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GEZEICHNETE LITERATUR -
Graphic Novels im Deutschunterricht der Sekundarstufe II
D i p l o m a r b e i t
zur Erlangung des akademischen Grades
einer Magistra der Philosophie
an der Karl-Franzens-Universität Graz
vorgelegt von
Caroline WIELAND
am Institut für Germanistik
Begutachterin: Mag.a Dr.in phil Sabine Fuchs
Graz, 2016
1
EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG
Ich erkläre hiermit ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende
Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die
angegeben Quellen nicht verwendet und die den benützten
Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche
kenntlich gemacht habe.
Graz, 2016
2
DANKSAGUNG
Mein aufrichtiger Dank gilt…
… meiner Diplomarbeitsbetreuerin Frau Mag.a Dr.in
phil Sabine Fuchs, die mich stets tatkräftig unterstützt hat
und ohne deren Zuspruch und Einwand diese Arbeit wohl
nie ein Ende gefunden hätte.
…meinen Eltern Karin und Werner, die mich
emotional und finanziell gestärkt haben und ohne die ich
heute nicht das wäre, was ich bin.
…meinen Freunden Märy, Sarah, Christian und der
Murtaler Fraktion, die mich durch meine Studienzeit
begleitet haben und mit denen ich so manch lustigen
Abend verbringen durfte.
…meinen Geschwistern Christian, Katrin, Stefan
und Simone, die mein Leben so bereichert haben und die
immer für mich da sind, egal wie weit wir voneinander
entfernt sind.
…Gertrude und Kevin für ihren Humor, ihren Geist
und ihren guten Rat.
…Pascal, der mich stets unterstützt hat und dem ich
meine Dankbarkeit niemals mit Worten ausdrücken
könnte.
3
INHALTSVERZEICHNIS
1 Einleitung................................................................................................................................................... 6
2 Die Graphic Novel ..................................................................................................................................... 8
2.1 Unterschied Graphic Novel - Comic ................................................................................................ 10
2.2 Narration und Ästhetik der Graphic Novel...................................................................................... 13
3 Literaturdidaktische Grundlagen ............................................................................................................ 36
3.1 Das Handlungsfeld Literatur ............................................................................................................ 36
3.2 Literatur und Literaturdidaktik ........................................................................................................ 39
3.2.1 Arbeitsbereiche der Literaturdidaktik ...................................................................................... 41
3.3 Aufgaben und Ziele des Literaturunterrichts .................................................................................. 42
3.3.1 Unterstützung von Individuation, Sozialisation und Enkulturation .................................... 42
3.3.2 Die Leseförderung ..................................................................................................................... 47
3.4 Comic, Graphic Novel und Literaturunterricht ............................................................................... 49
4 Unterrichtskonzepte für die Sekundarstufe II ........................................................................................ 53
4.1 Grundlagen ...................................................................................................................................... 53
4.1.1 Werkzeuge der Graphic Novel .................................................................................................. 54
4.1.2 Farbe in der Graphic Novel ....................................................................................................... 55
4.1.3 Raum und Bewegung in der Graphic Novel ............................................................................. 58
4.2 Irmina ............................................................................................................................................... 60
4.2.1 Titelbild ..................................................................................................................................... 74
4.2.2 Das Standbild-Panel .................................................................................................................. 75
4.2.3 Die eigene Graphic Novel ......................................................................................................... 77
4.2.4 Onomatopoetika in „Irmina“ .................................................................................................... 79
4.2.5 Farbgestaltung in „Irmina“ ....................................................................................................... 82
4.2.6 Textanalyse und -interpretation ............................................................................................... 84
4.3 Der Traum von Olympia ................................................................................................................... 87
4.3.1 Vorentlastungsprojekt ............................................................................................................ 100
4.3.2 Szenische Darstellung ............................................................................................................. 102
4.3.3 Perspektivenwechsel .............................................................................................................. 104
4.3.4 Das Interview .......................................................................................................................... 105
4.3.5 Tagebuch ................................................................................................................................. 108
5 Zusammenfassung und Ausblick........................................................................................................... 110
4
6 Literaturverzeichnis .............................................................................................................................. 113
6.1 Primärliteratur ............................................................................................................................... 113
6.2 Sekundärliteratur .......................................................................................................................... 113
6.3 Abbildungsverzeichnis................................................................................................................... 120
7 Anhang (Arbeitsblätter) ........................................................................................................................ 125
6
1 EINLEITUNG
„Wenn ein Comic eine Melodie ist, so kann die Graphic Novel eine Symphonie sein.“
Was Will Eisner damit ausdrücken will, ist, dass eine Graphic Novel enorm viel
Potenzial besitzt, was im Deutschunterricht bislang größtenteils ignoriert wurde. Diese
Arbeit widmet sich daher eingehend der Verwendung von Graphic Novels im
Deutschunterricht der Sekundarstufe II.
Das Hauptziel dieser Arbeit liegt in der Legitimierung der Verwendung von Graphic
Novels im regulären Unterricht. Zu diesem Zweck werden zwei Werke untersucht,
analysiert und verschiedene Arbeitsaufträge präsentiert, die sich für Heranwachsende
zwischen 14 und 19 Jahren gut eignen. Bei den Graphic Novels handelt es sich
einerseits um „Irmina“ von Barbara Yelin sowie um „Der Traum von Olympia“ von
Reinhard Kleist. Mithilfe verschiedenster Zugänge soll den Lehrenden und Lernenden
die Auseinandersetzung mit diesem Format näher gebracht werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, wird sich die Arbeit zunächst mit dem Begriff der Graphic
Novel auseinandersetzen. Dabei soll abgegrenzt werden, was eine Graphic Novel ist
und was nicht, welche Unterschiede sie zum Comic aufweist und warum der Begriff
nicht ganz unproblematisch ist. Im nächsten Schritt wird die Narration und Ästhetik
dieses Mediums erläutert. Hierbei werden der Zeichenstil und die Farbgebung ebenso
analysiert wie die Seite und der Raum, den sie einnimmt. Auch wie es diesem Format
gelingt, Bewegung darzustellen, wird ausführlich erläutert. Ein herausragender Faktor
ist die Text-Bild-Beziehung von Comics und Graphic Novels, welche ebenfalls genau
analysiert wird.
Darauf aufbauend werden die literaturdidaktische Grundlage und die Berechtigung für
diese Arbeit zu finden sein. In diesem Zusammenhang ist es vor allem die
Literaturdidaktik von Ulf Abraham und Matthis Kepser 1 , die in dieser Arbeit den
Vorrang hat, da sie mir und meiner Auffassung von Literaturdidaktik am nächsten
stehen und ich ihre Arbeit als am ausführlichsten und brauchbarsten empfunden habe.
Somit wird zunächst das Handlungsfeld Literatur erklärt, darauffolgend die
Literaturdidaktik erklärt und ihre Arbeitsbereiche wiedergegeben. Im Anschluss
werden die Aufgaben und Ziele genannt, zu denen auch die Leseförderung zählt, die in
1 vgl. Literaturdidaktik Deutsch. Eine Einführung. 3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Erich Schmidth GmbH 2009. (=Grundlagen der Germanistik, 42.).
7
der Literaturdidaktik einen besonderen Stellenwert einnimmt. Auch Arbeiten über
Comics und Graphic Novels im Unterricht werden eingebaut, die als zusätzliche
Rechtfertigung für die Arbeit fungieren sollen.
Im Anschluss folgt der Hauptteil der Arbeit, dessen Augenmerk auf der Darbietung der
zwei Graphic Novels liegt, die sich für eine Auseinandersetzung im Literaturunterricht
als äußerst brauchbar erweisen werden. Zunächst werden zwei Unterrichtsvorschläge
präsentiert, die vor der eigentlichen Beschäftigung mit den Graphic Novels insofern
sinnvoll sind, als dass sie den Lernenden eine Einblick in die Terminologie und die
Farbenlehre geben, womit sie zukünftig der Narration und Ästhetik solcher Werke mit
dem richtigen Werkzeug begegnen können. Im Anschluss werden die Werke
vorgestellt und analysiert, ehe Unterrichtsvorschläge folgen, die sich erneut auf Ulf
Abraham und Matthis Kepsers Auffassung eines Literaturunterrichts stützen. Die
einzelnen Methoden sind dabei sowohl vor, als auch während und nach der
Textrezeption eingeordnet und bieten stets einen Überblick über die
Kompetenzbereiche, die damit angesprochen werden und vom „bifie“ 2
zusammengestellt wurden.
2 Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens.
8
2 DIE GRAPHIC NOVEL
Der Begriff der „Graphic Novel“ wurde 1964 erstmals von Richard Kyle in einem News-
letter verwendet, der in der „Comic Amateur Press Alliance“ veröffentlicht wurde.
Richtig durchsetzen konnte sich dieser Begriff allerdings erst durch Will Eisner im
Jahre 1978, der diesen Begriff einsetzte, um zu verdeutlichen, dass es sich bei seinem
Werk (A Contract with God and Other Tenement Stories) nicht bloß um ein weiteres
Comic-Buch handle.3 Die ersten Versuche, die zumeist an Kinder gerichteten Comics
auch an Erwachsene (oder zumindest anspruchsvolle Jüngere) zu richten, waren It
Rhymes with Lust von Arnold Drake und Leslie Waller aus dem Jahre 1950 aber auch
His Name is... Savage von Gil Kane und Archie Goodwin von 1963. Gemeinsam ist ihnen,
dass sie für ein erwachsenes Publikum geschaffen wurden. Dies meint hierbei jedoch
nicht sexuell expliziten oder extrem brutalen Inhalt, sondern dass ihr Inhalt erfordert
zwischen den Zeilen zu lesen und unter die Oberfläche zu sehen.4
Hinsichtlich einer Definition herrscht bei der Graphic Novel ebenso wenig Konsens wie
beim Comic. Allerdings sei eine generelle Definition ohnedies nicht wünschenswert, da
es vermutlich weder eine einzige noch eine endgültige gebe.5 Worüber sich die Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftler einig zu sein scheinen, ist, dass die Graphic Novel
vielmehr ein Format und kein Genre beschreibe.6 Dieter Wrobel fügt dieser Ansicht
hinzu, dass sie sich zu einer eigenständigen literarischen Gattung entwickle und sich
zudem äußerst schnell ausdifferenziert habe. Außerdem sei sie eine „bemerkenswerte
Weiterentwicklung des Comics in Richtung zunehmender erzählerischer und bildlicher
Komplexität.“7 Diese Komplexität weise darauf hin, dass die Graphic Novel mehr als
nur die Summe ihrer Teile beinhalte. Die Bilder und die Text-Bild Verknüpfungen seien
ein „unverzichtbares Element der Narration“.8
Eder zählt sieben Merkmale der Graphic Novel auf, wenngleich auch sie hier keinen
Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit erhebt. So sei eine Graphic Novel
3 vgl. Dany Fingeroth: The rough guide to Graphic Novels. London, New York: Rough Guides 2008. S. 3. 4 vgl. ebd. S. 16. 5 vgl. Jan Baetens; Hugo Frey: The Graphic Novel: An Introduction. New York: Cambridge University Press 2015. S.2. 6 vgl. Lukas Plank: Comic, Graphic Novel & Co. URL: https://lukasplank.files.wordpress.com/2013/10/comic-journalismus-comic-graphic-novel-co.pdf. [23.04.2016] S.23. 7 Dieter Wrobel: Graphic Novels. In: Praxis Deutsch. Zeitschrift für den Deutschunterricht. Hrsg. von Dieter Wrobel. Velber: Friedrich 2015. (Bd. 252). S. 4. 8 ebd.
9
zunächst ein Comic im Buchformat und an ein erwachsenes Publikum adressiert. Des
Weiteren erhebe die Graphic Novel einen literarischen Anspruch und kann sowohl
fiktional als auch nichtfiktional sein. Seiten- und Panelgestaltung werden aufgebrochen
und können vielfältig gestaltet werden und die Distribution laufe stets über einen
Buchhandel.9
Das Wort „graphic“ bedeute, dass die Werke sequenzielle Kunst beinhalten. Zusätzlich
zu den Bildern, die jeden beliebigen Stil aufgreifen können, bestehe eine Graphic Novel
auch aus einer Geschichte, die vergleichbar sei mit einer Kurzgeschichte oder einer
Novelle. 10 Inhaltlich steht ihnen dabei jedes beliebige Thema zur Verfügung.
Biografien, wie Maus von Art Spiegelmann können ebenso aufgegriffen werden wie
aktuelle politische Themen (z.B. Waltz with Bashir von Ari Folman und David
Polonsky). Auch werden des Öfteren Romane oder Gedichte zum Gegenstand gemacht
und als Graphic Novel neu realisiert.11
Stephen Weiner schließt sich den Definitionen weitestgehend an und ergänzt, dass sich
der Ruf des Comics erst dank der Einführung der Graphic Novel verbessert habe.12 Mit
Beginn der 2000er stieg das öffentliche Interesse an Graphic Novels rapide an, was
darauf zurückzuführen ist, dass man um diese Zeit begann, viele Comics und Graphic
Novels zu verfilmen. Man erkannte schnell, dass sich die Zuseherinnen und Zuseher
vor allem dann ins Kino setzten, wenn als Vorlage des Films eine Graphic Novel diente,
selbst dann, wenn sie mit dem Inhalt derselbigen nicht vertraut waren. 13 Was die
Zukunft der Comics und der Graphic Novels betrifft, so spricht sich Weiner durchwegs
positiv aus. Vor allem die anhaltende Begeisterung der Filmemacher und das
zunehmende Interesse von Institutionen, welche sich nicht primär mit dem Verlegen
von Comic-Büchern beschäftigen, seien dafür ein klares Zeichen.14
9 vgl. Barbara Eder: Graphic Novels. In: Comics und Graphic Novels. Eine Einführung. Hrsg. von Julia Abel; Christian Klein. Stuttgart: J.B. Metzler 2016. S. 156f. 10 vgl. ebd. 11 vgl. Eva Burwitz-Melzer; Jürgen Quetz: Shaun Tan’s Arrival als graphic novel für alle Fremdsprachen. In: Drei Schritte vor und manchmal auch sechs zurück. Internationale Perspektiven auf Entwicklungslinien im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Hrsg. von Barbara Schmenk; Nicola Würffel. Tübingen: Narr Francke Attempo: 2011.(= Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik.) S. 137. 12 vgl. Stephen Weiner: Faster than a speeding bullet. The rise of the Graphic Novel. New York: NBM 2012. S. XI. 13 vgl. Dany Fingeroth: The rough guide to Graphic Novels. London, New York: Rough Guides 2008. S. 59ff. 14 vgl. Stephen Weiner: Faster than a speeding bullet. The rise of the Graphic Novel. New York. NBM 2012. S. XI.
10
2.1 Unterschied Graphic Novel - Comic
„Jede Graphic Novel ist ein Comic, aber nicht jeder Comic eine Graphic Novel“15
Dieses Zitat beschreibt den ersten Schritt hin zur Unterscheidung zwischen dem Comic
und der Graphic Novel, nämlich den, dass eine Graphic Novel zwar wesentliche
Diskrepanzen zu einem Comic aufweise, dennoch unter dieses Genre subsummiert
werde.16
Die Graphic Novel werde von vielen Seiten als eine Weiterentwicklung des Comics
wahrgenommen. Sie habe die Betrachtung als „hybrider Text“ inne, der Bilder mit den
erzählerischen Möglichkeiten des Romans verknüpft und somit mehr Ausdrucks-
möglichkeiten und Formen bietet, als eine Bildergeschichte oder ein Comic.17
Obwohl Art Spiegelmann die Bezeichnung „Graphic Novel“ als nicht ganz unproble-
matisch empfindet, so war er dennoch der Ansicht, dass eine Graphic Novel „a comic
book that you need a bookmark for“ ist. Er versuchte mit diesem Zitat aufzuzeigen, dass
eine Graphic Novel, anders als die meisten Comics, nicht an eine vorgegebene
Seitenanzahl gebunden sei (zumeist 32 Seiten).18
Bei genauerer Betrachtung lassen sich vier Ebenen festmachen, die die Besonderheiten
in Abgrenzung zum Comic deutlich machen. Diese sind die Form, der Inhalt, das
Publikationsformat sowie die Produktion und der Vertrieb.
Die Ebene der Form kann kaum klare Linien in der Unterscheidung zwischen Comic
und Graphic Novel ziehen, da einige Graphic Novels erstmals als Comic erschienen und
erst bei der erneuten Veröffentlichung den Begriff der Graphic Novel erhielten, so z.B.
Alan Moores und Dave Gibbons’ Watchmen oder Frank Millers Batman. Dennoch gibt
es hinsichtlich des Seitenlayouts und der Narration differenzierbare Wesensmerkmale,
die beobachtet werden können. Fast ein gesamtes Jahrhundert lang folgten Comics
einer fundamentalen Struktur: Die Bilder stehen nebeneinander in einem Gitter, und
werden in einer horizontal und vertikal festgelegten Struktur gelesen. Der Graphic
Novel stehen nun in Abgrenzung dazu weit mehr Türen offen. Sie kann sich einerseits
15 Hans Ebert: 5 Fragen an die Buchhandlung Strips & Stories, Hamburg. URL: http://www.mein-literaturkreis.de/5-fragen-an-comic-graphic-novel-buchhandlung-strips-stories-hamburg/. [08.04.2016]. 16 vgl. Sebastian Oehler: Was sind Graphic Novels? – Deutsche und internationale Comic-Produktionen im Überblick. 08. 2010. URL: http://www.goethe.de/kue/lit/prj/com/ccs/csz/de5711244.htm [03.04.2016]. 17 vgl. Dieter Wrobel: Graphic Novels. In: Praxis Deutsch. Zeitschrift für den Deutschunterricht. Hrsg. von Dieter Wrobel. Velber: Friedrich 2015. (Bd. 252). S. 4. 18 vgl. Dany Fingeroth: The rough guide to Graphic Novels. London, New York: Rough Guides 2008. S. 59ff.
11
genau an diese Abfolge halten aber auch neue Regeln erkunden und das Medium bis an
seine Grenzen zwingen, um dieses auszutesten. Dasselbe gilt ebenso für die Narration,
indem sie entweder abgelehnt wird oder sich auf die Rolle eines Erzählers stützt.
Letzteres steht in starker Abgrenzung zum Comic, wo die Geschichte sich zumeist
selbst zu erzählen scheint – ohne Eingreifen eines Erzählers oder einer Erzählerin.
Auch auf der Ebene des Inhalts kann die Diskrepanz zwischen Comics und Graphic
Novels veranschaulicht werden. Autorinnen und Autoren von Graphic Novels
versuchen sich besonders in diesem Bereich vom Comic (insbesondere von den
Superheldencomics) zu distanzieren. Erwachsene sind das anvisierte Ziel und dieser
Gruppe sollen anspruchsvolle Texte geliefert werden, die für ein jugendliches
Publikum unter Umständen zu langweilig wären. Des Weiteren muss der Inhalt der
Graphic Novels nicht notwendigerweise fiktional sein. Wie weiter oben bereits
erwähnt wurde, können Graphic Novels auch (auto)biographisch sein, sie können
Geschichtliches behandeln oder eine Dokumentation wiedergeben (etc.).
Zudem muss dem Bereich des Publikationsformats hinsichtlich einer Divergenz
zwischen Comic und Graphic Novel Beachtung geschenkt werden. Es wird schnell
deutlich, dass Graphic Novels besonders häufig im Buchformat erscheinen und zudem
eine serielle Erscheinung eher der Ausnahmefall ist. Die Graphic Novel verwendet also
ein Format, das die Nähe zum traditionellen Roman deutlich macht (hinsichtlich der
Länge, dem Cover etc.) und sich hierbei ebenfalls vom klassischen Comic-Buch abhebt.
Vor allem die Tatsache, dass die Graphic Novel bewusst auf Serialität verzichtet (was
im englischen Sprachgebrach als „one-shot“ bezeichnet wird), macht deutlich, dass sich
die Autorinnen und Autoren dieses Mediums bewusst von Comics distanzieren. Zudem
entgehen Graphic Novels damit der allgemeinen Auffassung, dass ein in Serie
entstandenes Werk den Zweck verfolgt, kommerziell alle Möglichkeiten
auszuschöpfen.
Zuletzt gilt es, die Inkongruenz der Graphic Novel und des Comics in der Produktion
und im Vertrieb zu konkretisieren. Um eine Graphic Novel erfolgreich herausbringen
zu können, benötigte man lange Zeit unabhängige Verlegerinnen bzw. Verleger und
spezielle Buchhandlungen. Heutzutage ist dies zwar nicht mehr der Fall, was vor allem
an der Arbeit einiger weniger Verlagshäuser liegt (z.B. Pantheon, der Maus I von Art
12
Spiegelmann publizierte, u.v.a.), die durch das Publizieren bekannter Werke einen
großen Erfolg verzeichnen konnten.
Während diese vier Ebenen recht einleuchtend erscheinen, sind viele Wissenschaftler-
innen und Wissenschaftler nicht der Ansicht, dass man Graphic Novels und Comics so
eindeutig voneinander trennen könne. Die Produktion der Graphic Novel ließe sich
nicht so einfach vom wirtschaftlichen Kontext des Comics trennen, der vielerorts die
finanziellen Mittel für die Graphic Novel bereitstelle. Zudem sei durch eine solche
Abwertung des Comics dasselbige in Gefahr, verbannt zu werden,19 weswegen sich ein
Blick auf die Begriffsproblematik zu lohnen scheint.
Die Graphic Novel wird vielerorts als literarischer oder seriöser Comic in Buchlänge
angesehen.20 Auch Eddie Campbell argumentiert, dass die Graphic Novel die Form des
Comics nahm und ihn auf ein bedeutsameres und anspruchsvolles Niveau hob.
Einerseits ist hierbei anzuprangern, dass Campbell mit seiner Meinung den Comic
recht harsch abwertet, andererseits wollte er damit ebenfalls womöglich zum
Ausdruck bringen, dass die Graphic Novel eine neue und kreative Umgangsweise mit
dem Medium biete und nicht bloß den Comic und dessen typische Heldengeschichte
aufwärme.21
Selbst die bekanntesten Graphic Novel-Autorinnen und Autoren stehen dieser Bezeich-
nung kritisch gegenüber. So meint Art Spiegelman (Autor von Maus), dass durch den
Begriff „Graphic Novel“ bereits angedeutet werde, es handle sich hierbei um ein
herausragendes Werk, was aber de facto nicht der Realität entspreche. Viele Comic-
Bücher in glänzendem Cover hätten so den Sprung in die Bibliothek geschafft, obwohl
sie in Wahrheit jedoch bloß langweilig seien. Auch Alan Moore (Watchmen) schließt
sich Spiegelman durchaus an und hebt hervor, dass Graphic Novel nichts anderes
bedeute, als „teures Comic-Buch“ und es sei daher nicht von Belang, wie man sie nennt.
22
19 vgl. Jan Baetens; Hugo Frey: The Graphic Novel: An Introduction. New York: Cambridge University Press 2015. S.8ff. 20 vgl. Hillary Chute; Marianne Dekoven: Comic books and graphic novels. In: The Cambridge Companion to Popular Fiction. Hrsg. von David Glover; Scott McCracken. Cambridge: Cambridge University Press 2012. S 189. 21 vgl. Dany Fingeroth: The rough guide to Graphic Novels. London, New York: Rough Guides 2008. S. 6. 22 vgl. Jan Baetens; Hugo Frey: The Graphic Novel: An Introduction. New York: Cambridge University Press 2015. S.2.
13
2.2 Narration und Ästhetik der Graphic Novel
Graphic Novels erzählen ihre Geschichten mithilfe von Text und Bildern, genauer
gesagt bestehen sie aus bewusst gewählten narrativen Bildfolgen. Dabei gelten Text
und Bild sehr häufig als gleichberechtigt, und es herrscht eine Synthese zwischen den
Bild- und Wortinformationen. Betrachtet man deshalb die „Kunstform“ Graphic Novel
genauer, kann man eine eigenständige Narration und Ästhetik feststellen, die eine
spezielle Rezeption benötigt:23
Bildgeschichten […] muß man lesen: buchstäblich, weil sie mit dem Medium der Schrift
agieren, und übertragen, weil sie eine sequentielle Wahrnehmung erfordern, die
strukturell der Lektüre eines Buches entspricht24
Hinsichtlich der Rezeption lässt sich festhalten, dass die Rolle des Leser-Betrachters25
beim Lesen einer Graphic Novel markante Unterschiede im Vergleich zum Lesen eines
rein geschriebenen Textes aufweist. Da der Autor oder die Autorin nämlich nicht im
herkömmlichen Sinne erzählt, sondern vielmehr „vor die Augen stellt“, zwingt er seine
Leser-Betrachter in die Rolle von Augenzeuginnen und Augenzeugen oder Voyeur-
innen und Voyeure. Die Künstlerinnen und Künstler der Graphic Novel wissen um das
von ihnen verwendete verweisende Zeichensystem und können davon ausgehen, dass
die Rezipierenden mit ihrem Erfahrungswissen in der Lage sind, die Bilder adäquat zu
deuten. Diese Zeichen können sowohl ikonisch, indexikalisch und symbolisch sein und
der Leser-Betrachter ist dazu aufgefordert, diese Zeichen so zu deuten, sodass er den
Zusammenhang herstellen und angemessen interpretieren kann. Anders als im Film
muss der Leser-Betrachter der Graphic Novel die Bewegungen und Handlungen
konstruieren. Durch den Prozess des Lesens und Betrachtens wird die Bildfolge
inhaltlich und emotional konstruiert und man versteht das Gezeigte als Handlung.26
Das Verstehen von Bildern gelingt jedoch nicht „von selbst“. Der Leser-Betrachter muss
ebenso über einen gewissen Bildhorizont und Erfahrung verfügen, um die Handlung
nachvollziehen zu können. Auch spielen Kultur und Zeitgeschichte eine Rolle und nicht
23 vgl. Dietrich Grünewald: Die Kraft der narrativen Bilder. In: Bild ist Text ist Bild. Narration und Ästhetik in der Graphic Novel. Hrsg. von Susanne Hochreiter; Ursula Klingenböck. Bielefeld: transcript 2014. S. 19f. 24 Andreas Platthaus: Im Comic vereint. Eine Geschichte der Bildgeschichte. Berlin: Alexander Fest 1998. S7. 25 Bitte beachten Sie: Da das Gendern dieses Wortes den Lesefluss unnötig behindern würde, bitte ich Sie, die weibliche Form ausnahmsweise mitzudenken. 26 Dietrich Grünewald: Die Kraft der narrativen Bilder. In: Bild ist Text ist Bild. Narration und Ästhetik in der Graphic Novel. Hrsg. von Susanne Hochreiter; Ursula Klingenböck. Bielefeld: transcript 2014. S. 37ff.
14
selten wird ein gewisses Kontextwissen verlangt. 27 Während Comics die Lesenden
permanent fesseln müssen, um sie bei der Stange zu halten, können es sich Graphic
Novels durchaus erlauben, größere Auslassungen vorzunehmen, um so eine
intensivere Auseinandersetzung mit dem Gezeigten zu erzeugen.28
2.2.1 Farbgestaltung und Zeichnen
Das Zeichnen von Graphic Novels unterscheidet sich laut Baetens und Frey ganz
erheblich von dem, was Künstlerinnen und Künstler für Comics erstellen. So versuche
der Autor einer Graphic Novel, die dem Comic inhärente Trennung zwischen dem
Zeichnen und dem Erzählen sowie das Ignorieren vom individuellen Stil des Künstlers
aufzulösen. Die Autoren der Graphic Novels sind es häufig selbst, die sowohl die
Geschichte erzählen als auch die Bilder dazu gestalten, mit dem Ziel größtmöglicher
Individualität und Persönlichkeit.29
Auf dieser Seite spielt Farbe eine sehr zentrale Rolle.
Der Protagonist hat sich in einen Käfer verwandelt und
sieht sich in seinem Zimmer um. Die Farben, die
verwendet wurden, wirken trist und langweilig, als
wäre das Leben des Käfers genauso eintönig wie sein
Zimmer.
Abb. 1: Die Verwandlung, S.2.
Um dem Zeichenstil einer Graphic Novel adäquat zu begegnen, scheint der Begriff der
„graphiation“ laut Baetens und Frey besonders hilfreich zu sein. Damit meinen sie die
Sichtbarkeit des Künstlers oder der Künstlerin in all seinen oder ihren Zeichnungen. Es
erlaube ihm oder ihr, sich auf einer Ebene zu bewegen, die von zwei Extremen ausgeht:
einerseits die subjektive Darstellung des Erlebten, mit dem Fokus auf der Subjektivität
und nicht auf dem Objekt der Repräsentation, andererseits der objektive Stil, in dem
27 vgl. ebd. S. 42ff. 28 vgl. ebd. S. 66ff. 29 vgl. Jan Baetens; Hugo Frey: The Graphic Novel: An Introduction. New York: Cambridge University Press 2015. S. 135.
15
der Autor oder die Autorin so neutral und unsichtbar wie möglich erscheinen will und
der Fokus auf dem Objekt der Repräsentation liegt. Baetens und Frey erheben den
Anspruch, diesen Faktor der „graphiation“ stets als ein Interpretationswerkzeug bei
Graphic Novels zu verwenden, um den Zeichenstil des Künstlers oder der Künstlerin
zu interpretieren. So kann ein unpersönlicher Stil kann zum Ziel haben, sich von den
anderen Künstlerinnen und Künstlern desselben Feldes abheben zu wollen, während
das Kopieren von anderen häufig mit Bewunderung oder Angst vor Versagen mit dem
eigenen Stil zusammenhängen kann.30
Der Zeichenstil eines Graphic-Novellisten ist in aller Regel ausschlaggebend für die
Bewertung seines Werkes durch die Lesenden, da die Zeichnungen sofort wahr-
genommen werden. Darin liegt aber sehr häufig auch ein Problem für die Autorinnen
und Autoren, da es ihnen unter Umständen schwer fallen könnte, ihren Stil zu ändern.
Außerdem wird das Zeichnen für die Graphic Novel von ihnen häufig als anstrengend
und monoton empfunden, womit es nicht weiter verwunderlich ist, dass sich die
meisten Stile nicht besonders voneinander unterscheiden. Grundsätzlich folgen die
Autoren einer der folgenden drei Strategien:
1. interne Variationen innerhalb des eigenen Stils.
2. Kombination aus verschiedenen Stilen: Die Verbindung kann sowohl
verschiedene Zeichenstile meinen, als auch die Integration von z.B. Fotografien
o.Ä.
3. Verwendung eines existierenden Stils in Verbindung mit der Suche nach einem
eigenen.31
Ebenso vielfältig wie der Zeichenstil sind die Möglichkeiten der Farbgebung in der
Graphic Novel. Zwar müssen sie nicht zwangsläufig Farbe verwenden, um eine
bestimmte, intendierte Wirkung zu erzeugen, dennoch gibt es zahlreiche Funktionen,
die Farbe in diesem Zusammenhang erfüllen kann. So kann sie durchaus eine gewisse
Stimmung erzeugen, eine Atmosphäre darstellen oder eine Empfindung hervorrufen
(rot kann für Gefahr, blau für Kälte oder Bequemlichkeit stehen, etc.), durch
Farbnuancen kann räumliche Tiefe erzeugt werden. Während Schwarz-Weiß-Comics
die Idee der Kunst direkter vermitteln und sich damit näher an der Sprache platzieren,
30 vgl. ebd. S. 136f. 31 vgl. ebd. S. 140.
16
spiele bei farbigen Werken die Form selbst eine entscheidende Rolle. Zudem wirken
farbige Comics realer als schwarz-weiße.32 Diese beiden Graphic Novels (Abb. 2 und 3)
haben die Farbgestaltung bewusst (nicht) gewählt, um Akzente damit zu setzen.
Abb. 2: Flughunde, S. 142.
Abb. 3: Persepolis, S. 3.
