thyssenkrupp-aktionszeitung der ig metall – oktober 2017 ... · werden wir das gesamte konzept...
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Es geht um sehr viel mehr. Die Zukunft einer gan-
zen Region steht auf dem Spiel. Ruhrgebiet ohne
Stahl? Wir wollen uns das Elend gar nicht vorstel-
len. Wenn wir nicht aufpassen, könnte am Ende die
komplette tkAG den Bach runtergehen. Tausende von
Arbeitsplätzen sind gefährdet – im gesamten Land.
Wir wissen, was wir von großmundigen Versprechen
zu halten haben. Stichwort Brasilien. Hier hat das
Unternehmen mal eben fast seinen gesamten Bör-
senwert verzockt. Das lassen wir kein zweites Mal mit
uns machen. thyssenkrupp ist nun über beide Ohren
verschuldet und will die Pleitemilliarden in die neue
Stahlgesellschaft kippen. Das ist der Plan. Und der
ist inakzeptabel. Stahl darf nicht zur „Bad Bank“ oder
Glaubt man der Unternehmensleitung von thyssen-
krupp, ist die Fusion mit Tata Steel der Grundstein ei-
ner neuen Erfolgsgeschichte, und das „Joint Venture“
sichere die Zukunft des gesamten Konzerns.
Einspruch. Wir, die IG Metall, sehen eine mögliche
Fusion mit Tata kritisch. Sehr kritisch! Und deshalb
werden wir das gesamte Konzept auf seine wirt-
schaftliche, mitbestimmungsrechtliche und soziale
Belastbarkeit hin prüfen, bevor wir in irgendwelche
Verhandlungen mit dem Unternehmen treten.
Es ist noch längst nichts unter Dach und Fach. Denn
es geht bei den Plänen der Konzernleitung nicht allein
um 2000 Arbeitsplätze in der Stahlindustrie, die
„irgendwie sozialverträglich von alleine wegfallen“ –
und danach würde dann alles gut.
anders ausgedrückt, zum „Schuldenklo“ der thyssen-
krupp AG werden.
Überall in den Belegschaften regt sich deshalb Wider-
stand. Zuletzt in Bochum: 7000 haben dort demons-
triert. Gemeinsam mit den Beschäftigten fordern wir
verbindliche Garantien. Und wir fordern, dass die
Anteilseigner ihrer sozialen Verantwortung gerecht
werden. Hallo, Villa Hügel, aufgewacht! Ja, ihr seid
gemeint.
Wenn wir nicht bald vernünftige Antworten erhalten,
dann brennt hier die Hütte!
thyssenkrupp-Aktionszeitung der IG Metall – Oktober 2017 – Ausgabe 1
ES GEHT UM UNS
Wir fordern verbindliche Garantien.
THYSSENKRUPP SPIELT
MIT UNSERER ZUKUNFT!
„thy-Tata“ heißt Brandgefahr: Standorte stehen auf dem Spiel, Arbeitsplätze sind in Gefahr. Die IG Metall fordert Klarheit.
FUSIONS-FANTASIEN Ein Zusammenschluss mit Tata ist noch lange nicht beschlossene Sache. Seite 2
DIE STREICHLISTEEine thysssenkrupp-Deutschlandkarte: wo es überall brennt. Seite 3
DAS SCHULDENMONOPOLYWie thyssenkrupp Milliarden an Altlasten in das neue Unternehmen kippen will. Seite 4
STAHL-WILLI, WAS IST LOS?Der Konzernbetriebsratsvorsitzende Willi Segerath im Interview. Seite 7
beste und richtige Weg für thyssenkrupp Steel Europe
ist“, sagt Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall
Nordrhein-Westfalen. Detlef Wetzel, stellvertretender
Aufsichtsratsvorsitzender von thyssenkrupp Steel
Europe und ehemaliger Erster Vorsitzender der
IG Metall, warnt vor Standortschließungen und Mas-
senentlassungen.
