kfz - kaltstart-festivalzeitung / # 02 / 1. jahrgang

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  • 8/9/2019 KFZ - Kaltstart-Festivalzeitung / # 02 / 1. Jahrgang

    1/16

    1.Jahrang

    Kaltsart

    KFZ #22010

    Fesivalzeitung

    Und?Wiewarich?

    JedeMengeRezensione

    n

    Und?Werbinich?

    RatgeberfrFestivalps

    ychos

    Und?Auchnass?

    SchwitzenimTheater

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    02 / 03

    EditorialKaum gestartet, schon mittendrin. KALTSTART ist von Anfang an ein ziemlich heies Festival. Nicht nur, weil

    man sich in vielen Vorstellungen kaputtschwitzt (siehe Seite 3). Sondern auch, weil es an den vielen Spielorten

    viel Aufregendes zu gucken gab. Es gab so viel zu gucken, dass wir in diese KFZ-Ausgabe gleich drei dicke,

    fette Doppelseiten (8 bis 13) voller Rezensionen, Reaktionen, Analysen und doofer Witze ber die Stcke der

    ersten beiden Auffhrungsabende gepackt haben. Fast alles geguckt! Ging nur mit viiieeel Gatorade bzw.

    Astra. Phew. Weil wir aber natrlich immer auch verrckt in die Zukunft schauen, gibt es Ausblicke auf kom-

    mende Festivalhhepunkte (Seiten 4 und 5), ein Interview zur theatralen Parallelgesellschaft (Seite 7) und das

    Portrt einer fast echten Hexe (rothaarig, Seite 6) -- auf dem Scheiterhaufen braucht man ja auch keinen Pulli.

    (Und auch der coolste Walkman wrde schmelzen, aber das hat jetzt eigentl ich mit gar nix was zu tun, auer

    vielleicht nochmal mit der Seite 3.)

    Was noch? Die tollsten Sachen. Weil sich einerseits so viele KALTSTART-Stcke mit der Konstruktion vonIdentitt beschftigen und die KFZ andererseits das Selbsterkenntnisblatt Number One ist, haben wir einen

    Psychotest entwickelt, der Euch eindeutig einer Festivalsparte zuordnet. Wenn Ihr Euch traut, ihn zu machen.

    H, wer ist denn Ihr? Na, Du! Oder wer man eben so ist . Eigentlich sind das ja auch Luxusprobleme. Anderen

    geht es viel schlechter! Um den verkrachten Existenzen und am Leben gescheiterten 18-Jhrigen unter den

    KALTSTART-Theaterguren doch noch die eine oder andere Perspektive zu bieten, haben wir einen Gastex-

    perten eingeladen, der so schlaue Tipps gibt, dass es schon fast nicht mehr lustig ist. Aber nur fast.

    Und das ist doch alles toll. So toll , dass die ganze Welt es wissen soll! Das Gor illa-Marketing in der Schanze

    (vgl. Coverfoto) war ein Mittel zu diesem Ziel. Wobei wir wieder bei der Hitze wren.

    Unter den Flokatis muss es ziemlich mollig gewesen sein. Glcklicherweise

    hatten die Darsteller reichlich Schlauchpfel zur Erfrischung dabei. DISKURSZURHAND#2JedeAusgabegibteseinenDiskursausdemHeftzumNachspielenfrZuhause.Einfachauschneiden,schwarzeStreifenhintenzusammenkleben,berdenFingerziehenundlosstreiten.

    Heute:IstdasKunstoderkanndasweg?Hatdas,wasalsKunstgefeiertwird,Bestand?ImStreitgesprch:

    Meesevs.Michelangelo

    Liebe Kier, iebe Ae, hoverehre Pubiku!

    Bananige, ereignisreiche Abende wnscht Euch

    Die Re.

  • 8/9/2019 KFZ - Kaltstart-Festivalzeitung / # 02 / 1. Jahrgang

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    Kaar

    HotnesIWaOnlyJoking

    Juli 2002. Sommerferien mit MTV. Der Mann mit dem Pa-

    ster im Gesicht und Frauen mit kurzen Tops. Sie bouncen undschwitzen. Schweilme auf den Krpern. Und immer: its

    getting hot in here so take of f all your clothes. Und sie genie-

    en. Sie ziehen was aus. Schwitzen weiter. Bouncen. Ziehen

    das aus. Schwitzen. Und nie war das so hot. Also hot-hot.

    Juli 2010. Pressehaus Kaltstart Festival. Balkon vom LOKAL.

    36 Grad. Wir so vor den Laptops. Theaterkritik zum Beispiel.

    Katy Perry und Snoop Dogg singen von Californian Gurls und

    ich denk so, ja, wieder Zeit fr Sommerhits, Bikinis, Bikinis,

    Martinis, ja, geil, aber wir schwitzen leider sogar im Sitzen,

    haben nicht mal Kraft, den Swimmingpool aufzubauen, nixBikinis. 42 Grad. Schon drei Mal geduscht. Das Kleid klebt am

    Arsch, die Finger an der Tastatur fest. Es ist so heit, aber nie

    war es weniger hot. Darum freu ich mich schon aufs Theater.

    Da gibts wenigstens keine Sonne. Da kann ich mal schn drin

    sein, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, weil ja Sommer

    ist. Aber andere freuen sich auch aufs Theater scheinbar. Wir

    gehen rein. An der Kartentheke werden Wedelpappen verteilt.

    Die Klimaanlage ist in Deutschland auer im Auto noch nicht

    so richtig angekommen. Eine Studiobhne. 80 Leute auf

    Sthlen. In der Mitte ein Steg. Zwei Schauspieler. Sie begin-

    nen zu sprechen und der Schwei bildet sich auf ihrer Stirn.

    Der Schwei bildet sich in meinen Kniekehlen. Mein Nachbar

    klebt. Der Block uns gegenber wedelt. Ich wedele. Irgendwo

    am Rand steht ein Ventilator, er grinst. Er singt: sun-kissed

    skin well melt your popsicles oh oooh oh. Eine Weile geht

    alles gut. Dann schlieen mein Nachbar und ich einen stum-

    men Pakt. Wenn er wedelt, wedele ich nicht, wenn ich wedele,

    muss er nicht wedeln. Das geht gut. Aber irgendwann wedelt

    er gar nicht mehr, und ich bernehme die Arbeit fr uns beide.

    Weil ich aber ja so schwitze. 52 Grad. Ich hasse es, wenn sich

    meine Beine berhren, meine Augen brennen, mein Hals

    klebt, ich kann nicht mehr zuhren. Dabei bewege ich mich

    nicht mal. Die beiden Schauspieler auf der Bhne dagegen

    gehen und springen und klopfen und schmeien sich hin und

    mssen dann wieder hoch kommen. Sie tragen lange Hosen

    und Hemden und Jacketts. Die Kostme weichen durch. Der

    Schwei tropft ihnen das Kinn runter. Es spritzt, wenn sie

    hart auftreten. Jetzt zckt einer der Spieler einen Panzen-

    sprher, sprht sich damit ins Gesicht. Und dann uns. Spter

    wird der Ventilator angestellt . Mal in jede Richtung gehalten.

    Erleichterung fr Sekunden in den Gesichtern der ersten Rei-

    hen. Wir verehren die beiden Mnner, weil sie uns mitdenken,

    berdieSchwierigkeitendesSchwitzensimTheater

    weil sie spontan so was machen fr uns. Dabei sind sie die, die

    am meisten schwitzen, in diesem Raum. Die gerade bei derArbeit sind auerdem. Die nicht mal wedeln knnen. 57

    Grad. Ich kann mich auf nichts anderes mehr konzentrieren

    als aufs Schwitzen. Das eigene und das fremde Schwitzen.

    Das Fremde vor allem.

    Ich erinnere mich ein Auffhrungsanalyse-Seminar und

    lange Diskussionen ber Erika Fischer-Lichtes Theorie vom

    phnomenalen Leib und semiotischen Krper des Schau-

    spielers, also vom gegebenen, echten, prsenten Krper

    des Schauspielers und dem Krper der Figur, die der Spieler

    darstellt und wie diese vor allem in einander bergehen. ZumBeispiel: die hochschwangere Schauspielerin. Wie gehe ich

    als Zuschauer mit der um? Offensichtlich ist sie schwanger.

    Aber der Franz Mohr, den sie heute Abend gibt, ist es wohl

    nicht. Kann ich den Babybauch ausblenden? Oder befruchtet

    der eventuell irgendwie die Rolle? Gleiches Prinzip, wenn

    ein Schauspieler bei 60 Grad auf der Bhne gekocht wird. Er

    besteht nur noch aus Schwei, er tropft, er atmet schwer,

    whrend er diesen Eskimo aus Eine Reise zum Polar spielt.

    Und obwohl wir alle schwitzen, ist das komisch, dass er so

    schwitzt, weil das pltzlich sein ganz privater Krper ist, der

    sich da aufdrngt. Das private Schwitzen zieht meinen Fokus.

    Oder kann man vielleicht auch mal semiotisch schwitzen?

    Sicher, aber dann wre das eingebettet. Wie im Videoclip von

    Nelly. (Redaktions-Kollege Jo sagt gerade: Schliet ein eri-

    gierter Krper aus, semiotischer Krper zu sein) Ich meine:

    nein!)

    Die groe Schwierigkeit des Schauspielers, nur einen Krper

    zu haben. Mit dem alles gemacht werden muss. Der muss

    dienen, dienen, dienen, der muss sich besetzen lassen, aber

    trotzdem ist er noch ganz normaler Standard-Krper. Der

    dann schwitzt oder schwanger wird oder Bikinistreifen hat.

    Und die groe Schwierigkeit des Berufs, da hoch zu gehen

    und es klar zu machen, trotz 63 Grad, trotz Skianzug, no

    matter what. Groe Geduld, groe Leidensfhigkeit ist hier

    erforderlich, bitte Augen auf bei der Berufswahl, das muss

    man erstmal leisten knnen und wollen, wieder und wieder.