Zu beachten gilt hier auch, dass die Farbgestaltung durchaus auch von verschiedenen
Kontextbedingungen abhängt. So spielen die Möglichkeiten der Technik eine ebenso
wichtige Rolle wie die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel. Vor allem Graphic
Novels nutzen die Farbgestaltung, um sich von den Comics abzuheben, indem sie damit
den Kunstaspekt betonen.33
2.2.2 Seite
Grundsätzlich kann das allgemeine Seitenlayout auf vier verschiedene Arten
dargestellt werden. Dieses „Verhältnis von Seitenarchitektur und Erzählung“ 34 teilt
sich in vier mögliche Darstellungsformen. Peeters, dem diese Theorie zugrunde liegt,
nennt das typische Wechselverhältnis zwischen Handlung und Layout, bei der die
Sequenz dominiert, rhetorisch. Das Layout akzentuiert hierbei die Handlung und kann
die Gestaltung der Sequenzen sowohl Bewegungen als auch Inhalte rhetorisch unter-
stützen. Diese chronologische Panelfolge überwiegt und ist ohne weiteres darstellbar.
Auch die Möglichkeiten der Illustrierung der Dauer in einer Graphic Novel sind äußerst
zahlreich. Um Länge erzeugen zu können, kann das gutter zwischen den Panels
32 vgl. Scott McCloud: Comics richtig lesen. Hamburg: Carlsen 1995. S. 193ff. 33 vgl. Julia Abel; Christian Klein: Leitfaden zur Comicanalyse. In: Comics und Graphic Novels. Eine Einführung. Hrsg. von Julia Abel; Christian Klein. Stuttgart: J.B.Metzler 2016. S. 83. 34 vgl. ebd. S.89f.
17
vergrößert werden, ein Panel kann mehrfach gezeigt werden oder größer dargestellt
sein (ein großes Panel zwischen zwei kleinen kann ebenso einen Verlängerungseffekt
erzielen).
Wenn von Vervielfachung des Panels die Rede ist, so ist damit im selben Moment nicht
mehr von einer rhetorischen Handhabung des Layouts die Rede, sondern von einer
regelmäßigen. Zwar dominiert noch immer die Sequenz, allerdings akzentuiert das
Layout die Handlung nicht mehr. Alle Panels haben dieselbe Form (häufig bei
Comicstrips in Zeitungen), was für viele Autorinnen und Autoren den Vorteil hat, den
Fokus auf die Handlung selbst zu lenken und die mediale Vermittlungsform in den
Hintergrund treten zu lassen.
Bei diesen beiden Formen der Layout-Gestaltung (rhetorisch und regelmäßig)
dominiert die Sequenz. Nun beschreibt Peeters noch zwei weitere Arten, bei denen das
Gesamttableau dominiert. Auch hier gibt es die Variante, in der es eine Interdependenz
zwischen dem Layout und der Handlung gibt, die als „produktiv“ bezeichnet wird.
Gemeint ist damit, dass das Gesamtlayout der Seite maßgeblichen Einfluss auf den
Inhalt hat. Die Künstlerinnen und Künstler legen also besonderen Wert auf dessen
Gestaltung, so dass die Handlung dadurch mitgetragen wird.
Wird weder die Handlung durch das Tableau, noch das Tableau durch die Handlung
bestimmt, spricht man von einer dekorativen Gestaltung. Hierbei kann das Tableau
sehr vielfältig gestaltet werden (muss also nicht konform mit der Regelmäßigkeit des
Seitenlayouts auftreten).35
Während sich diese vier Gestaltungsmöglichkeiten auf das Seitenlayout beziehen, darf
die kleinste gestaltbare Einheit eines Comics und einer Graphic Novel nicht außer Acht
gelassen werden, nämlich das Panel. Es ist die kleinste komplexe Einheit des
Zeichensystems „Comic“ und besteht aus dem Bild und dem Rahmen, der es umgibt.36
Zwar ist es möglich, dass bereits ein einzelnes Panel eine gesamte Geschichte erzählt,
Graphic Novels bestehen aber zumeist aus einer Vielzahl von Panels. Unabhängig vom
Kontext sind Panels in einer Graphic Novel entweder als strip, als Seite (page), oder als
35 vgl. Martin Schüwer: Wie Comics erzählen. Grundriss einer intermedialen Erzähltheorie der grafischen Literatur. Hrsg. von Knut Hickethier; Ansgar Nünning. Trier: WVT 2008. (=WVT-Handbücher und Studien zur Medienkulturwissenschaft. 1.) S. 210ff. 36 vgl. Monika Schmitz-Emans: Literatur-Comics. Adaptationen und Transformationen der Weltliteratur. Berlin: Walter de Gruyter 2012. S77.
18
Buch (book) angeordnet. Die Panels können hierbei sowohl horizontal als auch vertikal
arrangiert sein, das Format und die Größe der Panels sind ebenso Variablen. Die
Unterteilung in die unterschiedlichen „level“ strip/page/book sei laut Baetens und
Frey in gewisser Hinsicht jedoch ungenügend, da die Beziehung zwischen den Bildern
und dem „level“ nie konstant sei. Die meisten Graphic Novels existieren bereits in Serie,
bevor sie in Buchform erscheinen. Zudem sei auch das Format von einer Ausgabe zur
nächsten häufig Änderungen unterworfen. So erschien Marjane Satrapis Persepolis
zweimal in unterschiedlicher Länge, was das Lesen der einzelnen Panels von Grund auf
verändert. Häufig bieten Verlage auch Graphic Novels in „pocket book“ Format an, was
das originale Layout verändert, wenn nicht gar zerstört. Doch selbst wenn das originale
Layout beibehalten wird, seien die Ergebnisse nicht immer erfolgreich. Als Milton
Caniffs Terry and the Pirates, ein täglich in einer Zeitung erschienener Strip in
Buchform erschien, war das Ergebnis enttäuschend, da Caniff dem Strip beinahe täglich
„Cliffhanger“ anfügte, die in Buchform jedoch seltsam wirken.37 Was Baetens und Frey
hier jedoch außer Acht lassen ist, dass Caniffs Werk ein Comic und keine Graphic Novel
ist, wodurch sich dieses Beispiel nur bedingt dazu eignet, die inkonstante Beziehung
zwischen den Bildern und dem „level“ aufzuzeigen. Zudem ist auch die in dieser Arbeit
behandelte Graphic Novel zunächst teilweise in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“
erschienen und als man dieser „strips“ in Buchform publizierte, war das Ergebnis
beeindruckend.
Das Panel wird grundsätzlich vom Rahmen, dem „gutter“ eingegrenzt. Dieser erfüllt
jedoch nicht nur den Zweck das Panel einzufassen, sondern ist auch Bestandteil der
ikonographischen Struktur, d.h. der Rahmen kann sich verschiedener nonverbaler
Sprachmöglichkeiten bedienen. Da es in Comics und Graphic Novels beispielsweise
keine explizite Erzählzeit gibt, fungiert laut Schmitz-Emans der Rahmen als Indikator
für das Präsens. Diese Behauptung stimmt mit der Wahrnehmung des Menschen
überein, der etwas Gesehenes nicht als vergangen oder zukünftig empfindet, sondern
als gegenwärtig. So müssen laut Eisner die Panels, die auf etwas in der Vergangenheit
oder Zukunft verweisen, stets zusätzlich codiert werden, um verstanden zu werden.
Hierbei würden sich wellen- oder wolkenförmige Rahmen eignen, als weitverbreitetes
37 vgl. Jan Baetens; Hugo Frey: The Graphic Novel: An Introduction. New York: Cambridge University Press 2015. S. 103ff.
19
Zeichen für etwas, das in der Vergangenheit liegt. Somit trägt auch der Rahmen für die
Graphic Novel eine essentielle narrative Funktion.38
Werden Panelgrenzen aufgelöst, hat das einen inhaltsübertragenden Effekt. Dittmar
spricht hierbei von einem „Metabild“, da alle Bilder zusammen zu sehen sind und
gemeinsam wirken und damit sowohl eine Stimmung transportieren und eine eigene
Wirkung erzeugen.39
Flughunde, von Lust und Beyer, besteht, wie oben auf dem
Bild (Abb. 4) veranschaulicht, aus mehreren Bildern, wo
einzelne Panelgrenzen erkennbar sind, jedoch nicht als
Einzelbilder wirken wollen, sondern erst
panelübergreifend eine adäquate Interpretation der
Geschehnisse ermöglichen.
Abb. 4: Flughunde, S. 133.
2.2.3 Bewegung
Wie gelingt es nun Comics und Graphic Novels, Bewegung zu imitieren, die dynamisch
wirkt? Zunächst erscheint es geradezu unmöglich eine Bewegung auf einem unbewe-
glichen Bild darzustellen. Grundsätzlich herrscht laut Schüwer im Einzelpanel
entweder eine Pose vor, die die Einfühlung in das Geschehen erleichtern soll oder der
Momentschnitt, der einen einzelnen Moment der Gesamtbewegung heraushebt und
fokussiert.40
38 vgl. Monika Schmitz-Emans: Literatur-Comics. Adaptationen und Transformationen der Weltliteratur. Berlin: Walter de Gruyter 2012. S82ff. 39 vgl. Ludwig Lohmann: Die Graphic Novel als Medium des Widerstandes. M. Satrapis „Persepolis“ im Vergleich zu „Zahra’s Paradies“ von Amir u. Khalil. Norderstedt: Grin 2012. [Vorher: Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald, Sem.-Arb 2012.] S. 11f 40 vgl. Martin Schüwer: Wie Comics erzählen. Grundriss einer intermedialen Erzähltheorie der grafischen Literatur. Hrsg. von Knut Hickethier; Ansgar Nünning. Trier: WVT 2008. (=WVT-Handbücher und Studien zur Medienkulturwissenschaft. 1.) S. 41ff.
20
Momentschnitt Pose
Abb. 5: Der Boxer, S. 102.
Abb. 6: Der Boxer, S. 61.
Während das Bild links einen Momentschnitt wiedergibt, also einen Moment von einer
Vielzahl an Bewegungen herausnimmt, ist das zweite Bild eine Pose, da hier keinerlei
Bewegung hineingelesen wird, obwohl sie zweifelsohne stattgefunden hat.
In Bewegungssequenzen (ab zwei Panels) unterscheidet man grob zwischen Moment-
to-Moment- und Action-to-Action-Sequenzen. Im Übergang von Moment zu Moment
geschieht keinerlei nennenswerte Bewegung, während jedoch bei „Action-to-Action“
eine klare Bewegungsveränderung wahrgenommen werden kann. Die Grenzen
zwischen diesen beiden Möglichkeiten sind jedoch fließend, denn ob das Schließen des
Auges oder das Öffnen des Mundes bereits als Bewegung gilt, ist vermutlich bei den
Rezipierenden stets unterschiedlich.41
41 vgl. ebd. S. 51ff.
21
Moment-to-moment Action-to-action
Abb.7: Aufzeichnungen aus Birma, S. 88. Abb.8: Aufzeichnungen aus Birma, S. 171.
Der Unterschied zwischen den beiden Bildern (Abb. 7 und 8) ist recht offensichtlich,
denn während in der linken Panelsequenz kaum eine Bewegung bemerkbar ist und
sich bloß die Hand die Position ändert, ist auf der rechten Seite schon eindeutig ein
Erheben des Mönchs vom mittleren zum letzten Panel und damit eine augenfällige
Veränderung seiner lokalen Position festmachbar.
Ebenfalls ein geeignetes Mittel zur Darstellung von Bewegung sind die
Bewegungslinien. Zwar wirken solche Linien stets artifiziell (schließlich sind sie mit
freien Auge in der Realität nicht wahrnehmbar), sie helfen jedoch, die Richtung einer
Bewegung nachzuvollziehen.42
Sehr gut ersichtlich sind die
Bewegungslinien in diesem Beispiel n
der Hertzko zum Schlag ausholt. Die
Linien machen dem Leser-Betrachter
deutlich, woher der Schlag kam und
somit kann die Bewegung und ihr
Verlauf nachvollzogen werden.
Diese Bahnen sind nicht nur in den Panels positioniert, sondern weisen auch eine
Richtung in einem Raum auf. Hierbei kommt die Leserichtung zum Tragen, die den
42 vgl. ebd.
Abb. 9: Der Boxer, S. 136.
22
Rezipierenden stets von links nach rechts trägt. Ist die Bewegungslinie mit der
Leserichtung kongruent, erleben wir die Darstellung als dynamisch, verläuft sie
hingegen konträr, stößt man beim Lesen auf einen gewissen Widerstand.
2.2.4 Raum
Comics müssen neben der Darstellung der Bewegung auch den dreidimensionalen
Raum auf die zweidimensionale Seite bringen. Zentral für die Gestaltung des Raums
sind zwei unterschiedliche Aspekte:
1. Perspektivität unserer Wahrnehmung: Auch der eigene Körper wird
wahrgenommen und empfunden und ist somit ebenso ein Bild. Das Bild im
Comic definiert ein räumliches Verhältnis zwischen den Betrachtenden und der
dargestellten Welt.
2. Differenziertheit unserer Wahrnehmung: Grundsätzlich nehmen wir den
homogenen Raum wahr und die Dinge, die sich in ihm befinden. Das Bild im
Comic definiert ein Verhältnis zwischen dem dargestellten Körper und dem
Raum, der ihn umgibt.
Die Frage, welche Perspektive für welche Szene am besten verwendet wird, ist in der
Raumdiskussion zentral, da sich mithilfe dieser narrativ einiges ausdrücken lässt.
Grundsätzlich unterscheidet Schüwer drei Perspektiven: die Einfluchtpunkt-
Perspektive sowie die Zwei- und Dreifluchtpunkt-Perspektive.43
Die Perspektive, die sich auf einen einzelnen Fluchtpunkt konzentriert stammt aus der
Renaissance und konstruiert den Raum so, dass alle Kanten parallel oder senkrecht zur
Projektionsebene verlaufen, wodurch ein einziger Fluchtpunkt entsteht, der mit dem
Zentrum der Perspektive übereinstimmt. Positiv bei dieser Perspektive ist das enge
Wechselverhältnis, das er mit dem Betrachter oder der Betrachterin eingeht. Wenn die
Hauptachse des Bildes mit der Sichtlinie den Betrachtenden übereinstimmt, wirkt das
Bild kontinuierlich und ruhig. Zudem unterstützt diese Betrachtungsweise den Verlauf
einer Bewegung, nämlich immer dann, wenn die Tiefenlinien parallel zu den
Fließlinien verlaufen. Da jedes Panel ein starres Bild darstellt, unterstreicht die
Frontalperspektive diese Starrheit, da das Auge des Betrachters oder der Betrachterin
auf einen Punkt hingelenkt wird. Auf zwei Punkte im Horizont ist die Zweifluchtpunkt-
Perspektive gerichtet, das nicht so stark betont wird. Diese Art der Darstellung ist recht
43 vgl. ebd. S. 83ff.
23
unauffällig und eignet sich besonders gut für die Darstellung seitwärts gerichteter
Bewegungen. Während bei dieser Perspektive waagerecht noch ein Halt für die Augen
erkennbar ist, wird dieser bei der Dreifluchtpunkt-Perspektive vollends aufgegeben,
wodurch diese häufig zur Darstellung der Dimensionen eingesetzt wird.
Jenseits dieser drei Möglichkeiten existieren noch weitere Perspektiven, die im Comic
eingesetzt werden können. Dabei handelt es sich zum einen um die Parallel-
perspektive, die Fluchtpunkte für das Auge aufhebt und den Raum somit objektiviert.
Daneben findet man außerdem den planimetrischen Raum, der keine Kanten mehr
erkennen lässt und das Perspektivzentrum nicht wie die Parallelperspektive negiert,
sondern verschleiert.44
Im zweiten Aspekt wird von einer Differenziertheit der Wahrnehmung gesprochen, die
nichts anderes meint, als die Beziehung zwischen dem Raum und dem Körper.
Grundsätzlich unterscheidet man hier zwischen raumzentriert und körperzentriert,
die in verschiedenen Abstufungen auftreten können. So kann der Raum im Panel
dominieren, der Körper sich allmählich an den Raum annähern (und vice versa) und
der Raum und der Körper können verschmelzen.45 Die folgenden Beispiele (Abb. 10-
14) sollen diese Möglichkeiten veranschaulichen.
Raumzentriert Raum nähert sich an Körper an
Abb. 10: Aufzeichnungen aus Birma, S. 72.
Abb. 11: Persepolis, S. 256.
44 vgl. ebd. 45 vgl. ebd. S. 140ff.
24
Körperzentriert Körper nähert sich an Raum an
Abb. 12: Persepolis, S. 3. Abb. 13: Aufzeichnungen aus Birma, S. 169.
Verschmelzung zwischen Raum und Körper
Abb. 14: Persepolis, S. 311.
Das sind jedoch nicht die einzig möglichen Raumdarstellungen im Comic und in der
Graphic Novel. So kann der Raum invariant dargestellt werden, wo gewisse Sequenzen
über mehrere Panels hinweg unverändert bleiben (vgl. Die Peanuts). Des Weiteren ist
es möglich, das Geschehen durch raumorientierte Aktionssequenzen zu dynamisieren.
Dies geschieht, wenn ein Raumausschnitt oft hintereinander, jedoch aus verschiedenen
Perspektiven gezeigt wird.46
Neben der Perspektive und der Differenziertheit unserer Wahrnehmung, bieten die
Translinearität und die Intertextualität Möglichkeiten, dem Raum im Comic und in der
Graphic Novel noch anderen Bedeutungen zuzuweisen.
46 vgl. ebd.
25
Wenn nämlich Relationen zwischen Panels und Panel-Sequenzen entstehen, die durch
mehrere Seiten voneinander getrennt sind, spricht man von Translinearität. Der Leser-
Betrachter muss für das Verständnis eine Beziehung zwischen Panels herstellen, die
nicht auf derselben Seite zu finden sind. Dadurch ist die Struktur „translinear“, d.h. man
schaut durch die Bilder hindurch zu früheren (oder späteren) Zeichnungen.47
Diese Panelsequenz veranschaulicht diesen
Effekt. Der Protagonist befindet sich
momentan in einem Boxkampf, erinnert sich
jedoch daran, wie er damals im KZ völlig
ausgehungert ebenfalls an einem Kampf
beteiligt war, dargestellt durch ein Panel,
welches einige Seiten davor bereits
verwendet wurde. Somit ist eine Relation
hergestellt, die der Leser-Betrachter jedoch
schnell entschlüsseln kann.
Abb.15: Der Boxer, S. 154.
Der Begriff der Intertextualität hingegen geht über die Grenzen des Einzeltextes
hinaus. Beziehungen werden nun nicht länger zwischen texteigenen Elementen
hergestellt, sondern mit „fremden“ Texte. Einerseits kann hierbei ganz explizit mit
Zitaten gearbeitet werden, andererseits gibt es auch zahlreiche Möglichkeiten der
impliziten Aufnahme. Jedoch muss dabei beachtet werden, dass der Verweis einen
hohen Wiedererkennungswert besitzen muss, damit die Aufnahme erkannt wird.48
2.2.5 Text-Bild-Beziehung
Die Sprache einerseits und die Bilder andererseits sind zwei primäre Elemente einer
Graphic Novel. Umso fataler wäre es, die beiden stets separat voneinander zu
betrachten und ihnen somit jedwede Verbindung streitig zu machen. Baetens und Frey
postulieren, dass sowohl die Bilder als auch der Text künstlerisch gestaltet sein
müssen, was sie als „grammatextuality“ bezeichnen.49 Dasselbe Phänomen greift auch
Grünewald auf, indem er sagt, Comics erzählen eine Geschichte mithilfe narrativer
47 vgl. ebd. S. 238ff. 48 vgl. ebd. S. 259ff. 49 vgl. Jan Baetens; Hugo Frey: The Graphic Novel: An Introduction. New York: Cambridge University Press 2015. S. 122.
26
Bildfolgen, also „eine[r] Folge statischer Einzelbilder, die mit Text (Schrift) eine
inhaltliche und formale Einheit bilden können, aufeinander bezogen sind und als
Ganzes wirken.“ 50 Dass diese beiden Elemente jedoch auch im Widerspruch
zueinander stehen können, macht Mikkonen klar, indem er die „picture function“ und
„story (narrative) function“ auch als sich widersprechenden Dimensionen bezeichnet.
Die Aufmerksamkeit des Leser-Betrachters wird hierbei also entweder auf das Bild
oder auf den Text gelenkt und die jeweils andere Dimension rückt in den
Hintergrund.51
Graphic Novels arbeiten also grundsätzlich mit zwei Zeichensystemen: Bildelemente
und verbale Elemente, die in Panelfolgen dargestellt sind und miteinander in
Beziehung treten. Die Bildelemente sind prototypisch ikonische Zeichen, die zumeist
in „Ähnlichkeitsbeziehung zu ihrem Referenzobjekt“ stehen. Die Wahrnehmung dieser
Zeichen erfolgt einerseits „holistisch-simultan“, also ganzheitlich, andererseits kann
auch eine sukzessive Wahrnehmung stattfinden, da Linien, Farben, Perspektiven etc.
die Aufmerksamkeit unterschiedlich lenken können. Das zweite Zeichensystem, der
verbale Code, konstituiert sich bei alphabetischen Schriften aus prototypisch
symbolischen Zeichen, die in einer zumeist konventionsgebundenen Beziehung zum
Referenzobjekt stehen. Hinsichtlich der Narrativität dieser beiden Systeme lässt sich
festhalten, dass ikonische Zeichen räumlich-visuelle Phänomene darstellen können,
während sich sprachliche Zeichen zur Darstellung von Zeit, Figurenrede, Gedanken
und Gefühlen eignen.52
Zwar findet man auch außerhalb dieser Textsorte Kombinationen von Bild und Text.
Was den Comic und die Graphic Novel im Besonderen ausmachen, ist die ihnen eigene
„semiotische Konvergenz“ der Systeme. Das bedeutet, dass ikonische Zeichen eine
symbolische Funktion annehmen können und vice versa. Erwähnenswert in diesem
Zusammenhang ist die Konvergenz der Onomatopöien im Comic und in der Graphic
Novel. Diese nehmen, zusätzlich zu der herkömmlichen Verwendung als Darstellung
50 Dietrich Grünewald: Comics. In: Grundlagen der Medienkommunikation. Hrsg. von Erich Straßner. Tübingen: Niemeyer 2000. (=Grundlagen der Medienkommunikation. 8) S.28. 51 vgl. Kai Mikkonen: Remediation and the Sense of Time in Graphic Narratives. In: The rise and reason of comics and graphic literature: critical essays on the form. Hrsg. von Joyce Goggin. Jefferson: McFarland 2010. S. 82ff. 52 vgl. Nathalie Mälzer: Taxonomien von Bild-Text-Beziehungen im Comic. In: Comics – Übersetzungen und Adaptionen. Hrsg. von Nathalie Mälzer. Berlin: Frank & Timme 2015. (=Arbeiten zur Theorie und Praxis des Übersetzens und Dolmetschens. 76.) S. 47f.
27
der klanglichen Ebene, die eine Ähnlichkeit zum Referenzobjekt darstellt, noch eine
weitere Funktion auf der visuell-grafischen Ebene an, indem ein Onomatopoetikum
ikonische und/oder indexikalische Funktionen erfüllt, womit aus ihnen ein Bild wird,
das ebenfalls ganzheitlich wahrgenommen wird.53
In diesem Panel ist die
Onomatopöie zunächst typisch
lautmalerisch die Imitierung eines
Polizeiautos (wiiiiuuuuwiiiuuu). In
weiterer Folge ist dieses Geräusch
auch indexikalisch klassifiziert, da
man durch die Anordnung der
Buchstaben den Ursprung und den
Verlauf des Geräuschs ausmachen
kann. Somit sind solche
„soundwords“ auf den ersten Blick zwar ein verbales Konstrukt, bei genauerer Analyse
jedoch semiotisch sehr komplex, da mehrere Funktionen übernommen werden
können. In der Graphic Novel sind sie zwischen dem Wort und dem Bild einzuordnen,
die sowohl sequentiell als auch holistisch wahrgenommen werden können und deshalb
als „Kippfiguren“ zwischen dem Ikon, dem Symbol und dem Index gelten können.54
Dasselbe Prinzip ist auch umgekehrt möglich, nämlich dann, wenn das Bildelement
eines Panels auch gelesen werden kann. Häufig zu finden ist dieses Phänomen bei
Piktogrammen, die für einen speziellen Sprechakt stehen.55 So wird Verliebtheit häufig
durch ein Herz oder Flammen in den Augen ausgedrückt, eine Glühbirne meint zumeist
einen klugen Einfall und ein Blitz steht häufig für Wut.56 Da diese Zeichen zumeist nicht
Teil des diegetischen Raums sind und von den Figuren somit auch nicht
wahrgenommen werden, wird ihr diegetischer Status aus der Handlung heraus
gedeutet und erst durch weitere Zeichen im Panel bzw. in den nächsten Panels
bestätigt oder falsifiziert. Diese Art der Betrachtung ist charakteristisch für Comics und
53 vgl. ebd. 54 vgl. ebd. S. 49f. 55 vgl. ebd. S. 50. 56 vgl. Nicole Mahne: Transmediale Erzähltheorie. Eine Einführung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007. (= UTB. 2913.) S. 49.
Abb. 16: Castro, S. 20.
28
Graphic Novels, die den semiotischen Status eines Zeichens nicht bereits in einem
Einzelpanel preisgeben.57
In Art Spiegelmans Graphic Novel
„Maus“ findet sich ein ebensolches
Bildelement, welches gelesen wird.
Die Sterne und vertikalen Wellen
stehen in diesem Zusammenhang für
das extreme Unwohlsein, das die
beiden verspüren, als sie zum ersten
Mal wieder etwas Anständiges zu
essen bekommen. Diese Zeichen sind
nicht Teil des diegetischen Raums und
erst durch andere Panels wird klar, worum es sich bei diesen Symbolen handelt.
Da Comics und Graphic Novels stets monomodal sind, (also sowohl dem Bild als auch
dem Text denselben Raum des Panels zuweisen) werden Besonderheiten wie die
Konvergenz oder die schwankende Deutungsgrundlage erst möglich gemacht. Laut
Mälzer liegt der Reiz aber genau darin, dass „die in Konventionen verankerten
Annahmen des Leser-Betrachters fortlaufend unterminiert werden“.58
Hierbei liegt aber ein Problem der Bild-Text-Beziehungen in Comics und Graphic
Novels. Wenn nämlich keine Trennlinie zwischen den beiden Zeichensystemen
existiert, ist eine Definition und Kategorisierung dieser Beziehungen äußerst
schwierig. Häufig wurde versucht, das Miteinander von Bild und Text zu analysieren,
jedoch scheitern die meisten Taxonomien daran, dass die Begrifflichkeiten nicht
einheitlich sind, weil sie aus unterschiedlichen Disziplinen stammen. Ein gelungener
Versuch einer Klassifizierung ist die von Kaindl aus dem Jahre 2004. Dabei führt er
verschiedene Kategorien an, die für die Bild-Text-Beziehung in einem Panel stehen
können, wobei jedes Panel durchaus auch mit mehreren Kategorien analysiert werden
kann.59
57 vgl. Nathalie Mälzer: Taxonomien von Bild-Text-Beziehungen im Comic. In: Comics – Übersetzungen und Adaptionen. Hrsg. von Nathalie Mälzer. Berlin: Frank & Timme 2015. (=Arbeiten zur Theorie und Praxis des Übersetzens und Dolmetschens. 76.) S. 50ff. 58 ebd. S. 50. 59 vgl. ebd. S. 51.
Abb. 17: Maus 2, S. 111.
29
Die erste von ihm genannte Kategorie ist die visuell-verbale Parallelität, bei der beide
Zeichensysteme unabhängig voneinander Informationen zur Narration liefern. Eine
vollkommene Beziehungslosigkeit ist aber nur selten zu finden. Häufiger zu finden sind
Sequenzen, die teilweise parallel verlaufen.60
In diesem Panel scheint das erste
zunächst keine Beziehung zwischen
Bild und Text zuzulassen. Erst durch
das Lesen und Betrachten weiterer
Panels wird klar, wie die beiden in
Verbindung stehen.
Abb. 18: Maus 2, S. 11.
Visuell-verbale Bestätigung liegt dann vor, wenn ein
Element durch ein weiteres Bestätigung findet. Wie in
diesem Panel zu sehen ist, wird einerseits schriftlich das
Reparieren der Schuhsohlen erklärt, während bildlich
genau dieser Vorgang veranschaulicht wird.61
Abb. 19: Maus 2, S. 60.
Von visuell-verbaler Ergänzung spricht man dann, wenn ein Zeichensystem
Informationen liefert, die aus dem anderen nicht ableitbar sind. 62
60 Vgl. Klaus Kaindl: Übersetzungswissenschaft im interdisziplinären Dialog. Am Beispiel der Comicübersetzung. Tübingen: Stauffenberg 2004. (=Studien zur Translation.) [Vorher: Wien, Habil.-Schr. 1999] S. 258. 61 vgl. ebd. 62 vgl. ebd. S. 259.
30
Gut veranschaulicht wird diese Kategorie bei Reinhard
Kleists „Der Boxer“, nämlich dann, als dem Protagonisten
bewusst wird, dass man ihn auf der Straße erkennt. Die
Textblase liefert nur Details über die Zeitungen und
Fernsehsender, während das Bild zeigt, dass er auch auf der
Straße (insbesondere vom weiblichen Geschlecht)
wahrgenommen wird.
Abb. 20: Der Boxer, S. 137.
Hebt ein Zeichensystem bestimmte Elemente des anderen hervor, ist das die Kategorie
der visuell-verbalen Fokussierung.63 In „Aufzeichnungen aus Birma“ wird über drei
Panels hindurch die Müdigkeit des Protagonisten und seines Babys fokussiert (Abb.
21).
Abb. 21: Aufzeichnungen aus Birma: S. 8.
Liefert ein Element eine Information, die die Aussage des anderen Codes negiert oder
aufhebt, besteht ein visuell-verbales Widerspruchsverhältnis.64
63 vgl. ebd. 64 vgl. ebd.
31
Auf dieser Seite wird der tragische Fluchtversuch von
zwei Menschen gezeigt, bei dem beide offenbar von
Soldaten erschossen werden. Während uns der Text
suggeriert, beide wären tot, sehen wir in den Panels,
dass nur einer der beiden tatsächlich tödlich getroffen
wurde.
Abb. 22: Der Boxer, S. 86.
Zu guter Letzt spricht Kaindl vom visuell-verbalen Identitätsverhältnis. In diesem,
selten in Reinform vorkommenden Phänomen, liefert die bildliche und sprachliche
Ebene dieselbe Information. Diese Identität muss sich nicht über ein gesamtes Panel
erstrecken, sondern kann bereits auf kleinere Elemente anspielen. 65
Diese Kategorie lässt sich gut mit einem Panel aus
„Aufzeichnungen aus Birma“ veranschaulichen.
Während die erste Sprechblase (ganz oben) das
wiedergibt, was auch das Bild zeigt und auch die
Reaktion der Ehefrau noch zum Bild passt, hängt
die nächste Frage (rechts unten) bereits nicht
mehr unmittelbar mit dem Bild zusammen, womit
klar ersichtlich ist, dass ein Identitätsverhältnis
häufig auch nur einzelne Elemente meinen kann.
Abb. 23: Aufzeichnungen aus Birma, S. 84.
Was Kaindl jedoch außer Acht lässt, ist, auf welchen Ebenen eine Analyse ansetzen
kann. Mälzer hat deshalb drei Beschreibungsparameter benannt, die auf den
unterschiedlichen Ebenen ansetzen:
65 vgl. ebd. S. 260.
32
räumlich-syntaktische Ebene
deiktische Ebene
logisch-semantische Ebene
Die räumlich-syntaktische Ebene meint als kleinste Einheit das Panel, als größte, die
auf einen Blick wahrnehmbare Comic(doppel)seite. Befinden sich nun sowohl das
bildliche als auch das verbale Element im Panel, spricht man von Raumkonkurrenz.
Eine Raumdivergenz hingegen herrscht dann vor, wenn sich ein Element außerhalb
des Panels befindet. Ragt ein Element aus dem Panel heraus oder hinein, spricht man
von einer Expansion bzw. Intrusion des Panelraums, bei dem der Unterschied nicht
immer leicht ersichtlich ist. Wird das Gutter überbrückt und ein Element zieht sich
über mehrere Panels, ist von einer Raumbrücke die Rede.66 Die folgenden Beispiele
sollen dies genauer veranschaulichen (Abb. 24-27):
Raumkonkurrenz Raumdivergenz
Abb. 24: Der Boxer, S. 26.
Abb. 25: Flughunde, S. 344.
