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Lautgesetz und (unabhängig davon) Bedeutungswandel

idg. *dūn

germ. *tūn

t < d (1. LV)

ae. tūn ahd. zūn

z < t (2. LV)

ne. town nhd. Zaun

au < ū nhd. Diphthongierung

Geil im Lauf der Sprachgeschichteim was ein ander leben gegebe

er was dô geil unde vrô

Ihm wurde ein zweites Leben geschenkt: Da wurde er lustig und froh. (Tristan)

so wart er û der âht

starc, küene und geil

‘So wurde er, nachdem er aus der Acht entlassen war, stark, kühn und frohgemut’. (Lanzelot)

seit fort all fasnacht frisch und geil ‘seit weiterhin die ganze Fastnacht über frisch und

fröhlich’. (Fastnachtsspiel, 15. Jh.)

Diethôch, Uolant und Iedunc spranc da manegen geilen sprunc

‘D., U. und I., machten da viele übermütige Sprünge’

ain schons jungs gails weib

das unter der gurtel ist hungerig und geitig

‘ein schönes, junges, geiles Weib, das unterhalb des Gürtels hungrig und gierig ist’ (Schwankerzählung 16. Jh.).

nhd. Hahn

mhd. han(e)

afr. hona ae. hona ahd. hano an.

hani

got. hana

urgerm.

*hanōn

‘Hahn’

gr. ēikanós

‘Morgensänger’

lat.

canere

‘singen’

air. canaid

‘er singt’

idg. *kan-

‘singen’

nhd. Bruder

mhd. Bruoder

afr.

brōther

ae.

brōþor

ahd. bruodar an. bróðir got.

broþar

urgerm.

*brōþēr

lat.

frater

ai.

bhrātar

air. bráthair

idg.

bhrātēr

Kl.-Seeb. 2011 Kl.-Mitzka 1960 Pfeifer 1993 Duden Wasserz. 1966 Hermann 2003

Ar + + + + + +

-ar1-3 + - - - - -

Ära + - + + + -

Arachn(o)ide - - - - - +

Aragonit - - - - - +

Aräometer - - - - - +

Ärar - - - - - +

Araukarie - - - - - +

Arbeit + + + + + -

Arbeiter - - + + - -

Arbitrage - - - - - +

arbiträr + - - - - -

Arboretum - - - - - +

-arch + - - - - +

Archaikum - - - - - +

archaisch + - - - + -

Archaismus - - + - - -

Archäologie + - - + + +

Archäopteryx - - - - - +

[...]

Kl.-Seeb. 2011 Kl.-Mitzka 1960 Pfeifer 1993 Duden Wasserz. 1966 Hermann 2003

Artdirector - - - - - +

Artefakt - - - - - +

Arterie + - + + + +

artesisch - - - - - +

Arthritis - - - + - +

Arthropode - - - - - +

artifiziell - - - - - +

artig + + - + - -

Artikel + - + + + +

artikulieren + - - + - +

Artillerie + + + - + +

Artischocke + + + + + +

Artist + - + + + +

Artothek - - - - - +

Arve + + - - + -

arzen - + - - - -

Arznei + + + + - +

Arzt + + + + + +

Artikel Arzt in Kluge-Seebold 2011 (= 25. Aufl.)

Artikel Arzt in Kluge-Mitzka 1975 (= 21. Aufl.)

Artikel Arzt in Pfeifer 1993

Artikel Arzt im Etymologie-Duden

Artikel Arzt in Wasserzieher 1966

Artikel Arzt in Hermann 2003

Artikel arzât im EWA

Der indogermanische Sprachbaum

Elementarzahlen im Vergleich

nhd. gotisch tschech. lateinisch griech. sanskrit japanisch

1 ein ains jeden unus heis ekas hitotsu

2 zwei twai dva duo dyo dva futatsu

3 drei þreis tři tres treis tryas mittsu

4 vier fiþwor čtyři quattuor tettares catvaras yottsu

5 fünf fimf pět quinque pente panca itsutsu

6 sechs saíhs šest sex hex sat muttsu

7 sieben sibun sedm septem hepta sapta nanatsu

8 acht ahtau osm octo octo asta yattsu

9 neun niun devět novem ennea nava kokonustu

10 zehn taíhun deset decem deka dasa tō

Zugtier-, Pflug- und Wagendratsellungen auf usbekischen

Petroglyphen

Aus der Sprachgeschichte von Wilhelm Schmidt (10. Aufl. 2007)

Die Indogermanen kannten „Pflug, Saat und Ernte (Mahd), trieben also wohl schonAckerbau mit einer Ährenfrucht (Gerste), deren Korn gemahlen wurde; hauptsächlichzüchteten sie jedoch Vieh, v.a. Schwein, Rind (Kuh) und Schaf – letztere auch wegen Milchund Wolle. An der Biene interessierten Honig (und süßer Met – Salz dürften sie aus demMeer gewonnen haben). Zahm waren bei ihnen weiters Pferd, Hund (Gans?) ..., allerdingsnoch nicht Esel oder (trotz der Maus!) die Katze. Ihre Wagen ließen sie auch von Ochsen(unter einem Joch) ziehen, die Tür zu ihrem Haus (Zimmer!) war verschließbar. Handwerk-lich konnten sie Lehm und Teig formen und beherrschten das Spinnen (nähen!), Weben,Nähen (Saum, engl. sew) und Flechten. Von den Metallen verfügten die (aus der Steinzeitkommenden) Indoeuopäer zuerst nur das (eherne!) Kupfer; Zahlungs- und Tauschmittel(Miete) war wohl nicht Silber oder Gold (‘das Gelbe’), sondern Vieh (lat. pecunia); es ge-hörte dem Oberhaupt der patriarchalischen Großfamilie (vgl. lat. potis ‘vermögend’,entsprechend aind. pátiš ‘Besitzer, Gemahl’; dazu vielleicht als Negationsbildung ne-pos,nepōtis ‘Enkel’), deren Struktur sich in einer weit ausgebauten gemein.-idg. Verwandt-schaftsterminologie spiegelt ... Das Zusammenleben in Stamm (vgl. König) und Volk(vgl. deutsch) regelte die Sitte, z.B. Schwur (Eid), Gastfreundschaft, Blutrache, Wergeld undHeerbann. Die Religion war polytheistisch, der Name des obersten „Gott(vater)“ lebt fortin den Bezeichnungen ai. deva (bzw. dyāus pitā), gr. Zeus (patér), lat deus (bzw. Ju(p)piter <Dieu pater, komponiert aus vokativischem diēs ‘Tag’ + pater ‘Vater’), germ teiwaz ..., vgl.engl. Tues(day), alem. Zies(tag). Übrigens hatten die Indoeuropäer noch keinen Begriffvon Woche(ntag), rechneten aber mit Monat und Jahr. Ihr astronomisches Wissen be-schränkte sich auf Sonne, Mond und Stern, gezählt haben sie (wie die Etymologie vonfünf, acht, neun nahelegt: wohl mit Hilfe der Finger) jedenfalls bis zehn, hundert ergab sichals „zehn-zig“.

Aus Duden, Herkunftswörterbuch„Diese so genannten Erbwörter sagen einiges über Leben und Kultur der Indogermanen aus. Man lebtedamals in einer Großfamilie. Gemeinsam sind den indogermanischen Sprachen die Verwandtschafts-bezeichnungen Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Sohn, Tochter. [...] Die Menschen damals betrieben Ackerbau.Das zeigen Wörter wie Acker, (Pflug)schar (eigentlich „Schneidewerkzeug“), Furche, säen, Gerste (vielleichteigentlich „die Stachlige“), mahlen. Auch wussten sie, wilde Tiere zu zähmen und diese dann als Haustiere zuhalten. Das wichtigste Haustier war das Schaf. Es wurde besonders wegen seiner Wolle gezüchtet. Seinindogermanischer Name steckt im heute veralteten landschaftlichen Wort Aue (althochdeutsch ou[wi]) undim engl. ewe für „Mutterschaf“. Die Verwandtschaft mit dem lateinischen Wort ovis „Schaf“ ist unverkenn-bar. Bei den späteren Westgermanen entstand bald ein anderes Wort, das den alten Tiernamen verdrängte.Dieses germanische Wort ergab dann englisch sheep und auch unser Schaf althochdeutsch scāf). AlsZugtiere wurden die Kuh (ursprünglich ein lautmalendes Wort) und der Ochse (ursprünglich Bezeichnungfür den Stier) auf dem Feld eingesetzt.

Die Häuser waren aus Holz gebaut. Das Dach (eigentlich „das Deckende“) ruhte auf vier senkrecht ste-henden Balken (eigentlich „dickes Stück Holz“). Die Wände bestanden aus Flechtwerk. Wand bedeuteteigentlich „Gewundenes, Geflochtenes, Flechtwerk“ und ist abgeleitet vom Verb winden.

