrer Mitglieder weiterentwickeln.

Insel Flores, Indonesien Die Insel Flores ist mehrheitlich katholisch geprägt. Es herrscht eine grosse Angst vor dem Islam, der stark mit der zentralistischen Regierung in Jakarta assoziiert wird. Dass der Staat von peripheren Inseln als Bedrohung wahrgenommen wird, hängt auch daran, dass in der Geschichte Transmigrationsprogramme für Probleme gesorgt haben. Anzugeben, man gehöre keiner Religion an, ist noch schlimmer. Man wird direkt mit dem Kommunismus in Verbindung gebracht, der aufgrund der historischen Erfahrung sehr negativ konnotiert ist. Die Linien zwischen politischer Abgrenzung gegen den Staat, der Peripherie gegen das Zentrum sowie der kulturell-religiösen Abgrenzung gegenüber dem Islam sind verwischt. Ich habe das Gefühl, dass je stärker eine Minderheit politisch und sozioökonomisch marginalisiert wird, die Religion immer mehr zur Definition der Identität herbeigezogen wird. Die religiöse Abgrenzung bietet ein Gefäss, das Einfach missbraucht werden kann.

So bilden sich einfach tausende Vorurteile. Als ein Mann beim Gottesdienst die Hostie in die Tasche, statt in den Mund gesteckt hat, wurde er beinahe totgeschlagen. Auch waren sich die Gemeindemitglieder sicher, dass es sich um einen Muslim handelte, der mit der Hostie magische Dinge anstellen wollte. Bei einer Tollwut-Epidemie, die sich rund ein Jahr zuvor ereignet hatte, fand die lokale Bevölkerung Erklärungen, die eine Schuld der Muslime bezeugen sollten: ‚Die Epidemie ist ausgebrochen, als ein muslimisches Priesterseminar eröffnet wurde‘ oder ‚der erste betroffene war ein muslimischer Priester, es müssen also die Muslime schuld sein‘ oder ‚die muslimischen Strassenverkäufer haben ihre absichtlich mit Tollwut verseuchten Abfälle an die Hunde verfüttert, um die Katholiken anzustecken‘. Zwei Strassenverkäufer wurden beispielsweise verfolgt. Als sie in einem Polizeiposten Schutz suchten, wurde dieser niedergebrannt, die beiden Verkäufer getötet.

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So kann Religion als Etikett dienen, um andere Konflikte (politische, sozioökonomische, etc.) auszutragen. Dieses Etikett wird als einfaches Erklärungsmuster missbraucht (so ist etwa die zweite Frage in jedem Gespräch auf Flores, welcher Religion der/die Gesprächspartner/in angehöre). Es dient der Bildung von Vorurteilen und wird instrumentalisiert.

Nigeria Die Konflikte in Nigeria sind so komplex, dass man sie nicht durch zwei/drei Stunden Hintergrundarbeit verstehen kann. Journalisten bezeichnen die meisten Konflikte beispielsweise oft als interreligiös, was aber nicht immer der Wahrheit entspricht. In Jos, im Zentrum von Nigeria, beispielsweise gibt es einen Konflikt um die Gleichstellung der Bürgerrechte zwischen Einheimischen und Zugewanderten. Gemäss Verfassung werden Personen in der Herkunftsregion ihrer Ethnie stärkere Rechte gewährt (Landrechte, Stimmrechte, etc.). Diese einheimische Ethnie ist in Jos vorwiegend christlich. Die Zugewanderte Bevölkerung, die teils seit 3-4 Generationen in Jos lebt, ist der einheimischen rechtlich schlechter Gestellt, was zu einer gewissen Marginalisierung und Frustration führt. ‚Gemeinsamer Nenner‘ der Zugewanderten ist deren islamische Religionszugehörigkeit. Die Religion wird instrumentalisiert. Es werden auch islamistische Terrororganisationen zum Kampf beigezogen. Dies obwohl es sich im Ursprung um einen politisch-rechtlichen Konflikt um Ressourcen und Rechte handelt. Dies führt so weit, dass sich in Jos zwei Stadtteile gebildet haben – einen christlichen und einen muslimischen. Es ist verpönt und höchst gefährlich, bei Angehörigen der anderen Religion einzukaufen. Eine Christin hat mir beispielsweise erzählt, dass sie ihren Fisch immer bei einem Muslimischen Händler eingekauft hat. Sie wollte also wegen der Qualität des Fisches weiterhin bei ihm einkaufen und hat sich gewagt, den gefährlichen Weg in den anderen Stadtteil auf sich zu nehmen. Mit Glück hat sie den Verkauf unbeschadet überstanden, den Laden verlassen und ist so schnell als möglich nach Hause gerannt. Auf dem Weg kamen ihr plötzlich Zweifel: ‚Was, wenn der Fisch vergiftet wurde? Wäre es nicht eleganter, mich als Christin so umzubringen, als direkt im Laden anzugreifen?‘. Diese Zweifel wurden so gross, dass sie den Fisch schliesslich wegwarf. Tschechien Die Religionszugehörigkeit hat auch einen Einfluss auf die Wertschätzung von Leben und dem Umgang damit. Tschechien beispielsweise gilt als eines der atheistischsten Länder der Welt. Nur 25% gehören einer Kirche an. Dies ist durch den Kommunismus, aber auch frühere historische Umstände bedingt. Bei Befragungen geben die meisten an, dass sie sich nicht nur von den Kirchen distanzieren, sondern wirklich an nichts glauben. Diese Haltung hat einen grossen Einfluss auf die Beerdigungskultur. Oft werden Menschen nach ihrem Tod kremiert und die Überreste irgendwo weggeschüttet. Es findet keine Zeremonie, keine Feier statt. Offenbar ist dies selbst für Angehörige kein Problem. Der Wert eines Menschenlebens wird also ganz anders betrachtet. WEITERE GESCHICHTEN Hier werden noch zu dem Thema relevante Geschichten aus dem Kreis der Kooperationsgemeinschaft wiedergegeben, die aber ausserhalb des Rahmens des erwähnten (siehe Einführung) Workshops gesammelt wurden. Bangladesh C'est un exemple et une question en même temps. Je suppose avoir parlé le même langage moral avec mon collègue coordinateur du programme de santé infantile au Bangladesh. Le programme a une intervention spécifique dans une unité spéciale de nutrition dans un dispensaire pour 400 femmes et leurs bébés. Le présupposé est que les bébés peuvent rentrer au village si les femmes restent deux semaines avec eux au dispensaire pendant qu'on leur administre une solution spéciale de l’OMS à base poudre de lait. Pendant 5 ans, 30-40% des femmes ont interrompu le programme et quitté le dispensaire. Nous en avons étudié les raisons: les maris sont venus protester devant le dispensaire et ont fait des menaces. Ils sont seuls à la maison et personne ne s'occupe des enfants. Ils ont menacé de divorcer.