66 vgl. Nathalie Mälzer: Taxonomien von Bild-Text-Beziehungen im Comic. In: Comics – Übersetzungen und Adaptionen. Hrsg. von Nathalie Mälzer. Berlin: Frank & Timme 2015. (=Arbeiten zur Theorie und Praxis des Übersetzens und Dolmetschens. 76.) S. 56ff.
33
Expansion/ Intrusion Raumbrücke
Abb. 26: Aufzeichnungen aus Birma, S. 88. Abb. 27: Maus, S. 61.
Die deiktische Ebene beschäftigt sich mit der Frage, ob ein Element über eine
Verweisfunktion verfügt und wenn ja, wo sie sich befindet. Aus diesen Überlegungen
resultieren laut Mälzer vier mögliche Verweistypen. Der erste Typ beschreibt den
Verweis auf einen nicht sichtbaren Teil des Raums, den der Leser-Betrachter erst
konstruieren muss. Des Weiteren gibt es den Verweis auf sichtbare Zeichen im Panel,
einen panelübergreifenden sowie einen intertextuellen Verweis, der aus dem Comic
hinaus auf andere Texte verweist.
Zu guter Letzt nennt Mälzer die logisch-semantische Ebene, die auch bei der
Taxonomie Kaindls im Mittelpunkt steht. Sie nennt in diesem Zusammenhang drei
Aspekte, die wichtige Unterscheidungsmerkmale zwischen den Kategorien darstellen:
Autonomie des Zeichensystems: Ist die Bedeutung durch ein Zeichensystem
ausreichend oder wird das andere zur Verdeutlichung herangezogen?
Darstellungspotenzial des Zeichensystems: Ist die Verwendung des einen
Zeichensystems obligatorisch oder fakultativ?
Grad der Redundanz: Ist die Verwendung beider Zeichensysteme
(teil)redundant?67
Während hier nun stets die Rede war von einem Zusammenspiel aus Bild und Text, gibt
es laut Lohmann auch die Möglichkeiten, dass „bildliche Zeichen Informationen […]
ohne Sprache [vermitteln].“ 68 Das heißt, dass vereinzelt Panels zu finden sind, die
67 vgl. ebd.. S. 56ff. 68 Ludwig Lohmann: Die Graphic Novel als Medium des Widerstandes. M. Satrapis „Persepolis“ im Vergleich zu „Zahra’s Paradies“ von Amir u. Khalil. Norderstedt: Grin 2012. [Vorher: Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald, Sem.-Arb 2012.] S. 8.
34
vollkommen ohne Text auskommen, dennoch eine durchgängige Geschichte erzählen
und der Leser-Betrachter demnach auch ohne Text kombinieren und deduktieren
muss. Die Autorinnen und Autoren nutzen diese Sprachlosigkeit häufig als „narrative
Chance“, um etwas ausdrücken zu können, was jenseits der Sprache liegt. Zudem
werden vor allem Gefühle gerne nur durch Bilder dargestellt, da eine verbale
Darstellung zu einer Reduktion führen könnte.69
Neben dieser Vielzahl an möglichen Text-Bild-Beziehungen, ist die Frage ungeklärt,
wie Sprache und Schrift im Comic integriert werden können, denn Sprache wird in
Comics und Graphic Novels auf vielfache Art und Weise sehr bewusst und
abwechslungsreich eingesetzt. Sehr bekannt ist dabei zunächst die Sprechblase zur
Darstellung von Dialogen, deren Dorn zumeist zum Sprecher zeigt. Die Sprechblase
selbst kann dabei ebenfalls Bedeutung tragen: ist sie gezackt, deutet das auf schreien
hin, ist sie gestrichelt, wird geflüstert etc. Die Denkblase erfüllt den Zweck der Auf-
nahme des wörtlichen Gedankenzitats, wird aber für „ernste Comics“ nicht gerne ver-
wendet. Daneben findet man Blocktexte, die sämtliche Spielarten der geschriebenen
Literatur aufgreifen können: auktoriale Erzähläußerungen, Tagebucheinträge etc. Die
Funktionen des Blocktexts können auch durch Inserts übernommen werden, die ohne
Umrandung ins Panel eingesetzt werden, wodurch ihnen kein eigener Bereich
zugewiesen wird.
Auch ist in diesem Zusammenhang die Frage zentral, ob die Schrift innerhalb oder
außerhalb der erzählten Welt liegt. Wird die Schrift von den Figuren in der Erzählung
nicht wahrgenommen, so hat man es mit nicht diegetischer Schrift zu tun (Textbox,
Gedankenblase), wohingegen diegetische Schrift sowohl vom Leser-Betrachter als
auch von den Figuren registriert werden kann (Brief, Zeitungsbericht etc.). Wird die
Geschichte von einem auktorialen Erzähler getragen, so ist diese Schrift
extradiegetisch. 70
69 vgl. ebd. S. 8ff. 70 vgl. Martin Schüwer: Wie Comics erzählen. Grundriss einer intermedialen Erzähltheorie der grafischen Literatur. Hrsg. von Knut Hickethier; Ansgar Nünning. Trier: WVT 2008. (=WVT-Handbücher und Studien zur Medienkulturwissenschaft, Bd. 1.) S. 327ff.
35
Graphic Novels sind äußerst komplex aufgebaut und um sie vollständig analysieren
und interpretieren zu können, müssen unterschiedliche Faktoren beachtet werden. So
besteht dieses Medium sowohl aus Text als auch aus Bildern, die erst gemeinsam eine
vollständige Geschichte erzählen. Die Integration dieser verbalen und bildlichen
Elemente lässt sich auf vielfache Weise gestalten und ist nicht bloß von Werk zu Werk,
sondern auch von Seite zu Seite, von Panel zu Panel höchst unterschiedlich. Daher ist
auch das Layout der Seite ein maßgeblicher Faktor für die Analyse und Interpretation
dieses Mediums. Die Gestaltung des Panels, dessen Integration in das Gesamtlayout
und die Strukturierung des Werks tragen wesentlich zur Narration und Ästhetik der
Graphic Novels bei. Auch die Bewegung und der Raum, in dem diese stattfindet, geben
Aufschluss darüber, was der Autor oder die Autorin bezwecken möchte. Die Graphic-
Novellisten können dabei auf eine Vielzahl von Möglichkeiten der Darstellung
zurückgreifen, um Bewegung authentisch darzustellen und den Raum erlebbar zu
machen. In diese Kategorie fallen Überlegungen wie die Frage nach der Perspektive
oder nach der Möglichkeit des Übergangs von Panel zu Panel. Durch diese zahlreichen
Mittel der Darstellung, ist auch der Rezipierende gefragt. Graphic Novels müssen
nämlich sowohl gelesen als auch betrachtet werden, um ihre Narration und Ästhetik
vollständig erfassen zu können.
36
3 LITERATURDIDAKTISCHE GRUNDLAGEN
Die vorliegende Diplomarbeit stützt sich grundsätzlich auf die Literaturdidaktik von
Ulf Abraham und Matthis Kepser, jedoch wird im Zuge dieser Arbeit auch auf andere
Literaturdidaktinnen und -didakten verwiesen.
3.1 Das Handlungsfeld Literatur
Das Augenmerk der Literaturdidaktik liegt auf dem gesamten Handlungsfeld
„Literatur“. Dabei geht es in erste Linie nicht nur darum, zu fragen, wie Literatur
beschaffen ist, sondern vor allem auch darum, wie Menschen mit ihr umgehen und
warum. Abraham und Kepser führen drei Funktionen an, die Literatur innehaben kann:
die Individuation, die Sozialisation und die Enkulturation.71
Abb. 28: Abraham, Kepser: Literaturdidaktik, S. 19.
Als erster Bereich wird die individuelle Bedeutsamkeit angeführt, wo man sich die
Frage stellt, welche Menschen tendenziell zu welchen Büchern greifen und warum sie
ein gewisses Medienangebot wählen. Neben der Lesemotivation und den vielfältigen
Lesemotiven, spiele auch der Zeitpunkt, wann sie vermehrt zu Literatur greifen, um
kognitive, soziale oder emotionale Entlastung zu erlangen, eine entscheidende Rolle.
Abraham und Kepser sind der Auffassung, Lesen führe dazu, dass man für eine
begrenzte Zeit dem Alltag entfliehe (Eskapismus), in eine Welt abtauche, die
71 vgl. Ulf Abraham; Matthis Kepser: Literaturdidaktik Deutsch. Eine Einführung. 3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Erich Schmidt GmbH 2009. (=Grundlagen der Germanistik, 42.) S. 13. In der Folge zitiert als: Abraham, Kepser: Literaturdidaktik.
37
grenzenlos erscheint (Floating-Erlebnis) und seine Probleme und Wünsche auf die
medialen Figuren projiziere. Zudem erlaube die Lektüre, dass man in ein längst
überwundenes Entwicklungsstadium zurückfalle (Regression) oder durch Empathie
eine Entlastung der eigenen Lebensumstände erfahre (Katharsis). Bei Kindern und
Jugendlichen bestehe zudem die Möglichkeit, dass die Begegnung mit Literatur die Ich-
Entwicklung fördere, weil sie in der Literatur mit zahlreichen Lebensentwürfen
konfrontiert werden, die ihre Suche nach einer eigenen Ich-Identität vorantreiben
kann. Zumeist sei die Begegnung mit Literatur auch mit einem individuellen
ästhetischen Genuss verbunden.72
Um diese zahlreichen sogenannten Gratifikationen erhalten zu können, müssen
gewisse Voraussetzungen erfüllt werden. Zunächst erscheint die Lesefähigkeit dabei
als primär, dem muss jedoch entgegen gehalten werden, dass auch durch Vorlesen der
Erhalt von Gratifikationen möglich ist. Des Weiteren muss der Inhalt des
Medienangebots der Lebenserfahrung sowie den momentanen Bedürfnissen
entsprechen, andernfalls würde der Dialog mit dem Text abbrechen oder gar nicht erst
stattfinden. Außerdem erweist es sich als sinnvoll, dass Literatur erreichbar sein muss,
sei es im Haushalt oder in einer Bibliothek (etc.), damit eine Begegnung stattfinden
kann.73 Kepser ergänzt, dass Literatur vor allem auch dann individuelle Bedeutsamkeit
erlangen kann, wenn selbst etwas verfasst, ein Hörspiel produziert oder ein Film
gedreht werde.74
In der zweiten Kategorie wird bei Abraham und Kepser von sozialer Bedeutsamkeit
gesprochen, in der ein literarischer Text häufig im Mittelpunkt eines Dialoges steht. Die
Medien, die für diesen Dialog in Frage kommen, können dabei sowohl mündlich als
auch schriftlich sein, zudem sind Bilder und Musik ebenso möglich. Die Notwendigkeit,
dass alle am Dialog Beteiligten mit demselben Medienangebot in Kontakt kommen, ist
dabei keineswegs eine notwendige Prämisse. Der Zeitpunkt der Rezeption kann
ebenso divergieren wie der Wissenstand der einzelnen Gesprächsteilnehmerinnen
bzw. –teilnehmer. Damit der Dialog gelingt, sind jedoch pragmatische Kompetenzen
72 vgl. ebd. S. 13ff. 73 vgl. ebd. S. 14. 74 vgl. Matthis Kepser: Anmerkungen zur Kompetenzorientierung in der Literaturdidaktik. In: Literaturdidaktik im Zeichen von Kompetenzorientierung und Empirie. Perspektiven und Probleme. Hrsg. von: Daniela Frickel; Clemens Klammer; Gerhard Rupp. Freiburg in Breisgau: Herbert-Jürgen Welke Fillibach 2012. (=Arbeitskreis Literaturdidaktik im Symposium Deutschdidaktik. 1.) S. 76.
38
der Beteiligten ausschlaggebend, wie grundlegende Fähigkeiten der Kommunikation,
d.h. sich affektiv und kognitiv mitteilen zu können, zuzuhören oder andere Meinungen
zu akzeptieren sowie die korrekte Verwendung des Stilregisters, entsprechend der
Situation. Überdies erscheint ein Fundus an literaturbezogenen Fachtermini ebenso
vorteilhaft wie spezielle rhetorische Fähigkeiten. Wird erfolgreich an solch einem
Austausch teilgenommen, erfährt das soziale Handlungsfeld Literatur Erweiterung,
Bestätigung und/oder Umstrukturierung sowie den Aufbau von Werturteilen und die
Anerkennung in der Gruppe.75
Mithilfe der kulturellen Bedeutsamkeit der Literatur kann es großen Gemeinschaften
gelingen, eine kollektive Identität herzustellen. Literatur dient laut Abraham und
Kepser hierbei als Teil des kulturellen Gedächtnisses einer Großgruppe, die bestimmt,
was erinnert werden soll (Tradition), wie gegenwärtige Bedürfnisse abgegrenzt
werden (Innovation) und welche Zukunftsperspektiven entwickelt werden können
(Utopie). Welche Angebote Teil der Aktualisierung werden, hängt allerdings nicht nur
mit den direkten Lesenden zusammen, sondern wird vor allem durch Massenmedien
als „Beobachter zweiten Grades“ nachhaltig mitbestimmt. Sie filtern dabei ständig die
schier unendlich wirkende Quelle kulturrelevanter Produkte, womit nur ein kleiner
Teil ins öffentliche Bewusstsein gerückt wird. 76 Dennoch laden vor allem die
Feuilletons der Zeitung, das Internet und andere Massenmedien täglich zum aktuellen
Kulturdiskurs ein.77
Um an diesen gesellschaftlichen Prozessen teilnehmen zu können, muss der Einzelne
und die Einzelne dazu fähig sein, die literarischen Angebote auch auf eine kollektive
Bedeutsamkeit hin zu überprüfen. Ebenso wie im sozialen Bereich benötigt er dafür
basale Fähigkeiten der Kommunikation sowie Kenntnisse über unterschiedliche
Stilregister, Rituale und Fachtermini. Als Gratifikation erfahren die Menschen
Sicherheit und Geborgenheit, indem sie sich einer größeren Konsensgemeinschaft
zugehörig fühlen.78
75 vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 15f. 76 vgl. ebd. S. 17. 77 vgl. Matthis Kepser: Anmerkungen zur Kompetenzorientierung in der Literaturdidaktik. In: Literaturdidaktik im Zeichen von Kompetenzorientierung und Empirie. Perspektiven und Probleme. Hrsg. von: Daniela Frickel, Clemens Klammer und Gerhard Rupp. Freiburg in Breisgau: Herbert-Jürgen Welke Fillibach 2012. (=Arbeitskreis Literaturdidaktik im Symposium Deutschdidaktik, 1.) S. 77. 78 vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S.18
39
Das Besondere am Literaturunterricht liegt nun darin, dass er nicht nur auf dieses
Handlungsfeld vorbereitet, sondern selbst ein Teil davon ist. Die meisten Werke, die im
Unterricht behandelt werden, leben nur durch eben diesen Unterricht. Selten greifen
Lernende in ihrer Freizeit zu Texten von Goethe oder Keller, sodass vor allem die
kulturelle Kohärenzbildung einen wesentlichen Aspekt des Literaturunterrichts
darstellt.79
3.2 Literatur und Literaturdidaktik
Der Fokus der Literaturdidaktik liegt auf den Zielen, Inhalten und Verfahren des
Literaturunterrichts. Als relativ junge Disziplin gelang es ihr, sich „als eigenständige
Wissenschaftsdisziplin zu emanzipieren“. 80 Grundsätzlich beschreibt die Literatur-
didaktik die „Theorie des Lehrens und Lernens von Literatur in Lernkontexten“ 81 .
Paefgen schließt sich dieser Formulierung an und versucht, den Begriff des Lernkon-
textes genauer zu erläutern. So meine der Lernkontext in den meisten Fällen den
Deutschunterricht, wenngleich eine Übertragung der didaktischen Konzepte in andere
Lernverhältnisse durchaus möglich sei.82
Ähnlich formulieren Leubner, Saupe und Richter, denn laut ihnen ist die Literatur-
didaktik „die Wissenschaft vom Lehren und Lernen der Literatur.“ Des Weiteren stellen
sie die Literaturdidaktik „als Teil der Literaturwissenschaft“83 dar, wobei „die Eigen-
ständigkeit der Literaturdidaktik mit eigenen Forschungsinteressen und – methoden
durch diese Zuordnung aber nicht infrage gestellt [wird].“ 84 Bezüglich der
österreichischen Situation ist es Werner Wintersteiner, der eine Betrachtung als
eigenständige Disziplin sogar für notwendig hält, um ein Nachdenken über die Didaktik
überhaupt erst zu ermöglichen.85
79 vgl. Matthis Kepser: Anmerkungen zur Kompetenzorientierung in der Literaturdidaktik. In: Literaturdidaktik im Zeichen von Kompetenzorientierung und Empirie. Perspektiven und Probleme. Hrsg. von: Daniela Frickel; Clemens Klammer; Gerhard Rupp. Freiburg in Breisgau: Herbert-Jürgen Welke Fillibach 2012. (=Arbeitskreis Literaturdidaktik im Symposium Deutschdidaktik, 1.) S. 77f. 80 Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 29. 81 vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 13. 82 vgl Elisabeth K. Paefgen: Einführung in die Literaturdidaktik. 2. akt. u. erw. Aufl. Stuttgart: Metzler 2006. (=Sammlung Metzler. 317.) S. IX. 83 Martin Leubner; Anja Saupe; Matthias Richter: Literaturdidaktik. Berlin: Akademie 2010. S. 11. 84 ebd. S. 12. 85 vgl. Werner Wintersteiner: Praktische Wissenschaft. Zum heutigen Selbstverständnis der Deutschdidaktik. In: Wir sind, was wir tun. Deutschdidaktik und Deutschunterricht vor neuen Herausforderungen. Hrsg. von Manuela Glaboniat; Eva Maria Rastner; Werner Wintersteiner. Innsbruck: StudienVerlag 2007. (=ide-extra. 13.) S. 19.
40
Im Kontext der gesamten Deutschdidaktik ist die Literaturdidaktik laut Lange und
Weinhold neben der Sprach- und der Mediendidaktik ein Teil des Deutschunterrichts.
Sie bezeichnen diese drei Lernbereiche als grundlegend für den Unterricht. 86 Von
Gerhard Rupp stammt die Formulierung, die Deutschdidaktik „untersucht, wie Texte,
Themen und Fragestellungen aus der deutschen Sprache und Literatur und aus den
Medien gelehrt und gelernt […] werden“.87
Leubner, Saupe und Richter teilen die Disziplin grundsätzlich in drei Hauptaufgaben
unterteilt. Die erste besteht darin, Konzeptionen für den Literaturunterricht zu ent-
wickeln, um den Unterricht kritisch analysieren zu können. Das Zusammenspiel der
Entwicklung didaktischer Theorien sowie die empirische Forschung konstituiert die
zweite Aufgabe der Literaturdidaktik. Die Selbstreflexion stellt die dritte Funktion des
Literaturunterrichts dar. Dabei hinterfragt die Literaturdidaktik die eigene Disziplin.88
Die weitverbreitete Auffassung, Literaturdidaktik beschäftige sich ausschließlich mit
praxisbezogenen Fragestellungen, wird von Bredella negiert und durch seine Theorie
ergänzt:89
„Literaturdidaktik als Theorie literarischer Erziehung und Bildung hat ihre Aufgabe
darin, daß sie die in jeder Praxis immer schon in Anspruch genommenen Vorstellungen,
Prinzipien und Normen ins Bewußtsein hebt. [...] Sie kann sich aber nicht damit
begnügen, nur Theorie vom Literaturunterricht zu sein, sondern sie ist auch Theorie für
den Literaturunterricht.“90
Das bedeutet, dass die Vorstellungen, Prinzipien und Normen die Praxis nicht
unmittelbar bestimmen, sondern von Lehrenden und Lernenden vermittelt werden
müssen, womit der angestrebten Praxis folglich stets eine theoretische Entlastung
vorausgehen muss.91
86 vgl. Günter Lange: Vorwort. In: Grundlagen der Deutschdidaktik. Sprachdidaktik – Mediendidaktik – Literaturdidaktik. Hrsg. von Günter Lange; Swantje Weinhold. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2005. S. VII. 87 Gerhard Rupp: Was ist Deutschdidaktik. URL: http://www.ruhr-uni-bochum.de/lidi/Downloads/was_ist_deutschdidaktik5_rvl_251007.pdf [04.05.2016] S.2. 88 vgl. Martin Leubner; Anja Saupe; Matthias Richter: Literaturdidaktik. Berlin: Akademie 2010. S. 12. 89 vgl. Lothar Bredella: Einführung in die Literaturdidaktik. Stuttgart: Kohlhammer 1976.(= Urban Taschenbücher. 80.) S.20. 90 Lothar Bredella: Einführung in die Literaturdidaktik. Stuttgart: Kohlhammer 1976.(= Urban Taschenbücher, 80) S.23. 91 vgl. ebd. S. 20ff.
41
3.2.1 ARBEITSBEREICHE DER LITERATURDIDAKTIK
Während bereits von den Aufgaben der Literaturdidaktik gesprochen wurde, gilt es
nun, die Arbeitsbereiche der Literaturdidaktik zu erläutern. Da Abraham und Kepser
sich diesem Bereich nicht ausdrücklich zuwenden, eine Behandlung in dieser
Diplomarbeit aber als notwendig erscheint, wird in diesem Kapitel auf dieses Thema
eingegangen. Hierbei wird vor allem die Arbeit von Leubner, Saupe und Richter
herangezogen. Sie untersuchen dabei fünf Faktoren, die Lehr- und Lernprozesse
positiv oder negativ beeinflussen, woraus sich verschiedene Tätigkeitsbereiche
ergeben.92
Die erste Einflussgröße der Lehr- und Lernprozesse wird durch die Ziele des Litera-
turunterrichts repräsentiert. Der Erwerb von Wissensbeständen, Fertigkeiten,
Fähigkeiten und Haltungen der Schülerinnen und Schüler wird hierbei angestrebt.
Besonders viel Wert wird dabei auf eine großzügige Teilnahme an der literarischen
Kommunikation, auf die unterschiedlichen Arten der Produktion und Rezeption
literarischer Texte sowie auf das Verstehen der Texte gelegt.
Inhalte und Gegenstände des Literaturunterrichts stellen das zweite Arbeitsgebiet der
Literaturdidaktik dar. Dabei soll genau reflektiert werden, welche Texte man zur
Erreichung der angestrebten Ziele heranziehen kann. In diesem Gebiet stellt sich auch
die Frage nach der sinnvollen Integration von Comics, Graphic Novels und Film im
Deutschunterricht.
Als dritter Arbeitsbereich werden die Methoden und Medien genannt. Genauer gesagt
wird die Entscheidung über mögliche Methoden, Sozialformen, Lernprozessstruk-
turierungen sowie Aufgabenstellungen diskutiert. Hinsichtlich der Medien stellt man
sich die Frage, wie Lernmedien (z.B. Lesebücher) für Lernprozesse vorteilig genutzt
werden können.
Als vierter Faktor werden die Lernvoraussetzungen der Lernenden genannt. Dabei
spielen individuelle Aspekte, wie Interesse und Motivation genauso eine essenzielle
Rolle wie Alter und verschiedene Fähigkeiten.
Der letzte Arbeitsbereich besteht aus institutionellen und normativen Rahmen-
bedingungen. Während institutionelle Voraussetzungen auf die äußere Organisation
92 vgl. Martin Leubner; Anja Saupe; Matthias Richter: Literaturdidaktik. Berlin: Akademie 2010. S. 13.
42
von Unterricht abzielen (Schultypen, Dauer der Schulzeit etc.) liegt das Haupt-
augenmerk der normativen Bedingungen auf den Zielen und den Verfahren des
Unterrichts (Bildungsstandards, Lehrpläne).93
3.3 Aufgaben und Ziele des Literaturunterrichts
3.3.1 UNTERSTÜTZUNG VON INDIVIDUATION, SOZIALISATION UND ENKULTURATION
Literatur kann die Individuation fördern, indem sie dazu befähigt, Fremdperspektiven
zu übernehmen oder die Ich-Entwicklung zu unterstützen. Zudem kann sie die
Entwicklung der Sozialisation unterstützen, da sie dazu beiträgt, sich mit Werten und
Normen in einer Gruppe auseinanderzusetzen und zu guter Letzt kann sie die
Enkulturation ermöglichen, weil sie einen Beitrag zur kulturellen Kohärenzbildung
leistet.94
Die Unterstützung der Lernenden im Unterricht hinsichtlich der Individuation, der
Sozialisation und der Enkulturation ist laut Abraham und Kepser jedoch mit unter-
schiedlichen Spannungen verbunden. Zunächst ergibt sich das Problem, dass die
Auseinandersetzung mit Literatur jedweder Art (Buch, Film etc.) stets etwas sehr
Privates darstellt. Ob darüber diskutiert wird oder nicht, ist außerhalb institutioneller
Bildung jedem und jeder freigestellt. Der Literaturunterricht hingegen drängt die
Lernenden geradezu dazu, Stellung zu beziehen und womöglich etwas preiszugeben,
was sie außerhalb der Schule niemanden erzählt hätten. Die schulische Diskussion
über ein Werk kann sich auch einfacher gestalten, wenn über Texte gesprochen wird,
die den Schüler oder die Schülerin unberührt lassen oder Aspekte eines Werkes im
Zentrum der Diskussion stehen, die ohnehin keine persönliche Involvierung zur Folge
haben (Textsortenanalyse, sprachliche Mittel etc.). Einer der wichtigsten Aspekte der
Literatur geht in diesem Fall jedoch verloren, nämlich sich von dem Text berühren und
bewegen zu lassen. Die Literaturdidaktik beschäftigt sich bereits seit längerem damit,
diesen Aspekt wieder in den Unterricht zu integrieren, was vor allem mit einem
vielseitigen Medienangebot erreicht werden soll.95
93 vgl. ebd. S. 14f. 94 vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 53. 95 vgl. ebd. S. 74f.
43
Das zweite Spannungsfeld bezieht sich bei Abraham und Kepser auf die Soziali-
sationsliteratur. Sehr lange galten gewisse Werke (vornehmlich aus dem Bereich der
Kinder- und Jugendliteratur) als defizitär und gefährlich.96 Auch Comics und Graphic
Novels galten lange Zeit als ungeeignet für die Anforderungen des Literaturunterrichts,
da sie unter anderem die Kriminalität fördere und eine intensive Auseinandersetzung
des Menschen mit seiner Wirklichkeit verhindere.97 Während diese Dichotomie heute
als aufgehoben gilt, ist die Differenz zwischen schulischer und außerschulischer
Lektürepraxis laut Abraham und Kepser trotzdem vorhanden. 98 Der österreichische
Lehrplan setzt sich dieser Auffassung jedoch teilweise entgegen. So sieht er zwar die
intensive Beschäftigung mit österreichischer Literatur vor, gleichzeitig fordert er aber
die Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten Medien verschiedenster Kulturen.
Zudem strebt der Lehrplan an, dass Werke gewählt werden, die das Interesse der
Schülerinnen und Schüler wecken.99 Somit kann es den Lehrenden und Lernenden
durchaus gelingen, Werke zu wählen, die sowohl dem Lehrplan als auch dem
jugendlichen Lebenshorizont entsprechen.
Das dritte Spannungsfeld wird bei Abraham und Kepser als das zwischen dem
individuellen Genuss präferierter Texte und den gesellschaftlichen Erwartungen an die
Lektüre als kulturellen „Ritus“ definiert. Damit ist das Arbeiten am Kanon und der
Höhenkammliteratur gemeint, das selten im Einklang ist mit den Werken, zu denen die
Jugendlichen bevorzugt greifen.100
Während bislang von einer literarischen Rezeptionskompetenz gesprochen wurde,
ergänzen Abraham und Kepser zum gängigen Kompetenzbegriff noch die literar-
ästhetische Produktionskompetenz. Der Literaturunterricht widmet sich nämlich fast
ausschließlich der Auseinandersetzung mit literarischen Produkten, während eine
literarische Produktion von Lernenden keine Rolle spielt. Das zeigt sich einerseits in
der Ausbildung der Lehrkräfte (die für die Zulassung zum Beruf bloß die allgemeine
Hochschulreife benötigen, während beispielsweise Musiklehrerinnen und Musiklehrer
durchaus ihr Können in diesem Bereich unter Beweis stellen müssen), andererseits
96 vgl. ebd. S. 76. 97 vgl. Günter Lange: Comic. In: Textarten – didaktisch. Grundlagen für das Studium und den Literaturunterricht. Hrsg. von Günter Lange und Leander Petzoldt. 6. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2011. S. 40. 98 vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 76f. 99 vgl. https://www.bmbf.gv.at/schulen/unterricht/lp/lp_neu_ahs_01_11853.pdf?4dzgm2 [02. 06.2016]. S. 2. 100 vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 78.
44
auch hinsichtlich der Forderungen im Deutschunterricht. So gibt es zwar poetische
Textsorten (Erzählung), diese werden aber sehr stark formal und inhaltlich
restringiert und selbst Schreibformen, die noch subjektive Selbstäußerungen erlauben,
lassen nur wenig Spielraum für literarisches Schreiben. Die Gründe, warum literarische
Produktionen in den Schulen nicht gelehrt werden, sind zum einen, dass es eine
Überforderung des Lernenden wäre, würde man versuchen, aus ihnen Dichterinnen
und Dichter zu machen und zum anderen würde sich die Benotung literarischer
Produktionen nur schwierig objektiv gestalten lassen. Dem muss man jedoch
entgegenhalten, dass trotz der im 18. Jahrhundert eingeführten Genieästhetik der
Dichterberuf zum Teil erlernbar ist. Außerdem wird auch im Kunstunterricht mit den
verschiedensten Materialen auf unterschiedlichste Weise gearbeitet, ohne dass die
Lehrkraft die Forderung nach absoluten Meisterwerken stellt. Obwohl das Argument
der schweren Durchführbarkeit einer objektiven Beurteilung zulässig erscheint, ist
dennoch nicht jede Leistung des Schülers oder der Schülerin automatisch zu bewerten.
Zusätzlich wäre es fatal zu argumentieren, Lehrkräfte würden stets objektiv benoten,
was de facto nicht einmal in einem „harten“ Fach wie Mathematik der Fall ist. Während
Lernende also keine objektiven Noten erwarten können, sind sie dennoch in der Lage,
zumindest transparente Bewertungsmaßstäbe zu fordern, die durchaus literarische
Schreibaufgaben integrieren könnten.101
Bevor nun eine eingehende Beschäftigung mit den Zielen des Literaturunterrichts
stattfinden kann, gilt es noch, den Kompetenzbegriff zu erläutern. Ein sehr weit
gefasstes Verständnis von Kompetenz stammt von Habermas, der er unter Kompetenz
„anthropologische Grundfähigkeiten“102 versteht. Der Mensch verfügt laut ihm über
kognitive, interaktive und sprachliche Fähigkeiten, die er im Zuge seiner Ich-
Entwicklung erwirbt. Die „angemessene Auseinandersetzung des Menschen mit seiner
außersozialen Umwelt“ beschreibt die kognitive Kompetenz. Die sprachliche
Kompetenz, angelehnt an Noam Chomsky, meint die Sprachfähigkeit und
Sprachverwendung während die interaktive Kompetenz die Auseinandersetzung des
Ichs mit der Gesellschaft schildert. Obwohl es sich theoretisch um drei unterschiedliche
101 vgl. ebd. S. 63ff. 102 ebd. S. 54.
45
Fertigkeiten handelt, fließen sie laut Habermas dennoch in jedem Äußerungsakt
zusammen.103
Fritsche hat Habermas‘ Modell um die ästhetische Kompetenz erweitert, die ebenso
fundamental für das „Menschsein“ ist. Wie wichtig die ästhetische Kompetenz ist, führt
Abraham weiter aus, indem er postuliert, dass weder Individuation noch Sozialisation
oder Enkulturation stattfinden kann, wenn der Mensch keine ästhetischen Fähigkeiten
besitzt. Daher fordert er auch eine Gleichberechtigung der ästhetischen mit der natur-
, gesellschafts- und sprachbezogenen Bildung.104
Hinsichtlich der österreichischen Bildungsstandards wird der Kompetenzbegriff von
Weinert als Bezugspunkt für den Kompetenzbegriff herangezogen. Dieser definiert die
Kompetenz als
die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und
Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen
motivationalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösung in
variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.105
In diesem Zusammenhang werden Kompetenzen als das Ergebnis von schulischen
Lernprozessen verstanden, die in der kontextunabhängigen Auseinandersetzung mit
der Umwelt oder der Schule erworben werden und mit deren Hilfe die verschiedensten
Aufgaben bewältigt werden können. Die österreichischen Bildungsstandards
unterscheiden zwischen diesen allgemeinen und weiteren fachbezogenen Kompeten-
zen, die inhaltliche Bereiche eines Gegenstandes umfassen. Der Erwerb dieser beiden
Kompetenzbereiche soll das Wissen der Lernenden verbessern und sie handlungsfähig
machen. Zusätzlich dienen sie als Basis für den Erwerb weiterer Fähigkeiten und
Fertigkeiten.106
103 vgl. ebd. S. 54ff 104 vgl. ebd. S. 56. 105 Franz E. Weinert: Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – Eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In: Leistungsmessungen in Schulen. Hrsg. von F. E. Weinert. Weinhein; Basel: Beltz 2001. S. 27f. 106 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens (bifie): Kompetenzen und Modelle. URL: https://www.bifie.at/node/49 [05.04.2016].
