unaufgefordert nr. 80

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UnAu-fcie Die Studentenzeituni der Humboldf-Universität Dezember 1996 A adunski lobt das amerikanische Hochschulsystem über den grünen Klee. Jie UnAuf gefordert wirft einen Blick hinter die Kulissen

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Das ist Ausgabe Nummer 80 der Studentenzeitung der Humboldt-Universität zu Berlin vom 23. November 1996.

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Page 1: UnAufgefordert Nr. 80

UnAu-fcieDie Studentenzeituni der Humboldf-UniversitätDezember 1996

A

adunski lobt das amerikanische Hochschulsystem über den grünen Klee.Jie UnAufgefordert w i r f t einen Bl ick hinter die Kulissen

Page 2: UnAufgefordert Nr. 80

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Editorial InhaltDer RCDS machte in letzter Zeit des öfteren von sich reden. Während er im Novem-

ber dieses Jahres seinen 50. Geburtstag in Berlin feierte, liefen in Nordrhein-Westfa-len die vom RCDS erhobenen Klagen gegen die von linken Hochschulgruppen domi-nierten ASten. Die Begründungen für Klagen waren vielfältig, in der Hauptsacheging es jedoch gegen das selbst gegebene politische Mandat der ASten (siehe S. 9).Das Abdriften der aktiven, in Studentenvertretungen engagierten Studenten ins„Megapolitische" ist jedoch nicht nur für NRW, sondern für gesamt Deutschlandaugenfällig. Ob das einer der Gründe für das immer größere (hochschul)politischeDesinteresse und die jährlich schwindende Legitimationsbasis der Studentenvertre-tungen ist, läßt sich nur vermuten. Tatsache ist die jährlich geringe werdende Wahl-beteiligung jedenfalls, so auch bei den StuPa Wahlen an der HUB (siehe S. 5). DieseEntwicklung möchte der RCDS nutzen, um in den Studentenvertretungen, aus denener in den letzten Jahren von linken Hochschulgruppen verdrängt wurde, wieder Fußzu fassen, und entscheidend mitzuwirken (siehe S. 11).

Während für Deutschland die „freiwillige Abgabe" der Mitspräche fortzuschreitenscheint, kämpfen französische und amerikanische Studenten um mehr Einflußnah-me bei hochschulpolitischen Entscheidungen. Doch nicht nur diesem Problem wid-men sich die Artikel unserer Titelgeschichte (siehe S. 29 bis 37). Sie beschreiben dasallseits gepriesene Studiengebührenmodell der Universitäten der Vereinigten Staa-ten, seine Geschichte, seine Grundlagen, die dieses Modell erst möglich machen,seine Vorteile und vor allem seine Nachteile.

Viel Spaß beim Lesen, weiße Weihnachten und ein gutes Neues Jahr wünschtEure UnAuf

Standpunkt

UnAu f gefordertDie Studentenzeitungan der Berliner Humboldt Uni.Erstmals erschienen am 17. November 1989

Herausgeber:Studentinnenparlament der HUBChefredaktion:Franzisca Busse (mit-c)verantwortlich für diese Nummer:Stefanie Gimmerthal, Frank Dalicnow (AI Wur)Redaktion:Franziska Ahles (franziska), Beatrix Altmann(ix), Ingo Bach (ojoff), Stefan Beetz (atze),Sylvia Domes (HeLe), Christian Domnitz (cd),Antje Meinhold (rebus), Ulrich Miksch (ulli),Rüdiger IMeick (roody), Benjamin Pichlmaier(godot), Sammi Sandawi (ehe), Jens Schley(jot), Thomas Schmid (ts), Ulrike Stangner(rike), Julia Trotha (Schah von Bla), Wolf-Christian Ulrich (antrobus), Sylvia Wasser-mann (sw)Verantwortlich für Anzeigen: swSatz: atze

Kontakt:Humboldt-Universität zu BerlinUnter den Linden 610099 BerlinHauptgebäude Raum 3022Tel.: 2093 2288, Fax.: 2093 2754

Öffentliche Redaktionssitzungenmontags um 18.00 Uhr im Raum 2095b.

Redaktionsschluß dieser Ausgabe:23. November 1996

Druck:FATA M0RGANA VerlagBrunnenstr. 18110119 Berlingedruckt auf Recyclingpapier

Kürzel dürfen nur von Redaktionsmitgliedernverwendet werden. Alle Artikel geben dieMeinung des jeweiligen Autors wieder.

Für alle Fakten besteht das Recht aufGegendarstellung in angemessenem Umfang.

Nachdruck nach vorheriger Nachfragemöglich. Wir bitten um Quellenangabeund Belegexemplar.

Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefegekürzt zu veröffentlichen.

verantwortlich für die Farbe der Zeitung istder jeweilige Autor des Fortsetzungsromans

Nächste Ausgabe:UnAUFGEFORDERT Nr. 81erscheint am 15. Januar 1997,Redaktionsschluß ist der 5. Januar 1997.

Made in the USA S. 29Im Zeitalter des SparensDas amerikanische Hochschulsystem S. 30Georgetown UniversityEine amerikanische „Eliteuniversität" S. 33University of ConnecticutEine amerikanische „Durchschnittsuniversität" S. 35Neben mir die SintflutEin Vergleich Deutschland-Frankreich S. 37

Njuhs S. 4„Wir sind nicht nur Studierende"Über die Schwierigkeiten,Politik an der Universität zu machen S. 5Die Eule der MinervaVerfassungsgerichtsklage gegen politisches Mandat S. 9Konservativer Outcast50 Jahre RCDS in Berlin S. 11Straftat: Unerwünscht seinAbschiebehaft in Berlin S. 15Unbedingt denunzierendDebattenbeitrag

Njuhs S. 18Digitale RechercheModerne Informationsangebote an der Ünibibliothek S. 19Aufbaustudium einmal andersStiftungskolleg der Robert-Bosch-Stiftung S. 20

Auf der Bühne ' S. 22Grenzenloses TheaterDie „Baracke" vom DT und Kammerspiele S. 23Jazz-Festival S. 24Wie bewältigt man Vergangenheit?Zwei Bücher zu Auschwitz im Vergleich S. 26Bücherkiste . S. 27Kino S. 28

6Humboldt, Freiräume und deroderdas Krähenfuß S. 39Gespräch mit Hilde Birnbaum S. 40

Der Weihnachtsmann S. 38Morgenduft, RabattenzeitDer Fortsetzungsroman S. 42HeLes PlaudertascheEiserne Bindungen S. 43Das Rätsel S. 44Tips und Termine S. 46Liebesbriefe S. 47Comic S. 48

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Njhuhs

NachrufProf. Dr. Dieter Cech

26. 3. 1944 + 19. 11. 1996

Ein großer Verlust hat das Institut für Chemie an der Humboldt-Universität getroffen. MitBestürzung und Schmerz haben wir vom plötzlichen Tod unseres Kollegen und FreundesDieter Cech erfahren.Mit ihm verliert unser Institut einen herausragenden Wissenschaftler, dessen Wirken über Jahr-zehnte mit der Humboldt-Universität verbunden war.Nach dem Studium der Chemie an der HUB wandte sich Dieter Cech in seiner Diplomarbeit zu-nächst anorganischen Fragestellungen zu und promovierte dann bei Prof. Meinert über fluor-organische Verbindungen. Das dabei entwickelte neue Verfahren zur Herstellung von fluoriertenNucleinsäurebausteinen legte den Grundstein für sein Interesse an der bioorganischen Chemie,deren Bedeutung er frühzeitig erkannte. Die Arbeit als Postdoc bei Prof. Holy in Prag, den er. alseine für seine wissenschaftliche Laufbahn prägende Persönlichkeit ansah, beeinflußte seine wis-senschaftliche Neigung nachhaltig. Gegen manchen Widerstand entwickelte er danach die Che-mie von Nucleinsäurebausteinen an der HUB und verstand es, enge Kooperationen mit der Biolo-gie, der Physik und der Medizin an unserer Universität und darüber hinaus aufzubauen und dieinternationale Fachwelt zu erreichen.

Als Lehrer ist es Prof. Cech gelungen, seine Begeisterung für die Chemie, besonders für diebioorganische und Biochemie auf die Studenten zu übertragen. Dies zeigt das große Interesse derStudenten an Diplom- und Doktorarbeiten in seinem Arbeitskreis, aus dem viele hervorragendeFachleute hervorgegangen sind.

Mit Leidenschaft und Toleranz hat Prof. Cech seine Überzeugungen über gesellschaftliche Ent-wicklungen vertreten. Er gewann die Achtung auch derer, die nicht mit seiner Auffassung über-einstimmten. Für seine Mitarbeiter war er Motor und Mittelpunkt, für seine Kollegen gesuchterGesprächspartner und Freund.Im Jahre 1990 wurde Prof. Cech zum Dekan des damaligen Fachbereichs Chemie gewählt. MitGeschick und Durchsetzungsvermögen hat er in schwierigsten Zeiten für das Institut gearbeitetund gekämpft. Er trug maßgeblich zum Neuaufbau bei.Dafür sind wir ihm alle zu Dank verpflichtet. Wir werden sein Andenken in Ehren halten und inseinem Sinn für die Entwicklung unserer Wissenschaft an unserem Institut und in Berlin weiterar-beiten. Unsere Anteilnahme gilt der Familie, seiner Frau und seinen beiden Töchtern.

Die Professoren, Hochschullehrer und Mitarbeiter des Instituts für Chemie

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18. Bafög-Novelle

Einige Studierende der drei Berliner Uni-versitäten haben beschlossen, gegen die18. Bafög-Novelle eine Verfassungsbe-schwerde einzureichen. Die Formulierungdieser Beschwerde übernimmt der Rechts-anwalt Bernhard Blankenhorn. SeinerMeinung nach verstößt die 18. Bafög-Novelle gegen Art. 12 (Ausbildungsfrei-heit) und Art. 3 (Willkürverbot) des GG.Für alle Studierenden, die ihren Bescheidüber ein vollverzinsliches Darlehen be-kommen haben, gilt es jetzt, innerhalbeines Monats Einspruch dagegen einzu-legen. In dem darauffolgenden Antwort-schreiben wird dann zunächst mitgeteilt,daß dem Widerspruch nicht stattgegebenwird. Gegen dieses Antwortschreiben mußdann innerhalb eines Monats eine Klageerhoben werden.Ähnlich den Verfahren zur Rückmelde-gebühr wird es Musterprozesse gebe, sodaß es nicht für jeden Studierenden nö-tig ist, persönlich vor Gericht zu erschei-nen. Wichtig ist auf jeden Fall, daß mög-lichst zahlreich Klagen erhoben werden,und zwar auch von den Studierenden, dienicht beabsichtigen, daß Darlehen in An-spruch zu nehmen. Finanziert werden dieKlagen durch die GEW sowie die BerlinerASten, so daß den Klägern in keinem FallKosten entstehen. Die Betreuung der Klä-ger erfolgt durch Herrn Blankenhorn.Obwohl die Klagen parallel vor dem Berli-ner Verwaltungsgericht und dem Bundes-verfassungsgericht laufen sollen, rechnetBlankenhorn nicht mit einer Entscheidunginnerhalb eines Jahres. Aus diesem Grundsoll ein Antrag auf einstweilige Verfügunggestellt werden.

Exmatrikulationen

In diesem Wintersemester mußten, nachdem Stand vom 4. November 1996, 548Studierende der Humboldt-Universität ex-matrikuliert werden, weil sie gar keineoder zu wenig Rückmelde- bzw. Immatri-kulationsgebühren gezahlt hatten.

Action!

Am 12. 12. 1996 findet an der HUB einAktionstag gegen Sozialkürzungen undAusgrenzung statt. Unter dem Motto „DenHaushalt kippen - für eine Umverteilungvon oben nach unten" gibt es am Vormit-tag verschiedene Aktionen sowie eine De-monstration am Abend, zu der alle herz-lichst aufgerufen sind. Nähere Auskünftekönnen beim RefRat eingeholt werden.?**

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„Wir sind nichtnur Studierende!"

Im Februar wird an der HU wieder ein neues StuPa gewählt. Anders als in den Jahren zuvor könntedie nächste Wahl auch zu einer grundlegenden Richtungsentscheidung über die weitere Arbeit werden.

Als sich im Herbst letzten Jahres die Bundeswehr auf derWiese vor der Universität Bonn traf, um dort ihren jährli-chen Zapfenstreich zu zelebrieren, war dies für den AStAder Uni Bonn Anlaß genug, in einem Artikel in der AStA-eigenen Zeitung „basta" gegen derartig martialische Ritua-le anzuschreiben. In derselben Zeitung war vorher ein Arti-kel über die Verhängung der Todesstrafe gegen den US-Journalisten Abu-Jamal erschienen und eine Reportage be-schäftigte sich mit den CASTOR-Transporten nach Gorleben.

Nichts Ungewöhnliches möchte man meinen, derartige The-menbereiche sind auch in anderen Studentenzeitungen regel-mäßig zu finden. Für drei Studenten der Uni Bonn waren dieseArtikel aber Anlaß genug, ihren AStA zu verklagen. Und wasvorher schon an den Universitäten in Münster, Dortmund,Wuppertal, Düsseldorf und Bochum durch klagende Studentenerreicht wurde, geschah nun auch in Bonn. Per einstweiligerVerfügung verbot das Verwaltungsgericht Köln den BonnerStudentenpolitikern, sich weiterhin zu allgemeinpolitischenThemen zu äußern. Sie dürfen, genau wie an den anderen ge-nannten Unis, nur noch zu „unmittelbar und spezifischhochschulbezogenen Themen" Stellung nehmen.

Der juristische Streit um das allgemeinpolitische Mandat derStudentenschaft hat in Nordrhein-Westfalen inzwischenVerfassungsreife erreicht: der AStA der Uni Münster hat Ver-fassungsbeschwerde in Karlsruhe gegen die Beschneidung sei-nes Mandats eingelegt (siehe Seite 9).

Nun sind derartige Vorgänge in Berlin kaum vorstellbar. Zumeinen gibt das Berliner Hochschulgesetz den Studentenvertre-tungen eindeutig das Recht zum politischen Mandat (§ 18), zumanderen gibt es unter den aktiven Studenten in Berlin eine brei-te Übereinstimmung darüber, sich auch zu allgemeinpolitischenThemen äußern zu wollen und dazu auch aktiv zu werden.

Abdriften ins Megapolitische

Aber was sich in NRW derzeit vor allen Dingen über den Frusteiniger konservativer Studenten entlädt (fast alle klagendenStudenten kommen aus den Reihen des RCDS), ist im Prinzipnur das Ergebnis einer langjährigen Entwicklung, die sich auchan den Berliner Universitäten widerspiegelt. Dieter Zimmer vonder „Zeit" sprach im Sommer angesichts der Protestaktionender Berliner Studentenschaft von einem Abdriften der Studen-ten ins „Megapolitische" und damit in Bereiche, in denen Po-litik belanglos wird. Tino Bargel, Sozialwissenschaftler an derUni Konstanz, spricht wissenschaftlich differenzierter von ei-ner Verschiebung der „politischen Koordinaten" unter den Stu-denten. Neben einem allgemeinen Rückzug der Studenten vonpolitischen Themen verzeichnet Bargel ein zunehmendes Des-interesse der Studenten, sich innerhalb der Hochschulen poli-tisch zu engagieren (siehe Kasten).

Eine Entwicklung, die auch an der Humboldt-Universität kon-krete Formen angenommen hat.

Nach dem Zusammenbruch des Studentenrates im Sommer1992 war politisches Engagement unter den Studenten bereitstabu. An der ersten Wahl eines Studentenparlaments nahmen i l .».

Protest 1996

UnAuf gefordert

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ganze 5,8 Prozent der Studenten teil. Eine Erklärung für die sehrgeringe Wahlbeteiligung liegt sicherlich in der damaligen Um-bausituation der Universität, in der tausende Studenten neu indie Universität kamen und hier auf teilweise chaotische Struk-turen stießen. Ein Jahr später, als mit der UStA (UnabhängigeStudentinnenaktion) ein erster Generationsbruch seit der Wen-de unter den aktiven Studenten stattfand, gingen mehr als dop-pelt so viele Studenten zur Wahl. Die damals 2.727 wählendenStudenten suchten eine neue Form ihrer Vertretung. Der im Ok-tober 1993 eingesetzte RefRat als Sonderform eines AStAs eta-blierte sich endgültig, und die Arbeit in den lose gebündeltenReferaten nahm konkrete inhaltliche Züge an. Doch die relativeEuphorie dieses Jahres hielt nicht länger als eine Legislaturperi-ode. Das dritte Studentenparlament wurde nur noch von 9,5Prozent gewählt und 1996 waren es dann wieder 5,9-Prozent.Den Negativrekord stellten die wahlmüden HU-Studenten nachvier Gremienwahlen in zwei Jahren dann zur Nachwahl im Som-mer dieses Jahres auf: ganze 884 Studenten (3,2 Prozent) woll-ten noch wissen, wer sie da eigentlich universitätsweit vertritt.

Steigendes politisches Desinteresse

Nun kann man diesen starken Rückgang nicht nur mit einemsteigenden politischen Desinteresse der Studenten begründen,einige Ursachen für den fehlenden Rückhalt der Vertreter beiihren Studenten liegen auch in der Art studentischer Politik-arbeit begründet.

Auf der einen Seite ist dabei die mangelhafte Verbindung zuden universitären Gremien zu sehen. Weder der RefRat nochdas Studentenparlament haben es in den vergangenen vierJahren geschafft, sich innerhalb der Humboldt-Universität ei-nen Platz zu erobern, von dem sie gehört und akzeptiert werden.Die Versuche, die Arbeit in den Universitätsgremien mit denenim RefRat und Studentenparlament zu koppeln, scheiterten u.a.am fehlenden Durchsetzungsvermögen der Studenten und dernicht vorhandenen Bereitschaft, personenunabhängige Arbeits-modelle aufzubauen und zu institutionalisieren. Und so pas-siert seit nunmehr vier Jahren das, was wohl auch an anderenHochschulen üblich ist: Fast immer wenn ein Referat neu be-setzt wird, bricht die gesamte Arbeit zunächst zusammen, daes scheinbar unmöglich ist, Erfahrungen und bereits vorgeleg-te Arbeitsergebnisse weiterzugeben. In Westdeutschland wur-de dieses Problem durch die zum Teil jahrelange Anwesenheitvon AStA-Politikern unterbunden, die zwar zum Teil erfolgrei-che Arbeit leisteten, aber nach außen das typische Bild von„Funktionärs-ASten" abgaben. An der HU wählte man deswe-gen ein Rotationsmodell, welches die Durchsetzung von typi-schen Funktionären verhindern sollte. Auf den darauf eintre-tenden chronischen Personalmangel einerseits und der jährlichnotwendigen Neubesetzung der Referate fand allerdings auchder RefRat bisher keine überzeugende Antwort. Das daraus re-sultierende Defizit an kontinuierlich aufgebauter Arbeit führteinnerhalb der an politischer Teilnahme interessierten Studen-tenschaft zu neuen Formen der Artikulation, die vom RefRatzunächst nicht aufgefangen werden konnten.

Eine tödliche Spirale

So bildeten sich aufgrund aktueller politischer Ereignisse 1993die UStA und Ende 1995 ein erster Aktionsrat, die am Anfangteilweise konträr zur bestehenden Vertretung standen. Erst invielen Diskussionen zum beiderseitigen Selbstverständnis undunter Vernachlässigung der eigentlichen Arbeit des RefRatshaben jedesmal die zwei unterschiedlichen Arbeitsformen zu

Protest 1993

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?••

einer gegenseitigen Akzeptanz gefunden. Sonja Dreher, der-zeit Fachschaftskoordinatorin im RefRat und damals imAktionsrat, sieht hierin auch eine Quelle für die unkoordinierteArbeit des Aktionsrat: „Wir hätten uns bei derartigen Anläs-sen auf inhaltliche Arbeit konzentrieren müssen, sind aber stetsdem Druck des schnellen Reagierens erlegen."

Auf der anderen Seite stehen die politikmüden Studenten. SechsJahre nach Beginn des Umbaus der Humboldt-Universität ist esauch hier fast unmöglich geworden, Studenten zur aktiven Teil-nahme in ihren Vertretungen zu bewegen oder auch nur für mehrVerständnis der Arbeit in diesen Gremien zu sorgen. Gemeinsammit den generellen Schwächen des Vertretungsmodells entstehtaus dieser „verbreiteten politischen Abstinenz der Studenten anihren Hochschulen" (Bargel) eine für den Fortbestand der Ver-tretungen fast schon tödliche Spirale: Weil die Studentenvertreterimmer weniger Rückhalt von ihren Studenten bekommen, su-chen sie sich dann auch Aktionsbereiche, von denen sie sicheine höhere positive Rückkopplung ihrer Arbeit versprechen. Undweil diese Aktionsbereiche in der Regel außerhalb des Kreisesuniversitärer Probleme liegen, interessieren sich immer wenigerStudenten für ihre Vertretungen. Der dadurch entstehendeLegitimationsdruck und die aufgrund des chronischen Personal-mangels exorbitant anwachsende Arbeitslast hat auch demRefRat eine relative Arbeitsunfähigkeit beschert. Den einzelnenReferenten bleibt keine Zeit, neben der alltäglichen Arbeitslastnoch gebührend auf die notwendige Entwicklung politischerKonzepte einzugehen.

Notwendige inhaltliche Auseinandersetzung

Der zu großen Teilen im Mai dieses Jahres neugewählte RefRatversuchte diesen Problemen mit neuen Konzepten zu begeg-nen. Zunächst möchte man seine Funktion als mobilisierendesElement unter den Studenten verstärken. Der vor einigen Wo-chen gebildete zweite Aktionsrat möchte sich im Gegenteil zuseinem Vorgänger vor der Organisation von Aktionen inhalt-lich mit bestehenden Problemfeldern auseinandersetzen undhier auch mit dem RefRat eng zusammenarbeiten. In einemweiteren Schritt will man die derzeit herrschende Schlagseitebei allgemeinpolitischen Themen aufgeben und eine gleichbe-rechtigte Verknüpfung dieser Themen mit originär universitä-ren Inhalten verbinden. Heiko Rieth, seit Juli Referent für Leh-re und Studium, erläutert die hinter diesem Versuch liegendeIdee folgendermaßen: „Wir wollen einen Referentinnenratschaffen, in dem sich um jedes Referat Arbeitsgruppen bildenkönnen, die dann zu gesellschaftspolitischen als auch univer-sitären Problemen arbeiten." Tangiert wird damit auch die nochvom alten RefRat entwickelte Bündnisidee, wie sie derzeit im„Bündnis gegen Sozialabbau" (vom RefRat im Herbst 1995 in-itiiert) ausprobiert wird. Betrachtet man die rein theoretischenMöglichkeiten eines solchen Modellaufbaus, könnten sich hier-aus tatsächlich neue Wege entwickeln. Allein die zu einer prak-tischen Umsetzung dieser Idee notwendige Zahl von Studen-ten scheint angesichts des beschriebenen modellimmanentenPersonalmangels illusorisch.

Und ein Blick in die Realität zeigt, welch immense Kurskor-rektur durch die neuen Referenten auf universitärem Gebietzu leisten ist. Auf dem Gebiet der Hochschulpolitik zeigt sichüberdeutlich, wie weit sich die Studentenpolitk auch an derHU von ihrer Universität entfernt hat. Auf der StuPa-Sitzungim November gab es drei Kandidaten für den zeitweise ver-waisten Posten des Referenten für Hochschulpolitik, nachdemein Kandidat beim Studentenparlament Ende des Sommerse-

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mesters auf keine Zustimmung stieß und das Amt über dieSommerpause kommissarisch fortgeführt wurde. Im Novem-ber wurde dann mit Andreas Rüttenauer zwar ein neuer Refe-rent gewählt, aber die vorangegangene Befragung der drei Be-werber zeigte, wie wenig konkretes den Mitgliedern desStudentenparlaments zum Thema Hochschulpolitik einfällt.Rüttenauer beispielsweise wurde nach seiner Meinung überden Bildungsstandort Deutschland gefragt und ob die Bundes-republik bankrott sei. Zu Problemen der Humboldt-Universitätkamen keine Fragen, hier haben die HU-Studentenpolitiker mo-mentan scheinbar wenig mitzuteilen. Gelingt es dem RefRatsowie dem StuPa in den nächsten Monaten in diesem Punktnicht, sowohl nach außen als auch nach innen die Verbindungallgemeinpolitischer mit hochschulpolitischen Themen glaub-würdig zu dokumentieren, dann droht eine Entwicklung, anderen Ende für den derzeitig eindeutig links orientierten RefRatdas politische Aus stehen könnte.

Integration politisch Andersdenkender

Denn neben dem zu lösenden Anspruch, ihre vordringlichenAufgaben als Studentenvertretung mit gesellschaftspolitischenFragestellungen zu verbinden, muß der RefRat noch mit einerweiteren Hürde fertig werden: Angesichts des desolaten Zu-stands der deutschen Hochschulen besitzen immer wenigerStudenten noch Verständnis für den geforderten gesamt-gesellschaftlichen Blick. Studenten wollen heute, geplagt vonüberquellenden Seminaren, überfüllten Bibliotheken und un-klaren Berufschancen, zuerst ihre Probleme gelöst sehen, be-vor sie sich für andere soziale Gruppen einsetzen; Bargel sprichtvon einer zunehmenden „Desensibilisierung gegenüber The-men der sozialen Gerechtigkeit und Solidarität". Sonja Dreherwehrt sich gegen diese egoistische Beschränkung auf studen-tische Interessen: „Es kann nicht mehr nur um studentischeInteressen gehen. Wir sind nicht nur Studierende!" Dies istangesichts der derzeitigen Wertekrise in der Gesellschaft si-

cher die eigentlich notwendige Aufforderung an die Studen-ten, stärker in die Gesellschaft hinein zu wirken. Andererseitsbedeutet diese Aufforderung bei einer Achtung des momenta-nen Wandels in der politischen Meinungsführerschaft unterden Studenten aber auch eine weitere Kurskorrektur in derderzeitigen Arbeit des RefRats: die Öffnung für Studenten-gruppen, die sich lediglich aus konventioneller Sicht und unterrein pragmatischen Gesichtspunkten nur um universitäre Pro-bleme kümmern wollen, aber doch noch in ein breitesMeinungsspektrum integriert werden können. Dies ist um sonotwendiger, als die so nichtbearbeiteten inneruniversitärenProblemfelder auch von konservativen Hochschulgruppen be-setzt werden könnten.

Tino Bargel beobachtet seit Jahren mit Sorge die Schwächeder bisher überwiegend linken Studentenvertretungen bei derBearbeitung originär universitärer Probleme und ihrer zuneh-menden Unfähigkeit, politisch andersdenkende Gruppen in ihreArbeit zu integrieren. Und seine Vorhersage von! 993, daß dieseSchwäche zunehmend von konservativen bis rechten Strömun-gen unter den Studenten zu einem totalen Machtwechsel aus-genutzt wird, hat sich in Göttingen bereits bewahrheitet. Nach28 Jahren mußte der linke Göttinger AStA seine Macht an Stu-denten abgeben, die, wie es die neue Vorsitzende Carola Oekersagt, „lieber studienrelevante Themen in den Mittelpunkt" stel-len wollen.

An der HU hat sich der RCDS (derzeit 5 Sitze im StuPa) miteinem „Wind of Change" bereits zurückgemeldet. Er will u.a.„für eine stärkere Ausrichtung des Lehrprogramms an denwahren Bedürfnissen der Studenten" eintreten. Purer Populis-mus, der aber bei vielen Studenten angesichts der desolatenSituation der HU auf fruchtbaren Boden fallen könnte.

