gastroforum schwerin 2014 programm - drfalkpharma.de · 4 im jahre 2012 hat eine studiengruppe aus...

27
Abstracts Entzündungen des Dickdarms – Appendizitis, Divertikulitis, Colitis Schwerin Samstag, 6. September 2014 9.00 – 15.30 Uhr Veranstaltungsort: Industrie- und Handelskammer zu Schwerin Ludwig-Bölkow-Haus Graf-Schack-Allee 12 19053 Schwerin Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. J.-P. Ritz, Schwerin

Upload: others

Post on 01-Nov-2019

1 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Abstracts

Entzündungen des Dickdarms – Appendizitis, Divertikulitis, Colitis Schwerin

Samstag, 6. September 2014 9.00 – 15.30 Uhr

Veranstaltungsort: Industrie- und Handelskammer zu Schwerin Ludwig-Bölkow-Haus Graf-Schack-Allee 12 19053 Schwerin

Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. J.-P. Ritz, Schwerin

1

Programm

Seite

9.00 Uhr Begrüßung Prof. Dr. J.-P. Ritz, Schwerin

Appendizitis – alles geklärt?

Vorsitz: Dr. H. Bannier, Schwerin Prof. Dr. A.J. Kroesen, Köln

9.10 Uhr Reicht die klinische Untersuchung aus? Differenzialdiagnose und diagnostischer Algorithmus (ohne Abstract) Prof. Dr. K. Herrlinger, Hamburg

9.40 Uhr Appendizitis: eine chirurgische Erkrankung! Gibt es Fälle, die konservativ behandelt werden dürfen? PD Dr. Dr. U.J. Roblick, Hamburg 3 – 4

10.10 Uhr Operatives Vorgehen – Laparoskopie für jeden Patienten? Prof. Dr. K. Ludwig, Rostock 5 – 7

10.40 – 11.00 Uhr Kaffeepause

Divertikulitis – leitliniengerecht

Vorsitz: Prof. Dr. K. Fellermann, Lübeck PD Dr. Dr. U.J. Roblick, Hamburg

11.00 Uhr Konservative Therapie der akuten Divertikulitis – brauchen wir Antibiotika oder Nahrungskarenz? Prof. Dr. W. Kruis, Köln 8 – 10

11.30 Uhr Bei welchen Patienten besteht noch eine OP-Indikation? Prof. Dr. J.-P. Ritz, Schwerin 11 – 15

12.00 Uhr Rezidivierende Divertikulitis – was ist überhaupt ein Rezidiv und wie kann ich es verhindern? Prof. Dr. M.E. Kreis, Berlin 16 – 18

2

12.30 Uhr Vorgehen bei der perforierten Divertikulitis – Resektion, Intervention oder einfach nur Lavage? Prof. Dr. T. Keck, Lübeck 19 – 20

13.00 – 14.00 Uhr Mittagspause mit Imbiss

Colitis ulcerosa, Colitis Crohn, Colitis indeterminata

Vorsitz: Prof. Dr. H.J. Buhr, Berlin Dr. J. Ringel, Rostock

14.00 Uhr Differenzialdiagnostische Abklärung – wie kann man die Krankheitsbilder auseinanderhalten? Prof. Dr. K. Fellermann, Lübeck 21 – 23

14.30 Uhr Konservative Therapie – womit und wie lange? Müssen es immer Immunsuppressiva sein? (ohne Abstract) Prof. Dr. H.G. Lamprecht, Rostock

15.00 Uhr Operatives Vorgehen – besser früh als zu spät? Welches Verfahren ist das beste? Prof. Dr. A.J. Kroesen, Köln 24 – 25

15.30 Uhr Verabschiedung

Anschriften der Referenten und Vorsitzenden siehe Seite 27

3

Appendizitis: eine chirurgische Erkrankung! Gibt es Fälle, die

konservativ behandelt werden dürfen?

U.J. Roblick

Klinik für Chirurgie, Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg

Die akute Appendizitis ist eine der häufigsten Diagnosen in chirurgischen Kliniken.

Seit Einführung der laparoskopischen Appendektomie hat sich die Zahl der

operativen Interventionen progressiv erhöht. Dies beruht auf der Sicherheit dieser

Operationstechnik, den exzellenten kosmetischen Ergebnissen bei häufig jungen

Patienten und der oft kurzen Hospitalisierung der Betroffenen.

In medizinisch mangelversorgten Regionen der Erde und in Extremsituationen

(z. B. Arktische Forschungsstationen) müssen Appendizitis-Erkrankte immer wieder

ohne Operation konservativ-antibiotisch behandelt werden. So wird in den letzten

Jahren immer häufiger die Frage diskutiert, ob eine konservative Therapie bei einer

unkomplizierten Appendizitis mit Antibiotikabehandlung eine adäquate Therapie-

alternative darstellen könnte.

Als Diskussionsgrundlagen gelten hier, dass der Patient einer Narkose ausgesetzt

wird, die postoperative Darmatonie, die Gefahr von Wundinfekten oder Peritonitis,

Verwachsungsbeschwerden und ggf. konsekutive Fertilitätsstörungen bei weiblichen

Patienten. Die Grundfrage ist also: Sind Morbidität und Mortalität bei operativem

Therapieansatz einer unkomplizierten Appendizitis höher als die antibiotische

Behandlung?

Eine Cochrane-Analyse hat sich mit dieser Fragestellung beschäftigt (Wilms et al.

2011). In der Analyse der Cochrane-Datenbank wurden kontrolliert randomisierte

Studien evaluiert. Insgesamt wird die globale Studienlage/-qualität zu dieser

Thematik von den Cochrane-Autoren als mäßig eingestuft. 5 Studien wurden in der

Analyse beurteilt. Nach Meinung der Autoren weisen die evaluierten Studien nicht die

Qualität auf, die notwendig wäre, um eine Überlegenheit der Appendektomie

respektive der antibiotischen Therapie bei einer unkomplizierten Appendizitis heraus-

zuarbeiten. Somit wird bei der gegenwärtigen Evidenzlage die Appendektomie (in der

Cochrane-Analyse) weiterhin als Goldstandard zur Therapie der akuten Appendizitis

angesehen.

4

Im Jahre 2012 hat eine Studiengruppe aus Nottingham (Varadhan et al. 2012) eine

Meta-Analyse zu dieser Fragestellung erstellt. Die Analyse basiert auf 4 Studien.

Primäre Endpunkte waren relevante Komplikationen, wie z. B. Wundinfekte, Perfora-

tionen und Peritonitis. Medikamentös wurden Amoxicillin + Clavulansäure oder

Cefotaxim verabreicht, auch die Kombinationen mit einem Imidazol wurden gegeben.

