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«Kinder von heute im Raum von morgen» Umfrage zur Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen bei Planungs- und Bauvorhaben Resultate der Umfrage bei Fachpersonen aus der kommunalen, kantonalen und privatwirtschaftlichen Raum-, Verkehrs- und Bauplanung, Architektur, Innenarchitektur und Landschaftsarchitektur

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Page 1: Umfrage zur Mitwirkung von Kindern und …...3 Editorial «Kinder von heute im Raum von morgen» – ein Bericht über die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen bei Planungs- und

«Kinder von heute im Raum von morgen»

Umfrage zur Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen bei Planungs- und BauvorhabenResultate der Umfrage bei Fachpersonen aus der kommunalen, kantonalen und privatwirtschaftlichen Raum-, Verkehrs- und Bauplanung, Architektur, Innenarchitektur undLandschaftsarchitektur

Page 2: Umfrage zur Mitwirkung von Kindern und …...3 Editorial «Kinder von heute im Raum von morgen» – ein Bericht über die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen bei Planungs- und

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Editorial

«Kinder von heute im Raum von morgen» – ein

Bericht über die Mitwirkung von Kindern und

Jugendlichen bei Planungs- und Bauvorhaben

in der Schweiz. Diese Umfrage knüpft an frühere

Studien aus den Jahren 2003 und 2015 an, welche

die Partizipationsmöglichkeiten und die Entwick-

lung der Mitwirkung von Kindern und Jugend -

lichen in der Familie, der Schule und der Ge-

meinde beleuchteten. In der zweiten Studie

stellte sich heraus, dass sich Kinder und Jugend-

liche in ihrem Wohnumfeld am wenigsten von

allen untersuchten Bereichen als teilhabend und

mitgestaltend erleben. Als Folge wollten wir

den Fokus nun direkt darauf richten, ob und wie

Kinder und Jugendliche tatsächlich auf Baupro-

jekte und die Raumplanung in ihrer Gemeinde

Einfluss nehmen können und wie diese Mitwir-

kung von den Fachleuten erlebt und beurteilt

wird.

Kind sein heisst, sich in Raum und Zeit orientie-

ren zu lernen, sich Raum und Zeit anzueignen

und sich mit Raum und Zeit zu identifizieren.

Dazu muss ein Kind die Möglichkeit haben, sich

zunehmend autonomer in seiner räumlichen

Umgebung zu bewegen, Menschen und Situa-

tionen zu begegnen und nicht zuletzt: den

Raum mitzugestalten, in dem es lebt und sich

bewegt. Kinder konsequent in Planungs- und

Bauvorhaben einzubeziehen, ist eine anspruchs-

volle Aufgabe – was aber kein Grund sein soll,

es bleiben zu lassen. Ist die Eingangsschwelle

nämlich erst einmal überschritten, stellt sich

die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen

nicht als lästige Pflicht dar, sondern als Gewinn

für alle.

Zu den raumbezogenen Grundbedürfnissen

von Kindern und Jugendlichen gehören soziale

Kontakte, unstrukturierte Orte, Austausch, Schutz

und Rückzug, Ruhe und Erholung. Gleichzeitig

möchten Kinder und Jugendliche sich ihren

Lebensraum aktiv aneignen. Die Qualität der

Räume im direkten Lebensumfeld von Kindern

und Jugendlichen hat für die Persönlichkeits-

und Identitätsentwicklung somit eine grosse

Bedeutung.

Ebenso wichtig sind die Erwachsenen, welche

die nachfolgende Generation dabei begleiten,

in die Gesellschaft, die Zeit und den Raum

hineinzuwachsen und darin ihren Platz zu finden.

Kinder und Jugendliche sind überall – nicht nur

auf dem Schulgelände, dem Spielplatz oder im

Jugendtreff! Auch auf der Strassenkreuzung,

im Spital und in der Wohnsiedlung. Wir müssen

uns bewusst sein, dass die gesamte Raumpla-

nung einen grossen Einfluss auf ihre Entfaltungs-

möglichkeiten hat. In jedem Planungs- und Bau-

vorhaben stecken Aspekte und Konsequenzen,

welche die Kinder und Jugendlichen mit betref-

fen, auch wenn dies manchmal auf den ersten

Blick nicht ersichtlich ist. Gerade deshalb sind

wir aufgefordert, gut hinzuschauen und grund-

sätzlich jedes Projekt auch aus der Sicht der

Kinder und Jugendlichen zu betrachten. Zu

dieser Haltung hat sich die Schweiz im Grund-

satz bereit erklärt, als sie vor über 20 Jahren die

UN-Konvention über die Rechte des Kindes

einführte. Diese bringt als einen der vier Grund-

pfeiler die Verpflichtung mit sich, Kinder und

Jugendliche in allen Entscheidungen zu berück-

sichtigen, die sie betreffen. Die Zusammenhänge

zwischen Kind, Raum, Raumveränderung und

Entscheidungsprozessen müssen uns interes-

sieren. Als Erwachsene tragen wir eine kollektive

Verantwortung dafür, dass die Kinder von heute

im Raum von morgen aufblühen und erstarken,

ihn als den ihrigen empfinden und ihm Sorge

zu tragen bereit sind.

Katherine Haller

Katherine HallerLeiterin Public Affairs

FOTO TITEL: iStock –FLUXFACTORY

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ImpressumHinweis: Die an der Studie beteiligten Gemeinden sowiealle Auskunfts personen wurden aus Datenschutzgründenanonymisiert.

Text: Andrea KippeGrafik/Layout: Kleiber Wirz

Herausgeber:Komitee für UNICEF Schweiz und LiechtensteinPfingstweidstrasse 10 | 8005 ZürichTelefon: 044 317 22 66E-Mail: [email protected]: www.unicef.ch

Zürich, September 2018

Partnerschaft zwischen UNICEF Schweiz und Liechtenstein und der

Paul Schiller Stiftung

Leitgedanke der Partnerschaft ist die Förderung der Autonomieent-

wicklung der Kinder und Jugendlichen. Es wird eine sinnvolle Ver-

bindung von nicht pädagogisierten Räumen mit pädagogisierten

Räumen angestrebt. Dazu gehören insbesondere auch kinderfreund-

liche Mehr generationenräume in Wohnumgebungen. Die Arbeit des

«Fachteams kinderfreundliche Lebensräume» soll dazu beitragen,

insbesondere im Siedlungsgebiet bedürfnisgerechte, kinderfreund-

liche Lebensräume zu erhalten und zu schaffen. Ein besonderes

Augenmerk liegt dabei auf der altersgerechten Berücksichtigung der

Anliegen von Kindern und Jugendlichen und ihrem direkten Einbezug

bei der Planung und Realisierung von Freiräumen.

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Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung ......................................................................... 6

II. Die Umfrage ..................................................................... 9

2.1 Zielsetzungen ................................................................... 9

2.2 Datengrundlage................................................................ 9

III. Analyse und Auswertung .............................................. 10

3.1 Bevorzugter Zeitpunkt .................................................... 10

3.2 Häufigkeit der Mitwirkung ............................................. 10

3.3 Mitwirkung in den unterschiedlichen Projektphasen ....11

3.4 Themenfelder und Altersgruppen ................................. 12

3.5 Erwachsene Schlüsselpersonen in der Gemeinde.........15

3.6 Beurteilung von Erfahrungen und

Rahmenbedingungen..................................................... 17

3.7 Die Herausforderungen in der Arbeit mit Kindern

und Jugendlichen........................................................... 19

IV. Zusammenfassung......................................................... 20

V. Handlungsempfehlungen............................................... 21

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I. Einleitung

Vor über 20 Jahren hat die Schweiz die UN-Konvention überdie Rechte des Kindes, die Kinderrechtskonvention, ratifiziert.Sie umfasst ein breites Spektrum an programmatischen undeinklagbaren Rechten. Der Staat ist verpflichtet, diese Rechteumzusetzen und Kinder darin zu bestärken, ihre eigenenRechte wahrzunehmen. Dabei orientiert er sich an vier Leit-prinzipien: dem besten Interesse des Kindes, ihrem Recht aufLeben, Überleben und persönliche Entwicklung, Nichtdiskri-minierung und Partizipation. Er sorgt dafür, dass die Bedürf-nisse des Kindes auf allen politischen Ebenen, in allen Ent-scheiden und Massnahmen sowie in administrativen undzivilrechtlichen Verfahren angemessen berücksichtigt werden. Mit der Einführung der UN-Kinderrechtskonvention ging einbedeutsamer Paradigmenwechsel einher: Das Kind ist seitherjuristisch gesehen ein eigenständiges Rechtssubjekt und nichtmehr der «Besitz» seiner Eltern. Die Kinderrechte gelten füralle Kinder gleichermassen. Eltern und Staat tragen diesbe-züglich eine gemeinsame Verantwortung, wobei der Staat einesubsidiäre Funktion hat. In Zusammenhang mit dem öffentli-chen Raum liegt die Pflicht, die UN-Kinderrechte zu wahren,hingegen direkt beim Staat: Er muss die Kinder und Jugend-lichen in allen Entscheidungen berücksichtigen, die den öf-fentlichen Raum verändern und Kinder und Jugendliche mitbetreffen. Die Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention sindals Gesamtpaket zu betrachten und systematisch zu berück-sichtigen. Man spricht diesbezüglich vom «Kinderrechtsan-satz». Durch das Subsidiaritätsprinzip ist die Umsetzung der breitgefächerten Rechte eine Querschnittsaufgabe vonGemeinden, Kantonen und vom Bund. Sie verlangen ein hohes Mass an Koordination und Vernetzung aller beteiligtenAkteure, zu denen nicht zuletzt auch Planungs-, Bau- undVerkehrsbehörden gehören, die den Raum und somit die Ent-wicklung des Kindes entscheidend gestalten. In den letzten20 Jahren sind viele Projekte und Programme entstanden, umdie Kinderrechte im Bereich der Gestaltung der kindlichenLebensumwelt umzusetzen. Inwieweit sich die öffentlichen undprivaten Akteure in Planungs- und Bauvorhaben inzwischenals Mitumsetzende der UN-Kinderrechtskonvention verstehen,ist ein übergeordnetes Erkenntnisinteresse der vorliegendenUmfrage.

