ueber die constitution der mesitonsäure;

13
littheilungen aus dem chemischen Institut der Universitat Bonn, (Eingehfen den 21. Juni 1888.) Ueber die Constitution der Mesitons'slure ; von Richard Anschutz und Camille Gillet. Vor tnehreren Jahren beschaftigte sich bekanntlich P i nn er*) in eingehender und erfolgreicher Weise mit den Condensa- tionsproducten des Acetons. Er ging von dein Product aus, welches man erhalt, wenn man Aceton mit Salzsaure sattigt und nach 10 bis 12tagigem Stehen durch Waschen mit Soda- losung die freie Salzsaure entfernt, und behandelte dasselbe nach dem Vorgange von Ma x w e 11 S i m p s o n **) mit alko- holischem Cyankalium. P i n n e r isolirte folgende Verbindungen : 1) Mesitonsuure, C7H1203, sowie deren Amid und Aethyl- ather; 2) Mesitylsuure, CsH13NOd + H,O; 3) ein schwer losliches ,,Cyanid", CllHl8N2O2, aus dem durch Behandeln mit Salzsaure Phoronsuure C11Hls05 entsteht. Fur die bei 100° getrocknete Mesitylsaure hatte S i mp s o n bereits die Formel CsHlsN03 abgeleitet , auch das ,,schwer losliche Cyanid" kannte er, allein erst P in n e r und H or m a n n analysirten die letztere Verbindung, entdeckten die Mesiton- saure und lehrten die Oxydationsproducte der Mesitylsaure kennen. Diese wichtigen Untersuchungen gewannen neuerdings ein ganz besonderes Interesse fur mich, weil die sogenannte Mesitylsaure, deren Constitution von P i n n e r und H 6 r m a n n *) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 14, 1070; 15, 576, 586. **) Diese Annalen 148, 351. ?*

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Page 1: Ueber die Constitution der Mesitonsäure;

littheilungen aus dem chemischen Institut der Universitat Bonn,

(E ingehfen den 21. Juni 1888.)

Ueber die Constitution der Mesitons'slure ; von Richard Anschutz und Camille Gillet.

Vor tnehreren Jahren beschaftigte sich bekanntlich P i nn er*) in eingehender und erfolgreicher Weise mit den Condensa- tionsproducten des Acetons. Er ging von dein Product aus, welches man erhalt, wenn man Aceton mit Salzsaure sattigt und nach 10 bis 12tagigem Stehen durch Waschen mit Soda- losung die freie Salzsaure entfernt, und behandelte dasselbe nach dem Vorgange von Ma x w e 11 S i m p s o n **) mit alko- holischem Cyankalium. P i n n e r isolirte folgende Verbindungen :

1) Mesitonsuure, C7H1203, sowie deren Amid und Aethyl- ather;

2) Mesitylsuure, CsH13NOd + H,O; 3) ein schwer losliches ,,Cyanid", CllHl8N2O2, aus dem

durch Behandeln mit Salzsaure Phoronsuure C11Hls05 entsteht.

Fur die bei 100° getrocknete Mesitylsaure hatte S i mp s o n bereits die Formel CsHlsN03 abgeleitet , auch das ,,schwer losliche Cyanid" kannte er, allein erst P i n n e r und H or m a n n analysirten die letztere Verbindung, entdeckten die Mesiton- saure und lehrten die Oxydationsproducte der Mesitylsaure kennen.

Diese wichtigen Untersuchungen gewannen neuerdings ein ganz besonderes Interesse fur mich, weil die sogenannte Mesitylsaure, deren Constitution von P i n n e r und H 6 r m a n n

*) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 14, 1070; 15, 576, 586. **) Diese Annalen 148, 351.