Herde und Haus bewachte damals wie heute der Hund (mit dem deutschen Wort sind lateinisch canis undaltgriechisch kýōn für „Hund“ urverwandt). In den Wäldern wuchsen besonders die Linde (eigent-lich „dieBiegsame“), die Buche und die Birke (eigentlich „die Leuchtendweiße“, nach der Farbe der Rinde). [...]

Die Jäger jagten in den Wäldern den Hirsch (eigentlich „der Geweihtragende“) und den Elch. Auch denFisch (verwandt mit lateinisch piscis) kannten die Indogermanen. Andere Tiere, deren Namen zum in-dogermanischen Erbwortschatz gehören, sind der Biber, der nach seinem Fell als „der Rotbraune“ be-nanntworden ist, die Ente (ursprünglich allgemein „Wasservogel“) und die Gans (eigentlich „Faucherin“).

Das Pferd gab es damals auch schon, allerdings hatte es einen ganz anderen Namen. Die alte indogerma-nische Bezeichnung ist noch im althochdeutschen Wort ehu für Pferd erhalten, ebenso im gleichbedeu-tenden lateinischen Wort equus. Unser heutiges Wort Pferd hat sich in althochdeutscher Zeit aus demlateinisch-romanischen Wort paraveredus „Post-, Packpferd“ entwickelt.“

Aus Helmut Rix, Lexikon der indogermanischen Verben

Griffzungenschwerter – die Waffe der ältesten Germanen?

Germanische Schiffahrtswörter

Bord, Damm, Eis, Floß, Fluss, Flut (diese gehören mit

unterschiedlichen Ablautstufen zur selben Wurzel wie

fließen, das germ. *flet - voraussetzt, dessen Wurzel

dieselbe ist wie in lat. pluere), Hafen, Kiel, Klippe, Mast,

Nachen, Netz, Reede, Reise, Schiff, schwimmen, Segel, Stange,

steuern, Strand, Sturm, Sund, Zeit (das zu engl. tide).

Ebbe = engl. ebb, dt. Brise = engl. breeze, dt. See = engl. sea,

dt. Takel = engl. tackle, dt. Tau = engl. tow u.a.

Arbeit und Wirtschaft im Germanischen

• Viehzucht mit Wörtern wie Hengst, Ross, Kalb, Färse, Schaf, Lamm, Weide.

• Ernährung: braten, Rost, Dotter, Fleisch, Schinken, Speck. – Brot (dieses zu einer idg. Wurzel, die auch in lat. fer-mentum ‘Gärstoff, Hefe’ und de-fru-tum ‘Most’ vorliegt, ist aber eine Neubildung von ebendieser Wurzel, auf die auch brauen, brühen, Brei und vermutlich auch Bier zurückzuführen sind).

• Tierarten: Karpfen, Aal, Rind, Kalb, Lamm, Wisent, Storch.

• Handwerk: Axt, Säge, dengeln, Harke, Zwirn, Leder, Netz, Reuse, Tau.

• Technische Neuerungen: Wagen, Deichsel, Rad, Achse, Nabe.

Germanische Kampf- und Kriegswörter – sogar in

Namen!Schild, Helm, Bogen

Zweigliedrigen Vornamen : Adolf = edel + Wolf, Hermann = Heer + Mann, Hildebrand = Kampf + Schwert, Brünhilde = Brünne + Kampf, Hedwig und Hildegund sind tautologisch, und bestehen aus zwei ‘Kampf ’-Synomymen (also Kampf + Kampf), Gunther = Kampf + Herr, Ludwig = Ruhm + Kampf.

Ahd. werra = engl. war (entlehnt it., span., port. guerra, frz. guerre)

Nhd. warten, Warte

Ahd. urliugi, mnl. oorlog, an. ørlygi ‘Kampf, Krieg’

Nhd. Waffe, Schwert, Bogen, Spieß, Helm, Sporen

Germanische Rechtssprache

• aiwa, witoþ und lagu – jeweils ‘Recht, Gesetz’

• Mord (zu lat. mors ‘Tod’ und morire ‘sterben’)

• Scham, Schande

• Dieb, Strafe

• Buhle urspr. ‘Ehebrecher’, später Liebhaber(in)

• Sache ‘Rechtssache, Streitgegenstand vor Gericht’

• Ding ‘Gerichtsversammlung’.

• Schöffe, Raub, Sühne.

• Vormund gehört nicht zu Mund, sondern zu einem germanischen Femininum mundō ‘Hand, Schutz’ her. Der Schutzbefohlene ist das Mündel. Das Wort gehört zur selben indogermanischen Wurzel wie lat. manus ‘Hand’.

Germanische Gesellschaft

• Graf, König, Herzog

• Ahd. truhtîn, frô / frôwa

• þewa- ‘Knecht, Unfreier, Diener’ (zu idg. tekw-

‘laufen’), dazu auch ahd. thiorna ‘ Magd’

Keltische Metallkunst: Sonnenwagen von Trundholm

„Technische“ keltische Lehnwörter

• Nhd. Eisen (ahd. īsa(r)n aus keltischem īsarno). Im Deutschen setzt sich die s-Variante durch (also Eisen), im Englischen und im Altnordischen die r-Variante (engl. iron, isl. járn).

• Das alte Wort für ‘Blei’ war lōt (jetzt altertümliche Gewichtseinheit), vgl. engl. lead. Das zugrunde liegende keltische Wort lässt sich als *laudia rekonstruieren.

• Ger ‘Wurfspieß’ (hat nichts mit dem Germanen-Namen zu tun) aus kelt. gaisa, das über gaira und mit ahd. Monophthongierug zu gēr geworden ist.

• Mhd. Brünne (vgl. altir. bruinne ‘Brust’).

Keltische Lehnwörter im Rechtsbereich

• Amt (< mhd. ambet < ahd. ambaht) aus latinisiertem keltischem ambactus ‘Gefolgsmann’ (eigentlich ‘der Herumgeschickte’).

• Erbe (Neutrum < mhd. erbe, ahd. erbi und Mask. < mhd. erbe < ahd. erbo)

• Nhd. Geisel (< mhd. gîsel < ahd. gîsal)

• Nhd. Reich (< mhd. rîche < ahd. rîhhi). Kelt. *rîgjo, zur selben idg. Wurzel lat. reg-nare, rex (Gen. reg-is), reg-ius usw. mit langem ê. Hierzu auch air. rí.

Wer anders spricht, ist „welsch“ (und dumm)Aus den ahd. Kasseler Glossen (9. Jh.)

stulti s(unt) tole sint. romani.

uualha. sapienti s(unt). spahe

sint. Paioari peigira. modica

est. luzic ist. sapienti. spahe.

in romana. in uualhum. plus

habent. mera hapent. stultitia.

tolaheiti. qua(m) sapientia.

denne spahi

Lateinische „Bau-Lehnwörter“

lat. Ausgangsform althochdeutsch neuhochdeutsch

tegula ziagal Ziegel

calc(em) kalch Kalk

mortārium mortāri Mörtel

murus mûra (Genus nach Wand) Mauer

atricus estrih Estrich

plastrum pflaster Pflaster

pilare pfîlāri Pfeiler

palus pfāl Pfahl

postis pfost(e) Pfosten

callarium ‘Vorratshaus’ kellāri Keller

spicarium spîhhāri Speicher

camera ‘Nebenraum’ kamara Kammer

caminus ‘Feuerstelle’ kemîn (Kamin neu entlehnt)

Coquina kuhhina Küche

solārium ‘Sonnenraum’ solāri Söller

fenestra fenstar Fenster

porta pforta Pforte

Lateinische „Küchen-Wörter“

lat. Ausgangsform althochdeutsch neuhochdeutsch

bac(c)in(i)um becki(n) Beckenacetum ezzih Essigfeniclum fenihhal Fenchelcaerefolium kervola Kerbelceras(i)um kirsa Kirschecaulis kôl Kohlcuminum kumî(n) Kümmel(cu)curbita kurbiz Kürbismenta minta Minzemustum most Mostpanna pfanna Pfannepiper pfeffar Pfefferpersica *pfersih (> mhd. pfersich) Pfirsichplanta pflanza Pflanzepluma pflûma Pflaumeboletus buliz Pilzradix ‘Wurzel’ ratih, retih Rettichscutela skuzzila Schüsseldiscus tisk Tischvinum wîn Wein

Lateinische „Handels- und Transportwörter“

lat. Ausgangsform althochdeutsch neuhochdeutsch

asinum esil Esel

cista kista Kiste

marcatus markat Markt

mulus mûl Maul-tier

moneta muniza Münze

pondus pfunt Pfund

saccus sak Sack

sagma ‘Packsattel’ soum Saum-tier

census zins Zins

toloneum zol Zoll

Der althochdeutsche Sprachraum

Althochdeutsche Glossen

Lat. conscientia in verschiedenen europäischen Sprachen

con-scient-ia

engl. conscience

frz. conscience

dt. Gewissen

ndl. geweten

dän. samvittighed

schwed. samvete

isl. samviska

russ. sowjestj

finn. omatunto

Lehnprägungen in der Klassifikation von W. Betz (1974)

