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Hauptbeiträge Ger J Exerc Sport Res 2017 · 47:335–347 DOI 10.1007/s12662-017-0461-4 Eingegangen: 11. Januar 2017 Angenommen: 22. Mai 2017 Online publiziert: 13. Juni 2017 © Der/die Autor(en) 2017. Dieser Artikel ist eine Open-Access-Publikation. Jolanda Vogler 1,2 · Roland Messmer 1,2 · David Allemann 1 1 Institut Sekundarstufe I und II, Pädagogische Hochschule, Basel, Schweiz 2 Institut für Bildungswissenschaften, Universität Basel, Basel, Schweiz Das fachdidaktische Wissen und Können von Sportlehrpersonen (PCK-Sport) Seit dem Nationalen Forschungspro- gramm 33 „Wirksamkeit unserer Bil- dungssysteme“ (Oser & Oelkers, 2001; teilw. mit Bezug zum Sport: Messmer, 1999) wurden zahlreiche Untersuchun- gen zur Wirksamkeit der LehrerInnen- bildung veröffentlicht – aber nur wenige für das Fach Sport. In den kognitiven Fächern galt dabei dem fachdidaktischen Wissen und Können („pedagogical con- tent knowledge“, PCK) ein besonderes Augenmerk. Die heuristische Größe PCK – ursprünglich von Shulman (1986) ent- wickelt – äußert sich auch empirisch als wesentliche Dimension im Kanon der unterschiedlichen Einflussfaktoren (z. B. für die Mathematik: Blömeke, Hsieh, Kaiser, & Schmidt, 2013). Nicht zuletzt aufgrund dieser empiri- schenErkenntnisse habendie Fachdidak- tiken in den vergangenen Jahren an Au- tonomie gewonnen und sind im Begriff, sich gegenüber den Fachwissenschaſten zu etablieren (für den Sport: Messmer & Gogoll, 2013; für die Naturwissen- schaſten: Parchmann, 2013). Das neu ge- wonnene Selbstverständnis der Fachdi- daktiken äußert sich an einer zuneh- mend eigenständigen fachdidaktischen Forschungstätigkeit, die sich gleichzei- tig auch an anderen Paradigmen orien- tiert (Beywl, Künzli David, Messmer, & Streit, 2015). Für eine Untersuchung des PCK im Sport gilt es demnach sowohl die methodischen Erfahrungen der anderen Fachdidaktiken zu nutzen als auch auto- nome Konstrukte zu entwickeln. Aufzwei dieser Erfahrungswerte soll hier hinge- wiesen werden. Obwohl sich gleichsam die gesamte Gemeinde der Professionsforschung für die Bestimmung des PCK auf die bei- den Aufsätze von Shulman (Shulman, 1986, 1987) bezieht 1 , wird nach Hashweh (2013, S. 116) das PCK nur einseitig rezi- piert: „While the topic-specificity of PCK was neglected by some researchers, the conceptualization of PCK as a subcatego- ry of teacher content knowledge (as sub- ject matter knowledge for teaching) was accepted“. Die mögliche Ausdifferenzie- rung des PCK als eine von sieben For- men des Professionswissens (Shulman, 1987, S. 8) macht bezüglich einer For- schungsökonomisierung Sinn. Weil sich der Sportunterricht in seinen Inszenie- rungsformen nur teilweise mit den kog- nitiven Fächern vergleichen lässt, scheint es uns für eine Modellierung des PCK- Sport geradezu notwendig, das emen- resp. das Fachspezifische des PCK kon- textualisiert zu erfassen. Zudem scheint uns für das PCK-Sport eine Orientierung an Entscheidungen in der Situation selbst – statt an eher reflexiv orientiertem Wis- sen – zwingend notwendig (Messmer & Brea, 2015). Damit lösen wir gleichsam auch eine vermeintliche Differenz von Wissen und Können auf. Aus einer pragmatischen Perspektiveistesnichtrelevant,inwiefern ein erfolgreiches Handeln im Unterricht von Wissen oder von Können 2 gesteu- ert wird. Die Differenz von präpositio- 1 Gemäß Hashweh (2013, S. 117) werden die beiden Artikel über 7400-mal zitiert (Stand 2013). 2 Der von Shulman konsequent verwendete und mehrdeutige Begriff „knowledge“ wird in der deutschsprachigen Rezeption meist einseitigmit „Wissen“übersetzt (Fantl, 2016). nalem Wissen, das in Unterrichtssitua- tionen angewendet und damit zu proze- duralem Wissen wird, löst sich in Critical Incidences, wie wir sie hier verwenden, auf. Dies lässt sich gleichsam als erste Topik für eine Untersuchung des PCK- Sport festhalten. Eine zweite Topik weist auf die Diffe- renz von Fachwissen und -können und fachdidaktischem Wissen und Können hin. In den untersuchten Fächern zeigt sich, dass die empirische Differenz zwi- schen dem Fachwissen (CK) und dem fachdidaktischen Wissen (PCK) in den Instrumenten nur schwierig zu erreichen ist.Brunneretal.(2006)stellenfürdievon Shulman theoretisch entwickelten Fak- toren (PCK und CK) zwar eine empi- rische Differenz fest, welche aber „mit zunehmender Expertise stärker vernetzt werden. Je nach Lehrerinnen- und Leh- rerausbildung können die Ausprägungen der beiden Wissenskomponenten sehr unterschiedlich ausfallen“ (Kocher, 2014, S. 59). Die hohen Interkorrelationen von PCK und CK, die beim Mathematikun- terricht belegt werden können, weisen aber auf die Schwierigkeit hin, die bei- den Wissensfacetten als Konstrukt zu trennen (Türling, 2014, S. 86). So zeigen sich für in den als gering strukturiert bezeichneten Domänen Deutsch (Bre- merich-Vos, Dämmer, Willenberg, & Schwippert, 2011) und Englisch (Ro- ters, Nold, Haudeck, Kessler, & Stancel- Piatak, 2011) nur niedrige bis mittlere positive Zusammenhänge. Dies deutet weniger auf eine verbesserte Validität der PCK-Instrumente hin als vielmehr, German Journal of Exercise and Sport Research 4 · 2017 335

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  • Hauptbeiträge

    Ger J Exerc Sport Res 2017 · 47:335–347DOI 10.1007/s12662-017-0461-4Eingegangen: 11. Januar 2017Angenommen: 22. Mai 2017Online publiziert: 13. Juni 2017© Der/die Autor(en) 2017. Dieser Artikel isteine Open-Access-Publikation.

    Jolanda Vogler1,2 · Roland Messmer1,2 · David Allemann1

    1 Institut Sekundarstufe I und II, Pädagogische Hochschule, Basel, Schweiz2 Institut für Bildungswissenschaften, Universität Basel, Basel, Schweiz

    Das fachdidaktische Wissen undKönnen von Sportlehrpersonen(PCK-Sport)

    Seit dem Nationalen Forschungspro-gramm 33 „Wirksamkeit unserer Bil-dungssysteme“ (Oser & Oelkers, 2001;teilw. mit Bezug zum Sport: Messmer,1999) wurden zahlreiche Untersuchun-gen zur Wirksamkeit der LehrerInnen-bildung veröffentlicht – aber nur wenigefür das Fach Sport. In den kognitivenFächern galt dabei dem fachdidaktischenWissen und Können („pedagogical con-tent knowledge“, PCK) ein besonderesAugenmerk.DieheuristischeGrößePCK– ursprünglich von Shulman (1986) ent-wickelt – äußert sich auch empirisch alswesentliche Dimension im Kanon derunterschiedlichen Einflussfaktoren (z. B.für die Mathematik: Blömeke, Hsieh,Kaiser, & Schmidt, 2013).

    Nicht zuletzt aufgrund dieser empiri-schenErkenntnissehabendieFachdidak-tiken in den vergangenen Jahren an Au-tonomie gewonnen und sind im Begriff,sich gegenüber den Fachwissenschaftenzu etablieren (für den Sport: Messmer& Gogoll, 2013; für die Naturwissen-schaften: Parchmann, 2013). Das neu ge-wonnene Selbstverständnis der Fachdi-daktiken äußert sich an einer zuneh-mend eigenständigen fachdidaktischenForschungstätigkeit, die sich gleichzei-tig auch an anderen Paradigmen orien-tiert (Beywl, Künzli David, Messmer, &Streit, 2015). Für eine Untersuchung desPCK imSport gilt es demnach sowohl diemethodischen Erfahrungen der anderenFachdidaktiken zu nutzen als auch auto-nomeKonstruktezuentwickeln.Aufzweidieser Erfahrungswerte soll hier hinge-wiesen werden.

    Obwohl sich gleichsam die gesamteGemeinde der Professionsforschung für

    die Bestimmung des PCK auf die bei-den Aufsätze von Shulman (Shulman,1986, 1987) bezieht1, wird nachHashweh(2013, S. 116) das PCKnur einseitig rezi-piert: „While the topic-specificity of PCKwas neglected by some researchers, theconceptualizationof PCKas a subcatego-ry of teacher content knowledge (as sub-ject matter knowledge for teaching) wasaccepted“. Die mögliche Ausdifferenzie-rung des PCK als eine von sieben For-men des Professionswissens (Shulman,1987, S. 8) macht bezüglich einer For-schungsökonomisierung Sinn. Weil sichder Sportunterricht in seinen Inszenie-rungsformen nur teilweise mit den kog-nitiven Fächern vergleichen lässt, scheintes uns für eine Modellierung des PCK-Sport geradezu notwendig, dasThemen-resp. das Fachspezifische des PCK kon-textualisiert zu erfassen. Zudem scheintuns für das PCK-Sport eineOrientierunganEntscheidungen inder Situation selbst– statt an eher reflexiv orientiertem Wis-sen – zwingend notwendig (Messmer &Brea, 2015).