Partizipation von Kindern und Jugendlichen

in der Schweiz

Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention spricht jedemKind das Recht zu, seine Meinung zu allen seine Person be-treffenden Angelegenheiten und Entscheidungen frei zu äus-

sern. Zusammengenommen mit einer Reihe anderer Artikellassen sich daraus die sogenannten partizipatorischen Rechteder Kinder und Jugendlichen ableiten: Die Sicht der Kinderund Jugendlichen muss überall dort berücksichtigt werden,wo sie direkt betroffen sind, das heisst in der Familie, in derSchule, bei der Gestaltung des öffentlichen Raums oder beiFreizeitangeboten. Das Recht, angehört zu werden, habenKinder und Jugendliche aber auch bei der Ausarbeitung vonGesetzen, bei medizinischen und schulischen Massnahmen,in Scheidungsverfahren oder im Kindesschutzfall. Verschiedene Studien von UNICEF Schweiz und Liechtensteinspiegeln den jeweils aktuellen Stand, aber auch generelle Herausforderungen der Umsetzung der UN-Kinderrechts -konvention. So ergaben Untersuchungen von UNICEF Schweizund Liechtenstein über die Partizipationsmöglichkeiten vonKindern und Jugendlichen,¹ dass Kinder und Jugendliche vorallem in der Familie und in der Schule Mitwirkungsmöglich-keiten haben. Auf Gemeindeebene sind ihre Möglichkeiten,sich mit Ideen und Anliegen einzubringen, allerdings nochnicht besonders ausgeprägt. Die Erfahrungen von UNICEFSchweiz und Liechtenstein aus der Initiative «Kinderfreund-liche Gemeinde» zeigen in dieselbe Richtung. Kinder undJugendliche können im direkten Umfeld von Schule und fürsie explizite bauliche Freizeiteinrichtungen, wie zum BeispielJugendtreffs oder Schulhausplätzen, oft mitwirken. Dochwenn es um die Bedarfsanalyse und die Planung von öffentli-chen Bauten und Räumen geht, stehen sie aussen vor. Das Bundesgesetz über die Raumplanung (RPG) hält in Arti-kel 4 fest, dass die mit Planungsaufgaben betrauten Behördendie Bevölkerung über Ziele und Ablauf der Raumplanung unterrichten müssen und die Bevölkerung in geeigneter Weisebei Planungen mitwirken kann. Kinder und Jugendliche machen einen Fünftel der Bevölkerung der Schweiz aus undsind ein ebenso wichtiger Teil der Gesellschaft wie jede andereGeneration auch. Planende müssen somit nicht nur die Be-dürfnisse der Erwachsenen im Blick haben. Auch die Sichtder Kinder als Betroffene gehört in einen Planungsprozesseinbezogen. Es ist somit ein konkreter Transfer des Raumpla-nungsgesetzes zu den Rechten und Interessen von Kindernund Jugendlichen erforderlich.

1 «Von der Stimme zur Wirkung. Eine Studie zur Partizipation von Kindern

und Jugendlichen in der Schweiz unter der wissenschaftlichen Leitung von

Prof. Dr. Peter Rieker, Institut für Erziehungswissenschaften der Universität

Zürich, im Auftrag von UNICEF Schweiz und Liechtenstein», S. 16.

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Mit Wirkung in die Gesellschaft hineinwachsen

Zur Entwicklung des Kindes gehören Autonomieerfahrungenund die Identitätsbildung. Beides findet in Räumen statt, indenen die Kinder leben, sich bewegen, die sie gestalten undsich aneignen. Räume ermöglichen Identifikation und bildendamit den Grundstein personaler Entwicklung. Dementspre-chend kommt den öffentlichen Räumen in der Gemeinde einegrosse Wichtigkeit zu, denn dort leben und bewegen sich dieKinder und Jugendlichen mit ihrem familiären und gesell-schaftlichen Umfeld. Die raumbezogenen Grundbedürfnisseder Kinder und Jugendlichen, wie der Wunsch nach sozialerInteraktion, nach unstrukturierter und gestaltbarer Umwelt,nach Austausch, Schutz, Rückzug, gleichzeitig aber auch Exposition und Aneignung, sowie Ruhe und Erholung, könnendurch darauf ausgelegtes staatliches Handeln gestillt werden.Die Qualität der Räume in den Gemeinden entsteht nicht alleindurch die Gestaltung durch Fachpersonen, sondern in der Be-ziehung zwischen den Nutzern und ihrem Raum. Räume ausder Perspektive des Nutzers zu lesen, heisst, sie als Trägervon Emotionen, Stimmungen, Erfahrungen und Identität zuerkennen. Partizipation in der Gestaltung spielt dabei einewichtige Rolle. Am kommunalen Leben teilzuhaben und teil-zunehmen, bedeutet für Kinder und Jugendliche – ebenso wiefür die Erwachsenen –, aktiver Teil der Gemeinschaft zu sein.Der Mehrwert von Partizipation für die Kindsentwicklungund das Gemeinschaftsleben ist offenkundig: Kinder und Jugendliche lernen, sich eine Meinung zu bilden und diese zuvertreten und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.Sie machen positive basisdemokratische Erfahrungen undwirken erstmals in Aushandlungsprozessen innerhalb der Gemeinde mit. Zu beachten ist dabei, dass demokratischeMehrheitsentscheide nicht unbedingt dem Mitwirkungsver-ständnis und -bedürfnis der Kinder und Jugendlichen Rech-nung tragen. Die oben erwähnte Studie «Von der Stimme zurWirkung» zeigte nämlich, dass Kinder und Jugendliche Entscheidungsprozesse in Eigenregie anders – oft konsens-orientierter – gestalten und dabei auch spielerische Methodenwie Losen oder Abzählreime einsetzen.

Umsetzung vor Ort

Um mehr darüber zu erfahren, wann, wie und durch wen ini-tiiert Kinder und Jugendliche bei Planungsverfahren undBauvorhaben mitwirken können und wie die Mitwirkung vonden Erwachsenen beurteilt wird, führte UNICEF Schweizund Liechtenstein in Zusammenarbeit mit der Paul SchillerStiftung 2017 eine Umfrage bei Fachpersonen aus der kommu-nalen, kantonalen und privatwirtschaftlichen Raum-, Verkehrs-

und Bauplanung, Architektur, Innenarchitektur und Land-schaftsarchitektur durch. Die Aussagen der Fachleute zu kon-kreten Erfahrungen mit Mitwirkungsprozessen tragen dazubei, Problemstellungen und Anliegen besser zu verstehen, ge-eignete Unterstützungsangebote zu entwickeln und besser aufdie Wertehaltung gegenüber den Kindern und Jugend licheneinzuwirken. Die gelungene Umsetzung der UN-Kinderrechts-konvention zeigt sich dort, wo die Kinder leben, in der Ge-meinde und im staatlichen Handeln der lokalen Behörde. So oder so birgt die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichendie Chance, bedarfs- und zielgruppengerecht zu planen undzu bauen und so eine hohe Identifikation der gesamten Bevöl-kerung mit der bebauten Umwelt zu erreichen. Dies gilt nichtnur für Projekte und Bauten der öffentlichen Hand, sondernebenso für private Bauten.

Initiative Kinderfreundliche Gemeinde

Die UNICEF Initiative «Kinderfreundliche Gemeinde» (KFG)

hat zum Ziel, die Umsetzung der Kinderrechtskonvention auf

kommunaler Ebene zu unterstützen. Sie fördert gezielt Pro-

zesse zur Steigerung der Kinderfreundlichkeit und bietet

Schweizer Gemeinden an, eine Standortbestimmung durch-

zuführen und sich anschliessend um das Label «Kinderfreund-

liche Gemeinde» zu bewerben. Dabei handelt es sich um einen

strukturierten Prozess, der die Bereiche Politik, Verwaltung,

Kinderschutz und Prävention, Bildung, Familie, Freizeit und

Gesundheit sowie Raumentwicklung umfasst. Die Gestaltung

des öffentlichen Raums und der Umgang damit machen dabei

einen wichtigen Anteil aus. Denn Kinder und Jugendliche

sind dort am meisten anzutreffen, wo sie wohnen, die Freizeit

verbringen und zur Schule gehen: in der Gemeinde.

https://www.unicef.ch/de/so-helfen-wir/in-der-schweiz/

kinderfreundliche-gemeinde

Wissenstransfer

UNICEF Schweiz und Liechtenstein fördert nicht nur die Um-

setzung der UN-Kinderrechtskonvention und die Mitwirkung

von Kindern und Jugendlichen, sondern stellt ihr Wissen und

ihre Erfahrung im Rahmen eines interdisziplinären Wissens-

austauschs zur Verfügung. Mit dem Ziel, von Erfahrungen

anderer zu lernen und geeignete Ansätze für neue Projekte zu

finden, organisiert UNICEF Schweiz und Liechtenstein Tagun-

gen und runde Tische mit Experten/-innen aus der Praxis und

der Wissenschaft. Weiter gehören Studien, Umfragen und

Sensibilisierungs- und Öffentlichkeitsarbeit dazu.

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2.1 ZielsetzungenMit der Umfrage bei Fachpersonen aus der kommunalen,kantonalen und privatwirtschaftlichen Raum-, Verkehrs- undBauplanung wollte UNICEF Schweiz und Liechtenstein Ein-sichten erhalten über Themenfelder der Partizipation, überden für sinnvoll erachteten und konkret gewählten Zeitpunktsowie über die Häufigkeit praktizierter Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen. Des Weiteren interessieren dieSchlüsselpersonen beziehungsweise Akteure: Wer hat eineMitwirkung angestossen? Wer hat sie durchgeführt? Wer hatden Zugang zu den Kindern und Jugendlichen hergestellt?Welche Methode wurde für die Partizipation gewählt?Schliesslich sollten auch die Erfahrungen und Herausforde-rungen erfragt werden und welche Rahmenbedingungen esfür eine erfolgreiche Mitwirkung braucht.