Lehnprägung

Lehnbildung Lehnbedeutung

caelum > himil

Lehnformung Lehnschöpfung

paralyticus > bettisioh

Lehnübersetzung

Trinitas > drînissa

Lehnübertragung

vinolentus > wîntrunkal

Zunehmende „Überlebenschance“

St. Galler ahd. Glaubensbekenntnis (vor 800)

Credo in deum (ich glaube an Gott)

+ kilaubu ich glaube

in kot fater almah an Gott (den) Vater allmäch-

ticun ki tigen Schöp-

sca(f)t himiles fer Himmels

entierda enti in ihm und (der) Erde und an Jesus

christ sunsinan aina Christus seinen Sohn ein-

cun unseran truhtin zigen unseren Herrn

der inphangan ist fo der empfangen ist vom

na uuihemu keiste heiligen Geist

kiporan geboren

fona mariun von Maria

macadi euuikeru Jungfrau ewiger

kimartrot inki gemartert in der Ge-

Iualtiupila walt des Pila-

tes tus

... Fortsetzung (nicht auf der Abb.)

in cruce pislacan tot enti picrapan ans Kreuz geschlagen, tot und begraben

stehic in uuizzi, in drittin take erstoont stieg in die Hölle, am dritten Tage erstand (er)

fona totem stehic in himil, sizit az von den Toten, stieg zum Himmel, sitzt zur

zesuun cotes fateres almahtikin, Rechten Gottes (des) Vaters (des) allmächtigen

dhana chhumftic ist sonen dorther wird er kommen zu richten

qhueke enti tote. kilaubu in Lebende und Tote. (Ich) glaube an den

uuihan keist, in uuiha khirihhun catholica, heiligen Geist, an die heilige katholische Kirche

uuihero kimeinitha, urlaz sunticero, der Heiligen Gemeinschaft, Nachlass der Sünd(ig?)en

fleiskes urstodali, in liip euuikan amen des Fleisches Auferstehung, an das ewige Leben. Amen

Eine Seite aus der St. Galler althochdeutschen Interlinearversion

der Benediktinerregel

Althochdeutsche (Determinativ-) KompositaSubstantivische Konstituenten:

hantslac ‘Ohrfeige’

hantgrif ‘Handgriff ’

hantfaz ‘Handwaschbecken’

hant-giskrîbi ‘Handschrift’

giloub-irrāri ‘Ketzer’

buoh-stab-zîla ‘Buchstabenzeile’

hasel-nuze-kerno ‘Haselnusskern’

Adjektivisches Bestimmungswort, substantivisches Grundwort:

jungman ‘junger Mann’, iungfrouwa ‘junge Frau, Jungfrau’

guottāt ‘gute Tat’

quecbrunno ‘lebendiger Brunnen’

Verbales Bestimmungswort, substantivisches Grundwort (Typ: nhd. Kochtopf)

hengilachan ‘Vorhang’, eigentlich ‘Hängelaken’

wetzistein ‘Wetzstein’

blâsbalg.

Althochdeutsche exozentrische Komposita

(„Bahuvrihi“)

Substantive:

einhorn ‘Tier, das ein Horn hat’ (nicht: 1 Horn!)

mannahoubit ‘Kreatur, die einen Menschenkopf hat’ (nicht: Menschenkopf!)

sibinblat ‘Pflanze, die 7 Blätter hat’ (nicht: 7 Blätter!)

drîfuoz ‘Schemel, der 3 Füße hat’ (nicht: 3 Füße!)

Adjektive:

barfuoz ‘nackte Füße habend = barfuß’ (nicht: nackter Fuß!)

goldfahs ‘goldene Haare habend = goldhaarig’ (nicht: goldene Haare!)

langlîb ‘langes Leben habend = langlebig’ (nicht: langes Leben!)

mihhilmuot ‘hochherzige Gesinnung habend = großmütig’ (nicht: großer Mut!)

Althochdeutsche verbale Präfixbildungenaba-gangan ‘abgehen’, aba-leiten ‘ableiten’, aba-lôsen ‘ablösen’

bi-denken ‘bedenken’, bi-diuten ‘bedeuten’, bi-drucken ‘bedrücken,

unterdrücken’

fir-fluohhen ‘verfluchen’, fir-geban ‘vergeben’, fir-geltan ‘vergelten’

int-decken ‘entdecken, aufdecken’, int-êren ‘entehren’, int-fallan

‘entfallen’

missi-brûhhan ‘missbrauchen’, missi-denken ‘Schlechtes/Falsches

denken’, missi-tuon ‘Schlechtes/Falsches tun’ (vgl. nhd.

Missetat)

zir-brehhan ‘zerbrechen’, zir-faran ‘zerfahren, zergehen’, zir-tuon

‘zertun, entfalten’

Althochdeutsche nominale Präfixbildungen

unbald ‘untapfer, verzagt’

unberehaft ‘unfruchtbar’

undurftîg ‘unbedürftig’

uneben ‘ungleich’

unêrsam ‘unehrenhaft’

unfruoti ‘Unverstand’

unfrewi ‘Traurigkeit’

unkraft ‘Schwäche’

ántfang ‘Empfang’

bîspel ‘Beispiel, Exempel’

frátāt ‘Verbrechen’

úrloub ‘Genehmigung’ (> nhd. Urlaub gegenüber erláuben)

Substantivische Suffixableitungen (Nomina agentis)

Älterer Typ

sprehho ‘Sprecher’ , eʒʒo ‘Esser’, helfo ‘Helfer’, laufo ‘Läufer’

Jünger Typ

sprehhāri, eʒʒāri, helfāri, loufāri

Seltener:

wartil ‘Aufseher’, tregil ‘Träger’, butil ‘Bote, Büttel’

truogolf ‘Betrüger’, rîhholf ‘Herrscher’, nahtolf ‘Nachtgottheit’

Substantivische Suffixableitungen (Abstrakta)

irstantanî ‘Auferstehung’, mendî ‘Freude’, wîhî ‘Weihe, Heiligkeit’

rihtida ‘Maßstab’, kihaltida ‘Rettung’, miltida ‘Milde’

snelheit ‘Schnelligkeit’, giwonaheit ‘Gewohnheit’, wîsheit ‘Weisheit’

uobunga ‘Übung’, ûʒlegunga ‘Auslegung’, mahhunga ‘Bewerkstelligung’

fîantskaf(t) ‘Feindschaft’, grāfskaf(t) ‘Grafschaft’, wirtskaf(t)

‘Wirtschaft’

arzāttuom ‘Heilkunde’, keisartuom ‘Kaisertum’, siohtuom ‘Krankheit’

fart ‘Fahrt’, gift ‘Gabe’ (von geban). - fluht ‘fliehen’ (zum Verb fliohan),

giburt ‘Geburt’ (zum Verb giberan), kost ‘Kost’ (zum Verb kiosan

‘wählen’)

Implizite Ableitungen mit Ablaut und ohne Suffix:

spruch ‘Spruch’ (zum Verb sprehhan), gibôt ‘Gebot’ (zum Verb

gibiotan), sang ‘Gesang’ (zum Verb singan)

Adjektivische Suffixableitungenstirbîg ‘sterblich’, geloubîg ‘gläubig’, hinderscrenchîg ‘hinterhältig’

wîblîh ‘weiblich’ (zum Subst. wîb ‘Frau’), starklîh ‘stark’ (zum Adj. stark), biswîhlîh ‘betrügerisch’ (zum Verb biswîhhan ‘betrügen’)

arabisk ‘arabisch’, irdisk ‘irdisch’, himilisk ‘himmlisch’

sorgsam ‘sorgenvoll’, gamansam ‘vergnüglich’ (zu gaman ‘Vergnügen’), winisam ‘freund(schaft)lich’ (zu wini ‘Freund’)

skînbâr(i) ‘sichtbar’ (zu skîn ‘Schein’), egibâri ‘schrecklich’ (zu egi ‘schrecklich’), liutbâri ‘öffentlich’ (zu liuti ‘Leute’)

skadohaft ‘schädlich’, sigihaft ‘siegreich’, êohaft ‘dem Gesetz gemäß’ (zu êwa ‘Gesetz’)

Ablautende Adjektive:

nâmi ‘annehmbar’ (zu neman ‘nehmen’), âzi ‘essbar’ (zu ezzan ‘essen’), biquâmi ‘bequem’ (zu queman ‘kommen’)

Exozentrische Adjektive auf –i:

zwījāri ‘zwei Jahre habend, zweijährig’, armherzi ‘barmherzig, ein erbarmendes Herz habend’, einmuoti ‘einmütig, ein und dieselbe Gesinnung habend’

