gastroforum stuttgart 2014 programm - drfalkpharma.de · vaskularisierter tumor im pankreas...
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Abstracts
Gastroenterologie und Hepatologie kompakt – aktuelle Therapiestandards 2014
Stuttgart
Samstag, 10. Mai 2014 9.00 – 15.00 Uhr
Veranstaltungsort: Alte Reithalle Stuttgart/ Maritim Hotel Seidenstr. 34 70174 Stuttgart
Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Dr. h.c. W. G. Zoller, Stuttgart
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Programm
Seite
9.00 Uhr Begrüßung und Einführung Prof. Dr. Dr. h. c. W.G. Zoller, Stuttgart
Session I: Ösophagus, Magen, Pankreas
Vorsitz: Prof. Dr. J. Köninger, Stuttgart Prof. Dr. Dr. h. c. W.G. Zoller, Stuttgart
9.10 Uhr Endoskopie-Update 2014 – Wo sind die Grenzen? (ohne Abstract) Prof. Dr. H. Messmann, Augsburg
9.35 Uhr Chronische Pankreatitis, Autoimmunpankreatitis – unklare Raumforderungen – Wie sicher sind wirin der Abgrenzung und Therapieentscheidung? – aus internistischer SichtProf. Dr. R.M. Schmid, München 3 – 7
10.00 Uhr – aus chirurgischer SichtProf. Dr. T. Hackert, Prof. Dr. Dr. h. c. mult. M.W. Büchler, Heidelberg 8 – 10
Session II: Leber/Galle
Vorsitz: Prof. Dr. Dr. h. c. W. Stremmel, Heidelberg Prof. Dr. R. Thimme, Freiburg
10.30 Uhr Virushepatitiden – neue Trends in der Therapie Prof. Dr. M.P. Manns, Hannover 11 – 13
10.55 Uhr Autoimmune Leber- und Gallenwegser-krankungen Prof. Dr. N.P. Malek, Tübingen 14
11.20–11.45 Uhr Kaffeepause
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Session III: Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Vorsitz: Prof. Dr. T. Andus, Stuttgart Prof. Dr. M. Staritz, Villingen-Schwenningen
11.45 Uhr Genetik, Umweltfaktoren und Barrierestörungen – Einfluss auf Therapie und Verlauf Prof. Dr. M.F. Neurath, Erlangen 15 – 16
12.10 Uhr Bottom-up oder Top-down – Therapie heute? Prof. Dr. S. Schreiber, Kiel 17
12.35 Uhr Management von Therapie-Risiken bei CED (ohne Abstract) Dr. T. Bösing, Stuttgart
13.00 Uhr Von der Infektion/Entzündung zum Reizdarmsyndrom – Konsequenzen für Diagnostik und Therapie Prof. Dr. T. Frieling, Krefeld 18 – 22
13.25–14.00 Uhr Mittagspause und Imbiss
Session IV: Gastroenterologische Onkologie
Vorsitz: Dr. W. Bohle, Stuttgart Prof. Dr. K. Caca, Ludwigsburg
14.00 Uhr Interdisziplinäre Therapie des Kolonkarzinoms – internistische Therapiestandards Prof. Dr. T. Seufferlein, Ulm 23 – 26
14.25 Uhr Chirurgische Therapiestandards Prof. Dr. J. Köninger, Stuttgart 27
14.50 Uhr Zusammenfassung Prof. Dr. Dr. h. c. W.G. Zoller, Stuttgart
Anschriften der Referenten und Vorsitzenden siehe Seiten 29 – 30
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Chronische Pankreatitis, Autoimmunpankreatitis – unklare
Raumforderungen – Wie sicher sind wir in der Abgrenzung und
Therapieentscheidung?
– aus internistischer Sicht
R.M. Schmid
Medizinische Klinik II, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München
Bei Symptomen wie Gewichtsabnahme, schmerzloser Ikterus, Rückenschmerzen
und neu aufgetretenem Diabetes mellitus oder ungeklärter Thrombose denkt jeder an
die Verdachtsdiagnose Pankreaskarzinom. Wird dann in der Bildgebung ein hypo-
vaskularisierter Tumor im Pankreas gesehen, geht es vor allem um die Frage der
Resektabilität und Operabilität. Schwieriger wird es bei Zufallsbefunden oder wenn
die Gesamtschau der Befunde nicht stimmig ist. Durch die Entwicklung und
Verfügbarkeit neuer Schnittbildverfahren werden Läsionen im Pankreas häufiger
diagnostiziert und man wird dadurch mit der Problematik „unklare Raumforderung“ im
Pankreas konfrontiert.
Pankreaskarzinom
Das Pankreaskarzinom kann nur durch die Resektion kurativ therapiert werden, dies
trifft aber nur für eine kleine Minderheit von Patienten zu. Bei der überwiegenden
Mehrheit der Patienten handelt es sich zum Diagnosezeitpunkt bereits um eine
metastasierte Erkrankung, sodass die Resektion in der Regel eine palliative
Maßnahme ist. Die Tumorgröße spielt für die Prognose nicht die entscheidende
Rolle, da das Pankreaskarzinom früh in Lymphknoten, Leber, Lunge und Peritoneum
metastasiert. Übergewicht und Rauchen sind Risikofaktoren. Verschiedene
Vorläuferläsionen wurden für das Pankreaskarzinom identifiziert. Dazu zählen
pankreatische intraepitheliale Neoplasien (PanIN), intraduktale papilläre muzinöse
Neoplasien (IPMN) und muzinöse zystische Neoplasien (MCN). Die Normal-
bevölkerung hat ein kumulatives Risiko von 1–2% mit 75 Jahren. Sehr selten sind
hereditäre Tumorsyndrome, die mit einem erhöhten Risiko für ein Pankreaskarzinom
einhergehen. Schon häufiger ist das familiäre Pankreaskarzinom (FPC), das 3–10%
der Pankreaskarzinome betrifft. Das kumulative Risiko für die Entwicklung eines
Pankreaskarzinoms in FPC-Familien liegt bei 5–20% mit 70 Jahren und ist damit bis
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60-fach erhöht gegenüber der Normalbevölkerung. Bisher wird ein Screening für
diese Hochrisikopersonen außerhalb von Studien nicht empfohlen. Ein sinnvolles
Screening setzt voraus, das „High-grade“-Läsionen identifiziert und diese einer
kurativen Therapie zugeführt werden können. Für das Pankreas sind diese Läsionen:
PanIN2–3, IPMN und MCN mit „Carcinoma in situ“. Als diagnostische Verfahren
stehen uns die Endosonografie, das MRT, das Spiral-CT, die ERCP und das PET zur
Verfügung. Studien bei Patienten mit FPC zeigen, dass PanIN-Läsionen mit den zur
Verfügung stehenden bildgebenden Verfahren nicht diagnostiziert werden können. In
25% der Fälle wurden bei der Operation keine neoplastischen Läsionen gefunden, in
40% der Fälle wurden Patienten mit „Low-grade“-Neoplasien pankreatektomiert und
nur 35% der Patienten wiesen „High-grade“-Neoplasien oder invasive Karzinome auf.
Bei über 70% der Risikopersonen wurden in der Endosonografie und der ERCP
Zeichen der chronischen Pankreatitis gefunden.
Zystische Neoplasien im Pankreas
Durch die breit angewendete Bildgebung nimmt vor allem die Diagnose „zystische
Pankreasläsion“ in Form von Zufallsbefunden zu. Die Prävalenz dieser zystischen
Läsionen steigt mit dem Alter an. Muzinöse zystische Neoplasien weisen im Gegen-
satz zu serösen zystischen Neoplasien ein malignes Potenzial auf. Daher zielt die
Diagnostik darauf ab neoplastische von nicht-neoplastischen Läsionen, aber auch
muzinöse von serösen Läsionen zu unterscheiden.
