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Kammergericht
Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer:9U 122/1186 O 327/10 Landgericht Berlin
verkündet am : 14.08.2012H^9; Justizbeschäftigteals Urkundsbeamtin derGeschäftsstelle desKammergerichts Berlin
In dem Rechtsstreit
Land Berlin,vertreten d. d. Senatsverwaltung für Justiz,Salzburger Straße 21 - 25, 10825 Berlin,
- Prozessbevollmächtigte:Rechtsanwälte M f Q ^ + Dr.
fc H, i£|fr Berlin,-
Beklagter und Berufungskläger,
- Prozessbevollmächtigter:Rechtsanwalt
Kläger und Berufungsbeklagten,
ZP450
hat der 9. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14.08.2012 durch
den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Nflf l fund die Richter am Kammergericht Rjlfci und
DJ
f ü r R e c h t e r k a n n t :
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin
vom 7. Dezember 20.11 (86.0.327/10) abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt von dem Beklagten eine Entschädigung wegen des nach seiner Ansicht
menschenunwürdigen Vollzugs der Strafhaft in der Teilanstalt I der Justizvollzugsanstalt Tegel des
Beklagten für Zeit der Unterbringung in dem Einzelhaftraum^PBHI vom 18. November 2009 bis
15. Februar 2010.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen
Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung einer
Geldentschädigung in Höhe von 1.190,00 Euro nebst Zinsen verurteilt. Wegen der Einzelheiten
der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Berufung des Beklagten.
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Im Übrigen wird von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil
sowie etwaiger Änderungen oder Ergänzungen gemäß § 313a Abs. 1 in Verbindung mit § 540
Abs. 2 ZPO abgesehen.
1. Die zulässige Berufung ist begründet.
Dem Kläger steht weder ein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in
Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG (a) noch ein Schadensersatzanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK
(b) zu.
a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der von dem Kläger gegen den Beklagten
geltend gemachte Entschädigungsanspruch auch nicht teilweise als Amtshaftungsanspruch aus §
839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG begründet.
aa) Allerdings ist dem Landgericht darin zu folgen, dass der Beklagte die vom Kläger zu
verbüßende Strafhaft teilweise unter Verletzung von Amtspflichten im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz
1 BGB vollzogen hat.
(1) Der im Bereich des Justizvollzuges tätige Hoheitsträger verletzt Amtspflichten im Sinne von
§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn er die rechtmäßig verhängte Strafhaft unter Bedingungen
vollzieht, die einen Eingriff in das Recht des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde
nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG darstellen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. Februar 2011 -1
BvR 409/09 - juris Tz. 33 = NJW-RR 2011, 1043; BGH, Urteil vom 1. Oktober 2009 - IM ZR 18/09 -
juris Tz. 11 m.w.N. = BGHZ 182, 301 = NJW-RR 2010, 167). Ob der Vollzug der Strafhaft als
menschenunwürdig anzusehen ist, ist jeweils nach einer Gesamtschau der Umstände des
Einzelfalls zu beurteilen (BerIVerfGH, Beschluss vom 3. November 2009 - VerfGH 184/07 - juris
Tz. 26 = StV 2010, 374; BGH, Urteil vom 11. März 2010 - III ZR 124/09 -juris Tz. 7 = NJW-RR
2010, 1465: tatrichterliche Würdigung der Haftbedingungen).
Die Frage nach den Standards, deren Unterschreitung eine Missachtung bedeuten und die
Menschenwürde der Betroffenen verletzen würde, kann dabei, soweit es um die Sicherung eines
Minimums an materiellen Voraussetzungen menschenwürdiger Existenz geht, hier wie sonst nicht
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ohne Berücksichtigung der allgemeinen - auch wirtschaftlichen - Verhältnisse beantwortet werden
(BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. November 2007 - 2 BvR 939/07 - juris Tz. 14 m. w. N. =
EuGRZ 2008, 83 = BVerfGK 12, 422; BerIVerfGH, Beschluss vom 3. November 2009 - VerfGH
184/07 -juris Tz. 24). Hierbei müssen die grundlegenden Voraussetzungen individueller und
sozialer Existenz des Menschen auch dann erhalten bleiben, wenn der Grundrechtsberechtigte
seiner freiheitlichen Verantwortung nicht gerecht wird und die Gemeinschaft ihm wegen
begangener Straftaten die Freiheit entzieht. Aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem
Sozialstaatsprinzip folgt die Verpflichtung des Staates, den Strafvollzug menschenwürdig
auszugestalten, mithin das Existenzminimum zu gewähren, das ein menschenwürdiges Dasein
überhaupt erst ausmacht (vgl. BVerfGE 45, 187 <228>; 109, 133 <150>). Die Menschenwürde ist
unantastbar und kann deshalb auch nicht aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung wie die - hier
nicht einschlägigen, weil sie nicht zu Eingriffen in die Menschenwürde ermächtigen - § 18 Abs. 2
Satz 2 StVollzG oder § 144 StVollzG eingeschränkt werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom
27. Februar 2002 - 2 BvR 553/01 - NJW 2002, 2699 <2700>).
Als erhebliche Umstände kommen insbesondere die Anzahl der in einem Haftraum
untergebrachten Gefangenen, die Größe der jedem Gefangenen zur Verfügung stehenden
Haftraumfläche, die Unterbringung in einem Einzel- oder Gruppenhaftraum, die Ausgestaltung der
sanitären Anlagen im Haftraum, die Gesamtdauer der Unterbringung sowie die täglichen
Einschlusszeiten in Betracht (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. Februar 2011-1 BvR
409/09 - juris Tz. 30 = NJW-RR 2011, 1043). Daneben können aber auch unhygienische und
ungesunde Zustände in den Hafträumen, die den Vorgaben der im Jahr 2006 neu gefassten
Europäischen Strafvollzugsgrundsätze (Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates vom
11. Januar 2006, Rec(2006)2; in deutscher Übersetzung herausgegeben vom Bundesministerium
für Justiz, Berlin, Bundesministerium der Justiz Wien, Eidgenössischen Justiz- und
Polizeidepartement, Bern, 2007 - www.ejpd.admin.ch), den Mindestregeln der Vereinten Nationen
für die Behandlung von Gefangenen (abgedruckt bei Höynck/Neubacher/Schüler-Springorum,
Internationale Menschenrechtsstandards und das Jugendkriminalrecht - Dokumente der Vereinten
Nationen und des Europarates - herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz in
Zusammenarbeit mit der deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.
V., 2001, S. 142 ff. <144>) oder den Vorgaben des § 144 Abs. 1 StVollzG nicht entsprechen, wie
beispielsweise verdreckte Matratzen, Ungeziefer im Sanitärbereich, Schimmelbefall an den
Wänden und in den Bettkästen, Zug, Feuchtigkeit und Kälte wegen nicht ausreichender
Beheizung, zwar nicht isoliert, wohl aber wenn sie massiv und kumulativ auftreten, eine Verletzung
der Menschenwürde begründen.
Die vorliegend im Vordergrund stehende Frage, wann die räumlichen Verhältnisse in einer
Strafanstalt derart beengt sind, dass die Unterbringung eines Gefangenen die Menschenwürde
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(Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt, lässt sich nicht abstrakt-generell bestimmen, weshalb eine „Klärung
des verfassungsmäßigen Raummindestsolls" nicht in Betracht kommt (BGH, Urteil vom 11. März
2010 - III ZR 124/09 -juris Tz. 7 = NJW-RR 2010, 1465). Bei der Belegung und Ausgestaltung der
Hafträume sind dem Ermessen der Justizvollzugsanstalt durch das Recht des Gefangenen auf
Achtung seiner Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG jedoch Grenzen gesetzt (BVerfG,
Kammerbeschluss vom 27. Februar 2002 - 2 BvR 553/01 - NJW 2002, 2699 <2700>). Mit dem
Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin ist davon auszugehen, dass diese Grenzen bei einer
Gesamtschau der Umstände überschritten sind und das Recht des Gefangenen auf
menschenunwürdige Unterbringung verletzt wird, wenn er für einen Zeitraum von knapp drei
Monaten in einem Einzelhaftraum von etwa 5,25 qm mit räumlich nicht abgetrennter Toilette, in
dem er zeitweise zwischen 15 und fast 21 Stunden unter Verschluss war, untergebracht wird
(BerIVerfGH, Beschluss vom 3. November 2009 - VerfGH 184/07 - juris Tz. 28). Der Senat konnte
sich bei einer Inaugenscheinnahme einer Vielzahl von Hafträumen in der inzwischen nicht mehr
belegten Teilanstalt I der Justizvollzugsanstalt Tegel am 10. August 2012 von der
unangemessenen Enge der dort vorhandenen Einzelhafträume mit einer Größe von jeweils etwa
5,3 m2 selbst überzeugen. Vor allem die Inaugenscheinnahme eines möblierten Einzelhaftraumes
von etwa 5,3 m2 hat ergeben, dass den Gefangenen in diesen Räumen nur ein sehr geringer
Bewegungsfreiraum zur Verfügung stand. Deswegen ist es für die Bewertung dieser
Haftbedingungen als menschenunwürdig nicht von entscheidender Bedeutung, ob die
Einschlusszeiten, wie beispielsweise in dem Fall des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin,
zeitweise unter der Woche überwiegend „nur" rund 10 Stunden betragen, wenn sie an einzelnen
Tagen und am Wochenende deutlich darüber hinaus gehen (13 % Stunden an Donnerstagen, 15
!4 bzw. 18 Stunden, 20 Minuten an Wochenenden) (BerIVerfGH, a.a.O., juris Tz. 31). Die
Unterbringung eines Gefangenen unter den genannten Haftbedingungen kann dabei allenfalls für
eine von vornherein begrenzte Übergangszeit zumutbar sein, wobei dann nach dem Beschluss
des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin vom 3. November 2009 zwei Wochen
hinnehmbar sein können, während bei einem Zeitraum von 89 Tagen die Schwelle der
Zumutbarkeit dagegen eindeutig überschritten ist (BerIVerfGH, a.a.O., juris Tz. 32). Ist die
Übergangszeit für den Gefangenen unabsehbar, ist also für ihn nicht von vornherein klar, wann
die Belastungen enden werden, sondern ist die Dauer seines Verbleibs intransparent, sind ihm die
genannten Haftbedingungen auch nicht kurzfristig zumutbar (BerIVerfGH, juris Tz. 33; im
Anschluss an den Beschluss des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin auch
Kammergericht, Beschluss vom 9. Dezember 2009 - Az. 2/5 Ws 189/05 Vollz - unter II. 4. der
Gründe, S. 16).