    Damit lösen wir gleichsam auch einevermeintliche Differenz von Wissen undKönnen auf. Aus einer pragmatischenPerspektive istesnichtrelevant, inwiefernein erfolgreiches Handeln im Unterrichtvon Wissen oder von Können2 gesteu-ert wird. Die Differenz von präpositio-

    1 Gemäß Hashweh (2013, S. 117) werden diebeiden Artikel über 7400-mal zitiert (Stand2013).2 Der von Shulman konsequent verwendeteund mehrdeutige Begriff „knowledge“ wirdin der deutschsprachigen Rezeption meisteinseitigmit „Wissen“übersetzt (Fantl,2016).

    nalem Wissen, das in Unterrichtssitua-tionen angewendet und damit zu proze-duralemWissenwird, löst sich inCriticalIncidences, wie wir sie hier verwenden,auf. Dies lässt sich gleichsam als ersteTopik für eine Untersuchung des PCK-Sport festhalten.

    Eine zweite Topik weist auf die Diffe-renz von Fachwissen und -können undfachdidaktischem Wissen und Könnenhin. In den untersuchten Fächern zeigtsich, dass die empirische Differenz zwi-schen dem Fachwissen (CK) und demfachdidaktischen Wissen (PCK) in denInstrumenten nur schwierig zu erreichenist.Brunneretal. (2006)stellenfürdievonShulman theoretisch entwickelten Fak-toren (PCK und CK) zwar eine empi-rische Differenz fest, welche aber „mitzunehmender Expertise stärker vernetztwerden. Je nach Lehrerinnen- und Leh-rerausbildung könnendieAusprägungender beiden Wissenskomponenten sehrunterschiedlich ausfallen“ (Kocher, 2014,S. 59).

    Die hohen Interkorrelationen vonPCK und CK, die beim Mathematikun-terricht belegt werden können, weisenaber auf die Schwierigkeit hin, die bei-den Wissensfacetten als Konstrukt zutrennen (Türling, 2014, S. 86). So zeigensich für in den als gering strukturiertbezeichneten Domänen Deutsch (Bre-merich-Vos, Dämmer, Willenberg, &Schwippert, 2011) und Englisch (Ro-ters, Nold, Haudeck, Kessler, & Stancel-Piatak, 2011) nur niedrige bis mittlerepositive Zusammenhänge. Dies deutetweniger auf eine verbesserte Validitätder PCK-Instrumente hin als vielmehr,

    German Journal of Exercise and Sport Research 4 · 2017 335

    http://crossmark.crossref.org/dialog/?doi=10.1007/s12662-017-0461-4&domain=pdf

  • Hauptbeiträge

    Abb. 18 Übersicht der PCK-Sport-Studie

    dass der Konstruktvalidität eine hoheBeachtung geschenkt werden muss.

    Wenn man davon ausgeht, dass auchder Sport als „wenig strukturiert“ be-zeichnet werden muss, dann lassen sichfür eine Untersuchung des PCK-Sportzwei wesentliche Anforderungen formu-lieren:a) Sowohl Konstrukt als auch Instru-

    ment müssen kontextualisiert sein,um nicht allgemeine, sondern fach-didaktisch spezifische Ergebnisse zuerzielen.

    b) Das Instrument muss vermeiden,dass durch die Erhebung von fach-didaktischem Wissen und Könnenundifferenziert auch Fachwissen und-können mit erhoben wird.

    Dieser Anspruch auf eine spezifischeKonzeptionierung resp. Modellierungdes PCK-Sport (resp. bei anderen Fä-chern) ist unbestritten: „Shulman istsich aber der Notwendigkeit der Spezifi-zierung je nach Fach offenbar bewusst“(Krauss et al., 2008, S. 228).

    Entsprechend diesem professions-spezifischen Approach wurde die PCK-Sport-Studie in verschiedene Phasen un-terteilt, die zusammenfassend dargestelltwerden (. Abb. 1).

    Im Folgenden wird nach einer über-sichtsartigen Darstellung des Instru-ments und dessen empirische Validie-rung, die Stichprobe und die Durchfüh-rung der Tests dargestellt. Anschließendsteht die Darstellung der Ergebnisse derLängs- und Querschnittsuntersuchungim Zentrum, welche mit einem Fazitabgeschlossen wird.

    Theoretische und empirischeModellierung PCK-Sport

    The „Knowledgeable Teacher Hypothe-sis“ (Kunter et al., 2013, S. 806) geht

    von der Annahme aus, dass das Wis-sen – die Kompetenz – der Lehrpersonfür die Wirksamkeit von Unterricht einentscheidenderFaktor ist.Auchwennan-dere Hypothesen weitere Einflussgrößenzu Recht geltend machen, zeigt sich die-ser Aspekt für die Ausbildung am wirk-samsten, weil geradezu nur dieser direktbeeinflusst werden kann. Entsprechendlautet die zentrale Fragestellung der Un-tersuchung: Wie beeinflusst die Ausbil-dung von Sportlehrpersonen deren fach-didaktisches Wissen und Können?

    Für das PCK oder allgemeiner fürdas Professionswissen von Lehrperso-nen wird gemeinhin eine Differenz von„propositional knowledge“ und „per-formance knowledge“ (Fenstermacher,1994) festgehalten. Letzteres umfasstmehr als lediglich ein Rezeptwissenfür die Anwendung von Fachwissen.Eine weitere Differenzierung weist aufdie Kontextualisierung von Professions-wissen hin. Im angelsächsischen Raumentwickelte sich–ausgehendvondenKa-nadiern Clandinin und Connelly (1995,S. 4) – ein Diskurs um den Begriff „Tea-cher’s Landscape“, der letztlich auf sehrähnliche Art und Weise auf die Diffe-renz von Wissen und Können hinweisenwollte. Dieser amerikanisch-kanadischeDiskurs geht zurück auf eine von Bruner(1985) schon sehr früh in den Diskurseingebrachte Unterscheidung von narra-tivem und paradigmatischem Denken,weshalb Messmer (2011) zudem auf dieWichtigkeit von narrativen Denk- undWissensformen für SportlehrerInnenhinweist. Demnach sind im Handlungs-vollzug von Lehrpersonen mehrheitlichnarrative Denkformen für Entscheidun-gen von Bedeutung. Diese drei Aus-differenzierungen des PCK bestätigenletztlich die „Amalgam-Hypothese“ vonShulman (1987, S. 8), wonach es sichbei fachdidaktischem Wissen und Kön-

    nen immer um ein Konglomerat vonverschiedenen Wissens- und Könnens-formen handelt. Um dieses Amalgamadäquat zu erfassen, wurden potenzi-elle Dimensionen und Kompetenzendes PCK im Sport durch eine Delphi-Befragung und eine Pilotstudie ausdif-ferenziert und zu bestimmen versucht.

    Theoretische ModellierungTestinstrument

    Für die Entwicklung dieses Kompetenz-modellswurde auf dasModell von Scher-ler (2004, S. 28 ff.)Bezuggenommen.DasModell weist auf drei Dimensionen dessportdidaktischen Handelns hin: Inhaltepräsentieren, Bedingungen organisieren,mit SchülerInnen interagieren. Die dendrei Dimensionen implizit zugeordneten10 Kompetenzbereiche3 wurden in einerersten Delphi-Befragung auf ihre sport-didaktische Relevanz hin überprüft, teil-weise ausdifferenziert und auf 16 Kom-petenzen ergänzt (. Tab. 1).

    Im weiteren Verlauf gelang es denExpertinnen und Experten der Delphi-Befragung, die dafür wichtigen Indi-katoren und Items den Dimensionenzuzuordnen. Mit diesem methodischenVerfahren konnte das Instrument nachmehreren Durchgängen verbessert undangepasst werden. Es entstand ein Mo-dell mit sichtbaren Kategorien. In einemnächsten Schritt wurden den einzelnenDimensionen Fallgeschichten zugeord-net (. Tab. 2). Die Verbindung einzelnerKompetenzen mit einer korrespondie-renden Fallgeschichte setzt den Begriffin eine professionelle Wirklichkeit, diemehr als Wissen erfordert. Diese Fallge-schichten wurden aufgrund festgelegter

    3 Scherler spricht von „Unterscheidungen undden dazu gehörigen Lehrerhandlungen“ (2004,S.28).

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  • Kompetenzprofile aus einer Sammlungvonüber200Fallgeschichtenausgewählt4(Messmer & Brea, 2015). Ein Beispiel istin . Tab. 2 dargestellt.

    Die doppelt kodierten Werte desPCK-Sport wurden in einem erstenSchritt pro Faktor (Kompetenz), überalle Untersuchungsgruppen hinweg, aufihre überdurchschnittlichen Unterschie-de hin untersucht (Kruskal-Wallis Test).Nach einem erneuten Coaching undeinem zweiten Durchgang durch dasMaterial war die Interraterreliabilität beiallen Items genug hoch (Cohens Kap-pa > 0,6), sodass mittels konsensuellemVerfahren (Schmidt, 1997, S. 557 ff.)auf eine Lösung je Proband entschiedenwerden konnte. An dieser Stelle musserwähnt werden, dass den schriftlichenAntworten der Probanden gemäß denAntworten im Instrument ein binärerCode von 0 und 1 zugewiesen wurde.Falls der Proband eine im Instrumentdargelegte Antwortmöglichkeit und ei-ner dazugehörigen Präzisierung (bspw.ein Beispiel oder einen Inhalt) ange-geben hat, wurde diese Textstelle miteiner 1 kodiert, andernfalls mit einer0 (. Tab. 2). So konnte diese qualitativgroße Datenmenge so weit reduziertwerden, dass letztlich eine quantitativeAuswertung der Daten möglich war.

    Empirische Modellierung

    Für das daraus entstandene Modell„PCK-Sport“ (Messmer & Brea, 2015)wurde für die hier vorliegende Unter-suchung eine Varianz-Kovarianzmatrixerstellt, um signifikante Korrelationeninnerhalb der gleichen Dimension (p ≤0,05) und später auch Dimensionen-

    4 www.sportdidaktik.ch/Fallarchiv: Das Archivist ein gemeinsames Projekt der PädagogischenHochschulen Freiburg (Institut fürAlltagskultur,Bewegung und Gesundheit; FachrichtungSportwissenschaft und Sport: Ilka Lüsebrink)und der Pädagogischen Hochschule FHNWBasel (Professur Sport und Sportdidaktik imJugendalter:RolandMessmer).

    Zusammenfassung · Abstract

    Ger J Exerc Sport Res 2017 · 47:335–347 DOI 10.1007/s12662-017-0461-4© Der/die Autor(en) 2017. Dieser Artikel ist eine Open-Access-Publikation.

