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art unrealized künstlerische Praxis aus dem Blickwinkel der Documenta11 Hamburg University Press Kunstpädagogische Positionen 12 Bernhard Balkenhol

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    2006

    art unrealized – künstlerische Praxis aus dem Blickwinkel der Documenta11

    Hamburg University Press

    Kunstpädagogische Positionen 12

    Bernhard Balkenhol

    ISB

    N 3

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    ISSN

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    Un ivers i tät Hamburg

  • EditorialGegenwärtig tritt die Koppelung von Kunst & Pädagogik,Kunstpädagogik, weniger durch systematische Gesamt-entwürfe in Erscheinung, als durch eine Vielzahl unter-schiedlicher Positionen, die aufeinander und auf die Geschichte des Faches unterschiedlich Bezug nehmen.Wir versuchen dieser Situation eine Darstellungsform zu geben.

    Wir beginnen mit einer Reihe von kleinenPublikationen, in der Regel von Vorträgen, die an derUniversität Hamburg gehalten wurden in dem Bereich,den wir FuL (Forschungs- und Le[ ]rstelle. Kunst –Pädagogik – Psychoanalyse) genannt haben.

    Im Rahmen der Bildung und Ausbildung von Stu-dierenden der Kunst & Pädagogik wollen wir Positionenzur Kenntnis bringen, die das Lehren, Lernen und die bildenden Effekte der Kunst konturieren helfen.

    Karl-Josef Pazzini, Eva Sturm,Wolfgang Legler, Torsten Meyer

  • Bernhard Balkenholart unrealized – künstlerische Praxis aus dem Blickwinkel der Documenta11hrsg. von Karl-Josef Pazzini,Eva Sturm, Wolfgang Legler,Torsten Meyer

    Kunstpädagogische Positionen 12/2006Hamburg University Press

  • Es ist bald ein Jahr her, dass die Documenta11 ihre Tore inKassel geöffnet hat. Heute vor einem Jahr wurde nochheftig an dieser immer noch bedeutendsten Ausstellunggearbeitet. In der Binding-Brauerei war fast noch garnichts gehängt/aufgebaut, weil sich wegen der ungeklär-ten Frage, wer den Umbau der Brauerei in ein Museumder 100 Tage bezahlen soll, alles sehr verzögert hatte.Aber Okwui Enwezor, der künstlerische Leiter der D11,hatte einen genauen Plan für seinen White Cube, den erdann auch durchgesetzt hat.

    Ich möchte noch einmal über diese documentaschlendern, bei dem einen oder anderen stehen bleiben,Arbeiten und ihre Themen ins Gedächtnis rufen, nachdem künstlerischen Interesse und Tun, nach der künstle-rischen Haltung fragen, die sich darin lesen lässt, undStichworte sammeln, Knoten in den roten Fäden, diediese Ausstellung zusammengehalten haben. Ein Stich-wort z.B. habe ich bereits genannt: den White Cube, d.h.den leeren, sinnfreien Raum, den Enwezor als Plattform5,die Ausstellung Documenta11, gewählt hat. (Ich kommespäter darauf zurück.)

    Ich tue das aus dem einen Jahr Distanz heraus –aber nur wenig distanziert, denn wer das alles in Kassel,von der Kunsthochschule aus oder vom Kunstverein ausmiterlebt, ist angesteckt vom documenta-Fieber undsteckt irgendwie mit drin. Das gilt natürlich noch mehrfür die Erinnerung an die documenta, die versucht ist, ausdem Fieber, der erhöhten Temperatur der documenta-Zeit, eine heroische Krankheitsgeschichte zu machen.

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    1 Eingang Fridericianum

  • Als einer, der in seiner Erinnerung flaniert, kommen mir Fragen, die in verschiedenste Richtungen gehen,Fragen wie:

    »Ist Georges Adéagbos Installation eine neue künstlerisch-wissenschaftliche Diskursform oder ›nur‹afrikanische Kunst, die auf europäischen Flohmärktenfremd geht?«

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    2 Georges Adéagbo, »Der Entdecker und die Entdeckerangesichts der Geschichte der Entdeckungen« …! DasTheater der Welt, 2002

    3 Gabriel Orozco, Gefäße (Anfänge), 2002

  • »Ist die Ansammlung der 70 Keramikgefäße vonGabriel Orozco nur ein Einführungskurs in die Archäo-logie der Keramik oder ein Denkmodell?«

    Ich verfolge darin keine Systematik, die auf einebestimmte These hinausläuft, sondern lasse mich gehen,um mit den Füßen Vermutungen anzustellen wie:

    »Hat die Dokumenta11 vielleicht eher künstlerischeHandlungsformen diskutiert, statt neue stilistische Ten-denzen oder ›Leading Artists‹ vorzustellen?«

    Bis heute ist die documenta umstritten, nicht zuletzt weilsie mit dem eigenen Ruf zu kämpfen hat, die größte undwichtigste Ausstellung zeitgenössischer Kunst der Ge-genwart zu sein. Auch diesmal wieder hat sie mit über650 000 Besuchern einen Rekord aufgestellt. Der AnteilJugendlicher ist mit um die 30% gegenüber anderen Aus-stellungsereignissen überdimensional hoch, was eine ermunternde Zahl ist.

    Es geht mir aber nicht um eine Rückschau auf dieDocument11, sondern ich will Überlegungen anstellen,welche spezifische Formen ästhetischer Praxis, wiekünstlerisches Arbeiten heute so edel genannt wird,diese Ausstellung und die Arbeiten, die dort zu sehenwaren, nahe legen.

    Und die documenta hatte immer Einfluss auf das prakti-sche Arbeiten in den Schulen – in der Negation wie in derAdaption, und es wäre einmal interessant wissenschaft-lich zu untersuchen, welche Parallelen gezogen werdenkönnen zwischen der Entwicklung der documenta undihrem Selbstverständnis einerseits und der Entwicklungkunstdidaktischer Modelle andererseits.

    So gab es 1964 zur dIII eine Ausstellung KasselerKunsterzieher mit dem bezeichnenden Titel »Das könnenwir auch«, in der Schüler zeigten, wie gut sie die stilisti-schen Formen der Abstraktion nachahmen können – eine»Unterrichts-Idee«, die heute – als Methode – immernoch Schule macht.1

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  • Wichtig und einschneidend aber war wohl schon dieerste documenta, 1955. Sie pflanzte mit anderen die klas-sische Moderne fest als Stoff wie als künstlerisches Programm in den Kunstunterricht. Arnold Bode, der»Erfinder« der documenta, nutzte die documenta 1, die erals Begleitprogramm zur Bundesgartenschau organisierthatte, als einen demonstrativen politischen Akt zur Re-habilitation der Moderne, der Expressionisten und Realis-ten, der Surrealisten und Futuristen, der Entwicklung hin

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    4 documenta 2, 1959, Orangerie

    5 documenta 1, 1955, Fridericianum

  • zu einer abstrakten Kunst. Die bis vor kurzem Diffamier-ten und Verbotenen waren in den notdürftig aber exem-plarisch »modern« hergerichteten Räumen des Fridericia-nums zum ersten mal wieder zusammenhängend zusehen. Schon damals übrigens hat Arnold Bode die Formder Ausstellung, Architektur und Hängung, als festen Bestandteil der Diskussion um die Inhalte von Kunstund den Umgang mit Kunst eingeführt. Es kamen fast135 000 Besucher, in einer Zeit, wo es noch schwierig warzu reisen, ein ungeheuerlicher Erfolg, der nach Weiter-machen rief.

    Im olympischen Takt von vier Jahren folgten die 2.,3. und die 4. documenta. Sie konstituierten, was dieseAusstellung zur Weltausstellung machte: nämlich zusam-menzutragen, was international jüngste, aktuelle Kunstwar, also Gegenwart. Das ist deshalb so bemerkenswert,weil die documenta schon immer wie ein Museum auf-trat, obwohl die Bilder noch frisch waren, vieles noch nievorher gezeigt wurde und die Künstler oft nur ganz wenigen bekannt waren. Schützenhilfe nahm sich Bodebei Kunsthistorikern wie Werner Haftmann, der dieseneuen Bewegungen gleich stilistisch ordnete und in dieKunstgeschichte einführte. Die Realismus-Debatte aufder d5, 1972, kann als erster Höhepunkt theoriebeglei-teter Ausstellungen bezeichnet werden. Auch KatherineDavid wie Okwui Enwesor haben ihrer documenta eineausführliche kunsttheoretische Debatte vorangestellt.