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(2) Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte den Kläger durch die Unterbringung in dem
Einzelhaftraum f H B in der Teilanstalt I der Justizvollzugsanstalt Tegel im Zeitraum vom 19.
Dezember 2009 bis 15. Februar 2010 in seinem Recht auf menschenwürdige Unterbringung aus
Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 6 Satz 1 VvB verletzt. Denn die Bedingungen, unter denen der
Beklagte die Strafhaft bei dem Kläger in dem genannten Zeitraum vollzogen hat, waren dem
Kläger in dem genannten Zeitraum unzumutbar.
(a) Die Haftbedingungen stellten für den Kläger eine erhebliche Belastung dar. Er war in dem
lediglich etwa 5,3 qm großen Einzelhafträumen mit räumlich nicht abgetrennter Toilette
untergebracht, wobei die Einschlusszeiten von Montag bis Donnerstag jeweils 14 Stunden fünf
Minuten, am Freitag 13 Stunden 35 Minuten, am Samstag 15 Stunden und an Sonn- und
Feiertagen 19 Stunden 35 Minuten betrugen.
(b) Die vorgenannten Haftbedingungen waren dem Kläger nur für eine einmonatige
Übergangszeit bis zum 18. Dezember 2009 zumutbar.
(aa) Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hat in seinem Beschluss vom 3. November
2009 - VerfGH 184/07 - nicht festgestellt, welche Dauer die Übergangszeit haben kann, für die
einem Gefangenen die Unterbringung in einem etwa 5,3 m2 großen Einzelhaftraum ohne
abgetrennte Toilette bei langen Einschlusszeiten zugemutet werden kann. Er hat lediglich
festgestellt, dass ein Zeitraum von zwei Wochen hinnehmbar sein kann und 89 Tage die Schwelle
der Zumutbarkeit eindeutig überschreiten (BerIVerfGH, a.a.O. -juris Tz. 32).
Der Senat ist insbesondere aufgrund seiner Eindrücke aus der Inaugenscheinnahme einer
Vielzahl von 5,3 m2 großen Einzelhafträumen in der Teilanstalt I der Justizvollzugsanstalt Tegel
am 10. August 2012 der Überzeugung, dass nach einem Zeitraum von einem Monat die im
Hinblick auf das Einweisungsverfahren noch zu duldende Beeinträchtigung in eine nicht mehr
zumutbare bloße Verwahrung des Gefangenen umschlägt, die ihm den Eindruck vermitteln muss,
zum Objekt staatlichen Handelns zu werden. Soweit der 2. Strafsenat des Kammergerichts in
seinem Beschluss vom 9. Dezember 2009 - 2/5 Ws 189/05 - (S. 16 des Beschlusses) in
Umsetzung der Vorgaben des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin vom
3. November 2009 - VerfGH 184/07 - eine Übergangszeit von bis zu zwei Monaten für zumutbar
gehalten hat, vermag der erkennende Senat dem nicht zu folgen. Wie aus den zu den Akten
gereichten Lichtbildern ersichtlich und im Rahmen der Inaugenscheinnahme am 10. August 2012
eindrucksvoll bestätigt, war der Bewegungsspielraum in den voll möblierten Einzelhafträumen
derart beengt, dass den Gefangenen ein Verbleib in dieser nur schwer erträglichen Wohnsituation
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über einen gemeinhin als überschaubar empfundenen Zeitraum von einem Monat nicht mehr
zumutbar war.