Als Reaktion auf den Widerstand und die Protest-
aktionen von IG Metall und Belegschaft hat die Kon-
zernleitung angeboten, eine Arbeitsgruppe einzu-
richten. Dort sollen entscheidende Fragen zwischen
der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberseite geklärt
werden. Verhandlungen über eine Fusion mit Tata
sind diese Gespräche aber nicht, betont die IG Metall.
„Wir gehen die Gespräche völlig ergebnisoffen an“,
sagt der IG Metall-Unternehmensbeauftragte Markus
Grolms, der die Interessen der Beschäftigten in der
Arbeitsgruppe vertritt. Nichts ist tabu, auch ein Nein
zur Fusion nicht.
Kein Zweifel, Stahl steht stark unter Druck. Von zwei
Seiten wird die Branche in die Zange genommen.
China schwemmt den Markt mit Billigexporten, und
politische Vorgaben zum vermeintlichen Klimaschutz
bringen die Stahlhersteller in Europa zusätzlich in
Bedrängnis.
Die IG Metall fordert schon seit langem, in dieser
Situation ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell auf die
Schiene zu bringen, das da lautet: „Wir können nicht
so billig sein wie die anderen. Aber wir können besser
sein. Wir können Stahl auch klimafreundlich. Man
muss uns nur lassen.“
Die Zukunft liegt in Spezialstählen, in höchster Quali-
tät und in umweltfreundlichen Herstellungsmethoden.
DAMIT DAS KLAR IST: DIESE FUSION IST NOCH LANGE NICHT BESCHLOSSEN.
thyssenkrupp will eine Fusion mit Tata unbedingt
voranbringen. Beide Unternehmen haben ein soge-
nanntes „Memorandum of Unterstanding“ unter-
schrieben, also eine unverbindliche Absichtserklä-
rung. Solche Erklärungen kann die Konzernspitze
unterschreiben, ohne dass der Aufsichtsrat zustim-
men muss. Die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat
hätte das derzeit auch nicht getan, aber die Konzern-
leitung hat noch nicht einmal gefragt. Der Aufsichts-
rat nimmt dies zur Kenntnis. thyssenkrupp will den
Zusammenschluss mit aller Macht.
Die Absichtserklärung alleine bedeutet allerdings
nicht viel. Ob aus der Absicht Ernst werden kann,
muss sich aus Sicht der IG Metall erst noch erweisen.
„Wir verhandeln nicht, bevor wir nicht wissen, wo der
Zug hinfährt“, sagt Markus Grolms, der für die
IG Metall im Aufsichtsrat sitzt. Erst muss klar sein,
dass das Konzept wirtschaftlich trägt. Dann muss klar
sein, dass die Interessen der Beschäftigten gewahrt
sind und nicht wieder nur die der Banken, Aktionäre
und Finanzmarkt-Jongleure. Erst dann, und nur dann,
verhandeln wir!
Viele Fragen sind völlig ungeklärt. Hätte das neue Un-
ternehmen eine Chance auf dem Markt? Was wird aus
den Beschäftigten? Was aus den Stahl-Standorten?
Die Befürchtung, dass es nur darum geht, das Unter-
nehmen für eine Zerschlagung vorzubereiten, damit
sich Großaktionäre die Filetstücke herausschneiden
können, hat die Konzernleitung bislang nicht wider-
legt.
Deshalb überwiegt in den Reihen der Beschäftigten,
der Betriebsräte und der IG Metall die Skepsis. Zu oft
haben die Kolleginnen und Kollegen in der Vergan-
genheit falsche Versprechungen gehört. „Wir sind
nicht davon überzeugt, dass die Fusion mit Tata der
thyssenkrupp war hier zuletzt auf einem guten Weg.
Endlich ging es wieder aufwärts. Umso gefährlicher
ist es, jetzt das Steuer einfach herumzureißen und
den Kurs zu ändern.
Unsere Stahlindustrie hat Zukunft – wenn alle Betei-
ligten ihre Aufgaben erfüllen. Hier ist auch die Politik
gefragt. Brüssel muss Vorgaben machen, die den Weg
hin zu einer High-Tech-Industrie der Spitzenklasse
erleichtern und nicht versperren. Niemand hat etwas
davon, wenn Stahl künftig ausschließlich in China
hergestellt wird – das oft ins Feld geführte Klima
am allerwenigsten. Auch die Landesregierung sollte
das begreifen. Sie verspielt Zukunftschancen für die
gesamte Region an Rhein und Ruhr, wenn sie die
Stahlindustrie einfach preisgibt.
