sergio marchionne + alfa romeo: das ende eines mythos? · 6.6 milliarden mehr als verdoppelt. damit...

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1 Kleeblatt 1/2010 Seit 2004 irrlichtert Sergio Marchion- ne, hochgepriesener und knallharter Manager, als CEO von Fiat. Sein bis- heriger Leistungsausweis: Als Ver- waltungsrat der schweizerischen Grossbank UBS hat er das wirtschaft- liche Debakel mit den toxischen Wertpapieren genauso mitzuverant- worten wie Marcel Ospel und Konsor- ten. Ohne das Einschiessen von 60 Milliarden Franken durch den Staat hätte die UBS letztes Jahr zusperren können. Die neuste Entwicklung: Fiat schickt seine Belegschaft in Zwangs- ferien und schliesst das Werk in Ter- mini-Imerese. Und für die Lancierung neuer Modelle fehlt das Geld. Was hat Marchionne bis heute er- reicht? Eigentlich nur gerade, dass er dauernd im Gespräch ist, nicht zu- letzt wohl auch deshalb, weil er immer im Pullover auftritt und zumin- dest unter diesem Gesichtspunkt nicht zu den „Nieten in Nadelstreifen“ gehört ...! Und sonst: Sein Gesellenstück war das Herauslösen von Fiat aus dem unsäglichen Fiat-GM-Zusammenar- beitsvertrag, das er sich von GM mit einigen Milliarden Euro hat vergolden lassen. Dies ist kurzfristig der Liquidi- tät von Fiat zu Gute gekommen und hat dazu beigetragen, dass die Fiat- Zahlen nicht von Anbeginn weg kata- strophal ausschauten. Ein Konzept für den Fiat-Konzern Sergio Marchionne + Alfa Romeo: Das Ende eines Mythos? dürfte er nicht gehabt haben. „Was die Strategie betrifft, so ist die Koope- ration zwischen Alfa und Maserati ein Beispiel für intelligente Synergieef- fekte“, dozierte Sergio Marchionne kurz nach seinem Stellenantritt. „Wenn unsere Rechnung aufgeht, müssen wir kein weiteres italieni- sches Werk schließen“, diktierte er den Journalisten in die Hefte. Alles Makulatur: Das Experiment mit Karl- heinz Kalbfell scheiterte, kaum hatte es begonnen und Werke (Termini Imerese, Pomigliano d’Arco) werden geschlossen. Immerhin: Unter seiner Aegide hat sich die Verschuldung von 3.2 auf 6.6 Milliarden mehr als verdoppelt. Damit läuft der Fiat-Konzern Gefahr, zu wenig Geld in eine vernünftige Zitate von und über Segio Marchionne: „Was die Strategie betrifft, so ist die Kooperation zwi- schen Alfa und Maserati ein Beispiel für intelligente Syn- ergieeffekte“, doziert Sergio Marchionne. „Wenn unsere Rechnung aufgeht, müssen wir kein weiteres italieni- sches Werk schliessen. (Süddeutsche 11. Dez. 2006) Marchionne: Alfa und Lan- cia ab 2010 profitabel Fiat will nur noch für wenige Jahre die Verluste der Kon- zernmarken Alfa Romeo und Lancia übernehmen und rechnet bereits in drei Jahren mit schwarzen Zah- len bei den Konzerntöch- tern. Konzernchef Sergio Marchi- onne sagte: „Heute müssen beide von Fiat unterstützt werden. Aber bei einer Stückzahl von 300.000 wer- den beide profitabel sein. Im Jahr 2010 werden diese zwei Marken Geld verdie- nen.“ Marchionne bestätig- te, dass Alfa Romeo ab 2009 wieder in die USA ex- portiert. Die ersten Modelle, die erhältlich sind, werden der Spider, Brera und der 166-Nachfolger sein. Mar- chionne rechnet mit einem raschen Erfolg in den USA. „2010 sollten wir 20.000 Au- tos verkaufen können. Wichtig ist, dass wir wieder in diesen Markt gehen, auch wenn es uns in den ersten Jahren Geld kosten wird. Wir müssen erst einmal in die Marke inves- tieren. Aber unser Ziel ist es, nach einigen Jahren so viele Alfa in den USA zu verkaufen, wie BMW das heute tut.“ (ams, 5. Juni 2007) Der italienische Fiat-Kon- zern erwägt laut einem Pressebericht eine Koope- ration mit dem Autobauer BMW . Für die Auftragspro- duktion von Autos der Toch- Die neue Giulietta: Nicht schlecht, aber das Egger-Originalstyling war besser