In den 4 Studien war der konservative Therapieansatz in 50–75% erfolgreich. Die

Krankenhausverweildauer war bei konservativer und operativer Behandlung

vergleichbar. Komplizierte Befunde waren in beiden Gruppen gleich häufig. Von den

zunächst erfolgreich konservativ-antibiotisch therapierten Patienten wurden 20%

wegen wiederauftretender Beschwerden nochmals stationär behandelt und dann in

der Regel auch appendektomiert. Kritik an den der Meta-Analyse zugrunde

liegenden Studien betreffen die Randomisierungsmethoden und die schlechte

„Vergleichbarkeit“ der definierten Endpunkte.

Im Fazit bleibt die Appendektomie – meist laparoskopisch durchgeführt – die

Standardtherapie bei Appendizitis. Auch die Identifikation der Patienten mit

unkomplizierter Appendizitis, also von Befunden mit geringem Perforationsrisiko, ist

nicht immer trivial. Dennoch wird die Möglichkeit der konservativen Therapie

weiterhin kontrovers diskutiert werden.

Literatur:

Wilms IMHA, de Hoog DENM, de Visser DC, Janzing HMJ. Appendectomy versus antibiotic treatment for acute appendicitis. Cochrane Database Syst Rev. 2011(11):CD008359.

Varadhan KK, Neal KR, Lobo DN. Safety and efficacy of antibiotics compared with appendicectomy for treatment of uncomplicated acute appendicitis: meta-analysis of randomised controlled trials. BMJ. 2012;344: e2156.

5

Operatives Vorgehen – Laparoskopie für jeden Patienten?

K. Ludwig

Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Klinikum Südstadt,

Rostock

Jährlich werden ca. 125.000 Appendektomien im Erwachsenenalter in Deutschland

durchgeführt. Damit gehört dieser Eingriff zu den 50 häufigsten Operationsverfahren

und sollte eine zumindest weitestgehende Standardisierung erfahren, um flächen-

deckend mit hoher Sicherheit und Qualität betroffene Patienten zu behandeln. In

diesem Zusammenhang ist die Diskussion, ob offen (konventionell) oder minimal-

invasiv operiert werden sollte, im praktischen Alltag längst zugunsten der minimal-

invasiven Vorgehensweise entschieden. In der aktuellen Fachliteratur werden in-

zwischen vergleichende Analysen zu unterschiedlichen laparoskopischen Techniken

vorgestellt (z. B. Single-Port-Chirurgie vs. Drei-Port-MIC). Kann also heute der

Einsatz der generellen Laparoskopie bei dieser Indikation bereits empfohlen werden?

Um diese Frage zu beantworten, kann die Diagnosestellung und chirurgische

Therapie der akuten Appendizitis aus 3 Blickwinkeln betrachtet werden.

Blickwinkel 1: Diagnosestellung und -sicherheit einer akuten Appendizitis

Der Vorteil der Laparoskopie liegt im gleichermaßen diagnostischen wie

therapeutischen Ansatz der Methode. Allerdings geben die aktuellen Studien zur bild-

gebenden Diagnosestellung einer akuten Appendizitis für die Ultraschall (US)-Unter-

suchung, die CT und MRT inzwischen Sensitivitäten von 85–100% und Spezifitäten

von ebenfalls 84–100% an, sodass der diagnostische Zugewinn einer Laparoskopie

durchaus hinterfragt werden muss. Während der US fest in der Routinediagnostik

etabliert ist, wird der Einsatz der CT- und MRT-Untersuchung aus Kostengründen

und mit Hinweis auf eine erhöhte Strahlenbelastung (für die CT) kontrovers diskutiert,

auch wenn die diagnostische Trefferquote offenbar beeindruckend ist – zumindest in

den mittleren „Reifungsstadien“ einer akuten Appendizitis zwischen phlegmonösen

Veränderungen bis hin zur Perforation. Gerne wird dabei übersehen, dass diese

exzellenten Ergebnisse auch dadurch zustande kommen, dass nahezu 85–95% der

untersuchten Patienten in eben diesen mittleren Entzündungsstadien untersucht

werden. Die Trefferquote in der Initialphase der akuten Appendizitis sinkt auf knapp

6

66% und die Detektion einer Perforation kann sogar nur mit 59%iger Wahrschein-

lichkeit in einer CT vorhergesagt werden (Hansen et al., 2004). Nahezu unüber-

sichtlich wird die bildgebende Festlegung auf eine komplizierte Appendizitis bei

generalisierter Peritonitis, eine durchaus vorstellbare Situation aus der Praxis, die in

den vorliegenden Untersuchungen fast komplett ausgeklammert wurde.

An dieser Stelle kann der Vorteil der diagnostischen Komponente einer Laparoskopie

durchaus zum Tragen kommen, zumal insbesondere in der Frühphase einer

Appendizitis neben einer makroskopischen Unterscheidung zwischen operations-

und nicht-resektionspflichtigem Befund differenzialdiagnostische Abklärungen mit

ggf. Gewebebestimmungen möglich sind. Auch bei akuten Appendizitiden in der

Schwangerschaft lässt sich durch den Einsatz der Laparoskopie die variable Lage

der Appendix wesentlich besser bestimmen und im Regelfall dann auch

komplikationsarm operieren. Im Umkehrschluss ist der Einsatz der Laparoskopie am

Ende einer durchlaufenen Appendizitis mit dann stattgefundener Perforation und

ausgedehnterer Peritonitis eher kritisch zu sehen, da in dieser Situation zumeist der

entsprechende Raum und eine ausreichende Übersicht für eine solide minimal-

invasive Manipulation nicht erzielt werden können.

Blickwinkel 2: Bietet die offene (konventionelle) Appendektomie Vorteile?

Diese Frage wurde in einem 2010 aktualisierten Chochrane Review eindeutig

beantwortet: weitestgehend nein. Sauerland und Kollegen konnten nach Auswertung

von 67 Studien mit über 6000 Patienten in den Parametern Wundinfektion, Schmerz,

Kostaufbau, postoperative Darmfunktion, Krankenhausaufenthalt, früh-postoperative

Erholung mit Wiedererlangung der vollen körperlichen und sportlichen Aktivität sowie

der Kosmetik jeweils signifikante Vorteile für die laparoskopische Appendektomie

(LA) nachweisen. Lediglich im Hinblick auf die OP-Dauer erwies sich die offene

Appendektomie (OA) als durchschnittlich 10 Minuten kürzer. Auch wurden nach OA

gepoolt signifikant weniger intraabdominale Abszesse registriert. Allerdings war die

Heterogenität bei Analyse dieses Zielkriteriums groß. Ein Zusammenhang zum

Appendixstumpfverschluss bei LA (Loop vs. Stapler) ließ sich nicht herstellen.