    Beides: medienwirksame museale Präsenz undkunsttheoretische Begründung gaben den Kunsterzieher-Innen die Möglichkeit, wie kein anderes Fach aktuell zu sein und neueste Bewegungen der Gegenwartskunstin die Schule zu holen: Auf der d4 waren es die Pop Art,die Op Art, der Abstrakte Expressionismus, die MinimalArt, Land Art, etc., auf der d5 dann die Diskussion umKitsch und Kunst, um Kunst und visuelle Kommunikation,um politische Kunst Ost-West, etc., – noch heute heißtunser Fach als Relikt aus der Theorie der »Visuellen Kommunikation«2, die deutliche Züge der Diskussion auf

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  • der d5 trägt, in Hessen am Gymnasium Kunst/VisuelleKommunikation. Das Fach Kunst war deshalb in den 70er,80er Jahren wohl das »modernste« im Fächerkanon undin seinem Stoff, seinen Medien, wie in seinem Auftretenam nahesten an den Schülern und ihrem Gegenwarts-verständnis. Jede weitere documenta, die d6, 7, 8, hattedann ihren eigenen Schwerpunkt: die Zeichnung, danndie Fotografie und die neuen Medien Video/Film, schließ-lich und nicht zuletzt Architektur und Stadt- und Land-schaftsplanung, die alle für die Schule neu in den Mittelpunkt geholt werden konnten. Seit der d5 gab es »Begleithefte zur documenta«, zur d5 noch als kritischeAntischrift zum Katalog3 von Studierenden der HfbK gemacht, zur dX von KunsterzieherInnen gemacht schonals offizieller Bestandteil der documenta-Schriften4.

    Die Art der Praxis, die sich daraus ableitete, warimmer sehr unterschiedlich und reichte von der Form derNachahmung über verstehende Anwendung bis hin zumVersuch, aus der eigenen Auseinandersetzung und daringewonnenen Haltung heraus wie Künstler, wie Bildjour-nalisten oder wie Architekten zu handeln. – Allerdingsdarf man, bei all den engagierten spektakulären didakti-schen Programmen und Diskussionen nicht übersehen,dass es daneben sehr beständig einen »normalen« Kunst-unterricht gab (und bis heute gibt), der von all dem unbe-rührt »Kunst« als Ausgleichssport in der Schule betriebenhat und betreibt (das gilt besonders für den meist fach-fremd gegebenen Unterricht in den Grund-, Haupt- undRealschulen). Zurzeit entbrennt die Diskussion, welchenStellenwert die Praxis haben soll, den der Erziehung undBildung oder den der Kunst wieder heftiger. Unterschied-lichste Bewegungen stehen dabei nebeneinander: DieTendenz etwa, mit Hilfe des alles neu könnenden Compu-ters wieder formalästhetischen Kunstunterricht der 60erJahre zurück zu holen5 oder gegen die Unsinnlichkeit derMedien wieder musische Bastel-Erfahrung zu setzen, undauf der (meiner Ansicht) gleichen Seite angesiedelt Ver-treter der verschulten Kunst und der Heil bringenden

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  • Pädagogik, letztere vertreten etwa von Hubert Sowa, derneulich in einem Vortrag in Kassel vor einer »freien«Kunst warnte, die sich nicht den ethischen Maßstäbender »Erziehung zum Glück« unterstellt. Auf der anderenSeite versuchen Autoren wie Pierangelo Maset6 oder dasInstitut 10 in Hamburg Ansätze vorzuschlagen, die »vonKunst aus«7 losgehen, die also die spezifische Strukturund Funktion von Kunst als Ausgangspunkt einer Aus-einandersetzung in schulischem Kontext verstehen.

    Ich kann diese Diskussion hier nicht führen, sie istnicht unbedingt mein Thema. Mein Reden bisher hataber vielleicht schon merken lassen, dass ich eineMethode in den Blick nehme, Kunstdidaktik »von Kunstaus« zu denken.

    »Streifzüge durch die Universität von Babel«, wurdeder Besuch der Documenta11 in einer Überschrift derFAZ8 genannt, Universität als Ausbildungsstätte und Forschungsstätte der Verwirrung. In fünf Semesterngleichsam hat die D11 fünf verschiedene Plattformenangeboten, von denen die letzte erst die Ausstellungselbst war.

    Die ersten 4 Plattformen9 fanden nicht mehr inKassel statt, sondern in Berlin, Wien, Neu Delhi, in SantaLucia, in der Karibik also und in Lagos, Afrika.

    So ging es im 1. thematischen Block um democracyunrealized, Demokratie als unvollendetem Prozess, umdie Frage also, ob »unsere« Demokratie Modell sein kannfür die Welt, was es bedeutet, sie als Modell zu denkenund von unterschiedlichen Kulturen und politischerGeschichte aus durchzuspielen.

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    6 Blick in die documenta-Halle

  • »Experimente mit der Wahrheit, Rechtssysteme im Wandel und Prozesse der Wahrheitsfindung und Versöh-nung« hieß die 2. Plattform. Dahinter stand die Fragenach der Legitimation von Macht und der Definition vonGerechtigkeit nach dem Ende der Apartheid, nach demVölkermord in Uganda, im Zeitalter von Neokolonialis-mus, etc. nach der zentralen Frage also: Wer kann Wahr-heit sprechen? Die Sieger? – als Opfer?

    In der Karibik, dieser Inselwelt von Mischgesell-schaften, wurde unter dem Stichwort »Creolité und Kreo-lisierung« auf der Plattform 3 darüber diskutiert, waseigentlich eine Kultur ausmacht. Ist es die gradlinige kulturelle Entwicklung eines Volkes – wie wir oft fälschli-cherweise glauben, dass unsere europäische Kultur einesolche ist –, die Identität schafft, oder welche Faktorensind es, die eine Kultur wachsen lassen und ausmachen?

    »Unter Belagerung: vier afrikanische Städte:Freetown, Johannesburg, Kinsshasa, Lagos« hieß schließ-lich die letzte Plattform vor der Ausstellung, abgehaltenim ganz konkret sich immer wieder neu organisierendenChaos von Lagos, wo eine unbekannte Millionenzahl vonMenschen lebt, eine Stadt, die seit Jahrzehnten keineStadtverwaltung mehr kennt, sondern nur Krieg auf dereinen Seite und unglaublichen Überlebenswillen auf deranderen Seite.

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    7 Zarina Bhimji, »Aus heiterem Himmel«, 2002, DVD

  • Dementsprechend konnte die 5. Plattform10 nicht ein-fach nur eine »Weltausstellung der Kunst« sein. »Ihre elfte Ausgabe hat weniger den Charakter einer tradi-tionellen Leistungsschau, die den Stars ihre Plattform bietet und zugleich nach singulären Positionen im jünge-ren Segment angelt, die sich im Besuchergedächtnis

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    8 David Goldblatt, In Boksburg, 1979-80

    9 Bodys Isek Kingelez, New Manhattan City 3021,2001-02

  • einbrennen. Sex und Fez braucht sie nicht. Ebenso weniglebt sie von der Show durch Schock. Die Documenta11versteht sich nicht einmal als Sprungfeder für Kunst vonmorgen. Sie bedient nicht den Markt. Ihr Wert bemisstsich nicht am Verkaufswert des Gezeigten. Sie will keineTrends aufspüren oder bestätigen und tut sich schwermit Solitärbeiträgen. Sie ist ein Fenster in die wahreWelt.«11, so Dorothee Baer-Bogenschütz, und weiter:

    »Die Documenta11 blendet aus, was das Lebenlustig macht. Sie handelt vom Fremdsein und Verloren-fühlen, von Unterdrückung und Aufbegehren, von Menschenrechten und deren Verletzung. Willkür undIntoleranz, Freiheitsverlust und Fanatismus werden thematisiert. Erstmals beschäftigt die Weltkunstaus-stellung, was in Ländern der dritten Welt passiert. Nebenpostkolonialen Identifikationsversuchen entdeckt siedort überlieferte Muster nationaler Selbstvergewisse-rung. Grenzübergreifend untersucht sie soziale Konflikt-stoffe und kulturelles Cross over. // Die überaus politischangelegte Ausstellung erscheint als Auffangbecken fürNachrichten aus Krisengebieten und von Fluchtbewegun-gen. Migration und Assimilation sind zentrale Aspekte.Niemals zuvor galt das Augenmerk einer documenta(explizit) den Problemzonen dieser Erde. Südafrika zumBeispiel.« Und das nicht mehr nur aus europäisch-ameri-kanischem Blickwinkel, ergänze ich. Die FAZ titelte diesenPerspektivwechsel sehr deutlich in der Überschrift: »DieEntdeckten entdecken die Entdecker«.12

    Gerade für Jugendliche, das haben viele Beobachter ausdem Führungsdienst bestätigt, war nicht mehr die Frage»Ist das noch Kunst?« oder »Was ist Kunst?«. Sie nehmenden Besuch als (kulturelles) Angebot, als »schulischenEvent« – warum nicht? – und sind vielmehr »gleich einge-stiegen«, in die inhaltliche Auseinandersetzung, die hierin künstlerischer Sprache geführt wurde – und habensich gewundert, dass sie von dort aus so viel und sogardie bildnerische Sprache verstehen.

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  • »Wir erleben die erste documenta der Globalisierung.« so noch einmal Baer-Bogenschütz, aber nicht als Veran-staltung von politischen Parolen sondern eben als »Uni-versität von Babel«, aus einer Art humanistischemExistentialismus heraus, der sich eher der Beschreibung,der Dokumentation und der Poesie als Sprache bediente,denn der Anklage oder Agitation.