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Page 1: Sergio Marchionne + Alfa Romeo: Das Ende eines Mythos? · 6.6 Milliarden mehr als verdoppelt. Damit läuft der Fiat-Konzern Gefahr, zu wenig Geld in eine vernünftige Zitate von und

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Seit 2004 irrlichtert Sergio Marchion-ne, hochgepriesener und knallharterManager, als CEO von Fiat. Sein bis-heriger Leistungsausweis: Als Ver-waltungsrat der schweizerischenGrossbank UBS hat er das wirtschaft-liche Debakel mit den toxischenWertpapieren genauso mitzuverant-worten wie Marcel Ospel und Konsor-ten. Ohne das Einschiessen von 60Milliarden Franken durch den Staathätte die UBS letztes Jahr zusperrenkönnen. Die neuste Entwicklung: Fiatschickt seine Belegschaft in Zwangs-ferien und schliesst das Werk in Ter-mini-Imerese. Und für die Lancierungneuer Modelle fehlt das Geld.

Was hat Marchionne bis heute er-reicht? Eigentlich nur gerade, dass erdauernd im Gespräch ist, nicht zu-letzt wohl auch deshalb, weil erimmer im Pullover auftritt und zumin-dest unter diesem Gesichtspunktnicht zu den „Nieten in Nadelstreifen“gehört ...!

Und sonst: Sein Gesellenstück wardas Herauslösen von Fiat aus demunsäglichen Fiat-GM-Zusammenar-beitsvertrag, das er sich von GM miteinigen Milliarden Euro hat vergoldenlassen. Dies ist kurzfristig der Liquidi-tät von Fiat zu Gute gekommen undhat dazu beigetragen, dass die Fiat-Zahlen nicht von Anbeginn weg kata-strophal ausschauten.

Ein Konzept für den Fiat-Konzern

Sergio Marchionne + Alfa Romeo: Das Ende eines Mythos?

dürfte er nicht gehabt haben. „Wasdie Strategie betrifft, so ist die Koope-ration zwischen Alfa und Maserati einBeispiel für intelligente Synergieef-fekte“, dozierte Sergio Marchionnekurz nach seinem Stellenantritt.„Wenn unsere Rechnung aufgeht,müssen wir kein weiteres italieni-sches Werk schließen“, diktierte erden Journalisten in die Hefte. AllesMakulatur: Das Experiment mit Karl-heinz Kalbfell scheiterte, kaum hattees begonnen und Werke (TerminiImerese, Pomigliano d’Arco) werdengeschlossen.

Immerhin: Unter seiner Aegide hatsich die Verschuldung von 3.2 auf6.6 Milliarden mehr als verdoppelt.Damit läuft der Fiat-Konzern Gefahr,zu wenig Geld in eine vernünftige

Zitate von und über SegioMarchionne:

„Was die Strategie betrifft,so ist die Kooperation zwi-schen Alfa und Maserati einBeispiel für intelligente Syn-ergieeffekte“, doziert SergioMarchionne. „Wenn unsereRechnung aufgeht, müssenwir kein weiteres italieni-sches Werk schliessen.(Süddeutsche 11. Dez.2006)

Marchionne: Alfa und Lan-cia ab 2010 profitabelFiat will nur noch für wenigeJahre die Verluste der Kon-zernmarken Alfa Romeound Lancia übernehmenund rechnet bereits in dreiJahren mit schwarzen Zah-len bei den Konzerntöch-tern.Konzernchef Sergio Marchi-onne sagte: „Heute müssenbeide von Fiat unterstütztwerden. Aber bei einerStückzahl von 300.000 wer-den beide profitabel sein. ImJahr 2010 werden diesezwei Marken Geld verdie-nen.“ Marchionne bestätig-te, dass Alfa Romeo ab2009 wieder in die USA ex-portiert. Die ersten Modelle,die erhältlich sind, werdender Spider, Brera und der166-Nachfolger sein. Mar-chionne rechnet mit einemraschen Erfolg in den USA.„2010 sollten wir 20.000 Au-tos verkaufen können.Wichtig ist, dass wir wiederin diesen Markt gehen,auch wenn es uns in denersten Jahren Geld kostenwird. Wir müssen ersteinmal in die Marke inves-tieren. Aber unser Ziel istes, nach einigen Jahren soviele Alfa in den USA zuverkaufen, wie BMW dasheute tut.“(ams, 5. Juni 2007)

