framing von medieninhalten im social web
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Überarbeitetes extended Abstract zum Vortrag auf der Tagung der Fachgruppe Rezeptions-‐ und Wirkungsforschung der DGPuK München, 27 – 29 Jänner 2011
Framing von Medieninhalten in Intermediationsprozessen über Social Media Axel Maireder, Universität Wien
Die Vermittlung von Medieninhalten (vornehmlich Texten und Videos) an RezipientInnen erfolgt heute zunehmend durch andere RezipientInnen über internetbasierte, soziotechnische Kommunikationssysteme, die sich so an der Distribution von gleichermaßen professionell-‐redaktionellen wie Amateur-‐Medienprodukten beteiligen. Social Network Services, Microblogging-‐Dienste, Social Bookmarking Dienste, Social News Plattformen, Videoplattformen und viele weitere so genannte „Web 2.0“ (O'Reilly 2005) bzw. „Social Web“ (Ebersbach/Glaser/Heigl 2008) Anwendungen ermöglichen es ihren NutzerInnen, Medieninhalte einfach, schnell und unmittelbar als ‚Shares’, ‚Likes’, Statusmeldungen, oder Tweets an das eigene Kommunikationsnetzwerk zu vermitteln sowie entsprechende Mitteilungen Anderer erweitert und kommentiert weiter zu vermitteln. Traffic-‐Statistiken von redaktionellen Onlinemedien zeigen, dass ein immer grösser werdender Teil der Zugriffe auf ihre Webseiten aus Social Media Anwendungen kommen, allen voran Facebook, dass z.B. im Dezember 2009 für 13% der Zugriffe auf große englischsprachige Nachrichtenportale gesorgt hat (vgl. SFGate 2010). Insbesondere Twitter wird, wie sowohl Kwak et. al. (2010) in einer gross angelegten globalen Strukturanalyse als auch Hughes/Palen (2009) in einer Fallstudie zu vier Großereignissen in den Vereinigten Staaten zeigen, in hohem Maße genutzt, um Nachrichten von öffentlichem Interesse zu verbeiten und zu kommentieren; wobei die ursprünglichen Quellen der Nachrichten, auf die zumeist auch verlinkt wird, dabei in grosser Zahl redaktionelle Onlinemedien und Blogs sind (vgl. Maireder 2010; Mensing 2010).
So sind InternetnutzerInnen mit Blick auf mediale Distributionsprozesse nicht nur RezipientInnen sondern auch Intermediäre von Medieninhalten, als sie mediale Produkte zwischen den MedienproduzentInnen und anderen RezipientInnen vermitteln. Dabei sind die entsprechenden Intermediationshandlungen plattformübergreifend strukturell durchaus ähnlich, auch wenn Plattformen wie Facebook oder Twitter grundsätzliche recht unterschiedliche Kommunikationsinfrastrukturen zur Verfügung stellen. So wird im Rahmen einer Intermediationshandlung erstens eine Relation zwischen einem/r NutzerIn (bzw. seinem/ihrem Account) und einem bestimmten Medieninhalt hergestellt, zweitens
wird diese Relation mit einer spezifischen Mitteilung versehen. Relation und Mitteilung werden für die Kontakte des/r jeweiligen NutzerIn, z.B. die ‚Facebook-‐Freunde’ oder ‚Twitter-‐Follower’, innerhalb ihres persönlichen „Social Awareness Streams“ (Naaman/Boase/Lai 2010) aus Statusmeldungen oder Tweets angezeigt. Der Nutzen, den die NutzerInnen aus diesem Stream ziehen ist dabei auch abhängig davon, wie viele und welche Relationen ihre Kontakte herstellen und kommentieren, also „primariliy a function of the content their friends contribute“ wie Burke/Marlow/Lento (2009: 9) feststellen. Die entsprechenden Kommunikationsprozesse spielen sich dabei innerhalb persönlicher Öffentlichkeiten (Schmidt 2009) beziehungsweise -‐ mit Betonung der steten Veränderung dieser Kommunikationsräume je nach Kommunikationssituation – dynamischer, semiöffentlicher Interaktionsräume ab.