    Ich gehe recht demtig aus den Vorstellungen raus in diesen

    Festivaltagen. Und dann direkt in den Keller.

    von Laura Naumann

    KFZThema

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    04 / 05

    Studenten der Akademie ber das Studie-

    ren an der Akademie. In das beste dasssich an diesem festival anmeldet (wirk-

    lich) zeigt das Ensemble Cobratheater.

    Cobra, eine Auseinandersetzung mit der

    Ausbildung zum Beruf des Regisseurs.

    Akademiker werden. Eine Sprache nden,

    eine Handschrift. Regeln lernen, um dann

    einer zu werden, der alle Regeln bricht.

    Sich reiben, sich befreien. Eine Unter-

    suchung des Systems und die Konikte

    damit. Ein Ausloten der Mglichkeiten und

    Unmglichkeiten. Die Performance ist Teil

    der Suche. Ebenso vielleicht die Schreib-weise im Titel. Probieren. Suchen. Fehler

    machen.

    Termine

    18:00 >Lecture-Performance Das

    Erfolgsprojekt / dummet face /

    Theaterhaus Hildesheim

    // Haus III&70 Anbau // Kaltstart

    Pro // 19:00 >Theater Ce que jai

    fait ce soir-l // Theaterakademie

    Zeisehallen // Finale //

    20:00 >Theater Die Nacht kurz

    vor den Wldern / Kammerspiele

    Paderborn // Haus III&70 Club //

    Kaltstart Pro // 20:00 >Theater keep

    on searching for a heart of gold /

    bigNOTWENDIGKEIT / Sophiensae-

    le Berlin // Haus III&70 Saal //

    Kaltstart Pro // 20:0 0 >Performance

    E.C.F.C. - eravamo cos folli che /

    AKR // monsun theater // Fringe //

    20:00 >Theater Das Schwert /

    Alsomirschmeckt s!-Theater //

    Schule Altonaer Strae

    // Fringe // 20:00 >Theater Der Kick

    / Anika Lehmann // Foolsgarden

    Theater e.V. // Fringe // 20:15

    >Theater Terrorgraphie all change

    please // Theaterakademie

    13:00 >Performance Rebecca eine

    48 Stunden Performance / DAP

    // siehe www.kaltstart-hamburg.

    de // Fringe // 18:00 >Theater Die

    Nacht kurz vor den Wldern / Kam-

    merspiele Paderborn // Haus III&70

    Club // Kaltstart Pro //18:00 >Performance Today i am

    willing to understand / Maria

    Isabel Hagen // monsun theater

    Werkstattraum // Fringe //

    19:00 >Theater Komm, ssser Tod /

    Schauspiel Frankfurt // Haus III&70

    Anbau // Kaltstart Pro // 19:00

    >Performance dis-oriented / Julia

    Blawert // Waagenbau // Fringe //

    19:00 >Theater Maria Stuart // The-

    aterakademie Zeisehallen // Finale

    // 19:00 >Gesprch Kick-Off Junge

    Dramatik // Terrace Hill //

    20:00 >Autorenlounge Abend 1 /

    Syha-Naumann-Steinbuch /

    Mansmann-Hierzegger-Finger //

    Terrace Hill / Im Anschluss groe

    Party mit berraschungskonzert,

    DJ usw. / www.kaltstart-hamburg.

    de // Terrace Hill // 20:0 0 >Theater

    Das Schwert / Alsomirschmeckts!-

    Theater // Schule Altonaer Strae

    // Fringe // 20:0 0 >Theater Die

    Unterrichtsstunde / Das Hambur-

    gische Kulturkontor // Foolsgarden

    Theater e.V. // Fringe // 20:30

    >Performance Today I am willing to

    understand / Maria Isabel Hagen //

    monsun theater Werkstattraum

    // Fringe // 20:30 >Arbeitsproben

    Werkstatt // Theaterakademie Zei-

    sehallen // Finale // 21:00 >Theater

    Vom Schlachten des gemsteten

    Lamms und vom Aufrsten der

    Aufrechten / vorschlag:hammer /

    Universitt Hildesheim&Hochschule

    der Knste Bern (CH) // Haus

    III&70 Saal // Kaltstart Pro // 22:00

    >Performance Alte Sehnsucht / Per-

    formanzART Vieux|Maram // 13ter

    Stock (Bar Rossi) // Fringe //

    Donnerstag 15. Juli 2010

    MITTWOCH 12. Juli 2010

    19:00 >Musiktheater Don Giovanni

    o sia // Theaterakademie Zeise-

    hallen // Finale //

    20:00 >Theater Der Du / Dsseldor-

    fer Schauspielhaus // Haus III&70

    Saal // Kaltstart Pro //

    20:00 >Performance E.C.F.C.

    eravamo cos folli che / AKR //

    monsun theater // Fringe //

    20:30 >Theater The Amok Society

    // Theaterakademie Zeisehallen //

    Finale //

    20:30 >Theater Die ultimative Show

    Wilde Ponys ausser Rand und

    Band / Ponydressing // Waagenbau

    // Fringe //

    21:30 >Theater After the End /

    Schauspielhaus Bochum // Haus

    III&70 Club // Kaltstar t Pro //

    21:30 >Theater Ilias / Heimathafen

    Neuklln (Berlin) // Terrace Hill //

    Kaltstart Pro //

    21:30 >Theater India Simulator

    / Flinntheater / Dock 4 Kassel //

    Haus III&70 Anbau // Kaltstart Pro

    21:30 >Kabarett Erstmal schn

    hinsetzen / Susanne Plassmann //

    Hamburger Botschaft // Fringe //

    21:30 >Theater Reiher // Theatera-

    kademie Zeisehallen // Finale //

    23:00 >Szenische Lesung Im Zug

    // Theaterakademie Zeisehallen //

    Finale //

    von Laura Naumann

    Wir wollten den Zuschauern ein Rezept

    fr den Erfolg im Theaterbetrieb liefern,sagt Maike Tdter von Dummet Face. Die

    Gruppe hat Gren aus verschiedenen

    Theatersparten zum Thema Erfolg in-

    terviewt. Der Plan sei gewesen, aus den

    Interviews einen Plan fr den Erfolg zu

    destillieren. Aber das hat natrlich nicht

    geklappt. Ihre Ergebnisse stellt die Grup-

    pe trotzdem in einer Lecture Performance

    vor, in der es darum geht, was dieser

    Erfolg eigentlich ist, warum Erfolg wichtig

    ist oder nicht und wie es eigentl ich um

    den Erfolg des Publikums steht. Au-

    erdem, sagt Maike Tdter, treten die

    Beatles auf. Kreisch!

    Was ist eigentlichdieses Theater?

    Donnerstag, 15. Juli | 18.00 Uhr |

    Haus III&70, Anbau

    von Jan Fischer

    Akademiestudenten suchen nach

    ihrer eigenen Sprache

    Do, 15.07. | 21.30 | Theaterakademie

    Zeisehallen

    Glcklichet Gesicht

    Freitag 16. Juli 2010

    Zeisehallen //Finale // 20:30 >The-

    ater Die ultimative Show - Wilde

    Ponys ausser Rand und Band /

    Ponydressing // Waagenbau //

    Fringe // 21:30 >Performance das

    beste dass sich an diesem festival

    anmeldet (wirklich)// Theatera-kademie Zeisehallen // Finale //

    22:00 >Theater Ein bisschen Ruhe

    vor dem Sturm / Stadttheater Bern

    // Terrace Hill // Kaltstart Pro //

    Wer ist eigentlichdieser Erfolg?Dummet Face aus Hildesheim

    suchen nach dem Weg nach oben

    KFZVorschau

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    Kaar

    Es ist ein viel gespielter Monolog. Berlin, Dortmund,

    Wien, Bochum, Kln Stadttheater und freie Grup-pen, sogar der Film, alle machen sie Bernard-Marie

    Kolts Die Nacht kurz vor den Wldern. Auch die

    Kammerspiele Paderborn haben ihn im Programm

    und zeigen die Inszenierung von Christian Onicu nun

    beim Kaltstart-Festival. Was fasziniert an diesem

    Ein-Mann-Stck? Onicu, der auch Schauspieler ist, hat

    den Monolog selbst schon gespielt und wollte nun den

    Schritt gehen und eine eigene Interpretation des Stoffes

    versuchen. Er stellt den Mann, der einsam durch die

    Straen zieht, in eine leere Welt nur dieser Obdach-

    lose (gespielt von Dan Florescu), sein Trenchcoat und

    das Publikum fllen den Bhnenraum. Die Einsamkeitdes Einzelnen wird konzentriert in dieser einen Figur,

    die reden will und muss. Der Mann spricht Passanten

    an, erzhlt ihnen seine Geschichte, kommt dabei vom

    Hlzchen auf Stckchen: Von alten Frauengeschichten

    auf politisches Engagement, das lngst vergangen ist,

    und immer wieder zum Fremdsein, zum Gefhl nicht da-

    zuzugehren. Die Passantenrollen spielt dabei das Pu-

    blikum. Es entsteht diese komische Situation, die jeder

    kennt: Da spricht dich jemand auf der Strae an, der ist

    irgendwie unterhaltsam, gleichzeitig aber auch nervig.