Intraduktale papilläre muzinöse Neoplasien (IPMN), muzinöse zystische Neoplasien
(MCN), seröse zystische Neoplasien und solide pseudopapilläre Neoplasien (SPN)
machen 95% des Spektrums der zystischen Neoplasien aus. MCN und SPN müssen
in der Regel aufgrund ihres malignen Potenzials reseziert werden. SCN werden,
wenn asymptomatisch, nicht reseziert, da sie in der Regel nicht entarten. Bei den
IPMN werden der Hauptgangtyp und der Seitengangtyp unterschieden. Hauptgang-
IPMN sollen in der Regel reseziert, Seitengang-IPMN können meist überwacht
werden. Die 5-Jahres-Karzinomentwicklung liegt bei Seitengang-IPMN bei 6,9%, die
Inzidenz für ein duktales Adenokarzinom des Pankreas liegt bei 1,1% pro Jahr. In
präklinischen Studien werden derzeit Methoden für optische Biopsien beim Pankreas
entwickelt. Unserer Erfahrung nach sind die MRT/MRCP und der endoskopische
Ultraschall komplementäre diagnostische Methoden. Bei unklaren Fällen kann die
durch Punktion gewonnene Zystenflüssigkeit untersucht werden. Die häufigste
Läsion ist die IPMN. Die MRT/MRCP erlaubt die Detektion der Zahl der zystischen
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Läsionen, die Beziehung zum Pankreashauptgang und die Größe der Läsion. Der
endoskopische Ultraschall ist in der Erkennung muraler Knoten und der Beziehung
der Läsion zum Pankreashauptgang bei Seitengang-IPMN überlegen. Die Seiten-
gang-IPMN bedürfen einer genauen Einschätzung des Risikos, welches u. a. von
Zysten-Charakteristika wie dem histologischen Subtyp und Risikofaktoren wie der
Größe, soliden Anteilen und einer Gangdilatation abhängt. Während unspezifische
abdominale Beschwerden keinen diagnostischen Wert haben, sind ein Gewichts-
verlust, ein Ikterus, ein neu diagnostizierter Diabetes mellitus und erhöhte CA 19-9-
Werte im Serum Warnsymptome für eine maligne Entartung. Asymptomatische
Seitengang-IPMN ohne murale Knoten, ohne Hauptgangbeteiligung und einer Größe
< 3 cm können überwacht werden.
Autoimmune Pankreatitis
Die autoimmune Pankreatitis (AIP) ist eine besondere Form der Pankreatitis.
Histologisch lassen sich 2 verschiedene Formen der AIP unterscheiden. Die Histo-
logie der lymphoplasmazytischen sklerosierenden Pankreatitis (LPSP) ist charakteri-
siert durch periduktale und interlobuläre Fibrose und eine ausgeprägte Infiltration mit
CD4+- oder CD8+-T-Lymphozyten. Eine perineurale Infiltration sowie eine obliterative
Phlebitis können nachgewiesen werden. Die endosonografische Feinnadelaspiration
kann hilfreich sein, falls IgG4-positive Plasmazellen nachgewiesen werden können.
Mit der Trucut-Biopsie wird eine Sensitivität von 86–100% erreicht. Davon zu
unterscheiden ist die idiopathische duktzentrische Pankreatitis (IDCP), die durch eine
Infiltration mit Neutrophilen charakterisiert ist. IgG4-positive Plasmazellen finden sich
bei der IDCP nicht. Im Gegensatz zur LPSP finden sich bei der IDCP keine
Serumveränderungen und keine extrapankreatischen Manifestationen.
Es gibt eine häufige Assoziation von AIP mit sklerosierender Cholangitis. Die
Prävalenz bei Patienten mit chronischer Pankreatitis (CP) wird auf etwa 2%
geschätzt. Aufgrund der manchmal schwierigen Differenzialdiagnose zum Pankreas-
karzinom findet sich bei 2,4% der Pankreasresektionen histologisch eine AIP.
Bei Patienten mit einer IgG4-assoziierten Erkrankung wird häufig zunächst eine
maligne Erkrankung vermutet. Die Erkrankung beginnt in der Regel schleichend. Nur
ein kleiner Teil der Patienten (< 10%) weist eine B-Symptomatik wie Gewichtsverlust
und Fieber oder eine akute systemische entzündliche Reaktion mit Akutphasen-
reaktion auf.
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Die AIP (IgG4-AIP) kann mit verschiedenen Symptomen auffällig werden. Klinisch
präsentiert sich die AIP häufig als schmerzloser Ikterus, was die differenzial-
diagnostische Abgrenzung zum Pankreaskarzinom schwierig macht. Es finden sich
keine Schübe einer akuten Pankreatitis. Des Weiteren können Abdominal- oder
Rückenschmerzen, Gewichtsverlust oder ein Diabetes mellitus sowie eine milde
exokrine Pankreasinsuffizienz auftreten.
Eine diffuse Vergrößerung des Pankreas und ein Verstreichen der lobulierten Kontur
sind typische Zeichen der AIP. Die betroffenen Pankreasläsionen weisen eine
reduzierte T1-Gewichtung im Vergleich zur Leber auf. Die fibroinflammatorischen
Veränderungen betreffen zusätzlich das peripankreatische Fettgewebe, das in der
T2-Gewichtung hypointens imponiert. Ein diffusionsgewichtetes MRT eignet sich zur
Differenzialdiagnose AIP und Pankreaskarzinom. Während sich beim Pankreas-
karzinom eine solitäre Läsion im diffusionsgewichtetes MRT nachweisen lässt, sind
bei der AIP hohe Signalintensitäten entweder diffus, multipel oder solitär zu sehen.
Der Diffusionskoeffizient ist signifikant niedriger im Vergleich zum Pankreaskarzinom.
Im Ultraschall und in der Endosonografie stellt sich ein vergrößertes hypoechogenes
Pankreas mit eingestreuten hyperechogenen Läsionen dar. Der Pankreashauptgang
stellt sich in der MRP häufig irregulär und eng (< 3 mm) dar.
Differenzialdiagnostische Schwierigkeiten kann das Pankreaskarzinom bereiten.
Verschiedene Algorithmen wurden hierzu veröffentlicht. Wir bevorzugen den
Nachweis von IgG4-positiven Plasmazellen in der Biopsie oder Feinnadelaspiration.
Die autoimmune Cholangitis tritt in bis zu 90% mit der IgG4-AIP auf. Es gibt
allerdings auch Fälle von IgG4-assoziierten Cholangitiden ohne Pankreasbeteiligung.
In diesem Fall kann die Diagnosestellung besonders schwierig sein. Ein Zytologie
aus dem Gallengang oder eine Biopsie aus der Papillenregion kann hilfreich sein,
falls sich IgG4-positive Zellen nachweisen lassen. Die Mehrzahl der Patienten spricht
sehr gut auf eine Steroidtherapie (Prednisolon 0,6 mg/kg KG) an. Die Indikation
besteht bei Ikterus durch Pankreaskopfschwellung oder symptomatische extra-
pankreatische Manifestation. Die Therapie spricht relativ schnell an. In der Regel
bessert sich die Symptomatik bereits nach 2 Wochen.
Chronische Pankreatitis
Die chronische Pankreatitis (CP) ist eine irreversible morphologische Veränderung
des Pankreasparenchyms mit Funktionseinschränkung. Alkoholabusus ist in
industrialisierten Ländern mit 70–80% der Fälle die Hauptursache einer CP. Weitere
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ätiologische Faktoren sind metabolische Störungen und anatomische Anomalien.