46
Vielfach wird die Definition Weinerts unkritisch übernommen. Abraham und Kepser
konnten bei näherer Betrachtung jedoch zahlreiche Schwächen und Probleme auf-
decken:
Kompetenzen werden als Form einer Leistung definiert, die zwar unverzichtbar
ist, aber nicht das einzig mögliche Bildungsziel der Schule. Kompetenzen alleine
reichen also nicht aus, um schulische Bildung adäquat zu erfassen.
Nicht alle Kompetenzmerkmale sind empirisch auch überprüfbar. Ob Lernende
die erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten auch außerhalb der Schule, wie
erwartet und „verantwortungsvoll“ nutzen, ist schwer bis gar nicht feststellbar.
Die Frage ist, inwieweit den Lernenden die Norm, die ihnen auferlegt wird,
akzeptieren. Es ist als mündige Staatsbürgerinnen bzw. Staatsbürger schließlich
ihr Recht, bestimmten Anforderungen Widerstand zu leisten.
Kompetenzerwerb ist stark mit Erfolg verbunden. Gerade aber die kulturelle
Bildung hat vielmehr mit Befriedigung, Genuss und Reichhaltigkeit zu tun als
bloß mit Erfolg.
Da kognitive Fähigkeiten in den Vordergrund gerückt werden, sind affektive
und emotionale Kompetenzen automatisch sekundär. Völlig ausgeblendet in
seiner Definition werden zudem psychomotorische Fähigkeiten.
Die reine Konzentration auf Wissen, um gewissen Aufgaben und Problemen zu
begegnen, greift ebenso zu kurz.107
Ungeachtet dieser Schwächen wurde für den Deutschunterricht ein so genanntes
„Kompetenzmodell“ entwickelt, das den Lernstand in den verschiedenen Schulstufen
für die unterschiedlichen „Hauptfächer“ (Deutsch, Englisch, Mathematik) anzeigen soll.
In der folgenden Abbildung (Abb. 29) wird das Modell für die 13. Schulstufe im
Unterrichtsfach Deutsch angezeigt, die auch für die vorliegende Diplomarbeit von
Belang ist:
107 vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 60f.
47
Abb. 29: bifie: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach
Deutsch, S. 12.
Dieses Modell beschreibt jene Kompetenzbereiche, die für das Verfassen schriftlicher
Klausurarbeiten im Rahmen der Reife- und Diplomprüfung notwendig sind und sich
zudem überprüfen lassen. Die Teilkompetenzen werden:
explizit und systematisch [...] [akzentuiert], [es] berücksichtigt aber auch die fallweise
Integration von nichtlinearen Texten (Fotos, Karikaturen, anderen künstlerischen
Darstellungen) zu einem Thema und trägt damit der Tatsache Rechnung, dass Information
heute selten nur sprachlich-linear kodiert ist. Das Reflektieren über Sprache und die Rolle
von Sprachbewusstsein werden verstärkt berücksichtigt. Es geht nicht um das Abprüfen
deklarativen Wissens z. B. über Grammatik, sondern um eine Leistung, die eingebunden ist
in die Lese- und Schreibprozesse beim Lösen der Aufgaben, wenn die Textvorlagen noch
anders als nur inhaltlich beschrieben, analysiert und kommentiert werden sollen.108
3.3.2 DIE LESEFÖRDERUNG
Eine der wichtigsten Aufgaben des Deutschunterrichts besteht darin, Heranwachsende
an das Lesen schriftlicher Literatur heranzuführen.109 Hurrelmann führt an, dass das
108 Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12. [29.05.2016]. 109 vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 60f.
48
Buch sowohl orts- als auch technikfrei sei, es zu jeder Tages- und Nachtzeit gelesen
werden könne und es genügend Zeit biete, über das Gelesene lange und gründlich
nachzudenken. Zudem schule es das Vorstellungsvermögen, fördere die Sprache und
sei Teil des kulturellen Gedächtnisses.110 Nicht jedes Argument trifft heutzutage noch
in der Form zu. So machen es moderne Techniken möglich, auch unterwegs stets auf
Medien zurückgreifen zu können und das Ansehen von Filmen, Videos (etc.) ist durch
Laptops mittlerweile ebenso ortsunabhängig wie das Lesen. Zudem wird die Sprache
nur dann gefördert, wenn aus dem passiven Lesen eine aktive Übung entsteht.
Abraham und Kepser sehen nutzbringende Argumente für literarisches Lesen
ohnedies als sinnfrei, denn Zweckfreiheit sei schließlich ein zentrales Argument der
Kunst:111
Leseförderung sollte in erster Linie als Generationenvortrag gesehen werden: der
kommenden Generation die Freuden des Lesens zu eröffnen, die uns die
vorangegangene Generation geschenkt hat.112
Da Lesen eine Fähigkeit ist, die nicht nur im Deutschunterricht benötigt wird, empfiehlt
sich eine fächerübergreifende Leseförderung. Diese systemische Förderung
berücksichtigt alle Sozialisationsinstanzen und arbeitet mit allen Schulfächern. Auch
von Belang in diesem Zusammenhang ist die institutionsübergreifende Leseförderung,
die die Konzepte zur Leseförderung vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe II
zusammenführt.113
Die Frage ist nun aber, wie Leseförderung in der Praxis des Unterrichts (vor allem der
Sekundarstufe II) idealerweise auszusehen hat. Abraham und Kepser formulieren
sieben Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt:
1. Zunächst ist es essenziell, zu verstehen, dass der Aufbau der Lesekompetenz
nicht in der Primarstufe beendet ist. Vielmehr ist eine ständige Schulung dieser
Fähigkeit unverzichtbar für die Freude am Lesen.
110 vgl. Gerhard Rupp; Petra Heyer; Helge Bonholt: Folgefunktionen des Lesens – Von der Fantasie-Entwicklung zum Verständnis des sozialen Wandels. In: Lesesozialisation in der Mediengesellschaft: Ein Forschungsüberblick. Hrsg. von Norbert Groeben; Bettina Hurrelmann. Weinheim; München: Juventa 2004. S. 105. 111 vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 79ff. 112 ebd. S. 82. 113 vgl. ebd. S. 85.
49
2. Zu häufig stützt sich der Literaturunterricht auf Kurztexte, wohingegen gerade
aber die lange Rezeptionszeit einen medienspezifischen Genuss ermöglicht,
weswegen „Ganztexte“ mindestens zweimal pro Schuljahr im Fokus des
Unterrichts stehen sollten.
3. Da bekanntlich das Interessensgebiet von männlichen und weiblichen
Schülerinnen und Schüler auseinanderklafft, empfiehlt sich die
Berücksichtigung aller Leseinteressen.
4. Vielfach wird übersehen, dass Lernende auch in ihrer Freizeit zu Literatur
greifen. Da das Spektrum der Texte (vor allem in der Sekundarstufe I) ohnedies
eher gering ist, erscheint eine Zusammenführung von schulischem und
freizeitlichem Lesen als nutzbringend.
5. Abraham und Kepser empfehlen für die Literatur der Sekundarstufe II die
Berücksichtigung von intentionaler Jugendliteratur sowie Literatur für junge
Erwachsene, damit die deutsche Höhenkammliteratur durch Werke ergänzt
wird, in denen die Heranwachsenden ihre Lebenswelt wiedererkennen.
6. Die Verwendung von offenen Unterrichtskonzepten und die freie Textauswahl
sind wichtige Zugänge, die im Literaturunterricht zu oft außer Acht gelassen
werden.
7. Leselust und Lesearbeit sollen zu gleichen Teilen Einzug in den Unterricht
halten. Dabei empfiehlt es sich, vor allem auf handlungs- und
produktorientierte Verfahren zurückzugreifen.114
3.4 Comic, Graphic Novel und Literaturunterricht
Um begeisterte Leserinnen und Leser heranziehen zu können, stellt sich die Frage,
welche Medien im Unterricht verwendet werden. Abraham und Kepser bezeichnen alle
Gegenstände des Deutschunterrichts (Bücher, Zeitschriften, Hefte, verbale und
nonverbale Äußerungen, etc.) als Medien. 115 Eine grobe Unterscheidung der im
Unterricht verwendbaren Medien sind akustisch-auditiv (z.B. Hörspiele), visuell
(Comic) und audiovisuell (Film). Da für diese Arbeit vor allem der visuelle Bereich eine
große Rolle spielt, wird er in den folgenden Zeilen näher ausgeführt.
114 Vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 85 115 vgl. ebd. S. 185.
50
Frederking, Krommer und Maiwald subsummieren den Comic unter die
Bildgeschichte. Auch sie sind der Ansicht, dass Comics ein stückweit Bestandteil
legitimierter Literatur geworden sind. Diese Auffassung hängt stark mit der im Jahre
1970 stattgefundenen Verschiebung des Fokus‘ weg von hochkulturellen Gegen-
ständen hin zum Erwerb kommunikativer Kompetenzen zusammen. Durch die damit
verbundene Zuwendung zu massenkulturellen Texten fand auch der Comic Eingang in
den Unterricht. Heutzutage gilt der Comic als „ergiebiger Gegenstand für ein
literarisches Lernen im Sinne von Literatur als kultureller Praxis“.116 Er bietet vielfach
Möglichkeiten für literarisches Lernen. Einerseits können komplexe literarische
Phänomene herausgearbeitet werden, andererseits auch universelle epische
Handlungsmuster („happy end“). Zudem fördert es neben dem literarischen Lernen
auch die „visual literarcy“, indem sich damit das Bilderlesen und die kulturellen
Konventionen erarbeiten lassen.117
Längst schon ist der Comic im Deutschunterricht angekommen. Gegenüber der immer
größer werdenden Masse dieses Mediums steht dazu der signifikant geringe Anteil an
didaktischen Auseinandersetzungen mit diesem Phänomen.118
Die Diskussion, die aktuell ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt ist, stellt den
Versuch dar, das Phänomen „Comic“ zu beschreiben und zu analysieren und
Wertungsfragen rücken zunehmend in den Hintergrund.119 Dabei wäre es jedoch fatal,
anzunehmen, dass Comics tatsächlich von allen Lernenden im Moment der
Unterrichtsplanung präferiert werden. Zudem ist das Format Comic bereits so
vielfältig gestaltet, dass nicht angenommen werden kann, jedes Werk stoße bei den
Schülerinnen und Schülern auf Interesse. Folglich unterscheidet sich diese Situation
kaum noch von den Voraussetzungen im „normalen“ Literaturunterricht.120
116 Volker Frederking; Axel Krommer; Klaus Maiwald: Mediendidaktik Deutsch. Eine Einführung. Berlin: Schmidt 2008. S.131. 117 vgl. ebd. S. 126ff. 118 vgl. Michael Baum: Bild-Text-Didaktik und –Ästhetik: Lesen und Verstehen piktoraler Texte. In: Literatur- und Mediendidaktik. Hrsg. von Volker Frederking; Axel Krommer; Christel Meier. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2013. (=Taschenbuch des Deutschunterrichts. 2.) S. 213. 119 vgl. Günter Lange: Comic. In: Textarten – didaktisch. Grundlagen für das Studium und den Literaturunterricht. Hrsg. von Günter Lange und Leander Petzoldt. 6. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2011. S. 40. 120 vgl. Michael Baum: Bild-Text-Didaktik und –Ästhetik: Lesen und Verstehen piktoraler Texte. In: Literatur- und Mediendidaktik. Hrsg. von Volker Frederking; Axel Krommer; Christel Meier. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2013. (=Taschenbuch des Deutschunterrichts. 2.) S. 214.
51
Will man den Comic sinnvoll in den Unterricht integrieren, gibt es einige Lernziele, die
berücksichtigt werden müssen. Zunächst sollten sich die Lernenden mit den
Besonderheiten der Comics (oder Graphic Novels) auseinandersetzen. 121 Bereits
Pforte plädierte 1974 dafür, der comic-spezifischen „Wort-Bild-Synechie“ mehr
Beachtung zu schenken, die meint, dass ein Comic weder auf Bilder noch auf Text
beschränkbar ist, sondern das Zusammenspiel der beiden Elemente adäquat erfasst
werden soll. 122 Außerdem erscheint eine Abgrenzung zu ähnlichen Gattungen als
zielführend. So kann bei der Bildgeschichte der Text auch ohne Bild für sich alleine
stehen und die Karikatur ist als Einzelbild auf die Wiedergabe einer einzelnen Situation
beschränkt. Des Weiteren sollte das spezifische Zeichensystem von Comic-strips und
Comic-Books Gegenstand des Unterrichts werden.123
Da Comics jedoch nicht unabhängig von den Bedingungen der Produktion und
Rezeption betrachtet werden können, ist als zweites Lernziel „das Verständnis der
Comics und ihrer strukturellen wie inhaltlichen Eigentümlichkeiten im Zusammen-
hang der für sie charakteristischen Produktion, Distribution und Rezeption“ 124 zu
nennen. Als Möglichkeit der Integration ergibt sich die Analyse des Erfolgs gewisser
Comics unter Miteinbeziehung der strukturellen Merkmale.
Anknüpfend an dieses Lernziel reiht sich das nächste, nämlich die Fähigkeit zur
kritischen Betrachtung und Bewertung von Comics. Die Lernenden sollen die Fertigkeit
erlernen, die Faszination, die von den Comics ausgeht zu durchbrechen und eine
kritische Distanz zu gewinnen. Sie sollen in der Lage sein, qualitativ hochwertige,
einfallsreiche Lektüre von stereotypischen, ausdruckslosen zu unterscheiden. Zu solch
einer Bewertung zählen ferner die Betrachtung auf inhaltlicher Ebene sowie der
Vergleich mit anderen Medien.125
121 vgl. Alfred Clemens Baumgärnter: Comics im Unterricht. In: Taschenbuch des Deutschunterrichts. Grundfragen und Praxis der Sprach-und Literaturdidaktik. Hrsg. von: Günter Lange; Karl Neumann; Werner Ziesenis. Baltmannsweller: Schneider Verlagen Hohengehren GmbH 1994. (=Literaturdidaktik: Klassische Form, Trivialliteratur, Gebrauchstexte. 2.) S. 784f. 122 Dietger Pforte: Plädoyer für die Behandlung von Comics im ästhetischen Unterricht. In: Comics im ästhetischen Unterricht. Frankfurt am Main: Athenäum Fischer Taschenbuch 1974. S. 9ff. 123 vgl. Alfred Clemens Baumgärnter: Comics im Unterricht. In. Taschenbuch des Deutschunterrichts. Grundfragen und Praxis der Sprach-und Literaturdidaktik. Hrsg. von: Günter Lange, Karl Neumann, Werner Ziesenis. Baltmannsweller: Schneider Verlagen Hohengehren GmbH 1994. (=Literaturdidaktik: Klassische Form, Trivialliteratur, Gebrauchstexte. 2.) S. 785f. 124 ebd. S. 786. 125 vgl. ebd. S. 787.
52
Das Lesen häufig auch mit einem ästhetischen Genuss verbunden ist, gilt besonders für
Comics und Graphic Novels, die sich, wie jede andere Kunst auch, einer Produktion
nach Rezept entzieht. Vielmehr sollen die Leser-Betrachter sensibel vorgehen, um den
künstlerisch-ästhetischen Wert des Werkes zu erfassen. Die Emotionen, die der Autor
bzw. die Autorin auslösen will, können nicht bloß dargestellt werden, sondern muss in
den Rezipierenden erzeugt werden. Sie müssen die unbewegten Bildfolgen
„verlebendigen“ und damit die dargestellten Emotionsverweise als Gefühle erleben. In
weiterer Folge ist nicht handwerkliche Perfektion maßgeblich für den ästhetischen
Genuss, „sondern ihr Vermögen, die der Erzählung angemessenen Emotion im
Rezipienten zu erregen und ihn eingebunden teilhaben zu lassen“.126
126 vgl. Dietrich Grünewald: Comics. In: Grundlagen der Medienkommunikation. Hrsg. von Erich Straßner. Band 8. Tübingen: Max Niemeyer 2000. S: 85ff.
53
4 UNTERRICHTSKONZEPTE FÜR DIE SEKUNDARSTUFE II
4.1 Grundlagen
Dieses Kapitel setzt sich mit dem Einsatz zweier Graphic Novels im Deutschunterricht
der Sekundarstufe II auseinander. Dabei handelt es sich um die Werke „Irmina“ von
Barbara Yelin sowie um „Der Traum von Olympia“ von Reinhard Kleist. Die
Arbeitsblätter sind allesamt im Anhang zu finden, bei der Erklärung zur Durchführung
wird auf das entsprechende Blatt verwiesen. Zunächst werden die Graphic Novels
inhaltlich und interpretatorisch vorgestellt, anschließend werden die
Unterrichtskonzepte präsentiert. Darüber hinaus gilt zu beachten, dass hinsichtlich der
Organisation des Literaturunterrichts mit den Mikromodellen von Abraham und
Kepser gearbeitet wird. Das folgende Makromodell des Literaturunterrichts ist
ebenfalls in sämtliche Überlegungen miteinbezogen worden. Dabei wird bei Abraham
und Kepser der Literaturunterricht folgendermaßen systematisiert127:
Vor der Textrezeption
o Vorwegnehmen (Antizipieren)
o Erschließen
Während der Textrezeption
o Vergleichen
o Beobachten
o Kontextuieren
o Spielen
Nach der Textrezeption
o Verändern
o Rekonstruieren
o Montieren
o Ko-Produzieren
Es erscheint empfehlenswert die Aufgabenstellungen, die allgemein die Graphic Novel
betreffen, vor der eigentlichen Beschäftigung mit dem Thema anzusiedeln. Somit sind
127 Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 219.
54
die folgenden beiden Aufgabenstellungen jeweils vor „Irmina“ bzw. „Der Traum von
Olympia“ zu bewältigen.
4.1.1 WERKZEUGE DER GRAPHIC NOVEL
Diese erste Aufgabenstellung zielt darauf ab, die Schülerinnen und Schüler mit den
zahlreichen Fachtermini einer Graphic Novel vertraut zu machen. Dabei sollen die
Lernenden im Internet die auf dem Arbeitsblatt vorhandenen Begriffe finden und die
Definition daneben zu notieren. Danach wird ihnen eine Seite aus einer beliebigen
Graphic Novel zur Verfügung gestellt und die Begriffe aus der Box sollen in die leeren
Felder eintragen werden. Nicht alle Begriffe sind dabei auf dem Bild auch zu finden,
weswegen die Lernenden die Begriffe, die sich nicht finden ließen, erklären sollen und
eventuell auch zeichnen (eine Gedankenblase oder ein spezielles Onomatopoetikum ist
nicht allzu schwierig zu zeichnen). Die Ergebnisse werden im Anschluss im Plenum
mithilfe des Beamers verglichen. Im Makromodell ist die Aufgabenstellung „vor der
Textrezeption“, genauer bei „erschließen“ einzuordnen.
Diese Einheit ist besonders wichtig, wenn man plant, der Lektüre viel Zeit zu widmen.
Die Lernenden können bei den anschließenden Aufgabenstellungen viel besser auf
etwas verweisen und können sich souveräner ausdrücken, wenn sie die Begriffe dafür
parat haben. Dieses Arbeitsblatt kann auch während des gesamten Arbeitens immer
wieder zu Rate gezogen und ergänzt werden.
Eröffnungsphase
(EP)
Plenum (P) Begrüßung, Vorstellen des neuen Themas,
Näherbringen des heutigen Arbeitsauftrages
Motivationsphase
(MP)
Plenum (P) Provokation: Aussage der Lehrperson: „Graphic
Novel und Comics unterscheiden sich in keiner
Weise von geschriebener Literatur!“
Erstbegegnung
(EB)
Einzelarbeit
(E)
Vorentlastung: Die Lernenden arbeiten mit dem
Internet, finden die Bedeutungen der Termini
heraus und notieren die Ergebnisse in
Stichworten. (Anhang, S. 126)
Herstellen einer gemeinsamen Ausgangsbasis: Die
Ergebnisse werden verglichen und eventuell
offene Fragen geklärt.
55
Erarbeitungsphase
(ErarbP)
Einzelarbeit
(E)
Vorgehen nach induktivem Prinzip: Versucht nun,
die Fachtermini den einzelnen Kästchen
zuzuordnen! (Anhang S. 127)
Ergebnissicherung
(ES)
Plenum (P) Festhalten der Ergebnisse: Vergleichen wir nun
unsere Ergebnisse gemeinsam!
Betrachtet man die Anforderungen an den Unterricht laut der „Unterrichts- und
Schulqualität“, so findet sich in dieser Einheit ein hoher Anteil echter Lernzeit und
angemessener Praxisorientierung. Zudem ist der Unterricht kognitiv aktivierend und
herausfordernd und die Lernenden erhalten die Möglichkeit, selbstständig und
eigenverantwortlich zu lernen.128
In dieser Einheit werden zudem verschiedene Kompetenzen geschult. Unter dem
Bereich der Lesekompetenz fällt das sprachliche Analysieren und Reflektieren der
Textvorlage, da sie fachliche Termini angemessen verwenden müssen. Zudem steht
auch die Sachkompetenz im Vordergrund, da die Lernenden dazu angehalten werden,
spezifisches Sachwissen zu aktivieren und zu selektieren. Genauer gesagt sollen sie
relevante Begriffe wiedergeben und angemessen einbetten können.129
4.1.2 FARBE IN DER GRAPHIC NOVEL
Diese Einheit ist der symbolischen Wirkung von Farbe auf die Rezipierenden
gewidmet. Der Lehrende verwendet das im Anhang zu findende Spiel, das auch „Tabu“
genannt wird. Dabei müssen die Lernenden den obersten Begriff erklären, dürfen dabei
aber keines der fünf Wörter darunter verwenden. Es werden drei Runden gespielt, bis
plötzlich die Farbe „rot“ erklärt werden muss, jedoch kein Wort verwendet werden
darf, das rot am ehesten beschreiben würde. Der Lernende ist in einer Patt-Situation,
die die Lehrperson auflöst, indem sie sagt, dass es zwar unmöglich sei, eine Farbe zu
beschreiben, sie sehr wohl aber Stimmung transportieren könne, was im Folgenden
dann auch erprobt wird. Dazu teilt sich die Klasse in Gruppen zu drei oder vier
128 vgl. Herbert Altrichter; Christoph Helm; Anna Kanape-Willingshofer: Unterrichts- und Schulqualität. Erstellt am 13.10.2012. URL: http://www.sqa.at/pluginfile.php/988/coursecat/description/qualitaet_von_unterricht_und_schule.pdf [01.05.2016]. 129 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016].
56
Personen auf. Nach der „Placemate“-Methode130 erhält jeder Lernende eine andere
Farbe (farbigen Zettel austeilen) und sie notieren alles, was ihnen zu dieser Farbe
einfällt auf ein gemeinsames Blatt Papier. Danach vergleiche sie ihre Ergebnisse. Die
Resultate sollen in den Köpfen der Lernenden bleiben, wenn es um die zweite Aufgabe
geht. Hierbei sollen die Lernenden die Seite einer Graphic Novel (Anhang S. 129)
ausmalen. Genaue Überlegungen und Begründungen müssen diesem Prozess
vorausgehen und im Anschluss werden die Ergebnisse vorgestellt. Die Lernenden
können und sollen dabei mithilfe des Internets arbeiten. Hinsichtlich des
Makromodells ist diese Aufgabenstellung ebenfalls bei „Vor der Textrezeption“
einzuordnen, da es auch hier um das „Erschließen“ von Textinhalten geht.
EP P Begrüßung, Vorstellen des neuen Themas,
Näherbringen des heutigen Arbeitsauftrages
MP P Thematisch passendes Spiel: „Diese Einheit beginnen
wir heute mit einem Spiel, das einigen von euch sicher
bekannt sein wird: Tabu“. (Anhang S. 128)
EB P Eventuell erste Diskussion: „Es ist vielleicht unmöglich,
Farbe zu beschreiben, sie transportiert aber dennoch
gewisse Stimmungen und kann verschiedene Gefühle
in uns auslösen, oder?“
Anwendungs-
phase (AP)
3er oder 4er
Gruppe
„Schreibt alles auf, was euch zu eurer Farbe einfällt.
Ganz egal, ob es ein Adjektiv, ein Substantiv, ein Gefühl
oder gar eine Redewendung ist. Vielleicht hilft es auch
einigen, kurz die Augen zu schließen und sich die Farbe
intensiv vorzustellen“.
ES 3er oder 4er
Gruppe
Festhalten der Ergebnisse: „Vergleicht nun eure
Ergebnisse!“
2. AP E Lösung von Aufgaben: „Überlegt euch, wie ihr diese
Seite aus einer Graphic Novel ausmalen könnt, damit
eine gewisse Stimmung transportiert wird. Wie soll
diese Situation wirken?“ (Anhang S. 129)
130 Reich, K. (Hg.): Methodenpool. In: URL: http://methodenpool.uni-koeln.de [02.06.2016].
57
ES P Präsentation der Ergebnisse: „Präsentiert nun eure
Ergebnisse! Erläutert uns auch, warum ihr euch für
diese Farbe entschieden habt und welche Stimmung
ihr transportieren wollt.
Phase des
Ausklangs
und Haus-
übung
(AusP, HÜ)
P Zusammenfassung: Die Lernenden fassen die Einheit
zusammen.
Hausübung: „Recherchiert im Internet zur
psychologischen Wirkung von Farben. Sucht euch eine
beliebige Farbe aus und erläutert, wie diese auf
Menschen wirkt, wofür sie stehen kann und welche
psychologische Bedeutung sie für den Menschen
haben kann“.
Betrachtet man hier die Aspekte erfolgreichen Lernens, die von Salner-Gridling
formuliert wurden, so lässt sich für diese Einheit ein hoher Anteil an Kooperation und
Kommunikation feststellen. Außerdem werden die Gefühle der Schülerinnen und
Schüler aktiviert, da sie beschreiben sollen, was die unterschiedlichen Farben für sie
bedeuten. Außerdem sollen sie aktiv am Unterricht teilnehmen, da die Lehrperson
vorwiegend als Beobachter fungiert.131
Hinsichtlich der Kompetenzen wird in dieser Einheit die Sachkompetenz überprüft. Die
Lernenden müssen mithilfe der „Placemate-Methode“ sachlich relevante
Informationen auswählen und wiedergeben. Zudem müssen sie ihr Welt- und
Sachwissen aktivieren, um die Aufgabenstellung bewältigen zu können.
In Zusammenhang mit der Hausübung, müssen sie ebenfalls ihre Sachkompetenz unter
Beweis stellen und zudem wird ihre schriftliche Kompetenz überprüft. Dafür müssen
die Lernenden neben den Textualitätskriterien (Kohäsion, Kohärenz, Intertextualität,
Informativität), einen angemessenen Wortschatz verwenden, den sie formal richtig
anwenden. Darüber hinaus müssen sie sowohl Adressaten als auch die Situation
abwägen und die richtigen sprachlichen Mittel verwenden.132
131 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21. 132 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016].
58
4.1.3 RAUM UND BEWEGUNG IN DER GRAPHIC NOVEL
In dieser Einheit werden Raum und Bewegung in der Graphic Novel thematisiert. Zu
diesem Zweck teilt die Lehrperson die Klasse auf und zeigt den Lernenden unabhängig
voneinander zwei Videos. Im Anschluss finden sich die Schülerinnen und Schülern
wieder zusammen und erzählen sich, was sie gerade gesehen haben, sodass alle über
dieselben Informationen verfügen.
In der ersten Anwendungsphase suchen die Lernenden in Gruppen im Internet die
verschiedenen Begriffe heraus. Dabei erhält jede Gruppe einen der sieben Wörter.
Neben den einzelnen Termini, recherchieren sie ebenfalls nach geeignetem
Bildmaterial, das den Begriff ideal darstellt. In der Ergebnissicherung werden dann die
Resultate auf einer „Ergebniswand“ 133 präsentiert. Jede Gruppe erläutert die
Bedeutung ihres Begriffs und woran man dieses Phänomen an ihrem Bildmaterial
erkennen kann.
Für die zweite Anwendungsphase werden die Lernenden in Zweiergruppen eingeteilt.
Jedes Paar erhält eine Graphic Novel (von insgesamt drei) und versucht, sämtliche
Begriffe in dieser zu finden. Im Anschluss finden sich die Schülerinnen und Schüler zu
sechst zusammen (sodass jede Graphic Novel in den Gruppen einmal vertreten ist) und
präsentieren sich gegenseitig ihre Ergebnisse. Im Anschluss daran teilt die Lehrperson
die Zusammenfassung aus, die alle wichtigen Bestandteile einer Graphic Novel
zusammenfasst. Diese sollen die Lernenden lesen und die vergangenen Einheiten dabei
Revue passieren lassen. Im Makromodell ist die Aufgabenstellung „vor der
Textrezeption“, genauer bei „erschließen“ einzuordnen.
EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde
MP
P Visueller Impuls:
https://www.youtube.com/watch?v=zHAjSicWWpo
https://www.youtube.com/watch?v=96ieq9MKdwY
1. AP G Anhang S. 130.
„Sucht euren Begriff mithilfe des Internets heraus. Findet eine passende
Definition und auch ein Bild, welches euren Begriff am besten
veranschaulicht. Begründet, inwiefern das Bild euren Begriff darstellt.“
133 Reich, K. (Hg.): Methodenpool. In: URL: http://methodenpool.uni-koeln.de [02.06.2016].
59
ES P Festhalten der Ergebnisse: „Ergebniswand“134
2. AP 2 „In euren Händen haltet ihr eine Graphic Novel. Eure Aufgabe ist es nun,
diese sieben Begriffe, die wir nun auf der Ergebniswand vor uns sehen,
in diesem Werk zu finden. Auch hier müsst ihr eure Entscheidung
wieder begründen!“
ES 6 Präsentieren der Ergebnisse; Lesen der Zusammenfassung: Anhang. S.
131.
Betrachtet man Salner-Gridlings Aspekte erfolgreichen Lernens, so fällt auf, dass das
Klima in dieser Stunde äußerst lernfreundlich gestaltet ist. Der Inhalt weckt die
Neugierde der Lernenden, die zudem gemeinsam kooperieren und kommunizieren. Sie
sind außerdem aktiv beteiligt und ihre Gefühle stehen im Vordergrund. Außerdem
haben sie genügend Zeit für die Verarbeitung, sodass sie ohne Druck arbeiten
können.135
Diese Aufgabenstellungen schulen eine Vielzahl von Kompetenzen. Hinsichtlich der
Sachkompetenz sollen die Lernenden ihr Welt- und Sachwissen aktivieren und zudem
sachlich relevante Informationen auswählen und wiedergeben. Darüber hinaus wird
die Lesekompetenz trainiert, da sie spezielle Darstellungsmöglichkeiten in der Graphic
Novel auffinden und beschreiben sollen. Bei der Präsentation der Ergebniswand und
der Graphic Novels wird die Hörverstehenskompetenz ebenso geschult wie die
mündliche Kompetenz.136
134 vgl. ebd. 135 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21. 136 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016].
60
4.2 Irmina
Die Graphic Novel „Irmina“ von Barbara Yelin erschien 2014 im Reprodukt Verlag. Sie
erzählt die teilweise biographische Geschichte Irminas, der Großmutter der Autorin,
zur Zeit des dritten Reichs.