2.2 DatengrundlageZwischen Mai und August 2017 wurde die Umfrage bei denoben genannten Zielgruppen durchgeführt. Der Fragebogenbestand aus zwanzig Fragen. Insgesamt wurden 14632 Adres-saten/-innen angeschrieben. Insgesamt nahmen 948 Adressa-ten/-innen an der Umfrage teil, darunter 422 Gemeinden, dasbedeutet, dass 44,5 Prozent der Antworten aus der kommunalenBehörde stammen. Per 1. Januar 2018 verzeichnete die Schweiz2222 Gemeinden, demnach haben beinahe 19 Prozent, rundein Fünftel aller Gemeinden, teilgenommen. Der Rücklaufbetrug insgesamt knapp 6,5 Prozent der angeschriebenenFachper sonen. Unter diesen 948 Fachleuten gab es solche, diebereits Erfahrungen mit Mitwirkungsverfahren gesammelthatten, und solche, die in der Planung noch nie bewusst damitgearbeitet hatten. Bezüglich Sprachregion wird nur auf den Rücklauf aus derfranzösischsprachigen Schweiz und der Deutschschweiz ein-gegangen, da der Antworten-Pool aus dem italienischspra -chigen Teil zu klein ist. Die Umfrageteilnehmer/-innen konntenjede Frage mit offenen Antworten und Kommentaren ergänzen.Einzelne dieser Anmerkungen fliessen zur Veranschauli-chung an einigen Stellen in diesen Bericht ein.Die Umfrage erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität,sondern ist eine deskriptive Auswertung der eingegangenenAntworten. Die Aussagen gelten explizit für die Umfrage -teilnehmer/-innen und können nur bedingt verallgemeinertwerden. Da die Datenmenge verhältnismässig klein ist, bestehtwenig Spielraum, um die Antworten weiter zu differenzieren.Dementsprechend zurückhaltend werden die Schlussfol -gerungen gezogen. Die Zusammenhänge, die sich zwischenden Antworten und der Erfahrung mit der Initiative «Kinder-

freundliche Gemeinde» zeigen, sind dennoch informativ. Esergeben sich wertvolle Hinweise darauf, wo die Partizipationvon Kindern und Jugendlichen bei Planungs- und Bauvor -haben steht und was es braucht, um sie weiterzuentwickeln,eine Bewusstseinsbildung zu erreichen oder Partizipationkommunal strukturell zu verankern. Vor dem Hintergrund derUmfrageergebnisse und Erfahrungen mit der Initiative «Kinder-freundliche Gemeinden» definiert UNICEF Schweiz undLiechtenstein am Ende dieses Berichtes Herausforderungenund gibt Handlungsempfehlungen ab.

9

II. Die Umfrage

Grafik 1: Anzahl Rückmeldungen auf die Umfrage Angaben in absoluten Zahlen, n = 948

PrivateGemeindeKantonunklare Zuweisung

471422

37 18

Grafik 2: Anzahl Rückmeldungen pro Sprachregion Angaben in absoluten Zahlen, n = 948

DFI

681

225

42

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10

3.1 Bevorzugter ZeitpunktUnabhängig von der Erfahrung mit dem Einbezug von Kindernund Jugendlichen wurden die Fachleute nach dem in ihrenAugen sinnvollen Zeitpunkt für Partizipation in den verschie-denen Themenfeldern gefragt. Zu diesen gehören zum Bei-spiel kantonale und kommunale Richtplanung, kommunaleNutzungsplanung, Arealüberbauungen, aber auch konkreteRäume wie Spielplätze oder Jugendtreffs. Diese Frage er-möglicht später zu vergleichen, welche Einflüsse die kon-kreten Erfahrungen in Mitwirkungsverfahren auf den Zeitpunkthaben.

Der Fragebogen unterschied folgende Zeitpunkte: Bedarfsanalyse Wettbewerbsausschreibung Planung Bau Betrieb Gar nicht

Geht es um die grundsätzliche Einstellung, so kann man sichin allen Themenfeldern, den beiden Sprachregionen und denBerufsgruppen am ehesten ein Mitwirkungsverfahren in derBedarfsanalyse vorstellen. Insgesamt haben nur etwa zweiProzent aller Antwortenden angegeben, dass sie sich bei keinemder Themengebiete eine Mitwirkung vorstellen können. Ein-zelne kritische Stimmen äusserten im Rahmen der offenenAntworten Bedenken, Kinder und Jugendliche in Planungs-prozesse einzubeziehen. Die Materie sei zu komplex und zuabstrakt und es müssten viele Vorschriften und juristischeAspekte beachtet werden. Manche Fachleute gaben bei denoffenen Antworten an, es genüge, wenn die Interessen undBedürfnisse der Kinder und Jugendlichen durch Erwachseneeingebracht beziehungsweise durch vorhandenes Fachwissenberücksichtigt würden. Es sei wichtig, genüge aber auch,wenn die Wünsche der Kinder und Jugendlichen im Rahmender Bedarfsanalyse «abgeholt» würden. Weitere offene Ant-worten weisen zudem auf eine generelle Haltung hin, dass esnur dann sinnvoll sei, Kinder und Jugendliche überhaupt zuberücksichtigen, wenn sie direkt zur Zielgruppe gehörten.Fachleute mit Partizipationserfahrung geben im Durchschnitt10,6 von 18 Themengebieten an, in denen sie sich ein Mitwir-kungsverfahren vorstellen können. Solche ohne Erfahrunggeben 9,9 an; das ist ein signifikanter Unterschied. Die genann-ten Themengebiete der Mitwirkung, bei denen Fachleute mitErfahrung sich häufiger eine Mitwirkung von Kindern undJugendlichen vorstellen können, sind: Aussenräume, Wohnan-

lagen privater Investoren, Spielplätze, Gemeindezentren,aber auch Sondernutzungsplanung. Auch wählen sie einenfrüheren Zeitpunkt wie «bei der Bedarfsanalyse» oder «alsAuflage in Wettbewerbsausschreibung integriert» und gleich-zeitig eine spätere und konkretere Einflussphase «beim Bau».

3.2 Häufigkeit der MitwirkungAlle Umfrageteilnehmenden wurden befragt, ob sie und/oderihre Institution in ihrer Berufspraxis schon konkret Mitwir-kungsverfahren mit Kindern und Jugendlichen bei Planungs-und Bauprojekten durchgeführt hatten. Rund 30 Prozent gabenan, Erfahrung mit Mitwirkungsverfahren zu haben. Wo eskeine Erfahrung gab, gehörte zu den meistgenannten Gründen«Bisher keine Planungs- und Bauprojekte durchgeführt, dieKinder und Jugendliche betreffen», «Fehlen eines Auftragsfür ein Mitwirkungsverfahren von Seiten der Bauherrschaft(öffentliche Hand)» oder «Fehlen eines Auftrages für ein Mit-wirkungsverfahren von Seiten der Bauherrschaft (privat)».Nur knapp 5,5 Prozent gaben als Begründung «fehlende finanzielle Ressourcen» an.

Nach Sprachregion

Von Sprachregion zu Sprachregion zeigten sich die Unter-schiede hinsichtlich Mitwirkungsverfahren als überschaubar.Was die Häufigkeit und somit die Erfahrung angeht, sind sichdie Deutschschweiz und die französischsprachige Schweizsehr ähnlich. Rund 30 Prozent der Befragten haben schonMitwirkungsverfahren mit Kindern und Jugendlichen durch-geführt.

III. Analyse und Auswertung

Sonstige/s

Fehlende finanzielle Ressourcen

Fehlende Materie/Aufgabenstellung zu komplex

Nutzen fraglich

Fehlende zeitliche Ressourcen

Kein besonderer Grund

Fehlendes Know-how

Keine Planungs- und Bauprojekte durchgeführt,die Kinder und Jugendliche betreffen

Private: Fehlen eines Auftrags

Öffentl. Hand: Fehlen eines Auftrags

Grafik 3: Welche Gründe sind entscheidend dafür, dass Sie noch kein Mitwirkungsverfahren für Kinder und Jugendliche durchgeführt haben?Mehrfachantworten möglich. Prozentualer Anteil der jeweiligen

Antwort an der Anzahl Antwortenden/Zahlen gerundet

54

44

35

21

20

19

18

16

11

9

% 0 10 20 30 40 50 60

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Nach Organisationstyp

Im privaten Planungs- und Baubereich hat ein Viertel derUmfrageteilnehmer/-innen Erfahrung mit Mitwirkung. Beiden kommunalen und kantonalen Fachstellen hat ein Drittelbereits Mitwirkungsverfahren durchgeführt. Dieser Unter-schied ist statistisch signifikant. Kantone und Gemeindenmüssen als öffentliche Hand im Interesse der gesamten Bevöl-kerung handeln und deren Mitwirkung als logische Konsequenzdavon sehen. Zusätzliche gesetzliche Grundlagen können beiden Bestimmungen zu öffentlichen Bauten oder öffentlichenRäumen eine Mitwirkung vorschreiben. Die Gemeinde undder Kanton haben diesbezüglich eine Vorreiterrolle und Ver-antwortung in der Rolle der Bauherrschaft inne. Sie könnenjedoch nur im Rahmen ihrer Kompetenz agieren.Private Akteure verfügen demgegenüber über mehr Hand-lungsfelder und zeigen in Bezug auf Erfahrungen eine grössereBandbreite an Themen wie beispielsweise die Sondernutzungs-planung, Verkehrsprojekte, öffentliche Plätze, diverse Aussen-räume, Freizeitanlagen.

Nach Berufsgruppe

Von den Fachpersonen, die an der Umfrage teilnahmen, sinddie Landschaftsarchitekten/-innen mit 58 Prozent die mitwir-kungserfahrenste Berufsgruppe, gefolgt von den Verkehrs-planern/-innen mit 41 Prozent und den Raumplanern/-innenmit 36 Prozent. Am wenigsten Mitwirkungserfahrung hattendie Innenarchitekten/-innen 28 Prozent sowie die Architekten/-innen 25 Prozent. Wichtig: mit 28 Prozent der oder die je-weilige an der Umfrage mit 25 Prozent Teilnehmende kannmehreren Berufsgruppen gleichzeitig zugehören; dement-sprechend waren Mehrfachantworten möglich.

Nach Gemeinde- oder Kantonsgrösse

Je grösser eine Gemeinde, desto mehr Mitwirkung: DieHälfte der Gemeinden mit 10000 und mehr Einwohner/-innengaben an, Mitwirkungsverfahren durchgeführt zu haben. Beimittelgrossen Gemeinden (1000–9999 Einwohner/-innen)

war es ein Drittel und bei den kleinen Gemeinden (bis 999Einwohner/-innen) ein Fünftel. Interessant ist, dass die Unterschiede zwischen den grossenund den kleinen Gemeinden hinsichtlich der Themenbreiterelativ gering sind. Das bedeutet, dass unabhängig von derGemeindegrösse Partizipation immer ungefähr in den gleichenThemenfeldern stattfand. 43 Prozent der Kantone, die die Frage nach tatsächlich durch-geführten Mitwirkungsverfahren beantwortet und über 400000Einwohner/-innen haben, hatten schon Mitwirkungsverfahrendurchgeführt. Bei bevölkerungsmässig kleineren Kantonenist es ein Viertel.