Einschränkend muss an dieser Stelle jedoch parallel zu den Ergebnissen der

bildgebenden Untersuchungsverfahren beachtet werden, dass Patienten mit Per-

foration und generalisierter Peritonitis weitestgehend unberücksichtigt blieben und

die Mehrzahl der Studien über IT-Analysen die Umstiegsgruppe mit diagnostischer

7

Laparoskopie und anschließender offener Operation/Lavage nicht ausreichend

diskriminierte.

Blickwinkel 3: chirurgische Schule/Motivation

Fast 25 Jahre nach Einführung der minimalinvasiven Chirurgie (MIC) hat diese

Technik viele Routineoperationen in der täglichen Praxis verändert. Kein Chirurg

würde heute auf die Idee kommen, seinen Patienten eine unkomplizierte Chole-

zystektomie in offener Technik anzubieten. Im Gegensatz dazu finden wir in anderen

Eingriffsbereichen – trotz exzellenter Ergebnisse der MIC – Chirurgen, die beispiels-

weise mit hohem Engagement jedes Rektumkarzinom laparoskopisch operieren, ihre

Hernienrepairs jedoch offen durchführen und umgekehrt. Die Appendektomie stellt

momentan immer noch eine Eingriffsrubrik dar, in welcher sich chirurgische Schulen,

persönliche Motivationen und Erfahrungen dahingehend widerspiegeln, dass OA wie

LA gleichermaßen bevorzugt oder zurückgestellt werden. Auch nach kritischer

Analyse der aktuell verfügbaren Evidenz mit deutlichen Vorteilen für die LA, ist die

OA auch bei vergleichsweise leichteren Entzündungsstadien als etabliertes

Verfahren anzusehen und in komplexen Situationen (z. B. bei generalisierter

Peritonitis) ohnehin häufig unumgänglich.

Zusammenfassend lässt sich also feststellen: operatives Vorgehen bei akuter Appen-

dizitis – Laparoskopie für fast jeden Patienten empfohlen (Ausnahme generalisierte

Peritonitis nach Perforation). Laparoskopische Appendektomie empfohlen, soweit die

persönliche Expertise und die lokalen Verhältnisse eine sichere Kontrolle der

Resektion ermöglichen. Ein verantwortungsvoller Umstieg ist kein Beinbruch und die

primär offene Appendektomie (ohne Laparoskopie) nach wie vor akzeptiert.

8

Konservative Therapie der akuten Divertikulitis – brauchen wir

Antibiotika oder Nahrungskarenz?

W. Kruis

Innere Medizin, Evangelisches Krankenhaus Kalk, Köln

Divertikel des Kolons sind in der Regel Herniationen der Mukosa durch Muskellücken

und damit im eigentlichen Sinne Pseudodivertikel. Mindestens 40% der über

70-Jährigen weisen Kolondivertikel auf, wobei kein Geschlechtsunterschied feststell-

bar ist.

Etwa 20–30% aller Divertikelträger werden symptomatisch. Im Falle von Attacken

(Schüben) bestehen immer Symptome wie Schmerzen und Stuhlunregelmäßig-

keiten, die mit Zeichen einer Entzündung, ggf. mit lokaler Abwehrspannung, Leuko-

zytose und einer Erhöhung von BSG/CRP einhergehen können. Für die Planung der

Behandlung ist die exakte Klassifizierung des aktuellen Krankheitsbildes uner-

lässlich. Die Leitlinienkommission der DGVS hat zur Divertikelkrankheit/Divertikulitis

eine moderne Klassifikation entwickelt (Tab. 1). Man unterscheidet bei der akuten

Erkrankung eine unkomplizierte (Typ 1) von einer komplizierten (Typ 2) Form, wobei

die beiden Typen noch in Unterformen differenziert werden. Die Diagnose und die

Unterscheidung in die verschiedenen Formen wird durch Ultraschall oder Computer-

tomografie gesichert. Komplikationen sind Perforation, Blutungen, Fisteln und

Stenosen.

Die Planung der Behandlung orientiert sich an der Situation des Betroffenen.

Die akute unkomplizierte Divertikelkrankheit/Divertikulitis (Typ 1a,b) wird

konservativ je nach Schwere ambulant mit Spasmolytika oder stationär mit Elektrolyt-

und Flüssigkeitsersatz sowie Daueranalgesie per infusionem behandelt. Zur Indika-

tion für Antibiotika bei der unkomplizierten, milden bis mäßig schweren Divertikulitis

schreibt die Leitlinie: „Bei akuter unkomplizierter linksseitiger Divertikulitis ohne

Risikoindikatoren für einen komplizierten Verlauf kann unter engmaschiger klinischer

Kontrolle auf eine Antibiotikatherapie verzichtet werden.“ Allerdings: „Eine

Antibiotikatherapie einer akuten unkomplizierten linksseitigen Divertikulitis sollte bei

Patienten mit Risikoindikatoren für einen komplizierten Verlauf durchgeführt werden.“

9

Risikoindikatoren für einen komplizierten Verlauf sind arterielle Hypertonie,

chronische Nierenerkrankungen, Immunsuppression und allergische Disposition.

Zur Ernährung wird empfohlen: „In Abhängigkeit von der klinischen Situation kann

eine orale Nahrungszufuhr erfolgen.“ Bedacht werden sollte jedoch, dass Nahrungs-

karenz einen gewissen analgetischen Effekt haben kann.

Bei akuter komplizierter Divertikulitis (Typ 2) lautet hingegen die Empfehlung: „Bei

der komplizierten Divertikulitis soll eine Antibiotikatherapie durchgeführt werden.“ Der

intravenösen Substitution von Flüssigkeit und Elektrolyten kommt hier eine

besondere Bedeutung zu, wohingegen man auf orale Nahrungszufuhr, zumindest

initial, meist verzichten wird.