Abgeleitete Verben

kausative/faktitive jan-Verben (ahd. –en)ougen ‘zeigen’ (zu ouga ‘Auge’), swerzen ‘schwärzen’ (zu swarz ‘schwarz’), senken (zu

sinken), wenten ‘wenden’ (zu winden)

denominale ôn-Verbendankôn ‘danken’ (zu dank), samanôn ‘(ver)sammeln’ (zu saman ‘zuammen’), fiskôn

‘fischen’ (zu fisk ‘Fisch’).

intransitive ên-Verbendarbên ‘darben’, altên ‘alt werden’, rîfen ‘reif werden’, nazzên ‘nass werden’

Eberhard Gottlieb Graff: Althochdeutscher Sprachschatz, Berlin

1834-42 (hier aus Bd. II)

Erstmals bei Notker (+ 1022) belegte Wörter

âbentchuoli ‘Abendkühle’, âbentsterno ‘Abendstern’, abanemare Erlöser wörtl. ‘Abnehmer’, abgotdienist ‘Götzendienst’, geahtôn ‘billigen’, achedêmisk ‘akademisch’, algemahsamo ‘gemächlich’, alganz ‘vollständig’, alarehto ‘geradewegs’, gealtera ‘Altersgenossin’, anafristôn ‘verleumden’, analegi ‘Kleidung’, anawartîg ‘gegenwärtig’, arabisk ‘arabisch’, arbeitsamo ‘Leid bringend’, belgen ‘aufreizen’, bellen ‘bellen’, bluotfaro ‘blutfarbig’, ferbluon ‘verblühen’ (u.v.a.)

Lexikalischer Zuwachs im 11./12. Jh. (einige

Beispiele)• Ethischer Wortschatz: leid, êre, tugent, triuwe mit neuen Konnotationen.

Neubildungen: bekêren bekêrunge, herzegrunt, kristenschar, rouchopfer.

• Kirchenwortschatz: capellân (> Kaplan), patriarche, venje ‘Sündenvergebung’, lêrære (< lat. doctor), kirchspel ‘Kirchspiel, Pfarrei’, wîhenaht, wochentac.

• Naturgegebenheiten, z.B. Mineralien: Jaspis, Saphyr(us), Smaragd(us), Sardonix, kristall, rubîn. Karfunkel (< lat. carbunculus), aus der Mariendichtung auch merestern (lat. stella maris), morgenrôt, margarîte ‘Perle’.

• Frühe Mystik: beschouwunge, betrahtunge, erkanntnusse, învlieen, gelîchnusse, sunschaft, unsagbære, vaterschaft, vernünfteceit.

• Nicht-lateinischer Sprachkontakt: Spinat und Zucker aus dem Orient. Slawisch (Ostkolonisation!) z.B. Kummet, Kren ‘Meerrettich’, Schöps ‘kastrierter Hammel’, Trappe, Trappgans.

• „Christliche Seefahrt“ (Kreuzzüge): anker, porte ‘Hafen’, marnære ‘Seemann’ (< afrz. marinier), barke und galîe (ein großer Kriegsschiffstyp).

• Weitere Sachwörter: koufkneht, buter, ertouben, windel(lîn), snêregen, sûdwesterwind.

Wörter der frühen Adelskultur• Aus dem Niederländischen/Niederdeutschen: ors, wāpen, blîde ‘fröhlich,

freundlich, lieblich’ (vgl. engl. blithe), baneken ‘ausreiten, spazieren reiten, spazieren gehen’

• Kampf- und Turnierwörter aus dem Französischen: tjost Einzelkamp im Turnier (< afrz. joste), bûhurt Gruppenkampf (< afrz. bohourt), krîen . ‘Kampfrufe ausstoßen’, bercfrit ‘zentraler Burgbereich’ (< afrz. berfroi, also nicht zu berg und Friede), soldāt (< afrz. soldee).

• Jadwörter: birsen ‘pirschen’ (< afrz. berser). Mhd. jaget, jagede erstmals im 12. Jh. belegt. Begriffe der Falkenjagd: vederspil ‘Falke’, adelar (eigentlich ‘edler Aar’).

• Frühe höfische „lifestyle“-Wörter: væle ‘langer Mantel ’ (< afrz. veile;vgl. auch engl. veil), scharlach (Stoffart, < afrz. escarlate), samît ‘Samt’ (< afrz. samit), danz Auch danz ‘Tanz’ (über das Fämische < afrz. dance),schâch (< afrz. échac < pers. šâh). Mhd. schāch unde mat (< afrz. échec et mat zu pers. māt ‘tot’). Mhd. schāchzabel = schāch + zabel (< lat. tabula ‘Tafel, Brett’). Gleichfalls im 12. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt ist das Wort Thron (< mhd. trone < afrz. throne).

Frühe mhd. „Minnewörter“ in lateinischer Umgebung

(„Liebesgruß im „Ruodlieb“, 11. Jh.)

Dixit: „dic illi nunc de me corde fideli Sie sagte: „bestell ihm nun dass aus meinem

treuen Herzen

Tantumdem liebes, ueniat quantum modo loubes So viel an Liebe kommt wie Laub

Et volucrum vvunna quot sint, tot sibi minna Und so viel der Vögel Wonnen sind, so viel Minne

Graminis et florum quantum sit, dic et honorum So viel es an Gräsern und Blumen gibt – richte

ihm aus – so viel der Ehren!“

Französisch mach Eindruck. Das wusste schon Tristan

Marke sach Tristanden an: Marke sah Tristan an

„vriunt“ sprach er „heizestû Tristan?“ „Freund“,sagte er, „heißt du Tristan?“

„jâ hêrre, Tristan; dêu sal!“ Ja, Herr, Gott schütze Euch

„dêu sal, bêâs vassal“ „Gott schütze dich, schöner Jüngling!”

„mercî“, sprach er „gentil rois. „Danke“, sagte er, „veonehmer König

edeler künic curnewalois edler König von Cornwall

ir und iur gesinde Ihr und Euer Gefolge

ir sît von gotes kinde Ihr möget vom Sohn Gottes

iemer gebenedîet!“ allzeit gesegnet sein“

dô wart gemerzîet Da wurde gedankt

wunder von der hovediet aufs wundervollste von den Hofleuten.

si triben niwan daz eine liet: Sie sangen immerzu das eine Lied:

„Tristan, Tristan li Parmenois Tristan, Tristan von Parmenien

cum est bêâs et cum cûrtois“ wie ist er schön und wie höfisch“.

Französische Lehnwörter im Mittelhochdeutschen

• Deutsche Akzentuierung, z.B. pálas (aus palais mit französischerEndbetonung). Die Betonungsverhältnisse ergeben sich, wenndas literarisch Wort gebraucht wird, aus der Metrik.

• Lautliche Assimilation, z.B. Abenteuer und Preis (aus aventiure btw.prîs), jeweils mit späterer Diphthongierung.

• Weiterverwendung in Wortbildungen wie z.B. tanzgeselle, natiurlich.

• Weiterleben in den (westmitteldeutschen) Dialekten, teilweiseVermittlung über das Mittelniederländische. Später in andereDialekte und die überregionale Standardsprache, z.B. afrz.galantine > mnl. galentine > mhd. gelentine ‘Gelatine’, afrz. cordel >mnl. corde(e)l > mhd. kordel, afrz. pot > mnl. pot > mhd. pot ‘Pott,Topf ’, afrz. fin > mnl. fijn > mhd. fîn ‘fein’.

Niederdeutsche Lehnwörter im „höfischen“

Mittelhochdeutschen

• wāpen ‘Waffen’ (später Bedeutungsverschiebung zu ‘Wappen’)

• dörper ‘Dorftrottel, unhöfischer Mensch’

• ors ‘Pferd’

• recken ‘ziehen’

• tadeln ‘tadeln, zurechtweisen’

• draben ‘traben’

• baneken ‘spzieren gehen oder reiten’

• Diminutiva auf -ken: blüemekīn, merlikîn ‘Amselchen’, pardrîsekîn ‘Rebhühnchen’, schapellekîn ‘Kränzlein’ usw. Schon im 13. Jahrhundert wurde diese

Sprachliches Imponiergehabe im 13. Jh.

(aus Meier Helmbrecht)

sie sprâchen: „juncherre mîn, ir sult got willekomen sîn.“ sie sagten: „mein junger Herr, Ihr sollt Gott willkommen sein“.