    Und darum tut er einem leid. Man merkt, dieser Typ ist

    eine arme Sau, erklrt Heike Dahm, Assistentin an den

    Kammerspielen, ihre Eindrcke. Dieser Mann dreht

    sich im Kreis. Er redet frmlich um sein Leben. Darum

    sucht er immer einen neuen Anknpfungspunkt, damit

    der Gegenber nicht weggeht, damit er nicht allein ge-

    lassen wird, so beschreibt der Dramaturg Jrg Uhl den

    Text. Er war mit fr die Textfassung verantwortlich,

    U ei Lebe ree

    Susanne Plassmann mag Comedians, besonders Fil

    Tgert und Hape Kerkeling. Diese fehlende Berhrung-

    sangst mit dem Populren ist an sich schon bemerkens-

    wert fr eine Theatermacherin, die Begrndung ist es

    nicht minder: An Kerkeling reize sie die Unbedingtheit,

    der Verzicht auf jedes berhebliche Augenzwinkern:

    Ich mag dieses Ich bin das jetzt, weil ich das immer

    auch bin, sagt Plassmann. So muss man es dann wohl

    auch etwas difziler verstehen, wenn die Ein-Frau-

    Performerin (Plassmann ber Plassmann) ihren Abend

    Erstmal schn hinsetzen im Gesprch auf jeden Fallne Comedy nennt. Ich mag keine Ironie und ich mag

    nicht manipulieren. Ich kann nur zeigen, erklrt Plass-

    mann. Exemplarisch fr ihre Arbeit kann der Entstehen-

    sprozess von Erstmal schn hinsetzen beschrieben

    werden: Nach einer schmerzhaften Trennung wollte

    Plassmann ber Liebe arbeiten. Darber kam sie auf

    das Thema Freiheit, auf Menschen, die sich Rume

    schaffen, die sie nicht mehr verlassen. Daraus resul-

    tierte die Figur jener Mutter, die im Stck auf der Bh-

    ne sitzt und das Leben aus der Distanz einer weitsichtig

    werdenden Kurzsichtigen betrachtet.

    Mit der habe sie unheimlichen Spa gehabt, sagt

    Susanne Plassmann. Nicht, weil sie sich ber deren

    spieigen Lebensentwurf lustig mache - Letztendlich

    schafft sich jeder seine Unfreiheiten, um sicher zu sein.

    Vielmehr versuche sie mit der natrlich tragischen

    Figur einen Ausbruch. Darunter habe man sich jedoch

    keinen groen Zirkus vorzustellen, sondern Stille,

    einen Umkehrpunkt. Ob die Umkehr in diesem Fall

    gelingt, lsst Susanne Plassmann offen.

    von Alexandra Mller

    von Johannes Schneider

    Die Kammerspiele Paderborn suchen

    nach der Einsamkeit des Einzelnen und

    ihren Geschichten

    Dienstag 13.07. | 19 Uhr | Zeisehalle

    Dienstag 13.07. | 19 Uhr | Zeisehalle

    Auf jeden Fall ne Comedy!Sich im eigenen Leben einsperren:

    Erst mal schn hinsetzen

    Erst mal schn Kaffee trinken

    Haute Culture e.V. Haute Culture e.V. Haute Culture e.V.

    die kaum verndert wurde. Nur einige Striche krzten

    den Text auf 70 Minuten Spieldauer. Die existentielle

    Suche, die der Text beschreibt, nach den anderen, nach

    Anknpfungspunkten in der Welt, die den Einzelnen

    dort halten knnen, ist nichts, was sich auf Obdachlose

    beschrnkt. Vielleicht liegt darin die schon 30 Jahre

    andauernde Faszination an diesem Stck.

    KFZVorschau

  • 8/9/2019 KFZ - Kaltstart-Festivalzeitung / # 02 / 1. Jahrgang

    6/16

    Es begann mit einer blutigen Hand auf einem Tisch.

    Es war nicht das erste Mal, dass Kunst und Krper

    verschmolzen, dass es das physische Ich als Zollgren-

    ze zwischen der inneren und der ueren Welt nicht

    mehr gab. Es waren die Siebziger, es wurde so einiges

    ausprobiert, nicht nur in der Kunst. Und doch haben die

    Schmerz- und Leidperformances einer Marina Abramo-

    vic die Kunst erweitert, sie um eine Dimension von Exi-

    stenz reicher gemacht. Bei der Performance Rhythm

    1973 stie sie sich stundenlang mit dem Messer in die

    Zwischenrume ihrer Finger.

    Knstlerinnen wie Marina Abramovic legen den Ver-dacht nahe, dass er etwas spezisch Weibliches ist, der

    Hang zum Aushalten, Ausreizen, dem Innehalten und

    Personizieren von Schmerz.

    Stefanie Miller geht es nicht um das physische Leid. Zu-

    mindest nicht in erster Linie. Das erzhlt sie, whrend

    sie in einem Keller steht. Der Raum ist wei gestr ichen,

    er liegt unterhalb des Wohnzimmers eines ehemaligen

    Pfarrhauses. Vor der Wand leuchten Millers rote Haare.

    Sie zeigt mir die Lichter, die sie im Nebenraum gestapelt

    hat, sie wird sie mit Brotpapier umkleiden und vertei-

    len. Eine Pritsche will sie aufstellen, fr den Fall, dass

    zwischendurch keine Besucher da sind und sie ein wenig

    schlafen kann. Stefanie Miller ist Performerin. Sie wird

    in diesem Keller leben, 48 Stunden lang. Sie wird mit ih-

    rem Krper die Geschichte einer Frau zu Kunst machen,

    die gelitten hat.

    Rebecca Lemp heit sie, Rebecca ist der Titel der

    Performance. Die Frau wurde 1590 der Hexerei be-

    schuldigt und nach Folter und erzwungenem Gestndnis

    auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Aus der Haft hat sie

    ihrem Mann Briefe geschickt. Deine schne Magelone

    steht oft darunter, als Verweis auf eine orientalische

    Mrchen-Knigstochter, die nicht bei ihrem Geliebten

    sein kann. Die Dokumente sind erhalten und archiviert,

    in der Stadt Nrdlingen in Bayern, Stefanie Millers Hei-

    matstadt. Zusammen mit ihrer Kollegin Barbara Kastu-

    ra hat sie aus den Originaltexten ein Hrspiel gemacht.

    Es luft vom Band, whrend sie eine Bewegungs-

    Maeoe uerer repe

    von Stephanie Drees

    06 / 07

    Vor der Inquisition: In Rebecca erlebt

    die Performerin Stefanie Miller die letz-

    ten 48 Stunden im Leben einer Hexe nach

    choreographie zeigt. Jede halbe Stunde lassen zwei

    Torwachen eine neue Gruppe von Besuchern herein,

    tags wie nachts. Zu den Besuchern sucht sie mimisch

    und mit Blicken Kontakt. Es geht ihr um persnliche

    Momente. Die Zuschauer treten nach der Reise ins Dun-

    kle zurck ins Licht. Sie sollen etwas Positives mitneh-

    men, nicht nur geteilten Schmerz. Stefanie Miller sieht

    sich als Projektionsche. Das Leid, zumindest das

    physische, kann man nur erahnen.Und was gibt es dann fr eine Entsprechung, heute?

    Wenn Stefanie Miller erzhlt, dann xieren ihre grnen

    Augen den Gesprchspartner: Psychische Folter in

    Form von Mobbing, von Leistungsdruck und Konkur-

    renz, von engen gesellschaftlichen Korsetts, das sind

    Themen, die ihr am Herzen liegen. Niemand wird mehr

    auf dem Scheiterhaufen verbrannt, aber es gibt andere

    Formen der Unterdrckung, noch immer. Unterschwel-

    lig zwar, doch prsent. Darauf mchte sie hinweisen,

    mchte, dass jeder Zuschauer einen eigenen Ansatz in

    der Performance ndet.

    Sie identiziert sich mit Rebecca, zu einem Teil. Sie

    fastet 48 Stunden, verlsst den Raum nicht. Ab 50

    Stunden Lichtentzug bekommt der Krper Entzugser-

    scheinungen. Wenn Stefanie Miller das erklrt, klingt es

    wie eine Mischung aus akuter Leidensbereitschaft und

    medizinischer Rckversicherung.

    Lsst man den Blick durch die Rume schweifen, dann

    suchen die Augen auch immer ein wenig nach Rebecca.

    Einer der Besucher hat zu Stefanie Miller gesagt, dass

    sich in dieser Performance die Geschichte der Frau an

    sich widerspiegele. Eine Marina Abramovic wrde viel-

    leicht zustimmen.

    Rebecca harrt aus

    Freitag 16.07. | 13 Uhr | Lokal

    von Stephanie Drees

    KFZVorschau

  • 8/9/2019 KFZ - Kaltstart-Festivalzeitung / # 02 / 1. Jahrgang

    7/16

    SticwortParalegeselscaft

    Nicole Oder ist mde. Sie sitzt auf der Platt-

    form des Terrace Hill, gerade sind die Auffh-rungen ihrer Inszenierungen Arabboy und

    Sisters vorber, zwei Mal 90 Minuten. Nicole

    Oder ist Regisseurin und Knstlerische Leite-

    rin des Heimathaften Neuklln aus Berlin. Das

    Haus ist drei Mal bei KALTSTART vertreten:

    Neben Oders Stcken luft noch eine Ilias-

    Bearbeitung von Krzysztof Minkowski und Dirk

    Moras (Mittwoch, 14. Juli, 21:30 Uhr, Terrace

    Hill). Mit Alexandra Mller spricht Oder ber

    Volkstheater, Problemkieze und Festivals

    als Brckenkpfe.

    KFZ Der Heimathafen Neuklln hat ja ein besonderes The-

    aterkonzept ihr wollt in eurer Spielsttte das alte Rixdorf

    und das heutige Neuklln einfangen, mit und fr die Leute

    im Kiez. Was heit das?

    NO Unser Motto ist ja: Berlin hat wieder Volkstheater. Erst-

    mal heit das, Theater fr die Stadt zu machen, aber auch

    Theater mit der Stadt: Eine Art Zusammensein. Gleichzeitig

    soll ermglicht werden, dass verschiedene Genres zusam-

    menkommen. Das Theater als Ort mit Platz fr Konzerte,Sprechtheater, Kabarett, Boxkmpfe hatten wir auch schon.

    Ich will, dass man immer hinterfragt: Was hat man fr ein

    Anliegen? Und dann danach, ob es die Leute berhaupt

    interessiert.

    KFZ Neuklln ist da bestimmt kein leichter Ort. Zwar ist es

    nicht mehr der Problembezirk, der vor ein paar Jahren in

    den Medien zirkulierte, aber ein idyllisches Dorf ist dieser

    Teil Berlins auch nicht gerade.