Und Kai Ludwig, Präsidiumsmitglied des StuPas, sagte auf derNovembersitzung provozierend: „Stellt Euch doch mal vor, daßhier die Hälfte der Leute RCDS sind." :

jot

Wandel im politischen BewußtseinI* "Sowohl die Hochschulpolitik als auch die studentische Politik findet bei den westdeutschen Studierenden kaum Anklang,jedenfalls noch weniger als bei den ostdeutschen Studierenden." So lautete 1994 die nüchterne Erkenntnis der ArbeitsgruppeHochschulforschung der Universität Konstanz. Zwei Jahre später fühlen sich die Konstanzer Sozialwissenschaftler, die seit nun-mehr 13 Jahren an 20 ausgewählten deutschen Hoch- und Fachhochschulen das Themenfeld "Student und Politik" untersuchen,in ihren bisherigen Aussagen bestätigt. Ungefähr die Hälfte der ca. 6.500 befragten Studenten in Ost und West gaben an, an ihrerStudentenvertretung "nicht interessiert" zu sein. Für Tino Bargel, Leiter der Konstanzer Arbeitsgruppe, sind dies u.a. die Sympto-me eines deutlichen Wandels im politischen Bewußtsein der deutschen Studenten, der sich auch in einer geänderten Einstellungzu den-,Vertretungsmodellen der Studentenschaft äußert. Bargel: "Der Anspruch einer eigenständigen politischen Aufgabe derStudentenschaft, einer 'studentischen Politik' ist verloren gegangen. Studentische Politik und Themen der Hochschulpolitik fin-

vden bei nur noch wenigen Studierenden Interesse."

h Begleitet ist dieser Rückzug von aktiver Teilnahme an politischen Prozessen von einem deutlich meßbaren Wechsel in derpolitischen Meinungsführerschaft. Seit zwölf Jahren beobachten die Konstanzer einen sich immer deutlicher vollziehenden "Ab-sturz von linken, reformerischen und alternativen Idealen und Überzeugungen in der Studentenschaft". Bargel betont aber, daßkonservative und konventionelle Haltungen unter Studenten auch vorher latent waren, aber nun aufgrund des langsamen Zu-

sammenbruchs linker Identifikationsmodelle deutlicher zu Tage treten können und durch die ebenfalls meßbare höhere "politi-sche Energie" in diesen Gruppen zu einem Machtwechsel beitragen können. Im Zuge dieser Entwicklung haben die KonstanzersSozialwissenschaftler bereits 1993 einen Prozeß feststellen können, der sich nun in Nordrhein-Westfalen in juristischen Streit-fällen manifestiert: der Streit um das allgemeinpolitische Mandat. Zwei Jahre später hat sich der damals festgestellte Trend(verschärft: bezeichneten 1993 noch 28 Prozent (West) und 29 Prozent (Ost) diese Aufgabe für ihre Studentenvertretung als(•"vordringlich" purzelten die Zahl der Befürworter 1995 in den Keller: nur noch 5 Prozent der Befragten billigen ihrer VertretungSein eindeutiges allgemeinpolitisches Mandat zu. (»1

i: Der vollständige Datenalamach 1993-1995 zur Untersuchung "Studierende in den alten und neuen Bundesländern. Erfahrun-Igen und Orientierungen." kann in der Redaktion eingesehen werden.

UnAuf gefordert

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Die Eule der Minerva,Politisches Mandat der Studentinnenschaft vor dem Bundesverfassungsgericht

Der seit Jahrzehnten schwelende Konflikt um die Frage, wieviel politisches En- Rpcphwerrie vnr r lem Rungagement einer Studentinnenvertretung zugesprochen werden darf, steht viel- H p c v e r f a « u n n < ; n p r i r h tIpirht cr*hnn halrl vnr Hpr pnHmiltinpn Fn+crhpiHnnn ^pit lahrpn nKn7Pcciprpn ^ -*leicht schon bald vor der endgültigen Entscheidung. Seit Jahren prozessierenvor allem in Nordrhein-Westfalen (NRW) Gruppierungen wie der Ring Christ-lich Demokratischer Studenten (RCDS) gegen die zumeist von linken Gruppengetragenen ASten. Hierbei geht es vor allem um die nach Meinung derKlägerinnen widerrechtliche Anmaßung eines politischen Mandates. Dieses po-litische Mandat, wie es bundesweit nur im niedersächsischen sowie im BerlinerHochschulgesetz verankert ist, erlaubt es der gewählten Studentinnenvertretung,auch außerhalb des „üblichen" Rahmens (Kultur, Sport, Hochschulpolitik) f i -nanzielle Mittel für allgemeinpolitische Veranstaltungen zur Verfügung zu stel-len, bzw. selber politisch aktiv zu werden. So sind, im Gegensatz zu fast allenanderen Bundesländern, in Berliner ASten Referate wie Ökologie, Antifa oderInternationales möglich, da diese durch §18 des Berliner Hochschulgesetzesunter den Aufgabenbereich einer Studentinnenvertretung fallen.

Krieg der Knöpfe

Diese fehlende Erweiterung der Kompetenzen in vielen Lan-desgesetzen führte in der Vergangenheit zu einer Reihe vonGerichtsprozessen, die sich zum Teil mit so aberwitzigen Fra-gestellungen wie dem Gebrauch des „sexistischen" (aus derAnklageschrift) großen Binnen-Is in öffentlichen Publikatio-nen der ASten beschäftigten. Während sich selbst der Bundes-vorstand des RCDS von diesen „Schikanierungen" distanzierte,wurden jedoch allein in Münster 16 Klagen aus dem RCDS-Umfeld gegen den dortigen AStA eingereicht.

Begonnen hatte diese NRW-weite Kampagne 1992 in Mün-ster und Dortmund, wo der RCDS auf juristischem Weg ver-suchte, die Politik linker ASten in puncto Semesterticket zuverhindern. Begründung gegenüber dem Gericht war damals,daß die An- und Abreise von und zur Hochschule Privatsachesei und nicht in den Aufgabenbereich der ASten falle. Viel-mehr stünden hinter der Forderung nach der Einführung einesSemestertickets ökologische Aspekte, was einer Wahrnehmungeines nicht vorhandenen politischen Mandates gleichkomme.Hier widersprach jedoch das zuständige Verwaltungsgericht,in dem es anerkannte, daß das Semesterticket sehr wohl imstudentischen Interesse steht.

Jedoch gingen nicht alle Klagen zugun-sten der beklagten ASten aus. So kam esin der Vergangenheit zu einer Vielzahlvon Prozessen, in denen die jeweiligenASten zur Zahlung hoher Bußgelder ver-urteilt wurden.

Um diesem Treiben ein Ende zu berei-ten, entschied sich nun der AStA derUniversität Münster zur Einreichungeiner Verfassungsbeschwerde vor demBundesverfassungs-gericht (BVerfG).Diese Beschwerde bezieht sich auf ei-nen unanfechtbaren Beschluß des Ober-

verwaltungsgerichts Münster, in dem der Studentinnenver-tretung unter Androhung eines Ordnungsgeldes untersagt wird,weiterhin allgemeinpolitische Äußerungen zu tätigen (beanstan-detes Gedicht siehe rechts). Ziel dieser Verfassungsbeschwerdesoll es nun sein, die Studentinnenschaft endlich als grundrechts-fähig anerkennen zu lassen, und die damit verbundenen Rechtefestzuschreiben.

Doch derzeit ist nicht damit zu rechnen, daß das BVerfGbundesdeutschen Studentinnenvertretungen einen allgemein-politischen Freibrief ausstellen wird. Dies geht auch aus ei-nem umfangreichen Gutachten des renommierten Frankfur-ter Rechtsprofessors Erhard Denninger hervor (siehe dazuKasten auf der folgenden Seite). In dem im Auftrag der Lan-desregierung Nordrhein-Westfalens erstellten Rechtsgutach-ten vertritt Denninger zwar die Auffassung, daß die Student-Innenschaft eine Organisation ist, „die von der ihr durch dieRechtsordnung übertragenen Aufgabe her unmittelbar einemdurch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zu-geordnet ist", aber „das Demokratieprinzip und das Grund-recht der Meinungs- und Willensfreiheit" es dem Staat ver-bietet, „Pflichtkörperschaften einzurichten, deren Mitgliedschaftan besondere Eigenschaften des Bürgers (in unserem Fall dasStudieren) anknüpft, die aber gleichwohl ein Verhältnis der

Eines der vom OVG-

Münster beanstande-

ten Gedichte:

Beamte!

Tut Eure Pflicht!

Aber nicht

an sogenannten

Abschiebehäftlingen.

Sondern:

Verweigert Euch so-

lange, .

bis Alle sich verwei-

gern.

Nur so könnt Ihr

dem Ruf des Deut-

schen Beamten

Gutes zufügen...

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allgemeinen Repräsentation begründen soll. Hieraus folgt, daßder Pflichtverband 'Studentinnenschaft' sich nicht mitRepräsentationsanspruch zu beliebigen politischen Fragen äu-ßern darf."

Hieraus ergibt sich, daß das BVerfG zwar den allgemeinpoli-tischen Anspruch der ASten unterstreichen, aber im gleichenAtemzug die verfaßte Studentinnenschaft, die auch in einschlä-giger Literatur bereits als „Grundrechtsverietzung durchZwangskörperschaft" bezeichnet wird, in Frage stellen könnte,da diese nach Denninger zwar verfassungsrechtlich möglich,jedoch keineswegs verfassungsrechtlich verbindlich sei.

Was das Thema der AStA-Publikation betrifft, wäre esDenningers Meinung nach durchaus möglich, unter Wahrungdes Prinzips der Pluralitätssicherung im Rahmen „humanitä-rer, ökologischer und sozialer" Themen Stellung zu nehmen.Diese Themen leitet Denninger aus den normativen Grundaus-sagen des Grundgesetzes (speziell Art.1 Abs.1 und Art.20a) ab,und sie sind somit auch der Studentinnenschaft sowie derenOrganwaltern (AStA-Mitglieder) zuzusprechen.

Was jedoch die Erwirkung dieser Freiräume vor dem BVerfGbetrifft, sehen dies viele Rechtsexpertinnen anhand der derzei-tigen Verfassungsbeschwerde eher skeptisch. So ist HUB-Präsi-dent und Staatsrechtler Hans Meyer davon überzeugt, daß sichdas BVerfG bei dem zu entscheidenden Sachverhalt auf einenNebenkriegsschauplatz zurückziehen wird. „Wahrscheinlich ist,daß aufgrund der immensen Überlastung des Bundesverfassungs-gerichtes lediglich eine Kammer des Gerichtes über die Frageentscheidet; und zwar nur darüber, ob das vom Oberverwaltungs-gericht Münster verhängte Bußgeld mit dem Urteil harmoniert,daß das Bußgeld angedroht hat."

Sollte sich das Urteil, mit dem nicht vor Ende nächsten Jah-

res zu rechnen ist, wider Erwarten doch ausführlich mit derThematik auseinandersetzen, brächte dies zwangsläufig aucheine Diskussion um die vielerorts vollzogene Teilung zwischenHochschulpolitik und sogenannter allgemeiner Politik mit sich.Ob diese Teilung dann sinnvoll oder praktisch vollziehbar ist,bleibt ausschließlich der Interpretation der Richterinnen über-lassen und wird somit dem politischen Diskurs entzogen. Zwarerscheint es wenig sinnvoll, daß es Hochschulpolitik verbotensein soll, die Frage zu stellen, wohin z. B. die Gelder fließen, dienun schon seit Jahren aus den Hochschulen herausgezogenwerden; aber die Tatsache, daß es sehr viele Menschen gibt,die für eine strikte Trennung plädieren, sollte Indikator dafürsein, daß vor beinahe unumstößlichen juristischen Entschei-dungen der politische Diskurs stehen sollte.

Jedoch ist bereits seit Jahren besonders unter Studentinneneine vielleicht noch viel bedrohlichere Tendenz zu spüren. Dievollzogene politische Selbstkastration seitens der rund 90 Pro-zent NichtWählerinnen bei Hochschulwahlen raubt selbst denwenigen hochschulpolitisch Tätigen jegliche Legitimation zurArtikulation studentischer Interessen. Hinzu kommt eine ausge-prägte Polarisierung einer Vielzahl der studentischen Gruppen,was sich zwangsläufig wieder auf die Wahlbeteiligung nieder-schlägt (siehe hierzu Artikel auf Seite 5 dieser Ausgabe).

Ziel muß es sein, politische Auseinandersetzungen wie dieum das politische Mandat zuerst innerhalb der Gruppe derStudentinnen zu lösen, und nicht, wie auch im politischenGeschäft mittlerweile üblich, mit dem Bundesverfassungsge-richt Russisches Roulette zu spielen. Doch bereits Hegel wuß-te, daß die Eule der Minerva erst mit Einbruch der Dämmerungihren Flug beginnt.

ehe

Zusammenfassung des Rechtsgutachtensvon Erhard Denninger:I. Möglichkeiten und Grenzen einer Bindung der Hochschulaufgaben an „humanitäre, ökologische und soziale Grundsätze".

1. Der Landesgesetzgeber kann bei der Aufgabenbestimmung der verfaßten Studentinnenschaft unter Verweisung auf die normierte Aufgaben-bestimmung der Hochschule daran anknüpfen.

2. Eine Bindung der Hochschulaufgaben an „humanitäre, ökologische und soziale Grundsätze" ist innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzengrundsätzlich möglich.

3. Der Gesetzgeber kann unter Verweis auf die normativen Grundaussagen des Grundgesetzes (Art. 1 Abs. 1 und Art. 20a) Forschungstätigkeitenverbieten, welche die Menschenwürde verletzten oder die natürlichen Lebensgrundlagen zerstören oder nachhaltig gefährdeen.

4. „Humanitäre Grundsätze" müssen mindestens umfassen: Das friedliche Zusammenleben der Völker, die Wahrung elementarer Menschenrechte,Ächtung von ABC-Massenvernichtungswaffen, Verbot eines Angriffskrieges sowie der Minderheitenschutz.

II. Zum hochschulpolitischen Mandat der verfaßten Studentinnenschaft.

1. Die Einbindung der Studentinnen in einen Pflichtverband zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben ist legitim. Verfassungsrechtlich geboten ist esjedoch nicht.

2. Eine Überschreitung des gesetzlichen Aufgabenkreises seitens eines AStAs ist kein Verstoß gegen das Grundrecht eines Körperschaftsmitgliedesaus Art 2 Abs. 1 GG.

3. Die verfaßte Studentinnenschaft ist einem grundrechtlich geschützten Lebensbereich unmittelbar zugeordnet. Die Ausbildungs- sowie dieWissenschaftsfreiheit begründen und begrenzen den studentischen Aktionsradius.

4. Die Aufgabenwahrnehmung der Studentinnenschaft erfolgt im politischen Bereich im wesentlichen durch die Abgabe von Meinungsäußerungen.Die Grenzen der Meinungsäußerungen ergeben sich aus den Aufgaben der Hochschule.

5. Das Demokratieprinzip und das Grundrecht der Meinungs- und Willensfreiheit verbietet es dem Staat, Pflichtkörperschaften einzurichten, derenMitgliedschaft an besondere Eigenschaften des Bürgers (in unserem Fall das Studieren) anknüpft, die aber gleichwohl ein Verhältnis der allgemeinenRepräsentation begründen soll. Hieraus folgt, daß der Pflichtverband Studentinnenschaft sich nicht mit Repräsentationsanspruch zu beliebigen poli-tischen Fragen äußern darf.

6. Die aufgabenwidrige Verwendung von Haushaltsmitteln bedeutet keinen Eingriff in das Eigentumsrecht der Verbandsmitglieder.

7. Im Rahmen einer Publikation des AStAs ist es unter Wahrung des Prinzips der Pluralitätssicherung möglich, zu humanitären, ökologischen undsozialen Grundsätzen Stellung zu nehmen.

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Konservativer OutcastZ50 Jahre RCDS

Seit nunmehr 50 Jahren mimt der „Ring Christlich Demokratischer Studenten(RCDS)" in Berlin mehr oder weniger den konservativen Buhmann und ist damitder älteste politische Studentenverband in Deutschland. Auf die eine oder an-dere Weise mischte er während der Zäsuren in der Berliner Studentengeschichtemit - ob nun 1946, 1968 oder 1989. Trotz manch politischen Dissens bei demeinen oder anderen bietet er so eine interessante Projektionsfläche für Schlag-lichter aus der Geschichte der Berliner Studentenschaft.

„Gegen Kommunisten zusammenhalten!"

Die genaue Geburtsstunde ist Auslegungssache, der Ort warjedenfalls die Berliner Universität, die nach Kriegsende nichtmehr Friedrich-Wilhelms- und noch nicht Humboldt-, sondernschlicht Linden-Universität geheißen wurde. Die organisatori-schen Formen der politischen Studentenarbeit war in der Vier-sektorenstadt eine Frage der jeweiligen Besatzungsmacht. Beiden Amerikanern und Briten war die Gründung von eigenstän-digen Studentengruppen möglich, während sie in der sowjeti-schen Besatzungszone nur als Gliederungen der zugelassenenParteien gestattet waren. Im Gegensatz dazu untersagten dieFranzosen jegliche Parteiunterorganisationen.

1946 entstand gemeinsam mit der CDU eine entsprechendeJugendorganisation, die als CDU-Studentengruppe an der (inder sowjetischen Zone gelegenen) Berliner Uni präsent war.

Bei der Wiedereröffnung 1946 war es einMitglied dieser Studentengruppe, der na-mens der Studentenschaft ein Gelöbnisauf die Demokratie sprach - GeorgWradzilo. Im Gegensatz zu heutigen Ber-liner Studentenvertretungen waren Mit-te der vierziger Jahre die CDU-Studen-ten ein wesentlicher Mehrheitsfaktor.

Mitglieder des StuRa waren damals auch Prof. Ernst Bendaund Klaus Schütz, die kürzlich auf einer Veranstaltung an derTU über die Anfänge des RCDS philosophierten: der eine Mit-glied der CDU, der andere Sozialdemokrat. Und beide solltenspäter bei eineranderen ZäsurderStudentenbewegung in Berlinwieder ein Wörtchen mitreden - diesmal auf der anderen Sei-te. Auf dem Höhepunkt der Studentenunruhen 1968/69 warBenda Bundesinnenminister und Schütz Regierender Bürger-meister von Berlin.

Zunächst jedoch spürten beide den Druck politischer Machtals Verfolgte, nicht als Verfolger. Benda war 1948 Vorsitzender.der Berliner CDU-Hochschulgruppe - der Vorläuferorganisationdes RCDS -, „zu einer Zeit, als der Streit um die Linden-Uni aufdem Höhepunkt war". Die Einflußnahme der sowjetischen Be-hörden nahm stetig zu. Der StuRa, der statt wie gewünscht,nicht von der SED dominiert war, wurde zum erstenmal der

versität immatrikuliert.

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reaktionäre Buhmann. Georg Wradzilo war schon Ende 1947wegen seiner angeblichen Nazivergangenheit in Bautzen in-haftiert worden und der Druck nahm zu. Benda erzählt, daß1948 mehrere StuRa-Mitglieder relegiert wurden, weil sie zumStreik aufgerufen hätten; auch er selbst sei als „Scheinstudentund Provokateur" verfolgt worden.

Dieser Druck von außen und die schlechten Studienbe-dingungen der Anfangszeit, als Kleidungs- und Nahrungsbe-schaffung viel wichtiger als Hochschulpolitik waren, habeunter den politischen Studentengruppen außerhalb der SEDden Konsens geschaffen, „sich gemeinsam gegen die Dikta-tur zu wehren", faßt Benda zusammen. Auf diesem Wege ge-langte auch der sozialdemokratische Student Klaus Schütz inden StuRa Unter den Linden. „Damals mußten noch viele CDU-Mitglieder für mich stimmen", sagt Schütz. „Wir mußten dochalle gegen die Kommunisten zusammenhalten."

Die Auseinandersetzungen endeten bekanntlich mit demAuszug vieler Professoren und Studenten (darunter fast allerStuRa-Mitglieder) nach Dahlem im amerikanischen Sektor,wo dann die Freie Universität entstand. „Wir StuRa-Mitglie-der waren diejenigen, die am vehementesten die Einrichtungeiner freien Universität forderten", erinnert sich Schütz. Derdamalige Bürgermeister Ernst Reuter habe sie noch davorgewarnt, aus dem Nichts eine Universität zu schaffen. „Erfragte uns, ob wir uns das auch gutüberlegt hätten", berichtet Schütz. „DieHoffnung auf eine baldige Überwindungder Teilung der Stadt war noch groß."

Angst vor Prügel

Diese Hoffnung trog, und aus dem Pro-visorium Freie Universität wurde eineDauereinrichtung, die in den 60er Jah-ren zu einer der größten UniversitätenDeutschlands überhaupt avancierte -und zu einer der unruhigsten und mitam weitesten links stehenden. Derantidiktatorische Konsens unter denStudentengruppen der Anfangszeit warlängst zerbrochen.

Der aus den sozialdemokratischenStudentengruppen hervorgegangene So-zialistische Studentenbund (SSB) und an-dere linke Gruppierungen hatten in denStudentenvertretungen das Sagen, fürden 1951 gegründeten RCDS, der sichnun als eigenständige Studentengruppemit Nähe zur CDU verkaufte, fiel nur dieRolle des konservativen Provokateurs ab.Während die gegen den Vietnamkriegprotestierenden Studenten auf den Stra-ßen „Ho-Ho-Ho-Chi-Minh" skandierten,lud der RCDS den proamerikanischensüdvietnamesischen Botschafter inDeutschland zu einer Diskussions-veranstaltung ein. Kein Wunder, daß „wiroft Angst hatten, verprügelt zu werden",wie es ein alter RCDSIer beschreibt.

Angst vor Gewalt von den bösen Linkenhatte auch Ursula Besser, ehemaligeRCDSIerin, die Ende der 60er Jahre für dieCDU im Abgeordnetenhaus saß. An der

Technischen Universität habe sie sogar wirklich Prügel einstek-ken müssen. „Daraufhin wurden die Hochschulgesetze so geän-dert, daß Abgeordnete nicht mehr verhauen werden durften."

Auch für etwas linkere Politiker war es nicht leicht, mit denBerliner Studenten zu diskutieren. Der SPD-Politiker Schützerinnert sich ungern an seine Treffen mit ihnen in seiner Rol-le als Regierender Bürgermeister. „Das waren keine Diskus-sionen, sondern ein immerwährender Schlagabtausch." Dieablehnende Haltung der Westberliner Bevölkerung gegenüberden Studenten sei immer größer geworden, vor allem wegenihrer antiamerikanischen Tendenzen, sagt Schütz. Die Bin-dungen an die „Schutzmacht" seien damals so stark gewe-sen, daß „sich die Berliner mehrheitlich für den Beitritt zurUSA als 51. Bundesstaat entschieden hätten, wenn das mög-lich gewesen wäre."

Andererseits waren die Vereinigten Staaten auch für die Stu-denten mehr als ein Feindbild - in vielen Dingen sogar zu-gleich ein Vorbild. „Hier passierte an den Hochschulen dassel-be, was anderthalb Jahre zuvor in Berkeley passierte", ist sichSchütz sicher. Das hatte für diejenigen, die von der Regierungs-seite gegen die Unruhen vorgehen sollten, durchaus Vorteile.Ernst Benda erklärt warum: „Anfangs hatte unsere Polizei nurwenig Erfahrungen. Das änderte sich, als wir uns das Hand-buch der entsprechenden Behörden aus Berkeley besorgten,

Lieblingsfeind nicht nur des RCDS: Rudi Dutschke

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wie die mit den Krawallen umgegangen waren. So konnten wirimmer vorhersehen, was in den nächsten vier Wochen an dendeutschen Universitäten passieren würde."

Neben dem Vorbild USA mußten auch Verschwörungs-theorien herhalten, um die Ursachen für die Studentenunru-hen zu erklären. Frau Besser meinte, daß „die WestberlinerUniversitäten massenhaft von Ostberliner Studenten unter-wandert gewesen" seien. „Die DDR hatte an dieser Unter-wanderung ein vitales Interesse." Kamen die Ursachen tat-sächlich nur von außen?

Endlich erinnerte ein emeritierter Professor aus dem Audito-rium daran, daß die Gründe für den „Aufstand einer ganzenGeneration" ja wohl auch in Deutschland zu suchen seien. „Not-wendige Reformen der Hochschulen wurden damals versäumt- und sind das bis auf den heutigen Tag. Unsere Generationhat die jungen Leute von damals ohne Antwort gelassen."

Karriere im Griff?Heute ist von den politisierten und radikalisierten Studen-

tenprotesten der 60er Jahre nicht mehr viel zu spüren. Zuden Studentenparlamentswahlen an Berliner Universitätengeht nicht mal mehr jeder Zehnte, um die politisch engagier-ten Studenten herum wird es einsam. Karrieredenken und derschnelle Studienabschluß werden immer wichtiger. Allerdings

kann die Mitgliedschaft im RCDS auch - und wie viele Insi-der berichten: vor allem - ein wichtiger Pluspunkt für dieKaderakte sein. Ob nun für Heiner Geißler oder DieterSchäuble, für Kanzleramtsminister Friedrich Bohl oderWissenschaftssenator Peter Radunski - hier fiel der Start-schuß für so manche politische Karriere.

Die Herren des Rings wechselten oft. Einer von ihnen istMichael Kunert, von 1990-93 Landesvorsitzender des RCDSBerlin und noch immer mit der aktivste Kämpe in seinen Rei-hen. Auch er sieht die günstige Ausgangsposition für die po-litische Karriere („Nun ja, die fände man hier schon!"). Trotz-dem wehrt er sich gegen den Begriff „Kaderschmiede".

Den Ruf als CDU-Partei-Zelle ist der RCDS bis heute nichtlosgeworden. Und das liegt nicht nur an den politischen Kar-rieren, die hier begannen. Die personelle, finanzielle und ide-elle Verzahnung mit der CDU ist eng. Man ist sich in denGrundpositionen einig, vor allem „im christlichen Wertekanon,obwohl nicht mehr so viele Theologiestudenten kommen wiefrüher", sagt Kunert. Heute rekrutiert sich der RCDS vor al-lem aus den betriebswirtschaftl ichen und ingenieur-wissenschaftlichen Fachbereichen. In Berlin gäbe es 200 bis300 RCDS-Mitglieder, so genau wisse man es nicht, weil dieZahl „fluktuiert" - im Klartext: einige kommen, schnuppernund springen wieder ab.

Für Kunert sind die personellen Verbindungen vor allem einVorteil: „Über die ehemalige RCDS-Mitglieder in der CDU neh-men wir Einfluß auf die Hochschulgesetzgebung." Und auchdie Partei verläßt sich auf ihre christlich-demokratischen Stu-denten. In den 80er Jahren prägte der damalige Generalse-kretär Heiner Geißler den Begriff der „Speerspitze der CDUan den Universitäten", obwohl „wir uns selbst eher als Speer-spitze der Universitäten in der CDU verstehen", meint Kunert.

Und es gäbe auch schon mal inhaltliche Differenzen, dennwie die meisten studentischen Gruppen lehne auch der RCDSdie von konservativen Hochschulpolitikern geforderten Stu-diengebühren und Regelstudienzeiten ab. In der Regel funk-tioniert das Verhältnis zur CDU aber gut. Der RCDS ist gene-rell auf Spenden angewiesen. Und die kommen zum größtenTeil aus der Schatulle der CDU.

Der Nachteil dieser engen Beziehung ist jedoch, daß derRCDS von den Studenten für die Politik der CDU verantwort-lich gemacht, d.h. allzu oft bestraft wird.

Daß der RCDS seit Jahrzehnten in keinem AStA mehr mit-spielen darf, ist auch für Michael Kunert hart. „Da kann manschon in die depressive Ecke geraten." Für ihn hat dieser Zu-stand jedoch vor allem strukturelle Gründe. Die FU, die seitJahren den Ruf hat, besonders links zu sein, sei dafür ein Bei-spiel. Dort hätten sich in der Vergangenheit besonders vielelinke Studenten immatrikuliert. Außerdem seien viele Wehr-dienstverweigerer aus dem Bundesgebiet nach Berlin gekom-men, weil man hier eben nicht zur Bundeswehr mußte.

Und ausgerechnet an der Universität, wo vor 50 Jahren dieWurzeln des RCDS geschlagen wurden, an der Humboldt-Uni-versität, hat es der Ring auch nicht leicht. Von den 60 Sitzen imStudentenparlament hat der RCDS gerade mal fünf inne. „Dieersten Jahrgänge der HU sind noch immer mehrheitlich Studen-ten, die aus der ehemaligen DDR stammen", begründet Kunert.„Es ist sehr unwahrscheinlich, daß die den RCDS wählen."