    J. Vogler · R. Messmer · D. Allemann

    Das fachdidaktischeWissen und Können von Sportlehrpersonen(PCK-Sport)

    ZusammenfassungDas „pedagogical content knowledge“ (PCK)gilt in verschiedenen anderen Schulfächernals zentrale Größe der Professionskompetenzvon Lehrpersonen. Für die Sportdidaktikliegen noch sehr wenige Untersuchungenvor. In diesem Beitrag werden die Ergebnisseeiner umfangreichen Mixed-Methods-Untersuchung zum fachdidaktischenWissenund Können von Sportlehrpersonen (PCK-Sport) vorgestellt. In einem ersten Teilwird die theoretische Modellierung desKompetenzmodells für das PCK-Sportdargestellt. Das so konzipierteModell und dasentwickelte Testinstrument konnte in einemzweiten Teil für die Vergleichsstudie genutztwerden. Dabei wurden Entwicklungen derverschiedenen Kompetenzen des PCK-Sport

    während und nach der Ausbildung sowieUnterschiede des PCK-Sport in Bezug aufdie Zielstufen und den Ausbildungstypus(Sek I/Sek II, konsekutiv/integriert,N = 113)untersucht. Entgegen den Erwartungenaus der Theorie konnte nur ein geringerZusammenhang zwischen dem PCK-Sport und der Unterrichtserfahrung derStudierenden festgestellt werden. In Bezugauf die Effekte der Ausbildung zeigt sich diegrößte Varianz des PCK-Sport in Abhängigkeitzum Ausbildungstypus.

    SchlüsselwörterLehrerhandeln · Professionskompetenzen ·Vignetten · Pedagogical Content Knowledge ·Critical Incidences

    The pedagogical content knowledge of physical educationteachers

    AbstractPedagogical content knowledge (PCK)is regarded as the central parameter ofprofessional competence of teachers invarious school subjects. There are still very fewstudies on physical education didactics. Thisarticle presents the results of a comprehensivemixed-method study on the subject-specificknowledge and skills of physical educationteachers (PCK Sports). In the first part, thetheoretical modeling of the competencymodel for PCK Sports is presented. Themodel that is designed in this way and thedeveloped test instrument was used inthe second part for a comparative study.Development of the various competenciesof PCK Sports during and after the teacher’seducation as well as differences of PCK Sports

    with respect to the target stages and thetype of education (secondary I/secondaryII, consecutive/integrative,N = 113) wereexamined. Contrary to expectations fromtheory, only a small association betweenPCK Sports and the teaching experience ofthe students (the future teachers) could befound. Regarding the effects of education, thegreatest variance of PCK Sports is associatedwith the type of educational training for theteachers.

    KeywordsTeaching practice · Professional skills ·Vignette · Pedagogical content knowledge ·Critical incidences

    German Journal of Exercise and Sport Research 4 · 2017 337

    http://www.sportdidaktik.ch/Fallarchiv

  • Hauptbeiträge

    Tab. 1 Dimensionen undKompetenzen PCK-Sport

    Dimensionen Kompetenzen PCK (Faktoren) (Gesamt) Anzahl Items

    Inhaltepräsentieren

    Spielprozesse initiieren und begleiten 6

    Problemlöseprozesse initiieren und begleiten 4

    Übungsprozesse auslösen und leiten 3

    Trainingsprozesse auslösen und leiten 6

    Verstehen anregen 4

    Bedingungenorganisieren

    Klasse leiten 3

    Zeit einteilen 3

    Raum ordnen 3

    Material einsetzen 3

    Mit SchülerInneninteragieren

    Verständlich erklären 3

    Interessen beachten 4

    Auf Disziplin achten 4

    Leistungsfähigkeit beachten 6

    Beurteilen und Evaluieren 7

    Körperlichkeit beachten 3

    Gender beachten 4

    16 66

    übergreifend zu identifizieren5. Auf-grund der dadurch gefundenen Korrela-tionen konnte das Instrument angepasstund die Faktoren reduziert werden. Vonden ursprünglich 16 Faktoren wurde dasInstrument durch Kreuzkorrelationenempirisch auf neun Faktoren verrin-gert, indem man Items, die inhaltlichzu mehreren Faktoren passten, entspre-chend den gefundenen Korrelationenneu zuordnete (. Tab. 3). Inhaltlichwurde darauf geachtet, dass die neuzugeordneten Items kongruent zu denKompetenzen blieben. Für den Längs-schnitt konnte auch das Testinstrumentvon 16 Vignetten auf 10 Vignetten redu-ziert werden, was die durchschnittlicheBearbeitungsdauer der Folgeuntersu-chung minimierte.

    Die Reduktion der von den Expertenentwickelten 16 Kompetenzen auf 9 Fak-torendurchdie empirischeModellierungwar zu erwarten. So bestätigt sich z. B. dietheoretischnachvollziehbareUnterschei-dung von Übungs- und Trainingspro-zessen empirisch nicht. Allerdings soll-

    5 Ein empirisches Gesamtmodell auf latenterEbenewurdemitverschiedenenVerfahren (CFA,EFA) geprüft, führte aber aufgrund der hohenAnzahl Items (T1 = 45; T2 = 28) und der danndoch zu geringer Anzahl Probanden (N = 113,ohne Beginner: N = 69) zu keinen sinnvollenResultaten.

    te hier nicht naturalistisch fehlgeschlos-sen und diese didaktisch relevante Un-terscheidung aufgegeben werden. Pro-fessionskompetenzen sind immer auchnormativ zu beurteilen. Es reicht des-halb nicht aus, lediglich Lehrpersonenüber ihre Einschätzung zu Kompeten-zen zu befragen und daraus Kompetenz-profile zu erstellen. Die fachdidaktischeForschung und Theorie muss hier ihrenBeitrag zur Professionsentwicklung leis-ten.

    Die empirische Validierung zeigt zu-dem, dass einzelne Items (Antworten)besser mit anderen als der analytischzugeordneten Vignette korrelieren. DieItems wurden deshalb teilweise neu zu-geordnet (. Tab. 3).

    Stichprobe und Administrationder Tests

    Stichprobe

    Insgesamt wurden 246 Studienbegin-ner und Studienabschließende an dreiverschiedenen Deutschschweizer Hoch-schulen angeschrieben, um an dieserUntersuchung teilzunehmen. Mit 113verwertbarenAntwortfilesergibtdaseinegute Rücklaufquote von 46%. An derPädagogischenHochschule in Bernwur-den Sek II Beginner und Abschließende

    angeschrieben, anderPHZürichwurdenSek I Beginner und Abschließende an-geschrieben und an der PädagogischenHochschule FHNW Basel und Bruggwurden auf beiden Stufen Beginner undAbschließende angeschrieben. Damitwurden für die Stufe Sek II zwei der dreibestehendenAusbildungsorte erfasst, fürdie Sek I etwa ein Drittel der Ausbil-dungsorte in der Deutschschweiz. ProAusbildungsinstitution wurden jeweilsalle Studierenden des entsprechendenJahrgangs angeschrieben.

    Die Beteiligung der drei größtenPäd. Hochschulen der Schweiz weist aufeine repräsentative Stichprobe für dieSchweiz hin. Befragtwurden die Proban-den mit einemOnline-Befragungsbogen(Unipark).

    Die Gesamtstichprobe zeigt sich be-züglich Geschlecht, Alter, Hochschuleund sportliche Aktivität proWoche überdie Kohorten ausgeglichen, ebenso vieleFrauen wie Männer haben die Umfrageabgeschlossen. Aus den PädagogischenHochschulen Zürich und Bern habensich je 16 Studierende beteiligt. Mit 57beteiligten Studierenden repräsentiertdie PH FHNW Basel und Brugg diegrößte studentische Gruppe. Die Pra-xislehrpersonen sind überwiegend über35 Jahre alt und männlich (n = 24).

    Für den Längsschnitt wurden erneutdiejenigen Probanden angeschrieben,welche zum Zeitpunkt T1 der Kohor-tengruppe der Studienbeginner (Sek Iund II) angehörten. Insgesamt konntenfür den Zeitpunkt T2 alle damaligenSek I Studierende (17) und von deninsgesamt 27 Sek II Studienbeginnern,24 Abschließende zum Zeitpunkt T2angeschrieben werden, was eine Sum-me von 41 angeschriebenen Probandenausmacht.

    Von Insgesamt 41 angefragten Stu-dierenden haben zwei Sek-I-Studierendeund ein Sek-II-Studierender das Studi-um abgebrochen. Somit betrug die Rück-laufquote zum Zeitpunkt T2 79%. Auf-grund der „missing files“ wurden letzt-lich nur 7 Sek-I-Studierende (2 „miss-ing files“) und 19 Sek-II-Studierende (2„missing files“) in die Untersuchung miteinbezogen. Die „missing files“ wurdenaufgrund unseriösem bzw. offensichtlich

    338 German Journal of Exercise and Sport Research 4 · 2017

  • Tab. 2 Ausschnitt der Vignette 20 des Instruments PCK-Sport

    Vignette 20 Code Indikator/Beispiel Beispiel Kompetenz/Dimension Vignettencode

    Es steht eineLeistungsüberprüfung imBereich Ausdauer an. DieSchülerinnen und Schülermachen den 12-Minuten-Lauf auf der 400-m-Bahn desSportplatzes. Unter denSchülerInnen ist ein starkübergewichtigesMädchen.Sie startet mit den anderenzur Leistungsüberprüfung,schafft aber nur eine Strecke,die mit der Note 1a bewertetwird.Einige Mitschülerinnen sindempört und stellen denLehrer zur Rede: „Warumbekommt sie eine 1 obwohlsie, im Gegensatz zu anderenaus unserer Klasse,anwesend war und nachihren Möglichkeitengelaufen ist?“Was antworten Sie? Wiefahren Sie mit demUnterricht fort?

    lauf_wieder Die Abwesendenmüssenden Lauf nachholen

    Ich versichere ih-nen, dass die nichtanwesenden SuSden 12-Minuten-Lauf nachholenmüssen

    Beurteilen und Evaluie-ren/Mit SuS interagieren

    20a

    semesterrote Diskussion/Begründung überBeurteilung (langfristig, auchweitere und andere Notenbetreffend)Diskussion SemesternoteSport: nicht nur Leistungsno-ten, auch Ästhetik

    Dass die Sport-noten nicht aus-schließlich auf-grund der Einzel-noten berechnetwerden, sonderndass man denEinsatz auch be-rücksichtige

    Beurteilen und Evaluie-ren/Mit SuS interagieren

    20b

    skala_anp Skala oder Messsysteman-passen (kurzfristig nur dieaktuelle Note betreffend)Schülerin bekommt eineleicht bessere NoteZweite Chance

    Weil ich ganz be-stimmt nie einerSchülerin dieNote 1 erteilenwürde, die ihrenMöglichkeitenentsprechend al-les gegeben hat

    Beurteilen und Evaluie-ren/Mit SuS interagieren

    20c

    aIn der Schweiz wird die beste Leistung als „6“ bewertet, die schlechteste als „1“

    unmotiviertem Antwortverhalten ausge-filtert.

