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XX. Ans dem Pharmakologisehen Institut der Universit~it Halle- Wittenberg. Wirkung verschiedener Substanzen, insbesondere der sogenannten Herzmittel, auf Leitungsstiirungen des Herzens. Von Walter Simon. (Mit 5 Kurven.) (Eingegangen am 12. VIII. 1923.) In dem Kokain besitzen wir ein Mittel, das, wie die Unter- suehungen Koehmanns 1) gezeigt haben, imstande ist~ eine wohl- definierte Stiirang der Reizleitung am isolierten Frosehherz hervor- zubringen. In diesen Untersuehungen erwies es sieh, dab mittlere Gaben des K0kains Halbierung, Drittelung der Anzahl der Ventrikel- kontraktionen verursaehen. Dureh Messung der Erregbarkeit des Ventrikels war festgestellt worden, dab die relative refraktare Phase bedeutend verl~ngert war, indem die Erregbarkeit yore Ende der Systole an viel langsamer als regelreehterweise zur alten H(ihe wie- der emporstieg. Auf diese Weise trafen die Sinnsreize auf eine relativ unerregbare Kammer nnd waren infolgedessen im Verh~ltnis zur Erregbarkeit der Kammermuskulatur unterschwellig. Es war aaeh dureh diese Untersuehungen einwandfrei bewiesen worden, dab das Kokain eine Li~hmung der Kammermuskulatur und nieht etwa eine isolierte Leitungssttirung des H i s sehen Btindels hervorrief. Ein Herz, das, in dieser Weise dutch Kokain beeinfiuBt, Rhythmns- st(irungen zeigte, konnte unter Umstiinden fur experimentell-thera- peutisehe Versuehe als 0bjekt dienen. Es wurde in folgender Weise vorgegangen: Das an der Stranb- sehen Kaniile seblagende Herz yon Rana temporaria, das mit i ecru 1) M. Kochmann, PfliiffersArch. f. ges. Physiol. 1921, Bd. 190, S. 158. 21"

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Page 1: Wirkung verschiedener Substanzen, insbesondere der sogenannten Herzmittel, auf Leitungsstörungen des Herzens

XX.

Ans dem Pharmakologisehen Institut der Universit~it Halle- Wittenberg.

Wirkung verschiedener Substanzen, insbesondere der sogenannten Herzmittel, auf Leitungsstiirungen des Herzens.

Von

Walter Simon. (Mit 5 Kurven.)

(Eingegangen am 12. VIII. 1923.)

In dem Kokain besitzen wir ein Mittel, das, wie die Unter- suehungen K o e h m a n n s 1) gezeigt haben, imstande ist~ eine wohl- definierte Stiirang der Reizleitung am isolierten Frosehherz hervor- zubringen. I n diesen Untersuehungen erwies es sieh, dab mittlere Gaben des K0kains Halbierung, Drittelung der Anzahl der Ventrikel- kontraktionen verursaehen. Dureh Messung der Erregbarkeit des Ventrikels war festgestellt worden, dab die relative refraktare Phase bedeutend verl~ngert war, indem die Erregbarkeit yore Ende der Systole an viel langsamer als regelreehterweise zur alten H(ihe wie- der emporstieg. Auf diese Weise trafen die Sinnsreize a u f eine relativ unerregbare Kammer nnd waren infolgedessen im Verh~ltnis zur Erregbarkeit der Kammermuskulatur unterschwellig. Es war aaeh dureh diese Untersuehungen einwandfrei bewiesen worden, dab das Kokain eine Li~hmung der Kammermuskulatur und nieht etwa eine isolierte Leitungssttirung des H i s sehen Btindels hervorrief. Ein Herz, das, in dieser Weise dutch Kokain beeinfiuBt, Rhythmns- st(irungen zeigte, konnte unter Umstiinden fur experimentell-thera- peutisehe Versuehe als 0bjekt dienen.