(bb) Die Unterbringung war dem Kläger nicht etwa von Anfang an unzumutbar, weil sie für ihn
unabsehbar lang gewesen wäre und in ihm ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit hervorgerufen hätte.
Der Beklagte hat nach und aufgrund des Beschlusses des Verfassungsgerichthofes des Landes
Berlin vom 3. November 2009 - VerfGH 184/07 -, in dem dieser unter anderem festgestellt hatte,
die Dauer des Verbleibs in der Teilanstalt I der Justizvollzugsanstalt Tegel sei nicht transparent,
weil es keine verbindlichen Vorgaben für die für die Dauer des Einweisungsverfahrens gegeben
habe (BerIVerfGH, a.a.O., juris Tz. 33), den Verbleib der Gefangenen in der Teilanstalt I der
Justizvollzugsanstalt Tegel im Rahmen des Einweisungsverfahrens generell auf höchstens drei
Monate begrenzt und diese Begrenzung jedem Gefangenen ab dem 5. November 2009 individuell
mitgeteilt. Im Hinblick auf diese zum Zeitpunkt der Unterbringung des Klägers schon erfolgte
Änderung der Vollzugspraxis kann nicht davon ausgegangen werden, die Unterbringung des
Klägers in der Teilanstalt I der Justizvollzugsanstalt Tegel sei unvorhersehbar gewesen und habe
ihn in Hoffungslosigkeit versetzt.
(cc) Unabhängig von der aufgrund der tatsächlichen Feststellungen gewonnenen Überzeugung
des Senats ergibt sich die Menschenunwürdigkeit der Haftbedingungen des Klägers in den
höchstens 5,3 m2 großen Einzelhafträumen der Teilanstalt I der Justizvollzugsanstalt Tegel aus
der nicht nur im eigentlichen Prozessrechtsverhältnis bestehenden Bindungswirkung des
Beschlusses des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin vom 3. November 2009 - VerfGH
184/07 - gemäß § 30 VerfGHG Berlin (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. März 1999 - 6 C 9/98 -juris
Tz. 47 - 56 zu § 31 Absatz 1 BVerfGG = BVerwGE 108, 355 = NJW 1999, 3503). Die vom
Landgericht für seine gegenteilige Auffassung zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist
nicht einschlägig, weil dort nur die Bindungswirkung der fachgerichtlichen Entscheidung,
namentlich des Strafvollstreckungsgerichts, nicht aber diejenige einer bundes- oder
landesverfassungsgerichtlichen Entscheidung hinsichtlich der Verletzung der Menschenwürde
durch die Unterbringung in Rede stand (vgl. BGH, Urteile vom 17. März 1994 - III ZR 15/93 -juris
Tz. 12 = NJW 1994, 1950 und vom 4. November 2004-III ZR 361/03-juris Tz. 6 f. = BGHZ161,
33 = NJW 2005, 58; Beschluss vom 28. September2006 - III ZB 89/05 -juris Tz. 10 = NJW
2006, 3572).
(c) Die weiteren von dem Kläger angeführten Umstände seiner Haft fallen gegenüber der
unzureichenden Haftraumgröße bei nicht abgetrennter Toilette und langen Einschlusszeiten nicht
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nennenswert ins Gewicht und führen nicht zu der Annahme, dass der Kläger über den
vorgenannten Zeitraum hinaus menschenunwürdig untergebracht gewesen wäre.
(aa) Soweit der Kläger rügt, dass die Fenster der Einzelhafträume mit einer Größe von 0,70 m2
zu klein und zu hoch gewesen seien, so dass kein ausreichendes Licht habe einfallen können, und
dass es sich um Metallfenster mit Einfachverglasung gehandelt habe, die schwer zu öffnen
gewesen seien sowie eine Durchlüftung des Haftraums unmöglich gemacht hätten, hat sich der
Senat hat bei der Inaugenscheinnahme einer Vielzahl von Einzelhafträumen in der Teilanstalt I der
Justizvollzugsanstalt Tegel bei seinem Ortstermin vom 10. August 2012 in den Verfahren zu den
Aktenzeichen 9 U 121/11, 9 U 122/11, 9 U 9/12 sowie 9 U 59/12 nicht davon überzeugen können,
dass Größe, räumliche Anordnung und Beschaffenheit der Fenster in diesen Hafträumen
hinsichtlich Belichtung und Durchlüftung derart unzureichend waren, dass sie eine Verletzung der
Menschenwürde der Gefangenen begründeten.