Die zu den ‚Relationsmarkierungen’ jeweils abgesetzten Mitteilungen rahmen dabei die Rezeptionshandlungen der anderen NutzerInnen, indem sie implizit oder explizit Schemata für die Art der Rezeption und Interpretation der jeweiligen Medieninhalte zur Verfügung stellen. Parallel zu den entsprechenden Ansätzen in der Medienproduktions-‐ wie auch Rezeptionsforschung (vgl. Scheufele 2003; Dahinden 2006; Matthes 2007), könnten diese Praktiken als Framing verstanden werden, als Vorgänge, „bestimmte Aspekte zu betonen, also salient zu machen, während andere in den Hintergrund treten“, und dadurch „bestimmte Einordnungen, Bewertungen und Entscheidungen“ (Scheufele 2003: 46) nahe zu legen. Als integrativer Theorieansatz begreift sich das Framing-‐Konzept auch als für alle Phasen massenmedialer Kommunikationsprozesse passend (Dahinden 2006: 16). Zu prüfen ist, ob und in welcher Form wir für das Verständnis der hier angesprochenen Prozesse -‐ die zwar nicht als Massenkommunikation aber durchaus als neue Formen (semi-‐)öffentlicher Kommunikation verstanden werden können -‐ von den Framing-‐Ansätzen profitieren und sie für empirische Forschung in diesem Feld fruchtbar machen können.
Während die bisherige Framing-‐Forschung – trotz des grundsätzlich integrativen Ansatzes – in der empirischen Bearbeitung zumeist zwischen Medieninhaltsframing durch KommunikatorInnen einer-‐ und RezipientInnenframing andererseits unterscheidet, sind mit Blick auf die angesprochenen Intermediationsprozesse beide Traditionen relevant. Denn NutzerInnen sind auch im Kontext ihrer Intermediationshandlungen zuerst RezipientInnen, die bestimmte Medieninhalte gemäß ihren „individuellen Frames“ (vgl. Dahinden 2006) konsumieren und interpretieren. Die Entscheidung, das Rezeptionserlebnis mit Anderen zu teilen und das Herstellen der entsprechenden Relation zwischen dem eigenen Account und dem Medieninhalt innerhalb einer bestimmten Applikation mit einer Mitteilung zu begleiten wird grundsätzlich danach getroffen. Wenn dies geschieht, setzen NutzerInnen Frames als KommunikatorInnen, in dem sie ihren Kontakten eine
Lesart für den Medieninhalt vorschlagen. Dabei handelt es sich eben nicht um ein Framing in Medieninhalten, sondern von Medieninhalten.
Da die Medieninhalte auf die verwiesen wird ihrerseits unabhängig von den Inter-‐mediationsprozessen spezifische inhaltliche Frames aufweisen, kann aus der Perspektive der NutzerInnen auch von einem Pre-‐Framing der vermittelten Medieninhalte gesprochen werden. Sie erhalten so eine doppelte Rahmung durch die JournalistInnen/MedienproduzentInnen im Medieninhalt einerseits und die Mitteilung im Rahmen der Intermediation andererseits, die sie mit ihren individuellen Frames verknüpfen. Dabei stellt sich unter anderem die Frage, ob und in welcher Form die Intermediäre inhaltliche Frames der Medieninhalte, auf die verwiesen wird, in ihren Mitteilungen übernehmen.
Es ist anzunehmen, dass Intermediation-‐Frames im Gegensatz zu ‚klassischen’ Medieninhaltsframes fallübergreifend vorerst weniger thematisch kategorisiert werden können als im Hinblick auf die Art und Weise der Verknüpfung von Themen und der Bezüge, die zu Akteuren hergestellt werden. Dies entspräche weniger inhaltlichen ‚Frames’ als eher Schema-‐Dimensionen, wie sie Graber (1988) ausgearbeitet hat (einfache Handlungsabfolgen, kausale Verknüpfungen, Urteile über Personen und Institutionen, kulturelle Normen, Empathie; ebd.). Dabei ist auch der zum Teil persuasiven Charakter der Mitteilungen in Intermediationsprozessen zu beachten, den Mensing (2010) in einer Studie zu Twitter betont: „Users postet links to make a point, to convince others of a particular view, to verify an opinion“ (ebd.: 9). Die NutzerInnen rahmen die Medienprodukte im Intermediationsprozess entsprechend zum Teil in einer Weise, die sehr viel stärkere Deutungsrichtungen vorgibt als das thematische Framing durch JournalistInnen.