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Les femmes qui ont quitté le programme nous ont dit qu'il est plus acceptable pour elle qu'un enfant de 5 ans meure que les conséquences d'un divorce pour elles. Le programme avait été développé de manière participative et nous avions imaginé que les objectifs de santé materno-infantile impliquaient un langage moral commun à tous. Nous avions pensé que c'était une valeur universelle. Je me rappelle très bien: le coordinateur et moi, tard le soir. Nous ne comprenions plus rien au monde. Lui, représentant d'un contexte local. Moi représentant d'un autre contexte. Nous nous sommes trompés dans une large mesure. Nous nous sommes demandés ce qu'est une bonne vie: si ce n'est pas promouvoir la vie d'un enfant de 5 ans, c'est quoi? J'aimerais avoir un monde avec des valeurs universellement partagées. Mais cet exemple montre combien il est difficile d'identifier des valeurs fondamentales. Souvent, la bonne vie est décrite de manière superficielle. C'est une chose ouverte qu'il faut toujours renégocier avec l'équipe de projet et les bénéficiaires. Rétrospectivement, je me dis que c'est un processus de négociation interactif et moins un élément statique. Il faut faire attention en définissant une bonne vie. On peut se tromper même quand on pense que c'est impossible. La bonne vie est le résultat d'un processus qui peut différer d'un contexte à l'autre. DR Kongo Ich denke an eine Person aus Kongo, aus dem Katanga. Diese Gegend ist nicht sehr hoffnungsvoll. Leute leben in den Hüten, Minen veräumen das Wasser, die Natur wird kaputt. Leute fragen : « hilfst du mir, dass ich weggehen kann ? Gib mir ein Stipendium ».

Wir helfen die Kirche, damit die Leute nicht fliehen wollen. Kongolo ist ein Theologieprofessor. Er ging nach Kanada, um seine Doktorarbeit zu machen. Als er mit der Familie vor der Abreise durch den Botschafter gefragt wurde, was er nach den vier Jahren mache, antwortete seine Tochter : « wir bleiben in Kanada ».Seine Familie musste in Kongo bleiben.

Er ist nach vier Jahren zurückgekommen, und jetzt versucht er zu vermitteln, wie ein gutes Leben mit 4-6 USD pro Tag möglich ist.

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TEIL 2: TYPOLOGIE

Religiöse Führer sind z.B. Pfärrer , katholische Priester, Voodoo-Priester, Leiter von muslesmischen Gemeinden, Kirchenobere oder Leiter-innen kirchlicher Organisationen. Sie sind mehr oder weniger einflussreich und sind sich des eigenen Status bewusst. Sie sind aber meistens offen und haben eine Vorbildfunktion. Einige wollen den Einfluss vom Nordpartner auf den Süden beschränken.

Religiöse Extremisten wie z.B. radikale Muslime im Kontext von Pakistan oder Indonesien sind zwar verbohrt und hinter der Wahrheit. Sie sind jedoch sehr engagiert und dialogbereit.

Einzelpersonen im Identitätskonflikt haben mehrere Identitäten wie z.B. die katholische Tochter einer Voodoo-Priesterin oder die einzige Muslima in einem christlichen Dorf. Sie sind zwar oft zerissen, sind aber auch lernfähig, flexibel und mutig.

