corina.christmann@luks.ch workshop 18 · 2017. 9. 18. · corina.christmann@luks.ch oab: klinik....

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corina.christmann@luks.ch

Workshop 18: «Zuviel im Fluss»- Urininkontinenz

Dr. med. Corina Christmann, Leitende Ärztin, Leitung Urogynäkologie Frauenklinik Luzerner Kantonsspital

corina.christmann@luks.chAgenda

Welche Inkontinenz-Formen gibt es?- Inkl. Nomenklatur

Inzidenz, Ätiologie & Klinik

Welche diagnostischen & therapeutischen Schritte kann ich als Hausarzt/- in bereits einleiten?- Inkl. Tipps & Tricks in der Anamnese- Diagnostische Tools- 1st Line Therapien

corina.christmann@luks.chAgenda

Wann muss ich die Patientin zur Urogynäkologin/ zum Urogynäkologen überweisen?

- Überblick über weitere Diagnostik

- Überblick über weitere therapeutische Maßnahmen

Fallbeispiele

corina.christmann@luks.chNomenklatur

Belastungsinkontinenz = Stressinkontinenz (SUI)

Dranginkontinenz = Reizblase = Überaktive Blase (OAB)

Mischinkontinenz (SUI&OAB)

Seltene Inkontinenzformen:- Überlaufblase- Vesiko-vaginale/ Uretero-vaginale Fistel

corina.christmann@luks.ch

Welche Inkontinenz-Formen gibt es?

- Stressinkontinenz(stress urinary incontinence, SUI)

- Dranginkontinenz(überaktive Blase, urge UUI, OAB wet/dry)

- Überlaufblase (Inkontinenz bei chronischer Retention/ständig übervoller Blase z.B. infolge von Abflussstörungen)

- Mischinkontinenz- andere Inkontinenzformen (neurogen,

Fisteln,….)

SUI50%Misch-

inkontinenz32%

OAB14%

Andere Inkontinenz-

formen4%

corina.christmann@luks.chPrävalenz

Prävalenzrate für SUI, OAB & MUI in Europa:

Zahlen variieren erheblich, hohe Dunkelziffer, steigend mit

zunehmendem Alter

- Overall Prävalenz: 10%- 38%

- OAB-Prävalenz: 7.7-31%

- SUI-Prävalenz: 12.1-24.6%

corina.christmann@luks.chSUI: Ätiologie

- Schwache Beckenboden- Muskulatur

- Überdehnung Band-/Halteapparat

- nervale Fehlsteuerung

- Deszensus genitalis/ Cystocele

ungenügender Urethra-Verschluss

corina.christmann@luks.chSUI: Ätiologie

Risikofaktoren

- Vaginalgeburt (Sectio nicht unbedingt präventiv!)

- Schwangerschaft

- Adipositas

- Chronisch erhöhter abdominaler Druck

- Asthma, COPD

- Alter

- Deszensus genitalis

corina.christmann@luks.chSUI: Klinik

Typische Symptome-Definition:

Unwillkürlicher Urinverlust beim Husten, Niesen,

physischer Ertüchtigung oder plötzlicher

Positionsveränderung

corina.christmann@luks.chSUI: Klinik

Beispiel einer typische Patientin:

45 Jahre, St. n. 2x Spontangeburt, St. n. 1x Sectio, BMI 32

„Frau Doktor ist das normal? Immer wenn ich mit meinen Kindern auf

dem Trampolin springe, verliere ich Urin. Joggen mag ich deswegen

auch schon nicht mehr gehen…“

„Im letzten Winter als ich so stark erkältet war, musste ich ständig eine

Binde tragen. Ich hab das Gefühl, es wird immer schlimmer….Meine

Kollegin hat da so ein Band einlegen lassen,… wär das nicht auch was

für mich?“

corina.christmann@luks.chSUI: Diagnostik

Ausführliche Anamnese, Leidensdruck ja/ nein

• Verlieren sie beim Husten, Niesen, Bus rennen?

• Verlieren sie beim Treppe runter steigen, abwärtsgehen?

• Beim Aufstehen mit oder ohne Drang? ?? OAB oder

Mischinkontinenz

• PAD-Gebrauch?

corina.christmann@luks.chMiktionsprotokoll

corina.christmann@luks.chSUI: Diagnostik

- Trink- und Miktionsprotokoll (2-3 Tage)

- Ausschluss Harnwegsinfekt

- Ausschluss Restharn (DD Überlaufinkontinenz)

- gynäkologische Untersuchung

- Hustentest bei voller Blase

In Praxis möglich

corina.christmann@luks.chMiktionsprotokoll

corina.christmann@luks.chBeispiel SUI:

corina.christmann@luks.ch

SUI: Therapie-Optionen

Beckenbodenphysiotherapie mit Biofeedback à 9 Sitzungen

corina.christmann@luks.ch

SUI: Therapie-Optionen

Vaginal-Tampons für den suburethralen Support

corina.christmann@luks.ch

Weiterführende Diagnostik

Urodynamische Abklärung:- Miktiometrie- Füllzystometrie/ Druck-Fluss-Studie- Urethradruckprofil

corina.christmann@luks.ch

SUI: Therapie-Optionen

Zentrumsspital/ Urogynäkologe/ -in:

Urethrapessare

corina.christmann@luks.ch

SUI:Therapie-Optionen

Bulking – Agents transurethral wie z.B. Bulkamid

- Erfolgsrate: 60-80%

- V.a. bei polymorbiden Patientinnen

BURCH-Kolposuspension

- Erfolgsrate: 80-90% abnehmend über die Jahre

corina.christmann@luks.chOAB: Definition

Frequency (zu häufig)

Urgency (Drang)

Urge incontinence (Dranginkontinenz)

Nocturia (Nykturie)

Abwesenheit von Blasenpathologien (Tumor, Stein), Blaseninfekt

corina.christmann@luks.chOAB: Ätiologie

Früher:

Motorisch (autonome

Detrusorhyperaktivität ohne

zentrale Hemmung)

Sensorisch (verstärkte afferente

Impulse aus Blasenwand)

charakteristisch: imperativer

Harndrang bei kleinen Volumina

corina.christmann@luks.chOAB: Ätiologie

Risikofaktoren

- Meistens idiopathisch

- Adipositas

- Medikamentös

- Neurologisch

- Infekt-bedingt

corina.christmann@luks.chOAB: Klinik

Typische Symptome:

- Häufige Miktion (>8x/d oder >2-3x/Nacht) mit geringen Volumina (<100 ml)

- Unwillkürlicher Urinverlust kurz vor Erreichen des WCs (v.a. morgens nach dem Aufstehen)

- Oft imperativer Harndrang

- Einschränkung Lebensqualität und Aktionsradius

corina.christmann@luks.chOAB: Klinik

Beispiel einer typische Patientin:

65 Jahre, St.n. 2x Spontangeburt, postmenopausal, keine HRT, Deszensus genitalis Typ I°

«Ich muss beinahe stündlich auf die Toilette und schaffe es manchmal nicht

rechtzeitig bis zum WC, vor allem morgens nach dem Aufstehen ist oft die

ganze Unterhose nass….. Ich traue mich nicht mehr längere Spaziergänge zu

unternehmen. Ständig hab ich das Gefühl, die anderen Leute riechen den

Urin….In der Stadt kenne ich alle öffentlichen WCs. Wenn ich nach Hause

komme muss ich dringend auf die Toilette, sobald ich den Schlüssel in die

Haustür stecke… und oft rinnt`s dann schon…. nachts muss ich oft 3-4x

aufstehen…gibt es da nicht ein Medikament dagegen?»

corina.christmann@luks.chOAB: Diagnostik

Ausführliche Anamnese, Leidensdruck ja/ nein:

- Wie viel Trinken Sie und wie häufig auf die Toilette?

- Drang? Mit oder ohne Urinverlust?

- Drang beim Händewaschen, „key in the door“, unter der

Dusche?

- Wissen Sie wo alle Toiletten sind in der Stadt/ Einkauf?

- Aktionsradius eingeschränkt?

- Becken-OP?

- Rauchen?

corina.christmann@luks.chMiktionsprotokoll

corina.christmann@luks.chMiktionsprotokoll

corina.christmann@luks.chOAB: Diagnostik

- Trink- und Miktionsprotokoll (2-3 Tage)

- Ausschluss Harnwegsinfekt (mit Urinkultur, ggf. an Urea-/Mykoplasmen denken)

- Ggf. Chlamydienabstrich (urethral, vaginal)

- Ausschluss Restharn (DD Überlaufinkontinenz)

- Gynäkologische Untersuchung (Atrophie, Deszensus)

corina.christmann@luks.ch

OAB: Therapie-Optionen

- Blasentraining

- Lokale Östrogenisierung

- Anticholinergika für 3 Monate

- Beta3-Adreno-Agonist für 3 Monate

Effizienz 60-80%, Placeboeffekt bis 40 %

corina.christmann@luks.chMedikamente I

corina.christmann@luks.chMedikamente II

-Literatur: Cochrane Collaboration- Anticholinergic drugs versus placebo for overactive bladder syndrom in adults (Review, Nabi G et al.)- Bladder training for urinary incontinence in adults (Review, Wallace SA et al.)- Anticholinergic drugs versus non-drug active therapies in overactive bladder syndrom in adults (Review, Allhasso AA et al.)

corina.christmann@luks.ch…gut zu wissen…

Kontraindikationen:

Engwinkelglaukom

Myasthenia gravis

schwere Obstipation

Refluxösophagitis

Blasenentleerungsstörung

corina.christmann@luks.ch…gut zu wissen…

Therapiedauer- Mindestens 8-12 Wochen (ausser bei starken NW)- Verstärkung der anticholinergen Wirkung von z.B. Amantadin, Antihistaminika, Antiparkinsonmitteln, Atropin, Neuroleptika, Codein, trizyklischen Antidepressiva

