verhaltensphÄnotypen bei genetisch … · schwierigkeiten bei veränderungen, impulsivität ......
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SOZIALPÄDIATRISCHES ZENTRUM IM DR. VON HAUNERSCHEN KINDERSPITAL
VERHALTENSPHÄNOTYPEN BEI GENETISCH BEDINGTEN ENTWICKLUNGSSTÖRUNGEN
Angelika Enders, Renate Giese
3. Murnauer Fachtagung, Klinik Hochried
Träger:
INTEGRIERTES SOZIALPÄDIATRISCHES ZENTRUM
IM DR. VON HAUNERSCHEN KINDERSPITAL
KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN®
Träger:
Kasuistik D.Z.
3. Kind der Familie
Geburt termingerecht, erschwert
G 4500 g, L 57 cm, KU 35 cm Anpassungsprobleme, obere Plexusparese
allgemeine Entwicklungsverzögerung verzögerte Sprachentwicklung
DD Bindungsstörung nach langem stationären Aufenthalt
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IM DR. VON HAUNERSCHEN KINDERSPITAL
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Träger:
INTEGRIERTES SOZIALPÄDIATRISCHES ZENTRUM
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Träger:
FRAGILE-X-SYNDROM
Häufigkeit: ~ 1 : 4 000
Genetik: CGG-Triplett-Repeats im FMR1-Gen (Xq27.3)
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Träger:
Häufigkeit: ~ 1 : 2000
CGG-Triplett-Repeats im FMR1-Gen (Xq27.3)
(I. Rost, Martinsried)
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Träger:
FRAGILE-X-SYNDROM
Häufigkeit: ~ 1 : 4 000
Genetik: CGG-Triplett-Repeats im FMR1-Gen (Xq27.3)
Anamnese: Geburtsgewicht überdurchschnittlich
Phänotypmerkmale
Kopfumfang > 50.Perzentile
Große Ohren
Neurologische Merkmale
Überstreckbare Gelenke, Muskelhypotonie,
Bindegewebsschwäche
Fokale zerebrale Anfälle (17 – 50%)
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LEISTUNGSPROFIL BEI FRA-X SYNDROM
mittlerer IQ bei 50 (große Variablität)
Lernstörungen unabhängig vom IQ-Niveau
Aufmerksamkeitsregulation, Konzentration
abstraktes Denken
rechnerisch-mathematischer Bereich
Stärken:
ganzheitlich-simultane Verarbeitung (visuelle Zuordnung, Beobachtung)
Behalten individuell bedeutungsvoller Inhalte, erworbenes Wissen
Schwächen:
Gestaltdurchgliederung, seriale Verarbeitung, flexible Problemlösung
Schereneffekt zunehmend ab ~ 10.LJ
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Träger:
FRAGILE-X SYNDROM
Verhaltensmerkmale
Interesse an sozialen Beziehungen,
jedoch flüchtiger sozialer Blickkontakt, Verlegenheit, Scheu,
sobald angesprochen oder angesehen werden
(Cohen et al. 1989)
Erhöhte Schmerztoleranz
Abwehrend bei Berührung, geräuschempfindlich
Beriechen oder Belecken von Objekten
Handbeißen, Handwedeln bei Frustration und Erregung
Schwierigkeiten bei Veränderungen, Impulsivität
Mangelnde Selbstkontrolle, kurze Aufmerksamkeit
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Träger:
SPRACHE BEI FRA–X SYNDROM
Sprachentwicklungsverzögerung
Wortschatz, Artikulation relativ unauffällig
Schwierigkeiten beim Erwerb von Grammatik + Syntax
Entwicklungslevel dem der kognitiven Kompetenzen korrespondierend
qualitative Auffälligkeiten in der Pragmatik (ab Schulalter):
Floskeln, Echolalien, Wiederholungen, Sprechunflüssigkeiten mit
Poltern, z.T. unverständlicher Artikulation
Assoziative Antworten (leicht „am Thema vorbei“), Litanei-ähnliche
Aufzählungen, Perseveration um Dialog aufrecht zu erhalten
Lesen: Schwierigkeiten in der Analyse sprachlicher Inhalte,
Probleme beim Formulieren von Zusammenhängen,
sprachlicher Abstraktion (Gemeinsamkeiten finden, Begriffe erklären)
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Träger:
SOZIALADAPTIVE KOMPETENZEN BEI FRA-X
Entwicklungsdynamik: Kontinuierliche Fortschritte bis ~ 10.Lj
dann Entwicklungsplateau wie bei den kognitiven Kompetenzen
Lebenspraktische Selbständigkeit
oftmals deutlich besser als sozial-kommunikative Kompetenzen
(sprachliche Kommunikation, Gestaltung sozialer Beziehungen)
Vorteil:
Fähigkeit zur Beobachtung,
Speicherung und Nachahmung gleichbleibender alltäglicher Abläufe
Zu berücksichtigen:
soziale Scheu, Ablenkbarkeit, Impulsivität und Überaktivität
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Träger:
Kasuistik B.W.