10

Klassifikation der Divertikulitis/Divertikelkrankheit Classification of diverticular disease – CDD

Typ 0 Asymptomatische Divertikulose

Zufallsbefund; asymptomatisch Keine Krankheit

Typ 1 Akute unkomplizierte Divertikelkrankheit/Divertikulitis

Typ 1a Divertikulitis/Divertikelkrankheit ohne Umgebungsreaktion

Auf die Divertikel beziehbare Symptome Entzündungszeichen (Labor): optional Typische Schnittbildgebung

Typ 1b Divertikulitis mit phlegmonöser Umgebungsreaktion

Entzündungszeichen (Labor): obligat Schnittbildgebung: phlegmonöse Divertikulitis

Typ 2 Akute komplizierte Divertikulitis wie 1b, zusätzlich:

Typ 2a Mikroabszess Gedeckte Perforation, kleiner Abszess (≤ 1 cm); minimale parakolische Luft

Typ 2b Makroabszess Para- oder mesokolischer Abszess (> 1 cm)

Typ 2c Freie Perforation Freie Perforation, freie Luft/Flüssigkeit Generalisierte Peritonitis

Typ 2c1 Eitrige Peritonitis Typ 2c2 Fäkale Peritonitis

Typ 3 Chronische Divertikelkrankheit Rezidivierende oder anhaltende symptomatische Divertikelkrankheit

Typ 3a Symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit (SUDD)

Typische Klinik Entzündungszeichen (Labor): optional

Typ 3b Rezidivierende Divertikulitis ohne Komplikationen

Entzündungszeichen (Labor): vorhanden Schnittbildgebung: typisch

Typ 3c Rezidivierende Divertikulitis mit Komplikationen

Nachweis von Stenosen, Fisteln, Konglomerat

Typ 4 Divertikelblutung Nachweis der Blutungsquelle

Tab. 1: Klassifikation der Divertikelkrankheit/Divertikulitis entsprechend dem

Vorschlag der Leilinienkommission DGVS/DGAV 2014

11

Bei welchen Patienten besteht noch eine OP-Indikation?

J.-P. Ritz

Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Onkologisches Zentrum – Darmkrebs-

zentrum, Helios Kliniken Schwerin

Die Inzidenz der Sigmadivertikulitis ist in allen Industrieländern in den vergangenen

Jahren steigend. Auffällig ist dabei, dass neben der bekannten hohen Inzidenz bei

älteren Patienten zunehmend auch jüngere Patienten einen Divertikulitisschub

erleiden. Insgesamt entwickeln jedoch weniger als 5% aller Patienten mit Divertikeln

klinisch nachweisbare Entzündungssymptome. Voraussetzung für die operative

Indikationsstellung bei diesen Patienten ist eine klinisch leicht anwendbare Stadien-

einteilung. Die CT-Untersuchung mit rektaler Erfüllung bietet dabei die sicherste

Methode prätherapeutisch das Ausmaß und den Schweregrad der Entzündung

sicher festzulegen. Klinisch hat sich in Deutschland für die Stadieneinteilung die

Klassifikation nach Hansen und Stock bewährt, da diese das gesamte Spektrum der

Erkrankung umfasst. Mit der neuen deutschen Sigmadivertikulitis-Leitlinie wurde eine

neue Klassifikation der Erkrankung entworfen, die sich an der Hansen-Stock-Klassifi-

kation orientiert und eine detaillierte Unterteilung der unkomplizierten und

komplizierten Erkrankungsstadien ermöglicht (s. Tab. 1).

Unkomplizierte Divertikulitis

Zur unkomplizierten Divertikulitis zählen klinisch nachgewiesene divertikelbezogene

Symptome mit Entzündungszeichen, lokalem Druckschmerz, Wandverdickung und

phlegmonöser Umgebungsreaktion ohne Zeichen einer Perforation oder Komplika-

tion. Dieses Stadium der Erkrankung wird im angloamerikanischen Schrifttum als

milde Divertikulitis klassifiziert (siehe Abb. 1 und 2). Patienten, die einen Erkran-

kungsschub mit dieser Ausprägung erleiden, haben ein Rezidivrisiko von etwa 2%

pro Jahr, wobei die Rezidive mild verlaufen und nur in etwa 3% operationspflichtig

sind. Das Risiko, dass ein Patient nach einem Schub einer unkomplizierten

Divertikulitis eine Notfalloperation mit Kontinuitätsresektion erleidet, liegt bei etwa 1

in 2000 Patientenjahren. Daraus ergibt sich, dass für diese Patienten keine

Operationsindikation mehr besteht. Die konservative Therapie steht hier eindeutig im

Vordergrund. Eine Ausnahme bilden Patienten mit medikamentöser oder klinischer

12

Immunsuppression. Diese Patienten haben eine hohes Letalitäts- und Rezidivrisiko,

sodass hier bereits beim ersten Schub einer Divertikulitis die Operationsindikation

gestellt werden sollte.

Abb. 1: Akute Sigmadivertikulitis mit lokaler Wandverdickung ohne Umge-

bungsreaktion (Typ 1 nach Hansen-Stock; Typ 1a nach neuer Leitlinien-

klassifikation)

Abb. 2: Akute Sigmadivertikulitis mit lokaler Wandverdickung plus phlegmo-

nöser Umgebungsreaktion (Typ 2a nach Hansen-Stock; Typ 1b nach neuer

Leitlinienklassifikation)

13

Komplizierte Divertikulitis

Hierzu zählen alle Fälle, bei denen neben der wandüberschreitenden akuten

Entzündung eine gedeckte oder freie Perforation auftritt. Bei diesen Patienten

besteht eine Operationsindikation. Bei der gedeckten Perforation wird die Operation

im entzündungsfreien Intervall empfohlen. Ein Makroabszess sollte, wenn möglich,

vorher interventionell drainiert werden (Abb. 3). Die perforierte Divertikulitis stellt eine

Indikation zur Notfalloperation dar. Ob bei der Notfalloperation eine primäre

Anastomose oder eine Diskontinuitätsresektion durchgeführt wird, hängt vom intra-

operativen Befund ab. Vergleichende prospektive randomisierte Studien hierzu

liegen nicht vor. Insgesamt zeigt sich jedoch, dass Patienten mit septischem

Krankheitsbild, Immunsuppression oder Multimorbidität eine Diskontinuitätsresektion

erhalten sollten.

Abb. 3: Akute Sigmadivertikulitis mit gedeckter Perforation und Abszess

> 1 cm Typ 2b nach Hansen-Stock; Typ 2b nach neuer Leitlinienklassifikation)

Rezidivierende Divertikulitis

Das Risiko eines Rezidivs hängt vom Ausmaß des initialen Entzündungsschubs ab.