? *

Page 2: Ueber die Constitution der Mesitonsäure;

100 A n s c h i i t z u. G i l l e t , iiber die Constitution

durch eine Reihe entscheidender Versuche festgestellt wurde, analoge Bindungsverhaltnisse aufweist, wie sie von F. R e u t e r und mir *) in der Pseudoitaconanilsaure angenommen werden :

CH, CO,H I I

I I CO-NH

COoH I

CH,-CH-CH, = Pseudoitaconanilsliure. I I

CO ---NCaH,

CH,-C-CH,-C-CH, = Mesitylsliure ;

Die in diesen beiden Verbindungen vorhandene lactam- artige Ringbildung und freie Carboxylgruppe bedingen in der That eine weitgehende Aehnlichkeit im Verhalten der beiden Carbonsauren gegen viele Reagentien.

Nach P i n n e r bildet sich die Mesitylsaure aus der soge- nannten Mesitonsaure durch Addition von Salzsaure, Ersatz des Chlors durch Cyan mittelst Cyankalium, oder Losung der doppelten Kohlenstoffbindung durch directe Anlagerung von Blausaure, Umwandlung des so entstandenen Cyanides in das entsprechende Amid und Abspaltung von Wasser, wodurch die Schliefsung des Lactamringes erfolgt. Folgende Formeln veranschaulichen die allmahliche Umwandlung der Mesitonsaure in Mesitylsaure nach P in n e r :

CH, COoH I I

I OH

( bl AH

( AN bH

CH3-C=CH-C-CH, = Mesitonsiiure ;

1 CH3 COoH I I

CH,-C-CH2-C-CH3 = Chlorhydromesitonsliure

CH3 COoH I I

CH,-C-CH,-C-CH, = Cyanhydromesitonsiiure

*) Ber. d. deutsch. chem. Ges. al, 958.

Page 3: Ueber die Constitution der Mesitonsäure;

der Mesitonsaure. 101

CH, COpH I I

I I

CH, COoH I I

I I CO-NH

CH3-C-CH2-C-CH, = Amid aus CyanhydromesitousPure

. CONH, OH

CH,-C-CH,-C-CH, = Mesitylsilure.

In der vorstehenden Zusammenstellung sind die von P i n n e r als Zwischenproducte bei der Mesitylsaurebildung angenommenen, aber nicht isolirten Substanzen eingeklammert. Wenn in der That der Mesitylsaurebildung die Mesitonsaure- bildung vorausgeht, wofur allerdings vieles spricht, so ist die Constitution der Mesitonsaure von fundamentaler Bedeutung fur die richtige Erklarung der Entstehung der Mesitylsaure.

Bei dern wiederholten Studium der P i n n e r 'schen Ab- handlungen kamen mir jedoch Zweifel an der Richtigkeit der von P in n e r bevorzugten Mesitonsaureformel. P i n n e r machte in der ersten der drei citirten Abhandlungen darauf aufmerk- Sam, dafs ihrer Entstehung aus Mesityloxyd nach die Mesiton- saure eine der beiden Formelu haben konne :

CH, COOH CHS I I I

I. CHs-C=CH-C-CHs; 11. CH,-C-CH,-CO-CH, ; I I OH COpH

er verwirft spater die Formel 11 und entscheidet sich fur die a-Oxysaureformel I der Mesitonsaure. Durch Destillation der Mesitonsaure gewann P in n e r ein bei 24O schmelzendes, bei 167O siedendes, ungesattigtes Lacton, das er als a-Lacton :

CH, 0-CO I \/

CHs -C=CH-C-CH,

betrachtet, eine Ansicht, der vom Standpunkt unserer heutigen Xenntnisse aus schwere Bedenken im Wege stehen.

Die Formel I fur Mesitonsaure bewies P i n n e r nach seiner Meinung durch die Darstellung eines Acetylmesitonsaure- athylathers aus dem Mesitonsaureathylather.

Page 4: Ueber die Constitution der Mesitonsäure;

102 A n s c h ti t z u. G i 2 l e t , t ibey die Constitution

Meine Zweifel an der Richtigkeit von P i n n e r ' s Begrun- dung der a-Oxysaureformel der Mesitonsaure gewannen zuerst festeren Boden durch die Vergleichung der von P i nn e r mitgetheilten Analysen des Mesitonsaureathylathers und des Acetylmesitonsaureathylathers. Ich stelle die Resultate beider Analysen zusamrnen :

Berechnet fur Gefunden -------? -

C,H,,O8 C11H1804 Mesitonsilureilthylilther AcetylmesitonsBureathyliither 1. 2.