Religiöse und ethnische Gruppierungen sind z.B. religiösen Minderheiten, Voodoo-Anhänger-innen, Punjabi oder Ethnien. Sie haben mehrere Identitäten und haben oft den Wunsch nach dem Dialog. Sie sind traditionsbestimmt und stiften somit Identität, was auch bedeuten kann, dass sie trennend und fixiert (Tunnelblick) wirken können. Sie können zur Instrumentalisierung benutzt werden.

Lokale Verantwortungsträger sind z.B. Motivator-innen, Koordinator-innen und erfahrene Leiter-innen. Sie weisen Kompetenzen auf und müssen manchmal Konflikte mit der Kirchenleitung klären

Neutrale Akteure wie Musizierende, ein Bestattungsdienst oder eine Dorfgemeinschaft arbeiten zwischen den Fronten. Sie können dabei verbindend wirken, sind aber manchmal auch hilflos.

Religiöse-soziale Organisationen sind z.B. die Reformierte Diakonie in Osteuropa, die Heilsarmee in muslimischen Gebieten oder weitere kirchlichen Entwicklungsorganisationen. Ihre Mitarbeitenden (Projektführer, Entwicklungshelfer-innen) sind (religiös) motiviert und werteorientiert. Als Projektpartner sind sie interessiert, neugierig und engagiert –auch wenn manchmal blauäugig. Als Organisation stehen sie unter Druck und sind auch anpassungsfähig. Sie können als Brücke dienen.

Lokale Begünstigte als Ziel- und Einflussgruppe bestehen aus Familien, Einheimischen, Vertretern der indigenen Bevölkerungsgruppen Bauern, Jägern, Sammlerinnen, Menschen mit oder ohne HIV-Aids, Kirchenmitglieder oder Theologiestudierenden. Sie sind traditionsverbunden und Glaube ist ihnen wichtig. Sie sind selbstbewusst und resistent. Das kann auch dazu führen, dass sie veränderungsfeindlich, engstirnig, archaisch und passiv wirken können. Sie sind schwach und verfügen über ein geringes Bildungsniveau, sie leben in Abhängigkeit.

Die Kirche als Partner besteht aus Pfärrern, kirchlichen Autoritäten (Leaders und Vertreter-innen) und Kirchgemeinden. Sie ist offen und engagiert, kennt auch politische Spannungen. Auf der negativen Seite kann sie doktrinär und verständnislos wirken, sowie Vetterliwirtschaft betreiben.

Staatliche Organe wie z.B. ein staatliches Frauenhaus oder Behörden sind reich an Ressourcen und haben Macht. Sie sind aber auch oft korrupt und willkürlich.

Ausländische Partnerorganisationen haben verschiede Vertreter-innen im Süden: Expats, Missionaren, (schweizerische) Programmverantwortliche. Sie sind wohlwollend und kenntnisreich. Sie verstehen nicht unbedingt um was es geht und können naiv und sogar kolonialistisch wirken.

Lokale (religiöse) Multiplikator-innen sind z.B. Pfärrer-innen, Hirt-innen, Seelsorger-innen oder (lernende) Theolog-innen. Sie haben hohes Ansehen und Einfluss und können somit etwas bewegen – auch wenn sie im Versteckten arbeiten. Sie haben oft eine eigene Agenda und sind nah an der Basis. Sie können aber auch Fundamentalisten sein.

TYPISCHE AKTEURE AN DER SCHNITTSTELLE ZWISCHEN RELIGION UND ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT

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Abgrenzung über die Religion: die Kirche wird als ein „besserer Ort“ erlebt. Sie definiert sich über ihre Gebäude und baut diese aus. Eine Minderheit hat Angst, nicht mehr zu leben und das Alltagsleben wird durch die Angehörigkeit zu einer religiösen Gruppe definiert wie z.B. bei einer Bestattung oder durch die Abdankungskultur. Religion wirkt ängstlich und instrumentalisierend in solchen Situationen. Siehe Anekdoten: Gruppe A

Gesellschaftlicher Engagement über die Religion: Menschen und Gemeinschaften engagieren sich in der Gesellschaft aus religiöser Überzeugung wie z.B. in Livelihoods-, Gesundheits- oder Wiederaufbauprojekte. Religion weckt in solchen meist hilflosen Situationen guten Willen. Sie wirkt verbindend, ist aber auch nicht immer zentral und kann somit auch neutral bleiben. Siehe Anekdoten: Gruppe A

Verbindende Alltagskultur über die Religion: das Einkaufen (z.B. im besten islamischen Fischladen der Stadt), die Musik (z.B. traditionelles Konzert, Klankungsfestival, Bambuskonzert), die Gebäuden (z.B. erstmaliges Betreten eines Voodoo-Tempel) sind Eintrittstüre in die Religion. Religion ist in solchen Situationen offen, weckt Neugier und solche Beispiele können als Brücke dienen. Siehe Anekdoten: Gruppe A

