umweltrechtliche einordnung und bewertung

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1 | Wissenschaftliche Statuskonferenz 6./7. März 2012 – Vortrag Roßnagel Umweltrechtliche Einordnung und Bewertung Berlin, 6. März 2012 Prof. Dr. Alexander Roßnagel

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Umweltrechtliche Einordnung und Bewertung Wissenschaftliche Statuskonferenz des Neutralen Expertenkreises im InfoDialog Fracking, Berlin, 6. und 7. März 2012 Prof. Dr. Alexander Roßnagel

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Page 1: Umweltrechtliche Einordnung und Bewertung

1 | Wissenschaftliche Statuskonferenz 6./7. März 2012 – Vortrag Roßnagel

Umweltrechtliche Einordnung und Bewertung

Berlin, 6. März 2012 Prof. Dr. Alexander Roßnagel

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2 | Wissenschaftliche Statuskonferenz 6./7. März 2012 – Vortrag Roßnagel

Aufgabe der rechtswissenschaftlichen Untersuchung |  Ergebnisse des Expertenkreises rechtlich einordnen,

–  wie können Behörden mit den Ergebnissen auf der Basis des geltenden Rechts weiterarbeiten,

–  wie könnten Gerichte die Ergebnisse auf der Grundlage des geltenden Rechts in einem Rechtsstreit einordnen und

–  wie könnte der Gesetzgeber auf festgestellte Bedenken und Defizite mit neuen Regelungen reagieren?

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3 | Wissenschaftliche Statuskonferenz 6./7. März 2012 – Vortrag Roßnagel

Gliederung

|  Risiken der Einzelvorhaben – Risikosteuerung

|  unterirdische Risiken |  oberirdische Risiken

– Haftung

|  Auswirkungen der gesamten Gasförderung – Raum- und Fachplanung – Ausweisung von Schutzgebieten

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4 | Wissenschaftliche Statuskonferenz 6./7. März 2012 – Vortrag Roßnagel

Anforderungen des Bergrechts

|  Fracking |  Für Bergbauvorhaben müssen u.a. drei Anforderungen erfüllt sein:

– Gewährleistung der erforderlichen Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern nach den allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 BBergG)

–  Ausschluss „gemeinschädlicher Einwirkungen“(§ 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG)

–  Kein Entgegenstehen von „überwiegenden öffentlichen Interessen“ (§ 48 Abs. 2 BBergG)

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5 | Wissenschaftliche Statuskonferenz 6./7. März 2012 – Vortrag Roßnagel

Anforderungen des Bergrechts

|  Verpressen |  Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BBergG müssen „die anfallenden Abfälle

ordnungsgemäß verwendet oder beseitigt werden“ |  Das Abfallrecht gilt nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 KrW-/AbfG nicht |  „Ordnungsgemäß“ durch § 22a ABBergV konkretisiert:

Maßnahmen nach Stand der Technik, um Auswirkungen auf die Umwelt soweit wie möglich zu vermeiden Dies gilt nach § 22a Abs. 6 ABBergV nicht, wenn nur abgepumptes Grundwasser eingeleitet wird

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6 | Wissenschaftliche Statuskonferenz 6./7. März 2012 – Vortrag Roßnagel

Anforderungen des Wasserrechts

|  Fracking |  Geschützt ist das Grundwasser in jeglicher Tiefe. Nicht der

Bewirtschaftung zu unterwerfen ist Grundwasser, wenn unter keinen realistischen Umständen mit bewirtschaftetem Wasser in Kontakt gelangen kann

|  Nach §§ 5, 6, 12 und 48 WHG müssen folgende Anforderungen erfüllt sein

–  1. Vermeidung von „Veränderungen von Gewässereigenschaften, die das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die öffentliche Wasserversorgung, beeinträchtigen“. Konkretisiert durch Grundwasserverordnung (GrwV)

–  2. Keine Besorgnis nachteiliger Veränderung der Grundwasser-beschaffenheit bei der Lagerung und Beförderung von Stoffen.

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7 | Wissenschaftliche Statuskonferenz 6./7. März 2012 – Vortrag Roßnagel

Anforderungen des Wasserrechts

|  Verpressen |  Nach § 82 Abs. 6 Satz 2 WHG können Einleitungen in das Grundwasser

„unter Festlegung entsprechender Bedingungen“ zugelassen werden. |  Nach Art. 11 Abs. 3 lit. j WRRL darf die Einleitung von Wasser

ausnahmsweise gestattet werden, „das Stoffe enthält, die bei der Exploration und Förderung von Kohlenwasserstoffen oder bei Bergbauarbeiten anfallen … Solche Einleitungen dürfen keine anderen Stoffe als solche enthalten, die bei den obengenannten Arbeitsvorgängen anfallen.“

|  Gilt dies auch für das Verpressen des Rückflusses von Frac-Fluid? |  Gedacht war nur daran, „das nach unten pressen zu dürfen, was zuvor

schon unten war“.