    NO Es ist vor allem ein inspirierender Bezirk. Die Ge-

    schichten liegen eigentlich auf der Strae. Wir als Theater

    mssen dann herausnden, wo ein Impuls sein knnte.Unsere Arbeit hat weniger mit Sendungsbewusstsein zu tun,

    als damit, zuzuhren. Das kann man dann theatral weiter-

    entwickeln.

    KFZ Das gilt sicher auch fr die beiden Produktionen, die

    heute Abend liefen. In beiden geht es um junge Menschen in

    Neuklln.

    NO Arabboy basiert auf realen Erlebnissen, die die Autorin

    Gner Balci nach ihrer Zeit als Sozialarbeiterin verar-

    beitet hat. Das Buch hat mich extrem bewegt. Ich wohne

    seit sieben Jahren im Bezirk, und man kommt stndig an

    der Oberche in Kontakt mit diesem anderen Neuklln

    - groes Stichwort Parallelgesellschaft - aber was wirklich

    da passiert, das wei man eigentlich nicht. Nach der Lektre

    bin ich mit einem anderen Blick durch Neuklln gegangen.

    Es hat mich berhrt, dass ich pltzlich so konkret von Ge-

    schichten wusste, die da passieren.

    KFZ Wie ist dann das Stck entstanden?

    NO Die Textfassung habe ich selber gemacht. Aber wir

    haben bei den Proben viel improvisiert. Besonders mit

    meinem Hauptdarsteller, Hseyin Ekici, der war damals

    18, ist in Neuklln aufgewachsen. Er kennt den Kiez, kennt

    die Geschichten. Es war seine Theaterpremiere. Mit ihm

    habe ich sozusagen das Theater nochmal neu entdeckt. Bei

    Sisters wollten wir mit dem Thema weiterarbeiten. Ich

    fand die Verhltnisse unter Mdchen sehr spannend. Zum

    Glck hatte eine Freundin von mir, Andreea Clucerescu, ein

    Treatment in der Schublade, in dem es um Neuklln und um

    Mdchengewalt ging.

    KFZ An vielen Stellen wird der Messecharakter des Festi-vals betont. Ist das K ALTSTART fr Dich eine Messe?

    NO Wenn man als Spielsttte da ist, schaut man natrlich:

    Was ist interessant? Man trifft vielleicht auf Leute, die fr

    eine Zusammenarbeit interessant wren. Die Begegnungen

    kommen aber auch viel ber die Kontakte, die ich auch

    schon hab. Aber ich versuche schon, mein Netzwerk hier zu

    verbreitern.

    KFZ Kulturarbeit wird im Heimathafen grogeschrieben, im

    Sinne von: Auf die Leute zugehen. Was kann ein Festival wie

    KALTSTART da leisten?

    NO Es ist gut, dass es eine Plattform gibt, eine Bestandsauf-

    nahme, was so los ist im jungen deutschen Theater. Was ich

    sehr gut nde, ist, dass es ber die Theatergrenzen hinaus-

    geht. Also, dass man sich nicht als Stadttheaterfestival oder

    Festival fr die Off-Off-Szene festlegt.

    KFZ Du warst dieses Jahr auch beim Berliner Theatertreffen

    und beim Festival 100 Berlin, das so hnlich funktioniert

    wie Fringe. Wo bewegt sich das gesamte Kaltstart-Festival?

    NO Es ist wie ein Brckenkopf dazwischen. 100 ist, sag

    ich jetzt mal, ein buntes Spektrum von allem. Jeder kann

    mitmachen, der Lust hat, auf der Bhne zu stehen und eine

    Melone zu zerschneiden. Das Theatertreffen ist der extrem

    andere Pol, sehr elitr, sehr auf Stadt- und Staatstheater

    xiert, sehr prestigetrchtig. Ich nde es notwendiger und

    wichtiger, dass man gerade so etwas macht wie KALTSTART.

    Kaar

    KFZInterview

  • 8/9/2019 KFZ - Kaltstart-Festivalzeitung / # 02 / 1. Jahrgang

    8/16

    08 / 09

    Hauae exoi!

    Es gibt Inszenierungen, die sind schon dem Titel nach ein-

    schchternd. Wilde Gebilde aus Klammern, Punkten und

    einer Gro- und Kleinschreibung am Rande des Erlaubten

    weisen den Weg zu den Avantgarden: Gernot Grnewalds

    wund.es.heim innen/nacht erffnete in den Zeisehallen

    das FINALE, die einwchige Werkschau der Theaterakade-

    mie Hamburg. Ausgehend von Schleef wolle das Projekt

    ZU/HAUSE als Wunde, als Ort der Zurichtung und der Sehn-

    sucht denieren, war im Programmheft zu lesen.

    Zu dieser Ankndigung scheint die Bhneneinrichtung

    kongenial: Frei gruppiert auf Kissen und Hockern sitzen die

    Zuschauer rund um die Spielche, die mit Zellophanwnden

    und Requisiten zu Rumen strukturiert ist, Transparenz sug-

    geriert und trotzdem unbersichtlich wird wie bald auch

    das Bhnengeschehen: Was als chorisches Schleef-Spre-

    chen von Schlern der Hamburger Schauspielschule beginnt,

    nimmt bald eine unangekndigte Wendung.

    Iereiai is PfiAus dem Chor, der engagiert die Qualen der Kindheit beklagt,allen voran das Leiden des Kindes an der Mutter, lst sich

    eine Gruppe, die selbst zur Mutter wird. Und eine Tochter

    sucht, die sie unterdrcken, gngeln und verderben kann.

    Sie ndet sie in der groartigen Cornelia Drr, die vom Chor

    der Mtter Erika genannt wird, und die ihrerseits in ihrer

    Klavierschlerin Anna (Marie Seiser) eine Projektionsche

    fr Hass und in ihrem Verehrer Herrn Klemmer (Bastian

    Dulisch) eine fr Perversion ndet.

    Fortan ist Grnewalds Abend nicht nur ein Schleef-, sondern

    auch ein Elfriede-Jelinek- und Michael-Haneke-Abend. Und

    auch sonst konsequent bervoll: Die Schauspieler werdengegen zeitgleich verlesene Regieanweisungen aus Hanekes

    Drehbuch zur Filmadaption von Jelineks Klavierspielerin

    gefhrt, zwischendurch gibt es Chor-Ausbrche, Porno-

    lmsequenzen ackern auf Wnden und Folien, per Beamer

    werden Dinge gezeigt, die live gelmt werden Interme-

    dialitt ist Picht. Im Publikumsgesprch zeigt der Overkill

    Wirkung: Die Zuschauer, obschon sprbar beeindruckt, tun

    sich schwer, einen speziellen Moment der Auffhrung in

    Erinnerung zu rufen.

    Au e Irak kom keier a HaueEs scheint da nur bedingt zynisch, von Felix Meyer-Christians

    Bearbeitung von Simon Stephens Kriegsstck Motortown,das im Anschluss auf der Hauptbhne gezeigt wird, beinahe

    als Erholung zu sprechen. Meyer-Christian lsst seine Pro-

    tagonisten auf schmaler Bhne vor schwarzem Vorhang

    von Johannes Schneider

    agieren. Irak-Heimkehrer Danny (Dennis Prtner) erscheint

    verloren zwischen denen, die einmal seine Bezugspersonen

    waren, und die ihn nun, abwechselnd spren lassen, wie

    wenig sie noch mit ihm, dem Traumatisierten, anzufangen

    wissen. Clownesk marschiert Danny zu Militrmusik auf die

    Bhne, spter wird er immer wieder sein Heil in Monologen

    suchen (die der Regisseur aus Briefen britischer Soldaten

    klug in die Stckvorlage eingefgt hat). Als er am Ende in sei-ner Verzweiung Bhnenaufbau und Vorhang niederreit und

    dahinter doch nur ein greres Gefngnis vorndet, ist das in

    seiner Klarheit ein so unsagbar starker Moment, wie er nur

    aus planvoller Reduktion resultieren kann.

    Wa habe wir d eiei erae eehe?Schade, dass die letzte Inszenierung des Abends das auf

    unterschiedliche Arten hohe Niveau nicht ganz halten kann -

    vielleicht ist es aber auch schlicht unfair, das junge Ensemble

    um Regisseurin Grete Michel im Anschluss an zwei derart

    fordernde Ereignisse auftreten zu lassen. Zumal mit einem

    weiteren, weniger eindeutigen Stck von Simon Stephens:

    Wie in Port die Geschichte des nordenglischen Working-

    Class-Mdchens Racheal (Julia Goldberg) und ihres Bruders

    Billy in schlaglichtartigen Szenen erzhlt wird, ertrinkt in

    traurig-melodischen Popsongs, in Fernweh und Melancholie.

    Immerhin ergibt sich daraus die Frage, mit der man den

    Abend verlsst: Wieviel Exotismus ist ntig fr gutes Theater

    - und wann beginnt er zu schaden? Mssen Inszenierungen

    derart mit Referenzen, Intermedialitten und Intertextuali-

    tten berfrachtet werden, dass sich eine beschreibbare

    Seherfahrung gar nicht einstellen kann? Die Theater-

    akademie Hamburg hat an diesem Abend keine Antworten

    gegeben, aber die verschiedenen Anstze klar voneinanderabgesetzt.

    Perverse Porno-Projektionen, marschierende

    Clowns und Britpop: Am Erffnungabend derFINALE-Sparte inszenieren Absolventen derTheaterakademie Hamburg Stcke von SimonStephens, Einar Schleef und Elfriede Jelinek.

    Undurchsichtig. Foto: Nane Blattmann

    Dieser Text ist auch auf

    www.nachtkritik.de erschienen.

    KFZKritik

  • 8/9/2019 KFZ - Kaltstart-Festivalzeitung / # 02 / 1. Jahrgang

    9/16

    Kaar

    Wer bin ich und wenn ja, wie viele?, fragt Richard

    David Precht in seinem populrphilosophischen Best-

    seller. Reckless Factory bleiben da einfacher: WER

    ... [binichich]. Die Inszenierung in Zusammenarbeit

    mit dem Schlachthaus Theater Bern basiert auf dem

    Stck Wer ... des Niederlnders Oscar van Woensel:

    Fnf Geschwister treffen zur Beerdigung ihrer Eltern

    zusammen. Sie alle arbeiten im Kulturbetrieb, sie alle

    knabbern an ihrer Kindheit. Vernachlssigung, Drogen-

    missbrauch und Vergewaltigung die Liste trauma-tischer Erlebnisse wird immer lnger.