Das Werk ist in drei Teile gegliedert und jeder Teil spielt an einem anderen Ort. Im
ersten Kapitel befindet sich Irmina in London, da sie die Gelegenheit erhielt, eine
Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin zu absolvieren. Dort lernt sie auf einer Party
Howard kennen, der in Oxford studiert und dem sie sich von Beginn an sehr verbunden
fühlt. Sie verbringen viel Zeit miteinander und Irmina lernt durch den klugen Barbadier
die Welt mit anderen Augen kennen. Durch ihre finanzielle Misslage sieht sich Irmina
jedoch alsbald gezwungen, nach Deutschland zurückzukehren. Hier beginnt der zweite
Abschnitt, dessen Handlung in Berlin stattfindet. Irmina arbeitet für das Deutsche
Reich, zunächst jedoch nur, um sich die Rückkehr nach London und zu Howard
finanzieren zu können. Als ein Wiedersehen mit Howard unmöglich wird, entscheidet
sie sich, in Deutschland zu bleiben, wo sie den Architekten Gregor Meinrich heiratet.
Nachdem sie gemeinsam ein Kind bekommen, bricht der Krieg aus und Gregor muss an
die Front, wo er durch einen Granatensplitter ums Leben kommt. Irmina hat sich zu
diesem Zeitpunkt längst mit ihrem Leben abgefunden, ist opportunistisch und
linientreu, wodurch sie auch enge Bekanntschaften verliert. Nach dem Ende des
Krieges und dem Ableben des Ehemannes beginnt der dritte und letzte Teil der Graphic
Novel, der den Titel „Barbados“ trägt. Irmina arbeitet mittlerweile als Sekretärin in
einer Schule und steht kurz vor ihrer Pensionierung, als sie ein Brief aus Barbados
ereilt. Der Verfasser schreibt im Auftrag von Howard, der mittlerweile Gouverneur
seiner Heimat ist und sie zu sich einlädt. Voller Hoffnung reist sie in die Karibik und
trifft dort auf ihre Jugendliebe. Neben seiner erfolgreichen Karriere ist Howard
verheiratet und Vater von zwei Kindern. Auf der Geburtstagsfeier von Howards
Tochter erfährt Irmina, dass er seine Tochter nach ihr benannt hat, da er sie stets für
mutig hielt und wollte, dass seine Tochter ebenso furchtlos agiert wie einst Irmina.
Bedingt durch einen Schwächeanfall begleitet Howard Irmina zu ihrem Zimmer, wo sie
ihm erzählt, dass sie nicht so mutig war, wie alle immer dachten. Wortlos geht Howard
weg und Irmina fliegt wieder nach Hause.
61
Yelin zeigt in dieser Graphic Novel das Streben einerseits nach Freiheit,
Unabhängigkeit und Liebe und andererseits nach dem Drang, gesellschaftlich und
beruflich aufzusteigen. 137 Langsam zeigt sie die Veränderung Irminas von einer
eigensinnigen und sympathischen Kosmopolitin zu einer Unterstützerin des Nazi-
Regimes. Yelin betrachtet Irmina aber keineswegs als Opfer des Regimes oder unter
Zwang stehend. Sie unterstützt die Diktatur zwar nicht vollends, stellt aber ihr Handeln
auch nicht infrage. So kauft sie wegen der Judenverfolgungen nicht mehr in jüdischen
Läden ein und zum Ende hin unterstützt sie die Judenpolitik sogar, indem sie ihrer
Freundin Gerda, die Zweifel äußert, harsch den Mund verbietet. Selbst als Irmina ihren
inneren Schaden erkennt, gibt sie dafür den Juden die Schuld. Ihr berufliches
Vorankommen wird durch Heirat und Kind just unterbrochen. Ganz im Sinne der
Ideologie der Nazis, wird sie Mutter und Hausfrau. Yelin offenbart hier ein wichtiges
Spannungsfeld, nämlich zwischen freier Wahl und Fügung. Obwohl sie in ihrer Arbeit
in der Rangordnung weit unten steht, geben ihr ihr Können und ihre Möglichkeiten
zum Aufstieg Selbstbewusstsein. Durch die Heirat entscheidet sie sich jedoch, Hausfrau
und Mutter zu werden. Einerseits trifft sie diese Wahl freiwillig, andererseits fließen
verschiedene Faktoren in diese Entscheidung mit ein (das „Ehestandsdarlehen“, der
Wunsch des Gatten). Unter der Nazi-Führung verhärmt Irmina zusehends. Ihre
schlechten Seiten scheinen zum Vorschein zu kommen, da sie auch in den schlimmsten
Zeiten nur auf sich bedacht ist und sich, trotz ihrer privilegierten Position als
Leidtragende empfindet.
Irminas Leben verläuft der Zeit entsprechend sehr typisch. Die Abwendung von
Feminismus und Individualität und die Hinwendung zur nationalsozialistischen
Bewegung sind charakteristisch für diese Zeit. Auch dass sie ihr Glück im Faschismus
schlussendlich nicht findet, ist für diese Zeit üblich.138
Nicht nur der Leser bzw. die Leserin macht sich über die Möglichkeiten Irminas
Gedanken. Yelin inszeniert auch das Hadern und Überlegen der Protagonistin über ihre
Entscheidungen. Wie wäre ihr Leben verlaufen, wenn sie nach England gegangen
wäre? Wäre sie mit Howard nach Barbados gegangen und hätte sie dort Liebe und
137o.A.: Barbara Yelin auf der Buch Wien 2014. Erstellt am 07.11.2014. URL: http://www.graphic-novel.info/?tag=barbara-yelin [03.06.2016]. 138 KORB, Alexander: Irmina. Leben in der Zeitgeschichte. Ein Nachwort. In: Irmina von Barbara Yelin. Berlin 2014. Reprodukt. S. 275ff.
62
Glück gefunden? Sowohl die Rezipierenden als auch Irmina selbst stellen sich diese und
ähnliche Fragen. Offen hingegen bleibt die Frage nach Irminas Verantwortung im
Naziregime. Nie reflektiert sie über die deutsche und ihre eigene Schuld am Geschehen,
was jedoch auch während der Zeit Hitlers nie geschah. Sie entzieht sich, wie viele
andere ihrer Generation der Schuld und lebt in einer Welt des Verdrängens und
Vergessens. Da Yelins Großmutter, die ja teilweise die Inspiration für Irmina lieferte,
bereits verstorben ist, konnte die Autorin nur den Versuch einer Rekonstruktion
wagen.139
Im Folgenden soll nun auf die Narration und Ästhetik dieser Graphic Novel
eingegangen werden. Dabei werden dieselben Parameter zu Rate gezogen, die in
Kapitel 2.4 verwendet wurden. Zunächst lässt sich demnach festhalten, dass in
„Irmina“, jedes der drei Teile eine andere Farbgestaltung aufweist. So ist der erste Teil
eher bläulich bis grau gehalten, der zweite Teil bräunlich und rot und der letzte ist
durchzogen von Türkistönen. Diese folgenden drei Seiten (Abb. 30-32) stehen
stellvertretend für jeden Teil in Irmina.
Abb. 30: Irmina, S. 8.
Abb. 31: Irmina, S. 131.
139 vgl. Alexander Korb: Irmina. Leben in der Zeitgeschichte. Ein Nachwort. In: Irmina von Barbara Yelin. S. 275ff.
63
Abb. 32: Irmina, S. 261.
Mit jeder Veränderung der Farbgestaltung geht auch eine Veränderung in Irminas
Leben einher. Zunächst ist sie die etwas ängstliche, doch neugierige junge Frau im
kalten England, was durch die Grau- und Blautöne sehr gut symbolisiert wird. Im
nächsten Kapitel ist sie die brave Angestellte zur Zeit des NS-Regimes, die nicht
hinterfragt und nur tut, was sie tun soll, wozu das „langweilige“ beige und braun gut
passt. Auch Rottöne finden sich in diesem Kapitel sehr oft, vor allem dann, wenn sich
Irmina in der Nähe von Nationalsozialisten aufhält, die allesamt stets etwas Rotes an
sich haben, sei es die Krawatte, die Blume am Kleid etc., was bezüglich der
Farbgestaltung stets an den Banner mit dem Hakenkreuz erinnert. Die folgenden
Panels (Abb. 33-36) sollen genau diesen Effekt wiedergeben, auf vier unterschiedliche
Weisen. Wir sehen das rot geblümte Kleid, das symbolisiert, dass man sich den
Nationalsozialismus tagtäglich überwirft, weil es alle tun, ebenso wie der Lippenstift
der Freundin Irminas, die ihn trägt, weil sie muss und nicht, weil sie die Gesinnung
innerlich genauso teilt. Auch die Blumen symbolisieren, dass der Nationalsozialismus
in den Wohnungen der Leute angekommen ist, sie ihn drapieren und präsentieren,
damit die Gäste keinen Zweifel über die Gesinnung hegen.
64
Abb. 33: Irmina, S. 158. Abb. 34: Irmina, S. 128.
Abb. 35: Irmina, S. 131. Abb. 36: Irmina, S. 143.
Die Zeichnungen Yelins wirken äußerst individuell, beinahe wie Skizzen. Durch diese
Form des Zeichnens wirkt das Geschehene viel realer, es wirkt tatsächlich wie ein
Erlebnisbericht, wie viele bildhafte Gedanken der Großmutter Yelins. So muss es den
Leser-Betrachter nicht weiter stören, dass sie häufig „über den Rand malt“ oder den
Hintergrund kreuz und quer ausfüllt, weil es dadurch eben lebensecht und
naturalistisch scheint.
Frühere Arbeiten Yelins weisen einen anderen Stil auf, sodass man davon ausgehen
kann, dass ihr stets das Subjektive ihrer Zeichnungen wichtig ist und nicht Objektivität.
Außerdem ist sie somit eine der wenigen Graphic Novellisten, die sich zutrauen, ihren
eigenen Stil immer wieder neu zu erfinden, ohne dass die Qualität darunter leidet.
Die Umsetzung von Bewegung in Yelins Werk ist ebenso beachtenswert. So lassen sich
sehr häufig typische Bewegungslinien ausfindig machen, die ebenso wie der Rest sehr
skizzenhaft gezeichnet sind. Die Bewegungslinien zeigen aber stets die Richtung von
65
Gegenständen an (der Dampf des heißen Getränks, der Rauch der Zigarette), die
Menschen selbst führen ihre Bewegungen ohne visuelle Hilfe aus. Wie die Abbildungen
(Abb. 37-38) zeigen, sind nur solche Bewegungslinien vorhanden, die auch von den
Figuren in der Graphic Novel wahrgenommen werden können, solche, die nur der
Leser-Betrachter wahrnehmen kann, fehlen komplett, was erneut sehr naturalistisch
und lebensecht wirkt.
Abb. 37: Irmina, S. 61. Abb. 38: Irmina, S. 134.
Auch ein gewisser Rhythmus kann
beim Lesen und Betrachten dieses
Werkes festgestellt werden. So wird
Irmina auf dieser Seite klar, dass es
sehr ernst wird mit Gregor, was
Yelin mit verschiedenen Bewe-
gungen aufzeigt, die, obwohl sie
eigentlich recht kurz aufeinander
folgen, auf den Leser-Betrachter
sehr lange, fast schon schwermütig
wirken. Der Text untermauert diese
Auffassung, da Irmina sich nicht
wirklich zu freuen scheint.
Abb. 39: Irmina, S. 168.
66
Ganz anders ist der Rhythmus in Abbildung 40, als die Cousine Irminas um sie umher-
schwirrt und sich scheinbar überall gleichzeitig aufhalten möchte. Irmina verharrt
dabei ständig auf dem Sofa, während die Cousine nie auch nur ein Panel lang zu stehen
scheint. Yelin erzeugt für den Leser-Betrachter damit den gewünschten Effekt: Eine
Gastgeberin, die mit allen Gästen im Gespräch sein will und dadurch sehr gehetzt ist.
Abb. 40: Irmina, S. 130-131.
Die Gestaltung der einzelnen Panels ist ebenso interessant, denn keines dieser
komplexen Einheiten ist durch einen Rahmen eingegrenzt, was ebenfalls das
Skizzenhafte, das „Sich-Erinnern“ verstärkt. Durch das Fehlen des Rahmens wird die
Gesamtszenerie realistisch und unterstreicht somit den Eindruck des Textes. Das
gesamte Seitenlayout kann als rhetorisch betrachtet werden. Dabei dominieren die
einzelnen Sequenzen, während das Layout dazu dient, die Handlung zu akzentuieren.
67
Auf dem ersten Panel ist ein Tumult auf der
Straße bei Nacht bemerkbar. Das Panel ist
langezogen und durch Datums- und
Monatsangabe erhält das Ganze den
Eindruck eines Fotos. Im nächsten Panel ist
ein Zeitungsausschnitt zu sehen und der
Leser-Betrachter wird über die Zeitung in
die Wohnung von Irmina geführt. Auch das
folgende Panel, als Gregor seinen Sohn hält
ist etwas länger und es erscheint ebenfalls
wie ein Foto aus früherer Zeit. Die letzten
vier Panels sind etwas kürzer und erwecken
den Eindruck, als würde Gregor gerade sehr
schnell mit Irmina sprechen, nervös und
aufgeregt sein, sodass Irmina ihn zuletzt etwas beruhigen muss. Somit trägt die
Sequenz die maßgebliche Bedeutung, das Layout der Seite hilft jedoch, den Inhalt zu
transportieren.
Hinsichtlich der Raumdiskussion lässt sich zunächst feststellen, dass sehr häufig mit
der Einfluchtpunkt-Perspektive gearbeitet wird, wodurch der Leser-Betrachter den
Inhalt deutlicher erfährt und empathischer reagiert. Die Frage, ob diese Graphic Novel
raum- oder körperzentriert arbeitet, lässt sich nicht eindeutig beantworten, da sich
Yelin in dieser Hinsicht stets unterschiedlicher Möglichkeiten bedient hat, um so die
verschiedenen Aspekte herauszuarbeiten. Diese Doppelseite (Abb. 42) ist insofern
interessant, da sie gleich mehrere Möglichkeiten der Wahrnehmung abdeckt. Während
auf der linken Seite die Situation noch körperzentriert dargestellt wird, findet auf der
nächsten Seite allmählich eine Annäherung des Raums an den Körper statt, nämlich
dann, wenn plötzlich das Zimmer verlassen wird und nur noch von außen einzusehen
ist. Das nächste Panel verweigert die Sicht ins Zimmer bereits komplett, obwohl noch
vernehmbar ist, was gesprochen wird. Das letzte Panel schließlich wandert bereits
weiter weg vom Haus und nur das noch brennende Licht im Zimmer verweist auf den
Ort der Beiden. Somit verweigert Yelin den Blick auf die folgenden Szenen, will damit
in gewisser Form die Privatsphäre wahren und erzielt diesen Effekt geschickt mithilfe
der Veränderung der Perspektive.
Abb. 41: Irmina, S. 198.
68
Abb. 42: Irmina, S. 62-63.
Während Yelin visuelle Phänomene sehr gut über Bilder vermittelt, sind Gefühle,
Gespräche und Gedanken zumeist mithilfe des verbalen Codes dargestellt. Eine
besondere Rolle nehmen die Onomatopöien ein, die äußert frequentiert auftreten und
dabei neben ihrer Darstellung der klanglichen Ebene auch visuell eine Funktion
erfüllen.
Abb. 43: Irmina, S. 178-179.
69
Abb. 44: Irmina, S. 212.
Abb. 45: Irmina, S. 169.
Abb. 46: Irmina, S. 207.
Das erste Beispiel (Abb. 43) streckt sich über eine gesamte Doppelseite. Irmina wacht
nachts durch den Lärm von Autos auf und sieht aus dem Fenster. Als sie den Vorhang
zur Seite zieht, dringt erneut ein „WRRRRR“ durch und erweckt den Eindruck eines
äußerst lauten und unangenehmen Geräuschs. Dieses penetrante Motorengeräusch ist
auf den folgenden Panels ebenso häufig zu finden und markiert auch die Richtung, aus
der diese Autos kommen. Die letzten beiden Panels sind insofern interessant, da man
nun kein Auto mehr sieht, sie aber noch hören kann, was die Vermutung nahelegt, dass
diese Geschehnisse, welche Irmina gerade mitansehen musste, noch an weiteren Orten
in der Stadt passiert. Das „WRRRRR“ wirkt dabei unglaublich durchdringend und laut.
Eine nicht weniger interessante Darstellung des Geräuschs ist auf Abbildung 44 zu
sehen. Irmina ist zu Hause und versucht ein Glas Eingemachtes vom Boden zu wischen.
70
Plötzlich ertönt der Bombenalarm, der alles andere überdeckt und Irmina
aufschrecken lässt. Dieses Onomatopoetikum zieht sich über zwei Panels, ist sehr groß
gezeichnet und auch die Richtung ist beim Betrachten eindeutig. Das „uuuiiiii“ wird
auch nicht unterbrochen durch das eher leise wirkende „klapp“ der Türe, als die
schockierte Gerda die Wohnung verlässt. Die nächste Abbildung (45) zeigt das häufig
vorkommende Onomatopoetikum „Klack“, welches für die Schreibmaschine steht, die
Irmina für ihre Arbeit als Sekretärin benötigte. Auf der einen Seite ist das Geräusch
aber insofern interessant, da noch keine Schreibmaschine zu sehen ist. Das bedeutet,
dass beim Betrachten des Bildes durch den Beginn des Geräuschs hingedeutet wird,
dass auf der nächsten Seite ein neuer Abschnitt beginnt. Die Szene beginnt also bereits
für den Leser-Betrachter auf der auditiven Ebene. Das letzte Panel (Abb. 46) zeigt
Irmina in der Küche, als sie gerade das Essen zubereitet. Obwohl sie sich zunächst
wehrte, „nur“ Köchin und Hausfrau zu sein, hat sie sich offenbar damit abgefunden,
sodass das „Klack“ nun nicht mehr die von der mittlerweile abgedeckten
Schreibmaschine erzeugt wird, sondern vom Messer auf dem Schneidebrett. Diese
Beispiele machen deutlich, dass die Onomatopöien in „Irmina“ über die Ebene der
Darstellung von Geräuschen hinausgeht und wichtige Informationen zur Narration
liefern.
Neben der soeben beschriebenen semantischen Kongruenz, gilt es nun, auf die
Möglichkeiten der Bild-Text-Beziehung zu blicken. Dabei werden die von Kaindl 140
genannten Optionen zu Rate gezogen. Im Folgenden werden einige wichtige Szenen,
die unterschiedliche Darstellungsformen verwenden, genauer betrachtet. Zunächst
findet sich in Abbildung 47 eine visuell-verbale Parallelität, in welcher der verbale
Code andere Informationen liefert, als auf dem Bild zu sehen ist. Wir sehen Irmina, wie
sie gerade in einer Zeitung blättert und eine Stimme aus dem „Off“, die mit Gregor
spricht. Somit liefert uns das Bild Informationen über Irmina, während der Text in
kaum einer Beziehung mit der Protagonistin steht. Yelin zeigt in dieser Szene, wie
wenig Interesse Irmina verspürt, neue Menschen kennenzulernen. Sogar auf einer
Party liest sie lieber Zeitung, die Geräusche und das Gespräch mit dem soeben
eingetroffenen Gregor hört sie zwar, sie nimmt sie aber nicht (oder kaum) wahr.
140 vgl. Klaus Kaindl: Übersetzungswissenschaft im interdisziplinären Dialog. Am Beispiel der Comicübersetzung. In. Studien zur Translation. Hrsg. von Mary Snell-Hornby. Stauffenberg Tübingen 2004. Wien, Univ. Habil Schreiben 1999.
71
Abb. 47: Irmina, S. 131.
In der folgenden Abbildung (48) liegt eine visuell-verbale Bestätigung vor. Irmina ist
vertieft in das Lesen des Briefs und bemerkt gar nicht, dass sie das Bügeleisen bereits
eingeschalten hat. Auf der bildlichen Ebene ist der Qualm zu sehen, der darauf
hindeutet, dass ein Wäschestück unter dem Bügelbrett bereits zu verbrennen beginnt.
Im Panel ganz rechts wird diese These bestätigt, da Irmina, sich an das Bügeleisen
erinnernd, aufschreckt und ins Nebenzimmer läuft.
Abb. 48: Irmina, S. 231.
72
Auf diesem Panel ist der Leser-Betrachter bereits
bei Howard in Barbados angelangt. Irmina freut
sich, den Abend mit Howard verbringen zu dürfen,
ist jedoch enttäuscht, als sie sieht, dass sie die
gemeinsame Zeit mit dem Sohn vor dem
Fernseher verbringen. Das Bild liefert die
Information, dass Irmina sich erhebt und den
Raum verlässt, während verbal einerseits durch
die Pause zwischen dem „Ich“ und dem „bin
müde“, gekennzeichnet durch die
Auslassungspunkte und das verächtlich
schnaubende „Cricket pff“ andererseits, klar wird, dass Irmina sehr verärgert über
diesen Tagesausklang ist. Durch diese visuell-verbale Bestätigung wird ihre zerstörte
Hoffnung bezüglich dieser Reise ersichtlich, und ihr wird langsam bewusst, dass sie die
Zeit nicht einfach zurückdrehen und mit Howard da weitermachen kann, wo sie bei
ihrer Abreise aufgehört hat.
Diese vier Panels arbeiten mit der
visuell-verbalen Fokussierung.
Irmina fordert Howard auf, den
Whisky in einem Zug zu trinken,
was auf dem folgenden Panel
fokussiert wird. Auf dem nächsten
Bild bemerkt Howard plötzlich,
dass der letzte Zug bereits
abgefahren ist und Irmina somit bei
ihm übernachten muss. Der Fokus
liegt also bei Howard, der durch das
Wort „Zug“ daran erinnert wird,
dass er Irmina eigentlich hätte nach Hause bringen sollen. So scheinen sie keine Wahl
zu haben, als die Nacht gemeinsam zu verbringen, was ihre Beziehung in weiterer Folge
stark beeinflusst.
Abb. 49: Irmina, S. 251.
Abb. 50: Irmina, S. 62.
73
In diesem Panel liegt ein visuell-verbales
Widerspruchsverhältnis vor. Irmina trifft
Gerda zufällig in einer Menschenmasse
wieder, die überrascht ist, sie zu sehen,
da sie Irmina eigentlich in London
vermutet hat, wofür sie ihr damals ihre
gesamten Ersparnisse überlassen hat.
Dieses Panel zeigt auf der verbalen Ebene
eine Beglückwünschung zur Hochzeit,
während das Bild vollkommen anderen
Informationen liefert. Gerda sieht weg, ist
offenbar böse und verletzt, was verständlich ist, da sie sich von Irmina betrogen fühlt.
Zu guter Letzt findet sich auch das
visuell-verbale Identitätsverhältnis. Wie
auf diesem Panel zu sehen ist, treffen
sich Irmina und Howard das erste Mal
seit Jahrzehnten wieder, sie gehen auf
der visuellen Ebene aufeinander zu und
sprechen dabei, wie üblich bei
Begrüßungen zwischen Menschen, die
sich lange nicht gesehen haben, nur den
Namen des jeweils anderen aus.
Nun stellt sich noch die Frage, wie der Text in das Bild bei „Irmina“ integriert ist. Im
Grunde verwendet Yelin Sprechblasen, um Äußerungen wiederzugeben, die mit einem
Richtungspfeil auf den Sprecher oder die Sprecherin hindeuten. Soll etwas lauter
wirken, so sind die Wörter fett gedruckt, wenn etwas leise geflüstert wird, sind die
Sprechblasen und die Worte darin strichliert. Das einzig Außergewöhnliche in der
Textintegration ist das völlige Fehlen der Blocktexte als Hinweise für die Lesenden.
Stattdessen fungieren Briefe, die Irmina erhält oder selbst verfasst als Informations-
träger, wie die Abbildung darunter verdeutlicht. Der Brief zieht sich dabei häufig über
mehrere Panels, in denen eine andere Handlung stattfindet, die mit dem Inhalt des
Briefs in keinem Zusammenhang steht.
Abb. 51: Irmina, S. 190.
Abb. 52: Irmina, S. 238.
74
4.2.1 TITELBILD
Ziel dieser Einheit ist das Hineintauchen in die Lektüre. Die Lernenden sollen mit dem
Werk erstmals in Berührung kommen, d.h., diese Einheit ist ganz zu Beginn durch-
zuführen.
Eine Hälfte der Lernenden erhält die obere Hälfte des Titelblatts, während die andere
Hälfte den unteren Teil bekommt. Sie überlegen zunächst für sich, wovon die Graphic
Novel handeln könnte, wenn sie das Bild ansehen. Die Fragen auf dem Arbeitsblatt
sollen dabei als Unterstützung dienen. Zusätzlich findet sich unter dem Bild noch etwas
Platz, um die wichtigsten Erkenntnisse zu notieren. Im Anschluss setzt sich stets
jeweils ein Lernender der Gruppe A mit einem Lernenden der Gruppe B zusammen.
Nun erzählen sich die Schülerinnen und Schüler gegenseitig, was sie in ihrem Bild
sehen und wie die Geschichte aussehen könnte. Im Anschluss werden die Ergebnisse
im Plenum zusammengeführt und die Lehrperson klärt auf, dass es sich um ein
Titelbild handelt (es wäre demnach hilfreich, wenn das gesamte Bild z.B. auf die Wand
projiziert wird). Gemeinsam kann dann weiter darüber sinniert werden, welche
Bedeutung es haben könnte, dass beide Bilder auf dem Titelblatt zu sehen sind. Die
Lehrperson tritt in dieser Einheit in den Hintergrund und ist Beobachter und eventuell
eine helfende Hand, falls der Schüler oder die Schülerin beim Grübeln ins Stocken gerät.
Im Makromodell befindet sich diese Aufgabenstellung unter „Vor der Textrezeption“
im Bereich „Erschließen“.
EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde
MP
ErabP
E Vorstellen des neuen Werkes: Anhang S. 132-133.
„Überlege, wovon die Geschichte erzählen könnte und bearbeite unter
anderem auch die Fragen, die auf dem Arbeitsblatt zu finden sind.“
AP 2 „Arbeite mit deinem Sitznachbarn oder deiner Sitznachbarin zusammen
und erzähle ihm oder ihr von deinen Ergebnissen.“
ES P Festhalten der Ergebnisse: Karussell141
EB P Herstellen einer gemeinsamen Ausgangsbasis: „Welches Werk würdet ihr
interessanter finden?“ (Diskussion)
141 Reich, K. (Hg.): Methodenpool. In: URL: http://methodenpool.uni-koeln.de [02.06.2016].
75
„Was, wenn beide Bilder das gesamte Titelblatt ausmachen? Was würde
das für die Geschichte bedeuten?“ (Diskussion)
Im Hinblick auf die Kompetenzen, die in dieser Einheit im Mittelpunkt stehen, lassen
sich in den verschiedensten Bereichen Resultate erzielen. So müssen sie, um eine
verbesserte Lesekompetenz zu erlangen, kritische und differenzierende Kommentare
formulieren. Um die schriftlichen Fähigkeiten weiter auszubauen, sollen sie dazu in der
Lage sein, deskriptive Textelemente angemessen zu verwenden. Auch die
Interpretationskompetenz ist in dieser Einheit vordergründig. So müssen die
Schülerinnen und Schüler teilweise bereits Interpretationshypothesen formulieren
und in der Vorlage (dem Bild) Belege dafür finden. Darüber hinaus sollen die
Lernenden dazu befähigt werden, ihr Welt- und Sachwissen zu aktivieren, um Bezüge
zum eigenen Wissens- und Erfahrungssystem herstellen zu können.142
Neben den Kompetenzbereichen lohnt sich auch ein Blick auf Salner-Gridlings Aspekte
erfolgreichen Lernens. Diese Einheit dient dazu, die Schülerinnen und Schüler
neugierig zu machen und sie für die folgende Lektüre zu interessieren. Die Zeit der
Verarbeitung ist angemessen und durch das gemeinsame Arbeiten haben die
Lernenden das Gefühl, wahrgenommen und akzeptiert zu werden.143
4.2.2 DAS STANDBILD-PANEL
Zunächst projiziert die Lehrperson zwei Panels auf den Beamer. Im Anschluss wird
zwischen den beiden Panels das Wort „Leerstelle“ erscheinen. Die Lernenden
überlegen im Plenum, was damit gemeint sein könnte. Sobald ein Konsens herrscht,
wird zum Arbeitsauftrag übergeleitet. In Dreier- oder Vierergruppen wählen die
Schülerinnen und Schüler eine Schlüsselszene des bisher Gelesenen aus und
versuchen, eine Leerstelle zu füllen. Die Lernenden können kreativ tätig werden, da sie
alles präsentieren dürfen, was für sie eine denkbare Handlung darstellt. Sie können,
wie alle anderen Rezipientinnen und Rezipienten, nur mutmaßen, was im
Zwischenraum der Panels geschieht. Sie müssen überlegen, was sie gerade tun, wo sie
142 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016]. 143 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21.
76
sich befinden, welche Personen involviert sind und im Anschluss das Standbild
kreieren. Dabei müssen sie darauf achten, dass sie ein Panel inmitten von „Irmina“ sind,
sie sprechen also nicht, beziehungsweise nur dann, wenn der Lehrende auf sie zugeht
und sie leicht auf der Schulter berührt. Dann äußern sie sich und geben Informationen
preis. Möglicherweise ist eine Person die Textbox und gar keine agierende Person, oder
jemand symbolisiert ein Geräusch oder einen Gegenstand. Erst durch das Antippen
wird klar, was sie darstellen möchten.
Jedes Standbild-Panel wird einmal präsentiert. Im Anschluss an jede Präsentation folgt
sowohl die Begründung als auch eine kurze Rücksprache, ob jeder und jede verstanden
hat, welche Leerstelle gerade aufgefüllt wurde.
Diese Aufgabenstellung unterstützt die Lernenden dabei, schon während des
Leseprozesses über das Gelesene zu reflektieren. Damit wird der Weg für
Arbeitsaufträge nach dem Lesen geebnet und die Schülerinnen und Schüler erkennen
womöglich Zusammenhänge, die ihnen zunächst noch entgangen sind. Zudem ist diese
Einheit dem handlungs- und produktorientierten Unterricht zugeordnet, der den
Schülerinnen und Schülern kreative Wege zur Literatur ermöglicht.
EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde
MP P Impuls: Anhang S. 134.
ErarbP 3
(4)
„Sucht euch eine beliebige Leerstelle aus „Irmina“ aus und gestaltet
daraus ein Standbild. Ihr müsst euch überlegen, wer welche Rolle
übernimmt und welche Informationen ihr uns preisgeben wollt.“
ES Festhalten der Ergebnisse: Präsentieren der Standbilder. Lehrperson
fotografiert die Resultate der Lernenden.
Hinsichtlich der Abdeckung einzelner Kompetenzen, ist der Bereich der
Lesekompetenz ausschlaggebend, um diese Aufgabenstellung überhaupt erst beginnen
zu können. Die Lernenden sollen den Text (zum Teil) bereits sinnerfassend gelesen
haben. In weiterer Folge ist auch die Interpretationskompetenz von Belang, da die
Schülerinnen und Schüler die Inhalte analysieren müssen und in gewisser Hinsicht
77
eigene Interpretationshypothesen formulieren sollen und diese im Anschluss auch
begründen.144
Zu guter Letzt folgt nun noch die Überprüfung, ob die Heranwachsenden in dieser
Einheit erfolgreich lernen können. Durch den spielerischen Zugang können die
Lernenden mit anderen gut und gerne gemeinsam arbeiten. Zudem werden durch die
dramapädagogische Aufarbeitung die Gefühle angesprochen und sich die Anstrengung
durch das gelungene Standbild auch lohnt.145
4.2.3 DIE EIGENE GRAPHIC NOVEL
Um einer literarästhetischen Produktionskompetenz im Sinne von Abraham und
Kepser gerecht zu werden, bietet sich vor allem in Bezug auf diese Graphic Novel an,
dass die Lernenden selbst aktiv Literatur kreieren. Im Internet finden sich zahlreiche
Internetseiten, die das Erstellen von Comic(sequenzen) extrem einfach aber kreativ
und beeindruckend ermöglichen.