3. Kind der Familie, „Nachzügler“
FG 30. SSW, Geburtsgewicht 1560 g
Anpassungsprobleme
verschlafen, sehr pflegeleicht
leicht erschöpfbar
Trinkschwierigkeiten
Schlechtes Gedeihen
langsame Entwicklungsfortschritte
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Träger:
PRADER–WILLI SYNDROM (del 15 q11-13)
Im Säuglingsalter
Wenig soziales, kommunikatives Interesse
Fehlendes soziales Lächeln
Mimikarmut
wenig Lautieren, kaum Vokalisationen
Neugier, Aufmerksamkeit kaum lenkbar
signalisiert kaum Bedürfnisse, kaum Schreien
Stimmgebung schwach
Verlangsamtes spontanes/reaktives Verhalten
verminderte Reaktion auf Außenreize
Muskelhypotonie
Schläft viel / Trinkschwäche
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Träger:
PRADER-LABHART-WILLI SYNDROM
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Träger:
SÄUGLINGE MIT PRADER-WILLI SYNDROM zeigen einheitlich folgende Befunde:
Einen neurologischen Symptomenkomplex bestehend aus: - Muskelhypotonie - Trinkschwäche und - verlangsamtem spontanem und reaktivem Verhalten
Charakteristische craniofaziale Auffälligkeiten
Eine Hypogonadismus
Deletion bei 15q11 –q13
in der Regel de-novo-Verlust
Uniparentale Disomie:
wenn beide Chromosomen
eines Chromosomenpaars
vom gleichen Elternteil
stammen
Chromosom 15
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Träger:
mat pat
15
Prader-Willi-
Syndrom
Angelman-
Syndrom
Normal
Mikro-
deletion
Uniparentale
Disomie
Imprinting-
Mutation
Gen-
Mutation
Chromosomale
Strukturumbauten
(PWS)
bzw. andere
Ursachen
(AS)
70% 29% 1% bisher
nicht
bekannt
Einzelfälle
70% 1% 4% 5%
15q11-13
Mutationstypen bei Prader-Willi und Angelman-Syndrom
20%
(I. Rost, Martinsried)
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Träger:
LEISTUNGSPROFIL PWS
Intelligenz: bei ~ 70% der Menschen mit PWS: IQ < 70
CAVE Vergleichbarkeit (CURFS & FRYNS,1992)
Visuelle Verarbeitung – tendenziell Stärke
(HAWIK: Puzzles, Bilder ergänzen
K-ABC: Gestaltschließen, Dreiecke, Analogien, Fotoserie)
Stärke vor allem in der simultanen Informationsverarbeitung
Serial-sequentielle Verarbeitung
tendenziell vor allem Defizite in
unmittelbarer auditiver Informationsverarbeitung
Schulische Fertigkeiten
Lesen und Schreiben werden erworben
Spezifische Probleme im Rechnen
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Träger:
SPRACHE BEI PWS
Verzögerung der Sprachentwicklung in den ersten Lebensjahren mit
Orofazialer Hypotonie, Koordinationsproblemen
Artikulationsproblemen (Zischlaute)
Prosodischen Auffälligkeiten (hoch, heiser, leise)
Nasaler Sprechweise / Auffälliger Atmung
Wortschatz-Entwicklung, Satzbildung korrespondierend mit dem
kognitiven Entwicklungsniveau
Mittlere Äußerungslänge reduziert,
sprachliches Regelwissen entspricht im Schnitt dem Level 4-5 Jähriger
Kommunikative Besonderheiten:
Echolalien, perseverierende Äußerungen (eigene thematische
Vorlieben), Selbstgespräche (Pragmatik)
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Träger:
SOZIALADAPTIVE KOMPETENZEN BEI PWS
Selbstversorgung und sozialkommunikative Kompetenzen
in der Regel unter dem Niveau der kognitiven Fähigkeiten
Relative Stärke:
lebenspraktischer Bereich (Tätigkeiten im Haushalt)
Problemkonstellationen ergeben sich in der Regel durch