Insgesamt entwickeln nur etwa 10–15% der Patienten nach einem initialen Schub

einen weiteren Schub der Erkrankung. Das Risiko einer freien Perforation und damit

notwendigen Notfalloperation liegt beim Rezidiv unter 5%, da mit der Anzahl der

Entzündungsschübe das Komplikationsrisiko sinkt. Der erste Divertikulitisschub ist

der gefährlichste. Die Indikation zur Operation darf daher nicht von der Anzahl der

14

Entzündungsschübe abhängig gemacht werden. Das aktuelle Ausmaß der Entzün-

dung, der aktuelle Krankheitszustand des Patienten und die Begleiterkrankungen

müssen hier in die Entscheidung miteinbezogen werden. Eine generelle elektive

Intervalloperation in Abhängigkeit von der Anzahl der vorausgegangenen entzünd-

lichen Schübe ist nicht gerechtfertigt. Führen rezidivierende Entzündungsschübe

jedoch zu Komplikationen wie Stenose oder Fistelbildung besteht eine klare

Operationsindikation.

Zusammenfassend zeigt sich ein Wandel in der operativen Therapie der

Divertikulitis. Durch die Nutzung der neuen leitliniengerechten deutschen Klassifi-

kation der Sigmadivertikulitis wird die Unterscheidung zwischen unkomplizierter und

komplizierter Sigmadivertikulitis deutlicher herausgearbeitet. Die unkomplizierte

Sigmadivertikulitis ohne Perforation stellt außer bei immunsuppressiven Patienten.

keine Operationsindikation dar. Die komplizierte Divertikulitis mit akuter gedeckter

oder freier Perforation stellt eine Operationsindikation dar, ebenso die chronische

Divertikulitis mit Ausbildung von Fisteln und Stenosen.

15

Tab. 1: Klassifikation der Deutschen Leitlinienkonferenz der DGVS und DGAV

Typ Bezeichnung

Typ 0 Asymptomatische Divertikulose

Zufallsbefund; asymptomatisch Keine Krankheit.

Typ 1 Unkomplizierte Divertikulitis Divertikelbezogene Symptome; Entzündungszeichen, Bildgebung mit spezifischem Befund

Typ 1a Divertikulitis ohne Umgebungsreaktion

Entzündungszeichen (Labor, Klinik), entzündetes Divertikel

Typ 1b Divertikulitis mit phlegmonöser Umgebungsreaktion

Phlegmonöse Divertikulitis mit Wandverdickung, Peridivertikulitis

Typ 2 Komplizierte Divertikulitis

Typ 2a Mikroabszess Gedeckte Perforation, kleiner Abszess (≤ 1 cm); minimale parakolische Luft

Typ 2b Makroabszess Parakolischer oder mesokolischer Abszess

Typ 2c Freie Perforation Freie Perforation, freie Luft/Flüssigkeit Generalisierte Peritonitis

Typ 2c1 Eitrige Peritonitis Typ 2c2 Fäkale Peritonitis

Typ 3 Chronische Divertikelkrankheit Rezidivierende oder anhaltend symptomatische Divertikelkrankheit

Typ 3a Symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit (SUDD)

DD Reizdarm; Entzündungszeichen optional (Divertikulosenachweis)

Typ 3b Rezidivierende Divertikulitis ohne Komplikationen

Entzündungszeichen, entzündetes Divertikel

Typ 3c Rezidivierende Divertikulitis mit Komplikationen

Fistel, Stenose, Konglomerat

Typ 4 Divertikelblutung

16

Rezidivierende Divertikulitis – was ist überhaupt ein Rezidiv

und wie kann ich es verhindern?

M.E. Kreis

Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie, Charité – Universitätsmedizin,

Campus Benjamin Franklin (CBF), Berlin

Die Divertikulose des Sigmas ist dadurch gekennzeichnet, dass sie eine sehr hohe

Prävalenz von über 70% bei der älteren Bevölkerung hat. Allerdings erkranken nach

Schätzungen wohl nur etwa 10% der Divertikelträger in irgendeiner Weise aufgrund

dieser Veränderungen. Während die Divertikelblutung eine eher seltene Problematik

darstellt, macht den Hauptteil der Patienten die Divertikulitis, also die Entzündung

von Divertikeln, aus.

Entsprechend der Klassifikation der Divertikulitis/Divertelkrankheit der Deutschen

Leitlinie [1] wird die rezidivierende Divertikulitis bzw. chronische Divertikelkrankheit,

rezidivierende oder anhaltende symptomatische Divertikelkrankheit als Typ III einge-

teilt. Abzugrenzen von der rezidivierenden Divertikulitis ist die symptomatische

unkomplizierte Divertikelkrankheit (SUDD), die nicht zwingend mit Entzündungs-

zeichen im Labor einhergeht. Hingegen ist die rezidivierende Divertikulitis mit oder

ohne Komplikationen durch Entzündungszeichen im Labor, typische klinische

Beschwerden und eine entsprechende passende Abbildung in einer Schnittbild-

gebung (in der Regel Computertomografie oder Sonografie) gekennzeichnet. Der

Typ IIIc fällt ebenfalls unter rezidivierende Divertikulitis und wird als „mit Kompli-

kationen“ charakterisiert. Komplikationen sind beispielsweise Stenosen, Fisteln oder

die Ausbildung eines Konglomerattumors. Insofern kann entsprechend der Frage-

stellung die rezidivierende Divertikulitis als Typ IIIb und Typ IIIc, nach der neuen

deutschen Klassifikation definiert werden.

Die zweite zu beantwortende Frage, wie ein Rezidiv verhindert werden kann, soll

unter 3 Aspekten diskutiert werden:

1. Es gibt Hinweise dafür, dass die Divertikelausbildung mit verschiedenen

Risikofaktoren einhergeht. Hierzu gehören die Einnahme von nicht-steroidalen

Antiphlogistika, Übergewicht bzw. Adipositas, geringe Ballaststoffzufuhr sowie

17

geringe körperliche Aktivität. Diese Faktoren führen nachweislich zu einem

erhöhten primären Risiko für eine symptomatische Divertikelkrankheit. Ist die

Divertikulitis aber bereits einmal aufgetreten und wieder ausgeheilt; liegen keine

generellen Empfehlungen zur konservativen Sekundärprophylaxe vor. Hier können

somit aufgrund einer unzureichenden Datenlage keine Empfehlungen hinsichtlich

Ernährung, Lebensstil, körperliche Aktivität, Medikamente etc. gegeben werden.

Dies wurde auch entsprechend im Rahmen der Leitlinie in einem Statement

dokumentiert. Folglich können zwar Empfehlungen nach einer stattgehabten

Divertikulitis ausgesprochen werden, jedoch inwieweit diese das Rezidiv ver-

hindern; ist völlig offen.