3.3 Mitwirkung in den unterschiedlichen Projektphasen

Hier wird ausgewertet, wann sich Kinder und Jugendliche ammeisten einbringen konnten. Der Fragebogen unterschied diefolgenden Phasen eines Bauprojekts: Bedarfsanalyse Wettbewerbsprogramm/-ausschreibung Planung von Massnahmen Bau Betrieb Ausarbeitung eines Betriebs- und Nutzungskonzepts Sonstiges

Es waren Mehrfachantworten möglich. Das heisst, es wurdejede Phase erfasst, die in der Partizipation stattgefunden hatte.Die Bedarfsanalyse ist nicht nur der als am sinnvollsten erachtete Zeitpunkt für Mitwirkung mit Kindern und Jugend-lichen, sondern Mitwirkung fand auch klar dann am meistenstatt und ging mit einer hohen Zufriedenheit der Beteiligteneinher. Je nach Bauprojekt wurden aber auch andere Phasenvorrangig für die Mitwirkung gewählt. Die Bedarfsanalyseschwang dann oben aus, wenn es zum Beispiel Mitwirkung

Private

Gemeinden/Kantone

Grafik 4: Häufigkeit der Durchführung von Mitwirkungs- verfahren von Privaten und der öffentlichen Hand Angaben in Prozent der Antwortenden in der jeweiligen Gruppe/

Zahlen gerundet

33

25

% 0 5 10 15 20 25 30 35

Architektur

Innenarchitektur

Raumplanung

Verkehrsplanung

Landschaftsarchitektur

Grafik 5: Prozentualer Anteil an Mitwirkungserfahrung innerhalb der Berufsgruppe Angaben der Antwortenden pro Berufsgruppe in Prozent

Mehrfachantworten möglich/Zahlen gerundet

% 0 10 20 30 40 50 60 70

25

28

36

41

58

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richtungen und/oder Werkzeuge der Raumplanung und -ent-wicklung wie die kommunale Richtplanung, Nutzungsplanungoder Sondernutzungsplanung.

für ein Gemeindezentrum, eine öffentliche oder private Über-bauung oder eine Sondernutzungsplanung gab. Wenn es Mit-wirkung für eine öffentliche, genossenschaftliche oder pri-vate Überbauung oder für Aussenräume von Wohnanlagender öffentlichen Hand gab, fand diese hingegen signifikanthäufiger in der Bauphase statt.

Nach Sprachregion

Sprachregional gibt es Unterschiede. Die französischsprachigeSchweiz hat mit 82 Prozent eine vergleichsweise sehr grosseErfahrung an Mitwirkung in der Betriebsphase, gefolgt vonder Planungsphase mit 38 Prozent. Schwach vertreten ist derZeitpunkt der Wettbewerbsausschreibung mit 7 Prozent. Inder Deutschschweiz klaffen die Planungs- und die Betriebs-phase nicht so stark auseinander: Am meisten wurde mit 72Prozent in der Planungsphase partizipativ gearbeitet, gefolgtvon der Bedarfsanalyse mit 67 Prozent. Wie in der französisch-sprachigen Schweiz wurden auch in der Deutschschweiz beiWettbewerbsausschreibungen kaum Partizipationsverfahrenfür Kinder und Jugendliche aufgenommen.

Nach Organisationstyp

Drei Viertel der Gemeinden und zwei Drittel der Privaten, dieErfahrung mit Mitwirkung haben, haben die Kinder und Ju-gendlichen in die Bedarfsanalyse mit einbezogen. An zweiterStelle steht die Planungsphase, gefolgt von der Bautätigkeitund dem Betrieb.

Nach Erfahrung

Fachleute, die Erfahrung mit Mitwirkungsverfahren haben,beurteilten den Zeitpunkt der Bedarfsanalyse häufiger als geeignet als solche ohne Erfahrung. Sie scheinen ausserdemauch dafür sensibilisiert zu sein, Mitwirkung bereits als Auf-lage in die Projektausschreibung zu integrieren, und habenweniger Bedenken, Kinder und Jugendliche während derBauphase zu beteiligen. Verglichen mit den von allen Befragten als sinnvoll erachtetenZeitpunkten findet die Mitwirkung in der Bauphase effektivrelativ häufig statt, die Mitwirkung in der Wettbewerbsaus-schreibung dagegen effektiv relativ selten.

3.4 Themenfelder und AltersgruppenUm die Mitwirkung in den Planungs- und Bauvorhaben zudurchleuchten, wurde eine Auswahl an Themenfeldern vor-gegeben, die für Kinder und Jugendliche relevante Räume beinhalten, wie beispielsweise der Aussenraum von Kinder-garten, Schulhaus, oder Jugendtreff oder ähnliche Freizeitein-

Worum geht es?²

Das RPG (Raumplanungsgesetz) ist ein sogenanntes Rahmen-

gesetz. Kantone und Gemeinden tragen die Hauptverantwor-

tung für die Konkretisierung und Umsetzung der Grundanlie-

gen der Raumplanung in ihrem Gebiet. Der Kanton erstellt

für sein Territorium die behördenverbindliche Richtplanung,

die Gemeinden die auf dem kantonalen Richtplan basierende

grundeigentümerverbindliche Nutzungsplanung.

Richtplanung: Das RPG verlangt von den Kantonen die Erstel-

lung kantonaler Richtpläne. Der kantonale Richtplan ist ein

zentrales Führungs- und Steuerungsinstrument des Kantons

in der Raumplanung. Der kantonale Richtplan regelt, unter

Beachtung der föderalistischen und demokratischen Prinzi-

pien, die Grundzüge der angestrebten räumlichen Entwick-

lung im Kanton. Er zielt darauf ab, die räumliche Entwicklung

im Kanton längerfristig, vorausschauend und in Abstimmung

mit seinen Nachbarkantonen zu lenken. Der kantonale Richt-

plan legt in den Grundzügen fest, wie Natur-, Landwirt-

schafts-, Siedlungs- und Erholungsräume mittel- und lang-

fristig (15 Jahre) entwickelt und aufeinander abgestimmt

werden sollen. Konzeptionell ähnlich dem kantonalen Richt-

plan dient der kommunale Richtplan behördenverbindlich

der Steuerung der kommunalen Raumentwicklung und ist

somit für die Gemeinde der raumordnungspolitische Orien-

tierungsrahmen für die zukünftige Entwicklung. Er ist damit

Grundlage für die grundeigentümerverbindliche Nutzungs-

oder Zonenplanung. Wichtig: Das Instrument des kommuna-

len Richtplans ist im RPG nicht verlangt; das Grundkonzept

des Richtplans kann beispielsweise auch in der Form eines

(Stadt-)Entwicklungskonzeptes auftreten.

Nutzungsplanung

Mit der Nutzungsplanung Siedlung werden Art, Mass und

Zuordnung der Bodennutzung wie beispielsweise Wohnen,

Gewerbe, Freifläche, Verkehr. parzellenscharf und für jeder-

mann verbindlich festgelegt. Sie regelt insbesondere die

Dimensionen und die Gestalt der Bauten und Anlagen und

ordnet in genereller Weise die Nutzung des Bodens. Die

Nutzungsplanung besteht aus dem Zonenplan und dem

Bau- und Zonenreglement.

III. Analyse und Auswertung

Page 11: Umfrage zur Mitwirkung von Kindern und …...3 Editorial «Kinder von heute im Raum von morgen» – ein Bericht über die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen bei Planungs- und

Auch in der Romandie belegen Spielplatz/Skaterplatz/Sport-platz den ersten Rang, dies gemeinsam mit Parkanlagen undöffentlichen Räumen zu je 16 Prozent.Parkanlagen und öffentliche Räume, die Aussenräume beiKindergärten und Schulhäusern sowie Skaterplatz/Sportplatzmachen insgesamt zusammen 40 Prozent aller Mitwirkungs-projekte aus. Die Gemeinden führten bei Spielplatz/Skaterplatz/Sportplatzam häufigsten Mitwirkungsverfahren durch. Der Aussen-raum von Schule und/oder Kindergarten macht 14 Prozentder Verfahren aus, während auf das Thema Jugendtreff 12Prozent entfallen. Praktisch keine Mitwirkung auf Gemeinde -ebene fand beim öffentlichen Raum, bei Arealüberbauungen,Wohnanlagen und der Aussenraumgestaltung statt. Ein Ein-flussfaktor ist hier natürlich, inwiefern eine Gemeinde über-haupt über eigene Baureserven verfügt.

13

Meistgenannte Themenfelder zur Mitwirkung

Konkret werden gesamtschweizerisch am meisten Mitwir-kungsverfahren bei Projekten durchgeführt, die einen direktenBezug zu Kindern und Jugendlichen haben. Hier scheint dieEvidenz für einen Einbezug gegeben zu sein, zumal die Kinderund Jugendlichen dann auch die Hauptnutzergruppe sind. Be-züglich der Sprachregionen gibt es einige Unterschiede, dieaber nicht grundsätzlicher Natur sind. In der Deutschschweizwurden mit 16 Prozent am meisten Mitwirkungs verfahren fürProjekte wie Spielplatz/Skaterplatz/Sportplatz durchgeführt.Dahinter liegen mit 14 Prozent die Aussenbereiche vonSchulhaus oder Kindergarten.

Sondernutzungsplanung

Sondernutzungspläne konkretisieren und ergänzen Festle-

gungen der Nutzungsplanung. Sie werden auch Gestaltungs-

plan, Überbauungsordnung oder Bebauungsplan genannt.

Sie ergänzen und verfeinern für Teilgebiete einer Gemeinde

die vorgegebene Grundnutzung. Ein Sondernutzungsplan

dient als Planungsinstrument und ordnet Bebauungs-, Nut-

zungs- und Gestaltungsmöglichkeiten grösserer zusammen-

hängender Gebiete oder einzelner standortprägender Vorha-

ben wie zum Beispiel den Bau eines Einkaufszentrums oder

eines Schwimmbades. Die Gemeinden können die Sonder-

nutzungsplanpflicht für bestimmte Gebiete oder für grössere

Bauten und Anlagen vorschreiben. Zweck eines Sondernut-

zungsplans können beispielsweise sein: die Sicherung be-

sonderer Qualitäten, wie zum Beispiel städtebauliche und

architektonische Anliegen; ein erhöhter Schutz bestehender

Bauten und Freiräume; oder Vorschriften für spezielle Projekte

wie Hochhäuser oder Umnutzungen von Industriebrachen.

