schlüsselerlebnis sl krimi kapitel 5
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Schlüsselerlebnis SL Krimi Kapitel 5TRANSCRIPT
Schlüsselerlebnis
Ein Paula-Ender-Krimi für
Security Land
von
Ilona Mayer-Zach
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FÜNF
„Nur damit Sie nicht glauben, dass das ein Scherz
ist“, fügte die Stimme am anderen Ende der Leitung
hinzu. „Vor Ihrer Eingangstür finden Sie ein kleines
Souvenir von uns. Wir behalten Sie im Auge, Frau
Ender!“
Paula fröstelte. Ihre Paranoia war also nicht aus der
Luft gegriffen. Der Mann im Hauseingang, der ge-
klaute Computer und die Unterlagen. Und während
sie hier drinnen Ordnung gemacht hatte, war drau-
ßen vor der Wohnung offenbar jemand gewesen.
Nur durch eine schlecht gesicherte Tür von ihr ge-
trennt. Dankbar streichelte sie Vivaldi übers Fell. Wie
gut, dass der Chihuahua so laut gekläfft hatte. An-
dernfalls hätten ihr die Kriminellen die Warnung
vielleicht persönlich überbracht.
Nach einem Blick durch den Spion öffnete Paula die
Tür. Auf der Fußmatte lag eine kleine Figur oder
besser das, was von ihr übrig war: ein hölzerner
Pinocchio mit abgebrochenen Armen und Beinen.
Irgendwo hatte sie so eine Figur, allerdings noch
unbeschädigt, schon gesehen! Sie überlegte, ob sie
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die Polizei anrufen sollte, damit die Beamten allfälli-
ge Fingerabdrücke sichern konnten. Doch dann
verwarf sie den Gedanken. Bis auf das eine Haar
hatten die Einbrecher in Paulas Wohnung keine
brauchbaren Spuren hinterlassen, hatte ihr ein Be-
amter in der Zwischenzeit mitgeteilt. Die Finge-
rabdrücke waren mit denen in der Polizeidatei vergli-
chen worden, doch ohne Erfolg. Wahrscheinlich
stammten sie von Clea und Kurt, während die Täter
mit Handschuhen gearbeitet hatten. Hier waren al-
lem Anschein nach gewiefte Profis am Werk, mit
denen nicht zu spaßen war. Paula ballte ihre Faust
und machte eine Drohgebärde in Richtung Treppen-
haus.
„Nicht mit mir!“, zischte sie zornig und holte eines der
Sackerln, die sie für Vivaldis Gackerl eingesteckt
hatte, aus ihrer Jackentasche. Vorsichtig stülpte sie
es über den malträtierten Pinocchio und steckte ihn
ein.
Dann verschwand sie wieder in der Wohnung und
verschloss die Tür hinter sich. Das Chaos kümmerte
sie vorerst nicht mehr. Das Einzige, was sie momen-
tan interessierte, waren die Gaunerzinken, der
Schlüssel und die Listen, die offenbar so wichtig
waren, dass ihr die Kriminellen sogar drohten. Paula
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dachte nicht eine Sekunde daran, den Inhalt des
Briefes an die Ganoven auszuhändigen. Gedanken-
verloren ging sie in die Küche und trank ein Glas
Wasser. Dabei fiel ihr Blick auf das Security-
Magazin, das der Sicherheitsfachberater auf dem
Küchentisch hatte liegen lassen. Eine der Seiten
erregte ihre besondere Aufmerksamkeit. Unter der
Rubrik „Klein, aber oho“ wurde eine Kugelschreiber-
kamera angepriesen, die James Bonds Liebling
genannt wurde. Wie praktisch! Daneben wurde ein
moderner Türspion vorgestellt. Er hatte einen Bewe-
gungssensor und eine Sicherheitskamera eingebaut,
die Bilder vor der Wohnungstür aufzeichnete und auf
einer SD-Card speicherte.
Wäre Paula doch schon vor dem Einbruch in eine
Security Land-Filiale gegangen und hätte sich nach
nützlichen Sicherheitseinrichtungen erkundigt, um ihr
trautes Heim auszustatten! Dann wären die Diebe
erst gar nicht bei ihr eingebrochen. Oder hätten die
Kriminellen dann eine andere Möglichkeit gefunden,
sie unter Druck zu setzen?
Es war höchste Zeit, dass Paula sich mit den Re-
cherchen für ihre letzten Artikel auseinandersetzte,
damit sie irgendwo auf irgendeine Spur stieß, die ihr
weiterhalf.
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Da war zum Beispiel das Interview mit dem Antiquitä-
tenhändler Theobald Stoch. Paula hatte ihn zu meh-
reren Kunstdiebstählen befragt, wegen denen er vor
Jahren angeklagt war. Es war ihm vorgeworfen wor-
den, wertvolle historische Kunstwerke über die
Grenze geschmuggelt zu haben. Stoch musste da-
mals mangels Beweisen freigesprochen werden. Als
Paula ihn auf diese heikle Geschichte ansprach,
hatte er sehr verärgert reagiert und sie hinausgewor-
fen. Ob er ihr die Ganoven auf den Hals gehetzt
hatte?
Paula rief Vivaldi herbei und beeilte sich aus der
Wohnung zu kommen.
Unterwegs passierte nichts Verdächtiges. Keine
Verfolger waren zu sehen, keine Autos, die neben ihr
herfuhren. Auch rief sie niemand am Handy an, um
sie noch mehr einzuschüchtern. Anscheinend waren
ihre Gegenspieler davon überzeugt, dass die erste
Drohung bereits ausreichend gewirkt hatte.
Als sie in Alinas Wohnung angekommen war, fühlte
sie sich endlich wieder wohler. Vivaldi bekam fri-
sches Wasser und Leckerlis als Belohnung für sei-
nen heldenhaften Einsatz. Dann machte Paula es
sich im Gästezimmer gemütlich. Während das Note-
book hochfuhr, räumte sie alle Unterlagen aus der
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Reisetasche und begann, sie auf dem Teppich zu
sortieren. Der Chihuahua lag neben ihr und beo-
bachtete aufmerksam jede ihrer Handbewegungen.
Paula ließ alle Termine der letzten Wochen in Ge-
danken Revue passieren und machte sich Notizen.
Noch wusste sie nicht, was wirklich wichtig war, aber
das würde sich hoffentlich früher oder später klären.
Recherchearbeit war für Paula wie ein Puzzle, das
zuletzt ein klares Bild ergab. Zumindest war es bis-
her immer so gewesen.