C 62,79 H 9,30

61'68 62,47 62'12 8,41 9,35 9,30.

Zu Analyse 1 diente der bei 210" siedende Aethylather der Mesitonsaure, zu Analyse 2 die vermeintliche Acetylver- bindung des Mesitonsaureathylathers , iiber die P in n e r Fol- gendes bemerkt : ,,Obwohl nun die Acetylverbindung wegen ihres dem des Aethers aufserst nahe gelegenen Siedepunktes (205 bis 207O) nicht ganz in reinem Zustand hat gewonnen werden konnen, ist doch ihre Existenz aufser Zweifel gestellt." Wodurch letzteres geschehen, giebt P i n n e r nicht weiter an. Wie die obige Zusarnmenstellung zeigt, stirnmen die bei der Analyse des Acetylmesitonsaureathylathers erhaltenen Werthe vie1 besser auf den unveranderten Mesitonsaureathylather als auf dessen Acetylverbindung. Auch ware es sehr merkwiirdig, wenn die Acetylverbindung des Aethylathers etwas niedriger sieden sollte, als der Aethylather selbst, wahrend die ent- sprechenden a-Oxypropionsaureverbindungen die folgenden Siedepunkte zeigen : Milchsaureathylather, Sdp. 154,5O unter 760 mm Druck. Acetylmilchsaureathylather, Sdp. 177O unter 733 mm Druck.

Angesichts dieser Sachlage entschlofs ich mich dazu ge- meinschaftlich mit Herrn C a m i l l e G i l l e t die Mesitonsaure auf's Neue zu prufen.

Ob die Vermuthung, dafs in der Mesitonsaure nichts an-

Page 5: Ueber die Constitution der Mesitonsäure;

der Mesitonsaure. 103

deres als a-Dimethyllavulinsaure vorlag, begrundet war, mufs- ten folgende Versuche beweisen :

1) Die Einwirkung von Phenylhydrazin*) auf die Saure.

2) Die Oxydation der Saure.

3) Die Reduction der Saure.

Phenylhydrazin und Mesitonsaure

Die zu unseren Versuchen verwendete Mesitonsaure wurde genau nach der Vorschrift von P in n e r dargestellt, dessen Angaben wir nur bestatigen konnen. Die durch Um- krystallisiren aus Aether gereinigte Saure erhielten wir in farbloseh , tafelformigen , wohlausgebildeten Krystallen. Den Schmelzpunkt der Saure fanden wir bei 744 wahrend P inn er denselben zu 90° angieht, vielleicht liegt hier nur ein Druck- fehler vor und ist 70° statt 90" zu lesen, wenigstens schmolz bei etwa 70° unsere noch nicht vollig reine Saure. Der Schmelzpunkt 74O anderte sich nicht mehr bei wiederholtem Umkrystallisiren der Mesitonsaure aus Aether. Unter 15 mm Druck siedet die Mesitonsaure unzersetzt bei 138O (Temperatur des Paraffinbades 160O).

0,1248 g Substanz gaben 0,2672 GO2 und 0,0935 HoO. Berechnet fur Gefunden

CPI,%OB C 58,33 58,38 H 8,33 8,32

Im Verhalten gegen Phenylhydrazin zeigt die Mesiton- saure die grofste Aehnlichkeit mit der Lavulinsaure. Versetzt man eine wasserige Losung von Mesitonsaure mit einer Lo-

") Ich mijchte nicht unterlassen darauf hinzuweifsen, dafs zur Zeit als P inner seine Arbeiten iiber die Condensationsproducte dee Acetons ausfiihrte, das Phenylhydrazin zwar seit mehreren Jahren bekannt, aber noch nicht als Reagens auf CO-Gruppen in die organische Chemie eingefiihrt war.