Der Lehrperson schreibt als Impuls „Was wäre, wenn ...“ auf die Tafel und bittet die
Lernenden, diesen Satz in Hinblick auf Irminas Leben zu Ende zu führen. Im Anschluss
finden sich die Schülerinnen und Schüler zu dritt/oder zu viert zusammen und
überlegen sich gemeinsam ein alternatives Ende für die Geschichte. Im Sinne einer
„Was wäre, wenn ...“ Überlegung sollen sie gewisse Entscheidungen Irminas revidieren
und durch andere ersetzen. Was wäre, wenn Irmina nach London geflogen wäre? Was
wäre, wenn Irmina Georg nicht geheiratet hätte? Was wäre, wenn Irmina London nie
verlassen hätte? Das sind nur drei von vielen möglichen Szenarien, die sich die
Lernenden überlegen können. Diesen zunächst mündlichen Überlegungen sollte dann
ein schriftlicher Schritt folgen, indem sie die wichtigsten Änderungen in ihrer
Geschichte festhalten. Dabei sollen sie jedoch nicht ihre gesamte Geschichte in
schriftlicher Form verfassen, sondern vielmehr wichtige Eckpunkte festhalten. Der
Hauptteil der Arbeit wird in der Gestaltung der Graphic Novel liegen (dement-
sprechend ist mit viel Zeit innerhalb und außerhalb der Unterrichtsstunden zu
rechnen). Sie müssen auf alles bisher Gelerntes Rücksicht nehmen und die vielen
144 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016]. 145 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21.
78
verschiedenen Punkte in ihre Arbeit miteinbeziehen. Diese Punkte müssen sie
zunächst in der Gruppe gemeinsam reflektieren und anschließend im Plenum teilen,
sodass kein wichtiger Aspekt vergessen wird. Die Punkte, auf die die Lehrperson bei
„Irmina“ abzielt sind:
Farbgestaltung
Panelstruktur
Textdarstellung (Großschreibung, Fettschreibung, Interpunktionen etc.)
Werkzeuge, wie Textbox, Sprech- und Gedankenblase, Onomatopoetika
Sollten die Schülerinnen und Schüler auf einen dieser Punkte in ihrer Diskussion
vergessen, so sollte die Lehrperson unbedingt darauf aufmerksam machen. In der
Ergebnissicherung werden die Graphic Novels reihum von jeder Gruppe gelesen, die
sich ein kurzes Feedback notiert. Im Anschluss begründen die Autorinnen und Autoren
ihr Werk und nehmen das Feedback entgegen.
Auf dem Makromodell ist diese Aufgabenstellung bei „Nach der Textrezeption“ unter
„Verändern“ zu finden.
EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde
MP P Impuls: „Was wäre, wenn ... „
Erarb.P
AP
3 (4) siehe Arbeitsblatt S. 135: „
2. AP 3
(4)
siehe Arbeitsblatt S. 135.
ES P Festhalten der Ergebnisse: Lesen der Graphic Novels und
Begründung, Feedback
Die Schülerinnen und Schüler arbeiten hier handlungs- und produktorientiert. Sie
können kreativ sein und etwas Neues ausprobieren. Es schult das gemeinsame
Arbeiten und wiederholt bereits Gelerntes. Zudem ist es ein anderer Zugang zur
Interpretation, da sie sich nicht über etwas von jemand anders Geschriebenes
retrospektiv Gedanken machen sollen, sondern selbst für etwas sorgen müssen, das
gut interpretierbar ist.
79
Folgt man Salner-Gridlings Aspekten erfolgreichen Lernens, so ist in dieser Einheit
gegeben, dass die Lernenden für die Verarbeitung genügend Zeit haben und ihre
Anstrengung sich durch das Resultat einer eigens erstellten Graphic Novel (wenngleich
sie eher kurz ausfällt) lohnt. Zudem können sie sich an Mustern orientieren, die sie
bereits erlernt haben und sie können aktiv und mit anderen arbeiten.146
Wenn die Schülerinnen und Schüler die Resultate ihrer Kolleginnen bzw. Kollegen
lesen, so sind sie dazu in der Lage, dies sinnerfassend mit dem Ziel der inhaltlichen
Texterfassung zu tun. Um diese Graphic Novel erstellen zu können, haben die
Lernenden die Textvorlage analysiert und verstanden und somit einen Teilbereich der
Interpretationskompetenz trainiert.
4.2.4 ONOMATOPOETIKA IN „IRMINA“
Ein wichtiges Gestaltungsmittel von Comics und Graphic Novels sind Onomatopoetika.
Da sie besonders in „Irmina“ eine herausragende Rolle spielen und den Leser bzw. der
Leserin während der gesamten Lektüre begleiten, lohnt sich eine Sequenz zu dieser
Thematik.
Der Lehrende spielt den Schülerinnen Schülern ein Video vor. Auf diesem sind nur
Geräusche zu hören (der Beamer darf also nicht verwendet werden – es geht hier rein
um den Ton), welche die Lernenden verbal notieren sollen. Hören sie also das Niesen
eines Menschen, so schreiben sie „Hatschi“ o.Ä. auf ihr Blatt Papier. Im Anschluss
werden die Ergebnisse verglichen und es wird erkannt, dass sich die Einheit um Ono-
matopoetika drehen wird. Es empfiehlt sich zudem, das Wort „Onomatopoetikum“ zu
erklären.
Die Lernenden bilden hierzu Gruppen zu je drei oder vier Personen (abhängig von der
Klassengröße) und versuchen nun, in der Graphic Novel so viele Onomatopoetika zu
finden, wie möglich. Diese sollen sie dann auf einem Blatt Papier festhalten. Falls ein
Onomatopoetikum öfter als einmal auftritt, so vermerken sie auch die Anzahl. Sinnvoll
wäre es zudem, vor allem in Anbetracht an die anschließende Aufgabenstellung, wenn
sich die Lernenden zudem die Seitenzahlen, auf denen sie die Wörter gefunden haben,
notieren, sodass sie diese leichter wiederfinden.
146 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21.
80
Wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, vergleichen die Lernenden ihre Ergebnisse.
Dazu erhebt sich eine Gruppe und liest ihre Wörter vor, während die anderen
aufmerksam zuhören und Wörter, die sie nicht fanden, auf ihrem Blatt notieren. Die
zweite Gruppe liest nun bloß noch die Wörter vor, die noch nicht genannt wurden usw.
Nun, da alle Onomatopoetika gefunden wurden, sucht jeder Schüler und jede Schülerin
sich eines dieser Wörter aus und untersucht es auf seine Funktion in der speziellen
Szene. Dabei müssen sie einerseits die Szene adäquat beschreiben und andererseits
sollen sie das lautmalerische Wort und seine Verwendung interpretieren. Dabei sucht
sich jeder Lernende ein anderes Wort aus, sodass ein Gesamtüberblick der
lautmalerischen Wörter gegeben werden kann. Die Funktion, die Wirkung und die
Position des „soundwords“ soll dabei untersucht und interpretiert werden.
Hier empfiehlt es sich die Ergebnisse anschließend im Plenum zu sammeln, damit eine
Gesamtinterpretation des Werkes für alle Lernenden möglich ist. Sollte ein
Schüler/eine Schülerin ein Wort gewählt haben, das öfter als einmal vorkommt, so
steht ihm/ihr die Auswahl frei, welches Beispiel sie wählen möchte.
Im Makromodell befinden wir uns bei „Nach der Textrezeption“ unter „Montieren“:
EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde
MP P Akustischer Impuls: https://www.youtube.com/watch?v=c4iUjPtX-s0 Erklärung „Onomatopoetikum“: „Das Wort Onomatopoetikum stammt
aus dem Griechischen und setzt sich aus dem Wort ‚onoma‘, was ‚Name‘
bedeutet und ‚poietikos‘ – was ‚dichterisch‘ bedeutet, zusammen. Das
Onomatopoetikum ist ein klangnachahmendes, lautmalendes Wort.147
AP 3
(4)
„Sucht alle Onomatopoetika in „Irmina“. Notiert sie euch und vermerkt,
auf welcher Seite ihr sie gefunden habt!“
ES P Vergleichen der Ergebnisse: „Ich bitte nun jede Gruppe, ihre Ergebnisse
zu präsentieren. Die erste Gruppe startet und nennt jedes gefundene
Onomatopoetikum, während die restlichen Gruppen anschließend nur
noch das präsentieren, was wir noch nicht gehört haben“.
2. AP E „Jeder Schüler und jede Schülerin sucht sich nun eines dieser vielen
lautmalerischen Wörter aus und analysiert und interpretiert es
147 vgl. Bentfeld, Anne [u.a.]: Schülerduden Literatur 4. neu bearb. Aufl. Hrsg. von der Redaktion Schule und Lernen. Mannheim [u.a.]: Dudenverlag 2005. Stichwort: onomatopoetische Dichtung. S. 286.
81
hinsichtlich der Funktion, der Wirkung und der Position im Text.
Verfasst einen kohärenten Text!“
ES 2 Präsentation der Ergebnisse: Interview: „Vergleicht nun zu zweit eure
Ergebnisse! Gestaltet dazu ein fiktives Interview, in dem jeder einmal
der Interviewer und einmal der Interviewte ist. Fragt, welches
Onomatopoetikum ausgewählt wurde und warum und notiert euch
stichworthaltig die wichtigsten Ergebnisse“.
Ziel dieser Aufgabenstellung ist das Interpretieren von speziellen Teilen der Graphic
Novel, die eine essentielle Funktion erfüllen und die typisch für dieses Medium sind,
aber nicht für andere Textsorten. Die Schülerinnen und Schüler können hier ein Stück
weit experimentieren, da sie das (vermutlich) in dieser Form noch nie gemacht haben
und sie aber somit im selben Moment ein weitaus besseres Textverständnis erlangen
können. Zudem ist der akustische Impuls eine der seltenen Gelegenheiten im
Deutschunterricht das „Hören“ und weniger das „Zuhören“ zu schulen, da kein Text
verstanden, sondern ein Geräusch erkannt werden muss.
Hinsichtlich der einzelnen Kompetenzen lässt sich zunächst eine Schulung der
Hörverstehenskompetenz feststellen, da die Schülerinnen und Schüler dazu
angehalten werden, ein bestimmtes Geräusch zu erkennen. Die Lesekompetenz ist vor
allem dann relevant, wenn die Lernenden Informationen im Text ermitteln müssen –
nämlich das Suchen von Onomatopoetika. Darüber hinaus können sie die Textvorlage
sprachlich analysieren und reflektieren, da sie bestimmte sprachliche Mittel auffinden
und erkennen müssen. Da von den Schülerinnen und Schüler eine kohärente
Interpretation eines lautmalenden Wortes verlangt wird, ist auch die Schulung der
schriftlichen Kompetenz ein Teil dieser Einheit. Die Lernenden sollen dazu in der Lage
sein, einen situationsangemessenen Textaufbau zu wählen und sprachliche Mittel
anmessen einzusetzen. Des Weiteren können sie ihren Text sowohl kohäsiv als auch
kohärent gestalten, der eine angemessene Balance zwischen Komplexität und
Redundanz der Informationen enthält. Eine adäquate Verwendung des Wortschatzes
ist ebenso notwendig wie die formale Richtigkeit des Textes. Da die Schülerinnen und
Schüler das „soundword“ auch interpretieren müssen, ist es essenziell, dass sie eine
82
Interpretationshypothese formulieren und diese in einem die Textvorlage
überschreitenden Kontext begründen.148
Diese Einheit ist hinsichtlich des Lernerfolgs der Schülerinnen und Schüler insofern
wertvoll, da sie in Kommunikation und Kooperation und in einer entspannten Atmos-
phäre arbeiten können sowie Muster erkennen, an denen sie sich orientieren
können.149
4.2.5 FARBGESTALTUNG IN „IRMINA“
Die farbliche Gestaltung in „Irmina“ scheint für Yelin ein besonders wichtiges Mittel
der Darstellung gewesen zu sein. Daher ist es für die Lernenden auch von großer
Bedeutung, der Intention der Farbgebung zu begegnen.
Die Lehrperson projiziert verschiedene Schwarz-Weiß-Bilder (die eigentlich bunt
gestaltet wurden) an die Wand und fragt die Schülerinnen und Schüler, was sie sehen.
Zunächst beschreiben sie die Bilder und es fällt ihnen bestimmt auch auf, dass
sämtliche Bilder ohne Farbe dargestellt sind.
Nach einer kurzen Diskussion über die Wirkung solcher farblosen Bilder, leitet die
Lehrperson zur Anwendungsphase über. Dabei arbeiten die Schülerinnen und Schüler
zu zweit zusammen und erhalten eine Doppelseite aus Irmina, die jedoch in schwarz-
weiß abgedruckt wurde. Insgesamt gibt es drei verschiedene Seiten, sodass der
Vergleich anschließend effektiver funktionieren kann. Nun müssen sie gemeinsam
versuchen, sich zu erinnern, welche Farbe Yelin hier verwendet hat und warum. In
weiterer Folge sollen sie darüber diskutieren, welche Informationen verloren geht,
wenn die Farbe weggelassen wird und gleichzeitig, welche Wirkung und Stimmung die
Farbe, die verwendet wurde, erzeugte.
Im Anschluss finden sich die Schülerinnen und Schüler zu sechst zusammen und zwar
immer so, dass jede Doppelseite nur einmal vorkommt. Dann präsentieren die
Zweiergruppen ihre Ergebnisse und diskutieren bei Unklarheiten oder Fragen. Die
148 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016]. 149 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21.
83
Lehrperson sollte sich in dieser Einheit zurückhalten und als Beobachter fungieren, der
nur dann einschreitet, wenn die Lernenden eine kleine Hilfestellung benötigen.
EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde
MP P Visueller Impuls: „Wie wirken solch farblose Bilder auf euch?“
AP 2 Anhang S. 136-141.
„Interpretiert diese Doppelseite aus „Irmina“.
Welche Farben sind im Original verwendet worden?
Welche wichtigen Informationen zur Narration sind verloren gegangen, als
ich die Bilder in schwarz-weiß ausgedruckt habe?
Notiert eure Ergebnisse!“
ES Festhalten der Ergebnisse: „Setzt euch zu sechst zusammen. In jeder
Sechsergruppe sollte jede Doppelseite genau einmal vorkommen und
präsentierte eure Ergebnisse!
Ziel dieser Einheit ist das Auseinandersetzen mit wichtigen Faktoren einer Graphic
Novel – hier der Farbgestaltung. Indem sie mit dem schwarz-weiß-Druck konfrontiert
werden, erkenn sie, dass die Farbe eine bedeutende Rolle in der Interpretation der
Geschehnisse hatte, die nun verloren gegangen ist. Ein weiteres Ziel ist daher ebenfalls
das Interpretieren und Analysieren des Textinhalts.
Diese Aufgabenstellung dient vor allem der Schulung der mündlichen Produktion und
Rezeption, als der Hörverstehenskompetenz sowie der mündlichen Kompetenz. Die
Schülerinnen und Schüler können dabei die Kernaussage ihrer Kolleginnen und
Kollegen identifizieren und verstehen. Zudem sind sie dazu in der Lage, Ergebnisse frei
und adressatengerecht vorzutragen. Hinsichtlich der Interpretationskompetenz ist das
Erfassen und Reflektieren der Textintention sowie das Formulieren von
Interpretationshypothesen notwendig.150
Das Klima in dieser Stunde ist äußerst lernfreundlich gestaltet. Der Inhalt weckt die
Neugierde der Lernenden, die zudem gemeinsam kooperieren und kommunizieren. Sie
150 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016].
84
sind aktiv beteiligt und ihre Gefühle stehen im Vordergrund. Außerdem haben sie
genügend Zeit für die Verarbeitung, sodass sie ohne Druck arbeiten können.151
4.2.6 TEXTANALYSE UND -INTERPRETATION
Da die Interpretation von literarischen Texten auch Teil der Zentralmatura ist, lohnt
sich eine Sequenz, die eine solche vorsieht. Das Besondere an dieser Einheit wird
jedoch sein, dass die Lernenden nicht bloß eine Interpretation der Geschehnisse
liefern, sondern auch auf die Narration und Ästhetik der Graphic Novel eingehen. Dabei
sollen sie in einem durchgängigen Text die Intention des Textes ergründen, um somit
zu „einem möglichst umfassenden Textverständnis“152 zu gelangen.
Die Lehrperson liest aus dem Nachwort aus „Irmina“ eine Textstelle vor und lässt die
Schülerinnen und Schüler zu zweit darüber nachdenken, was Dr. Korb damit gemeint
haben könnte. Die Lernenden verfassen anschließend eine Interpretation, in der sie die
Intention der Autorin in einem durchgängigen Text sowohl inhaltlich als auch formal
wiedergeben. Sie achten dabei also auf die Frage, was Yelin damit ausdrücken wollte –
und zwar sowohl auf der Ebene des Textes als auch des Bildes. Die Ergebnisse der
Analyse verknüpfen sie anschließend geschickt mit der Gesamtinterpretation.
Da es sich hier, wie bereits erwähnt, um eine Textsorte der Zentralmatura handelt,
wird nun im Folgenden erläutert, nach welchen Maßstäben die Textinterpretation zu
bewerten ist. Grundsätzlich teilen sich die Beurteilungskriterien in zwei Bereiche auf:
inhaltliche und textstrukturelle Evaluationspunkte sowie die normative
Sprachrichtigkeit. Erstere meint den Grad der Erfüllung der Arbeitsaufträge sowie das
Einbauen des Inputtextes. Für „Irmina“ würde das bedeuten, dass die Schülerinnen und
Schüler sowohl den Inhalt analysieren als auch die Werkzeuge der Graphic Novel. Eine
klare Strukturierung ist ebenso wichtig wie eine ausreichende Verknüpfung, sodass
sich der Text flüssig lesen lässt. Die normative Sprachrichtigkeit teilt sich in Stil und
Ausdruck und in grammatische und orthographische Richtigkeit und verlangt nahezu
151 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21. 152 Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens (bifie): Textsortenkatalog. URL https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_d_textsortenkatalog_2014-02-19_0.pdf [09.04.2016].
85
fehlerfreie und durchgehend variantenreiche Wortwahl.153 Diese Punkte sind mit den
Lernenden vor dem Verfassen der Hausübung zu besprechen.
Die vom bifie aufgestellten Kriterien zur Bewertung lassen sich ohne Probleme auch
auf diese Interpretation übertragen)154:
Einleitung: Zusammenfassung der Basisinformation des zu interpretierenden
Textes
Nachvollziehbarkeit der Entwicklung des Themas des Inputtextes
(notwendige) Formanalyse [...]
(notwendige) Sprachanalyse
Überprüfung einer (vorgegebenen) Interpretationshypothese
Absicherung oder Hinterfragen der Interpretationshypothese durch die
wiederzugebenden Inhalte und Analyse-Ergebnisse
Erkennen des Symbolgehalts (vor allem bei literarischen Texten)
Kontextualisierung, Intertextualität (soweit es die Aufgabenstellung verlangt)
Verknüpfung der formalen und sprachlichen Analyse mit der
Interpretationshypothese
Wirkung bzw. mögliche Intention des Textes
Gliederung: leserfreundliches Verhältnis der Explikation einzelner Aspekte und
Verschränkung mit dem Ganztext
Ausdruck: eigenständiges, vom Text gelöstes Vokabular
Einsatz von Fachtermini
korrekte direkte und indirekte Wiedergabe von Textteilen (Zitieren)
Keine dieser Kriterien schließt das Interpretieren einer Graphic Novel aus, da
sämtliche Punkte auch bei „Irmina“ anwendbar sind.
Im Makromodell von Abraham und Kepser befinden wir uns auf der Ebene „Nach der
Textrezeption“ unter dem Punkt „Re-Produzieren“.
EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde
MP 2 Anhang S. 142.
153 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens (bifie): URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_us_beurteilungsraster_2014-11-14.pdf [15.04.2016]. 154 ebd.
86
AP und
HÜ
E „Verfasst eine Textinterpretation! Zu diesem Zweck sollt ihr die
Intention der Autorin in einem durchgängigen Text wiedergeben.
Achtet dabei sowohl auf formale als auch auf inhaltliche Kriterien.
Verwendet die Fachtermini, die ihr bereits kennengelernt habt und
arbeitet intensiv mit dem Text – zitiert also auch, falls es notwendig ist.
Achtet bei der Analyse und der Interpretation sowohl auf die Ebene des
Textes als auch des Bildes und erstellt dann eure
Interpretationshypothesen, die ihr mit eurer formalen und
sprachlichen Analyse geschickt verknüpft!“
ES Rückgabe der Interpretation: Da die Textinterpretation Teil der
Zentralmatura ist, erscheint es sinnvoll, diesen Arbeitsauftrag zu
korrigieren.
Für die Textinterpretation werden spezifische Kompetenzen überprüft, die vom bifie
genau formuliert werden. So bedarf es zunächst spezifischen „Sach- und
Fachkompetenzen“, d.h. die Lernenden müssen den Inhalt des Ausgangstextes
verstehen. Darüber hinaus brauchen sie die Kompetenzen, die sie dazu befähigen, den
Ausgangstext zu erfassen, also Lesen, Textverstehen, Analyse und Interpretation.
Zudem benötigen die Schülerinnen und Schüler sprachreflexive Kompetenzen, um den
Text adäquat analysieren zu können und schließlich werden die Fähigkeiten überprüft,
die für das Verfassen eines Textes notwendig sind, also Schreib- und
Textkompetenzen.155
155 vgl. Kompetenzorientierte, teilzentrale schriftliche Reifeprüfung im Unterrichtsgegenstand Deutsch an AHS. Erstellt am 04.2010. URL: http://www.uni-klu.ac.at/deutschdidaktik/downloads/Informationspapier.pdf [17.04.2016] S. 5.
87
4.3 Der Traum von Olympia
Die Graphic Novel „Der Traum von Olympia“ von Reinhard Kleist stammt aus dem Jahre
2015 und handelt von der Olympionikin Samia Yusuf Omar aus Somalia, die 2012 auf
der gefährlichen Überfahrt von Libyen nach Malta im Mittelmeer ertrank.
Samia Yusuf ist in Peking bei den Olympischen Sommerspielen und vertritt ihr Heimat-
land Somalia im 200-Meter-Lauf. Ihre Familie sitzt stundenlang gebannt vor dem
Fernseher, nur um sie beim Laufen sehen zu können. Obwohl Samia Yusuf sehr
eindeutig verliert, ist ihre Familie dennoch stolz, allen voran ihre Mutter. Als die
Rennläuferin wenig später wieder auf dem Weg nach Hause ist, wird sie freudig von
ihrer Mutter begrüßt und gemeinsam fahren sie in ihr Heimatdorf. Dort beginnt rasch
wieder der Alltag für Samia, die ihrer Familie stets unter die Arme greift, vor allem seit
ihre Schwester Hodan in Europa ist, um mehr Geld zu verdienen. Somit kann sie nur
wenig Zeit für das Training aufbringen, was ihr missfällt, da sie plant, bei den
Olympischen Sommerspielen in London anzutreten. Als sie sich ein lustiges
Wettrennen mit einem kleinen Nachbarsmädchen liefert, werden die beiden von der
Al-Shabaab, der Terrormiliz in Somalia aufgehalten und zurechtgewiesen, da es sich als
Frau nicht gehöre, zu rennen. Auch ihr Vater ist dieser Gruppierung bereits zum Opfer
gefallen, da er ihnen als gemäßigter Moslem bereits längere Zeit ein Dorn im Auge
gewesen ist. Etwas verängstigt kommt Samia schließlich auf der Laufbahn an, wo sie
freudig von ihrem Trainer empfangen wird. Sie versucht hier mit allen Mitteln, ihre Zeit
zu verbessern, was jedoch nur mäßig gelingt, da die Strecke in einem verheerenden
Zustand ist und sie somit nicht optimal trainieren kann. Samia begibt sich des Öfteren
in ein Internetcafé, damit sie ihren Freunden und Fans via Facebook von ihrem Leben
und ihrem Trainingsfortschritt berichten kann. Die Miliz lässt Samia niemals aus den
Augen, bedroht sie sogar über das Telefon, was ihr große Angst und Sorge bereitet.
Dennoch läuft sie fleißig weiter und erzählt auch ihrem Trainer von ihren Plänen für
London, der sie jedoch darauf hinweist, dass sie in Mogadischu niemals die optimale
Vorbereitung bekommen kann und sie besser nach Äthiopien gehen soll. Sie
unterbreitet diesen Plan ihrer Mutter, die zwar verärgert ist, aber einsieht, dass es der
Traum ihrer Tochter ist, Profisportlerin zu sein. In Addis Abeba will sie dem Trainer
dort sogleich von ihren Fertigkeiten überzeugen, der zwar ihre Leistung anerkennt, sie
aber als Frau nicht ausbilden möchte und ihr empfiehlt, nach Dschibuti zu gehen. Da zu
allem Übel auch ihre Papiere ungültig sind, entschließen sich Samia und ihre Tante
88
Mariam aus Äthiopien nach Europa zu fliehen. Sie bezahlen dubiose Menschenhändler
für die gefährliche Reise und besteigen kurze Zeit später einen Bus, der das Land
verlassen soll. Als sie an der äthiopische Grenze ohne Papiere aufgegriffen werden,
kann Samia fliehen, ihre Tante wird festgehalten und wieder zurückgebracht. Nach
einer langen und beschwerlichen Reise erreicht sie schließlich ihr Ziel Libyen. Doch da
auch dort bereits ein Krieg herrscht, ist sie auch hier nicht in Sicherheit. Samia muss
ihre Schwester bitten, ihr Lösegeld zu schicken, andernfalls würde sie ihre Reise nicht
fortsetzen können. Schließlich ist sie in Tripolis angekommen, wo sie in ein
Flüchtlingscamp der UNHCR einquartiert wird und zu ihrer Überraschung und
Erleichterung ihre Tante Mariam wiedertrifft. Schließlich besteigen sie gemeinsam ein
Schlauchboot, das sie nach Malta bringen soll. Da jedoch der Benzintank reißt und sie
sich somit nicht vom Fleck bewegen, ertrinkt Samia im Mittelmeer.
Kleist greift mit dieser Graphic Novel die wahre Geschichte der Olympionikin Samia
Yusuf Omar auf, die tragischerweise während eines Fluchtversuchs im Mittelmeer
ertrank. Er porträtiert hierbei jedoch nicht eine „überlebensgroße Heldenfigur“156, die
stets tapfer voranschreitet, sondern erzählt von einem normalen Mädchen, das sich
eine internationale Sportkarriere herbeisehnt und für ihren Traum viel riskiert. Die
Graphic Novel schildert Samias Kampf ohne übertriebenen Gefühlsausdruck, wodurch
ihre Geschichte lebensechter wirkt und die Empathie des Leser-Betrachters verstärkt
wird. Kleist versucht, mit dieser Geschichte nicht nur Samias Einzelschicksal zu
fokussieren, sondern auch den Blick zu öffnen für alle Menschen, die beinahe täglich
im Mittelmeer ertrinken, weil sie die gefährliche Überfahrt in Kauf nehmen, um ein
besseres Leben führen zu können. Er hebt Samia hervor, eine durchaus berühmte
Persönlichkeit, doch selbst ihr gelingt es nicht, auf die „sichere“ Seite zu gelangen. Eine
möglicherweise viel versprechende Sportlerin ertrinkt, weil sie ihren Traum
verwirklichen wollte. Dadurch, dass er diesen tragischen Vorfällen ein Gesicht gibt, holt
er alle Opfer aus der Anonymität und gibt den Europäern und Europäerinnen ein
Gesicht, dass sie sich einprägen können.
Beachtenswert ist außerdem, wie die Graphic Novel strukturiert ist. Kleist
rekonstruiert Samias Facebook-Postings und strukturiert damit die gesamte
156 Elias Bierdel: Nachwort. In: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 144.
89
Geschichte. Es wirkt, als würde er damit bewusst in den Hintergrund treten wollen und
Samia selbst erzählen lassen, was mir ihr geschah.
Die Geschichte Samias wurde von Reinhard Kleist als Graphic Novel realisiert. Deshalb
soll im Folgenden nun die Narration und Ästhetik, mit der er gearbeitet hat, erläutert
werden. Beginnt man mit dem Zeichenstil und der Farbe, so fällt ins Auge, dass die
Graphic Novel zwar ein buntes Cover verwendet, ansonsten aber die Geschichte in
Schwarz-Weiß darstellt.
Kleist arbeitet vermehrt mit
Grautönen. In dieser Panelsequenz
dient die graue Farbe zur Darstellung
einer Erinnerung, in der die
Gesichter verschwommen gezeigt
werden.
Abb. 53: Olympia, S. 78.
Der Stil Kleists in diesem Werk ähnelt (anders als bei Yelin) sehr seinen früheren
Werken, wie z.B. „Der Boxer“. In diesem Zusammenhang verwendet Kleist zwar stets
eine Art des Zeichnens, die ihn erkennbar macht und daher nicht in großem Ausmaß
abändert, der er jedoch häufig eigene Variationen beifügt, um eine gewisse Stimmung,
eine Wirkung oder eine Intention zu erzeugen. Durch eben diesen realistischen Stil
erfährt der Leser-Betrachter sehr genau, wie es Samia ergangen ist und wie sie gefühlt
haben muss.
90
Diese Panelsequenz zeigt Samia in Gefangenschaft der
Erpresser, die sie erst nach der Zahlung des Lösegelds
freilassen wollen. Die Finsternis des Raums und die
Angst und Verzweiflung Samias wird gezeigt, die sich
buchstäblich und metaphorisch an das letzte Licht
klammert und die Hoffnung dennoch bereits ein
stückweit aufgegeben hat.
Abb. 54: Olympia, S. 98.
Auch beachtenswert erscheint, wie Kleist in seinem Werk Bewegung erzeugt. So finden
wir zunächst sowohl Momentschnitte als auch Posen, die zumeist wichtige Informa-
tionen zur Narration liefern. Die Pose in dem Panel darunter (Abb.55) erzeugt auf den
Leser-Betrachter eine besondere Wirkung, da durch diese Darstellung der Bewegung
die Länge und Beschwerlichkeit der Reise besonders hervorgehoben wird. Den
Moment-schnitt verwendet Kleist sehr häufig, um Brutalität zum Ausdruck zu bringen,
die diese Form der Bewegungsdarstellung unterstreicht. Wenn ein Mitreisender mit
dem Maschinengewehr geschlagen wird (Abb. 56), verstärkt der Momentschnitt die
Brutalität, wobei die Raumgestaltung den Leser-Betrachter involviert.
Abb. 55: Olympia, S. 67. Abb. 56: Olympia, S. 93.
Während die Bewegung zwischen den Panels wenig spezielle Informationen zur
Narration liefert, werden häufig Bewegungslinien, die Aufschluss über die Intention
91
des Autors bieten, eingesetzt. Solange Samia glücklich und zufrieden ist, sind ihre
Bewegungen ohne Linien dargestellt und erheben somit den Eindruck völliger
Normalität und Ruhe. Wenn sie sich jedoch in Gefahr befindet oder Angst hat,
verwendet Kleist Bewegungslinien, um damit zu unterstreichen, dass die Bewegung
nun nicht länger harmlos und gewöhnlich ist. Wie in den Abbildungen (57-60)
darunter zu sehen ist, unterstreichen die Linien die Angst Samias und die Gefahr, in der
sie sich befindet. In der letzten Abbildung sieht man die Protagonistin, der vor lauter
Furcht der Schweiß vom Gesicht fliegt. Das Wasser spritzt dabei in alle Richtungen und
verstärkt somit das Gefühl der Gefahr und des Unbehagens.
Abb. 57: Olympia, S. 128.
Abb. 58: Olympia, S. 97.
Abb. 59: Olympia, S. 88 Abb. 60: Olympia, S. 35.
Hinsichtlich des Seitenlayouts lässt sich festhalten, dass Kleist (ebenso wie Yelin) auf
eine rhetorische Darstellung zurückgreift, in der die Sequenz dominiert und das
Gesamtlayout zur Narration beiträgt.