Der italienische Fiat-Kon-zern erwägt laut einemPressebericht eine Koope-ration mit dem AutobauerBMW . Für die Auftragspro-duktion von Autos der Toch-Die neue Giulietta: Nicht schlecht, aber das Egger-Originalstyling war besser

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Produkteplanung, die Qualität seinerModelle, die Vertriebswege und Mar-kenführung zu investieren. Investitio-nen in diese Bereiche sind ein „must“und immer der Schlüssel zum Erfolg.

Bei den Opel-Übernahme-Verhand-lungen im letzten Herbst hat sichMarchionne blamiert. Sowohl beiKanzlerin Merkel, Wirtschaftsministerzu Guttenberg und Kurt Beck (Minis-terpräsident Rheinlandpfalz) ist erdurchgefallen - aus der Bedienungaus dem deutschen Subventionstop-fes wurde nichts.

Auf offenere Türen stiess er beim

eingesetzt ...! Die Durchlaufzeit sei-ner Statthalter liegt bei knapp 12 Mo-naten. Unter dem Aspekt, dass dieEntwicklung eines neuen Modellesgut 24 Monate dauert, ist es nichtverwunderlich, wenn Alfa Romeo dieModelle ausgehen - ein neuer CEO,der seinen Job ernst nimmt, will hierentscheidend mitbestimmen können.

Vier Kriterien machten früher einenechten Alfa Romeo aus: SchönesDesign, tolle Motoren, ein tadellosesHandling und Hinterrad-Antrieb. Al-fisti stöhnten auf, als mit der Einfüh-rung des Alfa Romeo 164 auf Front-antrieb umgestellt wurde. Vor zwei

ter Alfa Romeo in den USAab 2011 könnte Fiat dieBayern als Partner auszu-wählen, berichtet „MilanoFinanza“ (Mittwochausga-be) unter Berufung auf Un-ternehmenskreise. Gesternhatte Fiat-Chef Sergio Mar-chionne in einem Zeitungs-interview angekündigt, Au-tos der Marke Alfa Romeoin Nordamerika bauen zuwollen. Nach einem Part-ner, der die Produktionübernehmen könne, werdederzeit gesucht.(Handelszeitung 26. März2008)

BMW und Alfa Romeo, diegroßen Rivalen der 70er,denken ernsthaft über eineKooperation nach. Die ersteAbsichtserklärung ist unter-schrieben.(Auto-Bild, 8. Juli 2008)

Dabei verfügen die Italienerohnehin nicht über ein über-trieben großes Reservoir anTop-Managern - herausra-gende Persönlichkeitenhielten sich nie lange in Tu-rin. Etwa der einstige Audi-Manager Herbert Demel,der bereits nach 15 Mona-ten seinen Chefposten beiFiat wieder räumen musste.Auch Ex-BMW-ManagerKarl-Heinz Kalbfell bekamkeine wirkliche Chance, sei-ne Vorstellungen umzuset-zen. Jüngstes Opfer desrauen Betriebsklimas ist derMarketing-Star Luca deMeo, der zu VW wechselt.(Spiegel online, 20. Jan.2009)

Fiat sei eigentlich bereitsvon allen abgeschriebenworden. Allerdings: AuchMarchionne koche nur mitWasser. «Mit dem neuenFiat 500 – der ja vor Marchi-onnes Zeit entwickelt wurde– ist Fiat wirklich ein schö-ner Wurf gelungen», so derProfessor. Mit seiner Mar-kenstrategie sei der Mana-ger aber weniger erfolg-reich. Seine jungen Man-

Das gefällt Marchionne: Dodge-Challenger-Alfa-Romeo-Hybrid!

maroden Chrysler-Konzern in denUSA. Auch hier will er an die von Ob-ama in Aussicht gestellten Milliardenkommen. Man darf gespannt abwar-ten, was zwei am Boden liegendeKonzerne (Fiat und Chrysler)schlussendlich fertig bringen. Es istkaum anzunehmen, dass Marchion-ne etwas schaffen wird, was denMercedes-Managern schon nicht ge-lungen ist ...