    In diesem Kontext sehe ich auch die Figur der Platt-form, weil sie eine spezifische Form von Diskurs darstel-len kann: Nicht der Vorlesungssaal, das Seminar, nichtdas Diskussionsforum, auf dem letztendlich (im Rathaus)gewonnen werden soll, sondern die Plattform: eine ausdem eigentlichen Geschehen herausgehobene Anhöhe,auf die man hinaufsteigt, um von dort aus in alle Richtungen sehen zu können. Hier kann man sich treffen,– nicht, was viele erwartet haben zu einer Gipfelkon-ferenz, sondern um sich auszutauschen und verschiedeneStandpunkte einzunehmen und gemeinsam in alle Rich-tungen zu sehen. Kein Feldherrenhügel also, sondernWhite Cube.

    Wenn Okwui Enwezor von der Verschiebung desNullpunktes in einem viel-dimensionalen Koordinaten-system der Bestimmungsfaktoren von Gesellschaft undGeschichte spricht13, benutzt er eine weitere interes-sante Figur. Nicht nur, dass er damit von verschiedenen

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    10 Georges Adéagbo, »Der Entdecker und die Entdeckerangesichts der Geschichte der Entdeckungen« ...! DasTheater der Welt, 2002

  • Funktionen und deren Rechenbarkeit ausgeht, die jeweilseinen Graphen – also Geschichte – bilden, er behauptetdamit auch ein Modell, dass als Ganzes verschoben werden kann, womit die Werte aller Bezugspunkte ver-schiebbar werden. Zentrum wird zur Peripherie undumgekehrt. Je nach dem welche Funktion man unterlegt,entsteht eine spezifische Kurve, je nach dem welchenWert man einsetzt, verändert sich die Kurve, und wennman schließlich das Koordinatensystem als Ganzes durchdie Kurve zieht, relativieren sich alle Werte. Ein solchesModell definierbarer, besser recherchierbarer Relativitätund Bewegung der Standpunkte und Bezugspunkte stelltalle bisher festen Gefüge in Frage.

    In diesem Modell z.B. wäre die Fixierung des Null-punkts der Kollaps – Ground Zero des 11. September z.B.Er ist dann erreicht, wenn alle Werte in sich zusammen-fallen, wenn also die größte Macht – im politisch Realenwie im Symbolischen – auch die höchste Verletzbarkeitmit primitivsten Mitteln bedeutet, wenn menschlicheund religiöse Ziele nur noch mit Selbstmord zu erreichensind, wenn Frieden mit Krieg oder Demokratie mit ökono-misch-politischer Machtübernahme erreicht werden soll.Politik ist dann am Ende, Kultur aus jedwedem Interessenur noch relativ, frei für primitive Indienstnahme oderPlünderungen und Zerstörungen.

    Mit diesen beiden Denkfiguren über die D11 zu gehen,heißt vielleicht vier Füße zu haben, oder auch mal auf den

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    11 Faree Armaly mit Rahid Masharawi, From/To, 2002,Fußbodendetail

  • Händen zu laufen, sicher aber mehrmals und immer wieder neu hinzusehen. Allerdings müsste man tradi-tionelle Methoden des Museumsbesuchs wie Kontem-plation und Interpretation, Information und Sicherungvon Bildung durch Aneignung, durch die Aufnahme eines engagierten offenen Dialogs und die Bereitschaftder Verwicklung in die Zusammenhänge – also Ver-unsicherung – erweitern. Karl-Josef Pazzini dazu14: »DieDocumenta11 wird Sie zum Laien machen können, zueinem, der sein Wissen vergisst, zu einem, der sich nichtmehr auskennt.« Und das versteht er durchaus als einepositive Situation.

    Katherine David hatte auf der dX solche Wege eröffnet, nicht nur im Begriff des Parcours und der Retro-Perspektive sondern auch ganz konkret mit der Veran-staltungsreihe »100 Tage – 100 Gäste«, wo Naturwissen-schaftler, Architekten, Literaten, Theatermacher, Musikeru.a.m. eingeladen waren zu berichten, was ihnen persön-lich und in ihrem Fachgebiet die Kunst und ihre Metho-den bedeuten. Hier ging es nicht nur um den Wert(Bildungs- oder Marktwert) von Kunst sondern auch umihre Relevanz und Effektivität. Okwui Enwezor gab mitder D11 dieser Dimension von Kunst und Ausstellung einnoch stärkeres Gewicht und löste mit dem Konzept der 5Plattformen die documenta als reine Ausstellung auf, uminterdisziplinär den Stand der postkolonialen und globa-lisierten Welt zu diskutieren. Das war neu für Kassel unddie documenta, und machte die Kunst und die Künstler-Innen neu wichtig, als Kulturschaffende gleichberechtigtneben Berichterstattern, Politikern und Wissenschaftlern.

    Beide, Katherine David wie Okwui Enwezor, beriefensich auf die d5 von Harald Szeemann, den ersten bestell-ten künstlerischen Leiter der documenta (bis dahin hatteArnold Bode die künstlerische Leitung selbst in seinerHand). »Besser sehen durch documenta« war sein Motto.Die zum ersten Mal deutlich politisch eingefärbte Brillemachte die Grenzen zwischen Kunst und visueller Kom-munikation unscharf – oder gerade schärfer. Kunst stand

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  • neben Kitsch, individuelle Mythologien waren mit derKunst der Geisteskranken konfrontiert, fotorealistischeMalerei mit politischen Plakaten und SPIEGEL-Titelseiten.Sinn dieser Durchmischung von high and low war, dieWirklichkeit mit der Kunst zu befragen, und gleichzeitignach der Mitverantwortung der visuellen Kultur insge-samt für die gesellschaftliche Entwicklung. Die Bezügezur D11 sind deutlich, und es fällt auf, dass damals (kurznach ’68) wie heute im Kontext von Kunst und Ausstel-lung nicht Aufklärung, Parteinahme und Agitation dieStrategien waren sondern Präsentation und Reflexion.

    Unter dem Arm auf meinem imaginären Gang durch dieDocumenta11 habe ich nicht mehr nur den Kurzführersondern ein Buch mit dem Titel XXD11, gerade erschie-nen, das ich mit meinem Kollegen in Kassel HeinerGeorgsdorf und mit Pierangelo Maset, Lüneburg, heraus-gegeben habe, und aus dem ich eben schon DorotheeBaer-Bogenschütz zitiert habe. XXD11 versammelt Texte

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    12 Titelblatt der Publikation XXD11

  • von über 50 Autorinnen und Autoren, von SchülerInnenüber StudentInnen zu LehrerInnen und Hochschullehrer-Innen, JournalistInnen und AusstellungsmacherInnen, bishin zu KünstlerInnen der D11 und solchen, die nicht aufder documenta vertreten waren. Sie alle haben sich jeeine Arbeit und ihre Künstlerin/ihren Künstler vorgenom-men, oder auch mehrere unter einem Stichwort, einerFragestellung zusammengefasst. Es gab unsererseitskeine Vorgaben, vielmehr ging es uns um einen Zugriff,der – ohne sich hinter eitlen Fachdiskursen zu verschan-zen – die jeweils eigene Wahrnehmung in den Vorder-grund stellt und dafür oder daraus möglicherweise aucheine spezifisch eigene Textform entwickelt. Die so neben-einander – nicht als Erklärung der documenta hinterein-ander – gestellten Beiträge bilden ein widersprüchlichesNetz von Bemerkungen (im wörtlichen Sinne), das der/die Lesende selbst knüpfen muß. Ein wenig findet sich indiesem Konzept also die Diskursprinzipien der PlattformOkwui Enwezors wieder.

    Wenn ich aus dem Titel der Plattform1 (democracy unrealized) art unrealized gemacht habe, will ich damitden Gedanken aufnehmen, Kunst als Modell zu denken,als einen Prozess der Auseinandersetzung, der möglicher-weise zu gar keinem »richtigen Ergebnis« kommen kann.Ich nehme die beiden Bilder »Plattform« und »Koordina-tensystem« und komme zu einer Vorstellung, die das ein-zelne Werk wie die künstlerische Arbeit und ihre Methodeals ein solches exterritoriales herausgehobenes Gebietannimmt und es gleichzeitig in ein Koordinatensystem

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    13 Ivan Kozaric, Atelier Kozaric, 1930-2002

  • projiziert, wo es sich verschiedenen Bezugssystemen öff-net. Kunst als Modell wäre dann die Bewegung, die Ortund System miteinander vollziehen, wenn jemand sichderen bedient. Das wäre dann eine »ästhetische Praxis« –die sich allerdings nicht mehr nur auf gestalterisches undhandwerkliches Arbeiten bezieht.

    Ich will versuchen, diesen Gedanken auf einzelneWerke/Werkblöcke der D11 zu beziehen und dadurchvielleicht etwas näher zu erläutern.

    Es gab viele rote Fäden, die man durch die Docu-menta11 ziehen konnte. Es waren Themenbereiche, wiedie oben bereits genannten, und künstlerische Arbeits-formen. Es gab allerdings keinen Faden, der etwa Genreswie Porträt, Stillleben oder Landschaft aufgefädelt hätte,schon gar nicht Medien und Techniken wie Malerei, Foto-grafie oder Video – obwohl beide Kategorien natürlichvorkamen. (Wenn solche Kategorien wieder zum rotenFaden für Lehrpläne und Zentralabitur werden, wie jetztin Hessen, haben wir wohl wieder einmal die größteEntfernung zwischen dem erreicht, was und wie in derKunst gearbeitet wird und was in Schule und Unterrichtveranstaltet wird.)