Er sprach: „vil liebe soete kindekîn, got lât iuch immer sælic

sîn.“

Er sprach: vil liebe soete kindekîn, Gott lasse euch allzeit selig

sein!“

diu swester engegen im lief, mit den armen si in umbeswief Die Schwester lief ihm entgegen, und umfing ihn mit den

Armen.

dô sprach er zuo der swester: „gracia vester“ Da sagte er zu der Schwester„gracia vester“

hin für was den jungen gâch; die alten zugen hinden nâch. die Jungen rannten voraus, die Alten kamen hinterher.

si enphiengen in beide âne zal; zem vater sprach er: „deu sal.“ Sie begrüßten ihn überschwenglich. Zum Vater sagte er: deu sal

zuo der muoter sprach er sâ bêheimisch „dobra ytra“ Zur Mutter sagte er dann auf Böhmisch dobra ytra [guten

Morgen]

si sâhen beide einander an; „entriuwen“, sprach der vrîman Sie sahen sich beide an. „Wahrhaftig“, sprach der Knecht,

„als ich von im vernomen hân, sô ist er ze Sahsen „nach dem, was ich von ihm gehört habe, ist er in Sachsen

oder ze Brâbant gewahsen; er sprach ‘liebe soete kindekîn’, oder Brabant groß geworden. Er sagte liebe soete kindekîn’.

er mac wol ein Sahse sîn“. „Ey waz snacket ir gebûrekîn Er wird gut ein Sachse sein. „He, was snakt Ihr, Bäuerchen

und jenez gunêrte wîf? mîn parit, mînen klâren lîf und das schäbige Weib da? mein Pferd, meinen edlen Leib

sol dehein gebûric man zewâre nimmer gegrîpen an.“ soll ein gewöhnlicher Bauer wahrhaftig niemals angrapschen.“

Aventiure – waz ist daz? (die Antwort in: Hartmann von Aue, Iwein)

nû sich wie ich gewâfent bin: nun sieh her, wie ich bewaffnet bin!

ich heize ein ritter und hân den sin, Ich heiße ein Ritter und habe die Absicht,

daz ich suochende rîte dass ich reite, um zu suchen

einen man, der mit mir strîte, einen Mann, der mit mir kämpft,

der gewâfent sî als ich. der bewaffnet ist wie ich.

daz prîset in, und sleht er mich, Das macht ihn berühmt, wenn er mich erschlägt.

gesige aber ich im an, Besiege aber ich ihn

sô hât man mich vür einen man dann schätzt man mich als Mann

und wirde werder denne ich sî. und ich werde angesehener, als ich (jetzt) bin

Die personifizierte Frau Aventiure in Wolframs Parzival

„Tuot ûf!“ „wem? wer sît ir?“ „Macht auf!“ „Wem, wer seid Ihr?“

„ich wil ins herze hin zuo dir“ „Ich will in dein Herz“

„so gert ir ze engem rûme“ „Da verlangt’s Euch aber nach einem engen Platz“

„waz denne, belîbe ich kûme? „Was machte es, käme ich nur knapp hinein

mîn dringen soltu selten clagen: Mein Verlangen wird dich nicht reuen

ich wil dir nû von wunder sagen.“ Ich will dir jetzt Wunderbares erzählen“

„jâ sît irz, vrou Âventiure? „Ach, seid Ihr’s Frau Aventiure?

wie vert der gehiure? Wie geht es dem Helden

ich meine den werden Parzivâl Ich meine den trefflichen Parzival,

den Cundrîe nach dem grâl den Cundrie nach dem Gral

mit unsüezen worten jagte, mit harschen Worten schickte,

dâ manec vrouwe clagte als manche Dame klagte,

daz niht wendec wart sîn reise. dass sich seine Fahrt nicht abwenden ließ.

von Artûse dem Berteneise Von Artus dem Bretonen

huop er sich sich dô: wie vert er nû? trennte er sich. Wie geht’s ihm jetzt?

den selben mæren grîfet zuo Erzählt diese Geschichte.

Bedeutung von Abenteuer im Frühneuhochdeutschen

Wörterbuch1. „zum Beweis ritterlicher Tüchtigkeit oft zugleich zur Heilung von Rechtsbrüchen unternommeneritterliche Bewährungsprobe, risikoreiches Unternehmen“.

2. „Die bei der ritterlichen Bewährungsprobe errungene Trophäe, Siegesbeweis, Preis für ritterlicheTüchtigkeit, Metonymie zu 1“.

3. „militärische Auseinandersetzung, Kampf, Krieg“.

4.„Beute aus militärischer Auseinandersetzung“.

5. „merkwürdige, unheimliche, wunderbare oder wunderliche, staunenswerte, gefahrvolle Begebenheitoder Tat; oft allgemeiner: Ereignis, Begebenheit schlechthin; offen zu 6“

6. „Erzählung, Geschichte, Bericht von einer merkwürdigen Begebenheit oder Tat; phantastischeErzählung; geschlossene Erzähleinheit innerhalb einer solchen Geschichte; Quelle, Vorlage derErzählung“.

7. „Lügengeschichte, Ammenmärchen; offen zu 6“

8. „Unrechtmäßigkeit jeder Art, Ungebührlichkeit, Unsittlichkeit, Betrug, Gaunerei, übles Treiben,Machenschaften“.

9. „Posse, Gaukelspiel, Narretei, Zaubertrick, Kunststück, Mätzchen“.

10. „Mittel zur Posse; Metonymie zu 9“

11. „Risiko, Wagnis, meist geschäftlicher Art“.

12. „Geschäft, Handelsabschluss“.

13. „Minderwertige, verdächtige Handelsware“

14. „Zufall, Glück“

15. „Bergschatz“

16. „Preis-, Wettschießen“

17. „der beim Preisschießen zu gewinnende Preis“.

Abenteuer heute

(Duden-Wörterbuch)

1. „mit einem außergewöhnlichen, erregenden

Geschehen verbundene gefahrvolle Situation, die

man mit Wagemut zu bestehen hat.

2. „außergewöhnliches, erregendes Erlebnis“.

3. „riskantes Unternehmen“

4. „Liebesabenteuer“

Französische Lehnwörter in Wolframs Parzival

agraz Apfelsaft

alûnen prügeln

barûn Adeliger

castâne Kastanie

collier Halsbekleidung

conterfeit gefälscht

feitieren ausrüsten, zubereiten

fîanze Eingeständnis der Niederlage

fintâle Kinnschutz

furrieren ein Kleidungsstück füttern

gabilôt kleiner Wurfspieß

glævîn Lanze

härsenier Kopfschutz unter dem Helm

kapân Eunuch

kumpân Gefährte

loschieren Herberge nehmen, nächtigen

markîs Adeliger

matraz Polsterbett (‘Matratze’)

parlieren sich unterhalten

passâsche Furt

poinder Anritt

schinnelier Knieschutz

schoie Freude

stival leichter Schuh

templeis Templer, Gralsritter

tropel Truppe, Kampfabteilung

væger Weinessig

zimierde Helmschmuck

Heilkundliches vor 12001 Si quis paralisin patiatur. id est wenn jemand an Paralyse leidet, d.h. wenn

2 uirgihtigot werde er an der Gicht leidet (‘vergichtet wird’)

3 in dextera parte. minuatur ei sanguis rechtsseitig, soll er zur Ader gelassen werden

4 in postremitate id est in demo ballen an der Spitze, d.h. an dem Ballen

5 minimi digiti. sinistre manus des kleinen Fingers der linken Hand

6 et in sumitate idest indemo ballen und an der Spitze, d.h. am dem Ballen

7 minimi digiti idest dero cehon des kleinsten “Fingers”, d.h. der Zehe des

8 dextri pedis. Si autem ei contingat rechten Fußes. Wenn ihn aber trifft

9 ipsa paralisis in sinistra parte dieselbe Lähmung an der linken Seite

10 minuatur ei sanguis in postremitate soll er zur Ader gelassen werden an der Spitze

11 minimi digiti dextere manus. des kleinen Fingers der rechten Hand

12 et in postremitate minimi digiti. sinistri und an der Spitze der kleinen Zehe des linken

13 pedis Deinde tollatur auena trita Fußes. Dann nehme man Hafer, gedroschen

14 et non trita idest gedroschen unde und nicht gedroschen, d.h. gedroschen und

15 ungedroschen, atehc. farn. ameison ungedroschen, Zwergholunder, Farn, Ameisen,

16 wernoten. heterneselon. et paretur ei balneum Wermut, Eiternessel und bereite ihm ein Bad,

17 in quo lauetur per triduum in dem man ihn an drei Tagen wasche

18 Deinde tollatur uinum et mel. ingibern Dann nehme man Wein und Honig, Ingwer

19 der wizon widon lovb. kirsebomin lovb Laub der weißen Weide, Kirschbaumlaub

20 phirsihcbovimin lovb. salbeia. ritta. Pfirsichbaumlaub, Salbei, Raute

21 storchessnabel. per atrum. et ex his Storchenschnabel, Schwarzbeere Und daraus

Über Naturalwirtschaft im Jahr 1200In gisilhartisriet datur. [...] Mæigi ich ainis wisi. so helf erz rechin. vnd tailen ez. [...] In der uaiztun eu. danturXXX. casei Stokkingen [keine Zahlangabe] casei. Ergich ainis andirn mannis akir. vnd segin so nim ich dimpfluogi. aini garbi. dimi samin die andirun. dim akiri. dir drittun. Tungin ouch. al daz selbi. Dim roggin. vnd dimwaizzin. vnd dimi kernin. vnd gerstun. vnd bonon. muozimi alsi diki tungin. somisi sêt. Den habirn. sê timi wol nahin ungitvngit. er ist abir ie bosir vnd bosir. vnd ærwizzi. Rossimist vn- gaizimist sint allirbesti. De¸hsimist ist bezzirdenni mosiheuwis. [...] Zweni scheffili des imi spicheri. ist ain maltir. vn- ain metzi. Driv maltir. ain burcscheffil. Ainburcscheffil. ist driv malter vn- ain metzi. roggin oldir kernin. iezov. idest. anno M.CC.