Dabei habe der RCDS im Gegensatz zu allen anderen politi-schen Studentengruppen in der Bundesrepublik die Wieder-vereinigung "vorbehaltlos" gewollt - „natürlich unter freiheit-lich-demokratischen Vorzeichen". Hämisch berichtet er über den

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Populismus ä la RCDS

Skandal um einen AStA-Vorsitzenden der FU, der im Oktober1989 namens des AStAs eine „Grußbotschaft zum 40jährigenBestehen der DDR" an Erich Honecker übermittelt hatte. Zwarhabe sich der FU-AStA später davon distanziert, aber das seinur durch Druck des RCDS zustande gekommen, erklärt Kunert.

Auch nach der „Wende" bleibt der Ring seiner Rolle als kon-servativer Outcast treu. Als sich Ende 1990 die überwälti-gende Mehrheit der Studentenschaft der Humboldt-Univer-sität gegen die Abwicklungspläne der damaligen BerlinerBildungssenatorin Riedmüller-Seel u.a. mit einem zweitägi-gen Warnstreik zur Wehr setzte, diktierte der RCDS-Vorsit-zende Kunert den Journalisten folgende Stellungnahme in dieMikros: „Warnstreiks sind sicherlich der falsche Weg. Diesführt zu falschen Solidarisierungen mit den Kräften der SED-Machthaber von gestern. Teilabwicklungen einzelnes Berei-che der Hochschule sind ein gangbarer Weg, wenn danachein unabhängiger und freier Wiederaufbau der Fachbereichegewährleistet ist."

Auch danach bleibt das Verhältnis zu den linken ASten an-gespannt. In den Studentenvertretungen werde der RCDS be-wußt ausgegrenzt, klagt Kunert. „In den Finanzausschüssenwird keiner von uns geduldet. Dort ist man lieber unter sichund kann so unkontrolliert z.B. Studentenvertreter auf AStA-Kosten zu einem Kongreß nach Nicaragua schicken." Oder esseien mit den Geldern der Studenten Aufrufe wie „Waffenfür El Salvador!" gestartet worden.

Deshalb hat sich der RCDS als eine Hauptforderung auf dieFahne geschrieben, daß die verfaßte Studentenschaft nur nochein hochschulpolitisches Mandat besitzt und kein allgemeinpo-litisches mehr, die Studentenbeiträge also nur noch für sozialeund hochschulpolitische Belange verwendet werden dürfen.

LieblingsfeindbilderBeide Seiten pflegen die jeweils andere als ihr Lieblings-

feindbild. RCDS-Wahlplakate seien z.B. von „indoktriniertenLinksradikalen" regelmäßig abgerissen worden. „Umgekehrt

.kam das aber nie vor!", versichert Kunert. Um dann hinzuzu-fügen: „Aber wenn eines unserer Piakate vom politischen Geg-ner überklebt war, habe ich das wieder mit unseren über-klebt." Manchmal gab es auch handfesten Ärger. Im Sommer1990 brach man in die neu eingerichtete RCDS-Geschäfts-stelle im ehemaligen FDJ-Zentralratsgebäude ein und be-schmierte die Wände mit Sprüchen wie „Nieder mit demRCDS!" - unterschrieben war das Ganze mit „Autonome".

Mehr Erfolg hat der RCDS mit seinen Serviceangeboten fürStudenten: „Wir betreiben den größten (computergestützten)Studienplatztauschdienst und eine Praktikumsbörse. Das kommtbei den Kommilitonen gut an", sagt Kunert. Und dann ist danoch der erwähnte Karrierekick. Um den Einstieg ins Berufs-oder Politleben für engagierte RCDSIer noch leichter zu machen,hat sich vor zwei Wochen nach dem Vorbild der Alten Herren inden Burschenschaften ein „Akademischer Ring ehemaliger RCDS-Mitglieder" gegründet. Ernst Benda formuliert es so: „Man mußSeilschaften pflegen, das ist nichts Negatives!"

Tatsächlich nicht, wie es scheint! Auf der erwähnten Dis-kussionsveranstaltung an der TU berichtete eine FU-Vertre-terin des RCDS, es gäbe eine berechtigte Hoffnung, schon beiden Studentenparlamentswahlen Anfang 1997 den FU-AStAmitbestimmen zu können. Ob das nur das Pfeifen im Waldeist oder tatsächlich eine reale Hoffnung, wird sich bald er-weisen. M

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Straftat: Unerwünscht sein.Abschiebehaft in Berlin

Der Betonklotz liegt in einer Kleingartensiedlung in Köpenick - Grünau. Das Eisentor öffnet sich erst, nachdem ich voreiner Sprechanlage Name und Anliegen vorgetragen habe. Ein stacheldrahtumwehrter Korridor führt zu dem Qefängnis-gebäude. An der nächsten Tür verlangt eine Polizeibeamtin den Personalausweis. Die für den von mir besuchten Häftlingmitgebrachten Sachen lege ich in eine Kiste. Selbstgekochte Speisen unterliegen einem Mitbringverbot. In der Besucher-zelle bin ich durch eine dicke Glasscheibe von Tekle getrennt. Die Verständigung erfolgt durch ein in die Scheibe einge-lassenes Gitter. Ich muß mich herunterbeugen, um dieses Gitter zu erreichen. Von beiden Seiten dringen die Stimmen deranderen Besucher an mein Ohr.Tekle sitzt nicht hinter Gittern, um für eine Straftat im eigentlichen Sinn zu büßen, er verweigert lediglich seine Ausreise.Seine Haft soll ausschließlich der „Sicherung" der Abschiebung und damit einer Erleichterung der Tätigkeit der Aus-länderbehörden dienen. .

Denn ein(e) Ausländer/in ist zur Ausreiseverpflichtet, wenn er/sie keine erforderli-che Aufenthaltsgenehmigung besitzt (§ 42Abs. 1 AusIG). Kommt der Ausländer oderdie Ausländer/in dieser Pflicht nicht nachoder liegen Gründe der öffentlichen Sicher-heit und Ordnung vor (z. B. wenn der/dieAusländer/in straffällig geworden ist), sodarf der/die Ausländer/in nach § 49 AusIGabgeschoben werden. Die Berliner „Erfolgs-statistik" verzeichnet - laut Informationendes Landespresseamtes - 4000 bis 5000 ab-geschobene Menschen jährlich.

Vor dem tatsächlichen Akt der Abschie-bung wird der/die Ausländer/in meist ersteinmal inhaftiert. Diese Inhaftierung kannder Vorbereitung zur Abschiebung oder derSicherung des/der Inhaftierten dienen. DieAufforderung an den Ausländer oder dieAusländer/in, das Bundesgebiet zu verlas-sen, erfolgt während der sogenannten Vor-bereitungshaft (§ 57 I AusIG). Diese Vor-bereitungshaft darf nicht länger als 6Wochen dauern. Als Inhaftierungsgrundkann dabei das Fehlen eines festen Wohn-sitzes angeführt werden.

Davon abzugrenzen ist die Sicherungshaft,die nach § 57 II AusIG die zwangsweiseDurchsetzung der Ausweisung, die Abschie-bung, gewährleisten soll. Die Sicherungshaftsetzt voraus, daß der/die Ausländer/in voll-ziehbar ausreisepflichtig ist, d.h. nicht dieerforderliche Aufenthaltsgenehmigung be-sitzt, und einer der noch folgenden Haftgrün-de (§ 57 II S. 1 AusIG) greift. Es spielt dabeikeine Rolle, ob die Haftgründe fahrlässig odervorsätzlich erfüllt wurden. Ein Haftgrund isterfüllt, wenn ein(e) vollziehbar ausreise-pflichtige(r) Ausländer/in seinen/ihren Auf-enthaltsort wechselt, ohne dies der Aus-länderbehörde zu melden (Ziffer 2). Wennder/die Ausländer/in schon einmal zu einemfür die Abschiebung angekündigten Terminnicht erschienen ist (Ziffer 3) oder sich schoneinmal auf „andere Weise" einer geplantenAbschiebung entzogen hat (Ziffer 4), kanner/sie in Sicherungshaft genommen werden.Die größte praktische Bedeutung hat die

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Literatur:

Herzlich Willkommen?

Reader des Arbeitskrei-

ses kritischer Jurist-

innen Freiburg zum

Asyl- und Ausländer-

Innenrecht

Abschiebungshaft

Berlin - Endstation

Deutschland

Reader der Initiative

gegen Abschiebehaft

Juli 1995

Antrag der Fraktion

Bündnis 90/Die Grü-

nen vom 17.04.96

„Menschenrechtlich

orientierte Asyl- und

Flüchtlingspolitik"

(Drucksache 13/4379)

Generalklausel des § 57 II S.1 Ziffer 5 AusIG, wonach der „be-gründete Verdacht" des Untertauchens zwingend zu Abschiebe-haft führt. Untermauert wird dieser Verdacht z.B. dadurch, daßder/die Ausländer/in nicht die ausreichende Summe für eine frei-willige Ausreise besitzt. Hat der/die Asylbewerber/in seineMitwirkungspflichten während und nach dem Asylverfahren ver-letzt, das heißt wurde er/sie beispielsweise außerhalb des zuge-wiesenen Aufenthaltsortes angetroffen, wird er/sie ebenfalls inHaft genommen. Insbesondere die mehrfache Asylantragstellungunter verschiedenen Namen oder Straftaten während des Auf-enthaltes in der BRD (z.B. Verstöße gegen Aufenthaltsbe-schränkungen im Zusammenhang mit einem unerlaubten Ein-satz für eine verbotene Organisation wie die PKK) dienen alskonkrete Anhaltspunkte für einen „begründeten Verdacht".

Im Polizeigewahrsam Köpenick „sitzen" überwiegend Asyl-bewerber/innen, die trotz Ablehnung ihres Antrages nicht dieBRD verlassen wollen. Auch Ausländer/innen, die ohne gültigePersonalpapiere von der Polizei aufgegriffen werden, werdenebenfalls bis zur Klärung ihrer-ldentität der Abschiebungshaft„zugeführt".

Die Anordnung der Haft - einer Maßnahme des Freiheits-entzuges - muß das Landeseinwohneramt Abteilung Aus-länderangelegenheiten (Ausländerbehörde) vor dem Amtsge-richt des zuständigen Wohnbezirkes beantragen (in Berlin istgesamtstädtisch das Amtsgericht Schöneberg zuständig). DieHaftdauer hängt im wesentlichen davon ab, ob der/die Aus-länder/in aktiv an der Abschiebung mitarbeitet; insbesonde-re daß er/sie an der Beantragung seiner Heimreisepapiere mit-wirkt. In der Regel will der/die Asylbewerber/in die Heimreisegerade nicht antreten und verweigert somit die erforderli-chen Unterschriften. Diese Weigerung führt regelmäßig zurAnordnung der Höchstdauer der Haft von 18 Monaten. Diesbedeutet 1 Vi Jahre für das „Vergehen" eines/einer Nicht-deutschen, in Deutschland wohnen zu wollen. Die unter-schiedliche Zuweisung bei der Überprüfung aufenthalts-rechtlicher Fragen an die Verwaltungsgerichte und Verhängungvon Freiheitsentzug an die Zivilgerichte führt wegen der be-grenzten richterlichen Prüfungskompetenz in Freiheitsent-zugsverfahren im Einzelfall zu einer Inhaftierung von Perso-nen, deren Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichenGründen (z. B. weil ihnen im Herkunftsland die Todesstrafedroht oder andere Abschiebungshindernisse im Sinn des § 53'AusIG vorliegen) nicht erfolgen kann.

Gegen die richterliche Anordnung der Inhaftierung bestehtdie Möglichkeit nach § 7 I Freiheitsentzugsgesetz innerhalbvon zwei Wochen sofortige Beschwerde beim Landgericht ein-zulegen. Diese Beschwerde wird aber häufig erst nach Ablaufder Haftzeit bearbeitet und deshalb das Rechtsmittel für un-zulässig erklärt. Eine inhaltliche Überprüfung der Hauptsache,der Haftandrohung, erfolgt in diesen Fällen nicht.

Während die Haftrichter/innen beim Amtsgericht Schönebergbislang als „Erfüllungsgehilfen" der Ausländerbehörde bereit-

InitiativeDie Initiative gegen Abschiebehaft bemüht sich seit April 1994 den Lauf der Ab-

schiebemaschinerie zu durchbrechen, indem sie Abschiebehäftlinge besucht undbetreut und versucht, die Schikane der Haft einer breiten Öffentlichkeit preiszuge-ben. Sie trifft sich jeden ersten und zweiten Montag im Monat um 19.30 Uhr imAsien- und Afrikainstitut R 113 Luisenstr. 54/55. Infos: Initiative gegen Abschiebe-haft, Klopstockstr. 31,10557 Berlin, Tel. 4516237. ;

willig die gewünschte Haftlänge anordneten, so ist nun eineÄnderung der Rechtsprechung zu bemerken: Zum Beispiel wur-de Tekles Haftentlasssung angeordnet, weil der Richter das Be-mühen der Ausländerbehörde, die Heimreisepapiere zu beschaf-fen, als nicht ausreichend empfand. Als Reaktion auf diesehumanere Rechtssprechung versucht die Ausländerbehördehäufiger der vorzeitigen Haftentlassung entgegenzuwirken,indem sie vor Gericht lügt, daß der/die betroffene Asylbewer-ber/in bislang eine falsche Identität angegeben habe.

Das Glück, nicht bis zum Abtransport weggesperrt zu sein,bleibt für die Entlassenen vielfach ein zwiespältiges. Tekle wurdenachts um 0.00 Uhr ohne Geld und ohne Informationen übersein weiteres Schicksal vor die Tore des Abschiebeknastes ge-stellt. Vom Landeseinwohneramt hätte er eine Grenzübertritts-bescheinigung erhalten können.die besagt, daß sich die in derBescheinigung genannte Person illegal im Land aufhält. Diedieser Situation angemessene Duldung nach §§ 55, 56 AusIGerhalten ausreisepflichtige Asylbewerber/innen in der Regelnicht. Tekle zog es vor ohne Papiere in die Illegalität zu tau-chen. Seine Situation ist kein Einzelfall.

Die Asylbewerber/innen fliehen oft gerade vor der Folter inihren Heimatländern, und sehen sich in der deutschen Abschiebe-haft erneut einer Psychofolter ausgesetzt. Das Strafvollzugs-gesetz, dem der Ablauf in Justizvollzugsanstalten unterliegt, giltnicht für den Polizeigewahrsam, stattdessen soll die Polizeige-wahrsamsordnung den trüben Alltag in der Grünauerstraße 140regeln. Die Praxis entspricht jedoch kaum dem ersten Gebot derVerordnung, die Ausländer/innen angemessen und menschen-würdig zu behandeln. Die Häftlinge sind in vergitterten Zellenzu acht Personen unterschiedlicher Nationalitäten zusammen-gepfercht. Freigang ist auf täglich eine Stunde reduziert. EinFernseher bietet die einzige Beschäftigungsmöglichkeit. FehlendeDolmetscher/innen und fehlende neutrale Beratung machen esihnen meistens unmöglich, Bescheide und Hafturteile in Behör-dendeutsch zu verstehen. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz(AsylbLG) haben auch Personen, die vollziehbar zur Ausreise ver-pflichtet sind, Anspruch auf Leistungen zur „Deckung persönli-cher Bedürfnisse des täglichen Lebens", d.h. Kleidung, Gesund-heits- und Körperpflegemittel und einen Geldbetrag von monatlich80,- DM. An diese Vorschrift fühlte sich die Senatsverwaltung fürSoziales zunächst jedoch nicht gebunden, sondern schloß in ei-ner „Ausführungsverordnung für die Gewährung von Leistun-gen nach den Vorschriften des Asylbewerberleistungsgesetz" Ab-schiebehäftlinge von dem nach dem Gesetz leistungsberechtigtenPersonenkreis aus. Erst aufgrund einer verwaltungsgerichtlichenAnordnung berücksichtigte die Senatsverwaltung den vollen Um-fang des Gesetzes ab Mai 1994 in ihrer Ausführungsverordnung.

Die Inhaftierung von Ausländer/innen bei reinem Verwaltungs-unrecht, wie es die Verweigerung der Ausreise durch die Betrof-fenen darstellt, ist mit der Unantastbarkeit der Menschenwürdeund dem Grundrecht auf persönliche Freiheit unvereinbar. Zu-dem verstößt diese Praxis gegen Artikel 31 I der GenferFlüchtlingskonvention, die in der BRD 1954 in Kraft trat, wo-nach die Staaten verpflichtet sind, in aller Regel keine Strafengegen Asylsuchende wegen unrechtmäßiger Einreise zu verhän-gen. Abschiebehaft ist das letzte Glied in einer Reihe von Geset-zen und Verwaltungsverfahren zur Abschottung Deutschlandsgegen Menschen in Not. Es gilt, sie zu verhindern. gi*

\Kirsten Wiese

Arbeitskreis kritischer Juristinnen

Un Au f gefordert

Page 15: UnAufgefordert Nr. 80

Unbedingt denunzierendBoris Salomon zu einem Artikel in UnAufgefordert Nr. 77 („Verwechslung von Tatsachen")

An Form und Inhalt der im Artikel dargebotenen Tatsachen läßt sich oft unmit-telbar die Quelle ausmachen, aus der der Autor geschöpft hat. In wessen Auf-trag übrigens? Meine erste Erwiderung richtet sich auf Informationen des Autors,hinter denen offenbar ein Literaturwissenschaftler an der HU steht, der in derSED-Grundorganisation der damaligen Sektion Germanistik eine führende Rol-le gespielt hat. Mit diesem Germanisten, der für einen kurzen Zeitraum fürMielkes Organisation tätig war, bevor er selbst in deren Fadenkreuz stand, habeich allerdings Gespräche führen können, in denen dieser mir die Argumente desAutors nahezu wörtlich präsentiert hat.

Die mir bekannten Berichte von Herrn Lenk, alias IM Weber, warenund sind schlicht „unbedingt denunzierend" und nicht „eherschmieriger und ekliger Natur". Die mir vorliegenden Dossiersausder Feder Lenks zeichnen sich durch eine nahezu unmenschlicheAkribie aus, deren einzige Emotion die des vorauseilenden Gehor-sams ist, und die für so manchen Bespitzelten das Ende der Kar-riere, wenn nicht gar Schlimmeres, zur Folge hatten.

Daß Lenk seine IM-Tätigkeit offenbart hat, ist nicht darauf zu-rückzuführen, daß „die Mutmaßungen über seine frühere Ne-bentätigkeit bei der Stasi" hinreichend „weit gediehen" wären.Lenks Stasi-Aktivitäten wurden durch den erwähnten Germani-sten der HU dem DAAD mitgeteilt. Lenks Strategie war daraufhinein Rückzugsgefecht mit Abstreiten, Verharmlosungen und der indiesen Fällen sattsam bekannten Opferrolle. Nach einer Aussageeiner früheren Leiterin des Germanistischen Instituts der Uni Hel-sinki habe Lenk ihr bei Vorhaltung eines entsprechenden Verdachtszunächst noch „offen ins Gesicht gelogen". Lenk war zu jenemZeitpunkt Schriftleiter des „Ginko-Baumes", eines germanistischenJahrbuchs für Nordeuropa, das zunächst am DDR-Kulturzentrum,später am Germanistischen Institut der Uni Helsinki, herausgege-ben wurde. Diese Aktivität, war nach der Wende vom DAAD f i -nanziert worden und wurde auch, nachdem sich der Stasi-Ver-dacht gegen Lenk erhärtete, vom DAAD weiter finanziert. Zugleichaber erging an das Germanistische Institut seitens des DAAD derRat, mit Rücksicht auf die internationale Leserschaft des Ginkgo-Baumes, entweder Herrn Lenk von seiner leitenden Funktion zuentbinden oder einer Verlegung des Ginkgo-Baumes an die Uni-versität Tartu/Dorpat zuzustimmen, wo der DAAD einen offenbarpolitisch unbelasteten Lektor stationiert hatte.

Nach Auflösung der DDR war Herrn Lenks Lektorat zunächstallein vom finnischen Unterrichtsministerium finanziert worden.Die Uni Helsinki entschied sich zu einem späteren Zeitpunkt, alleaußeruniversitär finanzierten Lektorate ohne Ausschreibung inuniversitätseigene Stellen überzuleiten. Zu keinem Zeitpunkt hätteich mit Herrn Lenk, wie im Artikel behauptet, um diese personen-gebundene Stelle konkurrieren können. Lenk hat nie, wie behaup-

' tet, auf meiner Stelle gesessen. Für seine Stelle, das „DDR-Lekto-rat", kamen nur DDR-Germanisten in Frage. Auch die Behauptung,daß ich mich im Zusammenhang mit der Umwandlung des vonLenk verwalteten Lektorats in eine Planstelle 1995 mit der Bitteum Hilfe an die HU gewandt haben soll, ist falsch. Mir ist auch nieein abschlägiger Bescheid in dieser Sache zugegangen.

Ein weiterer Fehler unterläuft dem Autor des Artikels, wenn ersich mit Herrn Lenks Dissertation beschäftigt. Ihr Titel lautet nicht„Pressesprache in israelischen Zeitungen". Vielmehr widmete sichseine Dissertation den Presseberichten in westdeutschen Zeitun-gen zum Thema Libanon-Krieg. Titel: „Persuasionsstrategien inder Manipulation. Handlungsstrukturanalysen von Kommentarender BRD-Presse"(HU, 1987). Dieser Text enthielt aber in der Tat

UnAuf gefordert

schärfste Attacken gegen Israel und seine„imperialistische, zionistische" Außenpo-litik. DieserText stand seit 1987 in der Ger-manistischen Bibliothek der UniversitätHelsinki. Offenbar aufmerksam gewordendurch einschlägige Lenk-Zitate im Zusam-menhang mit einem Kolloquium zum sel-ben Thema, an dessen Organisation Lenkbeteiligt war, führte eine Abordnung derjüdischen Gemeinde Helsinki mit dem da-

maligen Kanzler der Uni Helsinki Gespräche. Und es wurde auchder in Finnland akkreditierte Botschafter Israels an der Universi-tät vorstellig. Die Leitung der Uni Helsinki sah sich jedoch nicht zueiner Entfernung Lenks aus seinem Amt veranlaßt, auch nicht, alsihr ein Gutachten des Zentrums für Antisemitismusforschung (TUBerlin) vorgelegt wurde, in dem zusammenfassend festgestelltwurde, daß es sich bei Lenks Arbeit um eine Kampfschrift mitantisemitischen Positionen handele.

Was den sogenannten anonymen Brief angeht, so ist mir anläß-lich einer Lehrerversammlung an der Uni Helsinki ein solches Ex-emplar zu Gesicht gekommen. Ich war aber nicht Verfasser diesesBriefes. Ich habe meine Argumente eher herausgeschrien, als siehinter vorgehaltener Hand und mit der Bitte um Anonymität zuverbreiten.

Schließlich wird mein Forschungsantrag als „Faktensammelngegen die Person Lenk" bezeichnet Träfe die Behauptung, ich wollelediglich eine persönliche Fehde austragen, zu, dann wäre dar-über wohl kaum ein öffentlicher Streit ausgebrochen. Es ist falsch,daß ein von mir bei der Gauck-Behörde gestellter Antrag mit Ver-weis auf einen unwissenschaftlichen Ansatz abgelehnt wordenist. Richtig ist vielmehr, daß 1994 ein von mir eben in dieser Be-hörde beantragtes Forschungsprojekt genehmigt worden ist.

Anders als der Autor ortet der ehemalige Dekan des Fachbe-reichs Germanistik der HU als Gegenstand meines For-schungsprojektes diesen Fachbereich und/oder einzelne Mitglie-der des Fachbereichs. Natürlich ist man sich dann einig in derAblehnung meines Archivnutzungsantrages, weil das „gravieren-de Belastungen" für politische Verstrickte mit sich bringen würde.Damit wird Datenschutz zum Täterschutz umfunktioniert.

Im übrigen besitze ich nicht die finnische Staatsbürgerschaft,sondern bin deutscher Staatsbürger.

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jekte, die sogenannten „Chancen undRisiken". Die Gründe sind auch in allge-meinen Marktmechanismen zu finden,deren Wirkungen weitgehend unabhän-gig von den technischen Fragestellungengesehen werden können. Grundlage desVortrags ist die These, daß diese Ebene -und hier vor allem das Patentrecht- der-zeit die eigentlich treibende Kraft bei derEinführung der Gentechnologie in derLandwirtschaft und bei der Erzeugungvon Lebensmitteln ist.Durch das Patentrecht kommt es zu einersystematischen Begünstigung der gen-technisch erzeugten gegenüber den kon-ventionell hergestellten Produkten.Wettbewerbsverzerrung, Verdrängungs-prozesse und Neugestaltung der Erzeu-ger- und Vermarktungsstrukturen sind diezwangsläufige Folge. Die These wird mitanschaulichen Beispielen aus der Tier-und Pflanzenzucht verdeutlicht.

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BewerbungstrainingDie Allgemeine Studienberatung bietetgemeinsam mit dem Arbeitsamt wiederein Bewerbungstraining an. Es besteht auseinem Vortrag zur Vorbereitung der Be-werbung (Termin: Mittwoch, 15. Januar,14 - 18 Uhr) und einem später stattfin-denden Training zum Vorstellungs-gespräch (mit Videounterstützung).Anmeldung bei Herrn Walter,Tel. 2093-2615.

„Arbeitswelt Medien"Über den zukunftsträchtigen Arbeits-markt im Medienbereich können sichStudierende am Mittwoch, d. 15. Januar1997, informieren. Ab 10 Uhr stehen zu-nächst Vertreter/innen aus den verschie-densten Branchen (Presse, Rundfunk,Fernsehen, Verlage, Agenturen u.a.) ineinem ca. zweistündigen Podiumsge-spräch - natürlich mit Gelegenheit zuAnfragen - im Senatssaal (Hauptgebäu-de) zur Verfügung. Daran werden sichdann kleinere und speziellere Gesprächs-runden anschließen. Dabei können u.a.auch Absolvent(inn)en der Humboldt-Universität über ihre Erfahrungen aufihrem Weg in die „Arbeitswelt Medien"befragt werden. Und ein Pressecafe solles auch noch geben ...

Bewerbungen zum SommersemesterDer Bewerbungszeitraum für das kom-mende Sommersemester läuft noch biszum 15. Januar. Bitte beachten Sie dasaktualisierte Studienangebot der Hum-boldt-Universität, zu erhalten bei derAllgemeinen Studienberatung, Hauptge-bäude Zi. 2008.

Frauencafe im Krähenfuß

Am Donnerstag, den 12. Dezember 1996findet ab 20.00 Uhr im Frauencafe imKrähenfuß ein Märchenabend statt. Je-der, der kommt, möchte bitte seinLieblingsmärchen mitbringen, damit dieMärchen im Laufe des Abends vorgele-sen werden können.

Am Donnerstag, den 19. Dezember 1996wird ab 20.00 Uhr der Film "Frauen amRande des Nervenzusammenbruchs" vor-geführt.

Änderungen vorbehalten

UnAu f gefordert

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Digitale Recherche «4^Moderne Informationsangebote an der Humboldt-Universität

Im Zeitalter von INTERNET, Datenautobahn und Multimedia wird die Orientie-rung in der kontinuierlich wachsenden Informationsflut zunehmend schwieri-ger. Gleichzeitig gewinnt der problemlose Zugang zur gewünschten Informati-on ständig an Bedeutung. Die Universitätsbibliothek der Humboldt-Universitätträgt dieser Entwicklung durch die Bereitstellung moderner Informationsange-bote Rechnung. Das sind von der ÜB betreute CD-ROMs im HU-Netz, Online-Datenbanken verschiedener Datenbankanbieter (HOSTs) und der Zugang zumINTERNET mit seiner enormen Informationsfülle und Vielfalt.