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    14 Allan Sekula, Seemannsgarn, 1987-95

  • Nehmen wir die umfangreiche Arbeit von Allan Sekula,der die Entwicklung des Fischfangs über Jahre weltweitpersönlich und aus der historischen Recherche herausverfolgt hat, wo »große Traditionen« und Hafenstädtesterben, Hilfsarbeiter aus allen Kulturen und politischenSystemen nebeneinander für einen Billiglohn die not-wendige Arbeit leisten, die Verknüpfung von ökonomi-scher und politischer Macht die Landschaften, Städte undkulturellen wie politischen Systeme frisst. Sekula stelltdieser komplexen Struktur seine subtile ebenso komple-xe Arbeit aus Fotografien und Texten entgegen:

    Olav Westphalen in seinem Beitrag zu XXD1115:»Die ›Fish Story‹ lebt von der beständigen Ausdeh-

    nung, vom Ausspinnen des Seemannsgarns. Trotzdemwird sie von einer durchgängigen Einstellung (Haltungdes Künstlers) zusammengehalten. Sekula sucht nichtnach beliebigen maritimen Bildern, sondern nach An-zeichen der vielfältigen Entwicklungen, die unter dem Begriff Globalisierung zusammengefasst werden. Ausseiner kritischen Haltung diesen Veränderungen ge-genüber macht er keinen Hehl. Es geht dabei aber nicht um die Meinungsäußerung, sondern um eine von

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    15 Allan Sekula, Seemannsgarn, 1987-95

  • bewusster Haltung geleitete Recherche. Das Ergebnis istein Gegengutachten zum offiziellen Freimarktoptimis-mus, das den Blick auf konkrete und lokale Manifesta-tionen der ökonomischen Beschleunigung lenkt.«

    Westphalen weiter:»Trotz der oberflächlichen Ähnlichkeit zu Medien-

    erzeugnissen, operiert die ›Fish Story‹ ganz anders alsdiese. Ihre Wirkung entfaltet sich langsam. Informationist kein Service, sondern sie bedeutet Arbeit. Die ›FishStory‹ wird oft als langatmig kritisiert. Und es stimmt,indem er Wirklichkeit als endlosen Interpretations-prozess vorführt, riskiert Sekula die Erschöpfung desPublikums. In klassisch aufklärerischer Manier scheint eruns aufzufordern, kritisch über die Globalisierung nach-zudenken. Gleichzeitig lenkt er aber den Blick darauf, wieAufklärung selber operiert, wie Bilder, Fakten und Kontextwissen sich zu mehr oder weniger komplexenVersionen der Realität verdichten, ohne endgültigeWahrheiten zu werden. Die ›Fish Story‹ exemplifiziertRealität nicht als Behauptung des Faktischen, sondern alsmühsam erarbeitetes, nie vollendetes Konstrukt. Dabeiheischt Sekula weder nach Aufmerksamkeit, noch machter uns die sentimentale Einfühlung leicht. Er breitet seine Recherche in gemessenem Abstand aus. Personen tauchen zum Beispiel fast nie in der Nahaufnahme auf.Wenn uns diese Bilder berühren, tun sie es behutsam,ohne das kritische Verstehen außer Kraft zu setzen. DerEffekt dieser Betrachtung ist der einer langsamen Ver-dichtung, die sein kritisches Argument sukzessiv unter-füttert. Aber es passiert noch etwas anderes, etwas Über-raschendes. Wir empfinden einen leisen Genuss. Fast wieein Wiedererkennen. Statt nur Bilder zu sehen, beginnenwir ein Gewebe von Bedeutungen wahrzunehmen.Dieses Gewebe hat eine uns vertraute Textur. Es gemahntnicht mehr an Medienrealität, sondern an das ungleichkomplexere Gebilde der gelebten Wirklichkeit. Es istdie ästhetische Wahrnehmung des Realen. Das Projekt,an dem Sekula uns teilnehmen lässt, die Möglichkeit,

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  • die er uns, wenigstens ansatzweise, vorführt, ist so ehrgeizig wie kritisch notwendig. Es geht um nichtsGeringeres als um die Produktion einer anderen Wirk-lichkeit, jenseits schneller Wahrheiten und ideologischerVereinfachungen.«

    Westphalen vergleicht diese Methode und Haltungmit der von Alfredo Jaar, wie sie in Lament of the Imageszum Ausdruck kommt16. In einem verdunkelten Raumwaren drei Texttafeln als Dias angebracht, die drei Bei-spiele für ein White-Out, ein politisches Auslöschen vor-führten: Nelson Mandelas Behandlung in Gefangen-schaft während der Apartheid, Bill Gates Aufkauf vonBildarchiven und sein Plan, 17 Millionen Pressefotos zurKonservierung »in Sicherheitsverwahrung« zu nehmen,und schließlich der Aufkauf aller Bildrechte verfügbarerSatellitenbilder vom Gebiet Afghanistans durch das Pentagon vor Beginn des Krieges. Von diesem verdunkel-ten Raum aus wurde man durch einen schmalen Zick-zack-Gang geführt und stieß in einen weiteren Raum aufeine extrem starke große Lichtfläche, die wie ein Bild andessen Frontwand angebracht war und die Besucherblendete. In unserem Buch XXD11 gibt es mehrere Beiträge zu dieser Arbeit, die sich mit den vielfältigenBezügen befassen, die Jaar hier zieht, von der Farbe weißüber den Begriff vom »Nichts« als der Fülle des Lichts undder gleichzeitigen Blendung bis hin zu der offensichtli-chen Intention, politisch aufzuklären und anzuklagen.

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  • 24

    16-17 Alfredo Jaar, Klage der Bilder, 2002

  • Westphalen kommt von Sekula aus zu einem vernichtendkritischem Urteil:

    »Die Einstellung dieses Künstlers seinem Publikumgegenüber ist durch eine Mischung aus autoritärer Zudringlichkeit und Aufmerksamkeit heischender Be-dürftigkeit gekennzeichnet. Über die Ausstellungsarchi-tektur, einem Mini-Parkour, durch den wir durch müssenwie durch die Geisterbahn, schreibt er uns Bewegungenund Erfahrungen vor. Gleichzeitig gibt er sich Mühe, unsmit einem Spektakel zu beeindrucken. Dieses Neben-einander von Herablassung und Anbiederung muss keinWiderspruch sein. Lucy Davies, eine Kunsttheoretikerinaus Singapur, hat die Funktion der politisch orientierten,internationalen Großausstellungen mit sexuellem ›Span-king‹ verglichen, also mit dem unter allseitiger, freudigerZustimmung verabreichten Hosenbodenversohlen, dassich heute jeder im SM-Studio um die Ecke abholen kann.›Nichts ist kathartischer und aufbauender für das Selbst-gefühl des Publikums als ein bisschen Spanking, solangees sich in Grenzen hält‹ schreibt sie. Auf Jaars ›Klageliedder Bilder‹ passt diese Polemik. Kunst als ›Spanking‹ bedeutet Sich-Schlecht-Fühlen als Selbstbestätigung.

    Grundsätzlich lässt sich einiges für eine Kunstsagen, die die Ausgeglichenheit des Publikums im Sinnhat. Mit politischen Operationen hat sie allerdings nichtszu tun. Sie zielt weder auf kritisches Verstehen noch aufVeränderung, sondern bloß auf das Abführen des seeli-schen Überdrucks, der notwendig entsteht beim Sich-Einrichten im Status Quo; besonders bei Altlinken.«

    Auffällig bei Westphalen ist, – und das gilt für vieleAutoren in unserem Buch – dass er nicht nur das Erschei-nungsbild einer Arbeit reflektiert – als Ergebnis einerkünstlerische Arbeit –, dass er also nicht bei einer Bild-betrachtung und Analyse stehen bleibt, sondern dieMethode reflektiert, aus der heraus diese Arbeit entstan-den ist und die – nicht nur in der Art der Präsentation –mit ausgestellt ist. Er tut das, um sich an die Stelle zu

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  • versetzen, von der der Künstler ausgegangen ist. Denn andieser Stelle ist nicht nur die Haltung des Künstlersgefragt, sondern auch die eigene. Sie ist noch nicht um-gedreht durch die »Beeindruckung« und/oder die freund-lich nachvollziehende Bewegung des Verstehen-Wollens(für Schüler: des Verstehen-Müssens). Das setzt voraus,dass die Arbeit auch »nur« als Vorschlag angesehen wer-den kann, eine parallele Rezeption aus der Distanz alsomöglich ist und der apodiktische Charakter der Bedeu-tungssetzung documenta-Ausstellung oder allgemein»Museum« oder »Kunst« außer Kraft gesetzt werdenkann. Das setzt auch voraus, dass Medien, Technik undGestaltung, die materiellen Bestandteile künstlerischerArbeit und scheinbar hauptverantwortlich für die Beein-druckung, sich aus der thematischen, inhaltlichen undwertenden Auseinandersetzung ergeben und nicht um-gekehrt. Das wäre eine Grundregel für ästhetische Praxisin der Schule.