STAHL HAT KEINE ZUKUNFT? DAS SEHEN WIR ANDERS!
thyssenkrupp tut so, als laufe die Fusion mit Tata bereits in geord-neten Bahnen. Doch die entschei-dende Frage, „Wie hoch ist das Risiko. Und ist es überhaupt be-herrschbar?“, ist noch nicht ein-mal im Ansatz beantwortet. Für die IG Metall ist klar: Wir verhan-deln erst, wenn wir wissen, dass es im Sinne der Beschäftigten ist.
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THYSSENKRUPP-BRANDHERDE
DAS VERLANGT DIE IG METALL:• TRAGFÄHIGE FINANZIERUNG: Wir wollen
ein seriös gerechnetes Finanzkonzept für die beabsichtigte Fusion sehen. Das ist die wichtigste Grundlage.
• SICHERE STANDORTE: Wir stimmen einem Plan nur zu, wenn die Standorte der thyssenkrupp AG gesichert sind.
• GARANTIEN FÜR ARBEITSPLÄTZE: Wir geben uns nicht für einen Kahlschlag bei den Arbeitsplätzen her. Die Beschäftigten brauchen dauerhafte Sicherheit für ihre Existenz.
• ZUKUNFT FÜR STAHL: Wir fordern ein langfristig ausgerichtetes Konzept für Stahl. Das Unternehmen muss zukunftsfest gemacht werden.
• SICHERUNG DER MITBESTIMMUNG: Die Mitbestimmung muss auf allen Ebenen erhalten bleiben. Und zwar so, wie sie ist und sich seit Jahrzehnten bewährt hat.
LegendeUngewisse Zukunft:Stahlstandorte in Duisburg, Dortmund, Siegerland, Bochum, Finnentrop, Andernach, Hagen-Hohenlimburg, Gelsenkirchen
Werk- oder Standortschließung: Emden Marine Systems, Ennepetal Components Technology & TechCenter Carbon Composites, Dresden TechCen-ter Carbon Composites
Restrukturierung: Hamburg Fahrtreppenwerk, Neuhau-sen auf den Fildern Aufzugswerk, Dort-mund und Beckum Kernanlagenbau (thyssenkrupp Industrial Solutions)
Zukunftsfest sieht anders aus: An
jedem Standort brennt es. Betriebe
werden restrukturiert – was auch immer
das heißen wird – oder gleich ganz
geschlossen. Neben konkreten Plänen
für einzelne Werke und Standorte be-
drohen zwei konzernweite Programme
die Arbeitsplätze. Sie heißen „Global
Shared Services“ und „Benchmark of
Functions“. Auf deutsch: Der Konzern
sucht Einsparmöglichkeiten.
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Hagen-Hohenlimburg
Gelsenkirchen ?tk AG: immer
für eineÜberrraschung gut
Hoeschallee
ArbeitsplatzAbbau droht Steuerparadies
HollandEnnepetal Hamburg
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Kassiere
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AbfindungInves�ere in
ein Stahlwerk
in Brasilien
Gehen thyssenkrupp und Tata zusammen, dann wird
das kein leichtes Spiel. Sondern eher verzweifeltes
Zocken. Beide Konzerne schleppen schwere Lasten
mit sich. thyssenkrupp ist über beide Ohren ver-
schuldet – Folge der unverantwortlichen Abenteuer
in Brasilien und in Alabama. Tata beschäftigt rund
15.000 Stahlarbeiter in Großbritannien und trägt
hohe Pensionsverpflichtungen. Beide kämpfen sie
auf dem Stahlmarkt mit weltweiten Überkapazitäten,
insbesondere mit denen aus China. Beide wissen sie,
dass es so nicht weitergehen kann.