Ungefähr 5–10% der Patienten werden aufgrund ihrer Familienanamnese als
hereditär klassifiziert. In etwa 10–30% der Fälle findet sich keine auslösende
Ursache für die Erkrankung (sog. „idiopathische“ Pankreatitis). Hauptsymptome der
CP sind Bauchschmerzen, Maldigestion mit Steatorrhö und Diabetes mellitus.
Goldstandard zur Diagnose ist die Histologie, die aber wegen der Lage des Pankreas
praktisch nie zur Verfügung steht. Die Diagnose beruht also auf Klinik und
Bildgebung.
Bei CP ist das Risiko für ein Pankreaskarzinom erhöht, wurde aber in der
Vergangenheit deutlich überschätzt. Aufgrund der veränderten Morphologie des
Pankreas mit Parenchymatrophie, Verkalkungen, entzündlichen Schwellungen,
Pseudozysten und Fibrose ist es aber sehr schwierig, ein Pankreaskarzinom
auszuschließen.
Fazit für die Praxis
Die Problematik „unklare Raumforderung“ im Pankreas nimmt zu. Eine genaue
Kenntnis der Differenzialdiagnosen und moderne Diagnostik erlauben es, i. d. R. die
richtige Diagnose zu stellen. Bei einem Teil der Patienten bleibt allerdings die
Diagnose unsicher, was unter Einbeziehung einer genauen Risiko-Nutzen-Abwägung
ein individuelles Vorgehen erforderlich macht.
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Chronische Pankreatitis, Autoimmunpankreatitis – unklare
Raumforderungen – Wie sicher sind wir in der Abgrenzung und
Therapieentscheidung?
– aus chirurgischer Sicht
T. Hackert, M.W. Büchler
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universitätsklinikum
Heidelberg
Die Diagnostik bei unklaren Pankreasraumforderungen stellt in der Differenzial-
diagnose von benignen und malignen Prozessen eine Herausforderung dar. Hierbei
sind neben der Dignitätsbeurteilung zystischer Veränderungen [1] v. a. entzündliche
Erkrankungen wie die chronische Pankreatitis (CP) und die Autoimmunpankreatitis
(AIP) gelegentlich schwierig von prämalignen Veränderungen und Karzinomen zu
unterscheiden [2].
Als Grundpfeiler der Diagnostik dienen i. d. R. die Schnittbildgebung mittels CT oder
MRT sowie der endoskopische Ultraschall. Daneben müssen klinische Parameter
(z. B. Gewichtsverlust oder Ikterus) und der Tumormarker CA 19-9 in der
patientenbezogenen Entscheidungsfindung und Indikationsstellung zur Operation
berücksichtigt werden [2, 3]. Die Bedeutung der CT- oder endosonografisch
gesteuerten Punktion eines entsprechenden Befunds zur Histologiegewinnung kann
ebenfalls hilfreich sein, ist jedoch in der klinischen Praxis – insbesondere bei der
Feinnadelaspiration – mit erheblicher Unsicherheit verbunden. Auch wenn die
Sensitivität und Spezifität einer Biopsie mit 83% bzw. 100% als valide anzusehen ist,
beträgt der negative prädiktive Wert bei diesem Verfahren lediglich 72% [4]. Die
Durchführung einer sogenannten „Core-Biopsie“ kann hier zu besseren Ergebnissen
– v. a. bei der Diagnose einer AIP – führen, ist jedoch technisch anspruchsvoller und
dementsprechend mit einer höheren Komplikationsrate bezüglich Blutungen, Perfora-
tionen und potenzieller Tumoraussaat verbunden [5].
Ein wichtiger Parameter in der Entscheidungsfindung ist der Tumormarker CA 19-9
bei Vorliegen von malignen Veränderungen, allerdings besteht auch hier das
Problem des niedrigen negativen prädiktiven Werts, sodass ein erhöhtes CA 19-9
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zwar den Verdacht auf ein Malignom bei unklarer Raumforderung untermauert, ein
negativer Wert dies aber nicht ausschließt.
Bei begründetem Verdacht auf eine AIP (Bildgebung, IgG4-Wert) kann ein kurz-
zeitiger Therapieversuch mit Steroiden und unmittelbarer Verlaufskontrolle durch
Bildgebung gerechtfertigt sein, bei unklaren Befunden und Tumorverdacht (v. a. bei
AIP Typ 2 mit tumoröser Auftreibung des Kopfs; Abb. 1) kann jedoch die Resektion
indiziert sein, um eine definitive Klärung zu erzielen. Die Rate von AIP-Patienten mit
Resektion unter Tumorverdacht liegt daher in den größten bislang berichteten
Kollektiven bei ca. 5%, welche aufgrund der verbesserten diagnostische Möglich-
keiten in den vergangenen Jahren deutlich gesunken ist [6].
Abb. 1: Hypodense Raumforderung im Pankreaskopf (weißer Kreis), primär
malignitätsverdächtig. Histologisch Nachweis einer AIP Typ 2.
Besteht bei CP der Verdacht auf ein Malignom bildmorphologisch oder seitens des
Tumormarkers, sollte die Resektion durchgeführt werden, da anhand der radio-
logischen Veränderungen häufig keine hinreichende Differenzierung möglich ist und
das Risiko für das Vorliegen eines Karzinoms in diesem Patientenkollektiv deutlich
erhöht ist [2].
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Insgesamt liegt die Rate von benignen Befunden nach Pankreasresektion aufgrund
von Malignitätsverdacht in großen Kollektiven bei 5–13% [7]. Den größten Teil dieser
resezierten Veränderungen macht dabei mit ca. 75% die chronische Pankreatitis aus,
gefolgt von benignen Veränderungen des Gallengangs und zystischen Läsionen des
Pankreas.
Im internationalen Konsensus sollte daher bei unklarer Raumforderung im Pankreas
und Malignitätsverdacht anhand von Bildgebung, Symptomatik oder Tumormarkern
eine Resektion erfolgen. Die präoperative Histologiegewinnung ist in diesen Fällen
nicht indiziert. Ausnahme stellt die AIP dar, bei der eine Stanzbiopsie erfolgen sollte
und bei weiterhin bestehendem Verdacht ein kurzfristiger Therapieversuch mit
Steroiden sinnvoll ist [7].
Literatur: 1. Fritz S, Klauss M, Bergmann F, Hackert T, Hartwig W, Strobel O, et al. Small
(Sendai negative) branch-duct IPMNs: not harmless. Ann Surg. 2012;256(2): 313–20.
2. Hackert T, Schneider L, Büchler MW. [Surgical approach to chronic pancreatitis:
draining and resection procedure]. Chirurg. 2013;84(2):112–6. 3. Klauss M, Lemke A, Grünberg K, Simon D, Re TJ, Wente MN, et al. Intravoxel
incoherent motion MRI for the differentiation between mass forming chronic pancreatitis and pancreatic carcinoma. Invest Radiol. 2011;46(1):57–63.
4. Hartwig W, Schneider L, Diener MK, Bergmann F, Büchler MW, Werner J.
Preoperative tissue diagnosis for tumours of the pancreas. Br J Surg. 2009; 96(1):5–20.
5. Yun SS, Remotti H, Vazquez MF, Crapanzano JP, Saqi A. Endoscopic
ultrasound-guided biopsies of pancreatic masses: comparison between fine needle aspirations and needle core biopsies. Diagn Cytopathol. 2007;35(5): 276–82.
6. Gardner TB, Levy MJ, Takahashi N, Smyrk TC, Chari ST. Misdiagnosis of
autoimmune pancreatitis: a caution to clinicians. Am J Gastroenterol. 2009; 104(7):1620–3.