    Unspektakuläre Bilder zu machen von ästhetischhoch aufgeladenen Motiven wie Schiffe, Hafen, Meer,Strand, etc., die aber dann voller Informationen steckenund sich bei genauerem Hinsehen und in deren Ent-schlüsselung als äußerst spektakulär erweisen – auchfotografisch, wäre eine solche formal-ästhetische Stra-tegie aus der inhaltlichen Auseinandersetzung heraus.

    Es war schon erstaunlich, wie einige KunsterzieherInnenauf der D11 diese Vielschichtigkeit, die als Möglichkeitsichtbar in der Rezeption liegt, ignorieren konnten,wenn etwa eine Klasse aufgefordert wurde, die Musterauf der Kleidung von Yinka Shonibares Figuren abzu-zeichnen, ohne eine Diskussion zum Thema der Installa-tion und dem Ursprung dieser Muster zuzulassen. Ichkannte eine Führungskraft, die sich gegenüber der docu-menta – und der Kunstpädagogik – verpflichtet fühlte,dieser Übung ein Ende zu setzen, indem sie behauptete,das Abzeichnen dieser Muster ohne die ganze Figur zuzeigen sei verboten.

    26

  • Versuche ich den inhaltlichen roten Faden weiterzuver-folgen, könnte ich diesem explodierenden Kapitalismus,wie er von Sekula recherchiert wird, den implodierendenKapitalismus gegenüberstellen: Maria Eichhorn hat eine»Aktiengesellschaft« gegründet – so auch der Titel ihrerArbeit. Sie schreibt:

    »Die Gesellschaft hat zwei besondere Eigenschaf-ten, die sie wesentlich von anderen unterscheidet: DieAuflösung des Eigentumsbegriffs und das Herausnehmendes Kapitals der Gesellschaft aus der gesamtgesellschaft-lichen Geldzirkulation.«17

    Maria Eichhorn hat außerdem alle ihre Aktien an die Ge-sellschaft übertragen, wodurch jeder private Besitz auf-gehoben wurde, das Geld also niemandem mehr gehört. Denn das verwunderliche Ziel der Aktiengesell-schaft ist, das Geld der Gesellschaft: 50 000€ nicht zu

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    18-19 Maria Eichhorn, Maria Eichhorn Aktiengesell-schaft, 2002

  • vermehren. Es lag während der Ausstellung in einemGlaskasten als ein tatsächlicher Wert – eben Geld – derden fiktionalen Charakter unseres (ökonomischen) Werte-Systems demonstriert, umgeben von den notwen-digen Rechtsmitteln, die einen solchen Vorgang möglichund tatsächlich machen.

    Maria Eichhorn bedient sich also der Rechtsformenunseres Wirtschafts- und Kapitalsystems – setzt alsoRECHTSFORM = ÄSTHETISCHE FORM – und formuliert alskünstlerische Strategie das Wertsystem Geld neu.

    Ich will aber noch einen weiteren roten Faden ziehen, dersich oben schon entwickelt hat:

    Viele KünstlerInnen der D11 sehen in diesem Sinnedie Methode ihrer künstlerischen Auseinandersetzung

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    20 Isa Genzken, Spiegel I, 1991

    21 Victor Grippo, Tische des Arbeitens und desNachdenkens, 1994

  • als wesentlichen Bestandteil ihrer künstlerischen Arbeitund ihres Themas an.

    Das gilt augenfällig für Isa Genzken, die im Vorzim-mer von Alfredo Jaar einen ganz anderen Umgang mitPresseinformationen und Politik formuliert als er: Sie hatunterschiedlichste Fotos aus dem SPIEGEL herausgesam-melt, als Bilder 1:1 kopiert, ohne erläuternden Text, und ineine Reihe gehängt. So ergibt sich ein ganz eigenwilligerAblauf von Geschichte.

    Und wenn man sie von Victor Grippos Schultischenaus sieht, dem Raum von der die Reihe ausgeht, färbensich diese Pressefotos neu ein: Man könnte sie dann auchals anonymes Tagebuch verstehen, als persönliche Be-merkungen, die von außen kommen.

    Methode als Thema künstlerischer Arbeit gilt sehraugenfällig und anschaulich auch für John Bock, fürThomas Hirschhorn natürlich, für Reimond Pettibon, aberebenso etwa für Hanne Darboven, Louise Bourgeois undDieter Roth.

    Ich kann diese Beispiele hier nicht im Einzelnendurchgehen und muss Karl-Josef Pazzini mit seiner 4. Bemerkung Recht geben18: »Die Documenta11 ist dieerste documenta, bei der ganz klar wird, dass Sie nichtdabei waren, auch wenn Sie vielleicht in Kassel alles gese-hen haben, was sowieso unmöglich ist.«

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    22 John Bock, in Zusammenarbeit mit Jochen Dehn,Knut Klaßen, Mark Aschenbrenner, Gribbohm II b,2002, Kino

  • 30

    24 Raymond Pettibon, Ohne Titel, 2002

    23 Thomas Hirschhorn, Bataille Monument, 2002, Arbeitim öffentlichen Raum, Friedrich-Wöhler-Straße, Nord-Stadt, Kassel: Bibliothek Georges Bataille

    25 Hanne Darboven, Kontrabasssolo, opus 45,1998-2000

  • 31

    26 Louise Bourgeois, Die Schlaflosigkeits-Zeichnungen,1994-95

    27 Dieter Roth, Große Tischruine, 1970-98, Installation

  • John Bock war fast die ganze Zeit der documenta präsentauf seinem Spielplatz in der Aue, Spielplatz, weil soschreibt Johannes Lotz19: »Die Vermutung nahe liegt,dass der Künstler den Wunsch gehabt hat, seinen eige-nen Sandkasten nachzubauen, nur diesmal in groß.« Bockhielt Vorträge, erfand und inszenierte Theaterstücke, dievon Gott und der Welt, d.h. von allen wichtigen und un-wichtigen Fragen handelten. John Bock ist ein lustvollerDekonstruktivist, ein wirklich ernstzunehmender Spaß-vogel, und das wohl anschaulichste Beispiel, wie man einKoordinatensystem, meistens gleich zwei drei, durch einThema ziehen kann. Johannes Lotz schreibt weiter:

    »In diesen Vorträgen, so sagt man John Bock nach,würde er die Dinge so lange auf den Kopf stellen, bis allesaus ihnen heraus fällt, was Sinn macht. Einmal hat erdann einfach sich selbst auf den Kopf gestellt. Um genau

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    28 John Bock, Installationsentwurf

  • zu sein: Er hat sich kopfüber an eine Stange gehängt. MitHilfe einer Apparatur, wie sie in der Krankengymnastikverwendet wird. Zu allem Überfluss hat er sich dafürauch noch extra ein Loch gegraben, in das er dann ab-tauchte. Nur die Füße schauten oben raus, während un-ten eine Video-Kamera darauf wartete, die Bilder aus derGrube über ein Kabel an die Erdoberfläche zu senden.Man kann diesen Vorgang als eine Umkehrung vonPlatons Höhlengleichnis verstehen. Dort werden die Bil-der von außen ins Höhlendunkel projiziert, bei John Bockkommen sie aus der Tiefe der Dunkelheit.«

    Louise Bourgeois Insomnia-Zeichnungen, dieser komplexstrukturierte Block eines offenen Diskurses, ist ein fastunglaubliches Dokument für eine nie endende Aus-einandersetzung. Ich zitiere meinen eigenen Text20:

    »Ihr unermüdliches Zeichnen hat in mehr als 70Jahren keine festen Formen entwickelt, keinen Stil. IhreZeichnungen wachsen, wie die labyrinthischen Blumen-köpfe auf den Zeichnungen, aus einer fragenden Lustheraus. Sie sind kein »schönes Bild«, sie wollen nicht ge-fallen, sondern müssen an der Stelle, wo sie geradegedanklich oder empfindend sind, einfach stimmen. Undweil sie die Zeichnungen in erster Linie an sich selbst rich-tet, kann sie auf allen möglichen Papieren arbeiten, auchalles mit rotem Kugelschreiber. So bauen Vögel ihreNester. ›… trotz der Tatsache, dass ich nirgendwo an-gekommen bin, habe ich den Weg gerne zurückgelegt‹,sagt die poetische Selbsterforscherin Bourgeois. PrivateWissensproduktion einer Künstlerin könnte das Stich-wort sein, unter dem sie im Konzept der Documenta11ihren Platz hat. Aber welches Wissen?«

    Wenn man diese Art zu arbeiten oder zeichnerischzu denken und über die Kunst etwas zu wissen ernstnimmt, kann es nicht darum gehen, eine Technik und Ge-staltung als solche zu lernen, dann entsteht Gestaltungaus einer Fragestellung heraus, einer inhaltlichen Such-bewegung, die das Zeichnen als eine Denkform versteht

    33

  • und das Ergebnis weiterhin als Fragestellung, die somitwiederum ein bleibend fragwürdiges Wissen darstellt.