Aus Sicht von thyssenkrupp hätte eine Fusion mit Tata
einen besonderen Reiz. thyssenkrupp könnte elegant
einen Teil seiner Milliardenschulden in der neuen
Stahlgesellschaft entsorgen. Das ginge so: thyssen-
krupp ist größer als Tata Steel Europe, das Verhältnis
ist ungefähr 60:40. Deshalb bringt thyssenkrupp als
Ausgleich geschätzte vier Milliarden Euro Schulden
mit in die Ehe ein. Auf diese Weise würde auf dem Pa-
pier ein Verhältnis von 50:50 geschaffen – eine Heirat
unter Gleichen.
Die Schulden-Mitgift hätte beträchtliche Schattensei-
ten, vor allem für die Beschäftigten. Denn das neue
Unternehmen würde mit einer schweren Hypothek star-
ten. Und darüber, ob der neue Stahlkonzern zukunfts-
fähig ist, sagen die Fusions-Rechenspiele überhaupt
nichts aus. Markus Grolms formuliert es so: „Das ist
gefährliche Bilanzakrobatik. So geht das nicht.“
Während thyssenkrupp von der wundersamen Schul-
denverringerung träumt, lauert ein aktivistischer
Investor auf seine Chance. Die schwedische Inves-
torengesellschaft Cevian Capital spekuliert auf die
Zerschlagung des Unternehmens. Schritt für Schritt
hat Cevian seine Anteile an thyssenkrupp erhöht.
Die Schuldenlast des Konzerns hat hierfür den Weg
bereitet: Weil thyssenkrupp Geld brauchte, wurden
mehrere Kapitalaufstockungen nötig – Cevian hat
mitgemacht und dadurch seine Anteile erhöht. Mitt-
lerweile besitzt der Großaktionär rund 18 Prozent von
thyssenkrupp.
Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung
hingegen hat Anteile verloren – und damit auch enor-
men Einfluss. Sie hatte mal 25 Prozent für die soge-
nannte Sperrminorität. Jetzt kommt sie nur noch
auf knapp 21 Prozent – und schweigt. Welch ein
Trauerspiel.
SO FUNKTIONIERT DAS SCHULDEN-MONOPOLY
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Bilanztricksereien statt Zukunftskonzept: wie thyssenkrupp seine Milliarden-Verpflichtungen in das neue Unternehmen kippen will
DIE MITSPIELER – WER HAT WELCHE INTERESSEN?
Wir alle mögen Holland und die Niederländer. Was
den Fußball angeht, gilt das zwar beidseitig nur
bedingt, doch wir schätzen die Offenheit und Liebens-
würdigkeit in diesem Land und haben immer das
Gefühl, zu Besuch bei guten Nachbarn zu sein.
Aber bei Konzernverlagerungen hört der Spaß für
uns auf. Es kann doch nicht sein, dass thyssenkrupp
mit einer Holding in den Niederlanden der deutschen
Montanmitbestimmung entgehen will!
thyssenkrupp gibt vor, dass die Holding geografisch
in der Mitte zwischen England und Deutschland liegen
soll. Die Mitbestimmung wandert dann irgendwo auf
der A3 in die Tonne, und am Reiseziel gäbe es nur
noch einen Aufsichtsrat ohne Arbeitnehmervertretung.
Nein, so nicht! Wir fordern die Mitbestimmung dort,
wo die Entscheidungen getroffen werden. In der Hol-
ding. 100 % Aufsichtsrat. 50 % Arbeitnehmervertreter.
100 % montan.
Spielt aggressiv. Die Investorengesellschaft von
Gründer Christer Gardell (Foto) ist darauf spezi-
alisiert, Unternehmen zu zerschlagen. Die Logik
dahinter: Vertickt man die Einzelteile, bringen
sie in der Summe deutlich mehr Geld ein, als
der gesamte Konzern heute wert ist – ungefähr
das Doppelte. Cevian nennt sich „aktivistischer
Investor“. Heuschrecke würde es besser tref-
fen. Erhöht seinen Anteil an thyssenkrupp, will
dafür Rendite sehen und übt massiv Druck aus.