Interaktionen mit Cytochrom P450 3A4/2D6 (Johanniskraut, Makrolide, HIV-Medikamente, Antimykotika, SSRI)

corina.christmann@luks.ch

Interaktionen: Anticholinergika

Individual Product SmPCs Wiedemann A et al. Euro J Ger 2001; 3:41-5

Induktion

RifampicinCarbamazepin

PhenytoinJohanniskraut

Barbituate

Inhibition

Ketoconazole*Itraconazole*Fluconazole

ErythromycinClarithromycin

MacrolideVerapamilRitonavir*Nelfinavir*Diltiazem

Grapefruitsaft

Inhibition

CodeineHaloperidolMetoprololParoxetineTerbinafineQuinidineCimetidine

Trospium

Elimination unverändert

Oxybutynin (XL and TDS)Solifenacin

Tolterodine Darifenacin

Cytochrom P450 3A4 Cytochrom P450 2D6

* Kontraindiziert mit Darifenacin

corina.christmann@luks.ch

OAB: Weiterführende Diagnostik

- Urodynamische Abklärung

- Zystoskopie (Ausschluss Karzinom, Fistel, Stein, Faden)

- Neurologische Abklärungen (z.B. MS)

corina.christmann@luks.ch

OAB: Therapie-Optionen

Intravesikale Botox-Injektionen

- Blasenentleerungsstörung 1-11%

- Wirkungsdauer: 6-18Mt

- Kosten von KK übernommen

corina.christmann@luks.ch

OAB: Therapie-Optionen

Sakrale Nervenstimulation- SNS- 60-80% Besserung- Kosten von KK übernommen

Neuromodulation:- Perkutane tibiale Nervenstimulation (PTNS/ TTNS)- Kosten nicht übernommen

(Wirkmechanismus nicht vollständig geklärt: über N. pudendus Inhibition des Parasympathikus und Aktivierung des Sympathikus Relaxation des Detrusors)

corina.christmann@luks.chMischinkontinenz

- Gleicher Algo-Rhythmus wie bei der isolierten SUI/ OAB

- Diagnostischen Schritte in der HA-Praxis wie bei der isolierten SUI/ OAB

- Therapie richtet sich primär nach dem anamnestisch dominanten Krankheitsbild

- Patientin informieren, dass es sich um 2 verschiedene Arten von „Blasenproblemen“ handelt, die unterschiedlich behandelt werden

- Erfolgsrate der Behandlung etwas schlechter als bei isolierter SUI/ OAB

corina.christmann@luks.chFallbeispiel 1

75 jährige Patientin stellt sich beim Hausarzt vor mit:

1. Immer wiederkehrenden Blaseninfekten

1. Drangsymptomatik und morgendlicher Urininkontinenz

beim Aufstehen

corina.christmann@luks.chFallbeispiel 1

Was wollen sie zur Anamnese wissen?

Was sind die Fragen die Sie bzgl. Infekte und Inkontinenz stellen?

Weitere diagnostischen Schritte?

Therapie?

Überweisen?

corina.christmann@luks.chFallbeispiel 1

Wichtige Punkte:

1. Immer nach Vor-Op im Becken und Sigmadivertikulitiden

fragen

2. Bei rezidivierenden HWI, immer resistenzgerecht

therapieren, falls erfolglos, weitere Diagnostik

- Ausschluss Tumor, Stein

- Ausschluss Fistel

3. CAVE: morgendliche Urininkontinenz: verschlafen des

Leak-Point Pressure oder Fistel

corina.christmann@luks.chFallbeispiel 2

43 jährige Patientin mit bekannte MS mit sekundärer

Progression mit neu aufgetretener:

1. Pollakisurie

2. Langer und langsamer Miktion

3. Unwillkürlicher Urinverlust

corina.christmann@luks.chFallbeispiel 2

Gynäkologische Anamnese:

- 1x Spontangeburt, 1 x Sectio caesarea, schwerstes Kind

4000g

Persönliche Anamnese:

- MS, Erstdiagnose 2009, aktuell unter Betaferon

corina.christmann@luks.chFallbeispiel 2

Was wollen sie zur Anamnese wissen?

Welche Fragen stellen sie bzgl. Inkontinenz und langsamer Miktion?

Weitere diagnostischen Schritte?

Therapie?

Überweisen?

corina.christmann@luks.chFallbeispiel 2

Wichtige Punkte:

1.„ Blasenprobleme“ bei neurologischen Patientinnen immer ernst nehmen & gezielt bei der Konsultation abfragen

2. Immer Ausschluss von Infekten & v.a. Restharnbildung

1. Falls keine erhöhte RH-Bildung von >100ml kann „normale“ First-Line Therapie in der Praxis angefangen werden ( CAVE: RH-Kontrolle)

corina.christmann@luks.chVIELEN DANK

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