    »Ein Labyrinth ist ein Labyrinth ist ein Labyrinth istein…«, ich zitiere noch einmal meinen Text21:

    »Je nachdem ob Bourgeois die Mauern zeichnetoder die Wege, ob sie sich ein System aus Linien oderGassen oder über- und ineinander geschachtelter Kästenausdenkt, ob sie die Illusion räumlicher Wirkungen oderein Muster sucht oder den Begriff des Labyrinthischen.Immer fällt auf, dass ihr Konzept in jeder Zeichnung nie ganz aufgeht, sie sich am Ende oder schon mitten-drin verhaspelt.

    34

    29 Louise Bourgeois, Zelle VIII (Porträt), 2000

  • Außerdem fällt auf, dass sie in sehr vielen Zeichnungen,den Labyrinthen, den Blumen, Landschaften, Kreisen,nicht eine Linie zieht, sondern sie aus endlos vielen kur-zen zusammen strichelt. Das ist kein Alterszittern, dennes gibt auch Zeichnungen mit klaren Linien. Es ist einezeichnerische Arbeit des Genau-an-dieser-Stelle-Seins –und trotzdem den Überblick, das Ganze, nicht zu verlie-ren, eine Vergewisserung und (wie sie selbst sagt:) ›eineendlose Geste der Liebe‹.«

    So gesehen war auf der Documenta11 irgendwie alles falsch.

    Inhaltlich: Wenn Jens Haaning (ein Däne) über Laut-sprecher am Hauptbahnhof Witze auf Türkisch erzählt,wenn Yinka Shinobare die geilen Jungadligen in Kleidersteckt, deren typisch afrikanischen farbigen Muster ausIndien eingeführt sind, wenn Jeff Walls Schwarzer Wider-stand als unsichtbarer Mann leistet, wenn Cildo MeirellesWasser für alle fordert, indem er Wasser als Eis am Stil andie documenta-Besucher verteilt, wenn in DominiqueGonzalez-Foersters Garten lauter Versatzstücke aus anderer Länder Gärten auftreten, wenn Louis Camnitzerstatt die Folterer anzuklagen, die Überlebenstaktiken derGefolterten beschreibt.

    Und formal: Wenn Camnitzer das in poetischerGeste als Lumografie tut, wenn Georges Adéagbo seineFundstücke und Artefakte als assoziativen Diskurs soanordnet, dass es die Architektur einer Kapelle abbildetstatt ein politisches oder philosophisches Gebäude, wennAndreas Siekmann mit Filzstiften in akribischer FormLinoldrucke simuliert, um in unzähligen Einzelbildern, andenen man auf roten Bürostühlen vorbeirollen kann,Filme auf Tischen zu zeigen, wenn…

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  • 36

    31 Yinka Shonibare, Gallantry and CriminalConversation, 2002

    32 Jeff Wall, Nach Ralph Ellison: Der unsichtbare Mann,Vorwort, 1999-2002

    30 Jens Haaning, Türkische Witze, 1999-2002

  • 37

    34 Dominique Gonzalez-Foerster, Park – ein Fluchtplan,2002, Palme und Videopavillon

    33 Cildo Meireles, Verschwindendes/VerschwundenesElement, 2002, Eiswagen

  • 38

    35 Luis Camnitzer, Ohne Titel, 2001-02

    36 Georges Adéagbo, »Der Entdecker und die Entdeckerangesichts der Geschichte der Entdeckungen« ...! DasTheater der Welt, 2002

  • 39

    37 Andreas Siekmann, Aus: Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 1996-2002

  • Was lässt sich daraus als ästhetische Praxis in der Schuleableiten?

    Nachmachen geht wohl nicht. Ich kann ja wohlnicht die Aufgabe stellen: ein Bild zu malen, um es dann,wie es Choreh Feyzdjou mit ihrem Lebenswerk getan hat,einzuschwärzen, als Zeichen für …was weiß ich. (Demarmen Arnulf Rainer mit seinen Übermalungen vonFotografien geht es oft so im Kunstunterricht).

    Man könnte erstmal Techniken und Gestaltungsprinzi-pien lernen, um dann auf dieser Basis freie oder ange-wandte Kunst zu machen. – Klar da müsste man sichauch irgendein Thema suchen, an dem man das ange-messen erfahren und ausprobieren kann, lautet diedidaktische Rechtfertigung für dieses Vorgehen.

    Die Documenta11 aber, denke ich, lehrt da etwasanderes. Um es mit Andreas Siekmann zu sagen22: »Nichtdie Form garantiert den Inhalt sondern seine Verhandel-barkeit«. Siekmann geht noch weiter im Interview mitKarin Thielecke:

    »Für mich und mein Umfeld ist es wichtig zu beto-nen, dass es bei einer bloßen Thematisierung nicht blei-ben kann. Die eigene Rolle, selbst in die Verhältnisse in-volviert zu sein, macht es notwendig, auch die Strukturendes Kunstbereichs (auf die Schule bezogen: des eigenenLebensbereichs der Schüler) politisch zu denken. Es gehtdarum, eine Thematik auch in ihrer Konsequenz für dieeigene Existenz zuzulassen, auch in ihren Konsequenzenfür die eigenen Strukturen, die zweifelsfrei immer auch

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    38 Chohreh Feydzjou, Boutique Produkte von ChohrehFeydzjou, 1973-93

  • ein Teil des Herrschaftsdiskurses bilden.« Es kann alsonicht darum gehen, einfach immer was Lustiges zumachen, es müsste ernsthaft lustig sein.

    Wenn es nur so herum geht, dann müsste sich dieKompetenz in Technik und Gestaltung aus der inhaltli-chen Auseinandersetzung ableiten – und entwickeln, diedie Kriterien für die »richtige« Gestaltung liefern, dannmüsste sich der Einsatz eines Mediums aus der Strukturund dem Ziel der Argumentation entwickeln und nichtaus deren prinzipieller Attraktivität oder Aktualität.

    Ich komme noch einmal zurück auf mein Bild vom verschiebbaren Koordinatensystem.

    Nach dem Stand meiner Ausführungen wäre daskünstlerische Tun darin dann der Graph, der von denkünstlerischen Entscheidungen, sich in Relation zu set-zen, gezeichnet wird. Wenn es darin keine lineare hierarchische Abfolge gäbe: die selbst gestellte Aufgabe,ausgeführt vom Medium zur Technik, in der Gestaltungzu Inhalten, mit Bedeutungen aus Zielen heraus undFunktionen, sondern die Verhandelbarkeit von Inhaltender Ausgangspunkt ist, eine Bewegung also, dann gerätdie künstlerische Arbeit in all diesen Ebenen des künstle-rischen Tuns zu einem kommunizierenden System zurHerstellung – nicht zur Darstellung – von Argumentation.

    Nehmen wir als ein konkretes Bild auf der D11, den»Dance macabre der Kuscheltiere«, wie Ursula Panhans-Bühler ihren Text über Annette Messagers documenta-Arbeit Articulés – Desarticulés überschrieben hat23. DerMotor und die Bestandteile dieses Tanzes sind nicht vonGott gegeben, sondern ein Bühnenmechanismus, der –jedes Mal neu – von der Künstlerin/dem Künstler selbstinstalliert wird – eben ein Modell als Spiel auf der Bühne.Einen solchen Tanz als Unterricht zu inszenieren, würdebedeuten, dass die Schüler wissen, was gespielt wird, undder Lehrer weiß, was spielen heißt und in der Lage ist,sich an den Rand der Arena zu stellen, dort wo die Kuhentlang des Geländers auf dem Boden geschliffen wurde,

    41

  • hinter sich die Materialberge und die Totempfähle,fasziniert und entsetzt von dem, was sich da bewegt.

    Ich komme noch einmal auf das andere Bild zurück:die Plattform.

    Auch hier bietet sich eine documenta-Arbeit an, dieich als Metapher benutzen will. Gabriel Orozco hat eineVielzahl von keramischen Gefäßen auf einem Podest zu-sammengestellt. Sie sind alle nicht zu gebrauchen. Abersie führen in der Gruppierung und Entwicklung ihrerFormen offenbar eine Diskussion. Anfänge hat Orozcodieses Ensemble genannt. Es diskutiert auf archaischeWeise, was ein Gefäß ausmacht, welche Formen sichanbieten und was bei ihrer Benutzung geschieht. Es ist eine exemplarische Diskussion, die sich einerseits

    42

    40 Gabriel Orozco, Gefäße (Anfänge), 2002

    39 Annette Messager, Gelenkig – Ungelenkig, 2001-02

  • auf sinnlicher Ebene an den keramischen Gefäßen entwickelt, sich gleichzeitig aber als Transfer anbietet,sich ähnliche Zusammenhänge auf anderen Wirklich-keitssebenen zu veranschaulichen. Es ist eine besondere »Aus-Zeit« auf dieser Plattform, die hier als Kunstmöglich ist.

    43

    41 Raymond Pettibon, * Ohne Titel, 2002

    42 Frédéric Bruly Bouabré, Bété-Alphabet, 1990-91

  • »Diskursmaschine D11 kontra sinnliche Erlebniskunst«lobte die FR in ihrer Rezension die Ausstellung »Deutsche-malereizweitausenddrei« im Frankfurter Kunstverein,April 2003, im Rückblick auf die vergangene documenta.Ein ziemlich schiefes Gegensatzpaar, wenn man sich tat-sächlich die Materialschlacht auf der D11 in Erinnerungruft und den gefälligen Malereien in Frankfurt gegen-überstellt. Dahinter steht der alte Praxisbegriff von Kunstals handwerklichem Tun, vom dummen Maler und demLustmensch Bildhauer – letztlich aber die Angst, dass esin der künstlerischen Auseinandersetzung tatsächlich umeine Diskussion gehen könnte, die für gesellschaftlicheEntwicklung relevant ist. Bezeichnend, dass die Kunst derD11 auf den Kunstmärkten vom Herbst und bis heutefast nicht vorkommt.

