laparoskopische kolorektalchirurgie unter notfallbedingungen; laparoscopic colorectal surgery under...

2
Chirurg 2014 · 85:259 DOI 10.1007/s00104-014-2708-z Online publiziert: 6. Februar 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 J. Reibetanz · C.-T. Germer Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Kinderchirurgie, Universitätsklinikum Würzburg Laparoskopische Kolorektalchirurgie  unter Notfallbedingungen Hintergrund Die Laparoskopie hat in den letzten 2 Jahrzehnten breiten Einzug in die elekti- ve Chirurgie (nicht nur) des unteren Gas- trointestinaltraktes gehalten, und auch einige gastrointestinale Notfälle (z. B. Ap- pendektomie, akute Cholezystitis) werden heute vornehmlich minimal-invasiv the- rapiert. Dagegen ist die Rolle der laparo- skopischen kolorektalen Notfallchirurgie aktuell noch wenig definiert, auch wenn z. B. die laparoskopische Lavage bei perfo- rierter Sigmadivertikulitis bereits Einzug in eine Leitlinie gefunden hat [1]. Fragestellung und Methode Ziel dieser systematischen Literaturre- cherche war der Vergleich der laparo- skopischen mit der offenen Kolorektalchi- rurgie unter Notfallbedingungen. Hierfür wurden aus den bekannten medizinischen Datenbanken alle relevanten Publikatio- nen ohne Einschränkung der Publika- tionssprache zwischen 1966 und 2013 ex- trahiert, wobei die Art der laparoskopisch durchgeführten Eingriffe von segmenta- len Kolonresektionen über anteriore Rek- tumresektionen bis zur kompletten Kol- ektomie reichte. Ergebnisse Insgesamt 5557 Patienten (932 laparo- skopisch, 4625 offen) aus 22 Studien wur- den in das Review eingeschlossen, wo- bei in 19 Studien ein konventionell-lapa- roskopischer, in 2 Studien ein Single-Port und in einer Studie ein handassistierter Zugang zur Anwendung kamen. Die Ge- samtkonversionsrate bei den laparoskopi- schen Eingriffen betrug 3% (0–13,8). Die Operationszeit war bei laparoskopischen Resektionen länger als bei offenen Ein- griffen (Median: 184 min [63–444] vs. 148 min [61–231]). Intraoperative Kom- plikationen traten in der offenen Gruppe nicht, in der laparoskopischen Gruppe bei 10% der Patienten auf. Dagegen zeigten la- paroskopisch operierte Patienten deutli- che Vorteile im postoperativen Outcome in Bezug auf die Gesamtkomplikations- rate (Median: 27,8 vs. 48,3%), dem Wie- dereinsetzen der gastrointestinalen Pas- sage und der Dauer des stationären Auf- enthaltes (Median: 10 vs. 15 Tage). Hin- sichtlich der Reoperationsrate beider Zu- gangstechniken konnten mangels suffi- zienter Daten keine klaren Schlüsse gezo- gen werden. Diskussion und Fazit des Reviewers Das hier vorliegende systematische Re- view untermauert bisherige Daten zur  generellen technische Machbarkeit und  Sicherheit der laparokopischen Kolorek- talchirurgie unter Notfallbedingungen.  Auch wenn weiterhin keine randomi- siert-kontrollierten Studien zu dieser Fra- gestellung vorliegen, bestätigt die Arbeit  die Überlegenheit der Laparoskopie hin- sichtlich harter postoperativer Zielkrite- rien (Gesamtkomplikationsrate, Wieder- einsetzen der gastrointestinalen Passa- ge, stationäre Aufenthaltsdauer). Etwas  verwunderlich ist allerdings die sehr ge- ringe Konversionsrate von 3% unter Not- fallbedingungen, insgesamt weniger als  vielfach aus der elektiven Kolorektal- chirurgie berichtet. Weiterhin schwierig  bleibt im Einzelfall sicherlich die präope- rative Risikostratifizierung hinsichtlich  der Patientenselektion und operativer  Verfahrenswahl. Zwar sind in der aktu- ellen Arbeit die demographischen Para- meter zwischen beiden Gruppen insge- samt vergleichbar, jedoch waren in ein- zelnen Originalpublikationen ein hö- herer ASA-Score oder Body-Mass-Index  eher mit einem offenen Zugang „asso- ziiert“. Auch wenn die Daten insgesamt  für die Anwendung der laparokopischen  Notfallkolonchirurgie sprechen, wird die  konkrete Umsetzung sicherlich durch die  Verfügbarkeit eines entsprechend lapa- roskopisch versierten Kolorektalchirur- gen unter Notdienstbedingungen limi- tiert sein. Korrespondenzadresse Prof. Dr. C.-T. Germer Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und  Kinderchirurgie, Universitätsklinikum Würzburg, Oberdürrbacher Str. 6, 97080 Würzburg [email protected]Interessenkonflikt.  J. Reibetanz und C.-T. Germer ge- ben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Literatur   1.  Andersen JC, Bundgaard L, Elbrønd H et al (2012)  Danish national guidelines for treatment of diver- ticular disease. Dan Med J 59:C4453 Originalpublikation Harji DP, Griffiths B, Burke D, Sagar PM (2014)  Systematic review of emergency laparoscopic  colorectal resection. Br J Surg 101:126–133 Journal Club 259 Der Chirurg 3 · 2014|