Eine sehr attraktive Form der Online-Recherche, die jetzt auchan der Humboldt-Universität genutzt werden kann, bietetFIRSTSEARCH. Das ist ein menügeführtes Online-Recherche-System des Datenbankanbieters OCLC (Online Computer LibraryCenter/USA) mit derzeit ca. 50 Datenbanken, das allen Mitar-beiterinnen und Studierenden der Humboldt-Universität ko-stenlos zur Verfügung steht. Auch unerfahrene Endnutzerinnenkönnen mit dem Suchsystem Literaturrecherchen erfolgreichdurchführen.

Der Verbindungsaufbau zu FIRSTSEARCH ist sowohl über dasRechnernetz der Universitätsbibliothek als auch über ihreHomepage im INTERNET möglich. Die zur Einwahl erforderlichenCodes (Authorization, Password) stellt die Universitätsbibliothekden Mitarbeiterinnen und Studierenden der HU in Form vonSuchkarten zur Verfügung. Die von der ÜB ausgegebenen An-tragsformulare für die Suchkarten müssen von den Institutenoder Arbeitsgruppen der HUB abgestempelt und unterschriebenwerden. Alle anderen Bibliotheksbenutzer können Suchkartenin der Ortsleihe der Zentralen Universitätsbibliothek zum Preisvon 1,50 DM je Suchfrage erwerben, wobei Suchkarten mit 10,25 und 50 Suchfragen je Suchkarte abgegeben werden.FIRSTSEARCH stellt damit eine wesentliche Erweiterung derInformationsmöglichkeiten an der Humboldt-Universität dar.

Bereits seit mehreren Jahren bietet die Universitätsbibliothekin ihrer Informationsvermittlungsstelle (IVS) die Nutzung vonca. 1 000 Online-Datenbanken verschiedener Hosts an. Die Nut-zung dieser Datenbanken erfordert aber die Kenntnis der jewei-ligen Datenbankstruktur und die Beherrschung der Recherche-sprache des jeweiligen Hosts. Deshalb werden diese Recherchenvon Mitarbeiterinnen der IVS gemeinsam mit den Kundinnendurchgeführt. Für Mitarbeiterinnen und Studierende der Hum-boldt-Universität sind Online-Recherchen mit bis zu 150 Quel-lennachweisen zur Zeit noch kostenlos. Die Attraktivität dieserInformationsrecherche liegt in ihrer unerreichten hohen Effek-tivität, die sich u.a. aus dem besonders umfangreichen

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f ie l : 2093-3226•Herbert Laubvoge!iTel: 2093-3227sfax.: 2093-3207"e-mail:

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Das INTERNET bietet eine Füllevon Informationsquellen, ist aberauch noch mit etlichen Schwierig-keiten belastet, die das Auffindenvon Fachinformationen erschwe-ren. Das sind die Vielfalt der Daten-strukturen und Originalsprachensowie die Probleme der Leitungs-stabilität des Netzes. Die themati-sche Suche im INTERNET erfordertFachkenntnis.

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Page 18: UnAufgefordert Nr. 80

Pl Aufbaustudium einmal andersStiftungskolleg für Internationale Aufgaben

Nach dem Studium den Berufseinstieg im Bereich der internationalen Zusam-menarbeit finden? Institutionen wie die EU, die OSZE, die Weltbank, aber auchsogenannte Nichtregierungsorganisationen einmal von innen kennenlernen? Miteinem Stipendium ausgerüstet einfach ein Jahr lang einmal reinschnuppernund trotzdem in Eigenverantwortung an einem selbstkonzipierten Projekt ar-beiten können? Diese Arbeit mit einem Auslandsaufenthalt verbinden? Eine inOsteuropa oder im Nahen Osten gesprochene Fremdsprache dazulernen? Dazueine Vor- und Nachbereitung in Gestalt eines interdisziplinär ausgerichtetenKolloquiums mit hochkarätigen Referenten aus der Praxis? Wovon ich eigent-lich nachts träume?!

Seit September 1995 ist diese Idee kein Traum mehr.'Mit dem„Stiftungskolleg für Internationale Aufgaben" der Robert-Bosch-Stiftung etablierte sich - einmalig in Deutschland - ein Post-graduiertenprogramm, das jungen Hochschulabsolventen allerFachrichtungen die Möglichkeit bietet, über den Weg einerpraxisorientierten Vorbereitung den Einstieg in eine Tätigkeit mitinternationaler Ausrichtung zu finden. Voraussetzung: deutscheSchulbildung, gute Sprachkenntnisse, erste Praktika, Auslands-erfahrung und die Einhaltung eines Höchstalters von 30 Jahren.

Im Mittelpunkt des dreizehn Monate dauernden Kollegs ste-hen die Projekte der zwanzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer.Ausgerichtet auf zwei Schwerpunktregionen - Osteuropa sowieden Nahe Osten und Zentralasien - soll eine Fragestellung be-arbeitet werden, die im Zusammenhang mit den Schwerpunkt-regionen steht. Gegenwartsbezug, praktische Relevanz und vorallem die Erstellung von umsetzbaren Lösungsansätzen sind we-sentliche Bestandteile dieser Projektarbeit. Die Umsetzung dereinzelnen Vorhaben erfolgt im Rahmen einer oder mehrerer Tä-tigkeiten in verschiedenen Institutionen im In- und Ausland, diedirekt oder indirekt von dieser Problemstellung betroffen sind.

Nach einer Auswahl mit persönlichem Vorstellungsgesprächam Sitz der Robert-Bosch-Stiftung in Stuttgart bekam ich imFrühjahr 1995 die erfreuliche Nachricht, in den ersten Jahrgangdes Stiftungskollegs aufgenommen worden zu sein. Ich hattemich mit einem Projekt beworben, das die Auswirkungen desFriedensprozesses im Nahen Osten auf die Zusammenarbeitzwischen deutschen und palästinensischen Nichtregierungs-organisationen untersuchen sollte. Müssen deutsche Organisa-tionen in ihrer Kooperation mit palästinensischen Partnern jetztVeränderungen vornehmen und wenn ja, welche? In Hinblickauf einen Aufenthalt in Israel und den IBG (den von Israel be-setzten und teilautonomen palästinensischen Gebieten) wurdemir nahe gelegt, meine Arabischkenntnisse zu vertiefen und ei-nen Anfängerkurs in Hebräisch zu belegen. Die Kosten würdenvon der Bosch-Stiftung übernommen. Noch in Berlin begann ich,Abendkurse in beiden Sprachen zu besuchen, und mich auf dieerste vierwöchige Kollegphase vorzubereiten, die im September1995 in Bonn stattfinden sollte.

Zum Selbststudium flatterten Materialien aus Stuttgart insHaus, aus denen ich Referate anfertigen sollte. In der Zwischen-zeit begann ich zu planen: Wo würde ich meine Praktika ablei-sten? Wer würde mich bei sich arbeiten lassen? Wie könnte ichmein Projekt am sinnvollsten umsetzen? Würde ich währendmeines vorgesehenen Aufenthaltes in Jerusalem auch einenPraktikumsgeber finden?

Anfang Septemberfuhr ich endlich zurTeilnahme an der Kolleg-phase I nach Bonn. Ich bekam jetzt ein Stipendium und traf vol-ler Neugier auf die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Da saß ich nun als Politologin zwischeneinem Volkswirtschaftler, einer Lehrerin,einer Hydrologin und einem Ingenieur. DasInteresse aneinander stieg um so mehr,als die einzelnen Projektvorhaben vorge-stellt wurden. Das Pressewesen in Rumä-nien sollte z.B. untersucht, die Wasser-verteilung im Nahen Osten hinterfragt',interkulturelle Probleme der Manager-fortbildung in Rußland beseitigt, die Te-lekommunikation in Tschechien vorange-

trieben und die Luftqualität in Teheran analysiert werden. VierWochen saßen wir Tag und oft auch Nacht zusammen und ar-beiteten uns gemeinsam über Referate und Arbeitsgruppen inProbleme und Methoden der internationalen Zusammenarbeitein. Wir diskutierten uns die Köpfe mit hochkarätigen Fachleu-ten aus der Praxis heiß oder konfrontierten den Entwicklungs-hilfeminister Spranger mit unangenehmen Fragen. Wir sahenuns das Auswärtige Amt von innen an und unterhielten uns imBundeskanzleramt mit Helmut Kohls Berater für Außenpolitik.Als Höhepunkt empfanden viele den Besuch von Bundespräsi-dent a.D. Richard von Weizsäcker gegen Ende dieser erstenKollegphase. Nach vier Wochen intensiver herausfordernder Ar-beit, aber auch ausgelassener Stimmung und Vorfreude auf dieanschließende Zeit gingen wir auseinander.

In verschiedenen Institutionen wie dem Deutschen Orient In-stitut, der Stiftung Wissenschaft und Politik in Ebenhausen oderdem Deutschen Institut für Entwicklungshilfe wollten sich eini-ge zunächst wissenschaftlich ihrem Thema nähern. Andere be-gannen eine Hospitanz bei einer Zeitung oder wollten zunächstin einer Bank arbeiten. Ich war inzwischen bei einer Stiftungvorstellig geworden, die über lange Erfahrung in der Zusammen-arbeit mit palästinensischen Nichtregierungsorganisationen ver-fügt und bekam die Zusage für eine dreimonatige Tätigkeit imRahmen des Kollegs. Anfang Oktober begann ich meinen Auf-enthalt in der Zentrale der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn. AlsAssistentin des Leiters im Nahostreferat erhielt ich Einblicke indie Koordinierungsarbeit der verschiedenen Auslandsbüros inBeirut, Tel Aviv oder Amman, wurde an der Erstellung einesProjektantrages beteiligt, erlernte die Grundregeln der Projekt-kostenabrechnung, kam in Kontakt mit Vertretern aus der Regi-on und erarbeitete mir nicht zuletzt erste Ergebnisse in bezugauf die Fragestellungen meines Projektes. Während dieses Auf-enthaltes in Bonn bekamen die optimistischen Ansätze meinesProjektvorschlages einen ersten Dämpfer. Der israelische Mini-sterpräsident Rabin wurde ermordet. Würde der Friedensprozeßfortgeführt? Würden meine Fragen noch aktuell sein, wenn ichsie vor Ort bearbeiten wollte?

Um die Abläufe und Vorschriften der deutschen Entwicklungs-hilfe genauer kennenlernen zu können, verließ ich die Ebert-Stiftung nach drei Monaten, um im Nahostreferat des Bundes-ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung (BMZ) tätig zu sein. Hier lernte ich nicht nur dieArbeitsweise eines Ministeriums kennen, sondern bekam end-lich Durchblick im Dschungel der Inhalte, Maßgaben und Richt-linien der deutschen Entwicklungshilfe. Überaus positiv emp-fand ich die Möglichkeit, an BMZ-internen Gesprächen zurVorbereitung von Regierungsverhandlungen teilnehmen zu dür-fen. Die Art und Weise von Entscheidungsfindungen auf höch-

UnAu f gefordert

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«ist

ster Ebene war ein besonderes Erlebnis. Mit dem Besuch einerSitzung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung bekam ich auch einen Eindruck der parlamentari-schen Seite bundesdeutscher Entwicklungshilfezusammenarbeit.

Das zunächst recht trockene Studium von Unterlagen wieGeschäftsordnungen der Bundesregierung oder des BMZ, desHaushaltsplanes oder der Förderungsrichtlinien im allgemei-nen erweiterte einerseits mein Verständnis von öffentlicher Ver-waltung und gab mir andererseits eine weitere Grundlage zurBeurteilung der rechtlichen Rahmenbedingungen in meinemZielland.

Gegen Ende dieses zweimonatigen Aufenthalts fühlte ich michgenügend vorbereitet, endlich in mein Zielland auszureisen. Fürvier weitere Monate würde ich in Jerusalem arbeiten können.Meine dortige Station sollte das Vertretungsbüro der Friedrich-Ebert-Sttftung für die von Israel besetzten und teilautonomenpalästinensischen Gebiete sein, wo inzwischen die Wahlen zueinem ersten Autonomierat und eines Präsidenten stattgefun-den hatten.

Am Flughafen Schönefeld bekam ich einen ersten Eindruck vonder Atmosphäre, die mich in den nächsten Monaten begleitenwürde. Abgetrennt vom übrigen Flugverkehr, vor dem eigenenTerminal der israelischen Fluggesellschaft, erwartete ein Panzerdes Bundesgrenzschutzes die Fluggäste. Nach einer eingehen-den Sicherheitskontrolle saß ich endlich im Flugzeug auf demWeg nach Tel Aviv.

Zwei weitere Bosch-Stipendiatinnen befanden sich bereits inJerusalem, um die rechtliche Seite des Wasserproblems zwischenIsraelis und Palästinensern zu bearbeiten oder sich dem Aufbaueines palästinensischen Industrieparks zu widmen. Ein regerAustausch über unsere Arbeitsstellen, unsere Projekte und vorallem die politische Situation in unserem Gastgeberland war sosichergestellt und nahm mir die erste Unsicherheit. Bombenan-schläge stellten unseren Alltag unter extreme Spannung. Wie'zwischen zwei Welten pendelten wir oft zwischen unserem „pa-lästinensischen Alltag" in Ost-Jerusalem oder Ramallah und demsehr westlich geprägten Gesicht einer Stadt wie Tel Aviv. Alswissenschaftliche Mitarbeiterin konnte ich ausgehend vom Büroder Friedrich-Ebert-Stiftung in Ost-Jerusalem palästinensischeNichtregierungsorganisationen in der Westbank und im Gaza-streifen aufsuchen. Im Laufe einer viermonatigen Tätigkei't ent-stand eine Studie über deren aktuelle Situation, rechtliche undfinanzielle Probleme, ihrem Verhältnis zu deutschen Hilfsorga-nisationen, ihrer Geschichte und ihrer zukünftigen Stellung in-nerhalb der palästinensischen Gesellschaft. Im Gegensatz zu ei-ner Seminar- oder Diplomarbeit, sollten die Ergebnisse diesesProjektes praktische Handlungsanweisungen liefern und mög-lichst eine Beratung für deutsche Entwicklungshilfeorganisa-

tionen darstellen. Über diese Arbeit hinaus bot sich mir die Mög-lichkeit, die laufenden Tätigkeiten des Büros zu verfolgen, Dele-gationen aus Deutschland mitzubetreuen oder Einblicke in dieZusammenarbeit einer deutschen Nichtregierungsorganisationmit ihren Zielgruppen zu erhalten.

Überaus spannend war die Beobachtung der politischen Pro-zesse direkt vor Ort. Was als Friedensprozeß in Deutschland ge-priesen wurde, war in Wirklichkeit längst ins Stocken geraten.Entgegen aller Erwartungen war es zu keiner Verbesserung derLebensbedingungen der Bevölkerung gekommen. Im Gegenteil.Der Ausgang der israelischen Wahlen bedeutete einen morali-schen Tiefpunkt, auch für uns Kollegiatinnen, die wir - im Ge-gensatz zu unseren palästinensischen Nachbarn - tagtäglich dieKontrollpunkte zu unserem Arbeitsplatz in Jerusalem passierendurften. Anfang August bestieg ich mein Flugzeug zurück nachBerlin, in dem Gefühl ein Pulverfaß zu verlassen, das jeden Mo-ment auseinanderbersten könnte. Nur schwer konnte ich michnach den Erfahrungen in Jerusalem, wo Menschen um ihr blo-ßes Existenzrecht kämpfen, in die deutsche Realität mit ihrerDebatte über Ladensehlußgesetze wieder einfinden.

Die abschließende Kollegphase in Bonn gelang zum großenWiedersehensfest. Aus allen vier Windrichtungen, so schien es,kehrten die Kollegiatinnen und Kollegiaten zurück. Mit Span-nung wurden die Berichte über die Projektergebnisse erwartet.Alltagsannekdoten aus Moskau, Sofia, Prag, Amman, Kairo undJerusalem wurden ausgetauscht und das Programm insgesamtausgewertet. Mit großer Neugier wurden zwanzig neue Teilneh-merinnen und Teilnehmer des „Stiftungskollegs für Internatio-nale Aufgaben" begrüßt, die ihre Projekte vorstellten und vonuns „alten Kollegiaten" nun Hilfestellung erwarteten. Gemein-sam widmeten -wir uns noch einmal aktuellen Themen der inter-nationalen Politik, wie der Globalisierung der Wirtschaft oderden Herausforderungen durch die Probleme des Bevölkerungs-wachstums. In Vorbereitung der uns jetzt erwartenden Bewer-bungen und Vorstellungsgespräche genoß unser Jahrgang nocheinen Kompaktkurs in Rhetorik, bevor wir in einer Mischung ausWehmut, Genugtuung und Hoffnung auf einen anschließendenJob auseinandergingen. Für einige von uns hat sich diese Hoff-nung bereits erfüllt. Die Organisation für Sicherheit und Zusam-menarbeit in Europa, eine palästinensische Gesellschaft zumAufbau der dortigen Industrie, ein Forschungszentrum für euro-päische Wirtschaftsfragen sind einige neue Arbeitgeber. Für dieanderen heißt es jetzt bewerben, bewerben, bewerben. Wer sel-biges für das „Stiftungskolleg" in Erwägung zieht, kann dies nochbis Mitte Februar. Unterlagen sind unter folgender Adresse er-hältlich: Robert-Bosch-Stiftung, Postfach 10 06 28, 70005 Stutt-gart, Tel.: 0711/460840.

Michele Auga

Einführungskurs

internationale Politik.

Kollegphase zur Vor-

bereitung der Praktika

Page 20: UnAufgefordert Nr. 80

Auf der Bühne

Franz Woyzcck an der

Komischen Oper

Nicht einmal ärgerlich...

Um es kurz zu machen: Thomas Lang-hoffs Inszenierung von Maxim Gorkis „DieLetzten" ist weder revolutionär, noch be-eindruckend, noch vermittelt sie eine be-sondere Sicht auf den Stoff. Thomas Lang-hoffs Regie kommt so bieder daher, daßsie nicht einmal ärgert. Im Gegenteil, wäreLanghoff wenigstens ein schlechter Re-gisseur, so hätte man Grund zu schimp-fen und zu geifern -jedoch, trotz der aus-gesprochenen Textlastigkeit beweist er eingewisses Gefühl für timing und löst kniff-lige Situationen einfallsreich und elegantauf. Ansonsten spult sich der Niedergangder Familie Kolomizew konsequent, aberseltsam blutleer ab, die Figuren bewegensich irgendwo zwischen Tragödie und Pos-se, und der Zuschauer fragt sich hilflos,ob er es mit einer Satire oder einem Dra-ma zu schaffen habe.

Dabei sind die schauspielerischen Lei-stungen - man ist's ja vom DT nicht an-

ders gewohnt - durchweg gut, dennochwirken die Protagonisten seltsam unbe-holfen... - j a , wären da nicht zwei Licht-blicke: Annelene Hirschner als KinderfrauFedossja ist einfach hinreißend, das sprö-de und trockene Spiel Petra Hartungs inder Rolle der Ljubow geht unter die Haut- und macht den Theaterabend letztlichdoch zum Erlebnis.

godot

„Crash" in derKomischen Oper?

Es gibt .Momente, da treffen verschiede-ne Künstler unabhängig voneinander imselben Moment den gleichen Ton. Trotz derVerschiedenheit der Sujets. Während dieEntrüstung über David CronenbergsSkandalfilm „Crash" (siehe UnAUF Nr. 79)nun auch nach Deutschland schwappt, be-schwören die Choreographin Birgit Scher-zer und der Komponist Heiner Grenzland„Franz Woyzeck" (Uraufführung) an der

Komischen Oper die gleiche verstörendeStimmung. Dabei ist der Hintergrund einanderer, das Motiv bleibt: Die Verstrickungvon Schuld und Obsession, zwischen denZeilen die Pathologie einer übertechnifi-zierten Gesellschaft. Grenzland umschreibtseinen Stil als „neo-realistisch", seine Äs-thetik als „populär", tatsächlich ist es eineArt „meta-surrealistischer" Sprache, die se-ziert und enthüllt, zu harten Klängen dieTänzer über die Bühne jagt. Zur treiben-den Hatz des in Höchstform musizieren-den Orchester der Komischen Oper fordertBirgit Scherzer die Tänzer bis an die Gren-zen ihrer körperlichen und seelischen Aus-drucksfähigkeit, der heiße Strom tänzeri-scher Gewalt bricht niemals ab, kennt nurwenige Haltepunkte, die mehr Kälte undRatlosigkeit denn Lyrismo versprühen:Ruhe kehrt nur im Tod ein, und selbst dannwird Woyzeck noch, gut sichtbar, aufge-schlitzt - wo sitzt die Schuld, wo die Per-version? Neben der Niere?

Die neueste Produktion der KomischenOper ist hart - aber unbedingt sehenswert!

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Weihnachtsprogrammder Studiobühne

Im Gegensatz zur üblichen Theater-fröhlichkeit zum Jahresende wird auf derStudiobühne ein sehr ernstes Thema be-handelt. In dem Stück „Knepp" des ar-gentinischen Autors Jorge Goldenberggeht es um den Psychoterror, dem man ineiner Diktatur ausgesetzt ist. Marias Mannist verschollen. Sie bekommt Besuch voneinem Mann namens Knepp. Dieser bie-tet ihr an, daß sie jeden Freitag mit ihremMann sprechen kann. Jeden Freitag lebtsie nun zwischen Angst und Hoffnung: derAngst, ihren Ehemann zu verlieren und derHoffnung, ein neues Leben beginnen zukönnen. Ein Spiel zwischen Traum undRealität - zwischen Leidenschaft, Tangound Wahnsinn. Inszeniert wird dieses Spielvon Jochen Freydank und Uwe Gröschel.Es spielen: Heike Schober, GunnarTeuber,Nikolaus Grobe und Heike Müller-Reichenwallner.

Aufführungen in dtr Studiobühne(Sophienstr. 22a): 13., 14., 20., 21.12. um19.30 Uhr und 15., 22.12. um 18.30 Uhr.

Aufgrund des großen Erfolges wird in derStudiobühne vom 16.12. bis 19.12. jeweilsum 20 Uhr der Kurt Schwitters Abend„Nur nicht so platt, aber breiter als lang"mit Tomas Mielentz wiederaufgenommen.Und uns so auch ein humoriger Jahres-ausklang geboten. .Hj

Jörg Vorhaben

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Page 21: UnAufgefordert Nr. 80

Grenzenloses Theater'*Am 3. Dezember erlebt die 'Baracke' von Deutschem Theater und Kammerspiele ihre Wiedereröffnungmit neuen Machern und neuem Konzept. UnAufgefordert fragte, was dahinter steckt.

Ziemlich gestreßt sieht er aus, Thomas Ostermeier, der frischgebackene künst-lerische Leiter der Baracke des Deutschen Theaters. Gleich nach dem Examen,als Regieabsolvent der Ernst-Busch-Schule, wurde er vom Deutschen Theaternach Besuch seiner Diplominszenierung sozusagen vom Fleck weg engagiert,um der Baracke ein neues Gesicht zu geben.

Für „junge Leute, die von der Destruktion und Zerstörungs-wut der Volksbühne vollgefressen sind und glauben, daß esnoch einen Sinn im Theater- und Kunstschaffen gibt" möch-te er wirken; ein Credo, das oberflächlich überraschend an-mutet für einen Künstler, der sich zuletzt intensiv mit Artauds„Theater der Grausamkeit" auseinandersetzte. Aber trotzdemund gerade deshalb muß für Ostermeier Ernsthaftigkeit mög-lich sein, um das Unmögliche zu ermöglichen: Bereits 1995inszenierte er am „bat" im Rahmen des Meyerhold-ProjektesAlexander Bloks „Die Unbekannte", und seitdem hat ihn dieFaszination alter Theatermodelle nicht mehr losgelassen: „Ichmöchte weiterhin immer wieder Konzepte alter oder zu Un-recht vergessener Theater-Reformer überprüfen." Gerade dasverleiht seinem künstlerischen Konzept die Vielschichtigkeit,die Offenheit für alles stiftet, „Alles ist möglich, wenn ichein Projekt sehe und es hat den gleichen Anspruch wie ich,nämlich den, etwas neues auszuprobieren...".

Innovation und Experimentierfreudigkeit kosten allerdings

Die „Räume"• Werkraum:„work in progress", Theater zum Anfassen und Proben zumErleben - der Zuschauer bekommt Einblick in verschiedeneEntwicklungsphasen einer Produktion (öffentliche Proben, etc.);den Einstand gibt Ingo Kerkhof mit „Ansichten aus einem her-untergekommenen Salon" (Skizzen zu Platonow von AntonTschechow) am 19.12.

• Kunstraum:Kunstausstellungen im Foyer, ab 20. 12.: „Monitor", Video-Ar-beiten von S. Kalmar (London)

• Aktionsraum:Performance-Kunst, so am 24.12.: „Barackenweihnacht" - weres kultig liebt, erwartet das Christkind um 21.00 Uhr in der DT-Baracke!

• Leseraum:Lesungen, am 26.12. spricht Lebinsky Bukowski („Kaputt inHollywood")

• Streitraum:Diskussionen - nicht nur für's Podium, am 5. 01. 1997 zu demThema „Was steckt hinter dem Sparen...?"

Geld - in Berlin derzeit Mangelware -und woher nehmen, wenn nicht steh-len, da das Deutsche Theater aus Ko-stengründen den Druck seiner Pro-grammheftchen einstellen mußte undsich nun mit schmalen Faltblättern be-

gnügt? In dieser Situation traten die „Freunde und Fördererdes Deutschen Theaters und der Kammerspiele" auf den Planund griffen tief ins Portemonnaie - „Ohne sie wäre das allesnicht möglich gewesen", betont Thomas Ostermeier.

Und so ausgestattet geht es ab Dezember los: Neben Thea-ter soll es auch „Räume" geben (siehe unten), Raum zu ande-ren Möglichkeiten künstlerischer Artikulation und Ausein-andersetzung als mittels Schauspiel, eine „Woche desFranzösischen Dramas" (verschiedene Lesungen zeitgenössi-scher Autoren), der sich bald schon eine Woche des russi-schen und des englischen Theaters anschließen sollen. Dabeigeht es nicht um die etablierten Klassiker, sondern umGegenwartsautoren - „ Es stimmt einfach nicht, daß es keinebegabten jungen Dramatiker gäbe, und ich möchte mich nichtdamit begnügen, die hundertste Inszenierung der 'Räuber' zubesorgen", umschreibt Thomas Ostermeier bündig sein Kon-zept.

Dem Experiment werden keine Grenzen gesetzt: Ob Tanz-oder Sprechtheater, frech oder unbequem, avantgardistischoder Kult, ob Konzert oder Performance, Video-Kunst oderPodiumsdiskussion - es gibt vermutlich fast keine Sparte, diesich nicht abgedeckt fände.

godot

• Musikraum:Ausgefallene Konzerteden Freitag!

meist mit theatralen Elementen, je-

> Tanzraum:»•Tanz, Ballett, Bewegungstheater - die grenzenlosen Möglich-keiten des körperlichen Ausdrucks kreisen ab 31. 12.