    Für Schule gilt ähnliches. Die Angst, dass die Schüler nichtmehr für die Schule in die Schule gehen könnten, istberechtigterweise groß. Deshalb flüchtet sie mehr undmehr in unterhaltende Beschäftigung oder in die macht-volle Selbstbehauptung als Verteiler von beruflichenChancen. Es müsste vielleicht mal wieder um mehr gehenals um Erziehung und Bildung oder Vorsortierung gesell-schaftlicher Klassen.

    Vortrag gehalten am 07.06.2003

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    43 Eingang der Binding Brauerei

  • Anmerkungen1 vergl. Constanze Kirchner, Zugänge zurDocumenta11 – Vermittlungsansätze und Bildungs-chancen, in BDK-Mitteilungen 3/02, und die kritische Replik von Ulrich Schötker, Schlechte Zeiten für denKunstunterricht – Anmerkungen zur Documenta11 undmögliche Zugänge, BDK-Mitteilungen 1/032 so auch der Titel des programatischen Buches:Visuelle Kommunikation – Beiträge zur Klinik der Be-wußtseinsindustrie, Hrsg. von Hermann K. Ehmer, Köln,1971; das Nachfolgebuch, hrsg. von Helmut Hartwig,nimmt das Motto der d5 direkt im Titel auf: Sehen lernen – Kritik und Weiterarbeit am Konzept VisuelleKommunikation, Köln, 19763 documenta 5 kassel 30. juni bis 8. oktober 1972,Hrsg. Rote Liste Kassel (Studentenorganisation)/HalkeLorenzen, 19724 Materialien zur documenta X – Ein Reader fürUnterricht und Studium, Hrsg. Werner Stehr, JohannesKirchenmann, 19975 vgl. Materialien zu Medien im Unterricht, K+U6 Praxis Kunst Pädagogik, Hrsg. Pierangelo Maset,Lüneburg, 20027 so eine Formulierung von Eva Sturm in: VomSchießen und vom Getroffen-Werden. Für eine Kunstpäda-gogik »Von Kunst aus«, Heft 7, KunstpädagogischePositionen, 20058 Thomas Wagner, FAZ, 08.06.20029 zu den Plattformen 1-4 sind im Cantz Verlag je einBand erschienen: Documenta11_Plattform1: Demokratieals unvollendeter Prozess, 2002; Documenta11_Platt-form2: Experimente mit der Wahrheit, Rechtssysteme im Wandel und die Prozesse der Wahrheitsfindung undVersöhnung 2002; Documenta11_Plattform3: Creolitéund Kreolisierung, 2002; Documenta11_Plattform4:Under Siege: Vier afrikanische Städte: Freetown,Johannesburg, Kinshasa, Lagos, 2002

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  • 10 siehe auch: Katalog Documenta11_Plattform5: Aus-stellung, 2002 und Documenta11_Plattform5: Ausstel-lung/Ausstellungsorte, 2002 sowie KUNSTFORUM Inter-national, Nr. 161, 200211 XXD1, Über Kunst und Künstler der Gegenwart – Ein Nachlesebuch zur Documenta11, Hrgs.: BernhardBalkenhol/Heiner Georgdorf/Pierangelo Maset, Kassel,200312 Eduard Beaucamp, FAZ, 14.06.200213 Documenta11_Plattform5: Ausstellung, 200214 in: XXD1, Über kunst und Künstler der Gegenwart – Ein Nachlesebuch zur Documenta11, Hrgs.: BernhardBalkenhol/Heiner Georgdorf/Pierangelo Maset, Kassel,200315 ebenda16 ebenda17 ebenda18 ebenda19 ebenda20 ebenda21 ebenda22 ebenda23 ebenda

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  • Bilder1 Eingang Fridericianum2 Georges Adéagbo, »Der Entdecker und die Entdecker

    angesichts der Geschichte der Entdeckungen« ...! DasTheater der Welt, 2002, Installation, Mischtechnik,variable Größe; Courtesy der Künstler, im Auftrag der D11

    3 Gabriel Orozco, Gefäße (Anfänge), 2002, ca. 70 Keramikgefäße, Durchmesser je ca, 40 cm; Courtesyder Künstler; Marian Goodman Gallery, New York/Paris; Galerie Chantal Crousel, Paris; Kuri Manzutto,Mexico City

    4 documenta II, 1959, Orangerie5 documenta I, 1955, Fridericianum6 Blick in die documenta-Halle7 Zarina Bhimji, Aus heiterem Himmel, 2002,

    16mm-Film übertragen auf DVD, Farbe, Ton, 24 Min.Courtesy Talwar Gallery New York; Auftrag der D11

    8 David Goldblatt, In Boksburg, 1979-80, 22 Schwarz-weißfotografien, je 40x50 cm, gerahmt, copyrightDavid Goldblatt, Courtesy Krings-ErnstGalerie, Köln

    9 Bodys Isek Kingelez, New Manhattan City 3021,2001-02, Balsaholz, Karton, Papier, Plastik, Tinte,205x300x280 cm; Kimbembele Ihunga – Kimbeville,1994, Balsaholz, Karton, Folie, Tinte; Courtesy C.A.A.C– The Pigozzi Collection, Genf

    10 Georges Adéagbo, »Der Entdecker und die Entdeckerangesichts der Geschichte der Entdeckungen« ...! Das Theater der Welt, 2002, Installation, Mischtechnik,variable Größe; Courtesy der Künstler, im Auftrag der D11

    11 Faree Armaly mit Rahid Masharawi, From/To, 2002,Fußbodendetail

    12 Titel der Publikation XXD1113 Ivan Kozaric, Atelier Kozaric, 1930-02

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  • 14-15 Allan Sekula, Seemannsgarn, 1987-95, 105 ge-rahmte Farbfotografien in 7 Kapiteln, Rahmengrößezwischen 63x80cm und 63x146 cm, 26 Schwarz-weißfotografien und Grafik-Tafeln, 2 Dia-Projektionen( je 80 Farbdiapositive, Dauer 17 Min.) mit 2 Text-heften und Leseräumen; Courtesy der Künstler;Christopher Grimes Gallery, Santa Monica; GalerieMichael Rein, Paris

    16-17 Alfredo Jaar, Klage der Bilder, 2002, Installation aus zwei Räumen und einem Verbindungsgang;3 lasergeschnittene Texttafeln, Plexiglas, von hintenbeleuchtet; Lichtwand mit fluoreszierenden Leuch-ten, Leuchtkraft 32 000 Watt, Größe variabel, Wand-texte zusammengestellt von David Levi Strauss;Courtesy der Künstler; im Auftrag der D11

    18-19 Maria Eichhorn, Maria Eichhorn Aktiengesellschaft,2002, Fotografien in Leucht-displays, Gründungs-urkunde, Satzung, Niederschrift über die ersteSitzung des Aufsichtsrats, Bericht der Gründerin überder Hergang der Gründung, Bericht der Mitgliederdes Vorstands und des Aufsichtsrats über die Prüfungdes Gründungshergangs, Bericht des Gründungs-prüfers, Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragungins Handelsregister, Handelsregisterkarte, ÖffentlicheBekanntmachung der Registereintragung, Vertrag zurÜbertragung aller Aktien an die Gesellschaft; Bank-noten (Abholung von und Rücktransport nach Bank-schließfach in Berlin); 50.000 Euro; Mobiliar: Sitzbank,Konsole, Publikation »Maria Eichhorn Aktiengesell-schaft«; Courtesy die Künstlerin; Galerie BarbaraWeiss, Berlin, im Auftrag der D11

    20 Isa Genzken, Spiegel I, 1991, 121 Teile, Collage auf Karton, je 20x30 cm, gerahmt, Courtesy GalerieDaniel Buchholz, Köln

    21 Victor Grippo, Tische des Arbeitens und des Nachden-kens, 1994, 7 Holztische, verschiedene Größen; NidiaOlmos de Grippo, Buenos Aires

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  • 22 John Bock, in Zusammenarbeit mit Jochen Dehn, KnutKlaßen, Mark Aschenbrenner, Gribbohm II b, 2002,Vorträge und Aktionsstücke draußen. Courtesy Gale-rie Klosterfelde, Berlin; Anton Kern Gallery, New York;im Auftrag der D11

    23 Thomas Hirschhorn, Bataille Monument, 2002, Arbeitim öffentlichen Raum, Friedrich-Wöhler-Straße, Nord-Stadt, Kassel: Bibliothek Georges Bataille, Bataille-Ausstellung, Fernsehstudio, Türkischer Imbiss,Bataille-Skulptur, Bataille-Monument-Fahrdienst;Courtesy der Künstler; Barbara Gladstone Gallery,New York