7. Asbun HJ, Conlon K, Fernandez-Cruz L, Friess H, Shrikhande SV, Adham M, et
al. When to perform a pancreatoduodenectomy in the absence of positive histology? A consensus statement by the International Study Group of Pancre-atic Surgery. Surgery. 2014. doi: 10.1016/j.surg.2013.12.032. [Epub ahead of print].
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Virushepatitiden – neue Trends in der Therapie
M.P. Manns
Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Medizinische
Hochschule Hannover
Die Therapie viraler Hepatitiden hat sich in den letzten 15 Jahren kontinuierlich
verändert und erfährt aktuell mit der Einführung Interferon-freier Therapien für die
Hepatitis C eine erneute Revolution. Hier werden kurz die wesentlichen Entwick-
lungen der letzten Jahre zusammengefasst.
Hepatitis B
In den letzten Jahren wurden gut etablierte Leitlinien zur Behandlung der Hepatitis B
publiziert, die auch weiterhin Gültigkeit besitzen (DGVS: Cornberg et al., Z Gastro-
enterol. 2011; EASL: J Hepatol. 2012). Grundsätzlich werden 2 verschiedene
Behandlungskonzepte unterschieden: Zum einen kann durch potente HBV-Poly-
meraseinhibitoren eine effektive Hemmung der Virusreplikation erreicht werden,
wobei die Resistenzentwicklung mit den hochpotenten Substanzen Entecavir und
Tenofovir praktisch kein Problem mehr darstellt. Allerdings benötigen die meisten
Patienten aktuell eine lebenslange Therapie, eine Beendigung der Nukleos(t)id-
Analoga-Therapie ist derzeit nur in Ausnahmefällen möglich. Im letzten Jahr ist in
mehreren Studien gezeigt worden, dass eine erfolgreiche Langzeittherapie der
Hepatitis B mit einer Rückbildung von frühen Leberzirrhosen und einer Reduktion der
Bildung hepatozellulärer Karzinome assoziiert ist. Weiterhin kann eine Therapie mit
pegyliertem Interferon-alpha (PEG-IFNα) in Erwägung gezogen werden. Damit ist
eine zeitlich limitierte Therapie möglich. Zudem ist bei einigen Patienten nicht nur
eine HBV-DNA-Reduktion, sondern sogar ein Verlust des HBsAg ein realistischer
klinischer Endpunkt, was einer serologischen Ausheilung entspricht. Zukünftige
Herausforderungen betreffen die Entwicklung einer personalisierten Therapie der
chronischen Hepatitis B durch die Kombination beider Therapiekonzepte. Als eine
vielversprechende Methode zur Individualisierung der Behandlungsdauer wird die
quantitative HBsAg-Messung diskutiert.
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Hepatitis C
Mit der Entwicklung zahlreicher neuer direkt-antiviraler Medikamente ist eine neue
Epoche in der Therapie der chronischen Hepatitis C angebrochen. Vor weniger als
3 Jahren hatte die Einführung der Triple-Therapie von PEG-IFNα, Ribavirin und
einem Proteaseinhibitor bereits eine erste Verbesserung der Heilungschancen
hervorgebracht, die allerdings mit einer zum Teil ausgeprägten Toxizität verbunden
war. Im Januar 2014 ist nun ein hochpotenter nukleotidischer Polymeraseinhibitor
(Sofosbuvir) gegen HCV zugelassen worden, der in Kombination mit Ribavirin
erstmals eine Interferon-freie Therapie zumindest für die HCV-Genotypen 2 und 3
sowie im Falle einer Interferon-Kontraindikation auch für die anderen Genotypen
ermöglicht. Im Laufe des Jahres 2014 werden voraussichtlich weitere direkt-antivirale
Substanzen zugelassen werden (der Proteaseinhibitor Simeprevir und der NS5A-
Inhibitor Daclatasvir), was die therapeutischen Möglichkeiten weiter verbessern wird.
Anfang 2015 werden dann 2 neue Kombinationstherapien erwartet, die eine Aushei-
lung der HCV-Infektion bei fast jedem Patienten innerhalb von 3 bis maximal
6 Monaten Therapie ohne Interferone ermöglichen wird (mehrere aktuelle Arbeiten
im N Engl J Med.). Es handelt sich zunächst um die Kombination eines HCV-Prote-
aseinhibitors mit einem NS5A-Inhibitor sowie einem nicht-nukleosidischen Polyme-
raseinhibitor oder um die Kombination des nukleosidischen Polymeraseinhibitors mit
einem NS5A-Inhibitor. Die Hepatitis-C-Therapie erfährt somit einen dramatischen
Umbruch. Es lohnt sich nun im besonderen, HCV-Infizierte durch Screening-
programme zu identifizieren, damit die langfristig HCV-assoziierte Morbidität und
Mortalität verhindert werden kann.
Hepatitis D
Die chronische Hepatitis D gilt als die schwerste Form der chronischen Virus-
hepatitis, da im Verlauf ein besonders hohes Risiko für Leberzirrhose und Leber-
zellkarzinome zu verzeichnen ist. Die Hepatitis D kann nur als Koinfektion bei
Hepatitis B auftreten. Die einzige wirksame Therapieoption ist PegIFNα. Eine große
Studie des „Kompetenznetz Hepatitis“ hat hier aktuell gezeigt, dass etwa ein Drittel
der Patienten von einer Therapie von bis zu 2 Jahren profitieren. Kombinations-
therapien mit HBV-Nukleotid- oder Nukleosidinhibitoren scheinen keinen zusätz-
lichen Nutzen zu haben.
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Hepatitis E
HEV-Infektionen sind in Deutschland wahrscheinlich sehr viel häufiger als bisher
angenommen, da zoonotische Übertragungen zum Beispiel durch Verzehr von nicht
ausreichend erhitztem Schweinfleische möglich sind. Während bei immunkom-
petenten Personen eine HEV-Infektion in der Regel zur klinisch unauffälligen Sero-
konversion oder zu einer akuten, selbstlimitierenden Hepatitis führt, wurden in den
letzten Jahren zahlreiche Fälle einer chronischen HEV-Infektion, assoziiert mit
progressiver Lebererkrankung, bei verschiedenen Kohorten von immunsupprimierten
Personen, wie z. B. Organtransplantierten, beschrieben. Eine Ribavirin-Monotherapie
ist effektiv und sollte zwischen 3–5 Monate durchgeführt werden (Pischke et al., Liver
Int. 2013). Vor 2 Jahren wurde in China ein Impfstoff gegen Hepatitis E zugelassen,
welcher allerdings in Europa bisher nicht verfügbar ist. HEV-Infektionen sind ganz
aktuell auch mit neurologischen Symptomen und dem Auftreten von Guillain-Barré-
Syndromen assoziiert worden.
Der Autor dankt Prof. Dr. Heiner Wedemeyer und Dr. Svenja Hardtke, Hannover, für die Unterstützung
bei der Abfassung des Abstracts.
14
Autoimmune Leber- und Gallenwegserkrankungen
N.P. Malek
Innere Medizin I, Universitätsklinikum Tübingen
Autoimmunhepatitis (AIH), primär biliäre Zirrhose (PBC) und primär sklerosierende
Cholangitis (PSC) sind insgesamt eher seltene Lebererkrankungen. Während die
AIH durch eine Kombination von verschiedenen Laborwerten und klinischen Para-
metern diagnostiziert wird, ist die PBC in der großen Mehrzahl der Fälle durch den
Nachweis von antimitochondrialen Antikörpern und die PSC durch das Auftreten von
Veränderungen an den Gallenwegen bzw. die Assoziation mit chronisch entzünd-
lichen Darmerkrankungen charakterisiert. Zu diesen typischen Befunden treten
Überlappungsformen hinzu, die sich durch das gleichzeitige Auftreten von
Symptomen verschiedener Erkrankungen auszeichnen und zu kombinierten
Diagnostik- und Therapiekonzepten führen müssen.