Landschaftsarchitektur: Landschaftsarchitekten/-innen ent-

werfen, planen und gestalten nicht überbaute Aussenräume

wie Parks, Sportplätze und Freizeitanlagen, öffentliche Plätze

und Gärten, aber auch Freiflächen im ländlichen und urbanen

Raum. Die aktuelle Landschaftsarchitektur definiert ihr zen-

trales Ziel, ökologisch und sozial intakte Lebensumwelten zu

erhalten und zu schaffen. Sie befasst sich beispielsweise mit

Lebensräumen der Tier- und Pflanzenwelt, räumlichen Zu-

weisungen von Nutzungen und Schutzgebieten, mit Gestal-

tungselementen wie Oberflächen, Bäumen und Hecken,

Mauern, Geländeformen und Terrassierungen. Die Aussen-

räume verändern und entwickeln sich ständig und sind im

Gegensatz zu gebauten Räumen nie fertig.

Sondernutzungsplanung

Genossenschaftsüberbauungen

Arealüberbauung öffentlich

Arealüberbauung privat

Aussenräume Wohnanlagen öffentlich

Aussenräume Wohnanlagen privat

Richtplanung

Nutzungsplanung

Quartierzentren/Gemeindezentren

Turnhallen

Verkehrsprojekte

Neu- oder Umbau Schulhaus/Kindergarten

Jugendtreff

Parkanlagen

Hallenbad/Freibad

Aussenraum Kindergarten/Schulhaus

Spielplatz/Skaterplatz/Sportplatz

Grafik 6: Häufigkeit der Mitwirkung im Themenfeld Bauprojekt oder Planungsphase Angaben in Prozent der gesamten Nennungen

Mehrfachantworten möglich/Zahlen gerundet

% 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18

16

13

11

11

10

9

5

4

4

3

3

3

2

2

2

2

1

2 Sämtliche Definitionen aus:

https://www.irap.ch/uploads/tx_hsrpm/2012_12_17_Erlaeuterungen.pdf

https://are.zh.ch/internet/baudirektion/are/de/raumplanung/kantonaler_

richtplan.html

http://www.landschaftsarchitektur.ch/de/Eine-natuerliche-Wahl

Page 12: Umfrage zur Mitwirkung von Kindern und …...3 Editorial «Kinder von heute im Raum von morgen» – ein Bericht über die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen bei Planungs- und

Auch private Bau- und Planungsverantwortliche führten vorallem in den vier Bereichen Neu- oder Umbau Schulhaus/Kindergarten (11 Prozent), Aussenraum Schule/Kindergarten(12 Prozent), Spielplatz/Skaterplatz/Sportplatz (11 Prozent)sowie Hallen-/Freibad (11 Prozent) Mitwirkungsverfahrendurch.

Mitwirkung der verschiedenen Altersgruppen

Bei dieser Auswertung zeigt sich, dass alle Kinder und Ju-gendlichen vor allem dort am häufigsten mitwirken konnten,wo sie einen direkten Bezug zum Thema hatten. Es handeltsich um Orte und Bauten, wo sich die Kinder und Jugendli-chen aufgrund ihres Alltagslebens ohnehin häufig aufhaltenund die meistens auch zu diesem Zweck erstellt wurden:Schulhäuser und ihre Umgebung, Spiel- und Sportplätze, öffentliche Parkanlagen. Insgesamt war die am wenigsteneinbezogene Altersgruppe die der 4- bis 8-Jährigen, die Unterschiede sind jedoch gering. Die Mitwirkungsmöglich-keiten und die Vielfalt an Themenfeldern nehmen mit zuneh-mendem Alter der Kinder nicht erheblich zu. Generell kann man sagen, dass mit zunehmender Komplexi-

tät eines Projektes auch das Alter der Kinder und Jugend -lichen steigt, die daran mitwirken. Bei Verkehrsprojekten, öf-fentlichen Plätzen und Parks, Schulhäusern, Aussenräumenim schulischen Umfeld und genossenschaftlichen Überbau-ungen wurden die 9- bis 12-Jährigen bevorzugt einbezogen.Bei kommunalen Nutzungsplanungen, Turnhallen, Jugend-treffs und Hallen-/Freibadprojekten hatten die Jugendlichen(13- bis 18-Jährige) am meisten Einflussmöglichkeiten. Aufden Jüngsten zwischen 4 und 8 Jahren lag indes nie das Haupt-gewicht. Es ist nicht so, dass die 4- bis 8-jährigen Kinderüberhaupt keine Mitsprache hatten, sie waren aber die insge-samt am geringsten nachgefragte Altersgruppe. Auch verän-dert sich mit dem Alter der Zeitpunkt der Mitwirkung. So ver-schiebt sich der Einbezug mit zunehmendem Alter von derBedarfsanalyse hin zur Planungs- und Betriebsphase.Der grösste Teil der Mitwirkung der Jüngsten zwischen 4 und8 Jahren fand im Aussenraum von Kindergarten/Schulhaus,Spielplatz/Skaterplatz/Sportplatz, öffent lichen Plätzen undParkanlagen und den Innenräumen des Schulhauses/ Kinder-gartens statt. Diese vier Bereiche machen bei dieser Alters-gruppe zusammengenommen zwei Drittel der Mitwirkungaus. Wie die Grafik sehr anschaulich zeigt, fallen demgegen-über die Einflussmöglichkeiten in den an deren Themenfeldernstark ab.

14

Sondernutzungsplanung

Arealüberbauung privat

Genossenschaftsüberbauungen

Aussenräume Wohnanlagen privat

Arealüberbauung öffentlich

Aussenräume Wohnanlagen öffentlich

Nutzungsplanung

Turnhallen

Richtplanung

Quartierzentren

Schulhaus/Kindergarten

Verkehrsprojekte

Hallenbad/Freibad

Jugendtreff

Aussenraum Kindergarten/Schulhaus

Parkanlagen

Spielplatz/Skaterplatz/Sportplatz

Grafik 7: Prozentualer Anteil der Nennungen der Häufigkeit an Mitwirkungsverfahren in den Gemeinden und von Privaten in den Themenfeldern Mehrfachantworten möglich/Zahlen gerundet

PrivateGemeinden

% 0 5 10 15 20 25

4

6

31

21

23

3

115

73

3

43

44

4

4

911

129

168

2211

1412

Hallenbad/Freibad

Richtplanung

Arealüberbauung öffentlich

Sondernutzungsplanung

Arealüberbauung privat

Aussenräume Wohnanlagen öffentlich

Turnhallen

Aussenräume Wohnanlagen privat

Quartierzentren

Jugendtreff

Genossenschaftsüberbauungen

Verkehrsprojekte

Schulhaus/Kindergarten

Parkanlagen

Spielplatz/Skaterplatz/Sportplatz

Aussenraum Kindergarten/Schulhaus

Grafik 8: Prozentualer Anteil aller Mitwirkungen der 4- bis 8-Jährigen aufgeteilt nach Planungs- verfahren/Bauobjekt Mehrfachantworten möglich/Zahlen gerundet

% 0 5 10 15 20 25

3

3

2

2

1

1

4

4

4

5

5

14

14

15

22

0

III. Analyse und Auswertung

Page 13: Umfrage zur Mitwirkung von Kindern und …...3 Editorial «Kinder von heute im Raum von morgen» – ein Bericht über die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen bei Planungs- und

15

Sehr ähnlich sieht die Verteilung bei den 9- bis 12-jährigenKindern aus. Ihr Mitwirken fand in genau denselben Berei-chen am meisten statt wie bei den Kleinsten: Aussenraum vonKindergarten/Schulhaus, Spielplatz/Skaterplatz/Sportplatz,öffentliche Plätze und Parkanlagen und Innenräume desSchulhauses/Kindergartens. Auch Jugendtreffs und Verkehrs-projekte waren noch Mitwirkungsbe reiche der 9- bis 12-Jäh-rigen. Die genannten sechs Bereiche machen zusammen dreiViertel der Mitwirkung dieser Altersgruppe aus. Grössere Bau-projekte, Aussenanlagen und Wohnüberbauungen gehörtenauch hier nicht zu den mitwirkungsintensivsten Bereichen.Bei den 13- bis 18-Jährigen findet man die meiste Mitwirkungbei den Themen Spielplatz/Skaterplatz/Sportplatz, Jugend-treff und öffentliche Plätze/Parkanlagen. Im Gegensatz zuden Jüngeren gehört für diese Altersgruppe der Jugendtreff zuden drei Bereichen, in denen am häufigsten Mitwirkung statt-findet. Die Schulumgebung wurde dagegen weniger gewichtet.

3.5 Erwachsene Schlüsselpersonen in der Gemeinde

Bei der Frage nach den Schlüsselpersonen in der Gemeindegeht es darum aufzuzeigen, wer den Anstoss zur Mitwirkunggab, wer sie durchführte und wer den Zugang zu den Kindernerschloss. Ebenso geht es um die Wahl der Methode.

Anstoss

Zwar haben die Kinder und Jugendlichen die Hauptrolle in-nerhalb des Partizipationsverfahrens inne, aber für die Durch-führung, die Inhalte und die Rahmenbedingungen sind die Er-wachsenen zuständig. Kinder und Jugendliche sind abhängigdavon, dass die Erwachsenen Partizipation wollen, Ent-scheide zur systematischen Verankerung treffen und ihreVerantwortung wahrnehmen. Im Folgenden wird betrachtet,woher jeweils der Anstoss zu Mitwirkung kam.Am aktivsten in Mitwirkungsverfahren involviert sind öffent-liche Bauherrschaften – das heisst Vertreter/-innen von Gemeinden oder Kantonen. Sie sind auch am häufigsten aus-schlaggebend dafür, dass überhaupt ein Mitwirkungsverfahrendurchgeführt wird. Dahinter folgen Architekten/-innen, Lehr-kräfte und Jugendbeauftragte.Die öffentliche Bauherrschaft zeigt ein grosses Verständnisfür die gesamte Bevölkerung – sie hat jedenfalls im Vergleichzu den anderen Akteuren den grössten Anteil an Mitwir-kungsverfahren für Kinder und Jugendliche angestossen.Ebenfalls hoch ist der Anstoss durch die Architekten/-innen,Planer/-innen, Landschaftsarchitekten/-innen und durch dieSchule. Ein Prozent aller Mitwirkungsverfahren kam direktinfolge einer formellen Verankerung zustande.