    Ob sich wirklich alles so zugetragen hat, wie die

    Figuren behaupten, ist allerdings nicht klar. Der Text

    deutet an, dass die Fnf gerne Rollen spielen. Reckless

    Factory nehmen die Tragdienkonstruktion als Aus-

    gangsthese des Abends: Wo sich Schauspieler, Lite-

    raten und Fernsehmacher treffen, bleibt die Frage nach

    der Inszenierung des Selbst nicht aus. Der Text van

    Woensels wird zerhackt, neu angeordnet und als Inspi-

    ration genutzt. Die Figuren sind zwiebelhaft angelegt.

    Unter ihren vordergrndigen Rollen liegen Schichten,

    die sich mal in Dialektwechseln, mal in bizarren Ver-renkungen, mal im vlligen Ausstieg aus dem Bhnen-

    geschehen entblttern. Zum Beispiel Tochter zwei, eine

    mittelmige Schauspielerin. Sie wird von Gunther

    Kaindl als schlacksige Trans-Schnheit interpretiert.

    Unter der mdchenhaften Spielweise schlummert

    Frustration: In einem wortgewaltigen Monolog bricht

    alles aus der Figur heraus, inklusive der Figur selbst:

    Kaindl wlzt und wtet auf dem Bhnensofa, persiiert

    Theatergesten und beschwert sich ber die MTVck-

    dreckVivawichskulturzitatenscheidreckskonstruk-

    tionswichse. Kurz wird hier ein alter Theaterdiskurs

    fhlbar: Ein Schauspieler spielt eine Schauspielerin,die andere Schauspieler spielt der Text wirkt impro-

    visiert, mit einem Hauch echter Emprung. Umso mehr

    markiert er sich als Spiel, weil da immer noch ein Mann

    in Faltenmini steht, gleich neben einem Dixi-Duschklo.

    Es passiert was, auf der Bhne und im Kopf.

    Sonst passiert leider wenig, was unter anderem der

    schlechten Akustik anzulasten ist. Aber auch einem

    Mangel an Dramaturgie: Starke Szenen werden an-

    kiert von chtigen Materialsammlungen. Ideen und

    Bilder werden oft zu schnell aufgelst, weniger starke

    Momente in die Lnge gezogen. Die Inszenierung ndet

    sich nicht selbst, zerfllt in Einzelteile. Inhaltlich ist das

    vielleicht ein Verweis auf die fragmentierten Identitten

    im global village. Als Theaterabend aber nicht beson-

    ders berzeugend.

    Serge kauft sich fr 200.000 Euro ein lbild: Weie

    Streifen auf weiem Grund. Marc ndet es scheie.

    Ivan hat keine Position, trinkt aber viel Bionade. Das

    ist die Ausgangslage, von da aus knallen die Neurosen

    der drei Jugendfreunde aufeinander, die nicht zuge-

    ben wollen, dass sie nichts mehr eint. Es ist natrlich

    supermegaironisch, dass die Freundschaft ausgerech-

    net an einem Gemlde zerbricht, das im Grunde nichts

    zeigt: Nicht das Bild macht alles kaputt, sondern ganz

    andere, ltere Konikte. So weit, so tolles Figurenthea-

    ter, so toll auch der Text: Die Drei spiralen sich in einer

    endlosen Diskussion immer tiefer in ihren Stellungs-

    krieg hinein, von dem sie glauben, es sei ein Streit ber

    Kunst. Aber als sie in einer sinnlosen, romantischen

    Geste das Bild mit einem Edding bemalen, ist auch

    nichts gewonnen. Irgendwo in der Mitte kippt das alles.

    Klar, es ist hei in der Privatwohnung, in der das Stck

    stattndet, die Zuschauer schwitzen, die Schauspieler

    schwitzen, da kann es schonmal mit einem durchge-

    hen: Was am Anfang ein bse-ironischer Kommentar

    zu selbstreferentieller Kunst und den dazugehrigen

    Mchtegernbohmiens wren, wird in improvisiert wir-

    kende Comedy ausgest. Der Zusammenhang weichtdem schnellen Gag, der schnelle Gag dem ausgemach-

    ten Bldsinn, die Diskussion versucht ins Absurde zu

    spiralen und verspiralt sich.

    von Jan Berning

    von Jan Fischer

    Ziaeei-kosrukiowieReckless Factory fragen nach dem

    Ich in Zeiten der Persnlichkeits-

    dekonstruktionsckscheie

    Jan Cristoph-Gockel driftet in Kunst vom

    ironischen Sozialdrama in die Comedy

    Kann eigentlich weg. Foto: Jan Fischer

    Is d Kus oerkan d weg?

  • 8/9/2019 KFZ - Kaltstart-Festivalzeitung / # 02 / 1. Jahrgang

    10/16

    08 / 09

    Karl May, der Oberhuptling der Abenteuertrumer. Der

    Erzgebirgsdrer, den es zu Cowboys und Indianern ver-

    schlgt, der die wildesten Dinger dreht, bei grtmglicher

    Freiheit und bestmglichem Menschsein. Der Old Shatter-

    hand nicht nur schrieb, sondern auch Old Shatterhand war

    das behauptete er zumindest. Der, so sagen manche, unterkrankhafter Achtung, Wort fr die Hosentasche Pseudo-

    logie litt, dem zwanghaf ten Lgen.Tom Ripley, der Talentierte

    aus Patricia Highsmiths Roman und spter mit den vielen Ge-

    sichtern des Matt Damon verkrpert wurde. Der Erfundene,

    der sich selbst erndet, immer wieder neu, der in andere

    Rollen wie in andere Jacketts schlpft, und dabei manchmal

    ganz vergisst, dass er doch eigentlich ein Mrder ist.

    Am Theater Bochum begegnen sich diese beiden Figuren in

    Bermudadreieck denn spielt es eine Rolle, dass es den

    einen gab, den anderen nicht? An diesem Ort im Nirgend-

    wo, so suselt eine Luxus-Airline-Stimme (Veronika Nickl)

    aus dem Off, ist alles mglich: Im Bermudadreieck ver-schwindest du und kannst als jemand anders wieder auftau-

    chen. In der Urauffhrungsinszenierung von John Birkes

    Stck besteht die Bhne aus einem Steg, der zum Halten gro-

    er Lebensmonologe einldt, und zwei Garderobentischen,

    an denen man sich vom Halten ebenjener Monologe erholen

    kann. Abseits von Raum und Zeit reektieren May und Ripley

    ihre bisherigen Rollen, um sie schlielich abzustreifen.

    Eva-Maria Baumeister setzt auf eine gurenkonzentrierte

    Regie, auf Ruhe und Genauigkeit, Martin Bretschneider und

    Christoph Jde stellen die Lebensberichte ihrer Figuren mit

    Gespr fr Anti-Heldentum und hochstapelnde Sympathie-

    trger vor die Zuschauer, die mit den Darstellern auf derBhne, hinter dem Bermuda-Vorhang schwitzen. Wenn der

    am Ende aufgezogen wird, ffnet sich eine neue Bhne fr

    May und Ripley und der Gang aus dem Bermudadreieck

    wird zum Gang in ein neues Ich.

    von Clara Ehrenwerth

    Huptling Flotte Feder

    oe ir a BerudDas Theater Bochum ber den talentierten

    Mister Karl May

    Ja, der Druck ist hoch und vielleicht ist deshalb das Projekt,

    seit es Jonas Fischer eingegeben wurde, noch nicht recht

    fortgeschritten, wie der Regisseur zu Beginn erklrt. Doch

    vielleicht kann der kreative Flow erst unter dem Zeitdruck

    und der Spannung einer ffentlichen Probe lospltschern.

    Eine King-Kong-Klaue in Lebensgre zum Umhngen hat

    er dabei. Und zwei Schauspielerinnen: Christina Geie und

    Monique Schwitter, die ber Haustiere sprechen, ber Angst

    auf der Bhne oder einen seltsamem Text, in dem der Pro-

    tagonistin ein Phallus unter den Achseln herauswchst. Und

    als dann nach der Probe nicht viel mehr herausgekommen

    ist als eine Zusammenfassung der Verlmung von 1976 und

    dass man King Kong und Dwan ja mal zum Paartherapeuten

    schicken knnte, sind wir natrlich enttuscht. Aber auch

    von uns. Weil uns erst drauen vor der Tr aufgeht, dass auf

    der Bhne ein vierter Stuhl gestanden hat und wir die Chance

    vergeben haben, uns dazu zu setzen, die Vision mit Euphorie

    zu sttzen, King Kong zu retten. Das wollen wir hiermit gerne

    nachholen Exklusive KFZ-Tipps fr eine King Kong-Insze-

    nierung:

    Transgender-Triebabfuhr

    Die Faust des Riesenaffen steht schon seit den Dreiigern

    in seiner mythologischen Potenz kerzengerade in der Luft.

    Doch warum den pelzigen Kolloss nicht in Frauenkleider

    stecken und in eine Transgender-WG ziehen lassen, dome-

    stiziert wie eine Doris-Drrie-Figur nach dem gewaltfreien

    Sushi-Happening? Im Jahre 2010 heit King zu sein, aufge-

    staute Triebe in den kreativen Umgang mit Polyamoursitt

    zu stecken. In jeder Auffhrung die eine wichtige Frage: Ist

    das eine Banane unter deinem Morgenmantel oder freust du

    dich nur, mich zu sehen?

    Theatrales Live-Call-in

    Wer den Trster Domian im Fernsehen sieht, der bemerkt

    sofort: Jrgen und King Kong haben nicht nur die einfhlende

    Mimik gemein. Sie sind Dealer der Depression, im psycho-

    logischen wie wirtschaftlichen Sinne. Bei dem schmusigen

    Riesen als theatralem Live-Seelenicker mit Telefonhrer

    in der Pranke wrden gleich zwei Fuste fr ein Halleluja

    zuschlagen: Mitmachtheater trifft Gutgorillatum.