    24 Raymond Pettibon, * Ohne Titel, 2002, Tusche, Acryl,Zeichnungen auf Papier und Collage auf Wand;Courtesy der Künstler; Regen Projects, Los Angeles

    25 Hanne Darboven, Kontrabasssolo, opus 45, 1998-2000, 3898 Zeichnungen (ungerahmt 420 Blätter,je 42x29,7 cm, 3478 Blätter, je 29,7x21 cm), Kristall-schädel mit Sockel, Schwarzweißfotografie,42x29,7 cm; Courtesy die Künstlerin

    26 Louise Bourgeois, Die Schlaflosigkeits-Zeichnungen,1994-95, 220 Zeichnungen, Mischtechnik, verschiede-ne Maße, gerahmt, Daros Collection, Zürich

    27 Dieter Roth, Große Tischruine, 1970-98, Installation,verschiedene Materialien, Gesamtmaße ca. 12x6 m;Sammlung Hauser und Wirth, St. Gallen

    28 Thomas Hirschhorn, Bataille Monument, 2002, Arbeitim öffentlichen Raum, Friedrich-Wöhler-Straße, Nord-Stadt, Kassel: Bibliothek Georges Bataille, Bataille-Ausstellung, Fernsehstudio, Türkischer Imbiss,Bataille-Skulptur, Bataille-Monument-Fahrdienst;Courtesy der Künstler; Barbara Gladstone Gallery,New York

    29 Louise Bourgeois, Zelle VIII (Porträt), 2000, Stahl, Glas,Holz, Stoff, 207x123x128 cm, Courtesy Cheim &Read, New York

    30 Jens Haaning, Türkische Witze, 1999-2002

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  • 31 Yinka Shinobare, Gallantry and Criminal Conversa-tion, 2002

    32 Jeff Wall, Nach Ralph Ellison: Der unsichtbare Mann, Vorwort, 1999-2002, Cibachrome im Leuchtkasten,190x265,5x26 cm; Courtesy Galerie Johnen &Schöttle, Köln; Rüdiger Schöttle, München; MarianGoodman Gallery, New York

    33 Cildo Meireles, Verschwindendes/Verschwundenes Element, 2002, Industrielles Gedicht im öffentlichenRaum, 300 000 Wassereis am Stil in drei verschiede-nen Formen mit Beschriftungen auf beiden Seiten,mit transparentem, blauem oder grünem Stiel, 10Eiswagen, Eis am Stil hergestellt und vertriebendurch Klinikum Kassel; im Auftrag der D11

    34 Dominique Gonzalez-Foerster, Park – ein Fluchtplan,2002, Arbeit im öffentlichen Raum; Pavillon mitVideoprojektion, Videoanimation übertragen aufDVD, Endlosschleife 45 Min., Telefonzelle, Rosen-busch, Stuhl, Lavastein, Lampe, Lichterkette, Palme,Steine, Agave, Sand, Ziegel, Netz, Radio, Spielfeld-Projektor; im Auftrag der D11

    35 Luis Camnitzer, Ohne Titel, 2001-02, Installation,Mischtechnik; Besitz des Künstlers, im Auftrag der D11

    36 Georges Adéagbo, »Der Entdecker und die Entdecker angesichts der Geschichte der Entdeckungen« ...! Das Theater der Welt, 2002, Installation, Mischtechnik,variable Größe; Courtesy der Künstler, im Auftrag der D11

    37 Andreas Siekmann, Aus: Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 1996-2002, 215-220 Zeichnungen (Aquarell-farbe, Filz- und Lackstift, Acrylfarbe), je 21x29,7 cm,Tische, Bürostühle; Courtesy der Künstler; GalerieBarbara Weiss, Berlin

    38 Chohreh Feydzjou, Boutique Produkte von Chohreh Feydzjou, 1973-93

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  • 39 Annette Messager, Gelenkig – Ungelenkig, 2001-02,Installation, computergesteuerte Automaten in Stoff,elektrische Motoren, Rollen, Holz, Gesamtmaße7x15x12 m; Courtesy die Künstlerin; Galerie MarianGoodman, Paris, im Auftrag der D11

    40 Gabriel Orozco, Gefäße (Anfänge), 2002, ca. 70 Keramikgefäße, Durchmesser je ca. 40 cm; Courtesyder Künstler; Marian Goodman Gallery, NewYork/Paris; Galerie Chantal Crousel, Paris; KuriManzutto, Mexico City

    41 Raymond Pettibon, * Ohne Titel, 2002, Tusche, Acryl,Zeichnungen auf Papier und Collage auf Wand;Courtesy der Künstler; Regen Projects, Los Angeles

    42 Frédéric Bruly Bouabré, Bété-Alphabet, 1990-91,44 8 Zeichnungen, Farbstift und Kugelschreiber aufkartoniertem Papier, 9,5x15 cm und 15x9,5 cm,gerahmt, C.A.A.C. – The Pozzi Collection, Genf

    43 Eingang der Binding Brauerei

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  • Bernhard Balkenhol geboren 1951 in Hadamar/Limburg, studierte 1970-74Kunstpädagogik an der HfbK Kassel, arbeitete 12 Jahre an einem Gymnasium in Darmstadt, bis er 1988 nach Lehraufträgen an der Staatl. Akademie für bildendeKünste Stuttgart (über Performance und experimentellesTheater, 1987-88), an die Kunsthochschule der Universi-tät Kassel gerufen wurde, wo er seitdem Kunstdidaktiklehrt. Vorträge über die Vermittlung von Kunst undKunstdidaktik (u.a. in Berlin, Hamburg, München, Jena),Lehraufträge (u.a. am Institut für Kunst im Kontext, Aka-demie der Künste Berlin), 1998-99 Gastprofessur amInstitut für Kunst und ihre Didaktik der UniversitätDortmund. 1996 übernahm er die Leitung des KasselerKunstvereins, wo er zahlreiche thematische Ausstellun-gen (zuletzt Poetische Positionen und solo mortale, 2004)und Einzelausstellungen (u.a. mit den Künstlern/InnenFranz Ackermann, Silvia Bächli, Marlene Dumas,Stan Douglas, Anton Henning, Tony Oursler, Reinigungs-gesellschaft, Penny Yassour) einrichtete, zahlreiche Kataloge und Beiträge in Fachzeitschriften und Büchernüber Kunst und Kunstdidaktik, Herausgeber (mit HeinerGeorgsdorf) der Reihe documenta-Nachlesebücher für Schüler, Jugendliche und interessierte Laien zur documentaX und Documenta11.

  • Bisher in dieser Reihe erschienen:

    Ehmer, Hermann K.: Zwischen Kunst und Unterricht –Spots einer widersprüchlichen wie hedonistischenBerufsbiografie. Heft 1. 2003. ISBN 3-9808985-4-7

    Hartwig, Helmut: Phantasieren – im Bildungsprozess? Heft 2. 2004. ISBN 3-937816-03-8

    Selle, Gert: Ästhetische Erziehung oder Bildung in der zweiten Moderne? Über ein Kontinuitätsproblemdidaktischen Denkens. Heft 3. 2004. ISBN 3-937816-04-6

    Wichelhaus, Barbara: Sonderpädagogische Aspekte derKunstpädagogik – Normalisierung, Integration undDifferenz. Heft 4. 2004. ISBN 3-937816-06-2

    Buschkühle, Carl-Peter: Kunstpädagogen müssenKünstler sein. Zum Konzept künstlerischer Bildung.Heft 5. 2004. ISBN 3-937816-10-0

    Legler, Wolfgang: Kunst und Kognition. Heft 6. 2005. ISBN 3-937816-11-9

    Sturm, Eva: Vom Schießen und vom Getroffen-Werden.Für eine Kunstpädagogik »Von Kunst aus«. Heft 7. 2005. ISBN 3-937816-12-7

    Pazzini, Karl-Josef: Kann Didaktik Kunst und Pädagogik zu einem Herz und einer Seele machen oderbleibt es bei ach zwei Seelen in der Brust? Heft 8. 2005. ISBN 3-937816-13-5

  • Puritz, Ulrich: nAcKT: Wie Modell und Zeichner im Aktsaal verschwinden und was von ihnen übrig bleibt. Heft 9. 2005. ISBN 3-937816-15-1

    Maset, Pierangelo : Ästhetische Operationen und kunst-pädagogische Mentalitäten. Heft 10. 2005. ISBN 3-937816-20-8

    Peters, Maria: Performative Handlungen und biografische Spuren in Kunst und Pädagogik. Heft 11. 2005. ISBN 3-937816-19-4

  • ImpressumBibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind imInternet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

    Kunstpädagogische PositionenISSN 1613-1339Herausgeber: Karl-Josef Pazzini, Eva Sturm,Wolfgang Legler, Torsten Meyer

    Band 12ISBN 3-937816-21-6Bearbeitet von Katarina JurinDruck: Uni-PriMa, Hamburg© Hamburg University Press, Hamburg 2006http://hup.rrz.uni-hamburg.deRechtsträger: Universität Hamburg.

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    12/

    2006

    art unrealized – künstlerische Praxis aus dem Blickwinkel der Documenta11

    Hamburg University Press

    Kunstpädagogische Positionen 12

    Bernhard Balkenhol

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    N 3

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    Un ivers i tät Hamburg