Upload: c-t

Post on 21-Dec-2016

213 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Laparoskopische Kolorektalchirurgie unter Notfallbedingungen; Laparoscopic colorectal surgery under emergency conditions;

Chirurg 2014 · 85:259DOI 10.1007/s00104-014-2708-zOnline publiziert: 6. Februar 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

J. Reibetanz · C.-T. GermerKlinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Kinderchirurgie, Universitätsklinikum Würzburg

Laparoskopische Kolorektalchirurgie unter Notfallbedingungen

Hintergrund

Die Laparoskopie hat in den letzten 2 Jahrzehnten breiten Einzug in die elekti-ve Chirurgie (nicht nur) des unteren Gas-trointestinaltraktes gehalten, und auch einige gastrointestinale Notfälle (z. B. Ap-pendektomie, akute Cholezystitis) werden heute vornehmlich minimal-invasiv the-rapiert. Dagegen ist die Rolle der laparo-skopischen kolorektalen Notfallchirurgie aktuell noch wenig definiert, auch wenn z. B. die laparoskopische Lavage bei perfo-rierter Sigmadivertikulitis bereits Einzug in eine Leitlinie gefunden hat [1].

Fragestellung und Methode

Ziel dieser systematischen Literaturre-cherche war der Vergleich der laparo-skopischen mit der offenen Kolorektalchi-rurgie unter Notfallbedingungen. Hierfür wurden aus den bekannten medizinischen Datenbanken alle relevanten Publikatio-nen ohne Einschränkung der Publika-tionssprache zwischen 1966 und 2013 ex-trahiert, wobei die Art der laparo skopisch durchgeführten Eingriffe von segmenta-len Kolonresektionen über anteriore Rek-tumresektionen bis zur kompletten Kol-ektomie reichte.

Ergebnisse

Insgesamt 5557 Patienten (932 laparo-skopisch, 4625 offen) aus 22 Studien wur-

den in das Review eingeschlossen, wo-bei in 19 Studien ein konventionell-lapa-roskopischer, in 2 Studien ein Single-Port und in einer Studie ein handassistierter Zugang zur Anwendung kamen. Die Ge-samtkonversionsrate bei den laparoskopi-schen Eingriffen betrug 3% (0–13,8). Die Operationszeit war bei laparoskopischen Resektionen länger als bei offenen Ein-griffen (Median: 184 min [63–444] vs. 148 min [61–231]). Intraoperative Kom-plikationen traten in der offenen Gruppe nicht, in der laparoskopischen Gruppe bei 10% der Patienten auf. Dagegen zeigten la-paroskopisch operierte Patienten deutli-che Vorteile im postoperativen Outcome in Bezug auf die Gesamtkomplikations-rate (Median: 27,8 vs. 48,3%), dem Wie-dereinsetzen der gastrointestinalen Pas-sage und der Dauer des stationären Auf-enthaltes (Median: 10 vs. 15 Tage). Hin-sichtlich der Reoperationsrate beider Zu-gangstechniken konnten mangels suffi-zienter Daten keine klaren Schlüsse gezo-gen werden.

Diskussion und Fazit des Reviewers

Das hier vorliegende systematische Re-view untermauert bisherige Daten zur generellen technische Machbarkeit und Sicherheit der laparokopischen Kolorek-talchirurgie unter Notfallbedingungen. Auch wenn weiterhin keine randomi-siert-kontrollierten Studien zu dieser Fra-gestellung vorliegen, bestätigt die Arbeit die Überlegenheit der Laparoskopie hin-sichtlich harter postoperativer Zielkrite-rien (Gesamtkomplikationsrate, Wieder-einsetzen der gastrointestinalen Passa-

ge, stationäre Aufenthaltsdauer). Etwas verwunderlich ist allerdings die sehr ge-ringe Konversionsrate von 3% unter Not-fallbedingungen, insgesamt weniger als vielfach aus der elektiven Kolorektal-chirurgie berichtet. Weiterhin schwierig bleibt im Einzelfall sicherlich die präope-rative Risikostratifizierung hinsichtlich der Patientenselektion und operativer Verfahrenswahl. Zwar sind in der aktu-ellen Arbeit die demographischen Para-meter zwischen beiden Gruppen insge-samt vergleichbar, jedoch waren in ein-zelnen Originalpublikationen ein hö-herer ASA-Score oder Body-Mass-Index eher mit einem offenen Zugang „asso-ziiert“. Auch wenn die Daten insgesamt für die Anwendung der laparokopischen Notfallkolonchirurgie sprechen, wird die konkrete Umsetzung sicherlich durch die Verfügbarkeit eines entsprechend lapa-roskopisch versierten Kolorektalchirur-gen unter Notdienstbedingungen limi-tiert sein.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. C.-T. GermerKlinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Kinderchirurgie, Universitätsklinikum Würzburg,Oberdürrbacher Str. 6, 97080 Wü[email protected]

Interessenkonflikt.  J. Reibetanz und C.-T. Germer ge-ben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

  1.  Andersen JC, Bundgaard L, Elbrønd H et al (2012) Danish national guidelines for treatment of diver-ticular disease. Dan Med J 59:C4453

Originalpublikation

Harji DP, Griffiths B, Burke D, Sagar PM (2014) Systematic review of emergency laparoscopic colorectal resection. Br J Surg 101:126–133

Journal Club

259Der Chirurg 3 · 2014  | 

Page 2: Laparoskopische Kolorektalchirurgie unter Notfallbedingungen; Laparoscopic colorectal surgery under emergency conditions;