Zweni scheffili des imi spicheri. sint ain maltir. Dir herri sibot dir custir sprach. swenner minnir heti denni sehs wagi unslidis zainimi iari. des werimi zilutzil. vn- coufti die umbi santi martinis missi ainwedir umbi ahtodinhalbin schillinc. oldir æhtiv. oldir nvni oldir cehin schillingi. vn- ain phunt wahsis. daz ist zwo marc. vmbiæhtiv. oldir nvni. oldir cehin pfenningi ouspurgeri. Erniwissi nihaini giwishait umbi daz wahs wie uil er des birdorfti.

‘In Giselhartisried wird angeordnet: Mähe ich von jemandem die Wiese, dann helfe er es rechen undzerteilen In der „Feisten Au“ werden dreißig Käse gegeben. Stockingen [?] Käse. Pflüge ich einesanderen Mannes Acker und baue ihn an, so nehme ich für den Pflug eine Garbe, für das Saatgut diezweite, für den Acker die dritte. Dünge ich ihn auch, [nehme ich] genau dasselbe. Den Roggen undden Weizen und das Korn und die Gerste und die Bohnen muss [ich] ihm ebenso oft düngen, wennman sie sät. Den Hafer sät man nach ihnen ungedüngt. Er ist aber immer schlechter und schlechter.Und Erbsen. Rossmist und Ziegenmist sind am allerbesten. Dächsmist [= verfaulte Baumnadeln] istbesser als von Moosheu [eig. ‘moosheuener’] Zwei Scheffel davon im Speicher sind ein Malter undeine Metze, drei Malter ein Burgscheffel. Ein Burgscheffel ist drei Malter und eine Metze Roggen oderKern. [das gilt] jetzt, das heißt im Jahr 1200.

Zwei Scheffel davon im Speicher sind ein Malter. Der Herr Sibot, der Küster sagte, wenn er weniger hätte als sechs Waag [eine Gewichtseinheit] Unschlitts [Talg] zusammen pro Jahr, das wäre ihm zu wenig und [er] würde sie am Sankt Martinstag entweder um siebeneinhalb Schilling oder acht oder neun oder zehn Schilling kaufen. Und [erg. er würde kaufen] ein Pfund Wachs, das ist zwei Mark für acht oder neun oder zehn Augsburger Pfennige. Er hätte keine Gewissheit über das Wachs, wie viel er davon brauche.’

Weinbauterminologie: Acker und Schatz im 14. Jh. im Südwesten

Alltagsterminologie: Bezeichnungen des Dorfpfarrers im

14. Jh. im Süden

„Schwache“ Suffixe (ohne Zukunft)

î-Abstrakta (> mhd. –e)Ahd. hôhî ‘Höhe’ zu hôh, tiufî ‘Tiefe’ zu tiuf ‘tief ’, reinî ‘Reinheit’, zu rein, wîhî ‘Heiligkeit’ zu wîh ‘heilig’, setî ‘Sattheit’ (mit Umlaut) zu sat, skônî ‘Schönheit’ zu skôni ‘schön’ usw. zu mhd. höhe, tiufe, reine, wîhe, sete, schœne.

ida-Abstrakta (> mhd. (e)de)Ahd. gisetzida ‘Gesetz’, gihôrida ‘Gehör’, hônida ‘Verhöhnung’, giskihida ‘Geschehen’, gilubida ‘Gelübde’, bitruobida ‘Betrübnis’, irbarmida ‘Erbarmen’ > mhd. gesetz(e)de, gehœr(e)de, gelüb(e)de, betrüeb(e)de, erberm(e)de.

t(i)-Abstrakta (> mhd. t(e))Ahd. zuht(i) (zu ziohan), giskiht(i) (zu giskehan), bijiht(i) (zu bijehan ‘bekennen’), fluht(i) (zu fliohan). Einige Bildungen haben wohl schon im Germanischen einen Gleitlaut vor dem Suffix eingeschoben: kumft(i) (zu queman), vernumft(i) (zu vernemen).

Nomina agentis auf –o (> mhd. -e)Ahd. gebo ‘Geber’ zu geban, sprehho ‘Sprecher’ zu sprehhan, skolo ‘Schuldner’ zu skulan ‘sollen’

„Starke“ Suffixe (mit Zukunft)Mhd. –heit (< ahd. –heit)manheit, wîbheit, knehtheit, skalkheit, diubheit, tiorheit, gotheit, tiufalheit (vgl. engl. childhood, manhoodusw.) schœne → schœnheit, kleine → kleinheit usw. Auch von Partizipien: bescheidenheit ‘Weisheit’,trunkenheit, volkomenheit, unwizzenheit usw. Sehr häufig von Adjektiven auf mhd. -ec (< ahd. agbzw. -îg), z.B. trûrecheit, heilecheit, êwecheit, gîtecheit ‘Geiz’. Aus -ec+heit wird selbständiges -igkeit:lîhtecheit, frumecheit, müedecheit ‘Leichtigkeit, Frömmigkeit, Müdigkeit’, obwohl es niemals Adjektivewie *leichtig, *frömmig und *müdig gegeben hat.

Mhd. –schaft (< ahd. –skaf(t))friuntschaft, bruoderskaft, riterschaft, genôzschaft, künneschaft ‘Verwandtschaft’, wirtschaft ‘Bewirtung, Gastmahl’.

Mhd. ung(e) (< ahd. –unga)lengunge ‘Verlängerung’, würgunge, söugunge ‘das Säugen’, manslâhunge ‘Mord’ heimsuochunge ‘Besuch’, smaehunge ‘Schmähung’.

Mhd. –sal (< ahd. -sal)trüebesal, labesal, müejesal ‘Zwang’, âhtesal ‘Ächtung, Verfolgung’, zwancsal ‘Zwang, Unterdrückung’, kumbersal ‘Kummer, Sorge’. Grundlage für nhd. –selig-Adjekitve, die nichts mit selig zu tun haben, z.B. mühselig, trübselig, leutselig, redselig. Hierher auch Habseligkeiten.

Mhd. –tuom (< ahd. tuom)heidentuom, keisertuom, meistertuom, schalktuom ‘Knechtschaft’ magettuom ‘Jungfräulichkeit’. -heilegtuom, irretuom, siechtuom, rîchtuom.

Mhd. –in(ne): Motion.

fiundin(ne), kunigin(ne), keiserin(ne), lewin(ne).

‘’

Mhd. –îe > nhd. –ei (ein neues Lehnsuffix)

• Zunächst zu Lehnwörtern: profezîe (< propheta),

negromantîe (< nigromantia), abtîe (< abbatia)

• Dann Ableitungen aus deutschen Wörtern: büeberîe

‘Büberei’, zegerîe ‘Zaghaftigkeit’, dörperîe ‘Trotteligkeit’,

ketzereīe ‘Ketzerei’, vrezzerīe ‘Fresserei’, vischerîe ‘Fischerei’

Ablautende Adjektive aus starken Verben

• Nhd. nütze (< mhd. nütze < ahd. nutzi, zu ahd. niozan, mhd. niezen),

• Nhd. bequem (mhd. bequæme < ahd. biquāmi, zu ahd. biqueman, mhd. bequemen ‘entgegenkommen’)

• Mhd. gevüere ‘passend’ (< ahd. gifuori, zu faran ‘gehen, fahren’

• Mhd. gezæme (< ahd. gizâmi, zu zemen ‘ziemen’)

• ‘’

Alte und neue Adverbialbildung

Althochdeutsch Mittelhochdeutsch

Adj. Adv. 1 Adv. 2 Adj. Adv. 1 Adv. 2

tiuri tiur-o tiur-lîhho tiure tiur-e tiur-lîche

arm arm-o arm-lîhho arm arm-e arm-lîche

ubil ubil-o ubil-lîhho übel übel-e übel-lîche

bald bald-o bald-lîhho balt bald-e bald-lîche

Nomina agentis auf -ære

geltære ‘Zahler’

volgære ‘Gefolgsmann’

videlære

zwîvelære ‘Kleingläubiger, Zweifler’

merkære ‘Aufpasser’

lügenære ‘Lügner’ usw.