Kein Zweifel, Heinrich Hiesinger ist ein integrer
Mann. Sein Krisenmanagement hat durchaus
Gutes für den Konzern und die Beschäftigten
bewirkt. Wobei längst nicht alles zu Gold wur-
de, was Hiesinger anpackte, es sei da an das
eine oder andere Konzernprogramm erinnert.
Wir haben jedenfalls erhebliche Zweifel, dass
der Deal mit Tata zu wuppen ist. Ganz egal, wie
gut Hiesingers Absichten sein mögen.
Verhält sich still und undurchsichtig. Kein Wort
dringt aus der Villa Hügel nach draußen. Die
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung
kommentiert die geplante Fusion nicht. Das
passt so gar nicht zum Auftrag der Stiftung.
Deren Zweck ist es nämlich, „die Einheit des
Unternehmens Fried. Krupp dem Willen seiner
Vorfahren entsprechend auch für die fernere
Zukunft zu wahren.“ So steht es in der Satzung.
Düsseldorf zeigt sich ahnungslos bis des-
orientiert. Wirtschaftsminister Andreas Pink-
wart (Foto) begrüßte die Fusionspläne mit Tata
sogar. Sie seien eine „Chance“. Nimmt der
FDP-Politiker einfach so hin, dass ein wichtiges
Unternehmen in NRW künftig aus Amsterdam
gesteuert wird? Arbeitsminister Karl-Josef Lau-
mann (CDU) sagt: „thyssenkrupp gehört nach
Nordrhein-Westfalen, auch was den Firmensitz
angeht.“ Herr Laschet, übernehmen Sie!
Die Zerschlager – Cevian Capital
Der gute Mensch von Essen – Heinrich Hiesinger
Villa Sprachlos – die Stiftung
Blind, taub, stumm – die Landesregierung
THY-TATA – DER SCHULDENTRICKDer Plan: Zwei Ungleiche gehen zusammen, um am Ende halbe-halbe zu machen. Weil thyssenkrupp größer ist als Tata, darf das deutsche Unternehmen mehr Schuldenmilliarden in dem Joint Venture entsorgen.
OHNE HOLLAND BLEIBEN WIR MONTAN...
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THYSSENKRUPPAG
€
THYSSENKRUPPSTEEL EUROPE
2,5 MrdSchulden
THYSSE NKRUPP
TATA STEEL
50 50
TATA STEEL
EUROPE
21.500Beschäftigte
27.000Beschäftigte
ELD €€ 4,0 MrdSchulden
Mai 2011
Umformtechnik 5.700
Beschäftigte
Heinrich Hiesinger muss Stellung beziehen. Er hat
sich zu der Fusion geäußert und bekennt sich zum
Stahl. Jedenfalls vordergründig. Wir werden ihn an
seine Worte erinnern, wenn es nötig sein sollte.
Stahl braucht Zukunft. Bei thyssenkrupp.
Wir hören genau hin, denn wir haben unsere Erfah-
rungen gemacht. So manches Versprechen erwies
sich im Nachhinein als falsch.
Wir erinnern die Eigentümer an ihre Verantwortung.
Eigentum verpflichtet, so heißt es schon im Grund-
gesetz. Jetzt ist die Zeit, dieser Verantwortung
gerecht zu werden.
WIR NEHMEN SIE BEIM WORT, HERR HIESINGER!
VERKAUFT FÜR DIE SCHULDEN DER CHEFETAGE
Wir fordern Verbindlichkeit und Verantwortung. Keine halbgaren Versprechen, bitte! Und keine faulen Ausreden.
August 2009
Blohm + Voss 1.700
Beschäftigte
Oktober 2009
Nordseewerke 1.200
Beschäftigte
Industrieservices 12.500
Beschäftigte
Dezember 2011
Xervon 9.000
Beschäftigte
Dezember 2012
Nirosta 11.000
Beschäftigte
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2009 2010 2011 2012 2013
Juli 2013
Tailored Blanks 930
Beschäftigte
Willi, der thyssenkrupp-Vorstand behauptet, die Stahl-fusion mit Tata sei der richtige Weg. Du, die Betriebs-räte und die IG Metall bezweifeln das? Warum?