Es wurde in folgender Weise vorgegangen: Das an der S t ranb- sehen Kaniile seblagende Herz yon Rana temporaria, das mit i ecru

1) M. Kochmann, Pfliiffers Arch. f. ges. Physiol. 1921, Bd. 190, S. 158. 21"

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308 XX. WALTER SI:MO~.

Sauerstoff durchlUfteter RingerlSsung gespeist wurde~ schrieb seine Bewegungen in gewohnter Weise durch Siebenfach vergr(il~erte Hebel- Ubertragung auf ein Kymographion auf. In einigen Fallen wurde auch gleieh die Yorhofsbewegung registriert. Zu diesem Zwecke wurde die Spitze der S t raubschen Kanttle in einem Winkel yon 45 ~ abgebogen and in den Ventrikel eingeftihrt, so daft nunmehr Kammer und Vorhof nicht mehr scnkrecht tibereinander lagen, son- dern, wenn auch in geringem Grade, seitlieh zueinander versehoben wurden. Anf diese Weise war es mSglich~ an der Iterzspitze und gleichzeitig am tiefsten Punkte des u ein Herzhi~kchen an- zusetzen und dutch F~tden mit je einem Hebel zu verbinden, ohne gegenseitige Sttirung. Dis Versuchsanordnung yon A m s l e r 1) hatte sich uns nieht als gangbar erwiesen: besonders deshalb, weil d a s Gift nur langsam durch Diffusion bis an die Kammer dringen konnte. Sehlug das Herz einige Zeit regelmM3ig, so wurde 1/10 ccm Ringerl~isung dureh eine I/1o0oo Mol. starke LSsung yon Cocain. hydrochloricum in Ringerl(isung ersetzt nnd dies solange fortgesetzt, bis die gewollte RhythmnsstSrung eintrat. ~Nunmehr wurde dis zu untersuchende Substanz in bestimmter Konzentration auf gleiehe Weise zu der Herzftillung zugesetzt. In einigen Versuehen wurde auch darauf geachtet, dab dis Kokainkonzentration sich bci Zu- ftigung der zu untersuehenden Substanz nicht vcriinderte~ indem z. B. die gesamte Herzftillung dutch eine Kokain-Strophanthin-Ringer- 15sung ersetzt wurdel die das Kokain in gleicher Konzentration enthielt.

Zur Untersuchung gelangten: Strophanthinum amorphnm (BSh- r inger) und ein Digitalisbliitterpr~tparat, Liquitalis (Gehe)~ Kampfer, Coffein, Suprarenin, Pilokarpin nnd Atropin~ Calcium und Kalium~ Athylalkohol, Traubenzucker und menschliches Serum.

Dabei ergab sieh~ dal~ S t r o p h a n t h i n in keiner Konzentration yon 1 : 10000000 bis 1 : 1000 imstande war, die dureh Kokain her- vorgerufene Rhythmussti~rung zu bessern oder gar aufzuheben. Im Gegenteil: es zeigte sieh unter Umsti~nden sine weitere Yerschlech- terung des Herzschlages. Bei gro•en Strophanthingaben trat dis Strophanthinwirkung in Gestalt der systolischen Kontraktur zutage. Ein antagonistisches Verhalten des Kokains nnd Strophanthins auf die Rhythmussti~rung war nicht vorhanden, was um so mehr tiber- raschte, als L. W e i l e r 2) eincn Antagonismus wenigstens beziiglich

1) C. Amsler, Schweiz. reed. Wochenschr. 1920, ~r. 44. 21 L. Weiler, Arch. f. expel'. Path. a. Pharm. 1917, Bd. 80, S. 131.

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der ~)Elastiziti~tsverhaltnisse,< der Herzmuskulatur im Sinne Sehmie- debe rgs hatte beobaehten kiJnnen.

In gleicher Weise erwies sich aueh das Digitalisbl~tterpraparat L iqu i t a l i s als unwirksam gegenUber KokainrhythmusstiJrungen. Man muB also annehmen~ dab die untersuehten Digitalissubstanzen nicht imstande sind~ die durch Kokain verliingerte relative refrak- tare Phase des tierzens wieder zu verkUrzen und die Erregbarkeit der Kammer, die dureh Kokain vermindert worden war, wieder auf den alten Zustand zurUek zu bringen.