    Gorilla-Saga

    Einst wurde unser Freund als Projektionsgur fr ngste

    vieler Art gesehen. Heute reicht ein Blick vor die Tr, um

    zu erkennen: Die Hlle, das sind die anderen. Grund genug,den Affen auf ein Dreirad zu setzen und in ein Peter-Pan-

    Kostm zu stecken. Eine Ren-Pollesch-Oper mit dem King

    (dem schwarzen...) als Hommage an den Gromeister. Nicht

    umsonst lautet ein Zitat von dessen Seite richtigerweise:

    Drauen tobt der KONGsens.

    Kig Kog kom! I Teaer!Der Riesenaffe, das Ur-Monster, der Meta-

    Mythos! Wir wissen, wovon wir reden: Wir

    sind am Set gewesen, live beim Making-Of!

    Wir haben durchs Schlsselloch geschaut,

    um das erste Blubbern der kreativen Ur-suppe zu verfolgen, aus der das Kunstwerk

    hervorgehen wird.

    von Jan Berning und Stephanie Drees

  • 8/9/2019 KFZ - Kaltstart-Festivalzeitung / # 02 / 1. Jahrgang

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    von Clara Ehrenwerth

    Ihr ucig Fehea GehrRalph Reichel und das Theater Schwerin

    mixen Schiller neu zusammen

    Bevor irgendwas losgeht, bevor berhaupt irgendwas

    angefangen hat auf diesem Festival, fnf Minuten vor

    der allerersten Kaltstart-Auffhrung 2010, kracht ein

    Scheinwerfer von der Decke. Ein Techniker springt in

    letzter Millisekunde zur Seite, die Scherben splittern

    ausdrucksstark, der beinahe Erschlagene holt ein

    Kehrblech, der Regisseur Ralph Reichel rettet sich ver-

    legen in den Witz, dass es sich bei der eben gesehenen

    Aktion um einen von langer Hand geplanten Spezial-effekt gehandelt habe, drei Wochen sei lang intensiv

    dafr geprobt worden. Eine donnernde Ouvertre.

    Aufgang der drei Schauspieler, ein Musiker stellt sich

    ans Keyboard, und dann beginnt Schiller feiern, ein

    Remix aus Kabale und Liebe, Die Ruber und Maria

    Stuart, entwickelt am Theater Schwerin. Schnell

    ist eine lang verschollene Ur-Trilogie erfunden, ein

    frhes Fragment des jungen Dichters, das erst jetzt

    von einem Wissenschaftler wiederentdeckt wurde. Da

    ieen dann alle Hauptguren ineinander, und pltzlich

    heit jemand Karl-Ferdinand-Elisabeth der Erste. Die

    Schauspieler (Brit Dehler, Bernhard Meindl und BettinaSchneider) wechseln rasant zwischen den Rollen, den

    Geschlechtern, zwischen Ironie und Ernst, zwischen

    Naturalismus und Stilisierung. Bei dieser Frequenz,

    diesem Schredderumgang mit Schiller ist es erstaun-

    lich, dass es dem Ensemble gelingt, nicht dem Klamauk

    zu verfallen, sondern immer wieder Momente von gro-

    er emotionaler Klarheit zu schaffen. Dabei sind weder

    die Modernisierungsideen noch die darstellerischen

    Mittel besonders originell, mitunter sind die Versuche,

    Schiller cool zu machen, sogar gehrig missraten

    -- die Ruberbande wird zur Ruberband (am Key-

    board: John R. Carlson) und hat hinter eddingbemalten

    Strumpfmasken einen Auftritt mit ihrem Technohit

    Stehlen, morden, huren, balgen, der trotz nicht ber-

    einstimmender Grundstimmung und Silbenzahl auf die

    Melodie von Hier iegen gleich die Lcher aus dem

    Kse gepresst wird.

    Doch Schillers Sprache, und das ist immer wieder

    erstaunlich, hlt so ziemlich allem stand, was man mit

    ihr anstellt. Man kann sie rappen, man kann sie sch-

    seln, man kann sogar anbiedernde Jugendwrter in sie

    reinbohren (Zufallsbeispiel: Ihr fucking Flehen fand

    Gehr). Alles das ist zur Genge in den dicht aufeinan-

    der folgenden Schillerjahren 2005 und 2009 geschehen,

    auch in Schwerin. Und trotzdem macht dieser Abend

    Spa, weil die Darsteller sich mit Witz, mit Ernst, mit

    Schmackes und Spielfreude dem Schillerschen Sprach-

    reichtum und seiner Wandlungsfhigkeit hingeben.

    Kaar

    Brechen wir einmal eine journalistische Re-

    gel. Lsen wir mal den neutralen Beobachter

    auf: Ich habe keine Ahnung vom Leben libano-

    trkischer Einwanderer der zweiten Gene-

    ration. Ich bin eine verwhnte Mittelstands-

    Weinase. Ich habe nie in Berlin gelebt. Und

    nun erzhlt mir der Heimathafen Neuklln die

    Geschichte des Arabboy, eigentlich Rashid

    A., geboren und aufgewachsen in irgendeinem

    Neukllner Kiez. Da verprgelt und vergewal-tigt er Leute. Da gibt es Prostituierte, einen

    Kiezknig, ein Mdchen mit ruinierter Ehre,

    auerdem Drogen. Ich kenne die Geschichte,

    ich habe sie tausendmal gehrt, sie spielt

    zwar immer in anderen Stdten mit Protago-

    nisten, immer anderer Nationalitten, aber

    im Grunde genommen ist das Scarface, die

    Geschichte eines Heimatlosen, eines Glck-

    von Jan Fischer

    Arabboy reproduziert die alte

    Geschichte vom Aufstieg und Fall

    eines Jungen in Verbrecherkreisen

    Rashid. Der Nachname tut nichts zur Sache.

    Neukl is aukeie Lug

    losen, eines netten Jungen, der in falsche

    Kreise gert, auch, weil die Gesellschaft

    ihm keinen anderen Weg bietet. Arabboy

    thematisiert das: Gleich in der zweiten Szene

    spielt Rashid mit ein paar Freunden den

    Film nach, er ist dabei die Hauptgur Tony

    Montana. Und die Frage nach seiner Hei-

    mat ist die einzige, die ihn in Verlegenheit

    bringt. Arabboy basiert auf einem Buch

    der Journalistin Gner Balci, die behauptet,

    dass Rashid im richtigen Leben existiert. Das

    Problem ist nun nicht, dass es nicht gut und

    richtig wre, Geschichten von Einwanderern

    zu erzhlen, die eigentlich gar keine mehr

    sind, aber trotzdem keine Heimat haben. Das

    Problem ist auch nicht, dass das Stck nicht

    gut inszeniert wre, dass die Schauspieler

    schlecht wren oder der Text holprig. Das

    Problem ist, dass die Geschichte von Arabboy

    schon so oft erzhlt worden ist. Da kann die

    Geschichte so wahr sein, wie sie will: Klischee

    bleibt Klischee.

  • 8/9/2019 KFZ - Kaltstart-Festivalzeitung / # 02 / 1. Jahrgang

    12/16

  • 8/9/2019 KFZ - Kaltstart-Festivalzeitung / # 02 / 1. Jahrgang

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    Kaar

    In einem kleinen Raum mit wenig Luft ist jeder Menschein potentiell gesundheitsschdliches Moment und je-

    der Synapsen-Schulterschluss eine Bedrohung fr das

    geistige Wohl. Sehr lobenswert also, wenn man einem

    Kammerspiel beiwohnen kann, das diesen Umstnden

    den ntigen Respekt zollt: India Simulator vom Flinn-

    theater hat man rasch durchschaut, es geht eben um

    kulturelle Missverstndnisse, um Indien und Deutsch-

    land, um Gestik und Mimik, um das Aufeinanderschauen

    und das bereinanderurteilen alles in kleine Hpp-

    chen unterteilt. Das ist zwar nicht besonders nahrhaft,

    man verlsst den Raum eher ungesttigt und mit den

    Gedanken schon beim nchsten groen Mahl, aberzumindest hat man zwei gut aufgelegte Schauspieler

    dabei beobachtet, wie sie von einem Klamauk zum

    nchsten gesprintet sind. Klar, dass da irgendwann

    auch mal die Luft wegbleibt.

    von Khesrau Behroz

    I Iie i NeueIn India Simulator geht es um kulturelle

    Differenzen. Schmeckt, sttigt nicht.

    Vorweg: Wir Zwei lohnt sich allein schon wegen

    der zweistimmigen Akustik-Coverversion von

    Radioheads Creep. Die Story geht so: Rob undRoland, zwei Jungs, die den Wert eines guten AC/DC-

    Shirts kennen, hatten in der Schule eine Band, eine

    von denen, die auf Trumen durch Provinzgigs glei-

    tet. Nach zehn Jahren wollen sie ein nostalgisches

    Reunion-Konzert spielen. Wir Zwei spielt im

    Proberaum, es gibt immer wieder groartig geco-

    verte Chart-Klopper aus den letzten zwanzig Jahren,

    und das Publikum bekommt die Geschichte der Band

    und das Danach erzhlt: Die Trume, den Schmerz,

    die Trennung. Aber das ist nicht wichtig: Wichtig

    ist, dass da zwei Jungs auf der Bhne quer durch

    die Popgeschichte Spa haben, wichtig ist, dass siesuper Pophuren sind. Das sagen wir mit dem grten

    Respekt.

    von Jan Fischer

    PohureWir Zwei aus Mainz covert die Songs

    einer verlorenen Bandjugend

    Der ganze 13te Stock ist voll, Lounge-Athmo und einer,

    dem die Tattoos an diesem Abend das T-Shirt ersetzen,

    serviert Getrnke. Irgendwann luft Morcheeba: Der

    ese Mann ist der Typ hinterm DJ-Pult, er trennt sich

    erstmal von seiner Freundin. So geht es weiter: Tren-

    nungen, Strungen, ein bisschen Lacan, ein Quentchen

    Foucault, ein Holocaust-Vergleich: Christiane Filla und

    Markus Frank sprechen die Kurzen Interviews

    eigentlich Monologe unterschiedlicher Mnner mal

    zusammen, mal alleine, mal hinter dem DJ-Pult, mal

    auf dem Balkon, und bis auf einige Kostmwechsel

    war es das eigentlich auch: Regisseurin Anna Schildt

    inszeniert zurckgenommen. Zugegeben, die Monologe

    werden teils in Dialoge aufgelst, manchmal ist der

    ese Mann eine ese Frau aber eigentlich schrammt

    der Abend scharf an einer szenischen Lesung vorbei.