Die Stahlfusion mit Tata löst kein bestehendes Prob-lem, zum Beispiel nicht das Problem der Überkapa-zitäten in Deutschland, Europa und China. Auch die Verschuldung des Konzerns löst sich dadurch nicht in Luft auf. Wir befürchten, dass der Stahlbereich lang-sam aber sicher aus dem Konzern verschwinden soll.
Apropos Schulden: Wie viele sollen denn dem Gemein-schaftsunternehmen aufgebürdet werden?
Beide Seiten, thyssenkrupp und Tata, bringen Schul-den ein. Wir leiden ja immer noch unter den Fehlinves-titionen in Brasilien und USA/Alabama; diese Manage-mentfehler haben uns acht Milliarden Euro gekostet. Das hat uns zudem gehindert, ausreichend zu investie-ren. Kurzum: thy-Tata – das Joint Venture soll thyssen-krupp-Tata Steel heißen – wird so etwas wie eine „Bad Bank“, ein Sammelbecken aller Risiken.
Was bedeutet das konkret?
Wir haben Zweifel an der Lebensfähigkeit des Gemein-schaftsunternehmens!
Und was heißt das für den Konzern?
Dank Stahl bilden wir noch die komplette Wertschöp-fungskette unserer Produkte ab. Wenn sie reißt, zieht das den ganzen Konzern in Mitleidenschaft.
Die Holding des Joint Venture soll ihren Sitz in Amster-dam haben. Um Steuern zu sparen und die Mitbestim-mung zu unterlaufen?
Ob Steuerflucht begangen würde, müssen andere
beurteilen. Aber ja, es geht um die Flucht aus der Mitbestimmung. Wenn in Amsterdam die wesentlichen Entscheidungen gefällt werden, sprich ohne Mitbe-stimmung, werden wir das nicht akzeptieren.
Der thyssenkrupp-Gesellschafter Cevian Capital gilt als aktivistischer Investor. Was will er eigentlich?
Das einzige Ziel von Cevian ist, den Profit der Aktionäre zu maximieren. Das meiste Geld verspricht man sich von der vollständigen Zerschlagung von thyssenkrupp. Die Nöte der Beschäftigten spielen da keine Rolle.
Muss denn bei thyssenkrupp nichts passieren, ist alles in Butter?
Das Stahlgeschäft ist viel profitabler, als Vorstand und Presse es darstellen. Wir schreiben schwarze Zahlen. Unsere Gewinnmarge ist die zweitgrößte in der europäischen Stahlindustrie. Unsere Produkte und die Leistungen der Beschäftigten sind Weltspitze. Die Verschuldung ist das Problem.
Wie kann das gelöst werden?
Das ist die entscheidende Frage. Erst einmal müssen alle Fakten der geplanten Stahlfusion auf den Tisch. Dann wird Tacheles geredet. Eine faire Lösung kann es nur mit uns geben, eine Lösung ohne die Beschäftigten und die IG Metall ist keine. Gut, dass wir endlich mit- einander reden statt übereinander.
Und wie geht’s weiter?
Wir ringen um Standort- und Arbeitsplatzgarantien. Das wird ein hartes Stück Arbeit, bis ins nächste Jahr. Und die ganze Zeit müssen wir wachsam und kampf- bereit sein.
STAHL-WILLI, WAS IST
HIER LOS?
Willi Segerath, Konzernbetriebsratsvorsitzender der thyssenkrupp AG
April 2015
VDM Metals 2.000
Beschäftigte
September 2017
CSA 3.700
Beschäftigte
Durch die Geschichte von thyssenkrupp zieht sich eine Spur von Missmanagement. Die Folge: Ein Unternehmens-
teil nach dem anderen wurde verkauft. Die Zahl der Arbeitsplätze, die der Konzern auf diese Art zu Geld machte,
summiert sich seit 2009 auf weltweit fast 50.000.