„Höfische“ Femininavriundinne ‘Freundin’

vîendinne ‘Feindin’

aller werdeceit ein vüegerinne ‘aller guten Werte eine Schöpferin’ (Walther)

valandinne ‘Teufelin’.

tiuvelinne ‘Teuflin’

gesellinne ‘Gesellin’

minnærinne ‘Geliebte, Liebende’

mörderinne ‘Mörderin’

rouberinne (minne und ein minneclîchez wîp sint sinne rouberinne)

der sinne stoerærinne

viurærinne ‘Feurerin, Anfeurerin’

hilf trœsterinne, sælic wîp (Gottfried von Neifen)

„Höfische“ Diminutivaherzeliebez vrouwelîn

ez ist vil kûme ein kleinez troestelîn

und ein kleinez vogellîn, daz mac wol getriuwe sîn.

vrouwelîn

rôte wengelîn

vingerlîn und ringelîn ‘Fingerringlein’

küsselîn

mündelîn

öugelîn

brüstelîn

bettelîn

blüemelîn

rôselin bzw. rœselîn.

Auch Abstrakta

zörnelîn ‘kleiner Zorn’

daz ist mir ein kleinez denkelîn ‘das ist für mich ein kleiner Dank’.

„Negative Wortbildungen“ in Texten

von Mystikern

ent-nemen, ent-setzen, ent-sinken, ent-sunkenheit, ent-

sweben, ent-vormen, ent-werden

niht-bilde, niht-geist, niht-heit, daz niht-sîn, niht-erkennen,

niht-mügen

un-annæmelîchkeit, un-begriffenlîch, un-geschaffenheit, un-

gewordenheit, un-sprechenlîch

ver-bilden, ver-smelzen, ver-vliezen, ver-werden

bilde-lôs, ende-lôs, grunde-lôs, vorme-lôs, worte-lôs

Abstraktbildungen in Texten der

Mystiker

selbes-heit ‘Selbstheit’ im Sinne von ‘bei sich sein’, ich-heit‘Ichheit’, dînes-heit ‘Deinheit’, niht-heit ‘Nichtheit’, geschaffen-heit, geworden-heit, einvaltec-heit, heimelic-heit, jâmer-keit, inne-keit

beweg-unge, bezeichen-unge, begrîf-unge, schouw-unge, betraht-unge,înfliez-unge

Lat. Muster (z.B. veterlichkeit < paternitas, minnesamkeit <amabilitas, durchfliezunge < effluentia, inblasungen, ingeistunge <inspiratio).

halz ‘lahm’ bei Graff und im Mhd. Wörterbuch von Benecke / Müller / Zarncke

halz ‘lahm’ in Lexer, Mittelhochdeutsches

Handwörterbuch

Latein und Deutsch: Typographische Unterscheidung in einer deutschen

Sprachlehre von 1574 (Albert Ölinger: Vnderricht der Hoch Teutschen Spraach)

Der Tod als Rhetoriker: Ackermann aus Böhmen, Kap. 28

Loben one ende, schenden one zil [Antithese], was sie vurfassen, pflegen etelich leute. Bei loben vnd beischenden sol fuge vnd masse [Zwillingsformel] sein; ob man ir eines bedurfe, das man sein stat habe.Du lobest sunder masse eeliches leben; iedoch wellen wir dir sagen von eelichem leben, vngeruret aller reinenfrawen [Konzession]. Als balde ein man ein weib nimpt, als balde ist er selbander in vnserer gefengnuß.Zuhant hat er einen hantslag, einen anhang, einen hantsliten, ein joch, ein kumat, ein burde, einen swerenlast, einen fegeteufel, ein tegeliche rosfeilen [Mehrgliedrigkeit], der er mit nichte nicht enberen mag, diewei-le wir mit im nicht tun vnser genade. Ein beweibeter man hat doner, schawer, fuchse, slangen [Meta-phernreihe] alle tage in seinem hause. Ein weib stellet alle tage darnach, das sie man werde. Zeuchet erauf, so zeuchet sie nider; wil er so, so wil sie sust; wil er dahin, so wil sie dorthin [Antithesen]. Solchesspiles wirt er sat vnd sigelos [alliteriernede Zwillingsformel] alle tage. Triegen, listen, smeichen,spinnen, liebkosen, widerburren, lachen, weinen [Mehrgliedrigkeit] kan sie wol in einem augenblicke;angeboren ist es sie. Siech zu arbeit, gesunt zu wollust, darzu zam vnd wilde [Antithesen] ist sie, wannsie des bedarf. Vmb werwort finden bedarf sie keines ratmannes. Geboten ding nicht tun, verboten dingtun fleisset sie sich alzeit. Das ist ir zu susse, das ist ir zu sawr, des ist ir zu vil des ist ir zu wenig; nu istes zu fru, nu ist es zu spate [Reihung von Antithesen], also wirt es alles gestrafet. Wirt dann icht vonir gelobet, das muß mit schanden in einem drechselstule gedret werden [Metapher]; dannoch wirt dasloben dicke mit gespotte gemischet. Ein man, der in der e lebet, kan kein mittel aufhaben: Ist er zu gutig,ist er zu scharpf, an in beiden wirt er mit schaden gestrafet. Er sei nur halb gutig oder halb scharpf,dannoch ist da kein mittel, schedlich oder streflich wirt es ie. Alle tage newe anmutung [Abstraktum]oder keifen, alle wochen fremde aufsatzung [Abstraktum] oder murmeln, alle monat newen vnlustigenvnflat oder grawen, alle jar newes kleiden oder tegeliches strafen muß ein beweibeter man haben, er gewinnees, wo er welle. Der nacht gebrechen sei aller vergessen; von alters wegen schemen wir vns. Schonten wirnicht der biderben frawen [fingiertes Argument], von den vnbiderben kunden wir vil mer singen vndsagen [alliterierende Zwillingsformel]. Wisse, was du lobest; du kennest nicht golt bei bleie![Phraseologisch]

Die Antwort des „Ackermanns“Frawen schender mussen geschendet werden [Figura etymologica], sprechen der warheitmeister [Berufung auf Autoritäten]. Wie geschicht euch dann, herre Tot? Ewer vnuer-nunftiges frawen schenden [substantivierte Infinitvkonstruktion], wie wol es mit frawenvrlaub ist, ist werlich euch schentlich vnd den frawen schemlich [erweiterte Doppelformel].In maniges weisen meisters geschrifte findet man, das one weibes steure niemant mag mit seldengesteuret werden, wann weibes vnd kinder habe ist nicht das minste teil [Litotes] der irdischenselden. Mit solcher warheit hat sein trostbuch ein Romer Boecius [Autorität] hin geleget. Philo-sophia, die weise meisterin, vnd ieder abentewerlicher (‘erfahrener’) vnd sinniger man ist mirdes zeuge: kein mannes zucht kan wesen, sie sei dann gemeistert mit frawen zuchte. Es sage,wer es welle: ein zuchtiges, schones, keusches vnd an eren vnuerrucktes [Mehrgliedrigkeit]weib ist vor aller irdischer eugelweide. So manlichen man [Figura etymologica] gesach ich nie;der rechte mutig wurde, er wurde dann mit frawen troste gesteuret. Wo der guten samenung ist,da sihet man es alle tage; auf allen planen, auf allen hofen, in allen turnieren, in allenherfarten [Mehrgliedrigkeit] tun die frawen ie das beste. Wer in frawen dienste ist, der mußsich aller missetat anen. Rechte zucht vnd ere [Zwillingsformel] leren die werden frawen inirer schule. Irdischer freuden sint gewaltig die frawen; sie schaffen, das in zu eren geschieht allehubscheit vnd kurzweil auf erden. Einer reinen frawen fingerdrowen strafet vnd zuchtiget vuralle waffen einen frumen man. One liebkosen mit kurzer rede: aller werlte aufhaltung, festungvnd merung [Syn-onymenreihe, Abstrakta] sint die werden frawen. Iedoch bei golde blei, beiweize raden, bei allerlei munze beislege vnd bei weibe vnweib [Phraseologie, Konzession]mussen wesen; dannoch die guten sullen der bosen nicht engelten. Das glaubet, haubetman vonkriege! [ironische Titulierung des Gegners]