    Aber was solls: Es geht um das Verhltnis zwischen

    Mnnern und Frauen, und dieses Hohoho, das kenne

    ich! zusammen mit der Inszenierung destilliert das

    Mario-Barthige aus David Foster Wallace nur, dass

    Mario Barth normalerweise nicht Foucault zitiert.Schildt hat erkannt, dass man diese Texte einfach nur

    ohne zu stocken sprechen muss, damit sie knallen wie

    die Sonne auf das Flachdach. So lange das Bier gekhlt

    ist, das der Ttowierte bringt, hat die Kritik da nichts zu

    meckern.

    von Jan Fischer

    Anna Schildt lsst David Foster Wallaces

    Kurzen Interviews mit esen Mnnern ihreStrahlkraft

    Im limbischen System gehts zur Sache. Es zischelt und

    wispert aus den Ecken des Raumes, ein Stimmenchor

    formiert sich schlielich, um das Abtauchen tief in die

    Gewlbe des menschlichen Bewusstseins anzusagen,

    den Moment zu greifen, in dem Traum und Wirklich-

    keit beschlieen, sich gegenseitig fr eine Liebesnacht

    abzuschleppen. Das Publikum sitzt im Zentrum einer

    Geschichte, in der das Bewusstsein ein schlpfriges

    Ding ist: Von Sequenz zu Sequenz werden wir von einem

    Synapsenchor auf Mrchenstaub-Speed unterhalten,

    die mal koboldhaft, mal mit ethnologischem Drang, See-

    lenlandschaften der Wnsche und Trume erkunden.

    Die Vorlage dient nur als grobes Motivgeecht: O'Neills

    expressionistischer Trip in die Gesellschaftsordnung

    eines Dampfers ist hier ein Ballett der Hirnstrme. Kei-

    ne haarigen Heizer, sondern schwitzende Tnzer. Das

    Publikum kann Orte auf Zettel schreiben, die die Cho-

    reograe beeinussen. Es mutet zu Anfang ein wenig

    wie eine Adaption der Es war einmal das Leben-

    Serie aus den Achtzigern und wird dann leichtes, atmo-

    sphrisches Bewegungstheater. Eine Feier des neuro-

    nalen Chaos.

    von Stephanie Drees

    az er raiterChristopher Rping zertanzt Eugene

    ONeills Haarigen Affen

    Mario Barhr Ielekuele

    KFZKritik

  • 8/9/2019 KFZ - Kaltstart-Festivalzeitung / # 02 / 1. Jahrgang

    14/1612 / 13

    Es ist ein gemtlicher Sonntag, endlich Zeit zum Lesen. Was

    nimmst du dir vor?

    A - Das Spielzeitheft! Die neue Saison startet bald. Eventuell

    schaue ich in den neuen Kehlmann, auch wenn die FAZ ihn

    nicht so gut besprochen hat.

    B - Sorry, keine Zeit zum Lesen. Sonntags arbeite ich mit

    Problemkids.

    C - Ich surfe ne Weile auf Watchblogs. Und stecke immer

    noch in McLuhans Understanding Media fest. Shit.D - Erika Fischer-Lichte hlt heute Nachmittag einen Vor-

    trag. Darauf muss ich mich vorbereiten.

    Stell dir die perfekte Bhne vor. Wie sieht sie aus?

    C - Leer, ein Beamer.

    A - Ich sehe ... eine von Anna Viebrocks phantastischen

    Bhnenwelten. Christoph Marthaler begrt mich mit Hand-

    schlag und fhrt mich auf meinen Stammplatz in der ersten

    Reihe ... Oh, hab ich getrumt?

    B - Joar ... ein graftibespraytes Laken ... in der Ecke ein

    paar Requisiten aus Pappe oder so. Hauptsache selbstge-

    macht. Mit diesem ganzen bernanzierten Shit kann ichnichts anfangen.

    D - Die historische Bedeutung von Bhnenausstattung, das

    war meine Masterarbeit. Ich persnlich bevorzuge die khle

    sthetik von Plastikfolie und Plexiglas, bin mir aber natrlich

    bewusst, dass meine Prferenzen nichts mit dem tatsch-

    lichen Diskurs zu tun haben.

    Was ist dein absoluter Lieblingsspielort?

    A - Der groe Saal und ein Theatersitz mit Samtbezug. Mir

    gefallen die barocken Theater gut, aber auch einen moder-

    nen Neubau wei ich durchaus zu schtzen.

    B - Mir kommts halt eher auf die Darsteller an. Ob im Kultur-

    zentrum oder in der Turnhalle, ist egal.

    C - Theater ist berall! Was soll die Einschrnkerei. Wenn

    du unbedingt ne Antwort willst: alte Fabrik, Wohnung, die

    Strae.

    D - Ich gehe mit dem Konzept des ffentlichen Raumes als

    Theaterort daccord, schtze aber die Studiobhne.

    Du stehst vor der Premiere im Foyer und hast etwas Geld

    brig. Was holst du dir?

    A - Ich trinke Sekt, lieber Champagner. Wenn es Brezeln gibt,

    genehmige ich mir eine in der Pause. Die Schnittchen in der

    Frankfurter Oper sind aber auch fantastisch.

    C - Hab ne Club Mate im Rucksack.

    B - Meistens bin ich fr die Getrnke verantwortlich, da leg

    ich schon Wert auf Fair-Trade-Kaffee.

    D - Meine Kommilitonen und ich wir bevorzugen Wodka,

    wenn mglich russischen.

    TypBYoungstar

    WarumimmernurdieProsranlassen?DuhltstesehermitBeuys:

    JederisteinKnstler!Waszhlt,sindderSpaamSpiel,dasEntde-

    ckenunvermuteterTalenteunddasguteGefhl,wennmanetwas

    gemeinsamaufdieBeinegestellthat.Ganzabgesehendavon,dass

    sichnurdurchunverbrauchteDarstellerderpolitischeCharakterdes

    Theaterszeigt.

    TypAKaltstartPro

    DubleibstDeinemStadttheatertreu.DortkannstDuDichnochdarauf

    verlassen,nichtmitallzugewagtenFormexperimentenkonfrontiertzu

    werden.DubistMitglieddesFrdervereins,BesitzerdesAbo-Pakets

    Premiereundliebstes,DeinenBhnenstarsbeimanschlieendenBfettganznahseinzuknnen.

    Wer ist dein absoluter Held auf der Bhne?

    A - Ich nde viele der klassischen Figuren spannend. Sie

    berhen einfach einen gesamtgesellschaftlichen Kern. Aber

    wenn ich mich festlegen muss: Hamlet.D - Eine der komplexesten Figuren, die gleichzeitig Vergan-

    genheit nach- und die ganze Postmoderne vorschreibt, ist die

    die Hamlet-Figur aus Mllers Hamletmaschine.

    B - Ich hng nicht so an Figuren. Die Kids haben ihre ganz

    eigenen Vorstellungen auf der Bhne, das nd ich viel span-

    nender.

    C - Auch, wenn Rimini Protokoll schon fast Mainstream sind,

    nde ich immer noch die Experten des Alltags am geilsten.

    Im Publikum ersphst Du Dein Traumgirl/Deinen Traumboy.

    Wie gehst Du auf sie/ihn zu?

    A - Sind Sie auch fter hier?D - Selbstredend ist mir bewusst, dass Geschlecht nur eine

    Konstruktion ist, die durch die unserer Gesellschaft inne-

    wohnenden konomischen und physisch-biologistischen

    Zwangsstrukuren paradigmatisch determiniert ist, aber,

    h ... cken?

    B - Bist Du auch mit jemandem von den Darstellern be-

    freundet?

    C - Lust zu kiffen?

    TypCFringe

    VonffentlichgefrdertemTheaterbekommstDuHerpes:Nurinder

    FreiheitkannsichdasTheaterentfalten,allesandereistnurMnn-

    chenmachenfrKulturfunktionre.Duschtztdiereduziertesthetik

    undliebstes,wennTheateranauergewhnlichenOrtenstattndet,

    ambestenimffentlichenRaum.IntermedialittundPerformanceArt

    sindkeineFremdwortefrdich.ImGegenteil.

    TypDFinale

    ImTheaterbeschftigenDichwenigerdieHandlungoderdiegroen

    AugenderHauptdarstellerin,sondernvorallemdieInszenierung.Dein

    InteressegiltdemtheoretischenberbauunddemEinsatzsthetischer

    Mittel;DusitztnichtalsZuschauer,sondernalsAnalytikeraufDeinem

    Platz.AbstraktionistDeineLeidenschaft.

    Oh weh ... es ist Kaltstart-Festival und du weit nicht,

    welche Produktion du dir anschauen sollst? Fringe oder

    doch lieber Finale? Bist du mehr der Kaltstart-Pro-Typ

    oder doch ein klassischer Youngster? Die KFZ- er-leichtert dir die Qual der Wahl: Einfach den Psychotest

    machen.

    Pycotes-WER...[bitdudu]?

  • 8/9/2019 KFZ - Kaltstart-Festivalzeitung / # 02 / 1. Jahrgang

    15/16Kaar

    Auf der C ouc!