Eröffnungs-Planab 3.12. Fette Männer im Rock (Schauspiel)

[Ein Abend mit Querelle,Hafenarbeiterliedern und Möwenschiß]

ab 7.12. Unser Dorf soll schöner werden (Schauspiel)

9. bis 14. 12. Woche des französischen Dramas

19.12. Ansichten aus einem heruntergekommenenSalon (Ingo Kerkhof im Werkraum)

20.12. Kunstraum-Eröffnung: MONITOR,Videoarbeiten präsentiert von S. Kalmar

24.12. Barackenweihnacht •

(Aktionsraum mit Barbara Thun und Gästen)

26.12. Kaputt in Hollywood (Leseraum/Bukowski)

27.12. NO DOCTOR (Musikraum)[instant easy listening Jazz poetry noise]

ab 31.12. Madame Edwarda (Tanzraum)

UnAu fgefordert

Page 22: UnAufgefordert Nr. 80

E nc Violine für1 Potpourri der Spätlesen

Neun Konzerte inzwanzig GrupptnMusiker - das Ua •>eine Massenver mt Hantu^mmmierunk -kn

rhuntt ii .> Bc in war w

kren QuartI J e hochsu

ven nomer ten r! tupt t._nicht jnoedingt uttut ZLI"H Stunden Vlu-Mk am Tag kann M,m Men rn lufne^men,in den oi.s zum ttitc* Qu dr (Zentimetervoileestopften Litken ni ttt zu vtelDurchschnitt. Dahmtei letki tmc ehren- |soite. aber auch vjn Ermud mitgefahren |begleitete Einsteliurg des im zweiten Jahr jtätigen künstlerischen Leiters Albert Man- \gelsdoriT. Für ihn isi jeder Musikerkoilege |zunächst einmal ein Meiliger, der es ver- [dient, sein Publikum zu bekommen. Am |liebsten würde er alle auf die Bühne holen, iDie vielen keineswegs schlechten, aber ;auch nicht besonders auffaltenden Bebop- jSpätleser und spröden Experimentieraka- !üemiker seien hier nicht genannt, mit Aus- !

nähme einer prominenten Gruppe, die für

! eui Projekt um dcjUl/RICH OlSHAl-;St-N| als Ersatz gebeten |i ehe „front" üne" des Septetis, Jon HerW! dneks Curtis Fuiier - Benny Goison j

Vrt Farmer, spielte und sang absolut nie |1 mehr aitmeisterlieh. voraussehbar bis 1

Benny Oüfson. der mit der Orgaiv »der Nost

Als unumstrittener Höhe-punkt des Festivals ent-puppte sich das Projekt„ Eine Violine für Valen-tin ", für das sich Jon Roseeine wahrhafte Traumheset-zung zusammengestellthatte: Unter der Leitungdes Geigers erwiesen Lau- Jj Cren Newtonyvoc, Rudi Wi~ ^derhofer, voc, Uli Gum-pßrt,p, Peter Hollinger,d,und Frank Schulte, samples,dem Vater des Surrealismuslaugenzwinkernd eine süß-lich-kakophonische Reve-renz...

Marcus Gammel

Spiel mit Grenzen

FWitdosl'Du'Dlr die mal anhören

uKr brtolgt und Hi htpunki n ^ n Ftstivais, die die ne*?u

A>ptkt«. bei neuem uber&ugtn D^s. den vici »t.r f (Wochen iK Schwerinkt bthirke'te Ihemt Frankreich wur

iüt,h besm J uzU t fortgesetzt und manuri bth *uptt,n ci iB <> eine so t uhi^c und f

M. ugc Ddrstt'h na der tr inzoi.iM.nenI&77 SA.m. i» su -tdraf s>lt r form noch nie

,tßLn hat Ek,r \\\ tritt des ichtunditepfun Gr tppeih w u

hl t,w g in FnnfKrun& okibtnihiuh '»pitlt tr je[7t

.ttntr tcht -JHL s< im

Überraschungen nient vorgesehen

vom Deutschen Jazzmuseum Berlin

Zum Auftakt ist die Bühne eindruckebestuhlt. Für 17 Musiker sind Noten geste»"label verlegt. Ein Zehntel aller geladene,J*zer bestreitet das erste von fünfund-zwanzig Konzerten des jazzFests Berlin '96.Hinzu kommt Maria Schneider, die Leiterindieser Big Band, eine zierliche, freundliche

...Larry Goldings überzeugtemit seinem von weitenSprüngen, harten Dissonan-zen und phantasievollen Al-lusionen geprägten Spiel, dassich immer wieder der skurri-len Ästhetik ThelonbusMonks verpflichtet zeigte.

Wer zwischen dem 31. Oktober und dem 3. November Bedarf nach einer L e k ^ e u r o p ä i -scher Jazzgeschichte verspürte, war beim '96er Berliner JazzFest bestens aufgehoben. MrtFocus auf dem Geschehen in Deutschland und Frankreich präsentierte Festivalmacher AlbertM^gebdorff - selbst ein Grandseigneur der Szene - Highlights aus den letzten *) J a W VonJazzdinosauriern, wie dem Willem Breuker Kollektief, dem Schlippenbach-Tno StephaneGrappelli oder La Marmite Infernale, bis zu den Rennern von gerade eben noch (das TnoRieslr/Clastrier/Rizzo,Stötter :sNeverthe^

dieser Big Band, eine zierliche, freundliche f ™^1 „„w™, ™ , keine iTberraschuns wert sein konnte. Trotzdem gingen vor allem anAmerikanerin. Auf ihr Zeichen e(M!CHAEL piu wurde alles geboten, was keine uoerrasenung wen s ^ „„ - -+« fiher die beiden Bühnen- • • • - • •-• . - . . • . - - d e n letzten beiden Tagen eine Reihe durchaus horenswerter Konzerte über die Deiaenöunneiifestliches Tutti aus Holz und Blech das Audi-torium im Haus der Kulturen der We"Scheinbar ein anachronistischer Beginn 'ein aktuelles JazzFest.

" ^ j | Schneider nen"*-;hrp R'

Bis direkt vor demKonzert hatten nurdie wenigen, dieihr auf dem Wegzur Bühne begegne-ten, die lampen-

im Haus der Kulturen der Welt.

Ah

Jiebrige Energie-geladenheit spürenkönnen, die sichin ihr gesammelthatte. DieselbeEnergie verströmteihre Bigband schonkurz darauf imvollbesetzten Au-ditorium.

PeLa

«mag

Jazzfreaks mit beson-ders breit gefächertemGeschmack pilgertenzwischen den beidenFestivals allabendlich hin

her. Hatten sie nachfünf Tagen TOTAL MU-SIC MEETING und vierTagen JAZZ FEST dieseProzedur zum achtenM a ! durchlaufen, hattensie zwar nicht den Steinder Weisen gefunden,aber mit etwas Glückauch nicht ihre Nervenverloren.

vpl

, * ,__:„! iinrumt» Dunkel. MattDas Konzert desSchneider Jazz Or>.,^— ; ^ o a l i m wiebegan» mit einem druckvd-i J g £ j £ n RaUW

We^hilen dicht arrangierten üp-i Lichtstrahlen. »Tempo-Stück. Die junge! Schemenhaft w . e^ sichBandleaderin dirigierte ihre kein Körper im Hintenhervorragend besetzte Band igrund. Durch die LuTtmit präzisen, sparsamenf schwingt herber Rausch..Bewegungen durchrhythmisch und

aufwendige

i schon hinreichend vort>elasti| ten Zuhöre im Aet der CoI pagnie Lubat, die nach dem;

höchst aufwendige Kom-i o-- ——-•>" \ Dafürhalten des RezensentPosition im Stile ihres Lefo-jjjnd lüchelüd genießen besser daran fietan hätte,rers Oil Evans... liMBHHUHIf : Koch- und Urmutensilien den

maga

Ohne Höhen und Tiefen: deiWOLF ICAMPMANN• dH|FDer Star des Abend war der Mann mit der

Zirzensische Vokaljonglage mobilen SFB-Fernseh-Kamera. Wer immerj J.1 n „* Kioini-nfict auf der Bühne stand - er war dabei. Aus je-

und verbissene Klemkunst £ r ^ m a c h t e ff e i n T r i o . a u s jedem Solokomik erwarteten den in dieser ^ ^^ w j e k a u m ej f ) Musjker wußte erBeziehung von den Auftritten s j c h 5 t e t 5 i n , j e n Mittelpunkt des Gesche-des Breuker-Kollektiefs und hens zu setzen. Breitbeinig beugte er sichdes „Höllischen Kochtopfs" mit seiner schweren Kamera nach hinten.

Kaum m überbietender Beharrlichkeitv er den Musikern auf die Pelle. Er war

der das Bad im Publikum genoR.

l \Die Augen schließen

Bliebe noch zu klären, wo denndie Million Deutschmark geblie-ben sind? Kur2 gesagt: Das Jazz-Fest zahlt höchsie Gagen. Für einWunschkonzert von übermüdetenJazzfußktionären, für einen künst-lerischen Leiter, der kein Pro-gramm hat. für hochkarätige Musi-ker, dse, wenn sie nicht bereits inBerlin ieben, regelmäßig in derStadt auftreten, für Zweit- und

Drittnutzungen, für Papiertiger / - j , , „ (y, , - .und rührige Kleinkunst. Ai-taali- / „Hoben die den Artikel oom "3 . gelesen? (Ubiertat, Exklusivität und arribitionierte \ :Projekte seien m der heutigen Fe- | .stivalUndschaXt kaum mehr zu ha- i Uerriß und dann auch noch schlecht reeberchw n -ben,heißusnun$chonseitJahren. ;Daß iedoch ausgerechnet Berüa j n t U U>"darattf abonniert sein soll, unnip- hat wobl keine Tien gebaut.

j per zu sein als jedes Dorffestival, ; , ^ ^ m u ^ ,ver*'eist vornehmlich aut" eine ' jüberalterte Entscheidungsstruk- /t U r ' t Ä ^ r ! S 4 achtsam zwei bricht im Tierg.

der Frühling aus. Aus dem HausKulturen der Weit (ehernais Kc

hßhalle) tröpfeln Menschen, einzeln, p,? *.'eise, dann in stetigem Fluß. Im Foyer wt"

Jen die letzten Gläser von den Stehtiscrk ,'eräumt. Auf der Treppe sitzt ein zerstritteles Paar, das versucht, sich zusammenzu

Bläsersätze vorbei,ritte

i r | schlaf am Sonntag.

Wen. • ,«« SMuseall'tenen,übergi

ANZE'1

ihrer Kunst vorzubehalten,gam

|Das Beste aus NickelsdorfVon Christian Broecking

c ' e s JazzFests geht unspektaIkär zu Ende - wäre da nicht diese unvei

milde Nacht. Die Baukräne in dMitte in Sichtweite, ist nur das R<=der Blätter zii hören. Die fV

Collage: Petra Langheinrich und Marcus Gammel

Ausrisse aus: die tageszeitung, Der Tagesspiegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Page 23: UnAufgefordert Nr. 80

Wie bewältigtman Vergangenheit?

„Inherit the truth" und „Das Mädchenorchester in Auschwitz". Zwei Bücher im Vergleich

Ab Januar 1997 wird es auf dem deutschen Buchmarkt ein neues Werk zumMädehenorchester in Auschwitz-Birkenau geben. Ein neues Werk, das heißt,ein weiteres also. Es gibt schon eines, sogar einen Film. Was also kann an derGeschichte noch so neu sein, daß sie ein zweites Mal, von einer anderen Auto-rin, niedergeschrieben werden muß?

Inherit the truth

Diese Frage, die zunächst so geringschätzig klingt, ist kei-neswegs unberechtigt. Denn das neue Buch, ein autobiogra-phisches Werk der Cellistin Anita Lasker-Wallfisch ist grundle-gend anders als der Vorgänger „Das Mädchenorchester inAuschwitz" von Fania Fenelon. Während Fania Fenelon einescheinbar tragische und doch glücklich endende Geschichte äla Hollywood erzählt, schafft es Anita Lasker-Wallfisch in ein-fachen, unpathetischen, ja fast kühlen Worten ein Stück euro-päischer Geschichte zu dokumentieren.

Das Mädchenorchester in Auschwitz

fsniä Feneäon:Das

.' . rchester

Fania Fenelon erzählt, so scheint es, einMärchen. Sie setzt auf Effekte wie in ei-nem Spannungsroman. Mit diversen Adjek-tiven werden die Sätze ausgeschmückt,farbig gemacht. Dann bricht der Satz ab,Gedankenpunkte, ein neuer Satz. All das,um dem Grauen und dem Besonderen mehrAussage, mehr Leben zu geben. FaniaFenelons Geschichte handelt von einer Jü-din, die durch ihre Ausbildung privilegiert

ist, im Lagerorchester von Auschwitz zu musizieren. Sie kommtin den Genuß zahlreicher Sonderbehandlungen, wie der Aus-stattung mit passendem Schuhwerk, und beharrt gleichzeitigimmer wieder darauf, wie schlecht es allen KZ-Insassen ergan-gen ist. Zwei Gegensätze, die sicherlich der Wahrheit entspre-chen, in ihrer Geschichte jedoch wie an den Haaren herbeigezo-

Anita lasker-waii- gen wirken und somit an Realität verlieren. Die detailliertenfisch. Beschreibungen vom Miteinander und Gegeneinander, Freund-inherit the truth. schaft und Haß innerhalb des Lagerorchesters lassen Geschich-1939-1945. te noch mehr wie ein Märchen wirken. Auch das Wissen desSurvivor of Auschwitz Lesers, daß es sich dabei um tatsächlich Geschehenes handelt,and Beisen. dringt erst nach Beendigung der Lektüre ins Bewußtsein zurück.Erschienen bei Giies Vorher war „Das Mädchenorchester von Auschwitz" eine wirk-de la Mare Pubiishers lieh spannende Geschichte. „Jeder sollte sie lesen, der über denLimited. Holocaust Authentisches wissen will", lautet der Klappentext£9.90 des Buches. Doch ich wage zu widersprechen:

Wer über den Holocaust Authentisches wissen wi l l , derAnita Lasker-Waii- braucht kein Märchen. Der sollte lieber zu Anita Lasker-Wall-fisch. fischs autobiographischer Dokumentation „Ihr sollt die Wahr-ihr sollt die heit erben" (im Original: „Inherit the truth") greifen.Wahrheit erben. Auch die Autorin des im Januar 1997 im Weidle Verlag er-Erschienen im Weidle scheinenden Werkes widerspricht Fania Fenelon: „...we wereVerlag, ca. 45,- DM. far from being a vindictive mob of unruly girls who stole from

and betrayed each other at every opportunity". Zu „DasFania Fenelon. Mädchenorchester in Auschwitz" schreibt Anita Lasker-Wall-Das Mädchenorchester fisch in ihrem Werk: „For reasons best known to herseif, shein Auschwitz. indulged in the most preposterous distortions of the truth aboutErschienen bei dtv. practically everyone who took part in this 'drama'" Eine nicht12,90 DM. nur betroffene, sondern fast anklagend Feststellung.

Der bereits im Englischen erschieneneTitel „Inherit the truth" trägt zwar nochden pathetischen und allzu britischen Un-ter t i te l „survivor of Auschwitz and

Beisen", berichtet sonst aber sachlich und ohne jeglichen Pa-thos von den Ereignissen in Breslau, Auschwitz und Bergen-Belsen in den Jahren 1939 bis 1945. Selbst der „glückliche" Zu-fa l l , der sie in Auschwitz wieder mit ihrer Schwesterzusammenführt, wirkt dankt der sachlichen Sprache „normal"und nie gefühlsduselig. An manchen Stellen des Buches scheintes, als sei die Autorin selbst nicht im Stande, die rechten Wortefür die Ereignisse zu finden. In solchen Fällen verläßt sie sich aufdie bloße Wirkung von zeitgenössischen Zeugnissen wie Brief-wechsel, denen sie wenige erklärende Sätze hinzufügt, um demLeser einen verständlichen Kontext zu bieten. Auch das Beschrei-ben von Gefühlen mochte für Anita Lasker-Wallfisch nicht nurunmöglich, sondern einStück weit auch verlogensein. Anstatt den Leser mitausschweifenden Gemüts-beschreibungen zu bela-sten, beschränkt sich dieAutorin auf die Feststel-lung, daß sie sich nicht inder Lage sieht, ihre Gefüh-le adäquat auszudrückenund zieht die vielsagendeStille vor. „I don't knowhow to describe hunger,not the type everybody isfamiliär with when a mealhas been skipped but hun-ger that causes actualpain; or what it is like to

be co/dwithout any prospect of ever becoming warm again; orthe Sensation of realfear and total misery." Nicht weniger, son-dern mehr Verständnis für die Lage der KZ-Häftlinge und Orche-stermitglieder gewinnt Anita Lasker-Wallfisch mit dieser Um-setzung gegenüber Fania Fenelon. Obwohl die Autorin am Schlußder Einleitung erklärt, daß ihr Buch kein historisches Dokumentsein soll, sondern viel mehr berichtet, in wie weit ihr Leben alsJüdin in Deutschland vom Dritten Reich beeinflußt war, gelingtihr die Dokumentation von Geschichte vortrefflich. Nicht die gro-ße hervorhebenswerte Ausnahme, wie in Fania Fenelons Werk,stellt das Leben der Anita Lasker-Wallfisch dar, sondern ein klei-nes beschiedenes Glück innerhalb derTötungsmaschinerie des Drit-ten Reiches. Mit weniger Worten und mehr Objektivität gelingt esAnita Lasker-Wallfisch deutsche Geschichte festzuhalten, ohnein Anklage oder überschwengliche Ergriffenheit zu verfallen.

Wer über den Holocaust Authentisches wissen wil l, sollte „Ihrsollt die Wahrheit erben" lesen, und sich hinterher mit der Fä-higkeit, Geschichte von Geschichten trennen zu können, „DasMädchenorchester in Auschwitz" vor Augen halten. ja

mit-c

UnAu £ gefordert

Page 24: UnAufgefordert Nr. 80

Bücherkifiepen und klackeln

1996 ist das Jahr,in dem 80 Mil l io-nen Deutsche mitden linken Finger-spitzenden rechtenUnterarm berühren,und dabei konzen-triert „28 Mark 50"murmeln. Die rosaAktie wurde zum

Sinnbild nationaler Kommunikations-hysterie. Telefonieren ist die studentischeDroge Nr.1, noch vor weihnachtlichenHaschplätzchen! Das digitale Fiepen,Klackeln und Besetzt sein macht das Te-lefon zum Identif ikationshappeningabendländischer Kultur. Deshalb mach-te sich halb Deutschland nach einemAufruf der Gesellschaft für deutscheSprache Gedanken über einen passendenNamen für seinen allerliebsten Freund,das Händi. Die unterschiedliche Reso-nanz spiegelt den gesellschaftlichenKonflikt dieses Jahrhunderts auf beein-druckende Weise wider: Yuppielutscher,Egoverstärker oder auch Protzophon pö-belten die einen. Griffi, Ohrly und Hand-funkerle säuselten die anderen.

Wie es denn nun heißen soll, wissenauch die Vertreter der Weltliteratur nicht,die in ihrer Kunst um die Erwähnung desTelefons auch nicht herumkamen. „Please,hold the line - Ein Telefon-Buch" ist derTitel einer ungewöhnlichen Anthologie,nun erschienen bei Reclam Leipzig. AlleSchriftsteller von Rang und Namen sindmit einem Werk rund um die Wählschei-be vertreten, ein echtes Lesebuch zumTelefon - für die tristen Stunden, wennwieder mal kein Schwein anruft. Ein hu-morvolles, unterhaltsames und wirklichspannendes Weihnachtsgeschenk!

antrobus

Die Wiederentdeckung derTraurigkeit

In gebundener Form erschienen jetztOsteuropa-Reportagen der tschechischenAutorin Irena Brezna.

Unter den Reportagen der in Deutsch-land und der Schweiz lebenden Journali-stin befinden sich auch ihre Aufzeichnun-gen bei der Wiederentdeckung der unterschmerzhaften Umständen verlorenenHeimat. Die melancholische Hinwendungzu der Art von Einfachheit, die in einigenGegenden der ehemaligen Tschechoslo-wakei noch das Leben bestimmt, die Lie-beserklärung an das rein Menschlicheohne die umfangreichen und vielfältigen

UnAuf gefordert

Ausschmückungen, die unsere Zeit mitsich bringt, macht das Buch zu einer ge-fühlvollen Reise durch die Regionen Eu-ropas, die den unseren sehr nah liegen,uns aber ferner denn je sind.

cd

„Ich bin Queen Mab!"

Brixton ist einVorort von London.Versiffte und be-setzte Häuser, Ar-mut an jeder Stra-ßenecke, Pubs, indenen die Zeit ste-hen geblieben ist,alles andere als dieMetropole eigent-

lich verspricht. Im Sumpf der Vergangen-heit steckengeblieben entbehrt es jegli-cher Perspektive, Zukunft klingt zynisch.

In Brixton lebt Martin Millar. Schriftstel-ler und Musiker, führt er dort ein rastlo-ses Leben, an Billiardtischen, in Kneipen,er hängt am Tresen und spricht zu einemShakespeare aus Pappmache.

In Brixton leben auch Elfish und Mo,die Antagonisten im Buch. Irgendwannmal waren sie zusammen, aber jetzthassen sie sich, und - weit wichtiger -sie streiten sich um den Namen QueenMab. Jeder der beiden beansprucht ihnfür seine Band. Elfish setzt alles daranihn zu bekommen: Sie wil l 43 VerseShakespeares auswendig lernen, eineUnmöglichkeit! Um ihren Traum zu ver-wirklichen, muß Sie lügen, betrügen Und Irene Brezna:stehlen. Und genau dadurch schenkt sie Falsche Mythen,den resignierten Freunden neue Mot i - Osteuropareportagen.vation. Alles dreht Sich um Elfishs Band. erschienen beim efefWird sie den Namen retten können? Verlag, BernEgal, Martin Millar hat in seinem sech-sten Roman eine außergewöhnliche Piease, hold the line.Milieustudie der Jugend Londons ver- Ein Telefon-Buch.gessener Vorstädte gezeichnet, ein Ro- erschienen bei Reclamman, der in die interessante Reihe neue- Leipzig für ia-rer englischer Punk-Literatur gehört.Dynamisch und spannend konstruiert er Martin Millar:„Träume, Sex und Stage Diving" zu ei- Träume, Sex und stagener faszinierenden Collage, einem mit- Diving. Roman.reißenden Buch. :{:- erschienen bei dtv-

Sntrobus premium für 24.-

Rurid uiii iAb in die MITTE !

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Studentenclubin der

Humboldt - UniversitätUniversitätsstraße 4, »^S+FAX 208 28 83 f:

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Montag bis Freitag ab 09.00 Uhr geöffnet • «<fVERANSTALTUNGEN :

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Foto: Fisahn

Page 25: UnAufgefordert Nr. 80

Wie» klingt dieaufgehende Sonne?

Die Erlösung von der deutschen Komödie ist gekommen.Caroline Link öffnet mit ihrem sensiblen Filmdebüt „Jenseits der Stille" ein Fenster zu einer fremden Welt:

kurz+knapp

Bogus

Sehenswerte, ver-

träumte Schnulze rr,;i

Whoopi Goldberg und

Gerard Depardieu -

genau das richtige für

kalte Adventabende,

ab 12. Dezember

Invasion ofprivacy

Thriller mit ungewöhn-

licher Story.

Naomi Campbell und

Charlotte Rampling

solfen wohl wenigstens

einige frustrierte Her-

ren ins Kino locken -

denn tue Umsetzung1 ist eher banai,

ab 5. Dezember

Kopfgeld

dKurz und bündig:

;?Knai!ige Action von

:kier Stange,

^ab 2. Januar

fHaratd

IMal wieder 'ne rieut- •'=

"sehe Komödie. Jürgen

Egger vermengt Su-

perman und E.T. mit '-.•

der unvermeidlichen V:

„teutschen Bezieh- >;

üngskomöd'".

ab 2.Januar

Das Mädchen Lara wächst in einer Familie Gehörloserauf. Sie allein kann die Welt jenseits der Stille verstehen,sie beherrscht die Gebärdensprache und vermittelt, obnun - auf ihre Art - beim Elternsprechtag oder unterdem Fernseher, um ihrer Mutter Liebesfilme zu überset-zen. Doch plötzlich entdeckt Lara durch ihre Tante Clarissadie Musik, sie beginnt, Klarinette zu spielen. Die Musikwird für Lara das wichtigste in ihrem Leben; ein Glück,das ihre Familie nie verstehen wird. Besonders ihr Vaterhat mit Clarissas Idee, Lara nach Berlin aufs Konservato-rium zu schicken, große Probleme, er erinnert sich anseine Kindheit, an die Zurücksetzung seiner begabtenSchwester gegenüber. Lara folgt ihrer Leidenschaft ausder kleinen süddeutschen Heimatstadt in die Metropoleund lernt dort Tom kennen, auch das Kind einer Familiejenseits der Stille.

Lara findet in Tom ihre erste große Liebe. Und da ent-spinnt sich eine wunderbar gefühlvoll erzählte Liebes-geschichte voller Innigkeit. Caroline Link ist es gelun-gen, eine problematische Thematik ohne erhobenenZeigefinger und den verlockenden Druck auf die Tränen-drüse zu verfilmen-. Behutsam herausgearbeitet sind dieKonflikte zwischen Lara und ihrem Vater Martin, demDrang nach jugendlicher Freiheit und familiärer Verant- 'wortung, der Liebe zu einem Mann und einem Seelen-glück, die Martin teilen zu können erst nach einem lang-samen und mühsamen Weg aus der stillen Welt in dieseiner Tochter in der Lage ist.

„Jenseits der Stille" ist über das Leben, die Liebe undden Klang des Schnees. Und wenn am Ende der bewe-genden Geschichte Martin bei Laras Aufnahmeprüfungin Berlin auftaucht, begreifen die beiden, daß es einenWeg der Versöhnung geben wird, einen Unterschied zwi-schen „Hören" und „Verstehen" und eine Gemeinsam-keit zwischen Martin, Lara und Tom: die Liebe und dieMusik. Caroline Link möchte emotionale Filme machen,„Für einen Moment ein Fenster aufgestoßen zu habenin eine fremde, faszinierende Welt, das ist für mich Kino".Und das ist ihr ganz einfach gelungen. jj

antrobus

Am achten Tag„Rain Man" auf französisch, nur, daß anstelle Dustin Hoffmans ein tatsächlich Behinderter agiert. Jaco Van Dormaels Roadmovie

zitiert beinahe jedes Klischee, jeden Standard, jede Konvention - und funktioniert dennoch. Oder trotzdem?Harry trifft eines Tages George auf der Straße; George leidet an der als Down-Syndrom allgemein bekannten Behinderung und

zwischen beiden entwickelt sich eine tiefe Freundschaft. All das geschieht auch so unvermittelt, wie es klingt. „Nichts wird mehrso sein wie vorher", preist der Pressetext Interesse heischend das Roadmovie.

Und dennoch funktioniert es: Daniel Auteuil und Pascal Duquenne (in Cannes wurden beide mit dem großen Darstellerpreis fürihre Leistungen gewürdigt) gehen mit ihrem Spiel unter die Haut, die Regie ist das, was man - ohne den Wert mindern zu wollen- als „handwerklich gut" bezeichnet..., und seien wir einmal ehrlich: Im Kino ist jeder gerne gerührt. Außerdem können Außenseiter-themen gar nicht oft genug auf Zelluloid gebannt werden. -

godot

UnAuf g e f o r d e r t

Page 26: UnAufgefordert Nr. 80

Made i n t h e U . S . A .Man kann sich nicht die „Rosinen" aus dem Kuchen

picken, um sie anschließend als Kuchen zu loben.

Da man in Deutschland offensichtlich

kein eigenes taugliches Konzept für Stu-

diengebühren finden kann, greift man

immer öfter in die Ferne und bisweilen

auch die Sterne.

Amerika und Australien sind die aktuell-

sten Beispiele, die für sinnvolles Einset-

zen von Studiengebühren derzeit ange-

führt werden. Die Lehre sei besser, die

Lehrmittel leichter zugänglich, aktueller

und auf dem neuesten Stand, und die Stu-

denten hätten ein größeres Mitsprache-

recht innerhalb der Hochschulen, was zur

regelmäßigen Besserung der Lehre führe.

So mag die Sicht eines Außenstehenden

vielleicht sein. Anders sieht es häufig aus,

wenn man die sogenannten „Errungen-

schaften" kennengelernt hat.

Woher kommt es denn, daß sogar in

Amerika gegen das eigene, ach so perfek-

te Hochschulsystem geklagt wird? Was

wird denn eigentlich von den zum Teil

fünfstelligen Summen jährlich finanziert?

Und viel mehr: Sind diese Anschaffungen

sinnvoll oder gar notwendig für eine gute

Lehre? Wieviel Mitspracherecht hat ein

amerikanischer Student denn in der Tat?

Und welchen tieferen Zweck erfüllen die

Studiengebühren wirklich?

Diese Fragen sollte sich jeder Verfechter

von Studiengebühren einmal genau vor

Augen halten und ehrlich beantworten.