    Durchführung des Tests(Querschnitt)

    Vorgängig zur Vignettenbefragung wur-den mit einem Fragebogen Daten zurPersonund zumsoziobiografischenHin-tergrund erhoben. Damit konnte einer-seits kontrolliert werden, wie repräsenta-tiv die Stichprobe insgesamt ausfällt, undandererseits wurden damit zusätzliche –unter Umständen abhängige – Variablenerfasst.

    Im Mittel sind die Probanden sport-lichmehr als 4 hproWoche aktiv undha-ben mehrere Jugend-und-Sport-Leiter-kurse (J+S-Leiterkurse) besucht.

    Mit den insgesamt 113 Teilnehmen-denwurdediegeplanteProbandenanzahlproKohorte erfüllt. Aufgrund der langenBearbeitungsdauer der Umfrage (Mittel-wert: 59min) kann diese Stichproben-zahl als durchaus positiv gewertet wer-den. Die Studienbeginner der Sekundar-stufe Iwendeten imMittel 67min zurBe-antwortung des Fragebogens auf, Praxis-lehrpersonen und Abschlussstudierende

    der Sekundarstufe II kamen im Mittelauf kürzere Bearbeitungszeiten von 55bzw. 54min. Die Bearbeitungszeit stehtdemnach auch in einem überzufälligenZusammenhang (tau = 0,404; p ≤ 0,05;N = 113) zum durchschnittlichen PCK-Gesamtwert.

    Durchführung des Tests(Längsschnitt)

    Nach einer Pilotstudie mit 5 Studieren-den der FHNW Basel, wurde die online-basierte Untersuchung im Frühling 2016erneut via Unipark durchgeführt. Im ers-ten Teil wurden die Untersuchungsteil-nehmenden gebeten, zusätzlich zu densoziobiografischen Daten einerseits ihrpersönliches Leistungsvermögen in denverschiedenen Sportarten auf einer fünf-stufigen Ratingskala von „sehr schlecht“bis „sehr gut“ anzugeben (indenSportar-tenLeichtathletik,Geräteturnen&Akro-batik, Gymnastik & Tanz, Fußball, Vol-leyball, Handball, Schwimmen, Basket-ball) und andererseits die Wichtigkeitder Kompetenzbereiche in einer eben-falls fünfstufigen Ratingskala von „sehrunwichtig“ bis „sehr wichtig“ (die Kom-

    petenzbereiche konditionelle Fähigkei-ten, motorische und technische Fähig-keiten, Spiel- und taktische Fähigkeiten,ästhetische Kompetenz, kognitive Kom-petenz, Sinnkonstruktion/-rekonstrukti-on) zu bewerten.

    Ergebnisse der Untersuchung(Quer- und Längsschnitt)

    Fachdidaktisches Wissen undKönnen und Unterrichtserfahrung

    Es existieren sichwidersprechendeTheo-rien zur Frage, wann fachdidaktischesWissen und Können erworben wird. AufdereinenSeitegehenTheoriendavonaus,dass berufspraktischesWissen und Kön-nen erst durch Unterrichtspraxis erwor-benwird (Hashweh, 2005).Auf der ande-renSeite vertrittdie „deliberatepractice“-Theorie, dass eine domänenspezifischeExpertise erst durch Training an eige-nenDefiziten erreicht werden kann. Die-se allgemeinpsychologische Theorie istin zahlreichen Bereichen belegt (Krausset al., 2008, S. 244). Allerdings weisen dieBeispiele (Sport, Musik, Schach etc.) aufeine sich vonder Lehrerprofessionunter-

    German Journal of Exercise and Sport Research 4 · 2017 339

  • Hauptbeiträge

    Tab. 3 Faktoren nach empirischer Validierung (Varianz-Kovarianzmatrix) und Reduktion auf10 Vignetten

    Dimensionen Faktor Kompetenzen PCK Beteiligte Vi-gnetten/Items

    Anzahl Vignet-ten (Summe)

    Inhaltepräsentieren

    F1 Inhalte deuten 4b 8a 12a 3

    F2 Trainings- und Übungs-prozesse auslösen undleiten

    6b 6d 14a 16a 3

    Bedingungenorganisieren

    F3 Zeit und Personen organi-sieren

    13d 16c 18b 3

    F4 Raum und Materialienorganisieren

    6c 18c 18d 2

    Mit SchülerInneninteragieren

    F5 Anweisungen und Erklä-rungen geben

    4a 13a 13b 2

    F6 Interessen beachten 3c 8b 14b 3

    F7 Leistungsfähigkeit beur-teilen und Evaluieren

    8c 16b 20a 3

    F8 Körperlichkeit beachten 3b 6a 8d 3

    F9 Auf Unterschiede achten 3d 18a 20b 3

    28 (10)

    scheidendenExpertise hin. ImSportwei-sen Ericson und Kollegen (1993, S. 371)demnach auch auf die Effekte einer ho-hen Herzfrequenz als wesentlichen Wir-kungsfaktor hin. Dass diese – selbst imSportunterricht – für die Entwicklungvon PCK entscheidend sein kann, ver-steht sich von selbst. Trotzdem sind beidePositionen im Professionalisierungsdis-kurs von Lehrpersonen bedeutsam undwerden hier als Hypothesen aufgenom-men.Das reflektierteArbeitenaneigenenSchwächen findet wohl auch eher in derAusbildung (insbesondere in einer ein-phasigen, wie hier untersucht) statt alsin der alltäglichen Unterrichtspraxis.

    Unterrichtserfahrung derStudierendenDie Frage, ob fachdidaktisches Wissenund Können eher durch die Ausbildungoder durch die tägliche Unterrichtspra-xis erworben wird, kann durch die PCK-Sport-Daten klar beantwortet werden.Die statistischen Analysen ergeben überalle Faktoren und Dimensionen des PCKkeinen positiven Zusammenhang zurUnterrichtserfahrung. Die Unterrichts-erfahrung wurde durch unterschiedlicheItems erhoben. Zum einen wurde dieErfahrung durch die eigenorganisierteTätigkeit als Sportlehrperson operatio-nalisiert (Frage: Tragen Sie ein, wie vieleLektionen Sie eigenorganisiert in ei-

    ner Schule unterrichtet haben). DieserZusammenhang zeigt für die ZielstufeSek I einen signifikanten Unterschiedim Sinne einer Verbesserung zwischenBeginner (N = 17, Mean = 12,72) undAbschließende (N = 25, Mean = 16,85)6.Für die Sek II Studierenden ist dieseVer-besserung zwischen Beginner (N = 24,Mean = 16,87) undAbschließenden (N =24, Mean = 17,06) nicht zu beobachten7(z = –0,31; p =0,76).

    Zum anderen wurde die Erfahrungüber die Anzahl der absolvierten Prak-tika operationalisiert (Frage: Wie vieleProzent Ihrer berufsbezogenen Praktikahaben Sie bereits absolviert?). Auch die-ser Zusammenhang ist nicht signifikant(Sek I: r = –0,143; p =0,497; N = 25; S2:r = –0,133; p =0,536; N = 24; Datenaus-wertung zum Zeitpunkt T1).

    Auch die Unterschiede der mittlerenRangwerte zwischen den Studierenden-gruppen und erfahrenen Berufsperso-nen (repräsentiert durch Praxislehrper-sonen) bestätigen diesen Befund undweisen sogar auf negative Effekte hin.Analog zur COACTIV-Studie ergebensich für die Dimension „mit Schüler-

    6 Mann-Whitney-U-Test: z = –3,15, p = 0,002(asymptotischeSignifikanz).7 Mann-Whitney-U-Test: z = –0,31, p = 0,76.(Hier kannes sichdurchaus umeinenDeckenef-fekthandeln.).

    Innen interagieren“ für fast alle Studie-rendenkohorten (ausgenommen Sek IBeginner) höhereMittelwerte (Rangwer-te)als fürdieerfahrenenBerufspersonen8(. Tab. 4). Im Gegensatz zur Untersu-chung für die Mathematikdidaktik kanndieser Effekt zwar nicht durch die Lehr-amtsausbildung in der ehemaligen DDRerklärt werden (Krauss et al., 2008,S. 245), sondern liegt wohl – ebenfallsvergleichbar – am Strukturwandel derSportlehrerausbildung in der Schweiz(Datenauswertung zum Zeitpunkt T1).

    Unterrichtserfahrung dererfahrenen LehrpersonenAuch bei den erfahrenen Lehrpersonen(Praxislehrpersonen) – die gleichsamdie Erfahrung repräsentieren – zeichnensich keine überdurchschnittlichen Zu-sammenhängezwischenderUnterrichts-erfahrung und dem PCK-Gesamtwertab. Das PCK-Niveau wurde wiederumüber die durchschnittliche Punktzahl derVignetten erfasst. Die Unterrichtserfah-rung über die beiden Fragen: Wie vieleStunden IhrerGesamtstundenzahl gebenSie Sportunterricht? Wie viele Stundengeben Sie insgesamt? Dabei konnte fürdie erfahrenen Lehrpersonen kein signi-fikanter Zusammenhang zwischen PCKund der Anzahl der unterrichtendenStunden festgestellt werden (Sportstun-den: r = –0,195; p =0,374; N = 23; alleStunden: r = –0,367; p =0,085; N = 23;Datenauswertung zum Zeitpunkt T1).