Aueh die Versuehe mit Kampfe r in Ringerltisung (0,2O/oig) hatten kein viel besseres Ergebnis, Die Kokainrhythmussttirung blieb bestehen, wenn aueh der Vorhof bzw. der Sinus sich in einem etwas sehnelleren ZeitmaBe kontrahierten. Der Sinus bzw. der Vor- hof kontrahierten sieh beispielsweise vor und naeh der Kokain- darreiehung regelmiiBig mit einer Sehlagzahl yon 30, jedoch fielen naeh der Kokainisierung Kammersystolen aus undes trat eine Hal- bierung des Pulses ein. Dureh Kampfer wurde die Sehlagzahl des Sinus um 3--4 Sehlage vermehrt und demzafolge zeigte aueh die Kammer eine Vermehrnng der Sehlagzahl um 1--2 Schlage. Die Unerregbarkeit abet war im Verhaltnis zum Vorhof und Sinus die gleiehe geblieben. Daneben war abet bei versehiedenen Konzen- trationen eine VergrtiBerung der Amplitude festzustellen.

Die Beobachtungen stimmen mit den bisherigen Ansiehten, nach denen der Kampfer die reizerzeugendeu Stiitten des Herzens (B (ihm e 1)) erregt, gut Uberein. Dagegen tlndet die Ansieht Wielands2), dab der Kampfer gerade an den Teilen des Herzens angreife, an denen eine toxisehe Substanz verankert ist, durch die vorliegenden Ver- suehe keine Bestatigung. Dieser'Befund kann abet nieht gegen die Wielandsehe Hypothese angefUhrt werden, da Wie land yon einer ,~adsorptiven Oberflaehenverdrangung~ durch den Kampfer sprieht, wi~hrend die Bedingungen der Giftwirknng des Kokains - - ob ehe- misch oder physikaliseh - - bisher nieht bekannt sind. Ja, man kSnnte sogar unter Zugrundelegung der Wielandsehen Hypothese zu der Ansieht kommen, dab das Kokain nicht phYsikaliseh-chemiseh an die Zellen gebunden sei, sondern durch ehemische Biudung an den Zellen selbst verankert ist, woftir aueh die Tatsaehe sprechen wUrde, dab das Herz eine Kokaingewtihnung zeigen kann (Koch- manna)).

1) A. B~ihme, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1905, Bd. 52, S. 346. 2) H. Wieland, Ebenda 1921, Bd. 89, S. 46. 3) M. Kochmann, Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 1921, Bd. 190, S. 158.

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Cof fe in , in RingerlOsung gelSst, ist imstande, die dutch Kokain hervorgerufene tlhythmusstOrnng vollkommen zu beseitigen. 1gut die Wirkung grol]er toxiseher Gaben l~tl~t sieh dutch Coffein nieht hemmen. Bei Konzentrationen yon 0~C01--0,01o/o treten die ausgefallenen Kammerkontraktionen sehr bald wieder ein, die Sinus- reize werden wieder auf die Vorkammer und Kammer t~bergeleitet. Der Yentrikel erlangt seine Erregbarkeit unter Coffein zurUek. Be- merkenswert ist, dab die Anzahl der Pulsationen doeh nach Besei- tigung der RhythmnsstSrung etwas geringer ist als vor der Kokaini- sierung. Die Amplitude ist h~tufig etwas grOl]er~ was jedoch mehr yon der Verlangsamung, also yon einer direkten Einwirkung des Coffeins auf die Kontraktion des Muskels abh~tngig sein k~nnte.

Kurve 1. Rune temporaria, m~nnlieh. Rhythmusst6rung dureh 1/5000 Mol. Kokain ~. Beseitigung dot St~rung durch Coffein 0,005% 7.

