was ist in der analytik eigentlich qualität?

1
5. Qualit/itskontrolle in der Analytik ~f~@S~e~ Symposium 5: Quality Control in Analytics Symposium 5: Qualitiitskontrolle in der Analytik Was ist in der Analytik eigentlich Qualitiit? E. Hartmann Schering AG, Physikochemie und Informatik, Postfach 650311, D-1000 Berlin 65 What Does Quality Mean in Analysis? Qualit/it beginnt in der Analytik bei der Pr/izision der Fragestel- lung. Ungenaues Wissen tiber die Zielsetzung und die Tragweite m6glicher Konsequenzen kann dazu ftihren, dab die Qualit/it entweder zu hoch oder zu niedrig angesetzt wird und somit den Erfordernissen nicht entspricht. Die Einhaltung yon Vorschrif- ten ist jedenfalls kein generell gfiltiger Mal3stab ftir QualitS.t. Bei der Charakterisierung einer Bestimmungsmethode soU- ten Verallgemeinerungen vermieden werden. In der Regel h/ingt die Qualit/it der Methode entscheidend vonder Produkthomoge- nit/it, vom Konzentrationsbereich des zu bestimmenden Stoffes und yon der Art der Matrix ab, in die der Stoffeingebettet ist. Die Angabe einer durchschnittlichen Methodenqualit/it w/ire zumeist sinnlos. Von gravierendem Einflul3 sind auch das Aufbereitungs- verfahren, die Aufbereitungsger~te, die QualitS.t der Reagentien sowie das Meggerfit. Zur Verbesserung der Qualit/it wird man bestrebt sein, die Varianzkomponenten aller Einzelschritte yon der Probenahme bis zur Messung zu ermitteln. Ein wichtiger Teil der Methodenbeschreibung ist auch die Darstellung des Verfahrens der statistischen Auswertung. Das Verfahren ergibt sich zwar in erster Linie aus der Fragestellung, aul3erdem aber auch aus der Verteilungsform der Mel3ergebnisse. Aus Grtinden der Einheitlichkeit und Bequemlichkeit wird die Normalverteilung oft auch dann zugrundegelegt, wenn diese sachlich nicht zu rechtfertigen ist. Mittelwert und Standardab- weichung sind in solchen FS.11en Karikaturen der wahren Vertei- lung. Das kiinstliche Erzwingen symmetrischer Verteilungen durch AusreiBertests ist heute oft umgehbar, wenn Methoden der nichtparametrischen Analyse herangezogen werden. Weil es keine die Richtigkeit eo ipso garantierende Bestim- mungsmethode gibt, ist auch die Art der Eichung von Bedeutung. Hohe Prfizision gibt keinen Hinweis auf Richtigkeit. Der Einflul3 systematischer und zuf/illiger Fehler wird in der Analytik durch Eichkurven charakterisiert. Dies gestaltet sich besonders einfach, wenn von linearen Funktionen und unabh/in- gig identisch normalverteilten Zufallsfehlern ausgegangen wer- den kann. Streuungen zwischen verschiedenen Laboratorien werden oft dutch die sog. Vergleichbarkeit charakterisiert. Diese Mal3- zahl basiert auf der Annahme, dab die Ergebnisse verschiedener Laboratorien unabh/ingig normalverteilt seien. Da die Teilneh- mer an Ringversuchen aber niemals zuf/illig ausgew/ihlt werden, sollte die Beschreibung yon Laboreinfltissen besser anhand fixer Effekte erfolgen. Damit wtirde zugleich die Fehldeutung des Durchschnittswertes als Sch/itzwert ffir den wahren Erwartungs- wert der Methode vermieden. Neben der Richtigkeit und PrS.zision einer Methode ist auch deren Erfassungsgrenze ein wichtiges Charakteristikum. Sie ist aber nur dann angebbar, wenn Blindproben mit dem wahren Gehalt Null verftigbar sind. Allein aus der Varianz yon Blindwer- ten sollte die Erfassungsgrenze nicht hergeleitet werden, well dabei das Risiko ignoriert wird, einen in Wahrheit vorhandenen Gehalt f/ilschlich zu fibersehen. Ftir den Sonderfall identisch normalverteilter MeBsignale ftihrt die korrekte L6sung auf eine quantitative Beziehung zwischen der Erfassungsgrenze, den beiden statistischen Irrtumsrisiken und dem Stichprobenumfang. Werden drei dieser Gr613en vorgegeben, so ist die vierte errechen- bar. Ftir den Praktiker ist neben der Methodenqualit/it insbeson- dere die QualitS.t des Analysenergebnisses ffir ein Produkt unbekannten Gehalts von Interesse. Von grol3er Bedeutung ist es dabei, woftir genau das Ergebnis gelten soll. Soll es z.B. ftir eine einzelne Packungseinheit, ffir einen Herstellungsansatz oder ftir die Herstellungsvorschrift gelten? Die Anforderungen an die Repr/isentativit/it beeinflussen den Versuchsplan einschlieBlich der Art und des Umfanges der Probenahme. Dabei ist zu beachten, dab Repr/isentanz nur durch streng zuf~illige Ziehung erreichbar ist. Als Analysenergebnis sollte nicht nur eine Stichprobenkenn- zahl angegeben werden. Die eigentliche Information, die der Analytiker ftir das unbekannte Produkt besitzt, ist der Ver- trauensbereich; dieser fiberdeckt die wahre Konzentration mit Wahrscheinlichkeit 0,95. Wenn neben dem Erwartungswert der Konzentration auch die Dispersion zwischen den Elementen durch die Quantile zu charakterisieren ist, innerhalb derer ein ausgew/ihlter Anteil der Verteilung liegt, so kann man auch daftir einen Vertrauensbereich, den sog. Toleranzbereich angeben. Wegen der unterschiedlichen Beriicksichtigung von Varianz- komponenten und der verschiedenen M6gtichkeiten der Defini- tion von Anteilen erhS.lt man ftir verschiedene Gfiltigkeitsberei- che auch unterschiedliche Vertrauens- und Toleranzbereiche. Von der formalen Anwendung einfacher Formeln ist daher abzu- raten. Fresertius Z Anal Chem (1984) 317 : 609 Springer-Verlag 1984 609