    Auch wenn diese Resultate aufgrundder besonderen Ausbildungsstrukturder Kohorten vorsichtig interpretiertwerden müssen, widerspricht der Ver-gleich – zumindest für den Sport – derThese, dass berufspraktisches Wissenund Können erst durch Unterrichtspra-xis erworben wird (Hashweh, 2005). Dernicht festgestellte Zusammenhang beiden erfahrenen Berufspersonen (reprä-sentiert durch die Praxislehrpersonen)bestätigt vielmehr den im vorangehen-denKapitel festgestelltennegativenEffektzwischen den Studierendengruppen undden erfahrenen Berufspersonen.

    8 Mittelwertunterschiede(Rangwerte) PCK fürdie Dimension „mit SchülerInnen interagieren“(die Kohorten unterscheiden sich signifikant:χ2=11,47;df=4;p=0,022;Kruskal-Wallis-Test).

    340 German Journal of Exercise and Sport Research 4 · 2017

  • Zusammenfassend bestätigt sich fürdas PCK-Sport eher die „deliberate prac-tice“-Theorie, wobei auch die relativ be-scheidenen Effekte zwischen Studienbe-ginnernund-abschließendendaraufhin-weisen, dass „permanentes Arbeiten aneigenen Schwachstellen, am besten un-terstützt durch ständiges Expertenfeed-back“ (Krauss et al., 2008, S. 244) wahr-scheinlich zu wenig effizient eingesetztwird.DieResultate zeigenaber auch, dassErfahrung alleine noch keine Wirkungzeigt – zumindest was das PCK betrifft(Datenauswertung zum Zeitpunkt T1).

    Effekte der Ausbildung

    Geht man von der „Knowledgeable Tea-cher Hypothesis“ (Kunter et al., 2013,S. 806) aus, kann man gleichsam alsGrundhypothese formulieren, dass dieAusbildungssysteme von Sportlehrper-sonen zu einem Zuwachs des fachdidak-tischen Wissens und Könnens führen.Ausgehend von dieser Grundhypothesestellt sich die Frage nachdemEinfluss derAusbildungssysteme auf die Ausprägungdes PCK. Die in der Untersuchung dif-ferenzierten Ausbildungssysteme unter-scheiden sich in Bezug auf die Zielstufenund – als schweizerische Besonderheit –in Bezug auf ihre Phrasierung der Aus-bildungsanteile. Die Sek-I-Ausbildungkann als einphasig integriert bezeichnetwerden, während die Sek-II-Ausbildungeinphasig konsekutiv bestimmt ist.9

    In Anbetracht der strukturellen Un-terschiede zwischen den verschiedenenAusbildungstypen (mit Bezug auf dieZielstufe) sind hier in Bezug auf dieausdifferenzierten Dimensionen undFaktoren des PCK-Sports Unterschiedezu erwarten. Eine a priori offene Frageist, ob die Lehrpersonen für das Gym-

    9 Die Sek I Ausbildung findet ausschließlichan einer Päd. Hochschule statt (Fach- undBerufswissenschaften) und wird mit einemMaster und dem Lehrdiplom für 3–4 Fächerabgeschlossen. Die Sek II Ausbildung findetsowohl an der Universität, als auch an derPäd. Hochschule statt. Nach dem Bachelor-Abschluss in Sportwissenschaften können sichdieStudierendenzusätzlichzumMasterstudiumander Universität, auch an der Päd. Hochschuleeinschreiben. Hier schließen sie mit einemLehrdiplomfür1–2Fächerab.

    nasium (Sek II) oder die Lehrpersonenfür die Sekundarstufe I über mehr fach-didaktisches Wissen und Können alsihre Kollegen aus der jeweilig anderenZielstufe verfügen.

    Zwei Aspekte legen hier sogar gegen-läufige Hypothesen nahe: Einerseits wer-den in der Ausbildung zum Gymnasial-lehrerweniger Veranstaltungen in Sport-didaktik– abermehr indenSportwissen-schaften– angeboten, was zu der Annah-me führen könnte, dass Gymnasiallehr-kräfte über weniger didaktisches WissenundKönnen verfügen. Andererseits wei-sen Untersuchungen in anderen Fächern(Kraussetal., 2008)aufdieengeVerknüp-fung der beiden Wissensbereiche hin.Dies könnte dazu führen, dass das fach-didaktische Wissen und Können auchin Abhängigkeit mit dem Wissen (undKönnen) aus demStudiumder Sportwis-senschaft steht, was zur Annahme füh-ren würde, dass die Sek-I-Studierendenüber weniger fachdidaktisches Wissenund Können verfügen. . Tab. 4 zeigt dieErgebnisse für die PCK-Sport-Lehrper-sonen bezüglich beider Ausbildungsty-pen.Die inderTabelle angegebeneunter-schiedliche Anzahl N lässt sich dadurcherklären, dass einzelne Probanden nichtalle Vignetten beantwortet haben. Diesefehlenden Werte können deshalb nichtergänzt und dargestellt werden.

    VergleichtmandieRangwertederStu-dienbeginner mit den Studienabschlie-ßenden und den Praxislehrpersonen(. Tab. 4), dann bestätigt sich die These,dass sichdas fachdidaktischeWissenundKönnen auch aus dem Fachwissen desStudiums der Sportwissenschaft speist– evtl. auch aus dem sportpraktischenKönnen. Bei einzelnen Faktoren undDimensionen ist dieser Unterschied sig-nifikant. Vergleicht man die PCK-Werteam Schluss des Studiums, dann relati-vieren sich diese Unterschiede. Teilweiseholen die Sek-I-Studierenden – wahr-scheinlich durch das umfangreichereFachdidaktik-Studium – ihre Defiziteauf.

    Bezogen auf das o. g. Beispiel der Vi-gnette 20 (. Tab. 2) und auf den tieferenRangwert im Faktor 9 (auf Unterschie-de achten; . Tab. 4) sind Studienbegin-ner der Sekundarstufe I hier beispiels-weise weniger in der Lage, Lösungsan-

    sätze für diese kritische Situation spon-tan zu entwickeln. Die Vignette 20 re-präsentiert eine typisch didaktische Si-tuation für den Sportunterricht. Es gehthier darum, dass die LehrerInnen spon-tan verschiedene Lösungsmöglichkeitenangeben,welcheaufdiekörperlichenundmentalen Voraussetzungen und Unter-schiede der Schülerinnen und Schülereingehen. Anscheinend ist es für Berufs-einsteiger schwieriger, sich auf diese un-terschiedlichen Voraussetzungen einzu-lassen. Im Vergleich zu anderen Fächernscheint dies eine originäre Situation fürden Sportunterricht zu sein, welche denUmgang mit Körperlichkeit im Unter-richtsfach Sport betont.

    Auch der tiefe Rangwert im Faktor 3weist zudem auf die Unterschiede vonintegrierten und konsekutiven Studien-gängen hin.Während in denVergleichender Studiengängen Zielstufe Sek II kaumUnterschiede auftreten (mittlerer Rang:59,52 bzw. 62,77), weisen die gleich nachder Matura mit ihrem Lehramtsstudiumbeginnenden Studierenden einen sehrtiefen Rangwert aus (33,56). Dies darfnicht negativ bewertet werden, deutetaber darauf hin, dass eine biografischeOrientierung und Fallarbeit in der fach-didaktischen Ausbildung (Lüsebrink,Messmer, & Volkmann, 2014) von inte-grierten Studiengängen von besondererBedeutung ist. Das Studium der Berufs-wissenschaften wirkt – aufgrund derbereits hohen Werte – weniger bei denSek-II-Studierenden.

    Vergleicht man zusätzlich die mittle-ren Rangwerte der beiden Studierenden-gruppen am Ende des Studiums (Sek Iund Sek II), dann zeigen sich sowohlauf Faktorenebene als auch bei den dreiDimensionen keine signifikanten Unter-schiede. Demnach kann in Bezug auf diebeiden Studiengänge von einer homo-genen Varianz ausgegangen werden. Be-trachtet man trotzdem einzelne Rang-werte, dann äußern sich bei den Dimen-sionen1(Inhaltepräsentieren)und3(mitSchülerInnen interagieren) für die Sek-II-StudierendenundbeiderDimension2(Bedingungen organisieren) für Studie-renden mit der Zielstufe Sek I höhereWerte. Auch diese – nicht signifikanten– Unterschiede weisen darauf hin, dassdie Ausbildungsdauer und -phrasierung

    German Journal of Exercise and Sport Research 4 · 2017 341

  • Hauptbeiträge

    Tab. 4 Unterschiede bezüglich der Ausbildungstypen.Mittlere Ränge und Signifikanzen (Kruskal-Wallis-Test). Faktor 3 undDimension 3 auf 0,05-Niveau, Faktoren8, 9undDimension2auf0,1-Niveau. (Alle anderenFaktorenundDimensionenunterscheidensichnicht signifikant.)Die Tabelleenthältgrößere Rangwerte (daN>100), als die Einzelvergleiche (Datenauswertung zumZeitpunkt T1)Faktor Kohorten Kruskal-Wallis-Test

    Sek I Beginner Sek II Beginner Sek I Abschluss Sek II Abschluss Praxislehrpersonen N χ2 df p

    1 47,32 56,02 54,76 51,83 62,80 109 3,06 4 0,558

    2 39,19 57,83 57,33 52,38 58,48 107 5,11 4 0,276

    3 33,56 59,52 58,37 62,77 52,04 108 10,51 4 0,033

    4 52,88 58,02 52,17 59,95 51,50 109 1,44 4 0,837

    5 45,06 56,50 58,40 59,32 55,50 110 2,58 4 0,631

    6 47,00 59,13 53,70 53,50 64,28 111 3,87 4 0,423

    7 48,81 62,55 52,88 57,41 44,64 106 5,02 4 0,286

    8 47,38 56,54 66,39 48,48 51,59 108 6,51 4 0,164

    9 41,76 60,00 60,98 62,28 45,82 109 8,36 4 0,079

    Dimension

    1 38,91 58,36 52,73 49,83 60,72 105 5,88 4 0,208

    2 38,41 60,94 54,61 63,41 50,35 108 7,47 4 0,113

    3 34,47 63,45 60,26 53,88 45,23 104 11,47 4 0,022

    nur wenig Einfluss auf das Gesamt-PCKhat. Im Folgenden sollen einige für diezentrale Fragestellung als relevant ausge-wählte und z. T. signifikante Unterschie-de im Detail dargestellt werden.