Hallenbad/Freibad

Aussenräume Wohnanlagen öffentlich

Sondernutzungsplanung

Arealüberbauung öffentlich

Turnhallen

Arealüberbauung privat

Nutzungsplanung

Richtplanung

Genossenschaftsüberbauungen

Aussenräume Wohnanlagen privat

Quartierzentren

Verkehrsobjekte

Jugendtreff

Schulhaus/Kindergarten

Parkanlagen

Spielplatz/Skaterplatz/Sportplatz

Aussenraum Kindergarten/Schulhaus

Grafik 9: Prozentualer Anteil aller Mitwirkungen der 9- bis 12-Jährigen aufgeteilt nach Planungs- verfahren/Bauobjekt Mehrfachantworten möglich/Zahlen gerundet

% 0 5 10 15 20 25

2

2

2

2

1

1

3

3

4

4

6

9

10

14

17

1

19

Sondernutzungsplanung

Hallenbad/Freibad

Aussenräume Wohnanlagen öffentlich

Arealüberbauung öffentlich

Arealüberbauung privat

Genossenschaftsüberbauungen

Nutzungsplanung

Aussenräume Wohnanlagen privat

Quartierzentren

Verkehrsobjekte

Turnhallen

Richtplanung

Schulhaus/Kindergarten

Aussenraum Kindergarten/Schulhaus

Parkanlagen

Jugendtreff

Spielplatz/Skaterplatz/Sportplatz

Grafik 10: Prozentualer Anteil aller Mitwirkungen der 13- bis 18-Jährigen aufgeteilt nach Planungs- verfahren/Bauobjekt Mehrfachantworten möglich/Zahlen gerundet

% 0 5 10 15 20 25

3

3

2

2

2

2

4

4

4

5

5

7

7

12

14

2

21

Page 14: Umfrage zur Mitwirkung von Kindern und …...3 Editorial «Kinder von heute im Raum von morgen» – ein Bericht über die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen bei Planungs- und

16

Durchführung

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass private Planungsbürosweniger häufig externe Fachkräfte mit der Durchführung derMitwirkungsverfahren beauftragten als die Gemeinden. Dasist insofern erklärbar, als – anders als die Gemeinde als Bau-herrschaft – private Planungsbüros als Auftragnehmer derGemeinde oder der privaten Bauherrschaft amten. Im Folgenden werden weitere Aussagen zur Durchführungvon Mitwirkungsverfahren in Bezug auf die jeweils umset-zenden Akteure präsentiert. Es handelt sich um signifikanteZusammenhänge zwischen der Art des Projektes, dem Zeit-punkt der Mitwirkung und dem Alter der mitwirkenden Kinderund Jugendlichen.

Lehrkräfte und Schulverantwortliche hatten ihren Schwer-punkt bei der Durchführung von Mitwirkungsverfahren beiProjekten, die in einem schulischen Zusammenhang standen:bei Schulen, dem Aussenraum von Schulen, Turnhallen undSchwimmbädern. Sie führten – in der Regel im Auftrag derBauherrschaft – häufiger Mitwirkungsverfahren bei der Wett-bewerbs-, Planungs- und Bauphase durch und hatten dabeihäufiger mit 9- bis 12-jährigen Kindern zu tun.

Mitarbeitende der lokalen Kinder- und Jugendarbeit führ-ten häufiger Mitwirkungsverfahren bei Richt- und Sondernut-zungsplanungen, Verkehrsprojekten, Parks, dem Aussenbe-reich von Schulhäusern, Jugendtreffs, Spielplätzen, privatenund genossenschaftlichen Überbauungen durch. Sie warenhäufiger in die Planungs- und Bauphase involviert.

Expertinnen und Experten, die direkt beauftragt wurden

und die Mitwirkung selber leisteten, führten Mitwirkungs -verfahren häufiger bei Richt- und Nutzungsplanungen vonSchwimmbädern, Gemeindezentren und Genossenschafts-überbauungen durch. Zeitlich hatten sie eher Mitwirkungsauf-träge in der Bedarfsanalyse sowie Planungs- und Betriebsphase.Mit 9- bis 12-jährigen Kindern hatten interne Mitwirkungs -experten/-innen öfter zu tun.

Externe Fachstellen wurden häufiger mit der Durchführungvon Mitwirkungsverfahren bei Richtplanungen, Verkehrspro-jekten, Parks, Gemeindezentren und Genossenschaftsüber-bauungen beauftragt. Die Bedarfsanalyse, die Wettbewerbs-ausschreibung sowie die Planungs- und Bauphase waren jeneZeitpunkte, zu denen externe Fachstellen häufiger Mitwir-kungsverfahren durchführten. Mit 4- bis 8-jährigen Kindernhatten externe Fachkräfte öfter zu tun.

Vertretende von Jugendorganisationen hatten häufigerden Auftrag, Mitwirkung bei Nutzungsplanungen, Turnhallen,Jugendtreffs, öffentlichen und genossenschaftlichen Über-bauungen durchzuführen. Wenn Vertretende von Jugendor-ganisationen Mitwirkungsverfahren durchführten, dann eherbei der Bedarfsanalyse und beim Betriebskonzept als beimBetrieb selbst. Weniger häufig waren sie mit Mitwirkungs-verfahren für 4- bis 8-Jährige beschäftigt.

Private und öffentliche Bauherrschaften waren häufigerbei Turnhallen, Spielplätzen und privaten Überbauungen mitMitwirkungsverfahren beauftragt, seltener bei genossen-schaftlichen Überbauungen. Sie führten Mitwirkung häufigerbei der Bedarfsanalyse, bei der Wettbewerbsausschreibung,in der Planungs-, Bau- und Betriebsphase durch. Seltener hatten sie mit den Altersgruppen der 4- bis 8-Jährigen und der13- bis 18-Jährigen zu tun.

In Gesetz/Verordnung/Reglementvorgegeben

Schulsozialarbeit

Bewohner/Anwohner/-innen

Kinder-/Jugendkommission

Eltern

Bauherrschaft privat

Kinder-/Jugendliche

Kinder-/Jugendbeauftragte

Lehrkräfte

Architekt/Planer/Landschaftsarchitekt/-in

Bauherrschaft öffentlich

Grafik 11: Prozentualer Anteil der Initianten von Mitwirkungsverfahren mit Kindern und Jugendlichen der gesamten Nennungen Mehrfachantworten möglich/Zahlen gerundet

% 0 5 10 15 20 25 30

6

6

14

10

27

7

8

13

3

4

1

III. Analyse und Auswertung

Vertreter Jugendorganisationen

Sonstige

Externe Fachkräfte/-stellen

Experten/-innen aus der eigenen Organisation

Mitarbeiter/-innen der Kinder- undJugendanimation vor Ort

Bauherren

Lehrkräfte/Schulen

Grafik 12: Wer führte Mitwirkungsverfahren durch? Anzahl Nennungen schweizweit pro Berufsgruppe

0 20 40 60 80 100 120

37

37

50

54

61

71

107

Page 15: Umfrage zur Mitwirkung von Kindern und …...3 Editorial «Kinder von heute im Raum von morgen» – ein Bericht über die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen bei Planungs- und

17

Die Schule mit der grössten Anzahl Nennungen ist offen-sichtlich ein wichtiges Gefäss für die Durchführung von Mit-wirkungsverfahren. Es ist wichtig, nochmals zu differenzieren,dass diese Befragung nur einen Teilaspekt von Partizipationbeleuchtet – nämlich den, bei dem es um Mitwirkung am Bauund in der Planung geht. Ein umfassendes Verständnis vonPartizipation beinhaltet jedoch mehr als das. VerschiedeneFormen und Gefässe der Partizipation ermöglichen den Kin-dern, ein aktiver Teil der Gesellschaft zu sein. Aus der Grafik12 darf also keinesfalls eine «Rangliste» zum allgemeinenVerständnis der einzelnen Akteure für eine gelebte Partizi -pationskultur mit Kindern und Jugendlichen herausgelesenwerden.

Mobilisierung

Für die Mitwirkung mobilisiert wurden Kinder und Jugend -liche vor allem über die Schule oder den Kindergarten, die Jugendarbeit, Vereine, Jugendgruppen oder Quartiervereine.Weniger wichtig waren Kindertagesstätten, Horte, Spielgruppenund die sozialen Medien. Die Schule ist der Schlüsselort, umKinder und Jugendliche für ein Mitwirkungsverfahren zu ge-winnen und einzubinden. Offenbar gibt es noch relativ wenigErfahrung damit, Kinder im Vorschulalter in Mitwirkungs-verfahren zu berücksichtigen.

Methodik/Art und Weise der Durchführung

Nun wurde die Art und Weise der Partizipation erfragt. Eszeigte sich, dass die angewendete Methode einen Einfluss darauf hat, ob die beteiligten Fachleute mit dem Mitwir-kungsverfahren zufrieden waren. Schriftliche Befragung undkonkrete Mitarbeit bei Planung und Bau führten signifikantöfter zu guter oder sehr hoher Zufriedenheit. Es waren aber

nicht die am häufigsten angewandten Methoden. Die ammeisten genutzten Partizipationsmethoden waren Workshopsund Interviews.