    Das Beratungsgesprch fr dramatische

    Figuren mit unserem Psycho-Experten

    Dr. Freude

    von Jan Berning, Alexandra Mller, Stephanie Drees und Jan Fischer

    wo Menschen ein offenes Ohr und eine helfende Hand

    brauchen. Dem Berufsfeld, auf dem du arbeitest,

    scheint eine Ellbogen-Mentalitt eigen, die von vielen

    Menschen zunchst als Herausforderung verstanden

    wird, nicht selten aber auch zu innerer Leere fhren

    kann. Das Moment des Ausgebranntseins teilst du mit

    vielen Menschen auf dem freien Markt. Drogen ver-

    schaffen da nur einen kurzzeitigen Urlaub von einer

    Welt, auf deren harten Boden du nach dem Rausch nur

    umso hrter aufschlgst. Nimm dir Zeit fr dich und dei-

    ne Trume, versuche heraus zu nden, was du wirklichvom Leben willst. In Pegeeinrichtungen, Jugendzen-

    tren oder Asylcafs freut man sich ber aufgeschlos-

    sene und engagier te junge Menschen, wie dich. Dein Dr.

    Freude

    Lieber Dr. Freude, niemand will meinen Roman lesen, mein Va-

    ter hat mir die monatliche Untersttzung gestrichen und jetzt

    ist meine Freundin auch noch schwer krank. Ich wei echt

    nicht, wie ich damit umgehen soll ... ich will doch einfach nur

    Kunst machen. Ein groer Schriftsteller werden und nicht so

    ein Arschloch wie mein Vater. Ich glaube, meine Freundin wird

    mich verlassen, dabei liebe ich sie so. Aber ich kann halt mit

    ihren ganzen Problemen nicht so gut umgehen, ich bin doch

    noch so jung und muss meinen Roman vollenden. Von wegen

    Knstler mssen leiden. Das ist doch einfach beschissen! Dein

    Laurenz

    Dr. Freude: Lieber Laurenz, du hast Recht, manchmal ist

    das Leben wirklich dramatisch. Wie gut, dass du einen

    Weg gefunden hast, problematischen Situationen mit

    Schreiben zu begegnen! Die Kunst kann uns viel ber

    das Leben erzhlen. Hr dir mal ein paar alte Opern

    an, zum Beispiel La Traviata, da ndest du dich sicher

    wieder. Aber Kunst hat immer auch mit den Menschen

    um uns zu tun. Wenn du nicht bereit bist, neben den hel-

    len auch die dunklen Stunden mit deiner Freundin zu tei-

    len, wird es dir auch schwer fallen, auf die Bedrfnisse

    deiner Leser einzugehen. Und noch was: Authentizitt

    nach der Postmoderne, das geht nicht. Dein Dr. Freude

    Der dramatische Held bricht an den Frchten seiner

    Tat wusste schon Aristoteles. Und weil der drama-

    tische Held bricht und fllt und nicht selten stirbt,

    knnen wir uns dann vor der Bhne in die Gefhls-

    achterbahn setzen. Aber muss der dramatische Held

    wirklich brechen, um uns zu erlsen? Nicht in Zeiten

    von Ratgeber-Kultur und Chat-Foren! In der KFZ schafft

    der Psychotherapeut Dr. Freude den bedrngten Seelen

    Abfuhr und lsst die Bhne zu einem Ort von Harmonie

    und Eintracht werden.

    Lieber Dr. Freude, s Leben ist mir ein Graus, dieser Tage. Tag-

    aus tagein stehe ich dem Hauptmann grade, suche dem Arzt

    zu gengen und der Marie und dem Kleinen e in Geld zurck zu

    legen. Doch es gengt nicht. Gestern hab ich zwei Ohrring-

    lein gefunden bei ihr und der Hauptmann sagt, sie sei nicht

    tugendhaft und dass sie ein andren htt. Eine Snde, so dick

    und so breit - es stinkt, dass man die Engelchen zum Himmelhinausruchern knnt! Und dann diese Stimmen: Stich, stich

    die Zickwoln tot! - Soll ich? Muss ich? Dein Woyzeck

    Dr. Freude: Lieber Woyzeck, man merkt, dass Du

    Probleme gerne auf der Metaebene angehst. Nachden-

    ken kann hilfreich sein, aber auch dazu fhren, dass

    dein Kopf zu einem Hamsterrad der Gedanken wird.

    Vielleicht berfordern deine abstrakten Analysen dein

    Umfeld! Versuche auszudrcken, was du fhlst, statt

    deiner Freundin mit Vorwrfen zu begegnen oder Recht-

    fertigungen von ihr einzufordern. Nur so ndet ihr eine

    Ebene, auf der ihr ehrlich miteinander sein knnt. Und

    wenn deine Wut und deine Enttuschung im Moment zugro sind, sie mit deiner Freundin zu teilen, schreibe sie

    auf. Im Internet gibt es zahlreiche Foren, in denen du

    dich anonym mit Menschen austauschen kannst, denen

    es hnlich geht, wie dir. Dein Dr. Freude

    Ey, gestern hat misch mein Arbeitgeber, is Kiezknisch,

    gefragt ob isch ein morbide disse. Konnt isch aba nisch. Pro-

    blem: hat isch voll Empathie, hat isch kein Brainpower. Jetzt

    hab isch fett Schiss um Job und dass kann isch nisch meine

    Drogen bezahlen oder misch Kiezknisch ckt. Was soll isch

    machen, Alta? Dein Arabboy aka Rashid

    Dr. Freude: Lieber Rashid, deine Angst um deinen Job

    ist verstndlich. Aber ich verstehe auch deine Hem-

    mungen, einen Menschen morbide zu dissen. Empathie

    ist eine Eigenschaft, die in vielen Berufsfeldern gefragt

    ist und es dir ermglicht, dort wertvolle Arbeit zu tun,

    KFZRatgeber

  • 8/9/2019 KFZ - Kaltstart-Festivalzeitung / # 02 / 1. Jahrgang

    16/16

    Die Festivalzeitung KFZ zum KALTSTART HAMBURG 2010 wird herausgegeben vom

    Kaltstart e.V.

    Redaktion: Khesrau Behroz, Jan Berning, Stephanie Drees, Clara Ehrenwerth,Jan Fischer, Alexandra Mller, Laura Naumann, Jan Oberlnder (V.i.S.d.P.),

    Johannes Schneider.

    Titelfoto: Jan Fischer. Freud-Foto von Psychology Pictures / Flickr.

    Gestaltung: www.kirschcake.net.

    Auage: 500.

    Redaktionsblog unter www.kaltstart-hamburg.de/blog.

    Schreibt uns unter [email protected].

    Face-to-face: Lokal, Max-Brauer-Allee 207, 22765 Hamburg

    Mit freundlicher Untersttzung von:

    Eigentlich wollten wir an dieser Stelle ja immer die

    Anderen verhohnepiepeln; die, die uns - der bo-

    denstndigen KFZ-Redaktion aus der Provinz - zu

    manieriert, zu campy, zu gewollt, kurz: zu theaterm-

    ig erscheinen; jene, die gerade hier - in der Schanze

    - den schmalen Grad verfehlen zwischen progressiver

    Off-Kultur und Kunstkacke fr so Gentrizierungs-

    schickiyuppielohadinknrollpeople, wie es der Chef

    ausdrckt. Nun wissen wir: Wir sind die Schlimmsten

    von allen, die herzlosesten und ironischsten PoMo-

    Wichser des ganzen Festivals. Schaut euch das

    mal an, grlt Mr. Gonzo Jan II. In seinen Hnden:

    ein Din-A-5-Flyer. Solidaritt mit dem gerumten

    Hausprojekt Eichenstrae 9 in Wien, buchstabiert

    Jan III die gefettete berschrift, nur um direkt anzuf-

    gen: Times New Roman geht ja mal gar nicht.

    Wien ist mir entschieden zu weit weg fr Solidaritt,

    herzlost Redaktionszynikerin Clara E. fadenscheinig

    hinterher und beginnt zu lesen: Seit dem Abend des

    2. Juli ist das Hausprojekt in dem bis dahin leer-

    stehenden Gebude in der Eichenstrae 9 erffnet.

    Schon am 6.7.2010 forderte die Eigentmerin BB

    (sterreichische Bundesbahn) den freiwilligen Auszug

    bis Freitag frh. An dieser Stelle sind ihr die ersten

    Lacher sicher: Wer ist denn so blde und besetztein Haus von einer ffentlichen Institution?, kichert

    Von Jo Schneider

    Veereo!

    Obercheckerin Alex M., als htte sie selbst im Leben

    jemals mehr besetzt als eine Toilettenkabine.

    In diesem Stil geht es weiter: Ein handschriftlich ein-

    gefgtes Binnen-I bei HausbesetzerInnen sorgt fr

    groe Heiterkeit, der Satz Jegliche Versuche selbst-

    verwaltet zu leben werden im Keim erstickt erntet

    eine Vielzahl an Oooohs und Eine Runde Mitleids.

    Die gefettete Signatur wird zielsicher als Angebot der

    autonomen Linken zum Liedermachen aufgefasst.

    Das KFZ-Ukulelenorchester holt seine Instrumente

    hervor, alle anderen ihre glockenhellen und von kei-

    nem antifaschistischen Kampf rau gewordenen Stim-

    men. Eine schmalzige Joan-Baez-Gedchtnis-Kadenz

    (G-Emoll-C-D) ist schnell gefunden, alle singen:

    Doch wir sind viele und wir werden immer mehr,

    je mehr wir gedrckt werden, um so entschlossener

    werden wir wieder vor Euch stehen. Der Kater folgt

    am nchsten Morgen. Du, wir sollten uns echt ernst-

    hafter mit den internationalen Befreiungsbewegungen

    auseinandersetzen, sagt die Zonen-Linke Laura N.,

    whrend sie aktionistisch die Klotren der Redakti-

    onskommune aus den Angeln hebt. Bei der anschlie-

    enden Redaktionssitzung wird sodann einstimmig

    der basisdemokratische Entschluss gefasst, die

    Rote Flora zu besetzen.Venceremops!

    IMPRESSUM

    KFZKolumne:AffektierteEffekte II