Eine bestimmte Kosmovision gehört mit der Religion zusammen. Diese Kosmovision prägt Zeit und Raum, ermöglicht mit Unsicherheit umzugehen, das Versteckte zu sehen und ist mir Aberglaube verbunden. So können z.B. Kinder in den Fluss geworfen werden, wenn ihre Zähne zuerst oben wachsen oder wird gemeint, dass Ausländer Kinder rauben, um ihr Fett zu gewinnen. Solche Vorstellungen sind durch die Tradition geprägt, und ziehen die Grenze zwischen den Kräften, die dem Leben diesen bzw. drohen. Sie wirken unverständlich und herausfordernd. Siehe Anekdoten: Gruppe B

Religion ist Teil des Prozesses des Verstehen und annähern. Religion hilft den Menschen Sinn zu machen – sei es aus einem Unwetter, einer zu bekämpfenden Epidemie (HIV-Aids) oder aus der Abgrenzung mit einer Gruppe. Heute besteht eine grössere Offenheit zur Rolle der Religion sowie zum interreligiösen Dialog. Noch viele Fragen bleiben aber tabu und unbearbeitet. Siehe Anekdoten: Gruppe B

Religion kann bestehende und herrschenden Annahmen oder Praxis herausfordern und hinterfragen z.B. bei Themen wie die Bedeutung der Entwicklung, der Zusammenhang zwischen Kirche und EZA, bei der Sensibilisierung für die Umwelt oder bei kulturellen Missverständnissen. Die Rolle der Religion wird dabei meist beseitigt und als ambivalent empfunden. Siehe Anekdoten: Gruppe B

Religion ist ein Faktor an der Schnittstelle zwischen Entwicklung und Tradition wie z.B. in der Landwirtschaft, in einem Milchproduktionsprojekt, in der Sammelwirtschaft oder in der Wahl des zu ausbildenden Personals. In diesem angespannten Verhältnis wirkt Religion als ambivalent und herausfordernd. Siehe Anekdoten: Gruppe C

Religion ist durchaus ein Faktor der Veränderung. Sie ist ein Kanal für die Entwicklungszusammenarbeit wie z.B. im Aufbau eines Frauenhauses, oder an einer Universitätsvorlesung. Obwohl sie sehr konservativ ist, wirkt Religion auch als progressiv. Siehe Anekdoten: Gruppe C

Das Verhältnis zwischen Religion und Macht drückt sich am Sonntagmorgen aus, so wie auch z.B. im Eintreiben von Mikrokrediten oder in der Auswahl von bestimmten Multiplikatoren. Es birgt mit sich die Gefahr des Missbrauchs von Religion und ist mit unbekannten und ungeklärten Haltungen verbunden. Siehe Anekdoten: Gruppe C

TYPISCHE SITUATIONEN AN DER SCHNITTSTELLE ZWISCHEN RELIGION UND ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT

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TEIL 3: ARCHETYPEN

Religiöse Entwicklungsakteure sind offen, mutig, flexibel und lernfähig.

Sie können auch fixiert (Tunnelblick) und verbohrt sein.

Religiöse Führer sind z.B. Pfärrer , katholische Priester, Vodoo-Priester, Leiter von muslismischen Gemeinden, Kirchenobere oder Leiter-innen kirchlicher Organisationen. Sie sind mehr oder weniger einflussreich und sind sich des eigenen Status bewusst. Sie sind aber meistens offen und haben eine Vorbildfunktion. Einige wollen den Einfluss vom Nordpartner auf den Süden beschränken. Siehe Anekdoten: Gruppen A und C

Religiöse Extremisten wie z.B. radikale Muslime im Kontext von Pakistan oder Indonesien sind zwar verbohrt und hinter der Wahrheit. Sie sind jedoch sehr engagiert und dialogbereit. Siehe Anekdoten: Gruppe A

Einzelpersonen im Identitätskonflikt haben mehrere Identitäten wie z.B. die katholische Tochter einer Voodoo-Priesterin oder die einzige Muslimin in einem christlichen Dorf. Sie sind zwar oft zerrissen, sind aber auch lernfähig, flexibel und mutig. Siehe Anekdoten: Gruppe A

Religiöse und ethnische Gruppierungen sind z.B. religiösen Minderheiten, Voodoo-Anhänger-innen, Punjabi oder Ethnien. Sie haben mehrere Identitäten und haben oft den Wunsch nach dem Dialog. Sie sind traditionsbestimmt und stiften somit Identität, was auch bedeuten kann, dass sie trennend und fixiert (Tunnelblick) wirken können. Sie können zur Instrumentalisierung benutzt werden. Siehe Anekdoten: Gruppe A

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Implementing NGO (Projektpartner) Projektpartner sind sehr engagiert und

motiviert- auch aus religiösen Gründen. Sie haben mehrere Identitäten und arbeiten

zwischen verschiedenen Fronten. Sie müssen z.B. Konflikte mit der Kirchenleitung klären. Sie

haben Vorbildfunktion und weisen Kompetenzen auf – trotz geringem

Bildungsniveau. Sie haben durchaus ihre eigene Agenda. Manchmal wirken sie eher naiv

auf.