Upload: e-hartmann

Post on 10-Aug-2016

213 views

Category:

Documents


1 download

TRANSCRIPT

5. Qualit/itskontrolle in der Analytik ~ f ~ @ S ~ e ~

Symposium 5: Quality Control in Analytics Symposium 5: Qualitiitskontrolle in der Analytik

Was ist in der Analytik eigentlich Qualitiit?

E. Hartmann

Schering AG, Physikochemie und Informatik, Postfach 650311, D-1000 Berlin 65

What Does Quality Mean in Analysis?

Qualit/it beginnt in der Analytik bei der Pr/izision der Fragestel- lung. Ungenaues Wissen tiber die Zielsetzung und die Tragweite m6glicher Konsequenzen kann dazu ftihren, dab die Qualit/it entweder zu hoch oder zu niedrig angesetzt wird und somit den Erfordernissen nicht entspricht. Die Einhaltung yon Vorschrif- ten ist jedenfalls kein generell gfiltiger Mal3stab ftir QualitS.t.

Bei der Charakterisierung einer Bestimmungsmethode soU- ten Verallgemeinerungen vermieden werden. In der Regel h/ingt die Qualit/it der Methode entscheidend vonder Produkthomoge- nit/it, vom Konzentrationsbereich des zu bestimmenden Stoffes und yon der Art der Matrix ab, in die der Stoffeingebettet ist. Die Angabe einer durchschnittlichen Methodenqualit/it w/ire zumeist sinnlos. Von gravierendem Einflul3 sind auch das Aufbereitungs- verfahren, die Aufbereitungsger~te, die QualitS.t der Reagentien sowie das Meggerfit. Zur Verbesserung der Qualit/it wird man bestrebt sein, die Varianzkomponenten aller Einzelschritte yon der Probenahme bis zur Messung zu ermitteln.