Ätiologisch sind in den letzten Jahren insbesondere im Bereich des Verständnisses
der PSC bemerkenswerte Fortschritte erzielt worden. Die aktuelle Forschung weist
hier auf ein komplexes Zusammenwirken von genetischer Prädisposition, Immun-
system und bakterieller Toxine hin, die gemeinschaftlich eine progrediente
Entzündung und Zerstörung des Gallenwegsystems bewirken. Auch die bisher als
Standard eingesetzte Behandlung von PSC-Patienten mit Ursodesoxycholsäure
(UDCA) wird mittlerweile kritisch diskutiert. Von großer Bedeutung für die
Behandlung von PSC-Patienten ist selbstverständlich die frühzeitige Diagnostik von
Gallengangkarzinomen, für die PSC-Patienten ein deutlich erhöhtes Risiko
aufweisen.
Die Therapie der AIH wird seit vielen Jahren mit Kortikosteroiden und Azathioprin
durchgeführt. Schwierigkeiten bereiten hier eher die Patienten, die auf diese
Therapie nur unvollständig oder gar nicht ansprechen und für die dann andere
immunsuppressive Therapien bereitgestellt werden müssen. Als prototypische Auto-
immunerkrankung scheint auch die PBC, für die in den letzten Jahren verschiedene
genetische Risikofaktoren identifiziert wurden, einer multifaktoriellen Ätiologie zu
unterliegen. Frühe Diagnose und konsequente Behandlung mit UDCA sind von
zentraler Bedeutung, um das Fortschreiten der PBC zu verhindern. Interessant und
klinisch von großem Potenzial sind hier u. a. neue Arbeiten zur Entstehung des
Pruritus, einem die Patienten außerordentlich stark quälenden Symptom.
15
Genetik, Umweltfaktoren und Barrierestörungen – Einfluss auf
Therapie und Verlauf
M.F. Neurath
Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum Erlangen
Die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) Morbus Crohn und Colitis
ulcerosa sind durch rezidivierende Entzündungsreaktionen der Darmwand
charakterisiert. Zahlreiche Untersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass
genetische Faktoren in der Pathogenese der CED von hoher Bedeutung sind.
Hierbei sind vor allem Gene relevant, die die angeborene Immunität, das Handling
von Bakterien und die Mukosabarriere regulieren. Neben den genetischen Faktoren
spielen Umweltfaktoren in der CED-Pathogenese eine Rolle. Hierzu gehören der
Einfluss des Rauchens auf den Krankheitsverlauf, die Bedeutung der Appendektomie
bei Colitis ulcerosa sowie Infektionen und Medikamente.
Der mukosalen Barriere kommt eine entscheidende Rolle in der CED-Pathogenese
zu. Neuere Studien können eine Translokation von Bakterien aus der kommensalen
Darmflora in die Darmwand bei CED nachweisen, wobei diese Translokation
offenbar nachfolgend eine Aktivierung des mukosalen Immunsystems bedingt.
Barrierestörungen scheinen auch der Entstehung von Schüben bei CED voraus-
zugehen.
Im Rahmen des Vortrags werden genetische Faktoren, Umweltfaktoren und Barriere-
störungen bei CED dargestellt und diskutiert. Ferner wird der Einfluss dieser
Faktoren auf Therapie und Verlauf der CED dargestellt.
16
Abb. 1: Pathogenese der CED
17
Bottom-up oder Top-down – Therapie heute?
S. Schreiber
Innere Medizin I, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind lebenslange chronische Erkrankungen. In
den letzten Jahren sind die Möglichkeiten zur Kontrolle der akuten Symptome durch
neue Therapien, aber auch einen konsequenten Einsatz deutlich besser geworden.
Zunehmend stehen daher eine langfristige Krankheitskontrolle und die Vermeidung
von Komplikationen im Vordergrund. Hierbei ist ein Ausgleich zwischen den
potenziellen Wirkungen, aber auch den Nebenwirkungen von Bedeutung.
Mit der Einführung der anti-TNF-Therapie stand die Hoffnung im Raum, eine
einmalige Therapie durchführen zu können, die den Verlauf des M. Crohn langfristig
beinflusst. Unter dieser Idee ist die Top-down-/Bottom-up-Studie entstanden, in der
die Einmaltherapie von anti-TNF gegen einen konventionellen Therapieansatz
(Steroide und Azathioprin) bei neu diagnostiziertem M. Crohn untersucht wurde. In
der klinischen Aktivität zeigte sich nach 1–2 Jahren kein Unterschied, jedoch zeigten
diejenigen Patienten, die einmalig anti-TNF erhalten hatten, noch 2 Jahre später
einen besseren endoskopischen Befund.
In der Folge wurde der Stellenwert eines früheren Einsatzes der anti-TNF-Therapie
bei M. Crohn in der SONIC-Studie untersucht. Die Patienten waren Azathioprin-naiv
und wurden in 3 Arme (Azathioprin, Infliximab und die Kombination beider
Substanzen) randomisiert. In dieser Studie ergab sich eine sehr hohe Remissions-
und Erhaltungsrate für die Infliximabtherapie, die durch Azathioprin zusätzlich
verstärkt wurde und dann Werte über 70% (steroidfreie Remission nach 1 Jahr)
erreichte.
In der Praxis ist die anti-TNF-Therapie aus dem Armamentarium des Gastro-
enterologen nicht wegzudenken. Allerdings werden die Dosierungen bei 30–50% der
Patienten im Verlauf erhöht. Dies weist darauf hin, dass die Dosierung eventuell
individuell angepasst werden muss, um die volle Effizienz zu erreichen. In
entsprechenden kontrollierten Studien ist dieses leider nie untersucht worden.
18
Von der Infektion/Entzündung zum Reizdarmsyndrom –
Konsequenzen für Diagnostik und Therapie
T. Frieling
Medizinische Klinik II, HELIOS Klinikum Krefeld
Das Reizdarmsyndrom (RDS) ist einer der häufigsten Gründe, warum Patienten den
Arzt aufsuchen und stellt hierdurch eine erhebliche sozioökonomische Belastung dar.
Das RDS wurde aufgrund der geschichtlichen Entwicklung bisher symptomenbasiert
definiert (Abdominalschmerzen bzw. -beschwerden – „discomfort“ – in Verbindung
mit Veränderungen des Stuhlverhaltens). Diese symptomenbasierte Definition durch
Symptomen-Cluster als Krankheit ist problematisch, da sich das hierdurch definierte
Patientenkollektiv bezüglich des Krankheitsverlaufs nicht grundsätzlich von anderen
Erkrankungen unterscheidet. Aufgrund dieser Problematik wurde die Definition des
RDS in einer aktuellen deutschen S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für
Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft
für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) erweitert. Hiernach müssen
3 Kriterien erfüllt sein, nämlich einzelne oder kombinierte chronische (> 3 Monate)
Darmsymptome, eine relevante Einschränkung der Lebensqualität und keine andere
im Rahmen der klinischen Untersuchung erhobene Ursache/Erkrankung für die
Beschwerden. Die Besonderheiten der neuen Definition des RDS sind, dass eine
Assoziation zu Stuhlgangveränderungen nicht mehr obligat ist, die Lebensqualität
aufgeführt wird und eine Koloskopie bzw. gynäkologische Untersuchung zur
Diagnosesicherung erforderlich ist.