Zwanghafte Verhaltensrituale / Irritabilität bei Veränderungen
Impulsive Wutanfälle
Dranghaftes Essen
Selbstverletzende Verhaltensweisen
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PROBLEMATISCHE VERHALTENSWEISEN BEI PWS
Selbstverletzende Verhaltensweisen (Kneifen, Kratzen, Skin picking)
Argumentieren
Sturheit, Insistieren
Passivität
Zwanghaftes Verhalten
Plötzliche Wutanfälle
Übermäßiges Essen
Freundlich-distanzloser Umgang mit Fremden
Nennung von Eltern mit Häufigkeiten 80-95% in div.Studien mit z.T. weitem Altersränge
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Träger:
AUSLÖSER IMPULSIVER WUTANFÄLLE BEI PWS -
Aufträge und Anweisungen an Kind/Jugendlichen
Wunschversagung /Grenzsetzung
Verweigerung von Essen
Frustration, Druck
Veränderung von gewöhnten Abläufen und Routinen
Literaturverweis: WATERS et al.1992
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Träger:
PRADER–WILLI SYNDROM
Konsequenz für
Therapeutische Maßnahmen und Empfehlungen
Cave: Gedeihstörung → Adipositas Grundumsatz erniedrigt obstruktive und zentrale Apnoen im Schlaf
Präventiv: spezifische diätetische Führung Frühförderung und psychologische Beratung Beachten des Reaktionstempos
Prognostisch: Kleinwuchs niedrige Intelligenz - Intelligenzminderung soziale Adaptivität deutlich unter dem Intelligenzniveau
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Träger:
POSITIVE BEHAVIOUR SUPPORT (PBS)
Fundierung
• Lerntheorien
• Verhaltenstherapeutische Konzepte
Wissen
• Syndrom-spezifische Besonderheiten
• Individuelle Merkmale der Informationsverarbeitung
• Anforderungsmerkmale
Focus Vorgehen
• Auf-/Ausbau sozialadaptiver alltagsrelevanter Kompetenzen
• Strukturierung
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Träger:
WUTANFÄLLE – PBS-ANSATZ: PRÄVENTIVES „ÄRGERMANAGEMENT“
Analyse der Auslösebedingungen
Definition der adäquaten Verhaltensoptionen in der Situation –
und sind diese für das Kind möglich, ggfs. mit welchen Hilfen
Antizipation und Strukturierung durch
Frühzeitige + ausdrückliche Ankündigung der Veränderung
Visualisierung (Piktogramme, Stunden-/Tagespläne…)
Wahlmöglichkeit (limitiert)
Vorlauf, Anpassungs- und Umstellungstempo berücksichtigen
Jeden erwünschten Schritt registrieren und
unmittelbar positiv verstärken
Gezielt und konsequent Snacks + Mahlzeit berücksichtigen
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Träger:
LEISTUNGSPROFIL PWS VERSUS FRA-X:
Visuelle Verarbeitung – tendenziell Stärke
PWS : Puzzles legen, Bilder ergänzen/Gestalt schließen,
Dreiecke, Analogien, Fotoserie
Fra-X: Bilder ergänzen, Analogien - Prob
Serial-sequentielle Verarbeitung – tendenziell Schwäche
PWS: vorwiegend Defizite in unmittelbarer auditiver
Informationsverarbeitung
Fra-X: Defizite bei Informationssequenzen generell
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Träger:
ZUSAMMENFASSUNG
Wissen auch in Einrichtung, um Kinder und deren
Verhaltensweisen besser zu verstehen und
Überforderungssituationen zu vermeiden
Wissen um kompensatorische Potentiale im Sinne
„positiver Verhaltensunterstützung“ gezielt zu nutzen
für Lernen und Zutrauen in eigene Fähigkeiten
das therapeutische Vorgehen und
die präventive Beratung