Wenn man will, kann man ein gegens~tzliehes Verhalten zwi- sehen Coffein und Kampfer annehmen. Kampfer l~Bt, wie oben er- w~thnt, die RhythmnsstSrung unbeeinflugt, besehleunigt aber die Kontraktionen des Sinus. Beim Coffein wird die RhythmusstSrung beseitigt. Der Sinus sehl~tgt aber in einem etwas langsameren Tempo als vor der Kokainisierung. Trotzdem w~tre es verkehrt, eine Aeeeleranswirkung, die das Coffein zweifellos besitzt, hier aus- zusehliegen.

Am einwandfreiesten lieB sieh die RhythmusstSrung dureh Su- p r a r e n i n beseitigen. In allen untersuehten Gaben yon 1 : 10000000

Kurve 2. Rana temporaria~ mEnnlich. Puls 30. Rhythmusstt~rung durch i/~o0o Mol. Kokain ~. Beseitigung tier Stt~rung durch Suprarenin 1:10(30000 7. Puls 30.

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bis 1 : 10000 trat sehlagartlg die Wiederherstellung der Herzkontrak- tion ein. Auf den Kurven mit gleiehzeitiger Vorhofregistrierung sieht man, dab die Vorkammer unter Suprareninwirkung' die Kon- traktionen erheblieh zanehmen laBt und dab unmittelbar darauf unter starkem Ansteigen der Kammeramplitude und starker Be- sehleunigung des Herzschlages bis auf das Doppelte die Rhythmus- stSrung ausgeglichen wird.

Es ist auffallend, dab yon den bisher untersuchten Substanzen die beiden sympathikotropen Stoffe sieh allein wirksam erwiesen. Es liiBt sich nieht feststellen, ob die Aufhebung der Rhythmus- stSrung auf dem Umwege einer Aeceleransreizung erfolgt oder ob dabei eine unmittelbare Einwirkung auf den Herzmuskel selbst eine Rolle spielt. Miiglieherweise sind beide Meehanismen ftir die Wir- kung verantwortlieh zu maehen. Aus den Versuehen mit Pilokarpin und Atropin ergibt sieh jedenfalls, dab dem Vagus kein EinfiuB zu- kommt; denn weder das vaguserreg'ende Pilokarpin, noch das para- sympathiseh-liihmende Atropin kSnnen die Rhythmusst(irung besei- tigen. Es kamen yore Pilokarpin Konzentrationen yon 1:100000 bis 1 : 100, vom Atropin Konzentrationen yon 1 : 1000000 bis 1 : 1000 zur Verwendung.

Alkohol , dessen unmittelbare Wirkung als Herzmittel noch immer strittig ist, wurde ebenfalls in den Kreis der Untersuchung gezogen. Es war in Konzentrationen yon 0,01 O/o his 5 o/o sine Wir- kung auf die RhythmusstSrung nieht festzustellen.

SehlieBlich wurden aueh normale Bestandteile des Plasmas unter- sueht. Es zeigte sich dabei, dab T r a u b e n z u e k e r in Konzentra- tionen yon I : 1000 his 1 : 100 wohl die Amplitude des Herzsehlages erhShte, die Rhythmusstiirung aber unver~ndert bestehen lieB. Sera verhielten sich nieht gleichmi~Big. Pferdeserum war g~nzlieh un- wirksam. Mensehenserum dagegen erwies sieh in einigen Versuehen als fiihig, die St~rung aufzuheben and die Amplitude stark zu ver- gr(iBern, und zwar wenn diese dutch mittlere Kokainkonzentrationen hervorgerufen war. Bei sehweren toxischen Erseheinungen dutch hohe Kokainkonzentrationen gelang es fast nie, den Herzsehlag wieder herzustellen. Es zeigte sich auBerdem, dab die Wirkung des mensehlichen Serums yon dem Zustande des tIerzens in hohem Grade abhi~ngig war. So konnte es sieh ereignen, dab das menseh- liehe Serum zuni~ehst ohne EinfiuB auf die KokainrhythmusstSrung war, dann abet das tterz, naehdem es sehon dureh andere Sub- stanzen oder dureh mehrfaehes Auswaschen geschiidigt war, auf mensehliches Serum reagierte.