Das RDS wird häufig als funktionelle Darmerkrankung beschrieben, wobei die
Bezeichnung „funktionell“ fälschlicherweise suggeriert, dass ein RDS nicht mit
organischen Störungen einhergeht. Auch werden häufig organische und psychische
Faktoren als vermeintliche Gegensätze begriffen, die sich mehr oder weniger
ausschließen. Dabei haben psychische Faktoren ebenfalls ein organisches Korrelat,
da ihre Manifestation oder Assoziation mit einem RDS mit einer veränderten
Signalverarbeitung im Gehirn verbunden ist. Periphere Störungen bei RDS basieren
auf Fehlfunktionen des Darms und haben damit per Definition organische Ursachen,
auch wenn diese und deren klinisches Korrelat im Detail noch nicht aufgeklärt sind.
Das Dilemma bei RDS besteht darin, dass die derzeit durchgeführte Routine-
19
diagnostik die in experimentellen Studien beschriebenen organischen Störungen in
den meisten Fällen nicht erfasst. So zeigt eine normale Hämatoxylin-Eosin-Färbung
von RDS-Schleimhautbiopsien eine unauffällige, nicht-entzündete Schleimhaut.
Mithilfe einer differenzierteren Histopathologie relativiert sich aber dieser Befund.
Eine erhöhte Dichte mukosaler Entzündungszellen oder ein pro-inflammatorisches
Zytokinprofil sind deutliche Hinweise auf eine Immunaktivierung und eine subtile
Entzündung, zumindest bei einigen RDS-Patienten. Die technisch aufwendigen
bildgebenden Verfahren, die nur in wenigen experimentellen klinischen Studien
angewandt wurden, haben ebenfalls deutliche mikrostrukturelle Auffälligkeiten sowie
veränderte Signalverarbeitung in verschiedenen Hirnarealen gezeigt.
Neuere Untersuchungen zeigen, dass das RDS mit verschiedenen strukturellen,
molekularen, genetischen, immunologischen, nervalen und psychosozialen Verände-
rungen assoziiert ist. Die vielen heute diskutierten Pathomechanismen spiegeln zum
einen den multifaktoriellen Charakter des RDS wider, sind zum anderen aber auch
Hinweise auf pathophysiologisch unterschiedliche Erkrankungen. Es ist zu erwarten,
dass in Zukunft die weitere Aufklärung pathophysiologisch relevanter Faktoren und
insbesondere deren Korrelation mit den klinischen Symptomen die Diagnostik und
Therapie des RDS verbessert. Es wird ein wesentliches Ziel sein, Biomarker zur
Charakterisierung der zahlreichen RDS-Untergruppen zu finden, damit eine
spezifische Therapieentscheidung möglich ist.
Der kausale Zusammenhang zwischen den biologischen Veränderungen und den
klinischen Symptomen wie verändertem Stuhlverhalten, Blähungen oder viszeralem
Schmerz ist nicht immer offensichtlich. Dies sind Gründe dafür, dass die bisher
beschriebenen Mechanismen und die daraus abgeleiteten potenziellen Biomarker
häufig heterogen und ihre Änderungen nicht konsistent sind. So beschreiben
mehrere Studien eine mukosale Infiltration von Immunzellen bei RDS, während
andere Studien keine Änderungen oder sogar eine Abnahme von mukosalen
Mastzellen finden. Solch diskrepante Befunde sind kein charakteristisches
Phänomen für RDS; auch für andere Erkrankungen, wie z. B. den chronisch
entzündlichen Darmerkrankungen (CED), gibt es keine einheitliche Pathophysiologie.
Man muss daher davon ausgehen, dass unter RDS mehrere Pathophysiologien
subsumiert werden, die ähnliche Symptome hervorrufen. Als Konsequenz werden in
20
einigen Publikationen neue Krankheitsbezeichnungen propagiert, die Sub-
populationen von RDS-Patienten entsprechend den vorherrschenden organischen
Störungen oder dominanten pathophysiologischen Faktoren definieren. RDS
assoziiert mit einer erhöhten Zahl oder Reaktivität mukosaler Mastzellen im
Dünndarm wurde zum Beispiel als jejunale Mastozytose oder Mastzell-
Aktivierungssyndrom beschrieben. Ein sehr gut belegtes pathophysiologisches
Konzept definiert ein postinfektiöses RDS (PI-RDS). Demnach entwickeln
entsprechend suszeptible Patienten RDS-Symptome als Folge einer überstandenen
infektiösen Gastroenteritis. Hierbei ist interessant, dass das PI-RDS mit genetischen
Polymorphismen von TNFSF15 und TNFα assoziiert ist, die auch für die Entwicklung
eines Morbus Crohn prädisponieren. Diese und ähnliche Befunde sind Evidenzen für
eine gemeinsame Pathogenese von RDS und CED, obwohl bis heute unklar ist,
warum RDS-Patienten kein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer CED
aufweisen. Manche Autoren postulieren daher das Krankheitsbild des CED-RDS.
Die RDS-Symptomatik kann durch einen enteralen Infekt ausgelöst werden und über
Wochen, Monate und Jahre persistieren. Histologisches Korrelat ist eine vermehrte
Infiltration der Submukosa mit enterochromaffinen Zellen und CD8-Lymphozyten. Die
PI-RDS-Patienten gehören fast ausschließlich zur RDS-D-Gruppe. Über alle Studien
gemittelt haben Patienten mit einer infektiösen Gastroenteritis ein 6,5-fach höheres
Risiko ein RDS-D zu entwickeln. In einigen Studien konnte ein Zusammenhang
zwischen einem enteralen Infekt und einer lang anhaltenden Immunaktivierung
gefunden werden. Stress kann ebenfalls eine chronische Aktivierung des
Immunsystems bedingen. Das RDS ist oft mit einer Störung des enteralen
Immungleichgewichts assoziiert. Die Immunaktivierung oder die
neuroimmunologischen Prozesse in der Darmmukosa sind assoziiert mit einer
lokalen Zunahme von Immunzellen (Mastzellen, T-Lymphozyten) und/oder entero-
chromaffinen Zellen. Daneben kommt es zu einer erhöhten Expression und
Aktivierung der zum angeborenen Immunsystem zählenden Toll-like-Rezeptoren, die
der Erkennung von pathogenen Molekülstrukturen auf oder in Krankheitserregern
dient. Bei RDS-Patienten ist eine erhöhte Mastzelldichte auch damit verbunden, dass
sich Mastzellen in unmittelbarer Nähe von Nervenfasern befinden. Diese
anatomische Assoziation korreliert mit der viszeralen Schmerzintensität. Eine
erhöhte Mastzellzahl konnte nicht in allen Studien gezeigt werden. Konzeptionell ist
entscheidend, dass selbst bei einer normalen Mastzelldichte eine erhöhte
21
Freisetzung der Mastzellmediatoren, insbesondere Proteasen und Histamin,
beschrieben wurde. RDS-Patienten zeigen eine Erhöhung einzelner Zytokine oder
eines Zytokinpanels. Die Änderungen des Zytokinprofils lassen darauf schließen,
dass die Schleimhaut von RDS-Patienten nicht nur primär proinflammatorischen
Zytokinen ausgesetzt ist, sondern darüber hinaus noch ein Defizit an Chemokinen
hat, die eine kritische Rolle bei mukosalen Abwehrmechanismen spielen.
Die beschriebenen histologischen Veränderungen in der Schleimhaut haben
funktionelle Auswirkungen. Schleimhautbiopsie-Überstände von RDS-Patienten
aktivieren beide Plexus des enterischen Nervensystems und viszerale Afferenzen
(u. a. Mechanosensoren und Schmerzfasern). An der nervalen Stimulation sind
Proteasen, Histamin, Serotonin und TNFα beteiligt. Die Aktivierung des Plexus
submucosus, der primär für die Regulation mukosaler Funktionen verantwortlich ist,
ist wesentlich stärker ausgeprägt als die Wirkung auf den Plexus myentericus, der
hauptsächlich die Muskelaktivität steuert. Dies korreliert mit der wesentlich größeren
Dichte an Immunzellen in der Submukosa im Vergleich zur Muskulatur. Die
Stimulation cholinerger Nervenzellen im Plexus myentericus erklärt die durch
Schleimhautbiopsie-Überstände induzierte Motilitätssteigerung.