Mit Harald Wester, bisher für Mase-rati und Abarth verantwortlich, hatMarchionne Ende Januar 2010 denmittlerweile fünften CEO von Alfa Ro-meo seit seinem Amtsantritt 2004

Jahren wurde mit der Schliessungder Motorenabteilung in Arese einweiterer Eckpfeiler amputiert. Undüber die Qualität des Designs lässtsich seit dem Abgang von WolfgangEgger trefflich streiten. Was ist vonden vier Eckpfeilern noch übrigge-blieben?

Seit fünf Jahren zieht Sergio Marchi-onne über Alfa Romeo her und jam-mert, dass die Marke nur Verlusteeinfährt. Wer aber ist denn letztlichdafür verantwortlich? Wem laufenreihenweise bestqualifizierteste Füh-rungskräfte davon? Wer spricht dau-ernd davon, die Mailänder-Firma, re-

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spektive, das, was davon überigge-blieben ist, zuzusperren? Es ist Mar-chionne gelungen, Lancia definitiv andie Wand zu fahren - dasselbeSchicksal wird Alfa Romeo in nächs-ter Zeit wohl auch erleben. Dann gehtaus einem 100jährigen Krieg zwi-schen Turin und Mailand der Agnelli-Clan als Sieger hervor, der ungelieb-te Mitbewerber verschwindet. Viel-leicht wäre es 1986 besser gewesen,der damalige Präsident der Staats-holding IRI, Romano Prodi, hätte AlfaRomeo nicht nach Turin (wobei unsi-cher ist, ob Fiat die geschuldeteSumme überhaupt jemals bezahlthat) sondern nach Detroit an Fordverkauft. Denn wie sagte einst HenryFord respektvoll: „Jedes Mal wennich einen Alfa Romeo sehe, ziehe ichmeinen Hut“. Sergio Marchionnegeht auch dieses Quentchen Re-spekt völlig ab ... Henry Ford waraber jeweils auch anständig geklei-det und kam nicht wie ein Randstän-diger im Pullover daher!

Als Sergio Marchionne vor sechsJahren seinen Job in der TurinerKonzernzentrale angetreten hatte,fand er bei Alfa Romeo ein lückenlo-ses Typensortiment vor.

Dem 147er wurde gerade ein flottesup-date verpasst, der 159, Nachfol-ger des erfolgreichen 156ers stand inden Startlöchern und im Alfa-Romeo-eigenen Centro Stile in Arese wurdemunter am 166er-Nachfolger, einemSUV und dem kleinen Sportwagen„Diva“, einem kleinen Spider unddem 8C Competizione als Basis fürgrosse Sportwagen gewerkelt. Der„Junior“, aus dem dann der „Mito“hervorging und der 149er, aus demdie Giulietta“ wurde, standen Vorse-rienmodelle (mit deutlich attraktive-rem Original-Egger Styling) bereit.Mit einem „go“ von Marchionne undder Voraussetzung, dass er genü-gend Gelder für die Modelleinführunghätte freimachen können, wäre dieKontinuität garantiert gewesen. Aus-serdem gab es bei Alfa Romeo 2004noch eine intakte Motorenabteilung,die so wunderbare Triebwerke wieden V6 3.2-Liter-GTA herstellte (aufdem Prüfstand liefen Versuchsreihenmit noch potenteren Motoren, die In-genieure versuchten sich auch an ei-ner Kombination aus Diesel-+ Otto-Motor). Marchionne fand ein gut be-stelltes Feld vor, auf dem er die Erntehätte einfahren können.

ger, die er voll des Lobs an-gekündigt hatte – seienteilweise bereits wieder ab-gesprungen. «Bestes Bei-spiel ist Luca de Meo, derzuerst Super-Manager beiFiat war, dann zu Alfa wech-selte und jetzt bei VWwirkt», fügt Dudenhöffer an.(20min. 29. Jan. 2009)

Fiat/Opel/Chrysler: Hoch-zeit aus Verzweiflung(Focus April 2009)