Religiöse-soziale Organisationen sind z.B. die Reformierte Diakonie in Osteuropa, die Heilsarmee in muslimischen Gebieten oder weitere kirchliche Entwicklungsorganisationen. Ihre Mitarbeitenden (Projektführer, Entwicklungshelfer-innen) sind (religiös) motiviert und werteorientiert. Als Projektpartner sind sie interessiert, neugierig und engagiert –auch wenn manchmal blauäugig. Als Organisation stehen sie unter Druck und sind auch anpassungsfähig. Sie können als Brücke dienen. Siehe Anekdoten: Gruppen A und B

Religiöse Extremisten wie z.B. radikale Muslime im Kontext von Pakistan oder Indonesien sind zwar verbort und hinter der Wahrheit. Sie sind jedoch sehr engagiert und dialogbereit. Siehe Anekdoten: Gruppe A

Neutrale Akteure wie Musizierende, eine Bestattungsdienst oder eine Dorfgemeinschaft arbeiten zwischen den Fronten. Sie können dabei verbindend wirken, sind aber manchmal auch hilflos. Siehe Anekdoten: Gruppe A

Religiöse und ethnische Gruppierungen sind z.B. religiösen Minderheiten, Vodou-Anhänger-innen, Punjabi oder Ethnien. Sie haben mehrere Identitäten und haben oft den Wunsch nach dem Dialog. Sie sind traditionsorientiert und stiften somit Identität, was auch bedeuten kann, dass sie trennend und fixiert (Tunnelblick) wirken können. Sie können zur Instrumentalisierung benutzt werden. Siehe Anekdoten: Gruppe A

Lokale Verantwortungsträger sind z.B. Motivator-innen, Koordinator-innen und erfahrene Leiter-innen. Sie weisen Kompetenzen auf und müssen manchmal Konflikte mit der Kirchenleitung klären Siehe Anekdoten: Gruppe C

Lokale Begünstigte als Ziel- und Einflussgruppe bestehen aus Familien, Einheimischen (, Vertretern der indigenen Bevölkerungsgruppen Bauern, Jägern, Sammlerinnen, Menschen mit oder ohne HIV-Aids, Kirchenmitglieder oder Theologiestudierenden. Sie sind traditionsverbunden und Glaube ist ihnen wichtig. Sie sind selbstbewusst und resistent. Das kann auch dazu führen, dass sie veränderungsfeindlich, engstirnig, archaisch und passiv wirken können. Sie sind schwach und verfügen über ein geringes Bildungsniveau, sie leben in Abhängigkeit. Siehe Anekdoten: Gruppen B und C

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Kirche als Institution kann als Brücke dienen. Sie ist verbindend, Identitätsstiftend und dialogbereit. Sie kann aber auch trennend wirken und zur Instrumentalisierung

benutzt werden.

Religiöse Extremisten wie z.B. radikale Muslime im Kontext von Pakistan oder Indonesien sind zwar verbort und hinter der Wahrheit. Sie sind jedoch sehr engagiert und dialogbereit. Siehe Anekdoten: Gruppe A

Religiöse und ethnische Gruppierungen sind z.B. religiösen Minderheiten, Vodou-Anhänger-innen, Punjabi oder Ethnien. Sie haben mehrere Identitäten und haben oft den Wunsch nach dem Dialog. Sie sind traditionsorientiert und stiften somit Identität, was auch bedeuten kann, dass sie trennend und fixiert (Tunnelblick) wirken können. Sie können zur Instrumentalisierung benutzt werden. Siehe Anekdoten: Gruppe A

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Begünstigte Menschen sind werteorientiert. Sie stehen

hinter der Wahrheit und sind traditionsbestimmt und sogar manchmal archaisch. Sie mehr oder weniger Einfluss auf

ihre Situation und können je nachdem hilflos sein. Sie stehen oft unter Druck und müssen anpassungsfähig

bleiben. Sie lassen sich beeinflussen.

Religiöse-soziale Organisationen sind z.B. die Reformierte Diakonie in Osteuropa, die Heilsarmee in muslimischen Gebieten oder weitere kirchliche Entwicklungsorganisationen. Ihre Mitarbeitenden (Projektführer, Entwicklungshelfer-innen) sind (religiös) motiviert und werteorientiert. Als Projektpartner sind sie interessiert, neugierig und engagiert –auch wenn manchmal blauäugig. Als Organisation stehen sie unter Druck und sind auch anpassungsfähig. Sie können als Brücke dienen. Siehe Anekdoten: Gruppe A und B

Religiöse Extremisten wie z.B. radikale Muslime im Kontext von Pakistan oder Indonesien sind zwar verbort und hinter der Wahrheit. Sie sind jedoch sehr engagiert und dialogbereit. Siehe Anekdoten: Gruppe B

Neutrale Akteure wie Musizierende, ein Bestattungsdienst oder eine Dorfgemeinschaft arbeiten zwischen den Fronten. Sie können dabei verbindend wirken, sind aber manchmal auch hilflos. Siehe Anekdoten: Gruppe A