Vielleicht helfen dabei ja die drei Artikel

zum amerikanischen Hochschulsystem. Daß

es nicht so goldig aussieht im Land der

unbegrenzten Möglichkeiten, wie allgemein

angenommen, zeigen sie jedenfalls. Und

auch, daß sich ein Teil eines völlig anderen

Hochschulsystems nicht so ohne weiteres

in das hiesige einbauen läßt...

U

o

Page 27: UnAufgefordert Nr. 80

Im Zeitalter des SparensStudieren in den USA? oder: Studieren wie in den USA?

Welche Zeitschrift, welches Diskussionsforum hat sich diese Fragen noch nicht•gestellt in den letzten Wochen? Kaum einer läßt die brisante Story über die achso miserablen deutschen Universitäten aus. Bezeichnenderweise drückt manihnen ausgerechnet den Vergleich mit der vermeintlichen Creme de la Cremeder höheren Bildung auf: amerikanische Eliteuniversitäten wie Harvard oderYale werden zu globalen Vorbildern erhoben, denen es nachzueifern, die es zuübertreffen giJt. Aber ist diese Idolisierung überhaupt sinnvoll?

Ob Krankenschwester oderElektrotechnikingenieur -alle gehen zur Hochschule

Literatur:

The National

Data Book," 1994,

U.S. Department df

Commerc, Eeonomy

and Statistics

Administration Büro -

of Censos,

Washington D.C. 1994

Journal of

Higher Education,

Ohio State University

Press, Columbos Ohio,

verschiedene Ausgaben

' US News a World Re-

port Magazine,

Washington D.C.

verschieden Ausgaben

Durch international herausragende Erfolge in der Forschung,aber auch durch soziale Errungenschaften, wie die Förderungvon ethnischen Minderheiten oder die beispielhafte Betreu-ung von Körper- und Lernbehinderten im Hochschulbetrieb,genießen die amerikanischen Universitäten heute noch einenweltweit überdurchschnittlich guten Ruf.

Dabei gab es im Laufe ihrer Geschichte immer einen direktenZusammenhang zwischen der Lösung wirtschaftlicher Proble-me und der Überwindung sozialer Notlagen. Die „G. I. Bill ofRights" beispielsweise, die nach dem Zweiten Weltkrieg mehrals zwei Millionen ehemalige/i Soldaten eine bundesstaatlichfinanzierte College-Ausbildung ermöglichte, entstand, als bei-nahe elf Millionen Kriegsveteranen die Armee verließen undals zumeist Ungelernte den Arbeitsmarkt überschwemmten. Einähnliches wirtschaftliches und soziales Problem stellten dievielen Körperbehinderten, die aus dem Vietnamkrieg heimge-kehrt waren, dar. Motiviert durch eine Bewegung von Behin-derten und Studenten wurden Förderprogramme für Behinderte,und eine Gesetzgebung geschaffen, die behindertenfreundlicheBauweise und Ausstattung für alle öffentlichen Gebäude (alsoauch Universitäten) zur Pflicht machte. Die meisten Hochschu-len in den USA besitzen ein spezielles Büro für Behinderte, daseinen hohen Standart an,Integration und Betreuung gewähr-leisten soll. Es verfügt über moderne Hilfsmittel, organisiertVeranstaltungen, vermittelt manchmal sogar qualifizierte Ar-beitsplätze und stellt Betreuer zur Verfügung, so daß z.B. auchBlinde Medizin studieren können! Während der Reagan-Ad-ministration hatte dieser Bereich sehr unter Kürzungen imSozialetat zu-leiden. Das entstandene Loch wurde durch priva-te Stiftungen, die vor allem von den inzwischen finanziell bes-ser gestellten Behinderten selbst kasjien, notdürftig gestopft.

Eine ähnliche Entwicklung ergab siqh im Zuge des Civil RightsMovement und der Feministischen Bewegung. Aufgrund desöffentlichen Drucks wurden seit Anfang der 60er Jahre ge-setzliche Grundlagen für Gleichberechtigung und gleiche Chan-cen unabhängig von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit,Religion, etc.' festgelegt und Fonds zur Realisierung dieser Ge-setze eingerichtet. Die Zahl, afro-amerikanischer Studentenstieg rapide an, verdoppelte sich sogar fast innerhalb von zehnfahren, was sicher auch>damit zusammenhängt, daß es nunden meist sosial erheblich schlechter gestellten Afroamerika-nern durch eine neue Stipendjenpolitik ermöglicht wurde, einStudium abzuschließen. Auch was die Geschlechterbalanceangeht hat sich einiges getan. Seit Anfang der 80er Jahre gibtes sogar mehr Studentinnen als Studenten an amerikanischenHochschulen. Die Mehrzahl der höheren Abschlüsse, z.B. „Ma-ster"- oder Doktortitel, gehen jedoch immer noch an (weiße)männliche Studierende, d.h. die höheren Positionen sind nichtnur in Forschung und L'ehre zum Großteil immer noch von der-selben Bevölkerungsgruppe, die.sie schon immer innehatte,besetzt.

Um das amerikanische Hochschul-system zu verstehen, muß man sich zu-nächst über eines klar werden: Der drit-te Bildungssektor, der sich in Deutschland

aus allerlei Hochschulen aber auch aus beruflichen Aus-bildungssystemen mit ihren unterschiedlichen Bildungsinhaltenund -zielen zusammensetzt, wird in den USA ausschließlichvon den „Universities" und „Colleges" abgedeckt. EineHochschulzugangsberechtigung haben alle High-School-Ab-solventen, sprich 73% der jeweiligen Altersgruppe. Fast allewollen studieren und tun das auch mit gegebener Zeit, einigesofort nach der Schule, andere erst nach zwei oder drei Jahren,wenn sie genug Geld dafür zusammengejobbt haben. Jede Aus-bildung kostet Gebühren, ob zur Hauswirtschafterin, zum Bank-angestellten oder zur Agrarwissenschaftlerin. Eine angehendeKrankenschwester kann an derselben Hochschule studieren wieeine Elektrotechnikingenieurin oder ein Soziologe. Es gibt zwarverschiedene Typen von „Colleges", die damit zusammenhän-gen welche Abschlüsse man an ihnen erwerben kann, z.B. In-stitutionen, die innerhalb von zwei Jahren zu einem berufs-befähigendem Abschluß führen, solche, die nach vier Jahrenden „Bachelor" vergeben, der sowohl als beruflicher als auchakademischer Titel gesehen werden kann, und solche, die dar-über hinaus ein Doktorandenstudium oder ein höheres Berufs-studium für Mediziner, Juristen, etc. anbieten, aber zwischendiesen verschiedenen Typen sind prinzipiell fließende Übergängemöglich. Man kann also mit einem ersten berufsbefähigendenAbschluß an einem anderen Institut nach zwei weiteren Jah-ren den „Bachelor" und anschließend an einer „GraduateSchool" den Magister- oder Doktorgrad erwerben, oder seineganze Ausbildung an einer einzigen Hochschule machen. DerTrend geht dazu sich jeweils bei den möglichst besten Hoch-schulen einzuschreiben. Den Studiengang oder -ort zu wech-seln, ist aber mit erheblichen Kosten verbunden. Wenn mansich für einen Studiengang an einer bestimmten Universitätentscheidet, bleibt man dem auch treu. Das liegt nun nichtdaran, daß amerikanische Studenten von allem Anfang an ziel-bewußter wären als deutsche. Das liegt vielmehr dSran, daß esihnen leichter gemacht wird an Informationen zu kommen, diees ihnen ermöglichen, sich für das „Richtige" zu entscheiden,und daß sie zwar hochschulinternen Zulassungsquoten aberkeinen restriktiven, bundesstaatlichen Studienplatzverteilungenausgesetzt sind. Dazu kommt, daß man während der erstenSemester ohnehin eher eine Art Studium Generale absolviert,das keinen Studienschwerpunkt setzt und es ermöglicht, denursprünglichen Hauptfachwunsch ohne Probleme zu ändern.

Von 3300 US-amerikanischen Hochschulensind nur etwa 200 vergleichbar mit deut-schen Universitäten

Innerhalb des breiten Spektrums von verschiedenen Hoch-schulen gibt es natürlich große Unterschiede in der finanziel-len Sicherheit, der Forschungsleistung, im Management, derMotivation der Studenten, etc. Seit Anfang der 60er Jahrewerden regelmäßige Evaluationsverfahren durchgeführt, wel-

UriAuf gefordert

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Aehe die Qualität der einzelnen Aspekte untersuchen und jederHochschule einen Platz auf einer sogenannten Rankinglistezuweisen. Von allen ungefähr 3300 Hochschulen, die es in denVereinigten Staaten gibt, sind nur etwa 200, was den Studien-abschluß und die Forschungsleistung angeht, vergleichbar mitdeutschen Universitäten, und zwar die, die eine „GraduateSchool" haben. Hinter so klingenden Namen wie Yale, Prince-ton, Harvard oder Duke („die vier Besten" auf der aktuellenRankingliste) verbergen sich hervorragende Forschungs- undBildungsinstitutionen mit paradiesischen Dozent-Studenten-Relationen von 1 zu 10, Universitätsbibliotheken von Weltni-veau und viele Großartigkeiten mehr. Dahinter verbergen sichaber auch Zulassungsraten von nur 10-20% der Bewerber, dieextreme Einbindung in ein verschultes Leistungslernsystem unddas Faktum, daß sich die meisten Amerikaner die bis zu $30.000Studiengebühren pro Jahr nicht leisten können, beziehungs-weise, die daraus entstehende Schuldenlast am Ende des Stu-diums, d.h. am Anfang des Lebens, nicht leisten wollen. Mehrals die Hälfte der Studenten ist an Massenuniversitäten ein-geschrieben, wo die Erfolgsaussichten am Arbeitsmarkt, dieLern- und Lebensbedingungen ganz anders sind und wo es nichtnur ethnisch bunter zugeht. Die Rankings und der aus ihnenresultierende Konkurrenzkampf unter allen Beteiligten werdenals Hauptgründe für die Etablierung von Eliteuniversitäten ge-sehen. Norman M. Bradburn, Mitglied der Universitäten Chi-cago, Harvard und Oxford, läßt zu der Frage, ob dasRankingsystem in Deutschland eingeführt werden kann, be-denken, daß es unwahrscheinlich ist, „wie man vom Studiumdes sozialen Wandels weiß ...,.daß man ein Element aus einemkomplexen System in ein anderes komplexes soziologischesSystem übernehmen kann, ohne eine Vielzahl weiterer Verän-derungen und Folgewirkungen auszulösen."

Die amerikanischen Universitäten habenihren guten Ruf nicht wegen der Qualifi-kation ihrer Absolventen, sondern wegender Errungenschaften in der Forschung

Obwohl viel Wert auf die Qualität der Lehre gelegt wird, ha-ben die amerikanischen Universitäten ihren guten Ruf nichtvorrangig um ihrer hervorragenden Absolventen willen.

Oft wird sogar bemängelt, daß diese international und be-sonders im Vergleich mit asiatischen Hochschulabsolventenrelativ schlecht qualifiziert sind. Dazu kommt, daß sie oft kei-nen Deut jünger sind als deutsche Hochschulabsolventen. Zwarist es prinzipiell möglich mit 25 den Doktortitel in der Taschezu haben, da aber viele zwischen den Abschlüssen (z.B. nachdem Bachelor, also nach dem Grundstudium) für einige Zeitarbeiten, um Geld für die weitere Ausbildung und die Abzah-lung der Darlehen zu verdienen, ist das für Otto-Normal-Stu-dent eher illusorisch.

Die am meisten gerühmte Qualität des amerikanischen Sy-stems liegt in den Errungenschaften der Forschungsabteilun-gen derjenigen Universitäten, die im amerikanischen Vergleichan der Spitze der Rankinglisten stehen. Sie erhalten die größtefinanzielle Förderung von Staat und Industrie, egal ob sie „pri-vat" oder staatlich finanziert werden, und können die gefrag-testen Wissenschaftler beschäftigen - für horrende Honorareübrigens. Neben ihrer Tätigkeit an der Hochschule betreibenaber viele Wissenschaftler eigene, private Forschungsinstituteoder arbeiten in solchen mit. Diese Zweiteilung der Forschungs-tätigkeit wird von den Hochschulen und von staatlicher Seitegefördert, weil so die Arbeit an der Hochschule relativ frei vonökonomischen oder politischen Zwängen bleiben kann, wäh-rend in den privaten Forschungsinstituten zweck- bzw. auf-tragsgebunden geforscht wird, beispielsweise auf Anfragenseitens industrieller Unternehmen oder Regierungsorganisa-tionen. Diese bezahlen für die in Anspruch genommenenBeratungs- oder Forschungsleistungen, wobei Teile dieser Be-zahlung an die Hochschulen fließen, deren Dozenten die Lei7stung erbracht haben, und tragen somit zur Finanzierung derHochschule bei. Ein anderer positiver Nebenaspekt ist, daß Stu-denten und Doktoranden, die an solchen Aufträgen mitarbei-ten, einen direkten Zugang zu Arbeitsplätzen in der freien Wirt-schaft haben.

Der Weg zu einem qualifizierten Arbeitsplatz ist aber auch inden Vereinigten Staaten mit Steinen gesät. Und es ist durch-aus nicht an den Haaren herbeigeholt zu sagen, daß der größ-te dieser Steine in der Finanzierung des Studiums liegt.

Den größten Teil der Finanzierung vorallem der privaten Universitäten überneh-men die Studiengebühren.

Selbstverständlich spielen noch eine Reihe anderer Quelleneine Rolle, z.B. staatliche, bundesstaatliche oder private Fonds,hochschuleigenes Kapital, Gebühren für öffentliche Dienst-leistungen, wie Krankenhäuser oder Bibliotheken, Einnahmenvon sportlichen Veranstaltungen, private Schenkungen, u.v.m.(in den USA bestehen stets gute Kontakte zwischen der Uni-versität und ihren ehemaligen Studenten, die, so sie einfluß-reiche Positionen innehaben, „ihre" Universität nach Mög-lichkeit unterstützen). Den größten Teil der Finanzierung vorallem der privaten Universitäten übernehmen aber die Studi-engebühren mit knapp 40%. Sie beinhalten die Kosten fürden Unterricht, Mensa und Studentenwohnheim, Sozialbei-träge, etc., nicht z.B. die für Krankenversicherung, für Bücherund Verkehrsmittel. Der Kunde Student kann dabei zwar dieQualität seiner Lehre einfordern, zur Qualität der Verwaltungkann er jedoch nichts sagen, da ihm alle Hochschulgremienkomplett verschlossen bleiben. Wenn also die universitärenKosten die Studiengebühren jährlich um 5-10% (5% an pri-

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vaten, 10% an staatlichen Hochschulen) in die Höhe treiben,haben die Studenten in ihrer passiven Kundenrolle nicht diegeringste Möglichkeit daran irgend etwas zu rütteln. Um estrotz der massiven Kosten, die auf die Familie eines Studen-ten bzw. einen Studenten selbst zukommen, einer breiterenMasse zu ermöglichen zu studieren, hat man in den USA einausgeklügeltes Stipendien- und Darlehenssystem entwickelt.Den Löwenanteil der Finanzhilfen trägt mit über 80% derBundesstaat. Die Hauptlast der universitären Finanzierungliegt also auch in den Vereinigten Staaten in öffentlicher Hand.Zu Beginn der 90er Jahre gab es heftige Debatten um dieFunktionsfähigkeit dieses Systems. Hohe Schuldenberge be-

Der amerikanische

Bildungsweg

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lasteten die öffentlichen Kassen. Gleichzeitig führten Skandal-berichte über faulenzende Dozenten, erschreckend schlechteStudienleistungen, Mißbräuche von Stipendien für „fast carsand trips to Florida" usw. zu einem jähen Einbruch des Anse-hens der Hochschulen in der öffentlichen Meinung. Das un-günstige Klima führte dazu, daß per Gesetz nur noch ein Drit-tel aller Finanzhilfen in Stipendien, der Rest in Darlehenvergeben wurde. Das entlastete die öffentlichen Kassen, be-lastet aber die Studenten und ihre Familien.

Viele Studenten sehen sich am Ende ihres Studiums einemSchuldenberg gegenüber, den sie, angesichts sich verschlech-ternder Chancen, einen qualifizierten Arbeitsplatz zu finden,

nicht selten viele Jahre vor sich herschie-ben müssen.

Reformvorschlägewerden laut

Die Zahl der Kritiker dieses Systemsnimmt in letzter Zeit erheblich zu. Re-formvorschläge werden laut, was die Ef-fektivität der Verwaltungen und desLehrkörpers angeht. Diskutiert werdenVorschläge, vergleichsweise starkeFachbereiche kommerziell besser aus-zunutzen, die Lehrmethoden dem Be-darf der Studenten und die Bildungs-inhalte dem Bedarf des Arbeitsmarktes(innerhalb der Grundsätze der Univer-sität!) anzupassen, die Top-Gehälter vonSpitzenforschern drastisch zu senken,und vor allem, die Studiengebührenwieder auf ein bezahlbares Maß her-unterzuholen. Die Summe aller Darle-hen, die zwischen 1990 und 1995 anGrundstudenten vergeben wurde, über-traf mit $103 Milliarden das Volumender gesamten Darlehen der letzten dreiJahrzehnte. Es wird davon ausgegangen,daß unter den derzeitigen Umständenkommende Absolventengenerationennicht mehr in der Lage sein werden, sichwährend der ersten Berufsjahre „Kon-sumgüter" wie die eigene Wohnung, einAuto... (oder eine Familie?) zu leisten.Auch wird befürchtet, daß die finanzi-ellen Folgen eines Studiums die Pläneder High-School-Absolventen bezüglichihrer Ausbildung derart verändern wer-den, daß die sozial Schwächeren und dieeher an frühem Gelderwerb und Familien-gründung Interessierten (beides trifftweitgehend auf Angehörige ethnischerMinderheiten zu) vor einem Hoch-schulstudium zurückschrecken werden.Darüber, daß das der amerikanischenWirtschaft, die bereits an den Folgen derseit langem schlechten High-School-Aus-bildung leidet, nicht zugute kommen wirdist man sich in den USA jetzt schon nichtnur in Fachkreisen einig.

Petra Langheinrichage

unAufgefordert

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Georgetown University AStudieren an einer amerikanischen „Eliteuniversität11

Der morgendliche Gang zur Uni führte mich an den gepflegten Vorgärten mei-ner neuen Nachbarn vorbei auf den zunächst ein wenig futuristisch wirkendenCampus: Solarbeheizte Neubauten in edlem roten Ziegel lösen sich mit reprä-sentativen neo-(oder doch eher pseudo-)gotischen Gebäuden ab, viel Rasen,Bäume und Blumen im Stil alter ivy league Universitäten. Ein betriebsamesGewimmel von optimistisch blickenden Studis in den üblichen T-Shirts und Shorts,alle Abläufe schienen reibungslos - eine gespenstisch-sympathische Unimaschine,auf die ich zunächst mit eher ambivalenten Gefühlen reagierte. Kleine Gruppenin den Seminaren, persönliches Klima, exzellent ausgestattete Bibliotheken, dieteilweise bis 3 Uhr nachts geöffnet sind - soweit erwies sich das Bild eineramerikanischen Eliteuniversität als richtig. Der Mythos und die RealitätGeorgetowns stiften Identität, der Umgang ist freundlich und offen. Ehe ichmich versah, war ich befreundet mit einer Reihe von aufgeschlossenen undklugen Leuten aus verschiedenstem kulturellen Hintergrund. Ich bin selten überlängere Zeit so produktiv in Frage gestellt worden und geistig so beweglichgeblieben wie in diesem Jahr. Verwöhnte reiche kids hatte ich erwartet, und diegab es auch zur Genüge, besonders unter den undergraduates. Spätestens inden Kursen zeigte sich, wer hauptsächlich auf Grund von Papis Geld oder Posi-tion hier aufgenommen worden war.

kräftige Studenten anzuziehen, bietetman eine Menge Service an, der mitakademischer Qualität eigentlich nichtszu tun hat, wie z.B. ein luxuriöses Sport-zentrum, einen kostenlosen Fahrserviceund unzählige gesellige Spektakel. AHdies müssen Begabtenstipendien dannin den $10.000 Studiengebühren proSemester mitfinanzieren. Der Wettbe-werb der Universitäten hat so die Stu-diengebühren unnötig in die Höhe ge-trieben und bestimmten Schichten denZugang zur Bildung erheblich erschwert.Ein Vergleich drängt sich auf mit demamerikanischen Krankenkassensystem.Dieses bietet Zahlungskräftigen zwarexzellenten Service, ist aber für vieleunerschwinglich teuer, weil insgesamtineffizienter und profitorientierter als

Der Abschluß an einer der traditionsreichen und renommier-ten Fakultäten galt in der Vergangenheit als Eintrittskarte indie Führungsebenen z.B. der internationalen Diplomatie, Po-litik oder Wirtschaft. Zwar glänzt der Name Georgetown im-mer noch auf dem Lebenslauf, eine Garantie auf erfolgrei-chen Berufseinstieg bietet er nicht mehr. Die Zahl derer, dieneben dem harten Studium noch unermüdlich kurbeln, umgeeignete Praktika zu ergattern, oder selbst im Prüfungs-semester nebenher bis zu 20 Wochenstunden arbeiten, istviel größer als ich erwartet hatte. Ähn-lich wie viele deutsche Studenten ver-sucht man sich schon während des Stu-diums ganz engagiert in der Arbeitsweltzu situieren. Nach dem Studium hangelnsich viele über Jahre von einem mittel-mäßig bezahlten Job zum anderen, dieRückzahlung derStudiengebühren ziehtsich ewig hin, die Familiengründungmuß warten bis Mitte Dreißig. Selbstvon arbeitslosen Georgetown-Studen-ten hat man inzwischen schon gehört.Das berühmte Wechselspiel von Ange-bot und Nachfrage hat einige Blütengetrieben: Unter den Bedingungen ver-schärfter Konkurrenz auf dem Arbeits-markt strebt man wie in Deutschlandauch hier nach immer besserer Ausbil-dung, verschuldet sich immer mehr -mit immer geringerem Erfolg. Zum B.A.(bachelor of arts) kommen so oft nochweitere Abschlüsse hinzu - meist nachvorübergehender Berufstätigkeit.

Qualität contra v

Chancengleichheit?Die Unis führen einen harten Kampf

nicht nur um die Qualität der Lehre, son-dern auch um die Erhaltung ihres schonhalb mythischen Rufes. Um zahlungs-

das deutsche, (siehe Kasten)Die ethnische Vielfalt auf dem Campus ist zwar beeindruk-

kend, ein großer Teil der Studenten stammt jedoch aus deninternationalen'Eliten. Afroamerikaner sind auf Grund ihrermeist deutlich geringeren Einkommen hier stark unterreprä-sentiert. Die wenigen für sie eingerichteten Stipendien kön-nen die in 10 Jahren auf fast das Doppelte gestiegenen Stu-diengebühren nicht auffangen. Wer es schafft, geht daherein paar Kilometer weiter auf die traditionell von vielen Afro-amerikanern besuchte Howard University. Hier hat man ein

ito: Kathrin Schlieter

UnAu f gefordert

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völlig anderes Selbstverständnis als im zuweilen doch rechtstolzen Georgetown. Statt integrierend zu wirken, begünstigtso das Bildungssystem die Herausbildung einer „Ghetto-mentalität" auf beiden Seiten. Damit verscherzt die amerika-nische Eliteuniversität ihr Potential, Podium für die Diskussi-on gesellschaftlicher Probleme zu sein, und auf akademischhohem Niveau nach Lösungen zu suchen. Übrig bleibt oft nureine Muiti-Kulti-Gebärde, etwa wenn das intercultural centereine Pizzaparty mit Essern aus 20 Ländern initiiert.

Georgetown-Studenten belegen im Semester meist 3-5 Kur-se und verbringen damit ca. 5-10 h pro Woche im Seminar-raum. Zum Selbststudium bleibt so deutlich mehr Zeit, manist in der Regel belesen auf dem Gebiet und diskutiert aufGrund der gemeinsamen Textbasis sehr ernsthaft und kom-petent. Die Atmosphäre ist eher verbindlich als verschult. Diegeringere Zahl von Kursen wirkt der in Deutschland teilweiseschon überzogenen Spezialisierung entgegen und begünstigtinterdisziplinäres Herangehen. In der letzten Sitzung einesjeden Kurses entfernt sich der Professor vorzeitig und läßtdie Studenten mit den detaillierten Evaluierungsformularenallein, deren Ergebnisse veröffentlicht werden und nach mei-nem Eindruck auch Wirkung haben.

Hierzulande wird häufig argumentiert, daß zahlende Stu-denten in einer besseren Position seien, wenn es darum gin-ge, akademische Qualität und notwendige Reformen einzu-

Ein ähnliches System in Deutschland einzuführen würde im günstigsten Fall be-deuten, vom Regen in die Traufe zu kommen - auch finanziell. Zwar ist es aufgrundder unterschiedlichen Systeme schwer, die Kosten eines durchschnittlichen deut-schen Studienplatzes mit denen eines amerikanischen zu vergleichen, doch gebendie folgenden Zahlen eine ungefähre Orientierung über die Dimensionen: Nach OECD-Berechnungen verausgabte die Bundesrepublik 1991 $ 6322 je Studierenden, derDurchschnitt der 21 OECD-Länder tag bei $9326. Für einen amerikanischen Studen-ten wurden durchschnittlich $ 13639 ausgegeben, wobei zu bedenken ist, daß dieseZahl für die (hier relevanten) wirklich guten amerikanischen Universitäten deutlichhöher ausfallen würde. Vergleichbare Qualität der Hochschulbildung kostet unter„amerikanischen Bedingungen" also wahrscheinlich erheblich mehr.

Vgl. OECD - Education at a Glance, Bildung Kompakt - OECD - Indikatoren, Paris1994, S.64 ff (aktuellere Ausgabe wird im Dezember erscheinen) Die Zahlen gebenunabhängig von der Quelle des Geldes (staatlich, privat...) die Ausgaben je Studie-renden an.

fordern. Allerdings sorgen sich die amerikanischen Unis zu-nächst einmal um die Bedürfnisse ihrer spezifischen Klientelund um ihren „Ruf", den man ja nicht ohne weiteres von derneuen Studentengeneration „ruinieren" lassen will. Überdiesmischen die alumni, die oft spendablen ehemaligenGeorgetown-Studenten, kräftig mit. Deren Einfluß auf daskünftige Profil der Uni ist von solch edlen Motiven wie derErinnerung an die „guten alten Zeiten" getragen, als unterder Käseglocke noch alles in Ordnung war. Und schließlichsind da noch all die schönen Zwänge einer kommerziell gere-gelten „academic excellence": Gibt man den Absolventen zuschlechte Noten, ist das Serviceverhältnis mit den karriere-orientierten Zahlern empfindlich gestört. Wer $ 80.000 Stu-diengebühren für ein B.A. zahlt, erwartet, daß man ihn auchzu einem guten Abschluß führt - egal, welche persönlicheund intellektuelle Eignung er dafür mitbringt.

Institutionalisiert ist das Mitspracherecht der Studenten beiwichtigen akademischen Entscheidungen nicht, und selbst inGeorgetown gibt es Kurse und Fachbereiche, deren Qualitätnicht berauschend ist. In der sehr politischen Auseinander-setzung um das künftige Profil der Universität gilt daher auchhier das Prinzip „Steter Tropfen höhlt den Stein": Alle paarWochen eine Kundgebung, Briefe an die Administration, Mei-nungsäußerungen in jeder Ausgabe der Unizeitung, umschließlich etwas zu bewegen. Eine Atmosphäre von Verbind-lichkeit und Transparenz der Vorgänge ermutigt eine großeZahl von Studenten, dranzubleiben, und sich zu artikulieren.Man übt sich hier in der Auseinandersetzung, simuliertschonmal die Kämpfe, die in der Gesellschaft draußen stattfinden.Bezüglich des Lehrangebots hat sich die als konservativ ge-handelte Universität daher in den letzten Jahren erheblichumstellen und verbreitern müssen, um die von immer mehrStudenten geforderte diversity (Vielfalt) der Ansätze zu er-reichen. Sehr zugute gekommen ist dieser Entwicklung mei-nes Wissens auch der größere Gestaltungsspielraum der ein-zelnen Fachbereiche.