    Ergebnisse im LängsschnittWährend der Vergleich der verschiede-nenKohorten im vorangehendenKapitelals Quasi-Längsschnitt interpretiert wer-den kann, sollen im Folgenden die Er-gebnisse der Längsschnittuntersuchungdargestellt werden. Dabei wurden die inPhase 4 als Beginner bezeichneten Stu-dierenden (. Abb. 1) zwei Jahre nach dererstenDatenerhebungnochmalsmitdemgleichen Instrument erfasst (reduziertesInstrument; . Tab. 3).

    InderLängsschnittuntersuchungsoll-te insbesondere die bereits durch denQuasi-Längsschnitt bestätigte Grundhy-pothese – die Ausbildung verändert dasPCK von Studierenden positiv – verifi-ziert und ausdifferenziert werden. Überdie gesamte Stichprobe ergeben sich sig-nifikante Veränderungen (einseitig), diedarauf hinweisen, dass die AusbildungWirkung zeigt (. Tab. 5).

    Wie aufgrund der Ergebnisse imQuerschnitt zu erwarten war, zeigt sichder deutlichste Unterschied zwischenStudienbeginn und Studienabschlussbei den Studierenden mit der Zielstufe

    Sek I (r = 0,8410). Dieser erwartungs-konforme Leistungsunterschied ist einHinweis für die diskriminante Validitätdes PCK-Sport-Instruments. Die Studie-renden mit der Zielstufe Sek II weisendurchschnittlich nur einen schwach si-gnifikanten Zuwachs an PCK-Wissenund Können auf (r = 0,3411). Die relativhohen Ausgangswerte weisen in Bezugauf die Studierenden mit der ZielstufeSek II auf einen leichten Deckeneffekthin, indem die Zunahme der fachdidak-tischen Kompetenz zwar als überzufälligbezeichnet werden kann, aber in Bezugauf die Effektstärke nicht sehr groß ist.

    Die überzufälligen Unterschiede desPCK zu Beginn der Ausbildung und amEnde der Ausbildung weisen demnachauf Effekte der Ausbildung hin. DieseEffekte werden im Folgenden ausdiffe-renziert dargestellt, obwohl die faktori-elle Struktur möglicherweise gegen eineeindeutige Zuordnung der Items spricht.Deshalbwird eineAuswahl von Faktorenund Dimensionen dargestellt und disku-tiert, die auf eine signifikante Differenzzwischen Ausbildungsbeginn und -en-de hinweisen. Dazu werden wiederumDaten des Querschnitts und des Längs-schnitts dargestellt.

    10 Großer Effekt nach Cohen (1988). (Wilcoxon-Test: z=–2,21,p-einseitig=0,014).11 Mittlerer Effekt nach Cohen (1988). (Wilco-xon-Test: z=–1,46,p-einseitig=0,073).

    Dimension 3: Mit SchülerInneninteragieren (Quasi-Längsschnitt)Die Unterschiede in der Dimension „mitSchülerInnen interagieren“ weist mit ei-nem moderaten bis starken Effekt aufeine Differenz zwischen dem integrier-ten und konsekutiven Studiengang hin(. Abb. 2).

    Offensichtlich haben die Studieren-den mit der Zielstufe Sek II nach ihremBachelor-Studium in dieser Dimensionbereits mehr Kompetenzen als Studie-rende (Sek I) nach der Matura. Auch dakönnte das höhereAlter der Sek II Begin-ner (Sek II Beginner sind durchschnitt-lich 3 Jahr älter) u. a. eine Erklärung fürden höherenWert bei den Sek-II-Studie-renden sein12.

    Interessanterweise zeigen sich hierUnterschiede (mit einem moderaten Ef-fekt) in einer Dimension, in der eherkeine Varianzen zu erwarten waren.Naheliegender wären überzufällige Un-terschiede in der Dimension „Inhaltepräsentieren“, weil dieser Aspekt direktmit der Fachausbildung in Zusammen-hang gebracht werden kann. Kompeten-zen in der Interaktion mit SchülerInnen

    12 Dieser Erklärung widerspricht allerdings,dass über den Gesamtwert (Längsschnitt) keinsignifikanterZusammenhangvonAlterundPCKfestgestellt werden konnte (Rangkorrelationnach Spearman (Rho), einseitig, ρ = 0,136/p =0,254/N=26).

    342 German Journal of Exercise and Sport Research 4 · 2017

  • Tab. 5 Vergleich des PCK-Gesamtcores zwischen T1und T2.Wilcoxon-Test

    PCK-Gesamtscore Wilcoxon-Test

    N t1 t2 Z p (ein-seitig)

    Gesamte Stichprobe 26 12,04 (SD = 3,7) 13,69 (SD = 3,7) –2,63 0,005

    Kohorte Sek 1 7 9,86 (SD = 2,9) 13,14 (SD = 2,9) –2,21 0,014

    Kohorte Sek 2 19 12,84 (SD = 3,7) 13,89 (SD = 4,0) –1,46 0,073

    – so könnte man a priori deuten –benötigen eher die Konfrontation mitSchülerInnen, z. B. in den Berufsprakti-ka.

    Aufgrund der festgestellten Unter-schiede zwischen den Beginnern Sek IundSek II ist dieDifferenz zwischenSek IBeginnern und Sek II Abschließendenzu erwarten. Auch hier deuten die Datenauf eine Ursache in der unterschiedli-chen Ausbildungsstruktur hin. Der hiernur moderate Effekt lässt sich mit derDatengrundlage erklären. Die Daten-grundlage der Sek I Beginner (tieferWert) erklärt auch die Differenz zu denanderen Studierendengruppen und zuden Praxislehrpersonen.

    Ein weiterer Unterschied lässt sichim Quasi-Längsschnitt zwischen Beginnund Ende der Sek-I-Ausbildung feststel-len (. Abb. 2.). Diese Varianz mit einemmoderaten bis starken Effekt weist aufeine Wirkung der Ausbildung hin. Stu-dierendemit derZielstufe Sek I erwerbenin ihrer Ausbildungszeit Kompetenzenin der Dimension 3 (mit SchülerInneninteragieren). Dieser Effekt war nichtunbedingt zu erwarten, verlangt dieseDimension doch nach Kompetenzen,die nur über Übungsprozesse zu erwer-ben sind, im Vergleich zur Dimension 1(Inhalte präsentieren), die eher auchwissensbasiert entwickelt werden kann.Der Unterschied vor und nach derAusbildung zeigt in dieser DimensionWirkung und deutet auch darauf hin,dass die längere Ausbildungszeit der Stu-dierenden mit der Zielstufe Sek I eherzu Effekten führt als die deutlich kürzereberufswissenschaftliche Ausbildung derStudierenden mit der Zielstufe Sek II.

    Eine allgemeine Wirkung der Ausbil-dung lässt sich inderechtenLängsschnitt-untersuchung nicht bestätigen. Die Un-terschiede zwischenT1undT2 sindnichtsignifikant (sowohl in Bezug auf die Aus-bildungskohorte,wie auchaufdie gesam-

    teUntersuchungsgruppe). Als Spezifizie-rung der Dimension 3 werden im Fol-genden die Resultate von Faktor 9 (aufUnterschiede achten) differenziert dar-gestellt.

    Faktor 9: Auf Unterschiede achten(Quasi-Längsschnitt)In diesem Faktor werden Unterschiedebezüglich des Geschlechts und der Leis-tungsfähigkeiten der SchülerInnen auf-gegriffen. Lernpsychologisch und didak-tisch sind hier adaptive Lehrkompeten-zen (Brühwiler, 2014) gefragt. Ebenfallssind in diesem Faktor insgesamt 3 Vi-gnetten relevant (vgl. . Tab. 2 und 3). ImFolgenden soll die inhaltliche Substanzdieses Faktors exemplarisch dargestelltwerden.

    Beim Faktor 9 zeigen sich signifikanteUnterschiede zwischen den Studienbe-ginnern mit der Zielstufe S I (z = 2,158;N = 42; p = 0,031; Wilcoxon-Test) undden Abschließenden Sek I und zu denAbschließenden Sek II (z = –2,117; N =40; p = 0,034; Wilcoxon-Test; . Tab. 6).

    Hier drängt sich ein Vergleich zu an-deren Fächern auf. Obwohl der Faktorso nicht in anderen Untersuchungenausdifferenziert wird, weist – wie geradedas Vignettenbeispiel zeigt – der Faktorauf die Kompetenz hin, Unterricht inBezug auf die Leistungsfähigkeit derSchülerInnen zu differenzieren. Den-ner und Gesenhues (2013) beschreibenden Professionalisierungsprozess imLehramtsstudium so, dass sich bei derAnalyse der Differenz zwischen Exper-tenlehrkräften und Unterrichtsnovizenganz allgemein im Unterricht heraus-kristallisiert hat, dass die Experten ihrenFokus ausschließlich auf die Schülerak-tivität gerichtet haben und daraus diejeweilige Unterrichtsmethode abzuleitenversuchen. Interessant ist hierbei auch,dass die Experten Details auszublen-den versuchen. Dahingegen würden die

    Novizen auf didaktisch irrelevante Ein-zelheiten, wie bspw. auf die Gestaltungdes Klassenzimmers oder die Sitzord-nung, Wert legen (Denner & Gesenhues,2013).

    Vergleicht man diese Erkenntnisseganz allgemein und nicht spezifisch aufUnterrichtsfächer bezogen, dann er-klärt dieser Ansatz die zunehmendenWerte der Studierenden während derAusbildung.