Religiöse und ethnische Gruppierungen sind z.B. religiösen Minderheiten, Vodou-Anhänger-innen, Punjabi oder Ethnien. Sie haben mehrere Identitäten und haben oft den Wunsch nach dem Dialog. Sie sind traditionsbestimmt und stiften somit Identität, was auch bedeuten kann, dass sie trennend und fixiert (Tunnelblick) wirken können. Sie können zur Instrumentalisierung benutzt werden. Siehe Anekdoten: Gruppe A

Religiöse Führer sind z.B. Pfärrer, katholische Priester, Voodoo-Priester, Leiter von muslismischen Gemeinden, Kirchenobere oder Leiter-innen kirchlicher Organisationen Sie sind mehr oder weniger einflussreich und sind sich des eigenen Status bewusst. Sie sind aber meistens offen und haben eine Vorbildfunktion. Einige wollen den Einfluss vom Nordpartner auf den Süden beschränken. Siehe Anekdoten: Gruppe A

Lokale Begünstigte als Ziel- und Einflussgruppe bestehen aus Familien, Einheimischen (Benin), Vertretern der indigenen Bevölkerungsgruppen Bauern, Jägern, Sammlerinnen, Menschen mit oder ohne HIV-Aids, Kirchenmitglieder oder Theologiestudierenden. Sie sind traditionsverbunden und Glaube ist ihnen wichtig. Sie sind selbstbewusst und resistent. Das kann auch dazu führen, dass sie veränderungsfeindlich, engstirnig, archaisch und passiv wirken können. Sie sind schwach und verfügen über ein geringes Bildungsniveau, sie leben in Abhängigkeit. Siehe Anekdoten: Gruppen B und C

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Schweizerische Programmverantwortliche sind interessiert, neugierig, offen und engagiert. Sie sind aber

auch blauäugig.

Die Kirche als Partner besteht aus Pfärrern, kirchlichen Autoritäten (Leaders und Vertreter-innen) und Kirchgemeinden. Sie ist offen und engagiert, kennt auch politische Spannungen. Auf der negativen Seite kann sie doktrinär und verständnislos wirken sowie Vetterliwirtschaft betreiben. Siehe Anekdoten: Gruppe B

Religiöse-soziale Organisationen sind z.B. die Reformierte Diakonie in Osteuropa, die Heilsarmee in muslimischen Gebieten oder weitere kirchliche Entwicklungsorganisationen. Ihre Mitarbeitenden (Projektführer, Entwicklungshelfer-innen) sind (religiös) motiviert und werteorientiert. Als Projektpartner sind sie interessiert, neugierig und engagiert –auch wenn manchmal blauäugig. Als Organisation stehen sie unter Druck und sind auch anpassungsfähig. Sie können als Brücke dienen. Siehe Anekdoten: Gruppen A und B

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Der korrupte Staat ist durch politische Spannungen zerrissen und betreibt Vetterliwirtschaft. Er fördert den Status Quo und ist dementsprechend meistens passiv.

Die Kirche als Partner besteht aus Pfärrern, kirchlichen Autoritäten (Leaders und Vertreter-innen) und Kirchgemeinden. Sie ist offen und engagiert, kennt auch politische Spannungen. Auf der negativen Seite kann sie doktrinär und verständnislos wirken sowie Vetterliwirtschaft betreiben. Siehe Anekdoten: Gruppe B

Lokale Begünstigte als Ziel- und Einflussgruppe bestehen aus Familien, Einheimischen (Benin), Vertretern der indigenen Bevölkerungsgruppen Bauern, Jägern, Sammlerinnen, Menschen mit oder ohne HIV-Aids, Kirchenmitglieder oder Theologiestudierenden. Sie sind traditionsverbunden und Glaube ist ihnen wichtig. Sie sind selbstbewusst und resistent. Das kann auch dazu führen, dass sie veränderungsfeindlich, engstirnig, archaisch und passiv wirken können. Sie sind schwach und verfügen über ein geringes Bildungsniveau, sie leben in Abhängigkeit. Siehe Anekdoten: Gruppen B und C

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Die Kirchenleitung ist selbstbewusst, traditionsverbunden und resistent. Dafür kann sie doktrinär, engstirnig, veränderungsfeindlich und verständnislos wirken.

Die Kirche als Partner besteht aus Pfärrern, kirchlichen Autoritäten (Leaders und Vertreter-innen) und Kirchgemeinden. Sie ist offen und engagiert, kennt auch politische Spannungen. Auf der negativen Seite kann sie doktrinär und verständnislos wirken sowie Vetterliwirtschaft betreiben. Siehe Anekdoten: Gruppe B

Begünstigte als Ziel- und Einflussgruppe bestehen aus Familen, Einheimischen, Vertretern der indigenen Bevölkerungsgruppen oder Bauern. Sie sind traditionsverbunden, selbstbewusst und resistent. Das kann auch dazu führen, dass sie veränderungsfeindlich, engstirnig, archaisch und passiv wirken können. Siehe Anekdoten: Gruppe B

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Zu den Mächtigen Organisationen zählen die Kirchen, der Staat sowie die internationalen Organisationen. Sie sind einflussreich und können einiges bewegen. Sie haben

hohes Ansehen und sind dementsprechend sehr selbstbewusst. Sie sind reich an Ressourcen können aber

auch Willkür ausüben, Abhängigkeiten schaffen und korrupt werden. Sie wirken kolonialistisch.