Page 6: Ueber die Constitution der Mesitonsäure;

104 A n s c h ii t z u. G i I I e t , uber die Constitution

sung von Phenylhydrazinacetat, so scheidet sich ein olformiger bald krystallinisch erstarrender, gelblicher Korper ab, der aus Benzol oder verdunntem Alkohol urnkrystallisirt in kleinen prismatischen, fast weifsen Krystallchen erhalten wird. Die Analysen der im Vacuumexsiccator getrockneten , bei 121,5O schmelzenden Verbindung lieferten folgende Resultate :

I. 11. 0,1517 0,3701 ,, ,, 0,1085

0,1604 g Substanz ergaben 0,3912 C02 und 0,1142 H,O.

Berechnet fur Gefunden -- C*,H,,N*O* I. 11.

C 66,66 66,42 66,51

H 7,69 7,90 7,89

Da die Verbindung der Mesitonsaure mit Phenylhydrazin, wie die Analyse bewies, unter Wasseraustritt erfolgte , SO

blieb kaum ein Zweifel dariiber bestehen, dafs die Mesiton- saure in der That als Ketonsaure und nicht als a-Oxysaure aufzufassen war.

Die Phenylhydrazon-mesitonsaure ist also sehr wahr-

CH,

scheinlich Phenylhydraxon-w-dimethyllavulinsaure

I (CH,), . C-CHg-C=N. NHC,H,,

I CO2H

entstanden nach der Gleichung : CHaCH, CH, CH,CH, CH, \/ i \/ I C-CHg-CO + NH2. NHCeH, = C-CH,-C=N I I COIH CO,H

Wie die Phenylhydrazinverbindung der Lavulinsaure , S O

ist auch diejenige der Mesitonsaure sehr unbestandig und ver- harzt freiwillig, selbst beim Stehen im evacuirten Exsiccator. Kocht man die Phenylhydrazinverbindung der Mesitonsaure mit einigen Tropfen Salzsaure, so geht sie unter Wasserver- lust in einen sehr bestandigen Korper uber, dem wohl die Formel :

NHCeH, + H,O.

Page 7: Ueber die Constitution der Mesitonsäure;

der Mesitonsaure. 105

CH, (cH,),c-cH,-L

I I CO---NCGH,

zukommt ++) und der nach folgender Gleichung entsteht : CH,CH, CH, CH,CH, CH,

C-CHa-C=N I I I I

COOH NHC,H, CO--NCBHs

\/' I - - C-CH,-C=N + H,O.

\/ I

Fur diese Auffassung sprechen das Verhalten und die Ana- lysen der neuen Verbindung, die aus verdunntem Alkohol in wohlausgebildeten, bei 84O schnielzenden Krystallen erhalten werden kann.

I. 0,1479 g Substanz lieferten 0,3904 COP und 0,100 H20. 11. 0,1060 ,, ,, ,, 0,3801 ,, ,, 0,0725

Berechnet fur Gefunden --A-

C13H16N20 I. 11. C 72,22 71,97 72,051 H 7,41 7,50 7,59.

Oxydation der Mesitonsaure z u Dirnethylmalonsaure.

Erwarnit man reine Mesitonsaure mit uberschussiger Salpetersaure (3 Thl. Salpetersaure vorn spec. Gewicht 1,4 und 1 Th. Wasser) auf dem Wasserbad bis zum Aufhoren der Entwickelung rother Dampfe und verdunstet auf dem Wasserbad unter mehrinaligein Wasserzusatz bis zur Trockne, so erhalt man scliliefslich eine weifse krystallinische Masse. Aus wenig Wasser urnkrystallisirt erhalt man die Saure in durchsichtigen , wohlausgebildeten Krystallen , die bei 185O unter Zersetzung sctimelzen. Die Eigenschaften der Saure, die Resultate der Analysen derselben und ihres Silbersalzes beweisen, dafs die Mesitonsaure durch Oxydation mit Salpe- tersaure glatt in Dimethylmalonsuure (CH,), . C(C02H), iiber- geht :

-

") Diese Annalen B86, 147.