Juli 2013
Tailored Blanks 930
Beschäftigte
7
20172014 2015 2016
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Rückblick: Die Mannesmannstraße in Duisburg-Hüt-
tenheim ist von Bussen gesäumt, auf einer Länge von
mehreren hundert Metern. Vor dem Stahlwerk stehen
7500 Menschen. Es ist der 3. Mai, hier findet gerade
eine Protestkundgebung gegen die Pläne des Kon-
zernvorstands statt – die größte seit Jahrzehnten.
Anlass: Der Vorstand will 500 Millionen Euro einspa-
ren – durch Arbeitsplatzabbau und Schließung von
Anlagen. Betriebsrat und IG Metall befürchten den
Verlust von 4000 Arbeitsplätzen. Soll thyssenkrupp
Steel Europe (tkSE) aufgehübscht werden für die Fu-
sion mit Tata Steel? Das befürchten viele Redner.
Auch der Betriebsrat hatte auf Info-Veranstaltungen in
Duisburg, Bochum und Dortmund diese Befürchtung
bereits geäußert. Am Tag der Arbeit informieren Stahl-
beschäftigte im Ruhrgebiet vielerorts die Öffentlich-
keit. Mitte Mai protestieren sie im thyssenkrupp-Quar-
tier Essen; im Juni pflanzen sie dort ein Beet aus roten
Nelken in Herzform, zeigen ihr „Herz für Stahl“.
Im August finden Sprühaktionen statt, beispielsweise
PROTESTE IM GANZEN LAND
Protest und Kunst: In Duisburg demonstrierten Metallerinnen und Metaller auf der begehbaren Achterbahn-Skulptur „Tiger and Turtle“, die auf einer alten Halde steht.
MACH MIT!WEBSEITE Auf www.es-geht-um-uns.de
informieren wir über Aktionen vor Ort. Auf der
Webseite kannst du dich auch für die aktuellen
Infokanäle anmelden:
E-MAIL-NEWSLETTER Wie ist der
aktuelle Stand der Gespräche, wo ist welche
Aktion, wann wirst du gebraucht? Ab jetzt nichts
mehr verpassen!
WHATSAPP-NEWSLETTER Die Infos lieber direkt auf ,s Smartphone? Das
geht hier.
FACEBOOK Der Facebook-Kanal des
Bezirks: www.facebook.com/igmetallnordrhein-
westfalen - teilt und gebt die Botschaft weiter:
Stahl ist Zukunft!
Günter Back, Gesamtbetriebsratsvorsitzender thyssenkrupp Steel Europe
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„ICH FÜHLE MICH BETROGEN, BIN ENTTÄUSCHT, ABER
TROTZDEM KÄMPFERISCH.“
in Duisburg-Hamborn. Der Slogan „Stahl ist Zukunft“
prangt auf Mauern und dem Straßenasphalt, daneben
das IG Metall-Logo. Am 20. September macht der Vor-
stand dann seine Fusionspläne publik, an mehreren
Standorten finden Mahnwachen statt.
Am 22. September protestieren 7000 Menschen in
Bochum gegen den Zusammenschluss der Stahlspar-
ten von thyssenkrupp und Tata. Detlef Wetzel, der
stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende von tkSE
und ehemalige IG Metall-Chef, warnt vor Standort-
schließungen und Massenentlassungen. Er fordert
„Garantien für alle Beschäftigten und Standorte“.
Die Proteste gehen weit über die Stahlsparte hinaus.
In Emden kämpfen die Kolleginnen und Kollegen von
Marine Systems für den Erhalt ihres Werkes. Es soll
geschlossen werden, aus Komplexitätsgründen, wie
das Unternehmen erklärte. „Ihr wollt uns zumachen“,
sagt Betriebsratsvorsitzende Amke Wilts-Heuse. „Das
ist eine Kompetenzreduzierung, die ihr vornehmt, und
keine Komplexitätsreduzierung.“Amke Wilts-Heuse ist empört. „Die wollen uns zumachen.“
Die Unternehmenspolitik von thyssenkrupp treibt die Betroffe-nen auf die Straße – ob in Emden, Andernach oder Bochum. Denn dass man für seine Zukunft kämp-fen muss, das wissen sie bei thyssenkrupp.
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