Ein wichtiger Teil der Methodenbeschreibung ist auch die Darstellung des Verfahrens der statistischen Auswertung. Das Verfahren ergibt sich zwar in erster Linie aus der Fragestellung, aul3erdem aber auch aus der Verteilungsform der Mel3ergebnisse. Aus Grtinden der Einheitlichkeit und Bequemlichkeit wird die Normalverteilung oft auch dann zugrundegelegt, wenn diese sachlich nicht zu rechtfertigen ist. Mittelwert und Standardab- weichung sind in solchen FS.11en Karikaturen der wahren Vertei- lung. Das kiinstliche Erzwingen symmetrischer Verteilungen durch AusreiBertests ist heute oft umgehbar, wenn Methoden der nichtparametrischen Analyse herangezogen werden.

Weil es keine die Richtigkeit eo ipso garantierende Bestim- mungsmethode gibt, ist auch die Art der Eichung von Bedeutung. Hohe Prfizision gibt keinen Hinweis auf Richtigkeit.

Der Einflul3 systematischer und zuf/illiger Fehler wird in der Analytik durch Eichkurven charakterisiert. Dies gestaltet sich besonders einfach, wenn von linearen Funktionen und unabh/in- gig identisch normalverteilten Zufallsfehlern ausgegangen wer- den kann.

Streuungen zwischen verschiedenen Laboratorien werden oft dutch die sog. Vergleichbarkeit charakterisiert. Diese Mal3-

zahl basiert auf der Annahme, dab die Ergebnisse verschiedener Laboratorien unabh/ingig normalverteilt seien. Da die Teilneh- mer an Ringversuchen aber niemals zuf/illig ausgew/ihlt werden, sollte die Beschreibung yon Laboreinfltissen besser anhand fixer Effekte erfolgen. Damit wtirde zugleich die Fehldeutung des Durchschnittswertes als Sch/itzwert ffir den wahren Erwartungs- wert der Methode vermieden.

Neben der Richtigkeit und PrS.zision einer Methode ist auch deren Erfassungsgrenze ein wichtiges Charakteristikum. Sie ist aber nur dann angebbar, wenn Blindproben mit dem wahren Gehalt Null verftigbar sind. Allein aus der Varianz yon Blindwer- ten sollte die Erfassungsgrenze nicht hergeleitet werden, well dabei das Risiko ignoriert wird, einen in Wahrheit vorhandenen Gehalt f/ilschlich zu fibersehen. Ftir den Sonderfall identisch normalverteilter MeBsignale ftihrt die korrekte L6sung auf eine quantitative Beziehung zwischen der Erfassungsgrenze, den beiden statistischen Irrtumsrisiken und dem Stichprobenumfang. Werden drei dieser Gr613en vorgegeben, so ist die vierte errechen- bar.

Ftir den Praktiker ist neben der Methodenqualit/it insbeson- dere die QualitS.t des Analysenergebnisses ffir ein Produkt unbekannten Gehalts von Interesse. Von grol3er Bedeutung ist es dabei, woftir genau das Ergebnis gelten soll. Soll es z.B. ftir eine einzelne Packungseinheit, ffir einen Herstellungsansatz oder ftir die Herstellungsvorschrift gelten? Die Anforderungen an die Repr/isentativit/it beeinflussen den Versuchsplan einschlieBlich der Art und des Umfanges der Probenahme. Dabei ist zu beachten, dab Repr/isentanz nur durch streng zuf~illige Ziehung erreichbar ist.

Als Analysenergebnis sollte nicht nur eine Stichprobenkenn- zahl angegeben werden. Die eigentliche Information, die der Analytiker ftir das unbekannte Produkt besitzt, ist der Ver- trauensbereich; dieser fiberdeckt die wahre Konzentration mit Wahrscheinlichkeit 0,95. Wenn neben dem Erwartungswert der Konzentration auch die Dispersion zwischen den Elementen durch die Quantile zu charakterisieren ist, innerhalb derer ein ausgew/ihlter Anteil der Verteilung liegt, so kann man auch daftir einen Vertrauensbereich, den sog. Toleranzbereich angeben. Wegen der unterschiedlichen Beriicksichtigung von Varianz- komponenten und der verschiedenen M6gtichkeiten der Defini- tion von Anteilen erhS.lt man ftir verschiedene Gfiltigkeitsberei- che auch unterschiedliche Vertrauens- und Toleranzbereiche. Von der formalen Anwendung einfacher Formeln ist daher abzu- raten.

Fresertius Z Anal Chem (1984) 317 : 609 �9 Springer-Verlag 1984

609