92
Auf dieser Seite ist eine klassische
Realisierung der rhetorischen Darstellung zu
finden. Die erste Reihe wirkt auf den Leser-
Betrachter durch die Wiederholung sehr
lange, durch die Verkleinerung wird dieser
Effekt zusätzlich verstärkt, denn da die
beiden Panels rechts auf die gleiche Größe
minimiert wurden, zeigt Kleist die schier
unendlich wirkende Reise Samias. Das Panel
in der Mitte sticht beim Lesen-Betrachten
sofort ins Auge. Ohne Panelrahmen wird der
Inhalt größer und bedeutender, auch die
Tatsache, dass der eigentliche Rand der Seite
überschritten wird, wirkt, als wäre dieses
Bild eigentlich viel größer und nur durch die Panels
oben und unten begrenzt. Die Panels der letzten Reihe
sind form-technisch mit denen der ersten Reihe ident. Auch verwendet Kleist hier
sowohl für das Auto als auch für Samia dieselbe Perspektive. Zunächst wird die Sicht
auf die Front geboten, dann weiter weg auf die Hinterseite und das letzte Bild, sowohl
oben als auch unten, zeigt die Situation bereits aus einer gewissen Distanz, ebenfalls
mit Blickrichtung auf die Kehrseite. Die Panels der letzten Reihe wirken zudem
ebenfalls langwierig und so, als hätte Irmina große Mühe, sich zurechtzufinden. Sie
scheint für einen größeren Zeitraum planlos umherzuirren und wie auf den Panels der
ersten Reihe, scheint kein Ziel in Sichtweite zu sein.
In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll, einen Blick auf das Panel und dessen
Rahmen zu legen. Am häufigsten finden wir die klassische Panelform und den ihn
umgebenden Rahmen (siehe Abb. 62) Nicht alle Panels jedoch verfügen über eine Ein-
grenzung, die dadurch während des Lesen-Betrachtens ins Auge stechen und wichtiger
erscheinen, als die „gewöhnliche“ Form. In Abbildung 63 verfasst Samia einen Eintrag
auf Facebook, der sich über mehrere Panels erstreckt. Das Panel, das dabei aus der
Reihe tanzt, ist das mittlere, welches nicht begrenzt ist und somit auf den Leser-
Betrachter wirkt, als hätte Samia diese Situation am besten in Erinnerung behalten.
Eine dritte Form der Paneldarstellung findet sich immer dann, wenn sich eine Figur in
Abb. 61: Olympia, S. 71.
93
der Graphic Novel an Vergangenes erinnert. Die Abbildung unten rechts (64), zeigt die
Geschichte eines Mitreisenden, der erzählt, wie er hierherkam und dass er bereits öfter
versucht hat, nach Europa zu fliehen. Dabei haben die Panels keinen Rahmen und der
Panelrand wirkt verschwommen, wodurch der Eindruck einer Erinnerung verstärkt
wird.
Abb. 62: Olympia, S. 31.
Abb. 63: Olympia, S. 39
Abb. 64: Olympia, S. 80.
Die Darstellung des Raums in „Der Traum von Olympia“ ist ebenso ein zentraler Faktor.
Am häufigsten stößt man beim Lesen-Betrachten auf die klassische Einfluchtpunkt-
Perspektive, die sich als gut geeignet erweist, um realistische Begebenheiten adäquat
darzustellen. (vgl. Abb. 62).
94
Diese Seite zeigt die von Kleist häufig verwendete
Dynamisierung durch raumorientierte Aktions-
sequenzen. Dabei wird dieselbe Situation aus
verschiedenen Perspektiven dargestellt, wodurch
es ihm gelingt, die Dauer einer Handlung zum
Ausdruck zu bringen.
Abb. 65: Olympia, S.60.
Neben der Perspektive, ist es ebenfalls notwendig, einen Blick auf die Differenziertheit
der Wahrnehmung zu werfen, also zu untersuchen, ob Kleist eher raum- oder eher
körperzentriert gearbeitet hat. Grundsätzlich findet man häufiger die körperzentrierte
Darstellung, was darauf hindeutet, dass Kleist Samia in den Vordergrund rücken wollte
und nicht ihre Umgebung. Zumeist also ist der Blick des Leser-Betrachters ganz auf die
Figuren der Graphic Novel fixiert, wie die Beispiele darunter veranschaulichen (Abb.
66 und 67). In jedem dieser Beispiele ist kaum ein Raum wahrnehmbar, der Fokus liegt
beinahe vollständig auf den agierenden Personen.
Abb. 67: Olympia, S. 44.
Abb. 66: Olympia, S.25.
95
Die Raumzentrierung wird von Kleist vor
allem dann verwendet, wenn er auf die
Dauer der Reise aufmerksam machen will.
Wie in dem Beispiel darunter ersichtlich,
ist Samia sehr lange in diesem
gefängnisartigen Raum eingesperrt. Dies
wird erkennbar durch die Sonnenstrahlen
auf der Türe, deren Wanderung man genau
nachgehen kann. Auch werden die
einzelnen Panels stetig kleiner, wodurch
ebenfalls die lange Dauer dieser Sequenz
unterstrichen wird. Diese Beobachtung
wird vollkommen ohne einen menschlichen Körper dargestellt, weswegen hier von
Raumzentrierung gesprochen werden kann.
Eine Annäherung des Körpers an den Raum ist immer dann gegeben, wenn große
Menschenansammlungen zugegen sind. In diesen Sequenzen ist ein einzelner Körper
nicht mehr ganz ausmachbar und langsam verschwimmen diese zu einem
vollständigen Bild, das panelfüllend ist und somit mehr einen Raum darstellt, als einen
Körper (Abb. 69 und 70).
Abb. 69: Olympia, S. 64.
Abb. 70: Olympia, S. 69.
Auch die Beziehung, die Kleist zwischen dem Bild und dem Text herstellt, ist
beachtenswert. Betrachtet man in diesem Zusammenhang die semiotische Konvergenz
einer Graphic Novel, so fällt auf, dass Kleist Onomatopoetika nicht in demselben
Ausmaß verwendet, wie Yelin in „Irmina“. Die folgende Abbildung zeigt Samia auf
Abb. 68: Olympia, S. 99.
96
einem der Schlauchboote, die für den Transport über das teilweise raue Mittelmeer
vollkommen ungeeignet sind. Der Motor des Bootes ist unglaublich laut und
durchdringt jedes andere Geräusch vollkommen. Niemand unterhält sich und somit ist
auf den Weiten des Meeres nur das „Brooo“ des Motors zu hören. Als ein Reisender es
plötzlich nicht länger aushält, entsteht ein Gerangel und der Tank nimmt Schaden,
sodass die Menschen nun hilflos auf dem Boot herumtreiben. Das charakteristische
„soundword“ bleibt aus und lässt die hilflosen Menschen alleine in der Finsternis (Abb.
71-74).
Abb. 71: Olympia, S. 122. Abb. 72: Olympia, S. 123.
97
Abb. 73: Olympia, S. 124. Abb. 74: Olympia, S. 129.
Betrachtet man demnach die von Kaindl genannten Möglichkeiten der Bild-Text-
Beziehung, so fällt auch in diesem Werk auf, dass Kleist die Beziehung zwischen Text
und Bild je nach Intention anders gestaltet hat.
Ein visuell-verbaler Widerspruch ist in
diesem Panel dargestellt. Hier wird das gute
Verhältnis zwischen Samia und ihrem Vater
beschrieben, der seine Tochter hier
eigentlich für ihre Faulheit bestrafen
müsste, es aber nicht tut. Während also der
Text weismachen will, Samia würde gerade
Prügel beziehen, liefert das Bild den
Schwindel, den sie der Mutter gerade
auftischen.
Abb. 75: Olympia, S. 30.
98
Visuell-verbale Fokussierung ist in diesem
Panel zu sehen, als Samia via Facebook
beschreibt, was sie alles einpackt und wo sie ihr
Geld versteckt. Der Text liefert dabei die
Information, was alles in ihre Tasche kommt
und die Bilder veranschaulichen diese
Aufzählung. Es wirkt, als würde Samia auf
nichts vergessen wollen, weswegen sie alles vor
sich ausbreitet, um sicher zu gehen, dass sie
nichts Wichtiges zurücklässt.
Abb. 76: Olympia, S. 59.
Wenn Samia läuft, kann sie ihren Gedanken freien
Lauf lassen und alles vergessen, was sie bedrückt.
Während bildlich gezeigt wird, wie Samia ihren
Lauf absolviert, wird mit dem verbalen Code
wiedergegeben, worüber sie sich Sorgen macht
und warum sie diese gerne „wegläuft“. Diese
Panelsequenz zeigt demnach eine visuell-verbale
Ergänzung.
Visuell-verbale Parallelität liegt in
diesem Panel vor. Samia liegt auf einer
Matratze im Flüchtlingscamp und wirkt
niedergeschlagen. Doch ihre Gedanken
verraten, dass sie noch immer nur an
die nächsten Olympischen Spiele denkt
und daran, dass sie mehr essen müsste,
um mitzulaufen.
Abb. 78: Olympia, S. 109.
Abb. 77: Olympia, S. 33.
99
Kleist nutzt auch die Möglichkeit, nur mit
Bildern zu erzählen. So verzichtet er häufig auf
Text, als sich Samia auf der gefährlichen Reise
befindet und es keinerlei Worte bedarf, um ihre
Verzweiflung aber auch ihren Mut zu
beschreiben. Er lässt die Bilder die Situation
erklären, denn verbale Informationen würden
hier bei der empathischen Einfühlung stören.
Abb. 79: Olympia, S. 82.
Neben diesen recht kurzen
Sequenzen der wortlosen Darstell-
ung, ist besonders die Art und
Weise, wie er den Text in das Bild
integriert maßgebend. Einerseits
sind die klassischen Sprechblasen
zu finden, deren Dorn zu der Person
führt, die gerade spricht,
andererseits ist es vor allem die Verwendung der
Textbox, die genauerer Untersuchung bedarf. Durch das
autodiegetische Erzählen, lässt uns Kleist via Samias Profil bei Facebook an ihrem
Leben und ihrer Reise teilhaben. Hier gilt zu erwähnen, dass Kleist diese Einträge
größtenteils rekonstruierte, da diese nach Samias Tod gelöscht wurden, dennoch ist es
die Protagonistin, die uns die einzelnen Sequenzen erklärt. Ihre Facebook-Einträge
erstrecken sich häufig über mehrere Seiten und unterstützen dabei den Leser-
Betrachter beim Verstehen und Interpretieren (siehe auch Abb. 81).
Abb. 80: Olympia, S. 29.
100
Abb. 81: Olympia, S. 102.
4.3.1 VORENTLASTUNGSPROJEKT
Diese Einheit eignet sich gut für den Einstieg in diese Graphic Novel. Nachdem die
wichtigsten Werkzeuge und Farbgestaltung behandelt wurden, stellt sich die Frage
nach der aktuellen Flüchtlingssituation, bei der man davon ausgehen kann, dass die
Schülerinnen und Schüler über recht unterschiedliche Wissensstände verfügen. Daher
erscheint eine gewisse Vorentlastung notwendig.
Die Lehrperson schreibt das Wort „Flucht“ an die Tafel und bittet die Lernenden
herauszukommen und Wörter, die sie damit assoziieren, hinzuzufügen. Gemeinsam
bespricht der Lehrende mit den Heranwachsenden die Wörter und macht darauf
aufmerksam, dass viele Begriffe von den Menschen dieses Landes gar nicht gekannt
werden und dass es deshalb notwendig ist, die Schülerinnen und Schüler zu Experten
zu machen.
Die Lernenden werden in vier Gruppen aufgeteilt und erhalten einen eigenen Arbeits-
auftrag. Die Ergebnisse präsentieren sie im Anschluss auf Plakaten, wobei diese
während der gesamten Auseinandersetzung mit dieser Graphic Novel auf den Wänden
bleiben sollten, damit man stets darauf zurückgreifen kann.
Laut dem Makromodell von Abraham und Kepser ist diese Einheit bei „Vor der
Textrezeption“ unter „Erschließen“ einzuordnen.
101
EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde
MP P Impuls: „Was assoziiert ihr mit diesem Wort? Welche Begriffe fallen
euch ein, wenn ihr darüber nachdenkt? Kommt raus und schreibt sie
auf die Tafel!“
ES P „Was bedeuten all diese Begriffe? Wie verläuft wohl ein
Asylverfahren? Wer ist Asylwerber, wer Asylant? Wovon fliehen
diese Menschen denn genau?“
„Am besten ist es, wenn ihr euch selbst zu Experten macht, was dieses
Thema betrifft!“
Erarb.P 3
(4)
Anhang S. 143. „Arbeitet in Gruppen zusammen und erledigt den
Arbeitsauftrag. Geht auf alle Punkte genau ein und macht euch zu
Experten! Gestaltet ein Plakat, auf dem ihr die wichtigsten Ergebnisse
eures Themas festhaltet!“
ES P Präsentieren der Ergebnisse: Galerie157
Das Ziel dieser Einheit ist das Sensibilisieren der Schülerinnen und Schüler für dieses
sehr heikle Thema. Außerdem erleichtert es die spätere Auseinandersetzung mit der
Graphic Novel, da die Schülerinnen und Schüler genau verstehen, warum das alles
geschieht.
Da der Hauptaspekt dieser Aufgabenstellung auf dem Präsentieren der Ergebnisse
liegt, lohnt sich ein Blick auf die Fähigkeiten, die dafür benötigt werden. Für das freie
Sprechen im Unterricht hat das bifie die Präsentationskompetenz in mehrere
Einzelschritte zergliedert, die man sowohl als Lehrender als auch als Lernender
beachten muss. Zu-nächst müssen sämtliche Anforderungen an die Präsentation
geklärt werden (Zeit-vorgabe, Art der Präsentation, Medieneinsatz, Quellen). Des
Weiteren muss das Thema festgelegt und von allen Beteiligten verstanden werden. Die
Lernenden sollen genau verstehen, was zu tun ist und was nicht. Die Lehrperson hat
für Rechercheorte zu sorgen und die Lernenden beim Aufbau zu unterstützen. Zu guter
Letzt sollen die Lernenden genau überlegen, wie sie ihr Plakat, das während der
gesamten Lektüre hängen bleibt, gestalten wollen.
157 Reich, K. (Hg.): Methodenpool. In: URL: http://methodenpool.uni-koeln.de [02.06.2016].
102
Für das anschließende Präsentieren sollte darauf Wert gelegt werden, dass das
Präsentieren nicht zum Selbstzweck wird, sondern stets eine Aufbereitung von
Inhalten für die Lernenden darstellt, idealerweise im Team.158
Dass gesellschaftspolitische Themen, die auch mitunter Gewalt beinhalten, in der
Schule thematisiert werden, ist für Kesser und Strohmeier äußerst sinnvoll. Denn
wenn die Schülerinnen und Schüler besser Bescheid wissen, nimmt es ihnen die Angst
und sie lernen angemessen damit umzugehen und offen darüber zu reden. Durch die
Sensibilisierung wird die Wahrnehmung geschult und die Lernenden werden sozial
kompetenter.159
4.3.2 SZENISCHE DARSTELLUNG
Diese Sequenz eignet sich gut als Einheit für die Aufarbeitung „während der
Textrezeption“ und befindet sich unter „spielen“. Zunächst zeigt die Lehrperson zwei
Videos und fragt die Lernenden, was sie gerade gesehen haben. Da die Serie (The
Walking Dead) mittlerweile sehr bekannt ist, wird sie bestimmt erkannt werden. Der
Lehrende macht dann darauf aufmerksam, dass das zwei Arten sind, die Geschehnisse
darzustellen und leitet damit zum Arbeitsauftrag über. Hierbei suchen sich die
Lernenden, in Gruppen aufgeteilt (zu dritt oder zu viert), eine Szene aus der Graphic
Novel aus, die sie bereits gelesen haben und stellen diese szenisch dar. In diesem
Zusammenhang müssen sie sowohl als Regisseure und Schauspielende agieren, d.h. sie
schreiben das Drehbuch und spielen im Anschluss den Mitschülerinnen und
Mitschülern ihre Aufarbeitung vor. Auch für Requisiten sollen sie sorgen, damit die
Szene so überzeugend wie möglich dargestellt werden kann. Ihrer Fantasie ist keine
Grenzen gesetzt: Sie können die Szene als „Stummfilm“ präsentieren, mit Handpuppen
(etc.), ganz wie sie sich am wohlsten fühlen. Da die Vorbereitung bestimmt etwas Zeit
in Anspruch nehmen wird, empfiehlt es sich, für diese Sequenz mindestens zwei
Einheiten einzuplanen.
Diese Aufgabenstellung soll den Schülerinnen und Schülern dabei helfen, das bereits
Gelesene zu reflektieren und spielerisch einen neuen Zugang zu finden. Diese Form der
158 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens (bifie): Praxishandbuch für „Deutsch“ 5.-8. Schulstufe. Bd. 2. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/bist_d_praxishandbuch_d8_2_2011-11-11.pdf [06.04.2016]. 159 vgl. Doris Kesser; Dagmar Strohmeier: Gewaltprävention an Schulen. Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. URL: http://www.oezeps.at/wp-content/uploads/2011/07/Onlineversion_Gewaltpraevention.pdf [06.04.2016]. S. 58.
103
Auseinandersetzung begünstigt zudem anschließende Interpretationen, Analysen u.Ä.
Zudem wird die Kreativität der Lernenden gefördert, denn sie dürfen frei und auf ihre
spezielle Art eine Textstelle präsentieren.
EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde
MP P Impuls: https://www.youtube.com/watch?v=3kmz4Z-P-Bw https://www.youtube.com/watch?v=HYunfCZr2e8
„Was habt ihr hier gesehen? Worin unterscheiden sich diese beiden
Videos?“
ErarbP 3
(4)
„Findet euch in Gruppen zu drei (bzw. 4) Personen zusammen und
wählt eine Szene aus „Der Traum von Olympia“ aus, die ihr gerne
szenisch darstellen möchtet. Seid Regisseure und Schauspielende und
verfasst ein Drehbuch. Da die Ergebnisse erst in der nächsten Einheit
präsentiert werden, könnt ihr auch Requisiten besorgen. Eurer
Phantasie ist keine Grenzen gesetzt – stellt die Szene so dar, wie ihr
möchtet!“
ES P Darstellen: Präsentieren der Ergebnisse, die Lehrperson filmt die
einzelnen Darstellungen.
Durch diesen dramapädagogischen Zugang bekommen die Schülerinnen und Schüler
die Möglichkeit aus der Passivität herauszutreten und selbstständig zu handeln. Weil
viele Kompetenzen der Lernenden gleichzeitig gefördert werden, kann durchaus von
ganzheitlichem Lernen gesprochen werden. Das Kreative wird mit dem Lerninhalt
verbunden und dadurch wird die Motivation der Heranwachsenden gestärkt.
Hinzugefügt werden kann hier ebenfalls, dass auch viele soft skills trainiert werden,
also soziale Schlüsselqualifikationen.160
Salner-Gridlings Aspekte erfolgreichen Lernens findet hier ebenfalls Bestätigung, da
die Schülerinnen und Schüler gemeinsam kooperieren und zusammen etwas schaffen.
Ihre Gefühle sind gefordert und sie können aktiv teilnehmen. Auch ein gewisser
160 Yvonne Monyer: Dramapädagogik im Fremdsprachenunterricht. Lernen durch Spielen. URL: http://www.theaterwerkstatt-heidelberg.de/uploadverzeichnisse/downloads/AA_Y_MonyerTP10-2.pdf [07.04.2016].
104
Freiheits-grad wird ihnen gewährt, da sie selbst entscheiden können, welche Szene sie
wie darstellen möchten.161
4.3.3 PERSPEKTIVENWECHSEL
Da „Der Traum von Olympia“ die Biografie Samias ist, werden die Geschehnisse aus
ihrer Perspektive geschildert. Interessant wäre es jedoch, die Sichtweise von jemand
anderen zu hören – nämlich von Samias Mutter. Die Lehrperson beginnt diese Einheit,
indem sie ein Bild auf die Wand projiziert und die Schülerinnen und Schüler dazu
auffordert, zu beschreiben, was sie sehen. Nach einer Diskussion über „Sichtweisen“
und „Perspektiven“ leitet der Lehrende zum nächsten Arbeitsauftrag über. Zu diesem
Zweck sollen die Schülerinnen und Schüler sich in die Lage der Mutter versetzten und
die Geschehnisse aus ihrer Sicht schildern. Dabei sollen sie sich einerseits an der
Graphic Novel orientieren und andererseits rekonstruieren, da ab einem gewissen
Zeitpunkt die Mutter nicht mehr vorkommt. Die Ergebnisse werden in Vierergruppen
vorgetragen und verglichen. Einerseits kann diese Aufgabenstellung im Makromodell
bei „Während der Textrezeption“ angesiedelt werden, sie kann aber auch erst „Nach
der Textrezeption“ bei „Verändern“ absolviert werden.
Das Ziel dieser Einheit ist das Hineintauchen in die Lektüre. Da die Schülerinnen und
Schüler eine andere Perspektive übernehmen müssen, gelingt ihnen ein globaleres
Verständnis des Inhalts. Zudem erreichen sie eine umfassendere Empathie, wenn sie
erkennen, dass nicht nur Samia stirbt, sondern auch andere unter diesem Verlust
leiden. Zugleich werden die Geschehnisse zusammengefasst, wodurch man sich das
Gelesene erneut vor Augen führen kann.
EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde
MP P Visueller Impuls: Anhang S. 144.
„Was seht ihr auf diesem Bild?“
AP E „Versetzt euch in Samias Mutter. Verfasst die Geschichte Samias neu, indem
ihr sie aus der Perspektive der Mutter erzählt. Das meiste werdet ihr aus
der Graphic Novel erfahren, das Ende hingegen müsst ihr selbst
rekonstruieren.
161 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21.
105
Wie hat sich Samias Mutter gefühlt, als sie vom Tod ihrer Tochter erfuhr?
Wie geht es ihr heute? Wie meistert sie ihr Leben ohne die Hilfe ihrer
Töchter und ihres Ehemannes?“
ES 4 Vergleichen der Ergebnisse: „Setzt euch zu viert zusammen und lest euch
eure Ergebnisse vor. Könnt ihr Gemeinsamkeiten entdecken? Ist die
Perspektive der Mutter jedes Mal eine andere?“
Auch in dieser Einheit werden verschiedene Kompetenzbereiche abgedeckt. Damit sie
diesen Arbeitsauftrag absolvieren können, müssen die Lernenden den Text
sinnerfassend gelesen und die Kernaussagen identifiziert haben. Zudem steht die
schriftliche Kompetenz im Vordergrund. Die Schülerinnen und Schüler müssen dazu in
der Lage sein, den Text adressatenorientiert zu verfassen, d.h. sie müssen Textaufbau
und sprachliche Mittel so wählen, dass der Text sowohl adressaten- als auch
situationsangemessen ist. Darüber hinaus müssen sie verschiedene Textualitäts-
kriterien, wie Kohärenz, Kohäsion, Informativität und Intertextualität beachten.
Ebenso sollen sie ihren Stil und Ausdruck der Textsorte angemessen verwenden und
den Text formal richtig gestalten. Auch die Interpretationskompetenz wird in dieser
Einheit trainiert. Die Lernenden müssen Interpretationshypothesen formulieren und
in einem die Textvorlage überschreitenden Kontext begründen.162
Laut Salner-Gridlings herrscht hier eine optimale Voraussetzung für erfolgreiches
Lernen, da die Atmosphäre entspannt ist, die Neugier der Lernenden geweckt ist und
sie zudem genügend Zeit für die Verarbeitung zur Verfügung haben. Durch den
anschließenden Vergleich und das Zusammenführen der Ergebnisse haben sie das
Gefühl, dass sie von den anderen wahrgenommen und akzeptiert werden.163
4.3.4 DAS INTERVIEW
Diese Unterrichtseinheit soll die Lernenden auf die Schicksale der Menschen im
Mittelmeer aufmerksam machen. Als Impuls erhalten die Lernenden ein Interview das
sie zu zweit lesen und analysieren. Die Heranwachsenden notieren sich ihre Ergebnisse
162 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016]. 163 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21.
106
und diese werden dann in Vierergruppen verglichen. Im Anschluss leitet die
Lehrperson zur Erarbeitungsphase über.
Dazu führen die Schülerinnen und Schüler zu zweit ein Interview, bei dem einer die
Fragen stellt und der andere antwortet. Der Interviewer arbeitet hierbei für eine
österreichische Tageszeitung und befragt zu diesem Zweck Asylwerberinnen und
Asylwerber, die in Österreich leben und über das Mittelmeer zu uns gekommen sind.
Die Reise, die dieser Mensch auf sich genommen hat, verlief zu einem Teil gemeinsam
mit Samia, worauf die Lernenden ebenfalls Bezug nehmen sollen. Die Fragen können
im Grunde frei gestellt werden, sie sollen sich aber auf das bisherig Erlebte des/der
Geflohenen beziehen. Die Fragen können sich auf die Herkunft und das Leben im
Heimatland beziehen, auf die Flucht oder auf die Ankunft in Europa. Wo der Interview-
ende auf Samia traf, wird ebenfalls den Lernenden überlassen. Da dies ein sehr emotio-
naler Zugang zu diesem Thema ist, empfiehlt es sich, keine großen Vorgaben bezüglich
der Länge zu geben, da der Prozess nur dann abgeschlossen ist, wenn die Lernenden
keine Fragen mehr haben und nicht dann, wenn die Minimumvorgabe erreicht ist.
Die Lernenden sollen in dieser Sequenz darüber reflektieren, warum Menschen fliehen
und diese gefährliche Überfahrt auf sich nehmen. Sie sollen verstehen, dass sie
dasselbe wollen wie die Menschen in Europa und in weiterer Folge sensibler mit dieser
Thematik umgehen. Das laute Lesen fremder Interviews zum Abschluss der Sequenz
dient vor allem dazu, eine Anonymität zu wahren (so weiß niemand, von wem das
Interview stammt). Außerdem bekommen so alle Lernenden einen Eindruck von den
anderen Arbeiten und hören, welche Fragen wie beantwortet wurden.
EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde
MP 2 Impuls: Anhang S. 145.
„Lest euch zu zweit dieses Interview durch und geht dabei auf die
folgenden Fragen ein:
Wie wirken die Interviewer und der Flüchtling auf die Leserinnen und
Leser? Wie sind die Fragen gut gestellt? Was bleibt offen? Was macht es
zu einem guten bzw. schlechten Interview?“
ES 4 Vergleich der Ergebnisse
ErarbP 2 „Nun seid ihr an der Reihe! Arbeitet zu zweit und erstellt ein Interview!
Eine Person stellt die Fragen, die andere antwortet.
107
Der Interviewte ist dabei ein Flüchtling aus Afrika, der auf seiner Reise
auf Samia stieß und einen Teil des Weges mit ihr gemeinsam floh.
Geht auf die verschiedenen Aspekte der Flucht und des Lebens eines
Flüchtlings ein. Darüber hinaus, ist es interessant, zu erfahren, wann,
wo und wie der Flüchtling auf Samia traf.
Das Interview ist schriftlich auszuarbeiten!“
ES P Festhalten der Ergebnisse: Wandgalerie164
Da die Schülerinnen und Schüler das Impulsinterview lesen müssen, wird die
Lesekompetenz in dieser Einheit trainiert. Sie müssen die Kernaussagen identifizieren
können und die Informationen verarbeiten. Darüber hinaus müssen sie kritische und
differenzierende Kommentare zu den Positionen der Textvorlage formulieren. Auch
gewisse Aspekte der schriftlichen Kompetenz müssen von den Lernenden beherrscht
werden. Das Interview, welches sie selbst gestalten, muss adressaten- und
situationsangemessen verfasst werden und sie müssen verschiedene
Textualitätskriterien beachten. Ihr Wortschatz muss angemessen sowie ortho-
graphisch und grammatisch korrekt wiedergegeben werden. Darüber hinaus steht
auch die Argumentationskompetenz in dieser Einheit im Vordergrund. Die Lernenden
sind dazu angehalten, eine eigenständige Argumentationslinie zu entwickeln und die
eigenen Positionen mit Argumenten und Informationen zu stützen. Außerdem sollen
die Lernenden hinsichtlich der Sachkompetenz relevante Informationen wiedergeben
und angemessen einbetten.165
Salner-Gridling formuliert verschiedene Aspekte, die ein erfolgreiches Lernen
ermöglichen und auch in dieser Einheit zu finden sind. Den Lernenden wird genügend
Zeit zur Verfügung gestellt und durch das Thema sind sie aktiv beteiligt und
empathisch eingebunden. Sie arbeiten zudem gemeinsam und kooperieren und die
Atmosphäre ist entspannt und vertrauensvoll.166
164 Reich, K. (Hg.): Methodenpool. In: URL: http://methodenpool.uni-koeln.de [02.06.2016]. 165 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016]. 166 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21.
108
4.3.5 TAGEBUCH
Diese Aufgabenstellung befindet sich laut dem Makromodell von Abraham und Kepser
auf der Ebene „Nach der Textrezeption“, insbesondere bei „Rekonstruieren“. Zunächst
liest die Lehrperson den Tagebucheintrag vor und fragt die Lernenden, woran sie
dieser Text erinnert hat und um welche Textsorte es sich handelt. Auch sollen die
Lernenden wissen, wann dieser Tagebucheintrag verfasst wurde,
Das Hauptaugenmerk der Stunde liegt auf der Panelsequenz, die sich die Schülerinnen
und Schüler aus der Graphic Novel aussuchen, welche sie für besonders
ausdrucksstark halten. Daraufhin sollen sie einen Tagebucheintrag verfassen, der die
Gefühle der Person veranschaulicht und die Situation schildert, in der sie sich gerade
befindet. Ob es der erste Eintrag in ein neues Tagebuch ist, oder die Person bereits
lange ihre Gedanken schriftlich festhält, spielt dabei absolut keine Rolle. Einzelne
Lernende können im Anschluss auf freiwilliger Basis ihre Ergebnisse präsentieren.
Wünschenswert wäre eine Diskussion im Anschluss, bei der die Lernenden
untereinander darüber diskutieren, ob jeder und jede die Panels auf dieselbe Weise
interpretiert hätte. Sollte die Diskussion nicht von selbst starten oder abreißen, kann
der Lehrende mit den folgenden Fragen unterstützen:
Wie habt ihr die Szene empfunden?
Welche anderen Möglichkeiten gibt es, auf das Geschehen zu blicken?
Was macht diesen Eintrag so besonders?
Wie würdest du dich in dieser Situation verhalten?
Warum hat diese Person diese Gefühle? Warum hat sie das gemacht?
Eröffnungsphase Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde
Motivationsphase Vorlesen des Tagebucheintrags: Anhang S. 146.
„Worum geht es in diesem Text? Um welche Textsorte handelt es
sich? Wann fand dieser Eintrag statt?“
Anwendungsphase
und Hausübung
„Wählt eine Panelsequenz aus, die ihr für besonders
aussagekräftig haltet. Verfasst nun einen Tagebucheintrag, den
diese Person verfasst haben könnte.
Achtet darauf, dass ihr nur das schildert, was zu diesem Moment
geschah und dass ihr nicht vorgreift auf etwas, was die Person zu
diesem Zeitpunkt noch gar nicht gewusst haben konnte. Schildert
109
die Geschehnisse und geht dabei auch auf Gefühle ein, die diese
Person an diesem Tag womöglich hatte. (Anhang S. 147)
Ergebnissicherung Festhalten der Ergebnisse: Vortrag und Diskussion.
Ziel dieser Aufgabenstellung ist vordergründig das Schulen der Schreibfähigkeit. Die
Einheit ermöglicht es zudem, kreativ tätig zu sein und regt die Schülerinnen und
Schüler dazu an, über eine gewisse Handlung/eine gewisse Person genau
nachzudenken, was den allgemeinen Verstehensprozess hinsichtlich Analyse und
Interpretation unterstützt. Außerdem müssen sich die Lernenden eine aussagekräftige
Szene aussuchen, die sowohl im verbalen als auch im visuellen Bereich hervorsticht.
So sollen sie die Informationen sowohl aus dem Bild als auch aus dem Text herauslesen
und damit arbeiten.