(bb) Ebenso vermag der Senat nach der Besichtigung der Hafträume in der geringen Größe
und Anordnung der Heizkörper in den Einzelhafträumen zwar eine „schäbige" Ausstattung, jedoch
keinen Ausdruck von Verachtung oder Missachtung des Wertes zu erkennen, der dem Menschen
kraft seines Personseins zukommt. Die Schwelle zu einer Verletzung der Menschenwürde ist
aufgrund dieser baulichen Gegebenheiten noch nicht überschritten.
(cc) Nicht berücksichtigungsfähig sind schließlich die weiteren von dem Kläger vorgetragenen
Umstände. Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass seine Darlegungen zur
Schimmelbildung, zu den Temperaturen im Haftraum und zu seiner psychischen Erkrankung
schon nicht hinreichend substantiiert sind.
(3) Die festgestellte Amtspflichtverletzung entfällt nicht etwa wegen eines
Grundrechtsverzichts des Klägers. In dem wie auch immer motivierten Wunsch oder
Einverständnis, in einen dieser Einzelhafträume verlegt zu werden oder dort zu verbleiben, statt
mit mehreren Mitgefangenen in einem Gemeinschaftsraum untergebracht zu sein, ist schon
tatbestandlich keine (konkludente) Einwilligung in eine menschenunwürdige Unterbringung zu
erblicken sein. Davon abgesehen ist die Menschenwürde aber kein disponibles Grundrecht, das
einen Grundrechtsverzicht überhaupt zulassen würde (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2000 -
BVerwG 2 WD 12/00 u. a. - = NJW 2001, 2343 <2344>; BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 - B 11 AL
11/08 -juris Tz. 25 = BSGE 103, 134 = NJW 2010, 1627; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss
vom 22. Februar 2011 -1 BvR 409/09 - a. a. O. Tz. 35). Die Grundrechtsbindung des BeklagtenZP450
als Träger öffentlicher Verwaltung nach Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG gilt objektiv und ist
unabhängig von einem etwaigen Verzicht Einzelner auf die entsprechende Schutzwirkung.
Menschenwürde in diesem Sinne ist nicht nur die individuelle Würde der jeweiligen Person,
sondern die Achtung und der Schutz des Wertes, der jedem Menschen um seiner selbst willen
zukommt (BSG a. a. O. m. w. N.). Zwar wird diese Auffassung in der Literatur teilweise kritisiert
(vgl. etwa Merten, Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 73 Rn.
36, S. 741 und die Nachweise BSG a. a. O.), weil auch der Verzicht auf Grundrechte der
Entfaltung der persönlichen Freiheit dienen könne. Jedenfalls im hier betroffenen Bereich eines
besonderen Verwaltungsrechtsverhältnisses zwischen Staat und Strafgefangenen, der
maßgeblich durch Einschränkungen der persönlichen Freiheit geprägt ist (vgl. § 196 StVollzG), ist
ein Ausdruck der Freiheitsentfaltung durch Verzicht auf die Menschenwürde zu verneinen.
bb) Eine Haftung des Beklagten für die Verletzung der Menschenwürde des Klägers durch die
festgestellten Haftbedingungen ist aber gemäß § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Nach dieser
Vorschrift tritt eine Ersatzpflicht nicht ein, wenn der durch eine Amtspflichtverletzung Verletzte es
vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels
abzuwenden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, denn der Kläger hat sich
seinerseits nicht in angemessener Weise darum bemüht, die Menschenwürdeverletzung durch
Gebrauch eines Rechtsmittels zu beenden, obwohl ihm dies ohne weiteres möglich und zumutbar
gewesen wäre.
(1) Ein Rechtsmittel im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB hat der Kläger nicht eingelegt.
Rechtsmittel im Sinne dieser Vorschrift sind alle Rechtsbehelfe im weitesten Sinne, die der
Betroffene gegen das schädigende Verhalten des Amtsträgers ergreifen konnte (Palandt/Sprau,
BGB, 71. Aufl. 2012, § 839 Rn. 69). Sie müssen darauf abzielen und geeignet sein, das
schädigende Verhalten des Amtsträgers zu beseitigen oder zu berichtigen und dadurch die
Entstehung eines Schadens zu verhindern bzw. abzumindern (BGH, Urteile vom 20. Februar 2003
- IM ZR 224/01 - juris Tz. 57 = BGHZ 154, 54 = NJW 2003, 1308 und vom 8. Januar 2004 - III ZR
39/03 - NJW-RR 2004, 706). Zu den Rechtsmitteln gehören demnach in erster Linie
Verlegungsanträge bzw. sonstige Wünsche, Anregungen und Beschwerden in den Gefangenen
selbst betreffenden Angelegenheiten an die Anstaltsleitung nach § 108 Abs. 1 StVollzG sowie
Anträge auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109, 114 StVollzG (OLG Hamm, Urteil vom 29.