Fazit

Trotz des hohen Leistungsdrucks und dem, was wir Ver-schulung nennen würden, produziert Georgetown viele mo-tivierte und engagierte Leute, deren Tatkraft ich beeindruk-kend fand. Gerade aus der Kenntnis und Konfrontation mitden Eliten heraus wissen sie, was sie anpacken wollen undwie. Nach meinem Eindruck verfügen schon deutsche Studien-anfänger häufig über ein viel differenzierteres politischesAnalysevermögen und allgemein ein größeres Wissen als diemeisten ihrer amerikanischen Kollegen. In der inzwischen vielzu unverbindlichen und häufig sogar demotivierten Atmos-phäre, die seit einiger Zeit an deutschen Hochschulen herrscht,finden diese Eigenschaften oft nur geringe Unterstützung.Deutsche Studierende reiben sich zwischen Verwaltungschaos,schwer durchschaubaren Studienordnungen und ihren ofteinsam reflektierten Sinnzweifeln auf. Die Hochschule ist fürviele kein Ort mehr, wo man Handlungsfähigkeit lernt undaus seiner eigenen Kompetenz Kraft gewinnt. Eine Mentali-tät wie auf dem sinkenden Schiff greift um sich. In dieserSituation ist es ja sicherlich lohnend, sich anderswo nach Er-fahrungen und Lösungen umzuschauen. Die neuerliche Be-geisterung in der Politik für eine Eliteuni ä la USA liegen al-lerdings eher in der guten alten Tradition deutscherAmerikaschwärmerei. SS

Kathrin Schlieter

UnAu £ gefordert

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University of ConnecticutStudieren an einer amerikanischen "Massenuniversität"

Bevor ich in die USA flog, gab man mir allerhand lebenswichtige Tips mit aufden Weg: die Menschen seien etwas komisch im Land der unbegrenzten Mög-lichkeiten: nett, aber oberflächlich, ungebildet und naiv. Political correctnessund Anti-Raucher-Terror würden das Leben für Europäer erheblich erschwe-ren. Immerhin, die Lehre wäre phantastisch in den USA. Derart gewappneterreichte ich die State University of Connecticut (UCONN), eine große undrecht bekannte staatliche Universität in New England. Jedoch der Kultur-schock blieb aus. Ich wurde herzlich empfangen. Mein advisor, der mich be-treuende Professor, holte mich vom Flughafen ab und lud mich regelmäßig zuden typischen amerikanischen (und jüdischen) Feiertagen in seine Familie ein.Dort lernte ich die ersten Studenten vom Fachbereich political science undderen Freunde kennen.

Ich kam kurz vor Ausbruch des Herbstes (Indian Summerl)in UCONN an. Die Landschaft ist ausgesprochen hübsch: vielWald und süße, kleine Häuser in altmodischem Stil, die imHerbst mit Kürbissen dekoriert werden. Man kann aber auchbequem nach New York und Boston fliehen, wenn man plötz-lich merkt, daß man die Stadt nicht haßt, sondern hin undwieder braucht.

Allerdings war UCONN optisch ein Schock: im Wohnheim be-kam ich ein winziges, düsteres Kabuff mit einem ekligen, ural-ten Teppich. Ab Ende Oktober wurde geheizt - da hatte ich dieGrippe schon überstanden. Der Campus hat einen schönen al-ten Teil um den Mirror Lake herum, der Rest ist „modern"(60er/70er Jahre).

Bevor das Studium begann, mußten unzählige Formalitätenerledigt werden. Unmittelbar nach der Ankunft, wenn man nochnicht alles versteht, wird das leicht zum Alptraum. Die Betreu-ung für die ausländischen Studenten war deshalb perfektioniertworden. In der Einführungswoche wurde der ganze Pulk inter-

nationaler Studenten durch die Kranken-station, die polizeiliche Anmeldung, dieEinschreibung an der Uni usw. geschleust.Eine separate Verwaltungsstelle, die In-ternational Division, half uns jederzeit beiallen Angelegenheiten vom Führerscheinbis zur Steuererklärung. Das Internatio-nal House organisierte Ausflüge und Ver-anstaltungen.

Dann fing das Semesteran. Obwohl ichdachte, daß ich auf Grund meines Son-derstatus als eine, die keinen Abschlußin UCONN anstrebt, viele Freiheiten hät-

te, unterlag ich bestimmten Zwängen. Ich wollte das Jahreigentlich für meine Diplomarbeit nutzen, kam aber nichtdazu, weil aus der Art der Finanzierung des Austauschpro-gramms Verpflichtungen resultierten. Weil es kein Stipendi-um für mich gab, bekam ich einen assistant-Job an der Uni,inklusive Befreiung von den generellen Studiengebühren($16 000 im Jahr). So einen Job bekommen nur Vollzeit-studenten, d.h. wer mindestens 3 Scheine pro Semester macht.So ist die Zeit schnell verplant. Die meisten amerikanischenHauptstudenten finanzierten ihr Studium auf diese Weise,mußten aber die Kursgebühren bezahlen (ca. $ 1200 pro Kurs).Außerdem fallen noch Lebenshaltungskosten an, die ich vomAuslands-BAföG bestritt.

Die Lehre

Mein advisor empfahl mir, einfache Kurse zu belegen. Ichbereute es zutiefst, diesen Rat befolgt zu haben. Meinundergrad-Kurs war völlig überfüllt. Wöchentlich waren ca. Bibliotheksgebäude

der UCONN

Foto: Cathleen Kantner

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10 Seiten Hausaufgaben abzugeben, in der Semestermitte gabes eine schriftliche Prüfung (midterms) und am Semesteren-de auch (finals). Letztere war eine Katastrophe - der Profmußte die Fragen manipulieren, um die Studenten durchzu-schmuggeln. Sie hatten die Hausaufgaben nie oder seltengemacht, und auf den letzten Drücker ließ sich nicht allesnachholen. Dieser Professor erzählte mir, daß mancheundergradsder Meinung sind, sie müßten überall durchkom-men, weil sie das bezahlt haben. Da wird auch mal mit demAnwalt gedroht.

Die Einführungsveranstaltungen für grads waren nicht beson-ders kreativ. Meist gab es einen Reader, eine Sammlung von Text-passagen aus den Standardwerken eines Fachgebiets, der wurdedurchgelesen und in midterms und finals abgefragt. Es warenkleine effiziente Seminare, in denen man die Grundlagen desGebiets kennenlernte und z.T. aktuelle Probleme diskutierte. Wirhatten mehrmals kurze Referate zu halten oder einen Text ab-zugeben. Vor beidem verlor ich bald die Angst.

Im persönlichen Bereich machte ich ausgesprochen gute Er-fahrungen. Schnell hatte ich einen Kreis amerikanischer, deut-scher und allerhand ausländischer Freunde. Wenn man auf dieLeute zugeht, um Hilfe bittet, und anderen hilft, wo man kann,bleibt es nicht beim „Smalltalk".

Dann kam der Winter. Schnee ohne Ende, Kälte, aber meistensSonnenschein. Ohne Auto wurde der Campus in den Ferien zurFalle, weil alles wegen Schneestürmen geschlossen war. Mit demBegriff „Sturm" wurde großzügig umgegangen, weil es erstenseindrucksvoll klingt und man zweitens ein Korrektiv für zu ge-ringe Urlaubszeiten braucht - bei Schneesturm kann man nichtmit dem Auto zur Arbeit kommen, der Bus fährt nicht und dieKunden bleiben bestimmt auch lieber zu Hause. Ein Problem fürdie, die nicht in die nächste Stadt fahren können. Hier reifte dieÜberzeugung, daß ich ein Auto brauche.

Das 2. Semester

Im zweiten Semester setzte ich durch, in zwei fortgeschritte-ne Kurse zu gehen. Dort hatte ich viel Spaß. Jede Woche warmindestens ein Buch zu lesen. Zwei bis drei Studenten bereite-ten kurze Referate zu verschiedenen Büchern vor. Dann wurdemethodenkritisch und inhaltlich diskutiert. Am Semesterende gabes eine Prüfung als takehome- man holt die Fragen vom Profund gibt nach 4 Stunden einen Text ab. In der Zwischenzeit darfman alle Mitschriften benutzen. Außerdem schrieb ich mich fürindependent studies ein, als Student mit eigenem Thema undlosem Kontakt zu einem Betreuer. So arbeitete ich doch noch anmeinem Lieblingsthema.

Anders als die Studenten, die in UCONN abschließen, studierteich thematisch recht breit. Normalerweise wählt man in einemFach einen großen und einen kleinen Schwerpunkt. Wenn derFachbereich klein ist, bedeutet das, daß man die nächsten 2 Jahrealle Veranstaltungen der zwei Profs des jeweiligen Spezialge-biets besuchen wird. Deren Veranstaltungen sind im Curriculumfestgeschrieben und werden über die Jahre kaum modifiziert.Langweilig?

Fachliche Betreuung bekam, wer sie einforderte. Allerdingsnahmen sich die Profs deutlich mehr Zeit für ein Gespräch. DiePolitologen haben für gewöhnlich incompletesam Ende des Se-mesters, das heißt sie schleppen ein unvollendetes Lebenswerkin die Ferien oder auch die nächsten paar Semester mit. Da haktsich dann der advisor ein und fragt, ob man Kummer habe undob man Hilfe braucht. Das ist sehr lieb, auch wenn man letzteremeist nicht in Anspruch nimmt.

Uni-interne Kämpfe

In UCONN war die Protestbereitschaft der Studenten relativgroß. Man hat ohnehin genug Sorgen, und wenn sich Bedingun-gen dann auch noch verschlechtern, gibt es Ärger. Das ProjektUCONN 2000 löste heftige Kontroversen aus. Die Unileitungmöchte in den nächsten Jahren viel tun: neue Wohnheime, dieSanierung der katastrophal gebauten Bibliothek und Prestige-objekte (Sportanlagen) stehen auf der Liste der Vorhaben. DasProblem ist, daß die jetzigen Studenten dafür zahlen, jedochgleichzeitig von einem weitestgehenden Einstellungsstop fürLehrkräfte sowie einem Investitionsstop für Equipment betrof-fen sind. Die Lehre wird also schlechter - bei steigenden Gebüh-ren. Die Unileitung wiederum steht vor einem schwierigen PR-Problem. Wenn UCONN etwas schicker aussieht als jetzt, undweiterhin für das Basketballteam berühmt ist, hofft man, daßder Ruf gut bleibt und die Kids an diese Uni geschickt werden,also Einnahmen bringen. Wenn mgn an dieser Stelle spart unddas Geld für die Lehre verwendet, könnte es sein, daß man imKampf um eine gute Qualität der Ausbildung weniger gewinnt,als man einbüßt. Für solche strategischen Entscheidungen istkeine Mitsprache der Studenten institutionalisiert.

Summary

Wer über die USA schimpft oder schwärmt, verstrickt sich oftin Widersprüche: Wenn die Unis die besten der Welt sind, wiesosind dann die Studenten „dümmlich"? Wenn die private Finan-zierung der Ausbildung so gut funktioniert, wieso diagnostizie-ren dann Politökonomen einen Bildungsnotstand in den USA,der mittlerweile zum Abwandern qualifizierter Jobs in Schwellen-länder führt? Warum wurde Bildung neben dem Gesundheits-wesen zu einem wichtigen Wahlkampfthema Clintons?

Wer die amerikanische Universität lobt, denkt an die fünf biszehn Eliteuniversitäten. Aber auch teure private Unis sind nichtnotwendigerweise gut. Die Kinder der Mittelklasse, deren zu-nehmende Schwierigkeiten bei der Finanzierung der traditio-nellen Familienaufgaben (Gesundheit, Hausbau, Bildung, Alter)sich ohnehin nicht mehr ignorieren lassen, studieren meist anMassenuniversitäten wie UCONN.

Über die Bildungschancen der Unterklassen braucht man indiesem Zusammenhang nicht viel zu sagen - es gibt sie quasinicht. Es gibt noch einige Programme zur Förderung unterprivi-legierter Kids, wie z.B. Ferienkurse, wo man schon ein bißchenvorarbeitet, Mathe und Englisch wiederholt, und das angerech-net bekommt, um den frustrierenden Leistungseinbruch mit Be-ginn der normalen Kurse abzufedern. Auch solche Programmewerden reduziert. Obwohl ich viele schwarze Studies erwartethatte, weil es doch eine staatliche Uni ist, waren kaum welcheim Hauptstudium vertreten. Ein älterer Professor sagte mir, daßdas vor 15 Jahren anders war. Die Schere im Bildungsniveauwird immer größer. In einem Land, wo es kein Berufsausbildungs-system gibt, bedeutet der BÄ auf dem Arbeitsmarkt soviel wieeine Lehre bei uns - wer diesen Abschluß nicht hat, jobbt fürden Mindestlohn.

Alles in allem bin ich froh, nach UCONN gegangen zu sein. DieStudenten waren kritische Menschen, die wissen, daß in ihremLand nicht alles perfekt ist. Ich bin beeindruckt davon, wie siemit der permanenten finanziellen Unsicherheit umgehen, undwie hartnäckig sie um ihre Zukunft auf dem Arbeitsmarkt kämp-fen, wohl wissend, daß sie trotz aller Zähigkeit hinter den Ab-solventen der berühmten Schulen zurückbleiben werden.

Cathleen Kantner

UnAu £ gefordert

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Neben mir die SintflutStudienbedingungen in Deutschland und Frankreich mal verglichen

Berliner Studenten haben dieses Semester die zusätzlichen 100 Mark Immatriku-lationsgebühren bezahlt. Die Protestaktionen sind wegen mangelnder Beteili-gung schnell zu Ende gegangen. Ist wirksames politisches Engagement an denBerliner Universitäten als definitiv gestorbene Utopie zu verstehen? Wie ist dieLage bei unseren bekanntlich unruhigeren französischen Nachbarn?

Vor zwei Monaten trat Daniel Cohn-Bendit, stellvertreten-der Bürgermeister in Frankfurt am Main an der Sorbonne Uni-versität zu Paris auf. Es war weniger die Rede eines Politi-kers, als die des mythischen Studentenführers der PariserMai-Bewegung 1968. Damals war er, als „störender" deut-scher Staatsbürger tituliert, von den offiziellen Maehthabernam 22.03.'68 Frankreichs verwiesen worden, am 28.03.'68 je-doch heimlich nach Paris zurückgekehrt. Er wurde zum Sym-bol dieses Aufstandes, der enorme Konsequenzen zur Folgehatte: der Sturz der damaligen Regierung unter De Gaulle(der politische Ziehvater von Chirac, insbesondere in derAtomwaffenpolitik), die Schwächung der 5. Verfassung, undvor allem soziologische Umbrüche: die Beschleunigung desDechristianisierungsprozesses und die Umstrukturierung desBildungssystems. Es wurde allen Jugendlichen der Zugang zuweiterführende Schulen ermöglicht. Seitdem stürmen immermehr Studenten die französischen Universitäten. Aber das zutheoretische Wissen, das dort unterrichtet wird, entsprichtden Anforderungen des heutigen Arbeitsmarktes nicht. Diefranzösischen Jugendlichen sind schlechter qualifiziert als diedeutschen. Demzufolge ist die Arbeitslosenquote erschrek-kend hoch: Jeder vierte Franzose im Alter von 16 bis 30 Jahreist arbeitslos, in Deutschland nur jeder zwölfte. Dieser Reali-tät ausgesetzt, besitzen die Studenten das nötige Selbstver-trauen für die Politik nicht mehr.

„Ich habe Haß"

Im Frühjahr 1993 kam es in Frankreich zu Studenten-demonstrationen gegen den CIP (Contrat d'lnsertion Profes-sionnel), eine Gesetzesinitiative der Regierung unter Minister-präsident Balladur, der es Arbeitgebern erlaubt hätte,Berufseinsteiger unter Tarif zu beschäftigen, mit dem Ziel, dieIntegration von Hochschulabgängern in den Arbeitsmarkt zuerleichtern. Zwar wurde nach heftigen Protesten und Demon-strationen in Paris und anderen Großstädten das Projekt zurück-gezogen, aber diese Protestaktion ist mehr aus politischem Un-geschick der damaligen Regierung entstanden, als austatsächlicher studentischer Militanz. Wie der Philosoph JeanBaudrillard reflektierte, demonstrierten die Studenten unterdemSlogan „j'ai la haine" (ich habe Haß), der ein Ausdruck ohne

Objekt ist, ein „Ich bekunde mich". DieseStudenten demonstrierten, um zu zeigen,daß sie existierten und daß sie Angst umihre Zukunft hatten, und nicht als mit-wirkender Faktor, der sein Gewicht im po-litischen Geschehen geltend macht.

Nicht alle müssen sich Sorgen machen

Neben den klassischen Universitäten existieren in Frankreich„ultra"-elitäre Hochschulen, die viele Ähnlichkeiten mit den re-nommierten amerikanischen Universitäten aufweisen, wie I'ENA(unentbehrlich für politisch Ambitionierte), die Polytechnique(L'X, eine militärische Schule, die zu höchsten Posten führt), dieH.E.C. (hohe wirtschaftliche Studien) oder auch die SciencesPolitiques Paris. Die Privilegierten, die, nachdem sie eine sehrselektierende Aufnahmeprüfung bestanden haben, die bestenAussichten auf Karriere genießen, besitzen einen hohenGemeinschaftssinn. Die älteren Absolventen gehören lebensläng-lich zur Familie und lassen sehr oft ihre Beziehungen für denfrisch diplomierten Angehörigen spielen.

Neben mir die Sintflut

Aber die meisten europäischen Studenten gehören nicht zueiner solchen Körperschaft und sind auf sich selbst angewiesen.Die „hundert-Mark-mehr-Gebühren-Affäre" hat gezeigt, daß dieBerliner Studenten noch machtloser sind als ihre französischenKollegen. Einerseits die Angst vor der Arbeitslosigkeit, vor diesersich ständig schneller bewegenden, immer spezialisierter wer-denden Gesellschaft, und anderseits das Ende der Ideale, die Ent-stehung des „Politically Correct" und des einheitlichen Denkens,haben zur politischen Egozentrik an den Universitäten beigetra-gen und bilden die Gründe der massiven Enthaltung der Betrof-fenen - die letztendlich diese hundert Mark bezahlt haben -während des Versuchs eine politische Gegenmacht zur Geltungzu bringen. Und nicht, wie die Studentenführer argumentierten,daß Studenten während der Protestaktionen notwendigerweisejobben müssen.

Ob in Frankreich oder Deutschland, die an der Universität Stu-dierenden werden in Zukunft mit immer gravierenderen Proble-men konfrontiert sein: mit der ständig steigenden Zahl der Stu-denten, mit der Erhöhung der Immatrikulationsgebühren, mitder Senkung der Finanzierungsmöglichkeiten, der Professoren-zahl, und des Werts eines Diploms...

Der modische Skeptizismus wird noch lange die populärste po-litische Ideologie an den Universitäten bleiben, nach dem Mot-to: „Ich will mein Studium packen, und neben mir die Sintflut".

Daniel Houet

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Humboldt, Freiräumeund deroderdas Krähenfuß

„Der wahre Zweck des Menschen ist die höchste und proportionlichste Bildungseiner Kräfte zu einem Ganzen."

„Mit dem Wissen kommt das Denken und mit dem Denken der Ernst und dieKraft in die Menge."

Waren das nicht die Brüder Humboldt, die das sagten?

Ich nähere mich dem Hauptgebäude über die altehrwürdigen"Linden". Die Bäume haben ihr buntes Laub verloren, ein kalterWind pfeift durch die Straße und schlägt mir eisig ins Gesicht.Wäre es nur die Jahreszeit, eine Laune des Wetters, dem könn-te ich trotzen. Doch es ist die Atmosphäre, die sich über unsereUniversität gelegt hat, die mich erschauern läßt. Über demHauptportal prangt noch in goldenen Lettern der Name Wil-helm von Humboldts, des Verfechters humanistischer Ideen,links und rechts sitzen Alexander und Wilhelm zu Marmor er-starrt. Ich halte nicht viel von Tradition, nicht von Idolen undnicht von Vorbildern. Aber ich achte das Wissen und die Artund Weise, mit der die Humboldts eben damit umgehen woll-ten. Denn hatten nicht diese alten Denker uns dazu angehal-ten, das Wissen kritisch zu reflektieren, es als Ganzes zu se-hen, es nicht von der Gesellschaft zu isolieren, und nicht vonder Politik lenken zu lassen?

Doch in den Gängen und Sälen der Universität, die sich ebendiesen humanistischen Gedanken verschrieben hatte, ist es kaltgeworden. Humboldts Geist schwebt hier schon lange nichtmehr. Eilende Studierende drängen sich an mir vorbei. Hier undda stehen kleine Grüppchen im funzeligen Licht. Doch, denkeich, es gibt noch ein paar von denen, die diskutieren, die dasWissen aus ihrem Studium mit der Außenwelt zu verbindenersuchen und weiterdenken wollen. Aber als ich genauer hin-höre, geht es um eine Theorie, die bis zum nächsten Tag ge-wußt werden muß, um Vokabeln, die auswendig zu lernen sind,Fakten, die zu wissen sind, Formeln, die abgefragt werden.„Humboidt ist doch schon lange tot", scheinen sie mir zuzu-raunen, diese verstreuten und von einem Seminar zum näch-sten eilenden Gestalten.

Ich gehe über den Hof. Die Dunkelheit bricht schon herein, esriecht förmlich nach Kälte. Und wieder sage ich mir, es ist dochnur die Jahreszeit... In welcher Jahreszeit leben wir in diesen

Tagen auf unserer Welt? Ist es wirklichschon Winter geworden?

Hinten, im Ostflügel, brennt Licht, einlebhaftes Stimmengewirr quillt aus denFenstern. Ich betrete den Raum, der daeinen so einladenden Eindruck macht.Sofort bin ich von dichten Rauchschwa-

den umhüllt, Musik durchtränkt den Raum. Durch die gestiku-lierende Menge bunter Gestalten kämpfe ich mich bis zur The-ke vor. Heißer Tee und tiefschwarzer Kaffee dampfen dort ausden aufgestellten Thermoskannen. Ich spüle eine der herum-stehenden Tassen, werfe eine Spende für den Raum in das da-für aufgestellte Glas und schlürfe das herztötende Gebräu.„Doch ist das alles?" frage ich die Frau hinter der Theke. Nein,„Dies ist einer der wenigen Freiräume, die es in dieser Stadtnoch gibt und die dringend gebraucht werden...".

Nein, ein Freiraum sei kein luftleerer Raum, doch es sei einRaum, in dem sich die Gedanken frei bewegen könnten, aufDenkanstöße träfen, sich mit anderen Gedanken verbänden undsich womöglich zu Aktionen materialisierten. ...??? Anstren-gend hört sich das an, ein bißchen dogma-gefährlich auch. Ichsehe mich um. Nun, leben kann man hier zunächst einmal, derVerstaubung zwischen den Bücherbergen entgehen, quatschen,Freundschaften schließen, Tee trinken und sogar Spiele spie-len. Aber, für alle die es interessiert, ist dort auch eine dieseraltmodischen Tafeln, auf der mit bunter Kreide die politisch-aktionistischen Termine der nächsten Woche vermerkt sind.Am Eingang baumeln Tageszeitungen, aus dem alten Zeit-schriftenständer lugen eine Vielzahl von Publikationen jenseitsdes üblichen Blätterwaldes. Ich könne mich hier endlos unter-halten, diskutieren und schmökern, zwischendurch auch maleinen Film über die Wand flimmern sehen, Ausstellungen an-sehen, abends könne ich auch mal in ein Konzert gehen oderzu Veranstaltungen und Plenen verschiedenster aktiver Grup-pen dazustoßen. Ich setze mich an einen Tisch, ich atme auf.Es gibt ihn doch noch, den Humboldtschen Gedanken, ich hörezu, ich rede, ich diskutiere, ich lese, ich mische mich ein undich genieße es einfach, hier zu sein.

Elke Binder

Krähenfüßler verzweifeltgesucht.

Das Krähenfuß läuft natürlich nicht von selbst. Wir haben keine Lust, zuKaffeekochundausschenkhampelmännem und -frauen zu verkommen und wir habenkeine Lust auf Kommerz. Wir wollen uns von hier aus einmischen und Euch ebensodiese Möglichkeit geben. Wir sind ein Studentisches Begegnungszentrum und keinCafe. Deshalb helft bitte mit, um dennoch Leben und Gemütlichkeit zu ermöglichen.Bringt Eure eigenen Tassen mit oder sammelt die Rumstehenden ein und spült sieselber ab. Und habt Geduld, wenn irgend etwas mal wieder nicht so klappt

Vor allem aber brauchen wir neue Krähenfüßler, die Lust haben, neue Ideen einzu-bringen, sich engagieren wollen und/oder aber auch mal nur Kaffee kochen. Wirtreffen uns jeden Montag um 19 Uhr zum Plenum im Krähenfuß, kommt doch malvorbei, damit uns dieser letzte Freiraum noch erhalten bleibt!

...Und die Themen...Worum geht es eigentlich bei den diversen Schriftstücken,

Ausstellungen, Konzerten, Filmen, Treffen und Veranstaltun-gen? ...Abschiebung, Antifa, Anti-Atom, Nationalismus, Sozial-abbau, Umstrukturierung, Hochschulpolitik sind die Themen.Das übliche halt: unsere Zukunft! Bei uns treffen sich regel-mäßig das Bündnis gegen Sozialkürzungen, die HUmmel Antifaund das Frauencafe. Außerdem laufen Fachschaftsfeten undVeranstaltungen verschiedener Gruppen, wie zum Beispiel Tier-rechtssolikonzert, Gesellschaft zum Schütze des Menschen-rechts, Baumpaten des Tiergartens, Interkulti-Feier - um nurein paar zu nennen. Übrigens, Gruppen die Interesse haben,sich mal bei uns abends einzunisten, fragt einfach an der The-ke oder kommt zum Plenum! HS

Un Au f gefordert

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6 "Wir haben sienie wieder gesehen,

Ein Gespräch mit Hilde Birnbaum

Hilde Birnbaum

. 1909 geboren

• Studium der Rechts-

wissenschaft von 1928

bis 1932, Winterseme-

ster 29-30 an der Ber-

liner Universität

• am 1. 4. 1933 emi-

grierte sie nach Eng-

land. Sie ging 1940

nach Amerika

• arbeitete bis 1979

als Dozentin für Wirt-

schaftswissenschaften

• lebt heute mit ihrem

Mann in Seattle

Hilde Birnbaum, die 1933 Deutschland verlassen konnte, wurde als eine derÜberlebenden des Holocaust von der Spielberg-Foundation angesprochen, obsie an einer Zusammenarbeit interessiert wäre. Nachdem sich in den Vorgesprä-chen jedoch herausstellte, daß sie als Jüdin zwar der Verfolgung ausgesetzt war,sich jedoch rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte, verlor ihre Biographie fürdie Stiftung an Spannung. Sie waren interessiert an „Opfern"' des Holocaust;Menschen aber, wie Hilde Birnbaum, die couragiert für andere eintraten unddas Glück hatten, nicht im Konzentrationslager zu enden, verlieren diesen „Opfer-mythos", der für viele der Amerikaner immer noch so bedeutend scheint.

Weimarer Republik:

Noch herrscht Pluralität

Wann begann Ihnen klar zu werden, daß es sich bei denNationalsozialisten um mehr als nur eine kleine Gruppenationalistischer Fanatiker handeln würde?

Sehr früh, schon 1929, als ich noch in Freiburg studierte.Hier habe ich zum ersten Mal gesehen, daß die Nazis sehrgute Chancen haben würden. Wir gingen jeden Monat in eineKneipe, in der wir tranken und politisch diskutierten. An je-dem Tisch saß eine andere Partei und ich gehörte zu den So-zialdemokraten (meine Eltern waren Demokraten und da wares ganz logisch, daß ich Sozialdemokrat wurde). Eines Abendsbetraten sehr eigenartige Leute das Lokal, sie trugen brauneHemden und verhielten sich merkwürdig. Am Anfang warenes nur zwei, sie redeten so viel Unsinn, daß wir laut gelachthaben und applaudierten.