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312 xx. W ~ T ~ S~OS.

Aus diesen Versuchen dilrftc sich wohl die SchluBfolgerung er- geben, dab nicht die kolloide Beschaffcnheit des Serums als solche cinch gUnstigcn Einflul] auf die StSrung ausUbt, denn sonst h~ttte auch das Pferdcscrum wirksam sein mUsscn. Man muB vielmehr aunchmcn, da[~ die Gift% dic bei dcr Blutgerinnung odor der Zer- trUmmcrung dcr Blutpliittchen nach F r c u n d und Got t l icb ~) cnt- stehcn, fur die Wirkung in Frage kommen. Auch hier zeigt sieh die auch sonst vielfach bcstiiti~te Tatsachc, dai~ das geschiidigte Organ auf cinch Reiz anspricht~ dcr bcim ungeschi~digten Organ ohne Einfiul~ bleibt. Es bedarf keiner Erwahnung~ daI~ durch diesc Versuche die sogenannte ~ Protoplasmatherapic,, in gewisser I-Iinsicht eine experimentelle Sttitze erhlilt.

l iIl! ll lill / I I I I Kurve 3. Rana temporuria, weiblich, Rhythmusstiirung dutch ~/5ooo Mol. Kokain ,}.

Erhiihung der Amplitude naeh 0,2% Traubenzueker ~.

Kurve 3a. Runa temporaria, weiblieh. Rhythmusst~rung dureh ~/5oo0 Mol. Kokuin v~. Giinstige Beeiuflussung durch 1 Tropfen Mensehenserum ~. (Kammerschreibung

unten uad Vorhofsehreibung oben.)

Die beidcn Kationen Calc ium und K a l i u m zeigten~ wie auch sonst am Hcrzen, ein gegensiitzliches Verhalten. Kalium~ in Kon- zcntrationen yon 0~005~ an, bcgiinstigte das Auftreten der Rhyth- mussti~rung, die dutch Kokain hervorgerufen wird 7 wiihrcnd Calcium

1) H. Freund und R. Gottlieb~ Miinch. reed. Wochenschr. 1922, S. 383.

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in Konzentrationen yon 0,01~ imstande ist, dis Amplitude des Herzsehlages zu erhiihen und die Rhythmusst(irung wenigstens teil- weise zu beseir Dureh hohe Gaben (0,50/0) des Calciums lief~ sieh eine systolische Kontraktur der Kammer, wie aueh sonst be- kannt, erzielen. Es kann keinem Zweifel unterliegen~ dab sich das Calcium in seiner Wirkung auf die Rhythmusstt}rung des Herzens durch Kokain den sympathikotropen Substanzen ansehliel]t (vgl. Zondek~)).

In den Untersuehungen K o e h m a n n s (a. a. 0.) hat sieh gezeigt, dab dis Kokainwirkung am tIerzen nach mehr oder weniger langer Zeit spontau versehwindet. Es wurde das zum Teil auf Zerst5rung des Kokains, zum Tell auf AngewOhnung zurUckgeftihrt. Aus diesen Grtinden war es erwUnseht~ zum Vergleieh die Rhythmusstiirung dutch eine Substanz hervorzurufen~ bei der eine spontane Erholung des tterzens nicht m~iglich ist. Eine solehe ist das Stryehninum nitricum, dessen Wirkung auf das isolierte Froschherz yon F r e y ~) analysiert worden ist. Dis Art der Sehi~digungen ist nach den Untersuehungen F reys im allgemeinen die gleiche wie beim Kokain. Dis Untersuehungen am strychninvergifteten Froschherz hatten das gleiehe Ergebnis wie dis, bei denen die RhythmusstSrung dureh Kokain hervorgerufen worden war, so dab wir yon einer ausftihr- lichen Wiedergabe absehen kiinnen. Auch war bier Strophanthin und das Digitalisbliitterpri~parat~ sowie Atropin nieht fiihi~, die RhythmusstSrung aufzuheben, wahrend Coffein, nieht Calcium, vor allem aber Suprarenin imstande waren, die Rhythmusst~irnng mehr oder weniger vollsti~udig zu beseitigen.