Sergio Marchionne ist einerder typischen Vertreter je-ner Schicht von Finanzma-nagern, die Industrieunter-nehmen in einer Art undWeise leiten wie Hedge-fonds, das heisst: Unter-nehmen kauft, umkrempeltund wieder verkauft, um dieVerschuldung der ihm an-vertrauten Investmentfondsauszubalancieren und denReichtum seiner Geldgeberzu vergrößern. Das Lebender arbeitenden Bevölke-rung, ihre Sorgen und Exis-tenznöte interessieren ihnnicht.(wsws.org, 8. Mai 2009)

Fiat / ChryslerVW-Chef Ferdinand Piëchdrückte dies jüngst sinnge-mäss so aus: Auch wennsich viele Fusskranke zu-sammentun, laufen sie nichtWeltrekord.(NZZ 16. Mai 2009)

Vorstandschef Sergio Mar-chionne räumte am Montagin Detroit allerdings ein,dass Alfa von allen Fiat-Marken zurzeit die meistenFragen aufwerfe. Alfa Ro-meo könne nicht allein vonseiner stolzen Geschichteleben. «Wir müssen Autosverkaufen und nicht überGeschichte sprechen»,sagte Marchionne.(Baz, 12. Jan. 2010)

Alfa Romeo muss zitternDie Autokrise sucht weitereOpfer. Alfa Romeo steht vorder vielleicht letzten Bewäh-rungsprobe. Auf der Motor-

Laut „Autobild“ könnte der 159er-Nachfolger „Giulia“ heissen

Eine unerfüllte Marchionne-Vision:der neue Mar (Mini-Alfa Romeo)

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Was hat er daraus gemacht? Er liqui-dierte als erstes die Motorenpaletteund liess Opel-Vectra-Motoren (2.2Liter Vierzylinder) und Holden (3.2 Li-ter-Sechszylinder) implantieren.Dann wurden die gesamten Modell-paletten gekippt und heute jammerter, Alfa-Romeo-Modelle liessen sichnicht mehr verkaufen. Spitzenleutewie Wolfgang Egger, Luca de Meo(beide im Volkswagenkonzern),Chefingenieur Carlo Fugazza (heutebei Ferrari), Antonio Baravalle,Sergio Cravero und viele andere,verliessen frühzeitig die MailänderMarke, weil sie deren Zukunft nichtmehr gesichert sahen.

„CarMen“ wie Herbert Demel oderKarlheinz Kalbfell wurden kurzer-hand auf die Abschussrampe ge-stellt. Fünf Jahre nach dem klägli-chen Scheitern des Experimentesmit der Zusammenlegung von Ab-arth, Maserati und Alfa Romeo ver-sucht es derjenige, der diesen deso-laten Zustand der Mailänder Markezu verantworten hat, mit der Ernen-nung von Harald Wester erneut,nachdem er es vorher nicht auf dieReihe gekriegt hat.

Und mit einer unwahren Legendemuss endlich aufgeräumt werden:Sergio Marchionne gilt als grosserRetter von Fiat, dem mit dem „Cin-quecento“ ein genialer Streich gelun-

show in Detroit kündigteFiat-Chef Marchionne einegründliche Neubewertungder italienischen Sportwa-gen-Marke Alfa Romeo an.

Grund: 180.000 verkaufteAutos fehlen Alfa Romeo,um in die schwarzen Zahlenzu kommen. Und die Kon-kurrenz mit BMW und Audiist hart.(Handelsblatt online, 13.Jan. 2010)

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09Marchionnes Geschenk an die Alfisti

gen ist. Leider - für den Italo-Ka-nadier - ist es so, dass die Knutsch-kugel auf Kiel gelegt wurde, bevor erim Fiat-Konzern anheuerte. DieMarkteinführung war zwar erst imJahr 2007, die Modellentwicklung be-gann aber vor der Marchionne-Zeit-rechnung bei Fiat.

Im Jahre 2000 verkaufte Alfa Romeo206’000 Autos. Marchionne schafftees, innerhalb von fünf Jahren nachseinem Amtsantritt die Zahlen auf109’000 herunterzufahren. Bei sei-

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nen Auftritten fabulierte er immer von 300’000 Ein-heiten, die Alfa Romeo auf den Markt werfen sollte -sein Wirken ging genau in die entgegengesetzteRichtung. Heute beklagt er sich, dass die Zielenicht erreicht werden - intern unternimmt er alles,dass dies nie gelingen kann.