2. Während die symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit mit Mesalazin

oral behandelt werden kann, ergab eine entsprechende randomisierte placebo-

kontrollierte Studie [2] den Effekt von Mesalazin, Mesalazin plus ein Präanti-

biotikum auf gastrointestinale Symptome von 117 Patienten mit stattgehabter, im

CT dokumentierter akuter Divertikulitis über 1 Jahr untersucht keine Reduktion der

Divertikulitisrezidivrate nach 1 Jahr in den 3 Gruppen. Auch fand sich in einer

anderen randomisierten kontrollierten Studie mit 2 x 800 mg Mesalazin versus

Placebo nach 24 Monaten kein Unterschied in der Divertikulitisrate zwischen

beiden Gruppen (Literaturzitat 310 der Leitlinie). Folglich gibt es derzeit keine sinn-

volle medikamentöse Therapieoption, um nach stattgehabter und ausgeheilter

Divertikulitis das Risiko eines Rezidivs zu reduzieren.

3. Nach einer Sigmaresektion sind Divertikulitisrezidive außerordentlich selten. Sie

werden mit einer Häufigkeit von 2,7–9,6% angegeben (Literaturzitat 217 der

Leitlinie). Wichtig ist, dass das Resektionsausmaß nach oral adäquat sein muss,

d. h. die Anastomose sollte im oberen Rektumdrittel liegen und es darf kein

Sigmaanteil belassen werden. Somit stellt die Operation das beste Verfahren dar,

ein Rezidiv zu verhindern, jedoch müssen natürlich die Operationsrisiken in

Zusammenhang mit dem intrinsischen Risiko für eine Rezidiv-Sigmadivertikulitis

oder für eine Rezidivdivertikulitis individuell und mit Augenmaß gegeneinander

abgewogen werden. Hier sind insbesondere auch Faktoren wie die Komorbidität

des Patienten, individuelle Patientenpräferenz sowie Häufigkeit und Ausmaß der

Divertikulitisschübe zu berücksichtigen. Hier sind prospektive Studien erforderlich,

um eine bessere Datengrundlage für die Abschätzung des individuellen Rezidiv-

risikos zu generieren.

18

Abb. 1

Zusammenfassung

Das Divertikulitisrezidiv lässt sich weder medikamentös noch durch Lebensstilver-

änderungen verhindern. Zumindest liegen hierfür keine gesicherten Daten vor. Das

einzige Verfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit das Rezidiv zu verhindern, besteht in

der Sigmaresektion, die allerdings technisch adäquat mit Anastomose auf das obere

Rektumdrittel durchgeführt werden muss. Die Operation mit ihren Risiken ist aber

selbstverständlich individuell gegen die Komorbidität des Patienten, das Rezidivrisiko

sowie den Verlauf und individuelle Präferenzen des Patienten abzuwägen.

Literatur:

1. Leifeld L, Germer CT, Böhm S, Dumoulin FL, Häuser W, Kreis M, et al. S2k-Leitlinie Divertikelkrankheit/Divertikulitis. Z Gastroenterol. 2014;52(7):663–710.

2. Stollman N, Magowan S, Shanahan F, Quigley EM; DIVA Investigator Group. Arandomized controlled study of mesalamine after acute diverticulitis: results ofthe DIVA trial. J Clin Gastroenterol. 2013;47(7):621–9.

3. Parente F, Bargiggia S, Prada A, Bortoli A, Giacosa A, Germanà B, et al.Intermittent treatment with mesalazine in the prevention of diverticulitis recur-rence: a randomised multicentre pilot double-blind placebo-controlled study of24-month duration. Int J Colorectal Dis. 2013;28(10):1423–31.

19

Vorgehen bei der perforierten Divertikulitis – Resektion,

Intervention oder einfach nur Lavage?

T. Keck

Klinik für Chirurgie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck

Die perforierte Sigmadivertikulitis wird nach neuerer Definition über die aktuelle

Leitlinie als akute komplizierte Divertikulitis (Typ 2) klassifiziert. Diese kann graduell

mit der Ausbildung von Mikroabszessen (Typ 2a), Makroabszessen (Typ 2b) oder

freier Perforation einhergehen (Typ 2c). Patienten mit einer komplizierten Diverti-

kulitis sollten primär stationär behandelt werden, wobei auf eine ausreichende

Flüssigkeitszufuhr und die Gabe von Antibiotika zu achten ist.

Behandlung im Stadium 2a und 2b

Sollte es im weiteren Verlauf der Erkrankung nicht zu einem Ansprechen auf die

adäquate konservative Therapie der Erkrankung im Stadium 2a und 2b kommen, so

sollte eine Operation mit aufgeschobener Dringlichkeit durchgeführt werden. Werden

Patienten in diesen Stadien dagegen erfolgreich konservativ behandelt, so sollte die

Operation im entzündungsfreien Intervall erfolgen. Zum Bridging und zur Unter-

stützung der zunächst konservativen Therapie können retroperitoneale und para-

kolische Abszesse interventionell mittels Sonografie oder CT drainiert werden, falls

dies notwendig erscheint. Ist eine Punktion dieser Abszesse nicht möglich oder

bessert sich der Zustand der Patienten nicht innerhalb von 72 Stunden, so sollte

auch primär in diesem Stadium operiert werden.

Behandlung im Stadium 2c

Patienten mit einer freien Perforation und Peritonitis sollten unmittelbar als Notfall

operiert werden. Auch wenn bei entsprechender Erfahrung die Operation laparo-

skopisch begonnen werden kann, macht gerade die Notwendigkeit der inter-

enterischen Lavage bei freier Perforation in der Regel die offene konventionelle

Operation notwendig. Die Operation sollte hierbei als Resektion des divertikel-

tragenden Darms und der sogenannten Hochdruckzone mit primärer Anastomose

und vorgeschaltetem Ileostoma erfolgen. Die Diskontinuitätsresektion nach

Hartmann sollte nur speziellen Fällen (septischer und instabiler Patient) vorenthalten

20

bleiben, da hier davon auszugehen ist, dass eine Vielzahl von Patienten nicht

sekundär das Stoma rückverlagert bekommen. Die laparoskopische Peritoneallavage

und Drainage ohne Resektion kann bei bisheriger Datenlage nicht generell

empfohlen werden, wobei derzeit 2 prospektive randomisierte Studien (DIALA-Studie

und LADIES Trial) zu diesem Thema Patienten rekrutieren und einige positive Daten

aus nicht-kontrollierten Studien zu diesem Thema existieren.