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Kurve 4. Rana temporaria, m~innlich. Rhythmusst(irung durch Strychnin. nitr. 1:10000 .~, Beseitigung dutch Coffein 0,05% ~.

Es ist selbstversti~ndlich nicht ohne weiteres angiingi~ yon den Versuchen am isolierten Frosehherz auf dis therapeutische Verwen-

1) s. G. Zondek, Klin. Woch. 1923~ Bd. 2, S. 38'2. 2) E. Frey~ Arch. f. exper. Path. u. Pharm. 1920~ Bd. 87: S. 377.

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dung der genannten Substanzen zu schlieBen. Immcrhin k(innen die Versuchsergebnisse als Grundlage fUr eine strengere Indikations- stellung der tterzmittel bei lJberleitungsstSrungen dienen. Es ist vielleicht nicht immer angebracht~ bei allen Schiidigungen der Uber- leitung und den daraus sich ergebenden RhythmusstSrungen stets nur Digitalis oder digitalisiihnliche Substanzen zu verwenden, denn, besitzen die Rhythmusst(irungen eine ~hnliche Genese wle die durch Kokain und Strychnin hervorgerufenen, so wird sich bei einer Tdbcr- tragung der vorliegenden Ergebnisse auf die klinische Anwendung das Coffein uud Suprarenin als am zweckmiiBigsten erweisen.

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Kurve 5. Rana temporaria, weiblieh, ttalbsttindige Rhythmusst~irung durch Strychnin. nitr. 1 : 1000, Wiederherstellung dutch Suprarenin-HC1 1 : 1000000 ~,.

Zusammenfassung .

1. Es wurden versehiedene Substanzen, Strophanthin, Liquitalis (Gehe), Kampfer, Coffein, Suprarenin, Pilokarpin und Atropin, Cal- cium und Kalium, Athylalkohol, Traubcnzucker und mcnsehliches Serum daraufhin untersucht, ob sic die dutch Kokain oder Strychnin hervorgerufenen RhythmusstSrungen des isolierten Froschherzens~ die auf einer Verli~ngerung der refraktaren Phase der Herzkammer be- ruhen, beseitigen ki~nnen.

2. Von den untersuchten Substanzen erwiesen sich Strophanthin, Liquitalis, Kampfer, Pilokarpin, Atropin, Kalium~ Alkohol und Trauben- zueker, sowie Pferdeserum als unwirksam, dagegen Coffein, Suprare- nin, Calcium und mcnsehliches Serum als fi~hig, die RhythmusstSrung ganz oder teilweise aufzuheben.

3. Am vollkommenstcn gelang die ,,therapeutisehe,, Bceinflussung des dutch Kokain und Strychnin geschi~digten Froschherzens dutch Suprarenin. Menschenserum zeigte sich an solchen Herzen besonders wirksam, die dureh andere Substanzen oder dutch 0ftmaligcs Aus- waschen eine weitere Schi~digung erlitten batten.

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4. Die Versuche mit Kampfer zeigten~ dab diese Substanz zweifel- los an den Reizerzeugungsstiitten einen Angriffspunkt besitzt, ohne die Rhythmusstiirung beseitigen zu kSnnen.

5. Es hat den Anschein, als ob die sympathikotropen Substanzen, wie Adrenalin und bis zu einem gewissen Grade Coffein, und die im Serum erseheinenden adrenalini~hnlichen Gifte besonders geeignet sind) die durch Kokain und Strychnin hervorgerufenen Rhythmus- sti~rungen zu beseitigem

6. Es kSnnen die vorliegenden Versuche als Grundlage fUr eine strengere Indikationsstellung der klinisehen Verwendung yon Herz- mitteln bei Rhythmusstfrungen in Betracht gezogen werden.