3.6 Beurteilung von Erfahrungen und Rahmenbedingungen

Erfahrungen

Insgesamt haben drei Viertel derer, die Erfahrung mit demEinbezug von Kindern und Jugendlichen haben, die Erfahrungals gut bis sehr gut eingestuft. Fachleute, die bereits Erfahrungmit Mitwirkungsverfahren hatten, beurteilten den Einbezugvon Kindern und Jugendlichen in Aussenräumen, Wohnanlagenprivater Bauherrschaften, Spielplätzen, Gemeindezentrenund Sondernutzungsplanung etwas positiver als solche ohneErfahrung. Das Alter der einbezogenen Kinder und Jugend -lichen scheint bei der Beurteilung des Mitwirkungsverfahrenskeine Rolle zu spielen, auch Mitwirkungsverfahren mit denJüngsten wurden positiv beurteilt. Gute Erfahrungen wurdenauch mit dem Einbezug von Jugendlichen in der Bedarfsanalyseund in der Bauphase gemacht. Mitwirkungsverfahren bei Arealüberbauungen im Auftragder öffentlichen Hand wurden signifikant besser bewertet.Mitwirkungsverfahren bei Richtplanungen wurden öfter nega-tiv bewertet. Gestaltete eine private Bauherrschaft unter derMitwirkung von Kindern und Jugendlichen die Aussenräumevon Wohnanlagen, wurde das Mitwirkungsverfahren öfter alsschlecht oder sehr schlecht empfunden.Wurden externe Fachkräfte und auch Vertreter/-innen von Jugendorganisationen für die Durchführung des Verfahrensbeigezogen, ergab sich eine grössere Zufriedenheit. Architek-ten/-innen und Innenarchitekten/-innen bewerteten die Zu-

Spielgruppe

Soziale Medien

Kita/Hort

Quartiervereine

Vereine

Jugendgruppen

Kindergarten

Offene/mobile Jugendarbeit

Schulen

Grafik 13: Über welche Gruppen/Institutionen wurden Kinder und Jugendliche für Mitwirkung mobilisiert? Anzahl Nennungen pro Gruppe/Mehrfachantworten möglich

0 20 40 60 80 100 120 140 160

150

11

11

17

34

44

44

49

53

5 20 25

15 56 71

19 86 107

32 105 136

16 53 69

10 45 55

Sonstiges

Schriftliche Befragung

Begehungen/Streifzüge/Fotosafari

Konkrete Mitarbeit beim Bau

Interviews mt Kindern/Jugendlichen

Workshops

Grafik 14: Wie wurde das Mitwirkungsverfahren durchgeführt? Angaben in absoluten Zahlen/Mehrfachantworten möglich

FDTotal

0 20 40 60 80 100 120 140 160

Page 16: Umfrage zur Mitwirkung von Kindern und …...3 Editorial «Kinder von heute im Raum von morgen» – ein Bericht über die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen bei Planungs- und

18

Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Mitwirkung

Was macht ein Mitwirkungsverfahren erfolgreich?

Grundsätzlich führt ein Mitwirkungsverfahren gemäss denAngaben der Umfrageteilnehmenden dann zum Erfolg, wennfolgende Rahmenbedingungen gegeben sind: Klare Zieldefinition für das Mitwirkungsverfahren Auftrag für das Mitwirkungsverfahren von Seiten der Auftraggeber Genügend Zeit eingeplant Finanzielle Ressourcen für das Mitwirkungsverfahren

Auch bei der Frage nach den Erfolgsfaktoren wird der bau-herrschaftliche Auftrag genannt. Wenig gewichtet für den Er-folg von Partizipation wurden Rahmenbedingungen wie«Möglichkeiten und Grenzen des Mitwirkungsverfahrenskennen». Hier scheint ein Verständnis für einen spielerischenund grenzenlosen Einbezug von Kindern und Jugendlichenvorhanden zu sein. Ebenfalls als nicht entscheidend taxiertwerden «altersgerechte Aktivitäten» sowie die «Abspracheder verschiedenen Akteure».

sammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen signifikant häu-figer als schlecht oder sehr schlecht. Einzelne Anmerkungen bei den offenen Antworten stellenden Kindern und Jugendlichen hinsichtlich Urteilsvermögenund Partizipationswillen jedoch ein gutes Zeugnis aus. Sieseien zu begeistern, könnten durchaus priorisieren und ver-stünden es auch, wenn nicht jede Idee realisierbar sei. Fachleute, die keine Erfahrung mit Mitwirkungsverfahren ha-ben, nannten als Gründe dafür am häufigsten das Fehlen einesAuftrags von Seiten der Bauherrschaft. Und zwar unabhängigdavon, ob diese öffentlich oder privat ist. In der Deutsch-schweiz war es der häufigste Grund, weshalb bisher kein Mitwirkungsverfahren durchgeführt wurde. In der Romandielautet der häufigste Grund, dass bisher keine Planungs- undBauprojekte durchgeführt worden seien, die Kinder und Ju-gendliche betreffen. Zudem fehlen auch dort entsprechendAufträge von der Bauherrschaft an die Ausführenden.Verschiedentlich wiesen die Fachleute in den offenen Ant-worten darauf hin, dass die Mitwirkung der Bevölkerung be-reits öffentlich verankert sei und Kinder und Jugendliche nichtausschliesse. Andere fanden, es genüge, wenn die Bedürfnisseder Kinder und Jugendlichen über Interessenvertreter/-innenwie Eltern, Schulvertreter/-innen, Jugendbeauftragte usw. ein-fliessen würden.Wurde erst ein Mitwirkungsverfahren durchgeführt, warendie Fachleute hinterher meist zufrieden damit. Allerdingsfanden sie es problematisch, in der direkten Arbeit mit denKindern und Jugendlichen mit deren Erwartungshaltung um-zugehen: Wer mitwirkt, möchte, dass seine Ideen auch umge-setzt werden. Die Umsetzbarkeit der vorgebrachten Ideenscheint gleichzeitig ein Knackpunkt zu sein: 70-mal wurdeangegeben, sie sei problematisch oder sehr problematisch gewesen.

Sehr schlechte

Schlechte

Je nach Projekt unterschiedlich

Neutral

Sehr gute

Gute

Grafik 15: Welche Erfahrungen haben Sie insgesamt im Durchschnitt mit den Mitwirkungsverfahren der Kinder und Jugendlichen gemacht? Prozentualer Anteil aller Antworten/Zahlen gerundet

% 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

11

11

4

1

39

35

Verbindlichkeit, Bedürfnisse und Anregungenvon Kindern/Jugendlichen zu übernehmen

Möglichkeiten und Grenzen desMitwirkungsverfahrens kennen

Know-how zur Methodik

Vernetzung/Absprache der verschiedenen Akteure

Altersgerechtes Vorgehen/altersgerechteAktivitäten

Zeitliche Ressourcen fürMitwirkungsverfahren

Adäquate Information an die Kinder undJugendlichen zum Verfahren

Auftrag von Seiten Auftraggeber/Bauherrschaft

Finanzielle Ressourcen für Mitwirkungsverfahren

Definition des Ziels des Mitwirkungsverfahrens

Grafik 16: Welche Rahmenbedingungen erscheinen Ihnen für die erfolgreiche Durchführung von Mitwirkungs- verfahren mit Kindern und Jugendlichen wichtig? Angaben in absoluten Zahlen

Sehr wichtigWichtigUnwichtig

0 20 40 60 80 100 120 140

8

6

8

108

116

50

80

1685

58

5983

6579

29

69101

28

7987

11

85100

16

85101

13

10486

88

III. Analyse und Auswertung

Page 17: Umfrage zur Mitwirkung von Kindern und …...3 Editorial «Kinder von heute im Raum von morgen» – ein Bericht über die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen bei Planungs- und

19

Einzelne Umfrageteilnehmer/-innen merkten in den offenenAntworten an: dass finanzielle Grenzen eines Projektes auch den Kindern klargemacht werden müssten. dass Pläne und Darstellungen gut kommunizierbar, lesbar und inspirierend sein sollten. dass man genügend Zeit und auch Freiraum für Unvorhergesehenes einrechnen müsse. dass Kinder und Eltern zu entkoppeln seien.

3.7 Die Herausforderungen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen

Bei der Frage nach den grössten Herausforderungen in derArbeit mit Kindern und Jugendlichen ging es weniger um dieUmstände und Rahmenbedingungen als darum, wie der Pro-zess konkret erlebt wurde. Als Herausforderungen wurden am häufigsten die Erwar-tungshaltung zur Umsetzung der Ideen und die Umsetzbarkeitder vorgebrachten Ideen genannt.Die Angst davor, Erwartungen zu wecken und die Kinder undJugendlichen dann zu enttäuschen, scheint relativ verbreitetzu sein. Darauf lassen zusätzlich auch offene Antworten auf

die Umfrage schliessen. Es wurde als herausfordernd emp-funden, die Ideen und Vorschläge der Kinder und Jugend -lichen in eine umsetzbare Form zu bringen. Erwartungsge-mäss ist der Zeitaspekt ein weiterer Stolperstein: Es vergehezu viel Zeit, bis das Resultat sichtbar sei. Im Zeitraum, in demein Bauprojekt realisiert wird, würden die beteiligten Kinderälter und ihre Bedürfnisse änderten sich. Somit gelte es, beider Mitwirkung auf veränderbare Elemente und Faktoren zusetzen, so dass nachfolgende Peergroups sie an ihre aktuellenBedürfnisse anpassen können.

Kinder und Jugendliche für dasMitwirkungsverfahren zu finden

Finanzierung des Mitwirkungsverfahrens

Fehlender Auftrag für den Einbezug vonKinder und Jugendlichen von Seiten

Auftraggeber

Einhaltung des Terminplans

Know-how für die Durchführung vonMitwirkungsverfahren mit Kindern und

Jugendlichen

Erwartungshaltung, dass Ideen auchumgesetzt werden

Umsetzbarkeit der vorgebrachten Ideen

Grafik 17: Was waren gemäss Ihrer Einschätzung die Herausforderungen in Ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen? Angaben in absoluten Zahlen

Sehr problematischProblematischNeutralKaum problematischUnproblematisch

208

46

8255

6713

61

1458

6419

59

2547

249

59

5961

287

55

5664

279

63

5949

3058

6848

7

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

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Die Umfrageergebnisse hinterlassen den Gesamteindruck,dass der Einbezug von Kindern und Jugendlichen bei Pla-nungs- und Bauvorhaben in der Schweiz noch relativ zurück-haltend geschieht. Dort aber, wo Kinder und Jugendliche tatsächlich einbezogen werden, wird ihre Mitwirkung grund-sätzlich gut aufgenommen und als Gewinn angesehen. Ins -besondere eine zeitlich früh angesetzte Mitwirkung scheinterkannt zu sein, das heisst bereits bei der Bedarfsanalyse einesProjektes. Mitwirkung in dieser Phase wird von den Fachleutenpositiv beurteilt und – unabhängig von praktischer Erfahrung –auch als sinnvollster Zeitpunkt angesehen. In der Deutschschweiz ist die Mitwirkung in der Planungsphaseknapp häufiger als bei der Bedarfsanalyse. In der Romandiefindet hingegen die Mitwirkung bei der Bedarfsanalyse mehrals doppelt so häufig statt wie in der Planungsphase.Kinder und Jugendliche konnten vor allem dort am häufigstenmitwirken, wo sie einen unmittelbaren Bezug zum Themahatten. Es handelt sich um Orte und Bauten, wo sich die Kinderund Jugendlichen in ihrem Alltag ohnehin häufig aufhalten unddie meistens auch zu diesem Zweck erstellt wurden: Schul-häuser und ihre Umgebung, Spiel- und Sportplätze, öffentlicheParkanlagen. Insgesamt war die am wenigsten einbezogeneAltersgruppe die 4- bis 8-Jährigen. Die Unterschiede sind je-doch gering. Die Mitwirkungsmöglichkeiten in den Themen-feldern nehmen mit zunehmendem Alter der Kinder und trotzentsprechend wachsenden Kompetenzen nicht erheblich zu. Das Schulumfeld ist ganz klar der wichtigste Ort für Partizi-pation hinsichtlich von Planungs- und Bauvorhaben. SozialeMedien stehen als Mitwirkungsplattform ganz am Schluss derRangliste. Um Kinder und Jugendliche für Mitwirkungspro-zesse zu gewinnen, ist bislang die Schule am einflussreichstenund die Lehrpersonen spielen bei der Durchführung von Mit-wirkungsverfahren eine zentrale Rolle. Hinter der Schule haben nach wie vor Jugendarbeit, Vereine,Jugendgruppen oder Quartiervereine grosses Gewicht, umKinder und Jugendliche für Mitwirkung zu mobilisieren. Architekten/-innen und Innenarchitekten/-innen haben seltenerErfahrungen mit Mitwirkung, und wenn doch, bewerten siediese schlechter.Im Gegensatz zur architektonischen Planung entspricht derEinbezug in der Bauphase besseren Erfahrungen, er findet abernicht häufig statt.Insgesamt haben drei Viertel der Umfrageteilnehmer/-innen,die Erfahrung mit dem Einbezug von Kindern und Jugend -lichen haben, die Erfahrung als gut bis sehr gut eingestuft.Fachleute, die bereits Erfahrung mit Mitwirkungsverfahrenhatten, beurteilten den Einbezug von Kindern und Jugend -