    Im Längsschnitt bestätigen sich die-se Ergebnisse für den Faktor 9. Bei denzusammengefassten Kohorten Sek I undSek II zeigt sich insgesamt ein signifi-kanter Unterschied zwischen denmittle-ren PCK-Werten bei Studienbeginn (T1:0,69, SD=0,7)undStudienabschluss (T2:1,12, SD = 0,9).13

    Fachwissen (und -können) alsbestimmende Größe für das PCK

    Aufgrund der oben dargestellten Unter-schiede zwischen den AusbildungstypenSekIundSekIIwirdniemandbezweifeln,dass das Fachwissen (und im Sport wohlauch das -können) ein wesentlicher Be-stimmungsfaktor für das Professionswis-sen darstellt. Dennoch ist insbesondereim Sport nicht klar, was unter „Fachwis-sen für Sportlehrpersonen“ zu verstehenist. Zum einen besteht – analog zum Pro-fessionswissen – eine Differenz zwischenWissen (imSinne von sportwissenschaft-lichem Wissen) und Können (im Sinnevon sportmotorischen und -taktischenFertigkeiten). Es gibtTheorien, die davonausgehen, dass sichdiese beidenWissens-formen schwierig ausdifferenzieren las-sen (Johnson, 2007). Vielleicht ist diesein Grund dafür, dass im Fach Sport dasFachwissen in Zusammenhang mit denAnforderungen an Lehrpersonen in derForschungsliteratur noch weniger disku-tiert wird als in den kognitiven Fächern(Krauss et al., 2008, S. 237).

    Zum anderen stellt sich für das Fach-wissen und -können (CK) im Sport dieThese einer „doppelten Diskontinuität“(Klein,1968,S.1).DamitbezeichnetFelixKleinbereits1908denUmstand,dassStu-dierende in ihrem Fachstudium (Mathe-

    13 Wilcoxon-Test exakt: z = –2,05, p-einseitig=0,025 (N=26).

    German Journal of Exercise and Sport Research 4 · 2017 343

  • Hauptbeiträge

    Abb. 29 MittlererRang der Dimensi-on 3 (mit Schüler-Innen interagieren)im Längsschnitt

    matik) Inhalte vermittelt erhalten, für diesie anschließend als Lehrpersonen (amGymnasium) keine Verwendung findenunddeshalbcurricularauf ihreErfahrun-gen als SchülerInnen zurückgreifen. Diesgilt es im Sport – als wenig strukturiertesFach – ebenfalls zu beachten. Aufgrunddieser theoretischen Analyse steht dasCK der Studierenden und das Fachwis-sen und -können der SchülerInnen aufder Zielstufe wohl kaum in einem Zu-sammenhang. Trotz dieser theoretischenPrämissen,kanndamitzumindestalsHy-pothese – und nicht zuletzt aufgrund derempirischen Ergebnisse in Bezug auf dieAusbildungstypen–anderDifferenzzwi-schen fachdidaktischem und fachlichemKönnen festgehalten werden.

    Da das Hauptanliegen auf der Er-fassung und Untersuchung des PCKlag, wurde das Fachwissen und -könnenhauptsächlich über sekundäre Indikato-ren erhoben.

    Vorwissen (und -können) und PCKDa sowohl im Querschnitt als auch imLängsschnitt ein besonderes Augenmerkauf die Entwicklung von fachdidakti-schem Wissen und Können gerichtetwurde, scheint es unumgänglich, auchdas Vorwissen der Studierenden zu er-fassen.

    Hier zeigt sich ein überzufälligerZusammenhang beim Vorwissen und-können der Studierenden (operationa-lisiert durch die Note der Probanden

    im Ergänzungsfach,14 in Deutschland:Leistungskurs) und ihrem fachdidak-tischen Wissen und Können (PCK).15Dieser Zusammenhang weist auf eine inder Didaktik weit verbreitete These hin,dass Lehrpersonen mit einem hohenFachwissen oder einer hohen Identi-fikation mit dem Fach über bessereProfessionskompetenzen verfügen. Ma-turanden, die das Ergänzungsfach Sportbesuchen, verfügen wahrscheinlich überdiese Identifikation mit dem Fach alssolches. Der Zusammenhang bestätigtdie These der doppelten Diskontinuitätund zeigt – insbesondere im Vergleichmit den noch folgenden Analysen zumCK – dass das Vorwissen und -könnenfür das PCK bedeutsamer ist, als dasWissen und Können, das in der tertiärenAusbildung erworben wird.

    Außerhalb der Ausbildungerworbenes Fachwissen (und-können)Als Indikator für das Fachwissen und-können, das nicht unmittelbar in derFachausbildung der beiden untersuch-tenStudiengängeerworbenwird,wurdennebst der bereits erwähnten Note im Er-gänzungsfach, die Vereinsmitgliedschaft

    14 Das Ergänzungsfach ist in der Schweizausschließlich auf Fachwissen und -könnenausgerichtet.15 Sign. Zusammenhang (r = –0,777, p =0,040/N=113).

    unddie Leiteranerkennungdurch J+S er-hoben. Letzteres wurde als dichotomesItem (Ja/Nein) und in Bezug auf das Ni-veau der Ausbildung vierstufig („Grund-ausbildung, Weiterbildung 1, Weiterbil-dung 2 bis Experte“) erfasst.

    Hier zeigen sichdurchwegkeineüber-zufälligenResultate,wonach–zumindestfür die vorliegende Stichprobe – inter-pretiert werden darf, dass die Vereins-zugehörigkeit und die Leiterausbildungdurch J+S keinen oder wenig Einfluss aufdie Professionskompetenz (PCK-Sport)haben. Für diese Untersuchung wurdenalle Kohorten zusammengefasst, sodassfür die Analyse mit einer Gesamtstich-probe von113Probandengerechnetwer-den konnte. Damit deuten auch die nichtsignifikantenResultate auf eine allgemei-ne Gültigkeit hin (Sek I und Sek II). DerVergleichvonVereinszugehörigkeit (keinEinfluss) und der Maturanote im Ergän-zungsfach Sport zeigt, dass die schuli-sche Karriere für die Entwicklung desPCK offensichtlich wichtiger ist, als dieVereinskarriere.

    Auch weitere untersuchte soziobio-grafische Daten weisen keine überzufäl-ligen Zusammenhänge mit der fachdi-daktischen Kompetenz auf. In Bezug aufdie soziobiografischen Variablen zeigtsich der PCK-Gesamtwert als sehr re-sistent. So hat z. B. die J+S-Ausbildung(in Deutschland: Trainerausbildung) so-wohl als Faktum (Ja/Nein), als auch inihrer Ausprägung (Grundausbildung biszum Experten) keinen Einfluss auf diefachdidaktische Kompetenz.

    Damit zeigt sich zusammenfassend –zumindest für die Querschnittsuntersu-chung – dass die Ausbildung als fast aus-schließliche Variable die fachdidaktischeKompetenz vonLehrpersonenbeeinflus-sen kann.

    Fachwissen (und -können), CK undPCKWie bereits erwähnt, lässt sich das Fach-wissenund-könnenimSportnurschwie-rig bestimmen resp. operationalisieren.ImSportmusswahrscheinlichdavonaus-gegangen werden, dass auch das eigent-liche Können – im Sinne von Sportar-tenkönnen – einen Einfluss auf das fürdasProfessionswissen relevante Fachwis-sen (CK) hat. Zusätzlich zu den oben er-

    344 German Journal of Exercise and Sport Research 4 · 2017

  • Tab. 6 Mittelwertunterschiede (Rangwerte) für den Faktor 9: „auf Unterschiede achten“

    Zusammengefasste Kohorte N Mean Rank

    Faktor 9 Sek I Beginner 17 16,91

    Sek I Abschluss 25 24,62

    Gesamt 42 –

    Faktor 9 Sek I Beginner 17 16,21

    Sek II Abschluss 23 23,67

    Gesamt 40 –

    wähnten Indikatoren wurde das sporti-ve Könnendurch eine Selbsteinschätzungfür die Sportdisziplinen Basketball, Fuß-ball, Handball, Geräteturnen & Akroba-tik, Gymnastik & Tanz, Volleyball undLeichtathletik erhoben. Um die fehlendeObjektivität dieser Selbsteinschätzungenzu überprüfen, wurden für einen Teil derProbanden auch Fremdeinschätzungenerfasst16.

    Weil für das sportdidaktische WissenundKönnenallgemeinein„practicalkno-wing“ (Craig, You, &Oh, 2012, S. 272) alsbedeutsam bezeichnet wird, könnte manfür das sportdidaktische Wissen und Kön-nen vermuten, dass zwischen dem PCKund dem sportiven Können ein positiverZusammenhang besteht.

    Diese These konnte in der Untersu-chung nicht bestätigt werden. Zwischendem durchschnittlichen sportiven Kön-nen und dem fachdidaktischen Wissenund Können von angehenden Sportlehr-personen (Sek I) konnte kein positiverZusammenhang nachgewiesen werden.Es scheint eher eine Tendenz zu einemnegativen Zusammenhang zu geben(. Tab. 7).

    Dieser fehlende Zusammenhang istaufgrund der Ergebnisse im Vergleichder Ausbildungstypen überraschend.Zugleich weist dieses Ergebnis auf einfehlendes Konstrukt „Fachwissen Sport“hin. Die unterschiedlichen Indikato-

    16 DieWertederSelbsteinschätzungkorrelierenfür fast alle untersuchten Sportarten auf einem0,05 Niveau signifikant (Spearman) mit derFremdeinschätzung. Die Ausnahmen betreffenVolley (nicht signifikant), Geräteturnen& Akro-batik, Gymnastik & Tanz (keine Fremdnoten).Die Zusammenhänge wurden im Rahmen ei-ner Masterarbeit für einen Teil der Probandenuntersucht (N=9,Sek II) (vgl.Balsiger,2016).

    ren, die für diesen Vergleich verwendetwurden, weisen hier auf einen For-schungsbedarf hin.

    Der fehlendeZusammenhang vonCKund PCK, der in der Untersuchung beimAbschluss des Studiums festgestellt wor-den ist, relativiert die auch im Alltags-diskurs weit verbreitete Idee, dass nurein guter Sportler auch ein guter Sport-lehrer sein kann. Aufgrund der wenigenIndikatoren, die in der vorliegenden Un-tersuchungverwendetwurden, kanndie-serZusammenhangnicht ausgeschlossenwerden. Die Daten weisen jedoch daraufhin, dass das Vorwissen für das PCK-Sport bedeutsamer ist und bestätigen da-mit die These der doppelten Diskontinui-tät.