Die Darmschleimhaut ist eine effektive Barriere gegen das Eindringen potenziell
noxischer Substanzen. Die Aufrechterhaltung dieser protektiven Funktion ist eng
verbunden mit Tight-Junction-Proteinen, die Epithelzellen miteinander verbinden und
somit ein dichte Schutzschicht bilden. Als Hinweis auf eine verringerte Barriere-
funktion zeigte sich eine erhöhte Permeabilität in Dickdarmbiopsien von RDS-
Patienten. Dies war verbunden mit einer verringerten mRNA-Expression des Tight-
Junction-Proteins ZO-1 (Zonula occludens). Als Folge können nun hochmolekulare
Antigene die Schleimhaut passieren und eine erhöhte Aktivierung des enterischen
Immunsystems auslösen. Die Aktivierung des Immunsystems kann aber auch eine
mögliche Ursache für die Abnahme der Epithelbarriere sein. Neben Schleimhaut-
biopsie- oder Stuhl-Überständen von RDS-Patienten erhöhen TNFα, Interferon-γ
sowie Serin- und Cysteinproteasen ebenfalls die Permeabilität der Darmschleimhaut.
Fazit für die Praxis
Das RDS ist eine organische Erkrankung mit vielen Untergruppen, die jetzt
pathophysiologisch eindeutig charakterisiert werden können. In Zukunft werden
22
Biomarker RDS-Untergruppen charakterisieren und spezifische Therapiestrategien
ermöglichen. Trotz ihrer erheblichen klinischen und sozioökonomischen Bedeutung
werden Diagnostik und Therapie funktioneller Verdauungserkrankungen in den
Vergütungssystemen des deutschen Gesundheitswesens immer noch unzureichend
abgebildet. Dies erstaunt, da die Fachgesellschaften entsprechende Empfehlungen
und Leitlinien zu Diagnostik und Therapie erarbeitet und publiziert haben.
23
Interdisziplinäre Therapie des Kolonkarzinoms – internistische
Therapiestandards
T. Seufferlein
Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Ulm
Durch neue Chemotherapien und Chemotherapiekombinationen, den Einsatz von
Antikörpern und anderen Targeted Therapies sowie eine klinischen Stratifizierung
der Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom hat sich die Therapie dieser
Erkrankung in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Zu den neuen Erkenntnissen
gehört auch die Tatsache, dass bei Patienten im UICC-Stadium IV mit isolierten
Lebermetastasen durch primäre oder sekundäre Lebermetastasenresektion ein
Langzeitüberleben möglich ist. Dies betrifft potenziell etwa 20% der Patienten im
Stadium IV. Damit differenziert sich die Prognose von Patienten mit Kolonkarzinom
im Stadium IV nach dem Metastasierungstyp.
Klinische und molekulare Stratifizierungsalgorithmen bei metastasiertem
kolorektalem Karzinom
Die S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom hat 2008 erstmals eine klinische
Stratifizierung von Patienten mit kolorektalem Karzinom (KRK) vorgeschlagen, die
2012 auch von der ESMO für ihre Guidelines übernommen wurde. Darin werden
4 Patientengruppen unterschieden: Patienten mit klar resektablen Leber- und/oder
Lungenmetastasen (Gruppe 0), Patienten mit primär nicht-resektablen, isolierten
Leber- und/oder Lungenmetastasen (Gruppe 1), Patienten mit multiplen Metastasen
und rasch progredienter Erkrankung, symptomatischer Tumorerkrankung oder Risiko
einer raschen Verschlechterung ihres Allgemeinzustands durch die Tumor-
erkrankung (Gruppe 2) und Patienten mit multiplen Metastasen ohne Option auf eine
sekundäre Resektabilität, jedoch auch ohne symptomatische Tumorerkrankung
oder/und mit schwerer begleitender Komorbidität (die eine intensive Therapie nicht
möglich erscheinen lässt, Gruppe 3).
Diesen Gruppen wurden entsprechende Therapieziele zugeordnet: Gruppe 0:
Heilung der Tumorerkrankung; Gruppe 1: intensive Therapie, um maximale Tumor-
schrumpfung und sekundäre Resektabilität zu erreichen; Gruppe 2: intensive
Therapie aufgrund symptomatischer Tumorerkrankung zur raschen Tumorkontrolle;
24
Gruppe 3: Verhinderung von Tumorprogress und vor allem Erhalt der Lebensqualität
des Patienten und Vermeiden von Toxizität [1].
Als intensive Therapiekonzepte stehen Dreifachchemotherapien wie FOLFOXIRI
oder Chemotherapiedoubletten mit Antikörpern (anti-VEGF, anti-EGFR bei Ras-
Wildtyp) zur Verfügung. Für die Gruppe 3, zu der etwa 60% der Patienten mit
metastasiertem KRK gerechnet werden können, werden v. a. sequenzielle Protokolle
vorgeschlagen. Neben einer Monotherapie kommen Protokolle wie die Kombination
aus oralen Fluoropyrimidinen und Bevacizumab zum Einsatz.
In letzter Zeit wurde die Therapiezuordnung v. a. bei der Gruppe 3 infrage gestellt.
Dies rührt daher, dass bei sequenziellen Therapiestrategien (bei denen die Therapie
erst im Verlauf eskaliert wird) die Überlebenszeiten in Studien unter denen von
aktiveren Erstlinienkonzepten liegen. Häufig ist auch die Tumordynamik bei
Erstvorstellung des Patienten nicht erfassbar, sondern zeigt sich erst im
Therapieverlauf. Überlegenswert ist auch die Tatsache, dass in der Erstlinie die
besten Tumoransprechraten und das längste progressionsfreie Überleben erzielt
werden. In der Erstlinie ist die Therapie häufig auch besser verträglich, da noch keine
kumulative Toxizität auftritt.
Neben die klinische Stratifizierung tritt beim KRK zunehmend eine molekulare
Stratifizierung. Seit einigen Jahren ist bereits bekannt, dass Strategien, die gegen
den EGF-Rezeptor gerichtet sind, bei Tumoren, die eine Mutation im K-ras-Gen
haben, nicht wirksam sind. Die K-ras-Testung etablierte sich vor Beginn einer
geplanten anti-EGFR-Therapie. Meist wurden dabei nur die häufigsten K-ras-
Mutationen im Exon 2 getestet. Eine kürzlich gezeigte Analyse der PRIME-Studie
ergab, dass auch bei Mutationen in anderen K-ras-Exons sowie in N-ras, einer
weiteren Ras-Isoform, anti-EGFR-Antikörper wie Panitumumab nicht wirken. Dies
führte zur Änderung der Zulassung für diesen Antikörper beim metastasierten KRK,
der jetzt nur noch eingesetzt werden darf, wenn keine Mutation im K-ras- und N-ras-
Gen vorliegt. Gleiches gilt im Übrigen für Cetuximab, den zweiten anti-EGFR-
Antikörper mit Zulassung beim metastasierten KRK.