September 2010 - 11 U 367/09 u. a. -juris Tz. 42).
Einen Verlegungsantrag gemäß § 108 Abs. 1 StVollzG hat der Kläger unstreitig nicht gestellt.
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(2) Der Kläger hat es auch schuldhaft unterlassen, einen solchen Verlegungsantrag zu stellen.
Die Nichtergreifung eines zur Verfügung stehenden Rechtsmittels ist regelmäßig als schuldhaft
anzusehen. An dem in § 839 Abs. 3 BGB vorausgesetzten Verschulden fehlt es nur dann, wenn
die Erfolgsausicht eines Rechtsmittels so gering oder so zweifelhaft ist, dass dem Verletzten
dessen Gebrauch nicht zugemutet werden kann (BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 - IM ZR
224/01 - a. a. O. Tz. 59). Dies war vorliegend nicht der Fall.
Nach dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin vom 3. November 2009, der
die Menschenunwürdigkeit der Unterbringung in der Teilanstalt I der Justizvollzugsanstalt Tegel
unter den erörterten Bedingungen festgestellt hat, war es dem Kläger möglich und zumutbar,
einen Verlegungsantrag nach § 108 StVollzG an die Anstaltsleitung zu stellen.
Insbesondere war ein solcher Antrag auch nicht von vornherein aussichtslos, mag dies vor der
Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin im Hinblick auf die frühere
Rechtsprechung des Strafvollstreckungssenates des Kammergerichts zur Beurteilung der
Haftbedingungen in der Teilanstalt I der Justizvollzugsanstalt Tegel auch anders gewesen sein.
Dem Kläger war es auch nicht aufgrund der von ihm behaupteten Auskünfte von Stationsbeamten,
wonach ein Bemühen um eine sofortige Verlegung aussichtslos sei, unzumutbar einen
Verlegungsantrag bei der Anstaltsleitung zu stellen. Denn die Stationsbeamten besaßen
erkennbar nicht die erforderliche Fachkunde, die auf die Richtigkeit solcher Auskünfte hätte
hindeuten können. Erst wenn einem Gefangenen auf einen bereits gestellten Verlegungsantrag
durch Bedienstete der Justizvollzugsanstalt vermittelt worden ist, jedes Bemühen um eine
sofortige Verlegung sei aussichtslos, da die Vergabe von Hafträumen ausschließlich nach
Maßgabe einer Warteliste erfolge, und kein Anhalt dafür besteht, an der Richtigkeit dieser
Auskunft zu zweifeln, ist es regelmäßig nicht zumutbar, weitere Rechtsmittel einzulegen (OLG
Hamm, a. a. O. Tz. 44 unter Hinweis auf BGH, Beschlüsse vom 29. Januar und 12. März 2009
jeweils zu III ZR 182/09). Dies gilt eben dann nicht, wenn - wie hier - noch kein Rechtsmittel im
Sinne des § 839 Abs. 3 BGB ergriffen wurde.
Falls dem Kläger das Rechtsmittel des Verlegungsantrags bei der Anstaltsleitung unbekannt
gewesen sein sollte, ist ihm gleichwohl Fahrlässigkeit anzulasten, da insoweit eine
Erkundigungspflicht durch Nachfrage bei fachkundigen Mitarbeitern in der Anstalt (Sozialarbeiter,
Betreuungspersonal) besteht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 29. September 2010 - 11 U 367/09 u.
a. - a. a. O. Tz. 43) und notfalls auch die Hilfe eines Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen ist
(vgl. Palandt/Sprau, a. a. O. Rn. 71; Tremml/Karger/Luber, Der Amtshaftungsprozess, 3. Aufl.
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2009, Rn. 221). Hierbei wäre er auch auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des
Landes Berlin vom 3. November 2009 hingewiesen worden.
(3) Ein Verlegungsantrag des Klägers hätte auch Erfolg gehabt. Die nach § 839 Abs. 3 BGB
erforderliche hypothetische Kausalität des versäumten Antrages an die Anstaltsleitung gemäß
§ 108 Abs. 1 StVollzG für die Verhinderung des Schadenseintritts ist in vollem Umfang zu
bejahen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Schadensersatzpflicht gemäß § 839
Abs. 3 BGB nur dann vollumfänglich verneint werden, wenn die Einlegung eines gebotenen
Rechtsbehelfs den Eintritt des Schadens gänzlich verhindert hätte. Wenn die Einlegung eines
Rechtsbehelfs erst von einem bestimmten Zeitpunkt an weitere Schäden verhindert hätte, entfällt
der Schadensersatzanspruch nur für diese späteren Schäden, bleibt jedoch für die bereits vorher
entstandenen bestehen (BGH, Urteil vom 16. Januar 1986 - IM ZR 77/84 - NJW 1986, 1924). Bei
der Frage, welchen Verlauf die Sache genommen hätte, wenn der Rechtsbehelf eingelegt worden
wäre, ist grundsätzlich auch zu berücksichtigen, wie nach der wirklichen Rechtspraxis entschieden
worden wäre (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 - III ZR 342/02 - NJW 2004, 1241 <1242>).
Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger nach einem entsprechenden Antrag an die
Anstaltsleitung sofort in einen größeren Haftraum verlegt worden wäre. Der Beklagte ist der ihn
insoweit treffenden Darlegungslast (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - III ZR 124/09 - juris Tz.
9 m. w. N. = NJW-RR 2010, 1465) hinreichend nachgekommen.
(a) Der Beklagte hat substantiiert dargelegt, dass nach dem Beschluss des
Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin ein begründeter Verlegungsantrag Aussicht auf Erfolg
gehabt hätte. Er hat dargetan, dass er seinerzeit für einzelne Gefangene in konkreten Fällen
Abhilfe geschaffen hat. So führt der Beklagte an, dass beispielsweise der Kläger in der
Parallelsache 86 O 261/11 im 8,4 m 2 -Haf t raum^( |» untergebracht, der Kläger in der
Parallelsache 86 O 213/11 im 11,9 m2-Haftraum f H H ^ o w i e die Kläger in den Parallelsachen
86 O 89/11 und 86 O115/11 jeweils allein im 14 m2-Gemeinschaftshaftraum^m§ untergebracht
wurden. Nach dem weiteren Vortrag des Beklagten hätte eine Unterbringung in der Teilanstalt II,
in der täglich Hafträume frei wurden, oder in der Teilanstalt IM der Justizvollzugsanstalt Tegel, in
der wöchentlich Hafträume verfügbar wurden, erfolgen können. Insoweit führt der Beklagte
konkret an, dass beispielsweise der Kläger in der Parallelsache 86.0.234/11, aber auch ein
Gefangener aus dem Haftraum ^ f B A i n eine andere Teilanstalt verlegt worden sind. Dann ist
davon auszugehen, dass der Beklagte auf ein entsprechendes Rechtsmittel des Klägers hin
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gleichermaßen Abhilfe geschaffen hätte. Der Beklagte hat hierdurch seiner Darlegungslast
genügt.
(b) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Anstaltsleitung seinerzeit in der Lage
gewesen wäre, alle in der Teilanstalt I der Justizvollzugsanstalt Tegel unter vergleichbaren
Bedingungen, wie sie Gegenstand der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Landes
Berlin vom 3. November 2009 waren, inhaftierten Gefangenen angemessen unterzubringen (vgl.
BGH, Urteil vom 11. März 2010-II I ZR 124/09-a. a. O. Tz. 14).
Aus dem Umstand, dass zahlreiche Strafgefangene der Teilanstalt I der Justizvollzugsanstalt
Tegel jetzt mehr oder weniger zeitgleich Entschädigungsansprüche geltend machen, kann bei
lebensnaher Betrachtung bereits nicht ohne weiteres gefolgert werden, alle Kläger hätten vormals
auch mehr oder weniger zeitgleich Verlegungsanträge bei der Anstaltsleitung gestellt (vgl. BGH, a.
a. O.), die der Beklagte mangels ausreichender Kapazitäten nicht hätte berücksichtigen können.
Letztlich ist jedoch allein maßgeblich, dass der Kläger auf einen entsprechenden Antrag an die
Anstaltsleitung hin sofort in einen größeren Haftraum verlegt worden wäre, weil andere Gefangene
- aus welchen Beweggründen auch immer, möglicherweise aus den vom Beklagten angeführten -
einen solchen Antrag seinerzeit nicht gestellt haben. Maßgeblich sind auch im Rahmen der
Prüfung der hypothetischen Kausalität allein die seinerzeit vorliegenden, tatsächlichen
Gegebenheiten (vgl. BGH, a. a. O. Tz. 14). Danach gab es - über die oben erwähnten Fälle
hinaus - keine Anträge weiterer Gefangener.
(4) Auch im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachten unhygienischen und ungesunden
Haftbedingungen in den Hafträumen ist der Senat - ohne dass es darauf nach den obigen
Ausführungen [Ziff. II. 1. a) aa) (2) (b)] noch ankommen würde - davon überzeugt, dass auf eine
Beschwerde des Klägers nach § 108 StVollzG umgehend Abhilfe geschaffen worden wäre.