Jedes Mal hatten sie ein neues Thema und beim Abschluß ei-

nes jeden Abends standen sie auf und rie-fen: „Wir kennen zwar nicht die Antwort,aber unser Führer wird sie uns schon sa-gen, Heil Hitler!" Wir machten uns übersie lustig, jedoch am Ende der Semesterswaren sie die größte Gruppe im Raum -zwölf oder fünfzehn Leute. Und sie wa-ren organisiert unter Baidur von Schirach,dem späteren Reichsjugendführer. Ichkann Ihnen in diesem Zusammenhang

noch von einem fast amüsanten Erlebnisberichten: Wie Sie wahr-scheinlich wissen werden, geht man in Deutschland immer zurErholung. Nachdem ich meine Sechs-Wochenarbeit beendet hat-te (man bekam ein Thema, daß in dieser Zeit bearbeitet werdenmußte, somit waren es sehr arbeitsreiche und anstrengendeWochen für mich), fuhr ich in den Schwarzwald, um mich zuerholen. Nach zwei Wochen kehrte ich zurück und zwar mit demZug. Ich ging in die Mitropa und bestellte eine halbe FlascheWein zum Abendessen. Mir gegenüber saß ein Mann, der michansprach: „Gnädige Frau ist eine Engländerin?" Nachdem ichdie Frage mit nein beantwortet hatte, sagte er: „Aber GnädigeFrau ist doch nicht deutsch?" „Doch." „Ach das macht mich }dso stolz, eine deutsche Frau zu sehen, die die Initiative hat, sicheine Flasche Wein zu bestellen." „Ich werde die Flasche wahr-scheinlich nicht ganz schaffen, wollen Sie etwas mit mir tei-len?" „Ach eine kleine Flasche können Sie doch allein trinken."

Bier

.07111

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öDann unterhielten wir uns und so erfuhr ich, daß er aus Mün-

chen käme und gerne reist. Ich kam in Frankfurt an und berich-tete meinem Vater, der mich vom Bahnsteig abholte, daß ichmit einem hohen Nazi gespeist hätte. Er war jedoch zu dieserZeit noch nicht so bekannt, denn wir hatten 1932. Es war Hein-rich Himmler. Er hatte kein gutes Gefühl für Rassemerkmale...

Mein Hauptanliegen war es, meinen Eltern zu helfen,Deutschland zu verlassen. Bei Ihnen mußte ich, wie bei vie-len anderen, Überzeugungsarbeit leisten, da sie wie viele Ju-den das ganze Ausmaß des Nationalsozialismus nicht begrei-fen wollten. So konnte ich 140 Menschen aus Deutschlandbringen - nicht indem ich sie herausschmuggelte. Das wasich nach England schmuggelte, war Geld für die Emigranten.Dort hatte ich Konten von A bis Z, denn Juden, die noch dasLand verlassen konnten, durften nur eine kleine Geldsummeaußer Landes bringen.

Ich kam in der Ferienzeit aus England, dort lebte ich seit1933, nach Deutschland, angeblich um dort meinen Urlaubzu verbringen. Ich fuhr während der Zeit, in der die Züge über-füllt waren, um in dem Reiseverkehr nicht weiter aufzufal-len. Ich kam leichter über die Grenze, indem ich mich sehrarrogant zu den Grenzposten verhielt: „Können Sie das nichtschneller machen!" Eines Tages sagte einer der Posten dar-aufhin zu mir: „Ich weiß, was Sie in England tun, aber sagenSie es keinem!" Er dachte, ich würde spionieren...

Ich mußte aufhören, nachdem ich zum Feind des DeutschenReiches erklärt wurde, da verlor auch mein Paß seine Gültig-keit, das war 1937.

Während dieser Zeit lernten Sie auch Ihren Mann kennen...

Wir lebten zu diesem Zeitpunkt bereits in den VereinigtenStaaten, in Seattle. Mein Mann ist aus Polen. Seine Familiehätte über Rußland nach China gehen können, aber sie hat-ten mehr Angst vor den Russen als vor den Deutschen, und sosind sie geblieben. Wir hatten für sie gefälschte Pässe ausGuatemala besorgt, weil mein Mann gesehen hatte, daß inSeattle polnische Flüchtlinge, die mit dem Schiff im Hafeneingetroffen waren, eben solche Pässe besaßen. Sie kostetenje $ 750 - mein Mann, der bereits damals als Mathematikerarbeitete, verdiente nur $ 2500 pro Jahr. Da verdiente sichein korrupter Beamter in der Botschaft eine goldene Nase.Aufgrund dieser Pässe wurden sie nach Holland in ein Lagergebracht, in dem westliche Ausländer inhaftiert waren. Hierwurden sie wesentlich besser behandelt. Wäre der Krieg vierWochen früher beendet worden, hätten sie überlebt. JedochAnfang 1945 begannen die Deutschen mit einem Austauschder Gefangenen. Im März erkannten sie bei dieser Gelegen-heit, daß die Pässe gefälscht waren. Sie kamen in ein Kon-zentrationslager und wir haben sie nie wieder gesehen.

Sie verbrachten einen Teil ihrer Studienzeit in Berlin. Wel-chen Eindruck haben Sie von der Stadt erhalten und wiesah konkret ihr Studium aus?

Es tut mir leid, an Berlin kann ich mich sehr gut erinnern,jedoch nicht an das Studium.

Ich studierte in Limburg, Freiburg, Grenoble, Paris, Oxfordund im Winter 1929 in Berlin. Wenn ich ehrlich bin, war ichmehr an dem Berliner Nachtleben als an meinem Studiuminteressiert; ich war ein sogenannter Bummelstudent. MeineMutter wollte mich gut untergebracht wissen, so schrieb sie

UnAufgef ordert

einer Cousine, daß sie für mich ein Zimmer finden solle. Die-se besorgte mir ein Zimmer bei einer jüdischen Näherin, dieschon bessere Zeiten gesehen hatte und ein Zimmer vermie-ten mußte. Es war am Potsdamer Platz und wir wohnten ineinem der Hinterhäuser. Was meine Mutter nicht wußte: Beider Straße handelte es sich um ein Zentrum von Prostituier-ten. Sie kannten mich alle, aber ich stellte nie eine Konkur-renz dar.

Wurden Sie in dieser Zeit schon mit dem Antisemitismusvieler „anständiger" Deutscher konfrontiert?

Wissen Sie, jeder Antisemit kennt einen Juden, von dem ersagt: „Wenn alle Juden so wären wie der, wäre ich kein Anti-semit."

Können Sie uns noch einmal näher erläutern, warum dieZusammenarbeit zwischen Ihnen und der Spielberg-Foundation scheiterte?

Nachdem die Organisatoren erfahren hatten, daß ich in ih-rem Sinne nicht unmittelbar „betroffen" war, verloren sieschlicht gesagt das Interesse. Ich wies die Organisatoren imVorfeld darauf hin, daß ich nicht wüßte, ob ich eine Überle-bende des „Holocaust" sei, da ich nie im Konzentrationslagerwar. Ich half Menschen aus Deutschland, denen jenes Schick-sal drohte; ich persönlich aber wurde nie verhaftet, nie ein-gesperrt. Sie riefen mich also zurück, um mir mitzuteilen, daßich somit nicht in Frage käme.

Das Gespräch führten ix und Todd Weir

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Fortsetzungsroman

15. Fortsetzung

Daß Henrik ihr wahrstes Inneres nicht erkannte, sondern wie all die anderen nur an dem äußeren Schein verharrte, Sophie in Tagträumeversank und das Unheil so seinen Lauf beschleunigte, war das letzte Moment vor dem nun Folgenden:

Verlassen wir, folgend Sophies Gedanken, kurz den Ort des dramatischen Geschehens, hoffend, rechtzeitig zum möglicherweise blutigen Finalezurückzukehren... So gelangen wir an den Ort Sophies frühester Kindheit, als ihr Vater der zarten Sechsjährigen eröffnete, was er, wohl wissend, daßniemals mehr ein männlicher Nachkomme sein ganzer Stolz werden könne, verfügt hatte: "Das alles wird eines Tages dir gehören, mein Kmöfmfesfatesuccession)". Wäre da nicht dieser unsägliche Nebensatz gefolgt: „Dir und deinem Ehegatten" (bad luck). Und so, wußte Sophie, stand es auch geschrie-ben im Testament: „Sollte ich keinen männlichen Erben haben, soll Sophie alles bekommen". Der letzte Wille des geliebten und gefürchteten Vaterswies ihr das gesamte Vermögen zu, aber eben erst unter der Bedingung der Eheschließung. Zum Erben brauchte sie einen Mann. Oh, Sophie verfluchtedie gesellschaftliche Niedertracht, die sie zwang um der „Etikette willen" und auch, um im nächsten Monat den Tennisunterricht und den Analytikerbezahlen zu können, einen Gatten zu finden.

Als ihr Auge der Gegenwart wieder gewahr wurde - die Sonne schickte sich gerade an, ihre letzten Strahlen zu versenden, die Vögel sandten ihr einenletzten Gruß entgegen, die Natur schickte sich an, schlafen zu gehen - traten zwei Gestalten vor den blutroten Horizont. Es waren Adelbert undHenrik... Noch wie aus weiter Ferne drangen Henriks Worte an ihr Ohr: „Er sagt, er stamme aus dem Blut deines Vaters, und du kennst das Gesetz." „Ihrlebt?", entfuhr es Sophie. „Sophie", so fuhr Henrik fort, „ich höre, du bist enterbt".

Dem Kutscher fiel die noch immer nicht ganz leere Flasche aus der Hand.Tränen in den Augen hauchte Sophie: "Oh bitte, verlaß mich nicht." „Gemach", sprach Henrik, „laß uns nur eben Zigaretten holen und dann über alles

reden." Und er entfernte sich aus dem Geschehen, eiligst Adelbert nachfolgend. Der Kutscher sah eben noch wehmütig den letzten im Erdreichversickernden Tropfen nach und dann ruckartig wieder nach oben. Um leise mit dem Kopf zu schütteln...

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Page 40: UnAufgefordert Nr. 80

Eiserne Bindungen ' s«

Ich und mein Ofen

Was die von der Marlboro-Werbung können, kann ich schon lange - ohneZigarette. Ich meine das Sitzen am offenen Feuer. Und zwar im eigenen Heim,ohne diese schrecklich weite Ödnis drumherum (das soll wohl eine schöne undzu bezwingende Landschaft sein in der Werbung, aber nicht mit mir!). Das offe-ne Feuer habe ich, wenn ich will, jeden Tag, nämlich genau dann, wenn ich dieOfenklappe öffne. Richtig gesellig hab ich's dann, so am prasselnden Feuerchen,den berstenden Holzscheiten lauschend.

Mein Lebensgefühl fördernd, könnte ich natürlich auch einbißchen dazu rauchen - Club oder f6, versteht sich. Wenn esum die Marke geht, muß ich meiner alten Heimat doch treubleiben. Jedoch - Pech für die Zigarettenhersteller. Ich rauchekein bißchen. Ersatzweise investiere ich in Bützower Butterund Sylvi-Slipeinlagen.

Mein Ofen ist mein Freund. Eigentlich verfüge ich über zweiÖfen. Der eine groß und stark, der andere klein und gemein.Interessanterweise verbindet mich mit letzterem eine über Jahregewachsene Beziehung, teils sehr wechselhaft, im großen undganzen aber beständig. Seine unanständigen Ausfälle nehmeich inzwischen gelassen. Er ist ein komplizierter Charakter!

Angefangen hat es damit, daß er ständig rauchte. Anstattmich zu wärmen, qualmte er mir das Zimmer voll - es war zumErsticken. Außerdem war es Winter damals, bitterkalt, und ichkonnte über diese Eigenheiten meines Ofens gar nicht lachen.Mein Bitten und Flehen erhörte er nicht. Da mußte ich denSchornsteinfeger holen. Er besah sich den Flegel, sie hocktentraulich beieinander, und mein Ofen gab vor, in bestem Zu-stand zu sein, so daß sich der Schornsteinfeger den Rauchab-zug vornahm, der dann wiederum mit dem Ofen verhandelte.Seitdem bläst mein Ofen nicht mehr ins Zimmer. Außer beiRegenwetter. Am schlimmsten sind trübe Nieseltage. Diesedrücken derartig auf das ofentliche Gemüt, daß Ofen seineVorsätze vergißt und wieder trübsinnig losraucht, allseitig, ver-steht sich. So ein Stänkerfritze ist das manchmal! Doch bin ichverständnisvoll. Man selbst ist ja auch nicht konsequent.

Als Hanna neulich anrief und in ängstlicher Erregung ihrenzimmerschwärzenden Ofen schilderte („Was soll ich denn jetztmachen???"), konnte ich meine Erfahrungen, als Hilfe getarnt,

einmal etwas ausführlicher weitergeben(„Ach, so schlimm ist das nicht, er beru-higt sich schon wieder"). Wie sich her-ausstellte, hatte Hanna ihn regelmäßigmit Koks überfüttert. Der Ofen bekam garkeine Luft mehr und mußte einfach hu-sten.

Was man auf gar keinen Fall tun darf,ist, in Gegenwart solch eines altertümlichen Wärmespendersvon Gasheizungen oder ähnlichen neumodischen Erscheinun-gen zu sprechen, geschweige denn zu schwärmen. Das wirktbeziehungsauflösend!

Trotzdem hat Olaf es getan. Seinen guten, alten Ofen irgend-wann austauschen lassen. Olaf war es, der, als ich noch Platten-baubewohner war, am gemütlichen Feuerchen im Hinterhof-appartement philosophierte, geographische Studien zu warmerStunde niederschrieb, seinem Freund auf das Gitter klopfte,ihn desmanchen rütteln mußte... und als ich im FriedrichshainerTeich einbrach, hauchte Olafs Ofen meinen Eisfüßen rosarotesLeben ein. Ich bin davon überzeugt, daß ich damals erste Zu-neigungen faßte.

Konkretisiert und vertieft haben sie sich aber erst mit meinemEinzug ins rauchige Lichtenberg. Hier erst war eine intensiveBeschäftigung miteinander möglich. Mein Ofen muß ganz schönwas vertragen können. Er frißt, das ist so seine Art, alles Erdenk-liche in sich hinein: alte Unterwäsche, Briefentwürfe, verhunzteGlossen, faules Obst manchmal, häufig vertrocknete Inhalte ausBlumenvasen. Ich mute ihm viel zu, aber so ist das Leben, ge-wissermaßen vielseitig, manchmal schwer verdaulich.

Ist Olaf denn nun glücklich? Ich frage ihn nicht. VornehmeZurückhaltung übe ich. Man darf nicht herumwühlen in denWunden, die einstige Bindungen hinterließen.

Da es heute ein düsterer Herbsttag ist, die regenvolle Wolken-decke die spitzen Schornsteine bedeckt, mußte ich aufgrundmeines körpertemperatürlichen Selbsterhaltungstriebes meinendeprimierten Freund, der wieder zu stänkern anfing, mit demÖlradiator bekanntmachen. So ist das Leben. Nun ja.

HeLe

HeLesPlaudertasche

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RätselDies ist kein Weihnachtsrätsel...

... weil selten etwas ist, wie es aussieht. Das Rätsel in UnAuf 79 sah nicht nach Gewinn aus, und weil das scheinbar jeder ernstgenommen hatund keiner was für umsonst tut, bleibt der Gewinn für die „Nachwirkung" unser - selber schuld! Und wenn das jetzt so aussieht wie böseAbsicht, so mag man daran denken, daß man gestreßten Computern und Layoutern solche nicht sinnvoll zuschreiben kann oder soll (ausGründen der Funktions-, UnAuf- beziehungsweise Selbsterhaltung), und schnellstens die neue Möglichkeit nutzen, großartige Gewinneeinzustreichen: mit keinem Weihnachtsrätsel! Wer noch nicht mit der Tradition vertraut ist, die besonders unterlegten Buchstabenfelder ihrerBuchstaben zu entledigen, in einen Topf zu schmeißen, in richtiger Reihenfolge wieder rauszuziehen, aufzukleben (im weiteren, -schreiben,-drucken, und -fönen enthaltenden, Sinne) und bis fünften Januar an die UnAuf zu übermitteln so, daß die Spur für den Preisausschreiberrückzuverfolgen ist, der lese diesen Satz noch einmal langsam und deutlich laut vor sich hin und höre sich aufmerksam zu. Das Erfolgswort hatnichts mit Weihnachten zu tun, und sieht auch nicht so aus, ebensowenig der Rätselpreis (Überraschung!!! Der Setzer).

rebus

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Horizontal:1. Gerücht fast wie für ein gutes Frühstück; 4. Gerät für Schein-haftigkeiten; 12. Singsilbe; 13. wer die englische Gesundheits-organisation ist; 14. klar wie Kloßbrühe; 16. Verbalmus; 18.Nahrungs- und Genußmittel in einem; 20. nahezu verwirrt inWesteuropa; 21. Fluß durch Heidelberg; 23. anders für: sieh! -englische Männer; 25. Radunski-Zuarbeiter; 27. präzise genaudas; 30. harter Metall kern; 31. Erz-bag in Kroatien; 33. Eigen-schaft musikalischer Einzelstücke und von Geldern für denOsten; 35. Donaustadt ohne Tor; 36. französische Stadt (mitTor und sogar Rhone-Mündung); 38. Bedingung einer befruch-tenden Möglichkeit; 39. englischer Theorienansatz; 40. unter-schriebener Echt(kurz)film; 41. Prozeß des Niederlegens be-ziehungsweise Aufsteigens; 42. der Musiker im Lustingenieur;44. per sich selbst; 45. Guevara zwischen Trockengras und Stein;47. Element einer Zeusgeliebten; 49. echt wirklich; 50. Rätsel-verschlußsacheneigenschaft; 52. neben Tod und Intrige kon-stitutives Element der Dramatik; 55. großes uferloses Gewäs-ser; 56. Bogen eines kopflosen jungen Mannes; 57. schlammigesGelände; 58. Einlage britischer Plomben; 59. Jahresendflügel-figuranfang;

Vertikal:2. nicht warm und ohne Beginn; 3. flämischer Maler, als böserDoktor verkannt; 4. Theorie der Theorie der Theorie...; 5. nicht an-ders^. Domfigur im Mutanten; 7. rechnergestützte Reproduktions-einrichtung mit fehlerhafter Endspeicherung;8. nicht mehr in (abernoch in Wanderrichtung); 9. George Herbert, der pragmatischeBehaviorist; 10. aber schwedisch; 11. Präwerkzeug; 13. angelsäch-sisches Verständnis einer Küstenbucht; 15. lachhafte Weiterent-wicklung eines ehemaligen Schwermaschinenkombinats; 16. Ei-genschaft von 15. vertikal, wenn erfolglos; 17. endloser Rundtanz;18. je nach Ton läge männ(sch)licher Schweinehund oder Lieblings-synonym; 19. Doppelehemann, dem das Große fehlt; 22.Luftröhrengeäst mit vollem Mund; 24. Schluß, nicht weit; 26.königmachender Laubbaum; 28. verstärkt-frostiger Blutsauger; 29.Bewohner von Tamerika; 32. Gemeinsamkeit von Himmel, be-stimmten Briefen und der UnAuf-Redaktion nach Sitzungen (imUni-Club); 34. fürstlicher Belgier; 37. Young Men's Christian; 41.persisch abgekürzte Keller-Immunisierung; 43. Berliner Krimiautor;

45. Spitzbube, bei dem noch nicht alles, nur das Ende verloren ist;46. Grundschulfach nach Sparmaßnahme; 48. verdrehte Gesichts-öffnung; 51. Mittelstück von Rita worth; 53. kontinentale Völker-vertretung; 54. zwischen mürb und frisch.

UnAufgefordert

Page 42: UnAufgefordert Nr. 80

Sie sind unser Typ!RH-

Was Sie auch immer für eine Blutgruppehaben, Ihr Plasma wird gebraucht, umMenschenleben zu retten.Für Ihren Zeitaufwand erhalten Sie40,- DM. Sie können bis zu 6 mal proMonat spenden. Tel 03(V2 53 74 70Mo+Mi 10.00-18.00 Uhr Axel-Springer Str. 42Di + Do 8 00-18 00 Uhr (ehem. Lindenstraße)ab 1.10.96 r \ S*4ß^ 10969 BerlinFreitag 8.00-15.00 Uhr K £T l

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LiebesbriefeZu: Die Zweigbibliothek Geschichte - absofort eine Präsenzbibliothek in UnAuf 78

Liebe Redaktion, Lieber Christian Domnitz

es ist ja sehr schön, daß Sie sich mit der Zweigbibliothek Ge-schichte beschäftigen - und Sie hätten ja auch recht, wenn - j awenn es nur die Zweigbibliothek Geschichte gäbe. Haben Siedenn ganz die Zentrale Universitätsbibliothek und ihre Lehrbuch-sammlung vergessen, wo man nach Herzenslust Bücher auslei-hen kann.Schon in der Zweigbibliothek können Sie über die dort aufgestell-ten Rechner, ob ein Buch in der Lehrbuchsammlung vorhanden ist(und sogar, ob es ausgeliehen ist) und der Weg in die Dorotheenstr.26 oder 27 ist doch wirklich nicht zu weit. Und wenn ein Teil nichtvorhanden ist, so liegen dort Wunschzettel aus, die wir gerne beiunserer Anschaffungspolitik berücksichtigen.Wenn man nun beides, die Zweigbibliothek und die ZentraleUniversitätsbibliothek zusammen sieht, dann wird man auch dieVorteile einer Zweigbibliothek als Präsenzbibliothek richtig wür-digen. Hier kann man relativ sicher sein, die gewünschten Bü-cher auch benutzen zu können, und so braucht nicht die Beleg-arbeit, der Schein oder die Prüfung daran scheitern, daß geradeein Kommilitone die benötigten Bände für zwei oder vier Wo-chen ausgeliehen hat.Alles Gute und willkommen in der Zentralen Universitätsbibliothek

N. Martin, Abteilungsleiter Zweigbibliotheken

Zu: Liebesbriefe in UnAuf 79

Lieber Liebesbriefredakteur!

Nr. 79 muß als Schreibunterlage herhalten, wenn der Leser-briefvielschreiber in der Mensa der WiWi Ihren Abdruck mei-nes letzten Briefes schmatzt wie zuvor Frühlingsrolle undGulaschsuppe. Mit Poemen, gleich welcher Art, kann er heu-te nicht aufwarten, banale Prosa muß es tun. Und weil das soist, schrieb er in der dritten Person, Distanzierung von mir,nicht von UnAuf.

Helmut Schinkel

Lieber Herr Schinkel,

Sie scheinen sich ja quer durch die Humboldt-Universitätzu „futtern". Erst ein Eierlikör im HUBart, dann die Speise-karte der Professoren Mensa und schließlich die Wirt-schaftswissenschaftler bzw. ihre Mensa bei Frühlingsrolleund Gulaschsuppe. Wobei ich dazu sagen muß, daß mir dieletztgenannte Kombination von Speisen sehr eigentümlichanmutet.Weiterhin Guten Appetit beim Konsum, vor allem von UnAufund ganz wichtig:Fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch ins NeueJahr.

Ihr Liebesbriefredakteur

Kiepert an derHumboldt-UniDie Buchhandlungin der Georgenstraße 2,in 10117 Berlin-Mitte,nahe Bhf. Friedrichstr.Telefon 203 99 60Telefax 208 18 29

UnAu £ gefordert

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kTips+TermineChor der Humboldt-Uni

Wie in jedem Jahr gibt der Chor der Hum-boldt-Universität unter der Leitung vonProf. Peter Vagts zu Beginn der Advents-zeitsein traditionelles Weihnachtskonzertin der französischen Friedrichstadtkircheam Gendarmenmarkt. Das Programm amAbend des 6. Dezember enthält geistlichewie weltliche Werke und wird wahr-scheinlich ebenso großen Anklang findenwie im letzten Jahr. Beginn ist 20 Uhr, derEintritt beträgt nur 5,-DM. An der Orgelbegleitet das Konzert Dietmar Hiller. Einschöner Dezemberabend ist dem Besucheralso sicher! Ä

Studentischer Kinoclub

Montag, 9. Dezember 1996, 19.00 Uhr„Chunking express"; Regie: Wong Kar-Wai; Hongkong 1994Dienstag, 10. Dezember 1996, 19.00 Uhr„Rote Laterne"; Regie: Zhang Yimou;Hongkong/China 1991Dienstag, 17. Dezember 1996„Die Feuerzangenbowle", unser Weih-nachtsfilm. Beginn voraussichtlich um19.00 Uhr und um 21.00 UhrIm Kinosaal des Hauptgebäudes der Hum-boldt-Universität, Unter den Linden 6. DerUnkostenbeitrag beträgt 4,- DM. :

Ruanda-Burundi-Informa-tions- und Kulturtag

Am Samstag, den 7. Dezember 1996, fin-det ab 10.00 Uhr im Audimax der HUBein Ruanda- und Burundi-Informations-und Kulturtag statt. Nähere Informatio-nen über das Referat Internationalismusdes RefRats. Tel.: 2093-2603.

Junge Welt Kongreß

Am Samstag, den 11. Januar 1997, fin-det in der Garderobe gegenüber dem Au-dimax der HUB ein Junge-Welt-Kongreßstatt. Geplant ist unter anderem ein Kon-zert mit Franz-Josef Degenhardt. Nähe-re Informationen beim RefRat, Tel.:2093-2603. -•:

Studentisches Begegnungs-zentrum Flora Soft

Am Dienstag, den 10. Dezember 1996findet die Einweihung des studentischenBegegnungszentrums Flora Soft mit ei-nem Klavierabend statt. Flora Soft,Invalidenstr. 42, LGF. Nähere Informatio-nen im Flora Soft, Tel.: 2093-8815.

Interkulturelle Jahres-endfeier an der HUB

Vom Nebeneinander zum MiteinanderVorurteile abbauen, Grenzen überwinden,gemeinsam leben, arbeiten, studierenund auch feiern.am 19.12.1996

10.00- 14.30 Uhr: KinderfestOrt: Garderobe vor dem Audimax und im„Krähenfuß"Programm:- Basteln von: * afrikanischen Puppen;

* Masken* Hüten* Weihnachtsbäumen

- Märchenstunde- Puppentheater- verzieren von Plätzchen;- Musikspiele;- Kinderbüffet;

12.30-14.00 Uhr: „Pippi geht von Bord,,Alle Kinder sind herzlich eingeladen unddürfen auch ihre Eltern mitbringen !!!

14.30-19.00 Uhr:Ort: Audimax und im Krähenfuß

14.30- ca.16.30 Uhr: Vortrag über die po-litische und gesellschaftliche Lage Brasi-liens und anschließender Diskussions-möglichkeit - im „Krähenfuß";

- im Anschluß an die Veranstaltung im„Krähenfuß", wird im Audimax der Kino-film „Sarafina" (Aufstand in Soweto/Süd-afrika) vorgeführt;

16.30-open end: feierlich kulturpoli-tische AbendveranstaltungenOrt: Foyer und Senatsaal- Ausstellung zu politischen, kulturellenund sozialen Ereignissen in verschiede-nen Regionen dieser Welt;

- Stände von A wie Antifa bis Z wieZapatistas/Chiapas;- kulinarische Spezialitäten von A wieasiatische Bambuscremesuppe über Bierfür 2,50 bis Z wie Zuckerrohrschnaps;- musikalische Untermalung durch Chö-re von A wie Angestellte bis Z wie zu-letzt kommt der RefRat;- und natürlich Musik bis in die Morgen-dämmerung von Bands aus Ländern vonvier Kontinenten:- Percussonia - Trommlerinnen-Africa Mma- Rock, Pop mit tradionellenKlängen- Fredy's - Musica del los andes- Transsylvanians - ungarischer Folxmusik- koreanische Trommelgruppe + Tänzer-innen 111

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SHA TUSHA

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