Ein direkter Vergleich der Kombination von FOLFIRI plus Bevacizumab und FOLFIRI
plus Cetuximab in der FIRE-3-Studie der AIO ergab ein überraschendes Ergebnis:
Die Studie war in ihrem primären Endpunkt, ORR, negativ, d. h. in der ITT-Population
25
war in beiden Armen das Ansprechen des Tumors (nach RECIST 1.1 bestimmt) nicht
signifikant unterschiedlich. Auch im progressionsfreien Überleben zeigte sich kein
signifikanter Unterschied zwischen den Armen. Interessanterweise ergab sich im
Gesamtüberleben in der K-ras-Wildtypgruppe ein signifikanter Überlebensvorteil für
die Cetuximabgruppe von 3,8 Monaten, in der „reinen“ Ras-Wildtypgruppe sogar von
7,5 Monaten. Die Gründe für diesen Unterschied sind aktuell noch spekulativ. Es
könnte aber bedeuten, dass aus dem K-ras-Mutationsstatus als negativ-prädiktivem
Faktor bei Analyse aller Ras-Mutationen ein positiv-prädiktiver Faktor für die
Wirksamkeit einer anti-EGFR-Therapie wird.
Intensive Therapieprotokolle lassen sich aufgrund ihrer Toxizität in der Regel nur
begrenzte Zeit durchführen. Daher werden zunehmend neue Therapiealgorithmen
untersucht, bei denen z. B. eine aktive Induktionstherapie von einer
Erhaltungstherapie („Maintenance“) abgelöst wird, die bei Progress wieder eskaliert
wird. Intensität und Dauer der Induktionstherapie und die optimale Gestaltung der
Maintenance-Phase sind Gegenstand zahlreicher Studien.
Auch bei Progress nach mehreren Linien Chemotherapie steht neuerdings eine noch
wirksame Therapie zur Verfügung, der Multikinaseinhibitor Regorafenib.
Künftige Strategien
Durch hochauflösende Sequenzierungsstrategien verbessert sich ständig unser
Wissen um die Molekularbiologie des Kolonkarzinoms [2]. Wir können relevante
Signalwege, die durch Mutationen in einem bestimmten Kolonkarzinom alteriert sind,
vergleichsweise einfach identifizieren und sogar durch die Therapie bedingte
Änderungen im genetischen Set-up eines Tumors über die Analyse zirkulierender
Tumor-DNA im Blut monitoren. Dies ist Grundlage für eine molekular begründete
Therapiestratifikation und ein effizientes Therapiemonitoring. Es wäre allerdings naiv
zu glauben, dass bei KRK allein die Kenntnis einer Mutation im Tumor ausreicht, um
schnell und einfach eine Therapie für diesen Tumor zu finden. Die Umsetzung der
molekularen Erkenntnisse in eine effektive Therapie ist daher die nächste große
Herausforderung für die translationale onkologische Forschung.
26
Literatur: 1. Schmoll HJ, Van Cutsem E, Stein A, Valentini V, Glimelius B, Haustermans K,
et al. ESMO Consensus Guidelines for management of patients with colon and rectal cancer. a personalized approach to clinical decision making. Ann Oncol. 2012;23(10):2479–516.
2. Cancer Genome Atlas Network. Comprehensive molecular characterization of
human colon and rectal cancer. Nature. 2012;487(7407):330–7.
27
Chirurgische Therapiestandards
J. Köninger
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Klinikum Stuttgart, Katharinenhospital
In der kolorektalen Chirurgie gibt es einige Diskussionspunkte. Langzeitergebnisse
prospektiver randomisierter Studien, die die offene Chirurgie mit der laparo-
skopischen vergleichen, zeigen eine hohe Lokalrezidivrate nach rechtsseitiger
laparoskopischer Kolonresektion. Dies bedeutet, dass die Indikationen zum laparo-
skopischen Vorgehen, insbesondere bei fortgeschrittenen Tumoren, auch in
erfahrenen Zentren durchaus abzuwägen sind.
Ein weiterer Diskussionspunkt ist die sogenannte komplette mesokolische Exzision,
d. h. eine Radikalisierung und Ausweitung der Lymphadenektomie beim rechts-
seitigen Kolonkarzinom. Hier gibt es deutliche Hinweise, dass eine sehr zentrale
Lymphadenektomie die Prognose der Patienten verbessert.
Die totale mesorektale Exzision beim Rektumkarzinom ist mittlerweile gut etabliert.
Auch hier gibt es neue Fragestellungen, insbesondere bezüglich der Indikation zur
neoadjuvanten Strahlenchemotherapie bei lokal fortgeschrittenen Tumoren. Immer
deutlicher zeigt sich, dass die Indikation zur neoadjuvanten Therapie nicht
schematisch von einem formalen T3-Stadium bzw. N+-Stadium abhängig gemacht
werden sollte. Korrekte Operationstechnik vorausgesetzt, scheinen Patienten mit
einem frühen T3-Stadium, die entsprechende Kriterien erfüllen, von einer
neoadjuvanten Therapie wohl nur wenig zu profitieren. Auch nach Langzeit-
beobachtung ist ein Überlebensvorteil durch die neoadjuvante Therapie nach wie vor
nicht nachweisbar.
29
Anschriften der Referenten und Vorsitzenden
Prof. Dr. Tilo Andus Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Gastroenterologie, Hepatologie und internistische Onkologie Klinikum Stuttgart Krankenhaus Bad Cannstatt Prießnitzweg 24 70374 Stuttgart
Dr. Wolfram Bohle Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Pneumologie Klinikum Stuttgart Katharinenhospital Kriegsbergstr. 60 70174 Stuttgart
Dr. Tobias Bösing Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Pneumologie Klinikum Stuttgart Katharinenhospital Kriegsbergstr. 60 70174 Stuttgart
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Markus W. Büchler Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie Universitätsklinikum Heidelberg Im Neuenheimer Feld 110 69120 Heidelberg
Prof. Dr. Karel Caca Innere Medizin, Gastroenterologie, Hämato-Onkologie, Diabetologie und Infektiologie Klinikum Ludwigsburg Posilipostr. 4 71640 Ludwigsburg
Prof. Dr. Thomas Frieling Medizinische Klinik II HELIOS Klinikum Krefeld Lutherplatz 40 47805 Krefeld
Prof. Dr. Jörg Köninger Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Klinikum Stuttgart Katharinenhospital Kriegsbergstr. 60 70174 Stuttgart
Prof. Dr. Nisar P. Malek Innere Medizin I Universitätsklinikum Tübingen Otfried-Müller-Str. 10 72076 Tübingen
Prof. Dr. Michael P. Manns Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1 30625 Hannover
Prof. Dr. Helmut Messmann Innere Medizin III Klinikum Augsburg Stenglinstr. 2 86156 Augsburg
Prof. Dr. Markus F. Neurath Medizinische Klinik I Universitätsklinikum Erlangen-Nürnberg Ulmenweg 18 91054 Erlangen
Prof. Dr. Roland M. Schmid Innere Medizin II Klinikum rechts der Isar Technische Universität München Ismaninger Str. 22 81675 München
Prof. Dr. Stefan Schreiber Innere Medizin I Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 3 (Haus 6) 24105 Kiel
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Prof. Dr. Thomas Seufferlein Klinik für Innere Medizin I Universitätsklinikum Ulm Albert-Einstein-Allee 23 89081 Ulm Prof. Dr. Martin Staritz Klinik für Innere Medizin/ Gastroenterologie Schwarzwald-Baar-Klinikum Kliniken Villingen-Schwenningen Klinikstr. 1 78052 Villingen-Schwenningen Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Stremmel Innere Medizin IV Universitätsklinikum Heidelberg Im Neuenheimer Feld 410 69120 Heidelberg Prof. Dr. Robert Thimme Innere Medizin II Universitätsklinikum Freiburg Hugstetter Str. 55 79106 Freiburg Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfram G. Zoller Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Pneumologie Klinikum Stuttgart Katharinenhospital Kriegsbergstr. 60 70174 Stuttgart