Zusammenfassend ist also zu konstatieren, dass sich gerade in der Behandlung der

komplizierten Sigmadivertikulitis in den letzten Jahren ganz erhebliche Verände-

rungen ergeben haben. Diese gehen hin zu einem mehr konservativen Vorgehen in

Verbindung mit interventionellen Verfahren zum Bridging von Patienten und dem

Einsatz neuer primär anastomosierender OP-Techniken und ggf. auch nur Lavage

und Drainage bei freier Perforation.

21

Differenzialdiagnostische Abklärung – wie kann man die

Krankheitsbilder auseinanderhalten?

K. Fellermann

Innere Medizin I, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck

Differenzialdiagnose

Bis heute beruht die Diagnose chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED) auf

4 Säulen. Neben dem Beschwerdebild des Patienten werden hierzu die Endoskopie,

die Histologie und die bildgebende Diagnostik (MRT, Sonografie) herangezogen.

Jede Untersuchung für sich genommen vermittelt nur einen ungenauen Eindruck und

ist nicht in der Lage, andere Erkrankungen, wie z. B. infektiöse Darmerkrankungen,

verlässlich abzugrenzen oder gar die endgültige Diagnose zu stellen. Auch unter

Einsatz aller Möglichkeiten verbleibt eine Unsicherheit, die sich in dem Terminus

einer unklassifizierten Kolitis niederschlägt. Diese weist Charakteristika eines Morbus

Crohn (MC) und einer Colitis ulcerosa (CU) bei ausschließlichem Befall des Dick-

darms auf. Im Verlauf der Erkrankung ist ggf. eine weitere Zuordnung möglich. Die

endgültige Diagnose einer Colitis indeterminata kann erst der Pathologe nach

Kolektomie stellen. Andererseits ist bekannt, dass ein Teil der Erkrankungen im

Verlauf einem Wandel unterliegt, sodass die Diagnose unter Umständen revidiert

werden muss. Dieses hat Einfluss auf mögliche Therapieoptionen und ist entschei-

dend für die Wahl eines möglichen operativen Vorgehens. Im Folgenden wird die

Wertigkeit in der Differenzialdiagnostik zusammengefasst, die Möglichkeiten der

Methoden zur Aktivitätsbeurteilung sind hiervon ausgenommen.

Klinik

Das Beschwerdebild hängt bei CED weniger von der Entität denn von der

Lokalisation der Erkrankung ab. Der Dünndarmbefall neigt zu wässriger, groß-

volumiger Diarrhö und Bauchschmerzen. Blutbeimengungen oder blutiger, klein-

volumiger Durchfall und Tenesmen sind hingegen Symptome eines Dickdarmbefalls.

Eine Colitis Crohn kann dabei ähnliche Symptome wie eine CU aufweisen. Auch

systemische Entzündungszeichen sind kein Unterscheidungsmerkmal, ebenso wenig

extraintestinale Manifestationen, die bei beiden Formen der CED auftreten können.

22

Somit können die Beschwerden einen Hinweis auf die Lokalisation geben und bei

Dünndarmsymptomatik auf das Vorliegen eines MC hinweisen.

Endoskopie

Charakteristische Bilder sind bekannt. Wesentliche Unterschiede sind der

segmentale Befall bei MC und die kontinuierliche Entzündung bei CU. Allerdings gibt

es Ausnahmen von dieser Regel. Der Rektumbefall ist bei CU sehr häufig, ein

Fehlen dieser Beteiligung schließt eine CU dennoch nicht aus. Eine Skip-Läsion um

das Appendixostium im Coecum ist bei CU nicht ungewöhnlich und sollte aufgrund

des diskontinuierlichen Befalls nicht zur Diagnose eines MC führen. Weitere

Elemente, die mehr auf die eine als auf die andere Form einer CED hinweisen sind

Aphthen, Pflastersteinrelief, snail trails, Stenosen und Fisteln. Alles Befunde, die

einen MC wahrscheinlich erscheinen lassen. Bei der CU wird man eher eine

granuläre Zeichnung, diffuse Rötung und Kontakt- bzw. Spontanblutungen finden,

aber auch hier können tiefe Ulzera die Einordnung erschweren. Die Hinzunahme der

Kapselendoskopie oder auch Doppelballon-Enteroskopie zum Nachweis einer

Dünndarmentzündung kann die Diagnostik in unklaren Fällen ergänzen.

Histologie

Ähnlich wie mit der Endoskopie kann über Stufenbiopsien Aufschluss über das

Verteilungsmuster gegeben werden. Gerade der Nachweis von epitheloidzelligen

Granulomen wird als Garant für die Diagnose eines MC herangezogen. Dieses sollte

aber nicht dazu verleiten, bei Fehlen solcher Veränderungen auf eine CU zu

schließen. Weitere diagnostische, histologische Hinweise für einen MC sind Aphthen,

Erosionen und Fisteln. Bei einer CU findet man hingegen Kryptenabszesse, Becher-

zellverlust oder auch eine Panethzellmetaplasie. Zahlreiche Charakteristika werden

aber von beiden Erkrankungen geteilt, was die Unterscheidung erschwert.

Sonografie

Mit dem Ultraschall kann nicht-invasiv Aufschluss über das Verteilungsmuster

gegeben werden. Der segmentale Charakter der Entzündung stellt sich mitunter

ebenso wie die Beteiligung des Dünndarms dar. Die Wanddicke des Darms fällt beim

MC tendenziell stärker aus ist aber kein sicheres Unterscheidungsmerkmal. Eine

mesenteriale Umgebungsreaktion und begleitende Lymphadenopathie kann bei

23

beiden Erkrankungen, vor allem beim schweren Schub, aufgezeigt werden. Auch

eine Hyperämie lässt sich in beiden Fällen feststellen.

Magnetresonanztomografie (MRT)

Eine Domäne dieser Bildgebung ist die Beurteilung des Dünndarms entweder in der

Form als Enterografie oder als Enteroklysma. Hiermit kann nicht nur die Darmwand

näher beurteilt werden, sondern es können auch Aussagen zur Umgebung getroffen

werden. Gerade komplexe Fistelsysteme bilden sich hiermit gut ab und lassen die

Diagnose eines MC wahrscheinlich erscheinen. Der Dünndarmbefall an sich schließt

eine CU schon weitgehend aus, Ausnahme ist die Backwash-Ileitis. Anders ist die

Situation bei Beurteilung des Dickdarms. Hier weist das Verfahren deutliche

Schwächen auf und hilft nicht bei der Differenzierung. Das Becken-MRT gilt neben

der Endosonografie als Standard in der weiterführenden Beurteilung des Rektum-

befalls bei MC, vor allem wenn es darum geht, Fisteln zu dokumentieren.