Page 8: Ueber die Constitution der Mesitonsäure;

106 A n s c h ii t z u. G i l l e t , uber die Constitution

0,1519 g Substanz lieferten 0,2536 CO, und 0,0869 H20. Berechnet fur Gefunden

C6H804 C 45,45 45,51 H 6,06 6,34

0,1581 g Silbersalz lieferten 0,0988 Silber. Berechnet fur Gefunden

C€.H,O,Ags Ag 62,43 62,49.

Unter der Annahme, dafs die Mesitonsaure durch An- lagerung von Salzsaure an Mesityloxyd , Ersatz des Chlors durch Cyan und Verseifung des Cyanides entsteht, kommt man zu den folgenden zwei Formeln fur Mesitonsaure :

(CHe)pCCl-CH*-CO-CHs (CHS)pCH-CHCl-CO-CHs (CH,&C-CH2-CO-CH, (CHs),CH-CH-CO-CHs

I I CN CN

I. (CH&C-CH2-CO-CHs 11. (CH,),CH-CH-CO-CHs I I C02H C02H.

Nach diesen beiden Formeln und der a-Oxycarbonsaure- formel P inn e r 's fur Mesitonsaure, die man erhalt unter der Annahme , dafs die Mesitonsaure durch Addition von Blau- saure an die Ketongruppe des Mesityloxyds entstanden ist :

(CH,)pC=CH-C(OH)CH, I

CN 111. (CH,)2C=CH-C(OH)CHs

I COpH '

hat man durchaus verschiedene Producte bei der Oxydation der Mesitonsaure zu erwarten. Es ist zwecklos alle Moglich- keiten hier zu erortern , es genugt ein Blick auf die drei denkbaren Formeln fur Mesitonsaure um einzusehen, dafs nur, wenn der Mesitonsaure die Formel I zukommt, aus ihr durch Oxydation die unsymmetrische Dimethylbernsteinsaure , resp. deren Oxydationsproduct die Diniethylmalonsaure entstehen kann. Durch die Oxydation zu Dimethylmalonsaure ist daher ein weiterer Beweis fur die a-Dimethyllavulinsaureformel I der Mesitonsaure erbracht.

Page 9: Ueber die Constitution der Mesitonsäure;

d e r Mesitonsawre. 1 07

Reduction der Mesitonsaure xu a-Dimethylvalero lacton.

Bei der Reduction von Lavulinsaure unter Anwendung eines grofsen Ueberschusses von Natriumamalgam entsteht bekanntlich glatt Valerolacton. Demnach durfte man darauf rechnen auf die gleiche Weise aus Mesitonsaure das noch nicht bekannte a-Dimethylvalerolacton zu gewinnen. W i r verfuhren im Allgemeinen nach den exacten Angaben von L. W o l f f " ) und reducirten 8 g Mesitonsaure in wasseriger Losung mit einem grofsen Ueberschufs von Natriumamalgam. Nach muthmafslicher Beendigung der Reaction kochten wir die filtrirte Reactionsflussigkeit nach dem Ansiiuern mit ver- dunnter Schwefelsaure einige Minuten am Riickflufskuhler und schuttelten die erkaltete mit Natriumcarbonat alkalisch gemachte Flussigkeit wiederholt mit Aether aus. Nach dem Abdestilliren des durch ein trocknes Filter filtrirten und mit entwassertern Kaliumcarbonat getrockneten Aetherauszuges blieb eine fast farblose , syrupose Flussigkeit zuriick, die sofort unter stark vermindertem Druck destillirt wurde. Unter 15 mm Druck ging bei 86O ein zu prachtvollen Krystallen erstarrender Kor- per uber : das u-Dimethylvalerolacton

(CH3)*C-CH,-CO-CH3 W (CH3)pC-CHZ-CH-CHS I I I

a-DimethyllLvulinslure a-Dimethylvalerolacton. COPH co-0

(MesitonsPure)

Das bei 52O schmelzende a-Dimethylvalerolacton verfluchtigt sich leicht und besitzt einen ausgesprochenen Lactongeruch :

I. 0,1955 g Substanz lieferten 0,4699 CO, und 0,1655 H,O. 11. 0,1665 ,, ,, 0,3998 ,, 0,1411

Berechnet fur Gefunden -_ C1H,PO* I. 11.