    Fazit

    Im Vergleich zu den teilweise umfang-reichen Untersuchungen des PCK in an-deren Fächern ist über die Kompeten-zen von Sportlehrpersonen noch relativwenig bekannt. Anknüpfend an die Mo-dellierungen ähnlicher Untersuchungen(Riegel, Schubert, Siebert-Ott, & Macha,2015) hat es sich PCK-Sport zur Auf-gabe gemacht, das fachdidaktische Wis-sen und Können und teilweise auch dasFachwissen und -können für das Unter-richtsfach Sport zu spezifizieren und zuoperationalisieren. Dabei wurden allge-mein pädagogisch-psychologischeTheo-rien über Lehrpersonengenauso berück-sichtigt, wie sportdidaktische Vorarbei-ten (z. B. Scherler, 2004; Messmer, 2011).Die vorliegende Untersuchung gibt Auf-schluss über dieWirkungenunterschied-licher Ausbildungssysteme und die dif-ferenten Facetten des PCK von Sport-lehrpersonen. Zudem beschreibt sie die

    Tab. 7 Zusammenhang PCK–CK (spor-tives Können). Spearman-Rho, PCK T1/T2:fachdidaktischesWissen undKönnenzumZeitpunkt T1/T2 (Gesamtpunktzahl),CK: durchschnittliches sportives Können(Selbsteinschätzung)

    PCKT1

    PCKT2

    Spearman-Rho CK Korre-lation

    –0,382 –0,045

    Signifikanz (einseitig) 0,053 0,428

    N 19 19

    Beziehungen zwischen dem sportdidak-tischen Wissen und Können und exter-nen Kriterien, wie der Berufserfahrungund dem Fachwissen resp. dem Könnender Lehrpersonen.

    In Anlehnung an die Auffassung vonsportunterrichtlichem Handeln als einEntscheiden in konkreten Situationenwurde das fachdidaktische Wissen undKönnen in PCK-Sport über Textvignet-ten mit Critical Incidences konzeptua-lisiert und operationalisiert. Dabei istzu beachten, dass sich dieser Ansatz aufdas eigentliche Handeln im Unterrichtbeschränkt, diesbezüglich aber einembreiten Verständnis in der Sportdidaktikfolgt (Scherler & Schierz, 1993; Scher-ler, 2004; Messmer, 2013). Dieses Ver-ständnis geht über ein rein methodischorientiertes Verständnis hinaus, welchesden Fokus auf eine Sportartendidaktikbeschränkt. Eine Modifikation durchPaper-Pencil-Aufgaben wäre durchausmöglich (Heemsoth, 2016). Aus for-schungsökonomischen Gründen (Zeitfür die Durchführung der Tests) wur-de auf solche Aufgaben verzichtet. DasFachwissen(oder-können)wurdehaupt-sächlich über sekundäre Items und eineSelbsteinschätzung erhoben. Die em-pirische Modellierung des Instrumentszeigte auf, dass das sportdidaktischeWissen und Können mehrheitlich undin Bezug zu den Fragestellungen reliabelund objektiv erhoben werden konnte.

    Die Ergebnisse aus dem Projekt PCK-Sport weisen auf wichtige Aspekte in derAus- und Weiterbildung von Sportlehr-personen hin. Die mit dem Vignetten-Test gewonnenen inhaltlichen Erkennt-nisse zeigen, dass fachdidaktisches Wis-sen und Können hauptsächlich währendderAusbildungerworbenwird.Diegröß-

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  • Hauptbeiträge

    te Varianz besteht in Abhängigkeit zurDauer und Vernetzung der Fachdidaktikmit anderen Komponenten der Ausbil-dung. Bemerkenswert ist die Tatsache,dass diese Aspekte für das sportdidak-tische Wissen und Können am Endeder Ausbildung keine wesentliche Rollespielen, aber auf ganz unterschiedli-che Entwicklungslinien hinweisen. DerVergleich des integrierten (Sek I) mitdem konsekutiven Ausbildungstypus(Sek II) zeigt, dass ausgehend von ei-nem tiefen Niveau des Fachwissens und-könnens ein relativ hohes PCK-Niveauerreichtwerdenkann (es jedocheineum-fangreichere Fachdidaktik-Ausbildungbraucht). Die umfangreichere Fachaus-bildung der Studierenden mit ZielstufeSek II führt offensichtlich zu einemhöheren PCK-Ausgangswert, die Studie-renden mit Zielstufe Sek I lösen dieseDifferenz – wahrscheinlich durch dasumfangreichere Fachdidaktik-Studium– bis zum Ende der berufswissenschaft-lichen Ausbildung wieder auf.

    Außer diesen – wesentlichen – Effek-ten der Ausbildung auf das sportdidakti-scheWissenundKönnen, konntendurchdie Untersuchung kaum weitere abhän-gige Variablen für das PCK identifiziertwerden (teilw. Ergänzungsfach).

    Aufgrund der engen Verzahnung vonberufspraktischer und fachdidaktischerAusbildung an schweizerischen Pädago-gischenHochschulen(einphasigeAusbil-dung) konnte – zumindest für die Unter-suchungsgruppe und für den Sport – dieim Professionsdiskurs wirksame Thesewiderlegt werden, wonach Berufserfah-rung telquel zu einer höheren Professi-onskompetenz (PCK) führt. Ein Zusam-menhang von Berufserfahrung und PCKzeigte sich nicht, im Gegenteil konntensogar inBezug aufdie erfahrenenBerufs-personennegativeKorrelationennachge-wiesen werden.

    Eine weitere im Professionsdiskursder Sportlehrpersonen verbreiteteThese,dass die Professionskompetenz in Ab-hängigkeit zum Fachwissen und insbe-sondere zum Fachkönnen steht, konntenicht bestätigt werden. Einzig in Bezugzum Vorwissen zeigten sich überzufäl-lige Zusammenhänge, die sich aber imVerlauf der Ausbildung relativieren.

    Die Grenzen der Untersuchung PCK-Sport in einem Mixed-Method-Designund in Anlehnung an die Narrative In-quiry (Clandinin, 2007) weisen auf einemittlere Reichweite der Resultate hin. Si-cherlich können die ermittelten Diffe-renzen zwischen einer konsekutiven undeiner integrierten Ausbildung auf ande-re Länder (z. B. einphasige/zweiphasigeAusbildung in Deutschland) übertragenwerden. Dies verlangt aber nach weite-ren Untersuchungen mit anderen Aus-bildungssystemen und -kohorten. Dabeikann sicherlich auf das Konstrukt unddas InstrumentPCK-Sport zurückgegrif-fen werden, das sich insgesamt als vali-de erwiesen hat. Wobei auch hier weite-re Untersuchungen und Modellierungennötig sind, um das komplexe PhänomenSportunterricht noch differenzierter er-fassen zu können. Die dargestellten Un-terschiede in Bezug auf einzelne Facettendes PCK-Sport (mit SchülerInnen inter-agieren, auf Unterschiede achten) weisenaber darauf hin, dass eine Ausdifferen-zierung der Curricula der FachdidaktikSport nötig ist. Darüber hinaus zeigt dieUntersuchung auf, dass eineAusrichtungder Curricula auf Kompetenzen – undweniger auf Sportarten – nötig scheint.Hier weist die Untersuchung auf einenHandlungsbedarf für die in der Ausbil-dung von Sportlehrpersonen beteiligtenHochschulen hin.

    Wir hoffen jedenfalls, dass wir durchdie Untersuchung eine konstruktive Dis-kussion über das Professionswissen und-können von Sportlehrpersonen auch inder Mutterdisziplin Sportwissenschaftangestoßen haben.

    Auf Anfrage kann der Vignettentestbei den Autoren bezogen werden.

    Korrespondenzadresse

    Prof. Dr. R. MessmerInstitut Sekundarstufe I und II,Pädagogische HochschuleClarastrasse 57, 4058 Basel,[email protected]

    Jolanda Vogler MSc Sportwissenschaftmit Erzie-hungswissenschaft.WissenschaftlicheMitarbeiterinProfessur Sport undSportdidaktik ander Pädago-gischenHochschule FHNW, Basel; Schwerpunkte inLehre undForschung: FachdidaktischesWissenundKönnen von Sportlehrpersonen (PCK), Qualitative

    Forschungsmethoden, Fachdidaktik und Fachwissen-schaft der Individual- und ästhetischen Sportarten.Doktorandin anderUniversität Basel am Institut fürBildungswissenschaften.

    Prof. Dr. Roland Messmer Leiter Professur Sport undSportdidaktik ander PädagogischenHochschuleFHNW, Basel; Leiter KompetenzzentrumFachdidaktikSport am Institut für Bildungswissenschaften, Uni-versität Basel; Schwerpunkte in Lehre undForschung:Qualitative Forschungsmethoden: Narrative Inquiry,Professionsforschung Sportlehrpersonen, AufgabenimSportunterricht.

    David Allemann MScPsychologie.WissenschaftlicherMitarbeiter Professur Sport undSportdidaktik imJugendalter. Schwerpunkte in Lehre undForschung:Quantitative Forschungsmethoden.

    Open Access.Dieser Artikelwird unter der CreativeCommonsNamensnennung4.0 International Lizenz(http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht, welche dieNutzung, Vervielfäl-tigung, Bearbeitung, VerbreitungundWiedergabein jeglichemMediumundFormat erlaubt, sofernSie den/die ursprünglichenAutor(en) unddieQuelleordnungsgemäßnennen,einenLinkzurCreativeCom-mons Lizenz beifügenundangeben, obÄnderungenvorgenommenwurden.

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    Das fachdidaktische Wissen und Können von Sportlehrpersonen (PCK-Sport)ZusammenfassungAbstractTheoretische und empirische Modellierung PCK-SportTheoretische Modellierung TestinstrumentEmpirische Modellierung

    Stichprobe und Administration der TestsStichprobeDurchführung des Tests (Querschnitt)Durchführung des Tests (Längsschnitt)

    Ergebnisse der Untersuchung (Quer- und Längsschnitt)Fachdidaktisches Wissen und Können und UnterrichtserfahrungUnterrichtserfahrung der StudierendenUnterrichtserfahrung der erfahrenen Lehrpersonen

    Effekte der AusbildungErgebnisse im LängsschnittDimension 3: Mit SchülerInnen interagieren (Quasi-Längsschnitt)Faktor 9: Auf Unterschiede achten (Quasi-Längsschnitt)

    Fachwissen (und -können) als bestimmende Größe für das PCKVorwissen (und -können) und PCKAußerhalb der Ausbildung erworbenes Fachwissen (und -können)Fachwissen (und -können), CK und PCK

    FazitLiteratur