lichen in Aussenräumen, Wohnanlagen privater Bauherr-schaften, Spielplätzen, Gemeindezentren und Sondernut-zungsplanung etwas positiver als solche ohne Erfahrung.Als häufigster Grund, weshalb keine Mitwirkungsverfahrendurchgeführt wurden, wurde das «Fehlen eines Auftrags fürein Mitwirkungsverfahren von Seiten der Bauherrschaft (öf-fentliche Hand und Private)» genannt. Ein weiterer Grund ist,dass in den Augen der Verantwortlichen «bisher keine Pla-nungs- und Bauprojekte durchgeführt wurden, die Kinder undJugendliche betreffen». Finanzielle Ressourcen für die Mitwirkung werden nicht alsentscheidend eingestuft, sie stellen aber immerhin eine hilf-reiche Rahmenbedingung dar. Wichtiger scheint tatsächlich,dass das Verfahren klar abgesteckt ist und die Erwartungshal-tung der involvierten Kinder und Jugendliche gut gehandhabtwerden kann. Die Fachleute empfinden insbesondere die Er-wartung der Kinder und Jugendlichen, dass ihre Ideen unver-ändert umgesetzt werden, als problematisch. Einzelne Fach-leute berichten demgegenüber von ihrer Erfahrung, dassKinder und Jugendliche durchaus Verständnis haben, wennnicht alles machbar ist, und dass sie auch gut priorisierenkönnten.

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IV. Zusammenfassung

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Die vorliegende Umfrage ergibt ein Bild der Mitwirkung vonKindern und Jugendlichen bei Planungs- und Bauvorhaben.Obwohl die Umfrageresultate nicht in statistischem Sinne repräsentativ sind, bestätigen sie doch unsere Beobachtung,dass die Partizipation von Kindern und Jugendlichen bei Planungs- und Bauvorhaben in der Schweiz noch am Anfangsteht.Die folgenden Handlungsempfehlungen von UNICEF Schweizund Liechtenstein basieren auf den Umfrageresultaten. ImHintergrund kommen dabei auch die Erfahrungen aus der Initiative «Kinderfreundliche Gemeinde» zum Tragen:

Partizipation in der Gesellschaft verankern

Die UN-Kinderrechtskonvention ist für alle staatlichen Behörden und Verwaltungsebenen verbindlich, auch für Planungs- und Baubehörden auf Ebene Bund, Kantone undGemeinden. Sie müssen stufengerecht geeignete Regelungen schaffen, umKinder und Jugendliche darin zu bestärken und zu fördern,ihre eigenen Rechte gesamthaft wahrzunehmen. Der Kinder-rechtsansatz ist auch für private Organisationen, Firmen,Bauherrschaften, Baugenossenschaften, Liegenschaftsver-waltungen, Fachleute wie Architekten/-innen, Landschaftsar-chitekten/-innen und weitere Akteure eine wichtige Grund-lage ihres Handelns: Sie stehen in der Mitverantwortung, dieUN-Kinderrechtskonvention umzusetzen und auf die Bedürf-nisse der Kinder und Jugendlichen bestmöglich einzugehen.Die ethische Grundhaltung, dass Kinder und Jugendliche alsRechtssubjekte, als Nutzer und als Expertinnen und Expertenin ihren eigenen Lebensraumfragen zu sehen sind, muss sichdurchsetzen. Hierzu braucht es einen gesellschaftlichen Dis-kurs und es braucht Sensibilisierungsarbeit und Information.Die Haltung, dass Kinder und Jugendliche Teil der Bevölke-rung sind und dementsprechend teilhaben, soll in der Gesell-schaft verankert werden.

Partizipation auf allen Verwaltungsebenen und bei den

Behörden verankern

Der häufigste Grund, weshalb in Bau und Planung auf einMitwirkungsverfahren verzichtet wird, ist der fehlende Auf-trag dazu. Die UN-Kinderrechtskonvention und Artikel 4 desRaumplanungsgesetzes schliessen die Partizipation von Kin-dern und Jugendlichen als Vorgabe mit ein. Kinder und Ju-gendliche sind Teil der Bevölkerung, die gemäss Artikel 4des Raumplanungsgesetzes von den Behörden in die Lageversetzt werden muss, bei Planungen in geeigneter Weisemitzuwirken. Somit muss Partizipation der Kinder und Ju-

gendlichen als Selbstverständlichkeit gesehen werden, undzwar auch dann, wenn sie nicht explizit in Verordnungen festgeschrieben ist. Es ist somit angesagt, die Partizipationvon Kindern und Jugendlichen bei allen relevanten Themen-bereichen und auf allen Verwaltungsebenen in Leitbildern,Entwicklungskonzepten, Richtplänen, Baureglementen, Be-willigungsverfahren, Nutzungskonzepten und Wettbewerbs-verfahren ausdrücklich umzusetzen, sichtbar zu machen oderzu verankern. Alle Bauherrschaften, ob öffentlich oder privat,sind gefordert, sich am Diskurs über die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen zu beteiligen und Mitwirkung alsKriterium in die Auftragserteilung und auch in die Ausschrei-bung aufzunehmen.

Partizipation in den Lehrplänen verankern

Ob Architekt, Landschafts- oder Innenarchitekt/-in, Bau-,Raum- oder Verkehrsplaner/-in: Partizipation mit Kindernund Jugendlichen sollte als Teil der Ausbildung in die ent-sprechenden Lehr- und Studiengänge aufgenommen werden.Dies mit dem Ziel, Mitwirkung im Berufsverständnis zu ver-ankern und das «Handwerk» dazu zu vermitteln. Es liegt anden Ausbildungsstätten und Instituten, hierzu zu forschenund sach- und stufengerechte Partizipationsverfahren und -modelle für die unterschiedlichen Verfahren und Projekte zuentwickeln. Es liegt aber auch an den Berufsverbänden, dasAnliegen der Partizipation von Kindern und Jugendlichen inder Gestaltung unseres Lebensraums bei ihren Mitgliedern zuthematisieren, zu vertreten und zu fördern. Weiter geht es da-rum, die positive Wirkung und den Mehrwert von Mitwir-kungsverfahren mit Kindern und Jugendlichen an Bau- undPlanungsvorhaben aufzuzeigen und Evidenzen für dessenMehrwert zu schaffen.

Partizipationsprojekte fördern und Erfahrung teilen

Die Umfrageteilnehmer/-innen mit Partizipationserfahrung inPlanungs- und Bauvorhaben bewerteten diese positiver, alsaufgrund der Einschätzung derjenigen ohne Erfahrung zu er-warten gewesen wäre. Im Teilen von Erfahrungen, Erkennt-nissen und Good-Practice-Beispielen liegt ein grosses Poten-zial, auch um der Mitwirkung die notwendige Akzeptanz zuverschaffen und Kinder und Jugendliche als Lebensraum-Ex-perten/-innen und gleichberechtigten Teil der Gesellschaft an-zuerkennen. Damit sich Partizipation weiterentwickeln kann,braucht es aber noch viele weitere Pilotprojekte und Pro-gramme, die es ermöglichen, am konkreten Beispiel und ge-meinsam mit den Kindern und Jugendlichen zu lernen.Was den Bau- und Planungsfachleuten bislang fehlt, sind sys-

V. Handlungsempfehlungen

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tematisierte Handlungsgrundlagen mit aus den Bedürfnissender Kinder und Jugendlichen abgeleiteten Qualitätskriterienund Methoden. Eine Definition und ein gemeinsames Verständ-nis darüber, was kinderfreundliche Lebensräume genau sind,muss entwickelt werden. Ebenso braucht es Wegleitungen, dieaufzeigen, wie und zu welchem Zeitpunkt in einem Bau- oderPlanungsprojekt die Qualitätskriterien der Kinderfreundlich-keit auf welche Art zweckmässigerweise zur Anwendungkommen sollen. Die methodische Vielfalt ist sehr gross undes braucht diese Vielfalt auch, um möglichst vielen Kindernund Jugendlichen den Zugang zu Partizipation zu erschliessen.Schliesslich: Das Verständnis aller für Partizipation von Kindern und Jugendlichen in der Gestaltung unserer Lebens-umwelt muss auch in der breiten Bevölkerung gefördert werden. Einerseits damit eine Feedbackkultur zwischen denErwachsenen und den Kindern entstehen kann, andererseitsauch deshalb, weil die Mitwirkung von Kindern und Jugend-lichen immer noch vielfach als zusätzlicher Kostenfaktoroder als «Einweg-Verfahren» betrachtet wird, bei dem dieMitwirkung reduziert auf schlichte Befragung der Wünscheangelegt ist. Kinder sind aber nicht nur Umfrageobjekte, sondern souveräne Mitglieder der Gesellschaft, sie wählenund entscheiden aber oft auf andere Weise als Erwachsene,wie dies die auch eingangs zitierte Studie von UNICEFSchweiz und Liechtenstein «Von der Stimme zur Wirkung»zutage gefördert hat.

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V. HandlungsempfehlungenV. Handlungsempfehlungen

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