C 65,62 65,56 65,47

H 9,37 9,39 9,40.

_____

*) Diese Annalen 106, 106.

Page 10: Ueber die Constitution der Mesitonsäure;

108 A n s c h u t z u. G i l l e t , uber die Constitution

Mit Versuchen zur synthetischen Darstellung der a-Dimethyl- lavulinsaure aus Acetessigather und Bromisobuttersaureather sind wir noch beschaftigt.

Durch die initgetheilten Versuchsresultate ist der Beweis geliefert, dafs die Mesitonsaure nichts anderes ist als a-Di- methyllavulinsaure. Die Bildung der a-Dimethyllavulinsaure aus Mesityloxyd erfolgt so, dafs aus dessen Salzsaureadditions- product bei der Behandlung mit Cyankalium zunachst das Nitril der a-Dimethyllavulinsaure und hieraus durch Verseifung das Amid, sowie die Siiure selbst entstehen :

= Mesityloxyd.

( CHs\C-CH,-CO , CH, = SalzsLureadditionsproduot des Mesi- CHs/ 1 tyloxyds.

c1

CH3\C-CH,. CO , CH, = Nitril der Fc-DimethyllLvulinsBure.

CHs\C-CHp . CO , CH, = Amid der cc-Dimethylllvulinsaure. CHS' 1 1 CONH2 .k

CH"C-CH,. CO . CH3 = cc-Dimethyllavulinsaure (Mesiton- CH,' 1 siure).

C0,H Das von P i n n e r durch Erhitzen der Mesitonsaure er-

haltene, ungesattigte, bei 24O schmelzende und bei 167O sie- dende Lacton ist das a-Dirnethyl-a-angelicalacton :

CHs\C-CH=C. CHs - - a-Dimethyl-u-angelicalacton. CH, / , I co-0

Die Bildung der Mesitylsaure durfte demnach wohl S O zu erklaren sein, dafs das Nitril oder das Amid der Mesitonsaure zunachst Blausaure addiren :

CN CN

I. CHs\C-CH,-b-CHs 11. CH3\C-CHp-(!L CH,. CHs' 1 I CH3' 1 I

CN OH CONHI, OH

Entweder lagert sich das y-Oxynitril von Pormel I direct

Page 11: Ueber die Constitution der Mesitonsäure;

der Mesitonsaure. 109

in das Nitril der Mesitylsaure u m , oder es geht erst unter Wasseraufnahme in das y-Oxyamid von Formel I1 uber , aus den1 alsdann durch Wasserabspaltung das Nitril der Mesityl- saure und hieraus Mesitylsaure selbst sich bildet.

CN I

CHss\C-CH,. C . CH, = Nitril der Mesitylsilure. CHS/ I I

CO-NH CO,H I

CHs\C-CHz - C . CH, = Mesitylshre. CHs/ I I

CO-NH Schliefslich mochte ich darauf hinweisen, dafs die Er-

kenntnifs der Constitution der Mesitonsaure und des Reactions- mechanismus bei der Bildung der Mesitylsaure einen Ruckschlufs auf die Constitution des oben erwahnten sogenannten schwer loslichen Cyanides C11H18N202 und der daraus durch Er- warmen mit Salzsaure erhaltenen Phoronsaure CllH1805 nahe legt, mit dessen experimentellen Prufung ich noch beschiftigt bin. Uebertragt man namlich die bei dem Mesityloxyd ge- machten Erfahrungen auf das Phoron, so ergiebt sich Folgendes : Die Salzsaureaddition an das Mesityloxyd erfolgt so, dafs das Chlor sich moglichst entfernt von der Carbonylgruppe anlagert, dasselbe durfte auch bei dem Phoron stattfinden :

CH~\C-CH,_CO-CH,-C/CHS CH3\C-CH,-CO-CHs CHS/ 1 CHS' I I \CH,'

c1 c1 c1

Aus beiden Chlorwasserstoffadditionsproducten entstehen alsdann durch Cyankalium die entsprechenden Cyanide und daraus zunachst die zugehorigen Amide :

CHs\C-CH,-CO-CH~ CHs/ !