Darüber hinaus ist zu beobachten, dass – im Gegensatz zum Framing durch JournalistInnen und in Anlehnung an Studien zur (Offline-‐) Anschlußkommunikation an Medienrezeption – eine Einbettung in die persönlichen Relevanzstrukturen (Schaap 2009: 250) der jeweiligen NutzerInnen stattfindet, indem diese Aspekte der Medieninhalte heranziehen, an die sie mit eigener oder stellvertretender Erfahrung anknüpfen können (Sommer 2010: 229). Entsprechend ist das Framing in Intermediationsprozessen in einem hohen Masse von den jeweiligen NutzerInnen individuell geprägt, wobei sich verschiedenen Formen der Bezugnahme auf das eigene Erleben – wiederum im Sinne von Schema-‐Dimensionen -‐ durchaus fallübergreifen unterschieden lassen.
LITERATUR:
Burke, Moira, Cameron Marlow und Thomas Lento (2009): “Feed Me: Motivating Newcomer Contribution in Social Network Sites,” Proceeding of the twenty-‐seventh annual SIGCHI conference on Human factors in computing systems, http://www.hcii.cmu.edu/research/publications/burke-‐2009-‐feed-‐me-‐motivating-‐newcomer (zugegriffen am 4.8.2010).
Dahinden, Urs (2006): Framing: Eine integrative Theorie der Massenkommunikation, 1. Aufl., Uvk. Ebersbach, Anja, Markus Glaser und Richard Heigl (2008): Social Web, 1. Aufl., UTB, Stuttgart. Graber, Doris A. (1988): Processing the News: How People Tame the Information Tide, 2. Aufl.,
Longman Group United Kingdom. Hughes, Amanda Lee und Leysia Palen (2009): “Twitter adoption and use in mass convergence and
emergency events,” International Journal of Emergency Management 3/6, S. 248 -‐ 260, http://www.inderscience.com/search/index.php?action=record&rec_id=31564 (zugegriffen am 19.2.2010).
Kwak, Haewoon u. a. (2010): “What is Twitter, a social network or a news media?,” Proceedings of the 19th international conference on World wide web -‐ WWW '10, Raleigh, North Carolina, USA, S. 591, http://an.kaist.ac.kr/traces/WWW2010.html (zugegriffen am 6.7.2010).
Maireder, Axel (2010): Twitter in Österreich: Strukturen, Formen und Themen österreichischer Tweets, https://fedora.phaidra.univie.ac.at/fedora/get/o:52344/bdef:Asset/view (zugegriffen am 6.7.2010).
Matthes, Jörg (2007): Framing-‐Effekte, 1. Aufl., Fischer Reinhard. Mensing, Donica (2010): “Understanding new modes of journalistiv creation and distribution: An
analysis of Twitter and Facebook updates about climate change,” Babeş-‐Bolyai University, Cluj, Romania.
Naaman, Mor, Jeffrey Boase und Chih Lai (2010): “Is it really about me?: message content in social awareness streams,” CSCW '10: Proceedings of the 2010 ACM conference on Computer supported cooperative work, Savannah, Georgia, USA: ACM, S. 192, 189, http://dx.doi.org/10.1145/1718918.1718953 (zugegriffen am 17.6.2010).
O'Reilly, Tim (2005): “What Is Web 2.0 -‐ O'Reilly Media,” http://oreilly.com/web2/archive/what-‐is-‐web-‐20.html (zugegriffen am 6.7.2010).
Schaap, Gabi (2009): Interpreting Television News, Walter de Gruyter. Scheufele, Bertram (2003): Frames -‐ Framing -‐ Framing-‐Effekte: theoretische und methodische
Grundlegung des Framing-‐Ansatzes sowie empirische Befunde zur Nachrichtenproduktion, VS Verlag.
Schmidt, Jan (2009): Das neue Netz: Merkmale, Praktiken und Folgen des Web 2.0, 1. Aufl., UVK Verlagsgesellschaft mbH.
SFGate (2010): “Facebook directs more online users than Google,” http://www.sfgate.com/cgi-‐bin/article.cgi?f=/c/a/2010/02/14/BUU51C0AMN.DTL#ixzz0rfU0EVSL (zugegriffen am 6.7.2010).
Sommer, Denise (2010): Nachrichten im Gespräch : eine empirische Studie zur Bedeutung von Anschlusskommunikation für die Rezeption von Fernsehnachrichten, Baden-‐Baden: Nomos.
KONTAKT:
Mag. Axel Maireder Universitätsassistent (prae-‐doc) Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien Schopenhauerstrasse 32, 1180 Wien Tel: +43 1 4277 49375 E-‐Mail: axel.maireder (AT) univie.ac.at Web: http://homepage.univie.ac.at/axel.maireder