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8 | Wissenschaftliche Statuskonferenz 6./7. März 2012 – Vortrag Roßnagel

Anforderungen des Immissionsschutzrechts

|  Keine unmittelbare Anwendung der Störfallverordnung |  Mengenschwellen nach Anhang I werden nicht erreicht

–  Beispiel: Gasöle (Dieselkraftstoffe) = 2.500 000 kg / Betriebsbereich Bohrplatz: max. 28.000 kg Diesel

|  Nach § 22 BImSchG sind für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen folgende Anforderungen einzuhalten

–  Verhinderung der nach dem Stand der Technik vermeidbaren schädlichen Umwelteinwirkungen und

–  Beschränkung der unvermeidbaren Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß

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9 | Wissenschaftliche Statuskonferenz 6./7. März 2012 – Vortrag Roßnagel

Konkretisierung sicherheitstechnischer Anforderungen |  Problem: Unbestimmte Rechtsbegriffe

– Wie kommt man von unbestimmten Rechtsbegriffen zur Gewähr-leistung und Überprüfung ausreichender Sicherheit in der Praxis?

|  Lösung: „Sicherheitsphilosophie“ –  Definition und Maßstab von Sicherheit –  Probabilistische oder deterministische Betrachtungsweise von

Sicherheit möglich –  Für eine probabilistische Bewertung fehlt sowohl die statistische

Basis als auch ein Risikomaß – Geeignet ist die deterministische Prüfung auf der Grundlage der

Erfahrung mit vergleichbaren Störfällen

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10 | Wissenschaftliche Statuskonferenz 6./7. März 2012 – Vortrag Roßnagel

Deterministische Sicherheitsphilosophie

|  Sicherheit ist die ausreichende Beherrschung festgelegter (determinierter) Störfälle

|  Die Störfälle ergeben sich aus Plausibilitätsüberlegungen zu möglichen Ereignissen = Auslegungsstörfall

|  Sicher ist eine Anlage, wenn alle Störfälle ausreichend beherrscht werden

|  Es müssen die Schutzmaßnahmen ergriffen werden, die notwendig sind, um die Störfälle zu beherrschen

Die Störfallszenarien dienen als Auslegungsstörfälle

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11 | Wissenschaftliche Statuskonferenz 6./7. März 2012 – Vortrag Roßnagel

Sicherheitskonzept

|  Schutzvorkehrungen zum Ausschluss der Auslegungsstörfälle |  Es reicht der Schutz gegen „umhüllende“ Störfälle |  Schutzmaßnahmen können hierfür folgende Ziele verfolgen:

|  Schäden vermeiden oder reduzieren |  Eintrittswahrscheinlichkeit reduzieren |  Monitoring / Betriebskontrollen gewährleisten |  Sicherheitsmanagement sicherstellen |  Ausreichenden Abstand einhalten

|  Für Schutz der Mitarbeiter in der ABBergV enthalten |  Für Schutz Dritter aus allgemeinen Vorgaben abzuleiten

Die Sicherheitsempfehlungen dienen als Schutzvorkehrungen

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12 | Wissenschaftliche Statuskonferenz 6./7. März 2012 – Vortrag Roßnagel

Verfahren und Zuständigkeiten

|  Bergrecht |  Gestuftes Verfahren mit Erlaubnis und mehreren Betriebsplan-

zulassungen – Fracking und Verpressen nach Sonderbetriebsplänen |  Keine Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung für

Fracking

|  Wasserrecht |  Fracking und Verpressen (von Flowback) sind Gewässerbenutzung und

bedürfen einer Erlaubnis

|  Zuständigkeit |  Für Entscheidungen ist Bergbehörde zuständig, für die wasserrechtliche

Erlaubnis im Einvernehmen mit der Wasserbehörde

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13 | Wissenschaftliche Statuskonferenz 6./7. März 2012 – Vortrag Roßnagel

Schadensausgleich

|  Schadensersatz aus Gefährdungshaftung –  Nach § 114 BBergG für Körper- und Sachschäden –  Nach § 89 WHG für Schäden durch Gewässerverunreinigung –  Nach UmweltschadensG für Umweltschäden

|  Nachweis der Kausalität –  Beweiserleichterung durch Bergschadensvermutung fraglich –  Keine Beweiserleichterung im Wasserrecht –  Neutrale Schlichtungsstelle hilfreich

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14 | Wissenschaftliche Statuskonferenz 6./7. März 2012 – Vortrag Roßnagel

Schadensausgleich

|  Regulierung –  nach Verursacherprinzip durch den Schädiger –  auch bei Unterauftrag –  bei Ausfall springt die Bergschadenskasse ein –  Deckungsvorsorge zu prüfen –  Versicherung für Bergschäden schwierig, aber möglich

Page 15: Umweltrechtliche Einordnung und Bewertung

15 | Wissenschaftliche Statuskonferenz 6./7. März 2012 – Vortrag Roßnagel

Planungsbedürftigkeit

|  Sind Hunderte von Bohrplätzen und die sie verbindende Infrastruktur geplant, u.a.

–  Aufbereitungsanlagen, –  Förderpipelines, –  Pipelines für Flowback / Lagerstättenwasser –  Straßen

|  haben diese in ihrer Gesamtheit raumbedeutsame Auswirkungen auf – Wirtschafts- und Siedlungsstruktur, –  Landschaftsbild, –  Naturschutz und – Gewässerschutz

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16 | Wissenschaftliche Statuskonferenz 6./7. März 2012 – Vortrag Roßnagel

Planfestlegungen

|  Steuerung der Auswirkungen durch Raum- und Fachplanung |  Festlegung von Schutzgebieten für

–  Landschaft, –  Natur und – Gewässer

|  Planungen konkurrierender Nutzung nach politischen Prioritäten in Regionalplänen durch Festlegung von Gebieten

–  für Förderbohrungen und – mit Ausschluss von Förderbohrungen

|  in einem Teilregionalplan „Gasgewinnung“

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17 | Wissenschaftliche Statuskonferenz 6./7. März 2012 – Vortrag Roßnagel

Umweltverträglichkeitsprüfung

|  Als unselbständiges Instrument der Wissensgenerierung –  Im Rahmen der Planung als Strategische Umweltprüfung (SUP)

obligatorisch –  Im Rahmen der Betriebsplanzulassungsverfahren für einzelnen

Bohrplatz als Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach einzelfallbezogener Vorprüfung mit Ausweitung auf untertägige Fragestellungen

|  In jedem Fall mit Beteiligung der Öffentlichkeit