Lokale (religiöse) Multiplikator-innen sind z.B. Pfärrer-innen, Hirt-innen, Seelsorger-innen oder (lernende) Theolog-innen. Sie haben hohes Ansehen und Einfluss und können somit einiges bewegen – auch wenn sie im Versteckten arbeiten. Sie haben oft eine eigene Agenda und haben eine Basisnähe. Sie können aber auch Fundamentalisten sein. Siehe Anekdoten: Gruppe C

Religiöse Führer sind z.B. Pfärrer , katholische Priester, Vodoo-Priester, Leiter von muslesmischen Gemeinden, Kirchenobere oder Leiter-innen kirchlicher Organisationen Sie haben mehr oder weniger Einfluss und sind sich des eigenen Status bewusst. Sie sind aber meistens offen und haben eine Vorbildfunktion. Einige wollen den Einfluss vom Nordpartner auf den Süden zu beschränken. Siehe Anekdoten: Gruppen A und C

Staatliche Organe wie ein staatliches Frauenhaus oder Behörden sind reich an Ressourcen und haben Macht. Sie können sind aber auch oft korrupt und willkürlich. Siehe Anekdoten: Gruppe C

Ausländische Partnerorganisationen haben verschieden Vertreter-innen im Süden: Expats, Missionaren, schweizerische Programmverantwortliche. Sie sind wohlwollend und kenntnisreich. Sie verstehen nicht unbedingt um was es geht und können naiv und sogar kolonialistisch wirken. Siehe Anekdoten: Gruppe C

Lokale Begünstigte als Ziel- und Einflussgruppe bestehen aus Familien, Einheimischen (Benin), Vertretern der indigenen Bevölkerungsgruppen Bauern, Jägern, Sammlerinnen, Menschen mit oder ohne HIV-Aids, Kirchenmitglieder oder Theologiestudierenden. Sie sind traditionsverbunden und Glaube ist ihnen wichtig. Sie sind selbstbewusst und resistent. Das kann auch dazu führen, dass sie veränderungsfeindlich, engstirnig, archaisch und passiv wirken können. Sie sind schwach und verfügen über ein geringes Bildungsniveau, sie leben in Abhängigkeit. Siehe Anekdoten: Gruppen B und C

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Basisnahe Zivilorganisationen sind wohlwollend und arbeitet im Versteckten. Sie verstehen nicht immer um was es geht. Glaube ist ihnen wichtig und sie können sogar zu

Fundamentalisten werden. Sie wollen den Einfluss des Nord-Partners beschränken.

Lokale Begünstigte als Ziel- und Einflussgruppe bestehen aus Familien, Einheimischen, Vertretern der indigenen Bevölkerungsgruppen Bauern, Jägern, Sammlerinnen, Menschen mit oder ohne HIV-Aids, Kirchenmitglieder oder Theologiestudierenden. Sie sind traditionsverbunden und Glaube ist ihnen wichtig. Sie sind selbstbewusst und resistent. Das kann auch dazu führen, dass sie veränderungsfeindlich, engstirnig, archaisch und passiv wirken können. Sie sind schwach und verfügen über ein geringes Bildungsniveau, sie leben in Abhängigkeit. Siehe Anekdoten: Gruppen B und C

Ausländische Partnerorganisationen haben verschieden Vertreter-innen im Süden: Expats, Missionaren, schweizerische Programmverantwortliche. Sie sind wohlwollend und kenntnisreich. Sie verstehen nicht unbedingt um was es geht und können naiv und sogar kolonialistisch wirken Siehe Anekdoten: Gruppe C

Lokale (religiöse) Multiplikator-innen sind z.B. Pfärrer-innen, Hirt-innen, Seelsorger-innen oder (lernende) Theologinnen. Sie haben hohes Ansehen und Einfluss und können somit etwas bewegen – auch wenn sie im Versteckten arbeiten. Sie haben oft eine eigene Agenda und haben eine Basisnähe. Sie können aber auch Fundamentalisten sein. Siehe Anekdoten: Gruppe C

Religiöse Führer sind z.B. Pfärrer , katholische Priester, Vodoo-Priester, Leiter von muslismischen Gemeinden, Kirchenobere oder Leiter-innen kirchlicher Organisationen Sie haben mehr oder weniger Einfluss und sind sich des eigenen Status bewusst. Sie sind aber meistens offen und haben eine Vorbildfunktion. Einige wollen den Einfluss vom Nordpartner auf den Süden beschränken. Siehe Anekdoten: Gruppen A und C