Orientiert man sich hier an Saldner-Gridlings Aspekten erfolgreichen Lernens, so kann
man erkennen, dass die Lernenden genügend Zeit für die Bearbeitung haben, sie
können zudem aktiv mitbestimmen, wie ihre Arbeit genau aussehen wird. Dieser
Freiheitsgrad wird vor allem dadurch bedingt, dass die Aufgabe klar strukturiert ist
und den Schülerinnen und Schülern dafür auch genügend Raum gelassen wird. Das
bedeutet, dass sie aus einer Vielzahl von Möglichkeiten selbstständig etwas auswählen
sollen, was die intrinsische Überzeugung der Heranwachsenden stärken soll.167
Wenn die Lehrperson den Tagebucheintrag vorliest, sind die Schülerinnen und Schüler
dazu angehalten, aufmerksam zuzuhören. Sie schulen also ihre
Hörverstehenskompetenz, die sie mit den anschließenden Fragen sogleich unter
Beweis stellen können. Da diese Aufgabenstellung das Verfassen eines Tagebuch-
eintrags in den Vordergrund stellt, wird auch die schriftliche Kompetenz der
Lernenden überprüft. Der Eintrag muss adressatenorientiert und situations-
angemessen verfasst werden. Darüber hinaus sind verschiedene Textualitätskriterien
zu berücksichtigen, wie Kohäsion, Kohärenz, Intertextualität und Informativität. Der
verwendete Wortschatz muss angemessen verwendet werden und der Text sollte
formal richtig verfasst sein.168
167 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21. 168 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016].
110
5 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
Im Zuge dieser Diplomarbeit hat eine intensive Auseinandersetzung mit Graphic
Novels und den Möglichkeiten der Verwendung im Unterricht stattgefunden. Es wurde
versucht, die Arbeit mit diesem Format im Deutschunterricht der Sekundarstufe II zu
rechtfertigen.
Im ersten Kapitel wurde die Problematik erläutert, die der Begriff der Graphic Novel
mit sich bringt. Bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herrscht
keineswegs Einigkeit über die Definition dieses Begriffs, sodass viele Versuche zu
finden sind, aber keine eindeutigen Ergebnisse. Auch wird häufig daran gezweifelt, ob
es sich bei der Graphic Novel tatsächlich um eine eigenständige Kunstform handelt,
oder ob sie doch bloß ein Comic ist, der es mit diesem „Marketingbegriff“ in die Regale
der Buchläden geschafft hat. Da sich diese Art der Literatur hinsichtlich ihrer
Beschaffung von geschriebener Literatur unterscheidet, wurde im Anschluss die
Narration und Ästhetik erläutert, mit der die Autorinnen und Autoren arbeiten. So sind
die Entscheidungen, die diese Künstlerinnen und Künstler treffen nicht bloß als trivial
abzutun, vielmehr stecken Überlegungen hinter den Entscheidungen, welcher
Zeichenstil gewählt und welche Farbwahl für den Transport der Botschaft verwendet
wird. Auch die Art, wie Bewegung dargestellt wird und wie sich diese auf der Seite oder
im Raum bemerkbar macht, sind wichtige Grundbausteine im Prozess der Schaffens
einer Graphic Novel. Ein besonderes Augenmerk lag auf der Text-Bild-Beziehung, die
vor allem bei diesen Formaten eine herausragende Rolle spielt und die sich auf vielen
unterschiedlichen Ebenen bemerkbar macht. Die Entscheidung, wie der Text in das
Bild integriert wird und wie diese beiden Codes zusammenspielen, ist für das
Textverständnis, vor allem aber für die Textinterpretation von enormer Bedeutung.
Nicht vergessen werden darf dabei die Rolle der Rezipientin und des Rezipienten, die
durch das Lesen und Betrachten die Graphic Novel erst zum Leben erwecken.
Es folgte eine intensive Auseinandersetzung mit der Literaturdidaktik, wobei vor allem
mit dem Werk von Ulf Abraham und Matthis Kepser 169 gearbeitet wurde, die sich
gründlich mit der Literaturdidaktik im Fach Deutsch beschäftigt haben.
Bezugnehmend auf ihre Arbeit wurde zunächst das Handlungsfeld Literatur erläutert,
169 vgl. Literaturdidaktik Deutsch. Eine Einführung. 3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Erich Schmidth GmbH 2009. (=Grundlagen der Germanistik, 42.)
111
das sich aus der Individuation, der Sozialisation sowie der Enkulturation
zusammensetzt und sich der Frage widmet, wie Literatur beschaffen ist und wie
Menschen mit ihr umgehen. Darauffolgend wurde der Fokus auf die Literaturdidaktik
gesetzt, die gemeinsam mit der Sprach- und der Mediendidaktik die gesamte
Deutschdidaktik konstituiert. Hierbei wurden die Arbeitsbereiche dieser Didaktik
erläutert, die sich aus den Zielen, den Inhalten, den Medien und Methoden sowie den
notwendigen Rahmenbedingungen zusammensetzen. In weiterer Folge wurden die
Ziele des Literaturunterrichts angeführt, die sich äußerst vielfältig gestalten. Zunächst
unterstützen sie den Ausbau der Individuation, der Sozialisation und der
Enkulturation, helfen folglich der Etablierung eines Handlungsfelds Literatur. Des
Weiteren ist die Leseförderung ein wichtiger Bestandteil des Literaturunterrichts, da
das Lesen für den gesamten Unterricht von immanenter Bedeutung ist.
Graphic Novels in den Deutschunterricht der Sekundarstufe II zu integrieren, war der
wichtigste Aspekt dieser Arbeit. Zunächst wurden zwei Unterrichtskonzepte
vorgeschlagen, die sinnvollerweise vor der eigentlichen Beschäftigung mit einer
Graphic Novel umgesetzt werden. Dabei handelt es sich um Aufgabenstellungen, die
sich einerseits mit den verschiedenen Termini beschäftigen, die eine Analyse von
Graphic Novels möglich machen und andererseits mit der Farbgestaltung, die für die
Autorinnen und Autoren stets eine entscheidende Rolle spielt und die Narration und
Ästhetik beeinflussen.
Im Anschluss an diese beiden Unterrichtsvorschläge, wurden zwei als besonders gut
rezensierte Werke herangezogen und präsentiert. Dabei handelte es sich einerseits um
„Irmina“ von Barbara Yelin sowie um „Der Traum von Olympia“ von Reinhard Kleist.
Beide Werke sind äußerst aktuell und liefern einen hohen Gegenwartsbezug. Zu Beginn
wurde der Inhalt sowie die Narration und Ästhetik dieser beiden Arbeiten präsentiert
und mit ausreichend Bildmaterial verständlich gemacht. Anschließend wurden
mithilfe den Makro- und Mikromodells von Abraham und Kepser verschiedenste
Unterrichtsvorschläge präsentiert. Sämtliche Einheiten fordern dabei eine hohe aktive
Beteiligung der Schülerinnen und Schüler und der Lernerfolg wurde stets mit den
Kompetenz-bereichen des bifie verglichen, um zu beweisen, dass die Arbeit mit
Graphic Novels ebenso ertragreich ist, wie die mit rein geschriebener Literatur.
Schlussendlich ist die Arbeit mit Graphic Novels eine herausragende Chance, um den
Literaturunterricht zu beleben und anders zu gestalten. Diese Arbeit hat gezeigt, dass
112
man auch mit wenig Text hervorragend arbeiten kann und dass die Schülerinnen und
Schüler durch Graphic Novels eine wahrhafte Bereicherung erfahren können.
Es gilt hier zu beachten, dass es Aspekte gibt, die in dieser Arbeit keinen Platz mehr
finden konnten. So wäre es sehr interessant, diese Methoden in einer Deutschklasse
auszuprobieren und die Ergebnisse festzuhalten. Auch weitere Unterrichtsvorschläge
könnten beleuchtet zu werden. Zudem erfahren viele Graphic Novels Verfilmungen
(vgl. hierzu „Waltz with Bashir“, „The Walking Dead“, „Persepolis“ etc.), weswegen
Unterrichtssequenzen, die das Thema Graphic Novel und Film untersuchen, ebenso
beachtenswert wären.
113
6 LITERATURVERZEICHNIS
6.1 Primärliteratur
CORBEYRAN Eric; HORNE Richard; WILKSEN, Kai: Die Verwandlung von Franz Kafka. 5.
Aufl. München: Knesebeck 2014.
DELISLE, Guy: Aufzeichnungen aus Birma. Berlin: Reprodukt 2009.
KLEIST, Reinhard: Castro. Hamburg: Carlsen 2010.
KLEIST, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft. Hamburg: Carlsen
2012.
KLEIST, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia Yusuf Omar.
Hamburg: Carlsen 2015.
LUST, Ulli; BEYER Marcel: Flughunde. Hrsg. von Andreas Platthaus. Berlin: Suhrkamp
2013.
SATRAPI, Marjane: Persepolis. London: Vintage 2008.
SPIEGELMAN, Art: Maus. Die Geschichte eines Überlebenden. Reinbek bei Hamburg:
Rowohlt 1989.
SPIEGELMAN, Art: Maus 2. Die Geschichte eines Überlebenden. Und hier begann mein
Unglück. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1992.
YELIN, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014.
6.2 Sekundärliteratur
ABEL, Julia; KLEIN Christian: Leitfaden zur Comicanalyse. In: Comics und Graphic Novels.
Hrsg. von Julia Abel; Christian Klein. Eine Einführung. J.B. Stuttgart: Metzler 2016.
ABRAHAM, Ulf; KEPSER Matthis: Literaturdidaktik Deutsch. Eine Einführung. 3., neu
bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Erich Schmidt GmbH 2009. (=Grundlagen
der Germanistik. 42.)
ALTRICHTER, Herbert; HELM, Christoph; KANAPE-WILLINGSHOFER, Anna: Unterrichts- und
Schulqualität. Erstellt am 13.10.2012. URL:
114
http://www.sqa.at/pluginfile.php/988/coursecat/description/qualitaet_von_unterri
cht_und_schule.pdf [01.05.2016].
BAETENS, Jan; FREY, Hugo: The Graphic Novel: An Introduction. New York: Cambridge
University Press 2015.
BAUM, Michael: Bild-Text-Didaktik und –Ästhetik: Lesen und Verstehen piktoraler
Texte. In: Literatur- und Mediendidaktik. Hrsg. von Volker Frederking; Axel Krommer;
Christel Meier. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2013. (=Taschenbuch
des Deutschunterrichts. 2.) S. 200-218.
BAUMGÄRNTER, Alfred Clemens: Comics im Unterricht. In: Taschenbuch des
Deutschunterrichts. Grundfragen und Praxis der Sprach-und Literaturdidaktik. Hrsg.
von: Günter Lange, Karl Neumann, Werner Ziesenis. Baltmannsweiler: Schneider
Verlagen Hohengehren GmbH 1994. (=Literaturdidaktik: Klassische Form,
Trivialliteratur, Gebrauchstexte, 2). S. 784-792.
BENTFELD, Anne [u.a.]: Schülerduden Literatur 4. neu bearb. Aufl. Hrsg. von der
Redaktion Schule und Lernen. Mannheim [u.a.]: Dudenverlag 2005. Stichwort:
onomatopoetische Dichtung. S. 286.
BREDELLA, Lothar: Einführung in die Literaturdidaktik. Stuttgart: Kohlhammer 1976 (=
Urban Taschenbücher. 80.)
BIERDEL, Elias: Nachwort. In: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia Yusuf
Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 143-145.
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Fremdsprachen. In: Drei Schritte vor und manchmal auch sechs zurück. Internationale
Perspektiven auf Entwicklungslinien im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Hrsg. von
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http://www.mein-literaturkreis.de/5-fragen-an-comic-graphic-novel-buchhandlung-
strips-stories-hamburg/. [08.04.2016].
KESSER Doris; STROHMEIER Dagmar: Gewaltprävention an Schulen.
Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. S. 58. URL: http://www.oezeps.at/wp-
content/uploads/2011/07/Onlineversion_Gewaltpraevention.pdf [06.04.2016].
Kompetenzorientierte, teilzentrale schriftliche Reifeprüfung im
Unterrichtsgegenstand Deutsch an AHS. Erstellt am 04.2010. URL: http://www.uni-
klu.ac.at/deutschdidaktik/downloads/Informationspapier.pdf [17.04.2016].
MONYER, Yvonne: Dramapädagogik im Fremdsprachenunterricht. Lernen durch
Spielen. URL: http://www.theaterwerkstatt-
heidelberg.de/uploadverzeichnisse/downloads/AA_Y_MonyerTP10-2.pdf
[07.04.2016].
119
o.A.: Barbara Yelin auf der Buch Wien 2014. Erstellt am 07.11.2014. URL:
http://www.graphic-novel.info/?tag=barbara-yelin [03.06.2016].
OEHLER, Sebastian: Was sind Graphic Novels? – Deutsche und internationale Comic-
Produktionen im Überblick. 08. 2010. URL:
http://www.goethe.de/kue/lit/prj/com/ccs/csz/de5711244.htm [13.04.2016].
PLANK, Lukas: Comic, Graphic Novel & Co. URL:
https://lukasplank.files.wordpress.com/2013/10/comic-journalismus-comic-
graphic-novel-co.pdf. [23.04.2016].
RUPP, Gerhard: Was ist Deutschdidaktik. URL: http://www.ruhr-uni-
bochum.de/lidi/Downloads/was_ist_deutschdidaktik5_rvl_251007.pdf [04.05.2016].
120
6.3 Abbildungsverzeichnis
Abbildung Seite Quelle
Abb. 1 14 Corbeyran Eric; Horne Richard; Wilksen, Kai: Die Verwandlung von
Franz Kafka. 5. Aufl. München: Knesebeck 2014. S. 2.
Abb. 2 16 Lust, Ulli; Beyer Marcel: Flughunde. Hrsg. von Andreas Platthaus.
Berlin: Suhrkamp 2013. S. 142.
Abb. 3 16 Satrapi, Marjane: Persepolis. London: Vintage 2008. S. 3.
Abb. 4 19 Lust, Ulli; Beyer Marcel: Flughunde. Hrsg. von Andreas Platthaus.
Berlin: Suhrkamp 2013. S. 133.
Abb. 5 20 Kleist, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft.
Hamburg: Carlsen 2012. S. 102.
Abb. 6 20 Kleist, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft.
Hamburg: Carlsen 2012. S. 61.
Abb. 7 21 Delisle, Guy: Aufzeichnungen aus Birma. Berlin: Reprodukt 2009. S.
88.
Abb. 8 21 Delisle, Guy: Aufzeichnungen aus Birma. Berlin: Reprodukt 2009. S.
171.
Abb. 9 21 Kleist, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft.
Hamburg: Carlsen 2012. S. 136.
Abb. 10 23 Delisle, Guy: Aufzeichnungen aus Birma. Berlin: Reprodukt 2009. S.
72.
Abb. 11 23 Satrapi, Marjane: Persepolis. London: Vintage 2008. S. 256.
Abb. 12 24 Satrapi, Marjane: Persepolis. London: Vintage 2008. S. 3.
Abb. 13 24 Delisle, Guy: Aufzeichnungen aus Birma. Berlin: Reprodukt 2009. S.
169.
Abb. 14 24 Satrapi, Marjane: Persepolis. London: Vintage 2008. S. 311.
Abb. 15 25 Kleist, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft.
Hamburg: Carlsen 2012. S. 154.
Abb. 16 27 Kleist, Reinhard: Castro. Hamburg: Carlsen 2010. S. 20.
Abb. 17 28 Spiegelman, Art: Maus 2. Die Geschichte eines Überlebenden. Und hier
begann mein Unglück. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1992. S. 111.
Abb. 18 29 Spiegelman, Art: Maus 2. Die Geschichte eines Überlebenden. Und hier
begann mein Unglück. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1992. S. 11.
121
Abb. 19 29 Spiegelman, Art: Maus 2. Die Geschichte eines Überlebenden. Und hier
begann mein Unglück. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1992. S. 60.
Abb. 20 30 Kleist, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft.
Hamburg: Carlsen 2012. S. 137.
Abb. 21 30 Delisle, Guy: Aufzeichnungen aus Birma. Berlin: Reprodukt 2009. S. 8.
Abb. 22 31 Kleist, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft.
Hamburg: Carlsen 2012. S. 86.
Abb. 23 31 Delisle, Guy: Aufzeichnungen aus Birma. Berlin: Reprodukt 2009. S.
84.
Abb. 24 32 Kleist, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft.
Hamburg: Carlsen 2012. S. 26.
Abb. 25 32 Lust, Ulli; Beyer Marcel: Flughunde. Hrsg. von Andreas Platthaus.
Berlin: Suhrkamp 2013. S. 344.
Abb. 26 33 Delisle, Guy: Aufzeichnungen aus Birma. Berlin: Reprodukt 2009. S.
88.
Abb. 27 33 Spiegelman, Art: Maus. Die Geschichte eines Überlebenden. Reinbek
bei Hamburg: Rowohlt 1989. S. 61.
Abb. 28 36 Ulf Abraham; Matthis Kepser: Literaturdidaktik Deutsch. Eine
Einführung. 3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Erich
Schmidth GmbH 2009. (=Grundlagen der Germanistik, 42.) S. 19.
Abb. 29 47 Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung
des österreichischen Schulwesens: Standardisierte
kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach
Deutsch. URL:
https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-
04-19.pdf S. 12. [29.05.2016].
Abb. 30 62 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 8.
Abb. 31 62 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 131.
Abb. 32 63 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 261.
Abb. 33 64 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 158.
Abb. 34 64 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 128.
Abb. 35 64 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 131.
Abb. 36 64 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 143.
122
Abb. 37 65 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 61.
Abb. 38 65 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 134.
Abb. 39 65 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 168.
Abb. 40 66 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 130-131.
Abb. 41 67 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 198.
Abb. 42 68 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 62-63.
Abb. 43 68 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 178-179.
Abb. 44 69 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 212.
Abb. 45 69 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 169.
Abb. 46 69 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 207.
Abb. 47 71 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S.131.
Abb. 48 71 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 231.
Abb. 49. 72 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 251.
Abb. 50 72 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 62.
Abb. 51 73 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 190.
Abb. 52 73 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 238.
Abb. 53 89 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 78.
Abb. 54 90 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 98.
Abb. 55 90 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 67.
Abb. 56 90 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 93.
Abb. 57 91 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 128.
Abb. 58 91 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 97.
Abb. 59 91 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 88.
Abb. 60 91 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 35
123
Abb. 61 92 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 71.
Abb. 62 93 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 31.
Abb. 63 93 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 39.
Abb. 64 93 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 80.
Abb. 65 94 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 60.
Abb. 66 94 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 25.
Abb. 67 94 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 44.
Abb. 68 95 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 99.
Abb. 69 95 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 64.
Abb. 70 95 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 69.
Abb. 71 96 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 122.
Abb. 72 96 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 123.
Abb. 73 97 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 124.
Abb. 74 97 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 129.
Abb. 75 97 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 30.
Abb. 76 98 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 59.
124
Abb. 77 98 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 33.
Abb. 78 98 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 109.
Abb. 79 99 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 82.
Abb. 80 99 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 29.
Abb. 81 100 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia
Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 102.
Abb. 82 126 http://www.tagesspiegel.de/images/bild2/7084964/2-format43.jpg
Abb. 83 127 Alle Begriffe außer „rot“ wurden dem Brettspiel „Tabu XXL“
entnommen.
Abb. 84 128 Kleist, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft.
Hamburg: Carlsen 2012. S. 23.
Abb. 85 134 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 139.
Abb. 86 135-
136
Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 158-159.
Abb. 87 137-
138
Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 164-165.
Abb. 88 139-
140
Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 256-257.
Abb. 89 143 http://de.webfail.com/e4fd4fa28ad
125
7 ANHANG (ARBEITSBLÄTTER)
Auf den folgenden Seiten sind die Arbeitsblätter für die Beschäftigung mit „Irmina“ und
„Der Traum von Olympia“ zu finden sowie die beiden Aufgabenstellungen, die vor der
Auseinandersetzung mit den beiden Graphic Novels empfehlenswert sind. Die
Nummerierung der Arbeitsblätter stimmt mit der Nummerierung der Methoden
überein, wodurch das Finden erleichtert wird.
126
Werkzeuge von Comics und Graphic Novels
Im Laufe der nächsten Einheiten wirst du sehr häufig mit neuen Fachbegriffen
konfrontiert sein. Dieses Arbeitsblatt soll dir dabei helfen, die wichtigsten Termini
kennenzulernen.
Suche im Internet nach Erklärungen für die Begriffe im Kästchen darunter. Notiere
diese Erläuterungen und lies sie durch, bis du sie verstanden hast.
Termini:
Bild, Gedankenblase, Onomatopoetikum, Panel, Panelrahmen (gutter), Sprechblase,
Textbox, Zwischenräume
Auf der nächsten Seite findest du eine Seite aus einer Graphic Novel! Versuche nun, die
Fachtermini den einzelnen Kästchen zuzuordnen.
Lässt sich jeder Begriff zuordnen? Wenn nein, füge eine Zeichnung hinzu, wie der
Begriff in einem Comic oder einer Graphic Novel aussehen könnte.
130
Die Begriffe für die Gruppenarbeit:
1. Einfluchtpunktperspektive
2. Zweifluchtpunktperspektive
3. Dreifluchtpunktperspektive
4. Momentschnitt
5. Pose
6. Moment-to-Moment Übergang
7. Action-to-Action Übergang
Graphic Novels für die zweite Anwendungsphase:
Kleist, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft. Hamburg: Carlsen
2012
Delisle, Guy: Aufzeichnungen aus Birma. Berlin: Reprodukt 2009
Lust, Ulli; Beyer Marcel: Flughunde. Hrsg. von Andreas Platthaus. Berlin: Suhrkamp
2013
131
Graphic Novels sind äußerst komplex aufgebaut und um sie vollständig analysieren
und interpretieren zu können, müssen unterschiedliche Faktoren beachtet werden. So
besteht dieses Medium sowohl aus Text als auch aus Bildern, die erst gemeinsam eine
vollständige Geschichte erzählen. Die Integration dieser verbalen und bildlichen
Elemente lässt sich auf vielfache Weise gestalten und ist nicht bloß von Werk zu Werk,
sondern auch von Seite zu Seite, von Panel zu Panel höchst unterschiedlich. Daher ist
auch das Layout der Seite ein maßgeblicher Faktor für die Analyse und Interpretation
dieses Mediums. Die Gestaltung des Panels, dessen Integration in das Gesamtlayout
und die Strukturierung des Werks tragen wesentlich zur Narration und Ästhetik der
Graphic Novels bei. Auch die Bewegung und der Raum, in dem diese stattfindet, geben
Aufschluss darüber, was der Autor oder die Autorin bezwecken möchte. Die Graphic-
Novellisten können dabei auf eine Vielzahl von Möglichkeiten der Darstellung
zurückgreifen, um Bewegung authentisch darzustellen und den Raum erlebbar zu
machen. In diese Kategorie fallen Überlegungen wie die Frage nach der Perspektive
oder nach der Möglichkeit des Übergangs von Panel zu Panel. Durch diese zahlreichen
Mittel der Darstellung, ist auch der Rezipierende gefragt. Graphic Novels müssen
nämlich sowohl gelesen als auch betrachtet werden, um ihre Narration und Ästhetik
vollständig erfassen zu können.
132
(Schüler/in A)
Du hälst das Titelbild unserer nächsten Klassenlektüre in den Händen. Überlege,
wovon die Geschichte erzählen könnte. Geh vor allem auf die folgenden Fragen näher
ein:
Welche Personen sind zu sehen?
Wie ist das Bild hinsichtlich der Farbgebung gestaltet und welchen Aufschluss könnte das für die Stimmung des Gesamtgeschehens geben?
Wo und zu welcher Zeit könnte die Geschichte stattfinden und sind im Bild dafür Hinweise zu finden?
Raum für deine Notizen:
133
(Schüler/in B)
Du hälst das Titelbild unserer nächsten Klassenlektüre in den Händen. Überlege,
wovon die Geschichte erzählen könnte. Geh vor allem auf die folgenden Fragen näher
ein:
Welche Personen sind zu sehen?
Wie ist das Bild hinsichtlich der Farbgebung gestaltet und welchen Aufschluss könnte das für die Stimmung des Gesamtgeschehens geben?
Wo und zu welcher Zeit könnte die Geschichte stattfinden und sind im Bild dafür Hinweise zu finden?
Raum für deine Notizen:
135
Irmina anders
(Teil 1):
Überlegt euch, wie Irminas Geschichte anders hätte verlaufen können. Was hätte sie
erlebt, wenn sie einen anderen Weg gewählt hätte?
Verfasst einen kurzen Abriss, wie Irminas Geschichte ausgegangen wäre, wenn ihr die
Autoren gewesen wärt.
(Teil 2):
Da „Irmina“ kein rein geschriebener Text ist, sondern eine Graphic Novel, ist euer
nächster eine alternative Geschichte als Graphic Novel zu gestalten. Da das mit der
Hand sehr mühsam und schwierig sein kann, gibt es im Internet zahlreiche
Möglichkeiten, eine Graphic Novel zu erstellen. Entscheidet euch für eine der folgenden
Seiten:
https://www.pixton.com/de/
https://www.bitstrips.com/create/comic/
http://www.comicmaster.org.uk/
Wie ihr bereits wisst, haben der Comic und die Graphic Novel spezielle Mittel der
Darstellung. Auch in „Irmina“ hat die Autorin besondere Werkzeuge und Tricks
eingesetzt, um Stimmung zu erzeugen oder dem Leser etwas mitzuteilen.
Überlegt nun gemeinsam, welche Werkzeuge gemeint sind und was ihr auf keinen Fall
verzichten dürft, wenn ihr eine eigene Graphic Novel verfassen wollt!
136
(Bitte beachten Sie, dass hier die Doppelseiten etwas verkleinert wurden.)
Gruppe 1: Abb. 86: Irmina, S. 158-159.
Gruppe 2: Abb. 87: Irmina, S. 164-165.
Gruppe 3: Abb. 88: Irmina, S. 256-257.
142
Textstelle:
„Barbara Yelins Comic über da Leben einer jungen Frau während der Nazizeit bewegt,
weil wir uns als Leser stets die ihr möglichen Alternativen Wege vor Augen führen, die
ihr gestattet hätten, glücklicher zu sein und zugleich eine größere Distanz zum
Nationalsozialismus zu wahren. Irmina bewegt auch gerade deshalb, weil wir
vermeintlich viel über das Leben der Deutschen während der Nazizeit wissen, uns
ihren Alltag letzten Endes doch nicht vorstellen können. Denn im Raum steht die Frage,
warum gewöhnliche Menschen mit ihren Träumen, Nöten, Sorgen und Momenten des
Glücks sich auf ein mörderisches System einließen und diese damit erst
ermöglichten.“170
170 vgl. Alexander Korb: Irmina. Leben in der Zeitgeschichte. Ein Nachwort. S. 275.
143
Asylwerber, Asylant, Asyl... Erklärt diese und weitere wichtige Begriffe der
Flüchtlingsthematik ausführlich und so, dass sie jeder versteht.
Geht auch auf das Asylverfahren ein, das die Menschen erwartet, die nach
Österreich kommen und gestaltet ein Plakat!
Al-Shabaab, Boko Haram, IS, Salafismus… Recherchiert, was diese Namen
bedeuten, woher sie kommen, was sie fordern/anrichten etc.
Vielleicht findet ihr noch weitere, ähnliche Gruppierungen und gestaltet
mithilfe eines Plakates eine kurze Übersicht!
Aktuelle Situation in der Flüchtlingskrise: Lest euch die aktuellen Texte zu
diesem Thema durch und fasst sie zusammen: Woher kommen die Flüchtlinge?
Wovon flüchten sie? Wie ist die Situation in ihren Herkunftsländern? Wie ist die
Situation in Österreich? Gestaltet ein Plakat!
Der gefährliche Weg der Flucht: Beschreibt, wie die Flüchtlinge nach Europa
kommen! Welchen Weg wählen sie? Warum haben sie keine Alternative? Mit
welchen Transportmitteln sind sie unterwegs? Wie viel Geld kostet es etc.
(Zeichnet populäre Flüchtlingswege auf einer Karte ein!)
Gestaltet ein Plakat!
145
Warum sind Sie geflüchtet? In Syrien gibt es viele politische Probleme mit Kurden – und da ich Kurde bin, habe ich
mir gesagt: „Ich muss nach Europa!“ und da bin ich nach Österreich gegangen.
Weshalb gerade nach Österreich? Ich habe mich erkundigt, welches Land in Ordnung ist. Im Grunde genommen war es
mir egal – Hauptsache weg von Syrien.
Gab es bei der Flucht Schwierigkeiten? Es war sehr schwierig von Syrien wegzukommen! Ich bin zu einem Flughafen in den
Libanon gefahren, weil mit meinem Pass hätte ich nicht einfach zum syrischen
Flughafen gehen können. Es hätte zu viele Probleme gegeben. Vom libanesischen
Flughafen aus bin ich nach Minsk geflogen. Dort war ich drei Tage und dann bin ich weiter nach Wien geflogen.
Was war Ihr erster Eindruck von Österreich? Zuerst war ich im Flüchtlingsheim Traiskirchen in Niederösterreich. Dort habe ich nicht
sehr viel gesehen, aber in Wien finde ich alles sehr gut und die Leute sind sehr nett!
Wie fühlen Sie sich in diesem Heim? Ich finde Einrichtungen wie dieses Caritas-Flüchtlingsheim sehr gut und Wien gefällt
mir auch sehr. Außerdem habe ich jetzt Asyl bekommen – das heißt, dass ich jetzt in ganz Europa herumfahren kann, aber ich verlasse Österreich nicht. Österreich
empfinde ich als sehr positiv.
Haben Sie Angehörige in Österreich oder im Ausland? Meine Eltern und der Großteil meiner Familie sind in Syrien, aber zwei Brüder und eine
Schwester von mir sind in Deutschland.
Wollen Sie die österreichische Staatsbürgerschaft haben? Ich habe jetzt einen Reisepass und positives Asyl - was soll ich mir noch wünschen?
Aber natürlich möchte ich gerne österreichischer Staatsbürger werden, doch das
dauert noch lange – mindestens vier Jahre.
Sind Sie mit der Einstellung der Österreicher gegenüber Flüchtlingen zufrieden? Alle Österreicher, die ich bis jetzt getroffen habe, waren sehr nett, aber ich habe noch
nicht sehr viele Kontakte außerhalb
des Heims.
Haben Sie Kontakt zu anderen Kurden in Österreich? Ich habe natürlich zu allen möglichen Österreichern Kontakt, aber vor allem zu
Kurden, weil Kurdisch ist meine Muttersprache. Als ich hergekommen bin, konnte ich überhaupt kein Deutsch, aber ich habe neun Monate lang einen Deutschkurs gemacht
und auch hier im Caritas-Heim lerne ich Deutsch.
Vielen Dank für das Interview.
Jakob Andraschek, Judith Engel, Amon Maly171
171 URL: http://www.gedenkdienst.at/index.php?id=480 [31.05.2016].
146
Tagebucheintrag (die Lehrperson liest vor):
Ich bin endlich wieder zu Hause. Es ist merkwürdig, weil Peking so viel anders war als
Mogadischu. Die Menschen, die Häuser, die Straßen – ich fühlte mich irgendwie
verloren, doch ich war glücklich. Jetzt weiß ich nicht, was mich erwartet. Werde ich
weiter laufen können?
Mutter ist stolz auf mich, obwohl ich Letzte war, das tut gut! Es ist ihr scheinbar egal –
sie hat den olympischen Gedanke wohl besser verstanden als ich. Wieder zu Hause zu
sein ist ganz eigenartig. Die Party zu meinen Ehren war zwar nett und ich war auch
dankbar für ihr Kommen, aber andererseits – es war mir alles zu viel. Die
beschwerliche Reise, die Niederlage... ich wäre am liebsten sofort ins Bett gegangen.
Als mich alle fragten, ob ich denn nun für immer hierbleiben würde, stockte ich kurz –
will ich das?
147
(Arbeitsblatt)
Stell dir vor, du bist eine der vielen Personen in Reinhard Kleists
„Der Traum von Olympia“.
Versuche, dich in sie hineinzuversetzen, indem du dir eine aussagekräftige
Panelsequenz aus der Graphic Novel heraussuchst und mithilfe dieser einen
Tagebucheintrag erstellt.
Es steht dir frei, jede Person der Graphic Novel zu sein. Ob es der erste Eintrag in ein
neues Tagebuch ist, oder du bereits seit langer Zeit schon schreibst, ist vollkommen
dir überlassen. Du kannst schreiben, was immer du empfunden hast, als du die Szene
erlebt hast, falls du Hilfe brauchst, könnten die folgenden Fragen eine geeignete
Stütze sein:
Was ist an dem Tag alles geschehen? Was war erfreulich, anstrengend,
enttäuschend?
Wie hast du dich gefühlt?
Wen hast du getroffen?/ Mit wem hast du gesprochen?
Was erwartet dich morgen?