Auf dem Detroiter Autosalon im Januar stellte Mar-chionne einen Lancia Delta mit lieblos aufgepflas-tertem Chrysler-Emblem auf den Fiat-Chryslerstand und verkündete die Zukunft des neuen Kon-zerns. Für Alfa Romeo bricht eine harte Zeit an.Marchionne drohte damit, dass ein 166er-Nachfol-ger auf der Plattform eines Chrysler 300 geplantsei. Eine tolle Innovation, handelt es sich bei die-sem Modell um ein Fahrzeug, das seinerzeit Mer-cedes-Benz beisteuerte und auf der E-Klasse ausden 90er Jahren basiert!

Und vollmundig kündigte Sergio Marchionne Ende

Bei Fiat schaffte es Marchionne kurzfristig, die Talfahrt zu stoppen. Der Peak wurde 2007 erreicht, seither geht’s wieder runter.Anders bei Alfa Romeo: Seit Amtsantritt haben sich die Verkaufszahlen halbiert! (Zahlen Automobil Revue, Bern)

April in Turin ‚die Zukunft von Fiat’ an. Alle Medienberichteten darüber und allen Journalisten klapptedas Kinn vor Bewunderung des Pullover tragendenTausendsassas nach unten. Die wievielte Ankündi-gung von Marchionne war dies? Welche Tatenliess er seinen Ankündigungen jeweils folgen? Seit2004, als er den Job im Fiat Konzern angetretenhat, entpuppen sich seine Aussagen als Schall undRauch. Ein kritischer Journalist hätte an der Fiat-Strategie-Präsentation vorletzte Woche bloss dielapidare Frage stellen müssen, wie Marchionne dieEntwicklung der unzähligen neuen Modelle vordem Hintergrund der leeren Fiat-Chrysler-Kassenfinanzieren will. Ferdinand Piech hat hier eigeneAnsichten: „Auch wenn sich viele Fusskranke zu-sammentun, laufen sie nicht Weltrekord“, kommen-tierte er vor Jahresfrist die Allianz Fiat / Chrysler.Wie sehr sich der Italo-Kanadier überschätzt, zeigtseine an der PK in Turin gemachte Aussage:„“Wenn ich überhaupt ein Talent habe, ist es dieWiederbelebung der Autoindustrie“. Man kann aufdie Ankündigungen von Sergio Marchionne aberauch wie Johann Wolfgang von Goethe reagieren:„Wohlan die Botschaft hör ich gern, allein mir fehltder Glaube.“ Thomas Suter

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Alfa 104,400 201,145 219,571 146,000 222,198 156,000 206,836 139,000 157,794 151,751 109,418

1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2006 2007 2008

Verkaufszahlen(Europa)

Ausverkauf im WerksmuseumAm 26. und 27. Juni gehen in Mailand die Festlichkeiten„100 Jahre Alfa Romeo“ über die Bühne. Hinter den Ku-lissen wird in der Fiat-Zentrale in Turin aber bereits amnächsten Paukenschlag gegen die Marke Alfa Romeogearbeitet: Zumindest ein Teil der Museums-Pretiosenaus dem Alfa-Romeo-Werksmuseum sollen unter denHammer kommen, unter anderem eine von zwei Formel-1-Weltmeister-Werks-Alfettas aus dem Jahre 1950/1951! Im Alfa-Romeo-Museum in Arese, der letzten vonMarchionne noch nicht gekappten Nabelschnur zur Mai-länder-Manufaktur steht wohl eine der komplettestenModellsammlungen, über die ein Auto-Konzern verfügt.Die Pretiosen haben den 2. Weltkrieg überstanden, alssie gesichert an einem geheimen Ort am Orta-See stan-den, währenddem dem das Werk in Portello von den Al-liierten ausgebombt wurde. Was die Alliierten nicht ge-schafft haben, wird nun vom Fiat-CEO Sergio Marchion-ne vollzogen: Das Tafelsilber wird auseinander gerissenund verscherbelt - ein Tropfen auf den heissen Stein derleeren Fiat-Kassen ...!