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ANHANG: Leitfaden zum Umgang mit Religion und Entwicklung Kurzer Leitfaden für die praxisrelevante Integration von Religion (und Kultur) in die Entwicklungszusammenarbeit Um die Entwicklungsarbeit effizienter zu machen braucht es Informationen über die Wirkkraft des Religiösen. Dabei ist ein erfahrungswissenschaftlicher Zugang hilfreich. Themen / Stolpersteine/ Erfolge zu R&K erschliessen sich meist indirekt. Wichtig dabei ist, dass anhand von Beispielen (storytelling) die Wirkung erklärt werden bzw. aufgezeigt werden kann. Es geht darum sowohl explizites als auch implizites Wissen und Verhalten herauszuarbeiten. Die anzuwendenden Instrumente sind die der interpretativen Sozialwissenschaft und der üblichen Projekt- und Programmarbeit. Der erste Schritt ist eine Denkarbeit. Die/der PV soll ein Projekt auswählen und sich die Ausgangsfrage stellen: „Wo und wie könnte in diesem Projekt oder Programm Religion (Kultur) eine Rolle spielen?“ Wichtig ist dabei vom projektrelevanten Kontext und Inhalt auszugehen. So wie in der Zwischenzeit automatisch nach den genderspezifischen Auswirkungen einer Projektmassnahme gefragt wird, müsste das auch für R&K gelten. Welche religiösen Ressourcen oder auch Probleme gibt es? Wie beeinflusst der Alltagsglauben der Begünstigten und MitarbeiterInnen die Umsetzung des Vorhabens? Welche Religiös/theologischen Ausrichtungen haben die Institutionen/Kirchen? Wer sind die säkularen oder religiösen Entscheidungsträger? Und wie werden sie miteinbezogen? Die generelle Frage wo und wie Religion eine Bedeutung und Wirkung haben könnte, stellt sich in allen Projekten. Die Relevanz kann jedoch sehr unterschiedlich sein. Methodisch bieten „Interviewfragen eines Journalisten“ einen guten Zugang. Die Beobachtungsschwerpunkte variieren je nach Kontext und Inhalt. Letztendlich geht es ja darum, die Wirkung eines Vorhabens (Projekt/Programm) zu garantieren (optimieren). Dabei können explizite oder implizite religiöse/kulturelle Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Vielleicht erscheint es paradox, aber es geht darum religiös bedingte Wirkungen zu erfassen ohne dass diese direkt abgefragt werden. (Die Aussage „weil ich Christin bin, bin ich motiviert“ sollte umformuliert werden „wie wirkt sich das aus, dass du dich als Christin engagierst?) Bereiche Mögliche Fragestellungen Tools

Kontext /Situation Siehe Fragestellung im Papier

Cluster, Befragung von Keypersons, Interviews, Umfeldmapping,

Verhältnis Staat-

Organisation

Wie ist das Verhältnis zwischen Religion und Gesellschaft?

Sind die religiösen Organisationen aktiv in politischen Gremien?

Haben politische Konflikte eine religiöse Dimension

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Akteure Akteursanalyse: was bewegt die Akteure? / idée mobilisatrices (Malik S.93)

- Organisation

- Angestellte/Freiwillige:

- Begünstigte

Welchen Alltagsglauben praktizieren die Begünstigten, wie wirkt er sich auf das Projekt aus? (Motivation und Inhalt)

- Organisationsanalyse: Ziele, Kultur, Aktivitäten der Org., SWOT Analyse

- Teilnehmende Beobachtung,

Interviews

Inhalte

Wo könnte im Gesundheits-, Ausbildungs- Ernährungs-, Landwirtschafts-, Klima-, Sozialprojekt etc. R&K implizit oder explizit eine Rolle spielen?

Welche (religiösen) Mythen, Tabus, Wertvorstellungen könnten sich auf die Massnahme auswirken? Gibt es religiöse Orte, zeitliche Abläufe, die beachtet werden müssen?

Welche religiösen oder säkularen Weltanschauungen/Deutungssysteme sind vorherrschend? (bezüglich Familie, Gesundheit, Körperlichkeit, Ernährung, Gewalt etc.

Beobachtungen, Interviews, Feldstudien,

Stolperfragen

Warum ist eine Massnahme besonders erfolgreich gewesen? Wo ist etwas schief gegangen? Wo war ich überrascht?

Reporting, Selbstreflexion

Logframe

Welcher (persönliche, soziale, gesellschaftlich-politische) Wandel muss erfolgen, damit das Projekt Wirkung zeigt? Gibt es religiöse Entscheidungsdungsträger, die dafür wichtig sind? Gibt es religiöse Institutionen, die dafür wichtig sind?

Welche religiösen Einstellungen könnten förderlich sein oder den Wandel behindern?

Formulieren eines entsprechenden outcomes/outputs mit den dazugehörenden Aktivitäten.

Reporting

-nach Dienstreise

- für Jahresbericht

Eine (unerwartete) Beobachtung/Geschichte, die einen Zusammenhang zum Transzendenten haben könnte und die zu einer Anpassung des Logframes führt oder zum Monitoring. Oder eine Beobachtung, die mit der Ausrichtung und Position der Organisation diskutiert werden sollte, etc.

Storytelling