Der Beklagte, der derartige Zustände im Einzelnen substantiiert bestreitet, weist mit seinem
Vortrag zugleich darauf hin, dass durch einfache Renovierungs- und Reinigungsarbeiten, auch
durch die Gefangenen selbst, und ggfs. eine kostengünstige Erneuerung von Matratzen ein
menschenwürdiger Zustand hätte hergestellt werden können. Sofern es sich bei dem behaupteten
wiederholten Schimmelbefall an den Wänden, Zug, Feuchtigkeit und Kälte um bau- und
substanzbedingte Mängel der Teilanstalt I der Justizvollzugsanstalt Tegel handeln sollte, worauf
die Inaugenscheinnahme der ehemaligen Hafträume des Klägers allerdings keine Hinweise
ergeben hat, geht der Senat davon aus, dass ebenfalls durch renovierungs- und andere
Gegenmaßnahmen (Heizung, Decken etc.) unterhalb der Schwelle der Verlegung des Klägers in
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eine andere Zelle Abhilfe hätte geschaffen werden können, die die Unterbringung, wenn nicht auf
einen rechtmäßigen, so doch auf einen menschenwürdigen Stand gehoben hätte.
b) Ein Schadensersatzanspruch nach dem verschuldensunabhängigen Art. 5 Abs. 5 EMRK
steht dem Kläger ebenfalls nicht zur Seite.
Nach Art. 5 Abs. 5 EMRK hat jeder, der entgegen den Bestimmungen des Art. 5 EMRK von
Festnahme oder Haft betroffen ist, Anspruch auf Schadensersatz. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2
EMRK - soweit hier einschlägig - darf einem Menschen die Freiheit nur auf dem gesetzlich
vorgeschriebenen Wege entzogen werden, wenn er rechtmäßig nach Verurteilung durch ein
zuständiges Gericht in Haft gehalten wird (Buchst, a). Die Europäische
Menschenrechtskonvention gilt innerstaatlich mit Gesetzeskraft und gewährt in Art. 5 Abs. 5 dem
Betroffenen einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch, wenn seine Freiheit dem Art. 5 Abs. 1
EMRK zuwider beschränkt wurde.
Ein Verstoß gegen die in Art. 5 Abs. 1 EMRK selbst normierten Haftvoraussetzungen ist nicht
ersichtlich. Es liegt auch kein rechtswidriger Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßnahme als
solcher vor, so dass der Freiheitsentzug (mittelbar) konventionswidrig gewesen sein könnte. Die
Garantie des Art. 5 EMRK bezieht sich nur auf die Freiheitsentziehung als solche, nicht auf die
Modalitäten des Vollzugs der Haft; daher ergeben sich aus ihr keine Rechte von verhafteten
Personen in Bezug auf ihre Behandlung in der Haft (BGH, Urteil vom 29. April 1993 - IM ZR 3/92 -
juris Tz. 16 f. = BGHZ 122, 268 = NJW 1993, 2927). Die Umstände des Vollzugs können zwar
auch die Rechtmäßigkeit der Haft in Frage stellen (BGH, a. a. O., juris Tz. 17). Die vom
Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung behandelte Fallgestaltung, nämlich eine
persönliche Vollzugsuntauglichkeit wegen einer lebensgefährlichen Verschlechterung des
Gesundheitszustands des Häftlings, ist mit dem vorliegenden Sachverhalt aber nicht zu
vergleichen. Für den Kläger folgte aus der Art der Unterbringung keine Gefahr nachhaltiger, über
die Beschwernisse der konkreten Situation hinausgehender Schäden (vgl. OLG Naumburg,
Beschluss vom 30. Januar 2006 - 2 W 25/05 -juris Tz. 10 m. w. N.). Die menschenunwürdige
Unterbringung führt nicht zur Rechtswidrigkeit des mit der Vollstreckung der Strafhaft
einhergehenden Freiheitsentzugs (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 13. Juni 2008 - 11 W 78/07 -
juris Tz. 26). Eine abweichende Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte, wonach im Fall
einer menschenunwürdigen Unterbringung ein Anspruch des Betroffenen nach Art. 5 Abs. 5
EMRK bejaht wurde, ist nicht ersichtlich (das Oberlandesgericht Celle hat in seinem Urteil vom 2.
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Dezember 2003 -16 U 116/03 - juris Tz. 24 = NJW-RR 2004, 380 - eine Entscheidung insoweit
ausdrücklich gerade nicht getroffen und auch in dem in einem in einem
Prozesskostenhilfeverfahren ergangenen Beschluss vom 16. September 2002 - 16 W 47/02 -
juris Tz. 6 = NJW 2003, 2465 - lediglich ausgeführt, ein Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK komme
in Betracht, ohne dies zu bejahen).
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor,
weil die Rechtssache (auch im Hinblick auf die Anwendung von Art. 5 Abs. 5 EMRK) weder
grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
N
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