Serologie und Genetik

Verschiedene Serummarker sind in der Lage, in der Diagnostik einen Beitrag zu

leisten. Aufgrund der niedrigen Sensitivität können sie zwar nicht allgemein

empfohlen werden, bei unklaren Befunden können sie aber einen bestehenden

Verdacht untermauern. Sollte die Diagnostik bislang nicht eindeutig sein, kann mit

bestimmten Antikörperkombinationen (ASCA, pANCA) ein weiterer Hinweis zur

Entität gegeben werden. Genetische Untersuchungen haben zur Klärung der

Pathogenese entscheidend beigetragen, doch CED – speziell der MC – sind keine

monogenetischen Erkrankungen. Demnach gibt es keine singuläre genetische

Veränderung und keine Testkombination, die derzeit im klinischen Kontext

Anwendung findet. Zudem hat sich gezeigt, dass eine Vielzahl von Polymorphismen

bei beiden Erkrankungen nachzuweisen ist. Bis auf Weiteres ist die Genetik der

Grundlagenforschung vorbehalten.

Damit ist ersichtlich, dass nur das Kompositum aus allen Befunden eine Einordnung

verlässlich garantiert. Trotz all dieser Maßnahmen wird man bei ca. 10% der Fälle

diese schuldig bleiben und eine unklassifizierte Entzündung konstatieren.

24

Operatives Vorgehen – besser früh als zu spät? Welches

Verfahren ist das beste?

A.J. Kroesen

Allgemein- und Viszeralchirurgie, Krankenhaus Porz am Rhein, Köln

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen des Kolons können eine differenzial-

diagnostische Herausforderung darstellen. Kann sich der Pathologe nicht eindeutig

festlegen, entscheiden klinisches Erscheinungsbild und Verlauf. Für alle 3 Erschei-

nungsbilder gilt es, den optimalen Zeitpunkt zur Operation festzulegen. Bei Malignität

schreibt die Leitlinie ein eindeutiges Vorgehen vor. Allerdings besteht bei dem

Vorliegen einer Low-grade intestinalen Neoplasie nach wie vor Unsicherheit

bezüglich des Vorgehens. Wegen der schlechten Überwachbarkeit und der

schwierigen Identifizierung wird von chirurgischer Seite eher zur frühzeitigen

Operation geraten, wohingegen von gastroenterologischer Seite eher die Über-

wachung präferiert wird. Die Datenlage kann keines der beiden Vorgehen prinzipiell

ablehnen oder nicht.

Bei High-grade intraepithelialen Neoplasien und manifestem Karzinom besteht

Konsens zur sofortigen Operation.

Beim therapierefraktären Verlauf existiert durch den extrem breitflächigen Einsatz

von Anti-TNF-alpha-Antikörpern häufig ein therapeutisches Dilemma. Durch die

Verfügbarkeit von mittlerweile 3 verschiedenen Antikörpern zusätzlich zu der

etablierten Basistherapie (Prednisolon, 5-ASA, Azathioprin, Calcineurininhibitoren)

werden zu viele Therapieansätze ausprobiert, was dazu führt, dass die für die

Lebensqualitätsverbesserung notwendige Operationsindikation zu spät gestellt wird.

Erkauft wird dieses „Ausprobieren“ mit einem schlechteren Ernährungszustand und

vor allem einer schlechteren Immunlage. Dies gilt vor allem bei Mehrfachimmun-

suppression und ist in der Literatur gut belegt sowie mit einer erhöhten

perioperativen Komplikationsrate verbunden.

Daher sollte die Operationsindikation möglichst bereits nach Versagen eines hoch-

potenten Immunsuppressivums (Anti-TNF-alpha-Antikörper, Calcineurininhibtor)

25

gestellt bzw. der Patient einem erfahrenen CED-Chirurgen zur Beratung vorgestellt

werden.

Zur Therapie der Colitis ulcerosa ist die Proktokolektomie mit ileo-J-Pouch-analer

Anastomose das Verfahren der Wahl. Bei der Colitis Crohn und der Colitis indeter-

minata hängt die Wahl des Operationsverfahrens maßgeblich vom Vorhanden- oder

Nichtvorhandensein anorektaler Fisteln und eines Dünndarmbefalls ab. Auch bei

diesen Krankheitsbildern ist prinzipiell eine restaurative Proktokolektomie möglich,

geht aber mit einer Versagensrate von 10–50% einher.

27

Anschriften der Referenten und Vorsitzenden

Dr. Hubert Bannier Gastroenterologie Helios Kliniken Schwerin Wismarsche Str. 393–397 19049 Schwerin

Prof. Dr. Heinz J. Buhr Direktor emeritus Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie Charité – Universitätsmedizin Campus Benjamin Franklin (CBF) Hindenburgdamm 30 12203 Berlin

Prof. Dr. Klaus Fellermann Innere Medizin I Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck Ratzeburger Allee 160 23562 Lübeck

Prof. Dr. Klaus Herrlinger Innere Medizin I Asklepios Klinik Nord Betriebsteil Heidberg Tangstedter Landstr. 400 22417 Hamburg

Prof. Dr. Tobias Keck Klinik für Chirurgie Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck Ratzeburger Allee 160 23562 Lübeck

Prof. Dr. Martin E. Kreis Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie Charité – Universitätsmedizin Campus Benjamin Franklin (CBF) Hindenburgdamm 30 12203 Berlin

Prof. Dr. Anton J. Kroesen Allgemein- und Viszeralchirurgie Krankenhaus Porz am Rhein Urbacher Weg 19 51149 Köln

Prof. Dr. Wolfgang Kruis Innere Medizin Evangelisches Krankenhaus Kalk Buchforststr. 2 51103 Köln

Prof. Dr. Hans Georg Lamprecht Gastroenterologie Klinikum der Universität Rostock Ernst-Heydemann-Str. 6 18057 Rostock

Prof. Dr. Kaja Ludwig Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie Klinikum Südstadt Südring 81 18059 Rostock

Dr. Jörg Ringel Internist St. Petersburger Str. 18 c 18107 Rostock

Prof. Dr. Jörg-Peter Ritz Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Onkologisches Zentrum – Darmkrebszentrum Helios Kliniken Schwerin Wismarsche Str. 393–397 19049 Schwerin

PD Dr. Dr. Uwe J. Roblick Klinik für Chirurgie Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg Hohe Weide 17 20259 Hamburg