CONH, CONH, CONH,

Page 12: Ueber die Constitution der Mesitonsäure;

110 A n s c h i i t s u. G i l l e t , uber die Constitution

Das so aus Phoron gebildete Diamid wurde die beiden NH2-Gruppen in y-Stellung zu der CO-Gruppe haben und unter Wasserabspaltung konnte die Bildung zweier Lactam- ringe eintreten :

Mit dieser Formel wurde das Verhalten des sogenannten Cyanides gegen Reagentien im Einklang stehen, seine Be- standigkeit gegen Alkali und Sauren.

Jch bin geneigt in dem kiirzlich von M a r k w a l d ”) aus dem Aethylather der Propionondicarbonsaure durch Erhitzen mit Ammoniak erhaltenen hochschmelzenden , bestandigen .h idu ein Analogon zu dem sogenannten Cyanid der Pho- ronsaure zu erblicken und es folgendermafsen zu formuliren :

die

CH,-CH,-C-CH,-CH, I /\ I CO---NHNH-CO

Beide Substanzen gehen durch Erhitzen mit Salzsaure in entsprechenden y-Ketondicarbonsauren uber :

CH3\ C-CH,-CO-CH,-C<:~ CHS’ I 1 3 = Pboronshre.

C0,H COsH CH,-CHZ-CO-CH,-CH, I I = Propionon-dicarbonsiure. COzH COsH

So formulirt liegt die Analogie zwischen Phoronsaure und Propionondicarbonsaure offen zu Tage. Die Phoronsaure konnte man daher, wenn die im Gange befindlichen Versuche die obige Annahme zur Gewifsheit machen , als a-Tetrame- thylpropiononsaure bezeichnen. In ihrem bei 138O schmelzenden Anhydrid, welches aus der Phoronsaure durch Erhitzen ent- steht , wurde man alsdann wahrscheinlich das dem Doppel- lactam entsprechende Doppellacton zu sehen haben :

*) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 20, 2811 ; 21, 1403.

Page 13: Ueber die Constitution der Mesitonsäure;

der Mesitonsaure. 111

Mit Absicht habe ich diese Auseinandersetzungen aus- schliefslich vom Standpunkt der y-Ketonsaureformel der La- vulinsaure entwickelt , da die Frage nach der Constitution dieser Saure noch nicht endgultig entschieden ist und die iietonformeln zur Zeit allgemeiner verstandlich sein durft en als die y-Oxylactonformeln.

Vorversuchen nach scheinen viele organische Substanzen, die durch ahnliche Condensationsacte gebildet sind wie Mesi- tyloxyd und Phoron, bei der successiven Behandlung mit Salz- saure und Cyankalium ahnliche Umwandlungsproducte zu liefern. Es eroffnet sich somit ein Untersuchungsgebiet von betrachtlicher Ausdehnung , das von verschiedenen Seiten her im hiesigen chemischen Institut in Angriff genommen ist und das ich mir fur einige Zeit vorbehalten rnochte.

Ueber die Bildung von Diacetyltraubensauredime- thyrather und die Bestimmung seiner Molecular-

griifse nach der Methode von R a o u l t ; von Richard Anschiitz.

Vor einigen Jahren habe ich den ersten Aether der Linksweinsaure kennen gelehrt *) und gezeigt , i dafs durch Zusammenschmelzen aquivalenter Mengen Links- und Rechts- weinsauremethylather, sowie beim Vermischen ihrer methyl- alkoholischen Losungen Traubensauremethylather entsteht, krystallographisch identisch mit dem Traubensauremethylather aus naturlicher Traubensaure. Die damals in Aussicht ge-

") Ber. d. deutsch. chem. Ges. lf3, 1397.