Synonyme in einem Passus aus Niklas von Wyle, Translatzen

Do erdcht sy zů letst ainen sölichen wege, Vnd schraib dem Jüngling vnd vnderrichtet den in ge-schrift was sy von jm beschechen wölt vnd verschlos die geschrift in ainen liederlichen vnd achtbarenstecken von rore, vnd gab dasselb rore schimpflich dem Jungling sprechende. daz er das geben sölt sinerdienst magt zů ainem stecken das füre zeschüren. als bald aber gwiscardus das rore genam gedcht erwol jm das nit ne sach gegeben sin vnd tett haimant das rore vf vnd fand die geschrift. vnd do er diegelas, gantz vnderrichtet waz die frw wolt von jm beschechen. ward er mit vngebürlicher fröide durchgossen vnd hůb schnell an flysz zetůn, da mit er zur Ir in massen sy jnn vnderricht hatt komenmöcht. Nu was by des fürsten huse ain alte dol oder hüle [Abzugsgraben oder Höhle] vnd darob ain loch, das durch den berge gehovwen der hüle licht gab. Vnd wann aber zů langer zyt sich nie-mant derselben dolen vnd hülin hatt gebruchet. was die voll dornen vnd gestüdes gewachsen. Vsser derselben hülin was ain haimlicher zůgang zů der schlafkamer darinne die fröw zů den selben zyten irwonung hatt. wie wol die türe mit grossen starcken tiln vermachet vnd verrigelt was. Vnd dwyle aberdise hüle gantz in vnübung stůnd. do hatt niemant mer des zůgans gedechtnüsz Aber liebe dero ougennützit ist verborgen, fůrt den selben zugang widerumb in das gemüt der liebhabenden frovwenn. die damit Irern aigen wysen rte. vmb daz sie niemet diser dingen mitwissend machte. durch sich selbs diekunst fand, wie wol das langsam vnd mit grossem flysz zugieng, wie man die türe vfbringen möcht.vnd gieng dar nach selbs allain in die hülin vnd besach das loch den tag jnfürend, da durchgwiscardus zů ir komen solt. vnd nam alda die mensure vnd höche. damit er durch gemachte instru-ment hinab komen möcht. darumb als gwiscardus des alles durch der frovwen brief vnderrichtet was.machet er zů diser dingen volbringung schnell ain saile mit knöpfen vnd halftern damit er vf vnd abkomen möcht. Vnd in leder angetn vnd beklaidet daz er dester sicherer vor den törnen wer, gieng erder andern nacht gantz allain vnd sust mengklichem vnwissend zů dem loch vnd band das sail anainem ort oben an ainen bovme der da in dem ingang des lochs gewachsen waz. vnd lies sich daran hinabe vnd belaib alda begirlich der frovwen wartende.

Aus der Synonymik des Leonhard Schwartzenberg (1564)

Aus: Petrus Dasypodius, Dictionarium latinogermanicum 1536

Integration von Fremdwörtern in Doppelformeln

• rumor und geschray

• opinion und wan

• memoria und gedächtnis

• facultet, kraft und macht

• oration und rede

• interdict und verbot

• cubus oder würfel

• basis oder grund

„Humanistische“ Abstrakta

Aus lat. Abstrakta auf –atio:

Oratz (< oratio), Multiplicatz (< multipicatio), Disputatz (< disputatio),

Deklinatz (< declinatio), Appellatz (< appellation), Purgatz (< purgatio),

tranlatz (< translatio)

Aus lat. Abstrakta auf –entia, -antia:

Absenz (< absentia), Audienz (< audientia), Eloquenz (< eloquentia),

Distanz (< distantia), Observanz (< observantia)

Aus lat. Abstrakta auf –itas:

Irregularität (< irregularitas), Curiosität (< curiositas), Subtilität (<

subtilitas), Qualität (< qualitas), Immunität (< immunitas), Opportuniät

(< opportunitas); auch: Grobität (von dt. grob, aber natürlich kein lat.

grobitas!)

„Humanistische“ Personenbenennungen

Personenbezeichnungen auf -istden verwirten irtumen der Realisten, Nominalisten, Thomisten, Albertisten, Occamisten, Scotisten, Modernisten (Sebastian Franck, Übersetzung von „Lob der Torheit“ des Erasmus von Rotterdam).

Außerdem:

Papist, Romanist (Schimpfnamen der Reformatoren für die romhörigen Katholiken), aber auch Martinist, Lutherist.

Generell zur Verächtlichmachung: Theologist, Prophetist, Haeretist, Sophist.Davon abgeleitet

Adjektive auf –ist-isch: romanistisch, sophistisch, juristisch

Abstrakta auf –ist-erei (oft -erey): Juristerey, Sophisterey, Papisterey

Personenbezeichnungen auf -ent/-ant (aus lat. Partizipien)

Vagant (< vagans ‘streuend, umherziehend’ ), Disputant, Obervant, Prädikant, Adjuvant (< adiuvans ‘helfend’ ), Astant ‘Hilfslehrer’ (< a(d)stare ‘beistehen’), Skribent, Assistent (< assistens ‘mithelfend’).

Abwertende Personenbezeichnungen mit Erz-Erzesel, Erzsünder, Erzbescheißer, Erzhure, Erzheuchler, Erzketzer, Erzpharisäer,Erzteufel, Erzlotterbube, Erzunflat ...

„Humanistische“ Verbalbildungen

Verben auf –ieren:

annektieren ‘verbinden, verknüpfen’, approbieren, artikulieren ‘deutliche

aussprechen’, demonstrieren ‘vorführen’, experimentieren, imponieren,

komprimieren, korrumpieren, operieren (zunächst ‘handeln, wirken, in

medizinischer Verwendung seit ca. 1600), lamentieren, partizipieren,

philosophieren, ratifizieren ‘bestätigen’

Variante –is-ieren (meistens zu mittellateinischen Verben mit dem

Wortausgang –izare):

basieren theologisieren, temporisieren ‘abwarten’, syllogisieren ‘logisch

ableiten’, intronisieren, tyrannisieren.

Von deutschen Wortstämmen:

buchstabieren, erlustieren, hausieren (zunächst ‘wüst hausen’, erst später

wie nhd. hausieren), narrieren, stuhlieren ‘thronen’, stumpfieren

‘herabsetzen’, verprachtieren ‘durch Prachtentfaltung vergeuden’

„Humanistische“ Adjektivbildungen

viel- + Partizip Präsens oder Präteritum:

vielleidend, vielmögend, vielredend, vielschwärmend, vielgeliebt, vielversucht.

Possessive Adjektive des Typs viel-ig:

vielfeltig, vielförmig, vielkündig, vielrätig, vielsprächig, vielstimmig, vielwörtig,

vielgütig, vielköpfig.

Begriffe einer „profanen“ Ethik

liberal ‘freigebig’, boshaft, Duckelmuser ‘Duckmäuser’, Ehrenmann,

Ehrerbietung, Fehltritt, geringschätzig und Geringschätzung, Grobian,

heucheln und Heuchler, Hochachtung, leichtsinnig, Lümmel, Menschenfeind

(basiert auf grich.-lat. misanthropus – der Menschenfreund ist erst ca.

100 Jahre später belegt), Neidhammel, pfuschen und Pfuscher, Rüpel

(vom Vornamen Ruprecht/Rupert), Sauertopf (zunächst abschätzig für

Stoiker), schreckhaft, schwindeln und Schwindel in der Bedeutung

‘betrügen’ und ‘Betrug’ (nicht mehr nur ‘taumeln’ bzw. Taumel),

selbständig und Selbständigkeit, smorotzen ‘schmarotzen’, Spottvogel,

standhaft(ig) und Standhaftigkeit, Störenfried, verleumden und Verleumder,

Wohlwollen (nach lat. benevolentia).

Gesellschaftliche und politische Begriffe

Bandit, Pandit (aus ital. bandito ‘Räuber’), bürgerlich mit dem Gegensatzunbürgerlich, Familie, Fucker ‘profitgieriger Mensch’ und Fuckerei ‘ex-tremes Gewinnstreben’ (nach dem Namen der Augsburger Han-delsfamilie Fugger), Schnapphahn ‘Raubritter, Räuber’, Wohlfahrt (Neu-bildung nach dem Muster von älterem Hoffahrt), wohlhabend undwohlhäbig.

Aristokratie (zunächst noch in der Form lat. aristocratia), Demokratie(zunächst noch in der Form lat. democratia) Insignien, Monarch undMonarchie, Obrigkeit, Offizier ‘Staatsbeamter’ (die militärische Bedeu-tung ist jünger), Pension und pensionieren, Potentat, rebellieren und Re-bellion, Regiment ‘Herrschaft’, Repressalien, Residenz, Rezess ‘Vertrag’

Begriffe aus Literatur und Wissenschaft

Au(c)tor, Bibliothek (neben Liberei), Codex, Dichtung, Dichter (aus lat.

dictare), edieren, emendieren ‘verbessern’ (eine korrupte Textlesart),

Fragment, Gassenhauer (ursprünglich Bezeichnung für Nachtschwär-

mer, die spät auf der Gasse unterwegs sind, dann Übertragung auf

das, was ein Gassenhauer von sich gibt), Gesprächsbüchlein ‘Dialog’

(Prägung von Ulrich von Hutten), gestalten, GestaltungInhalt, Inter-

pretation, Katalog, kollationieren ‘mit philologischen Methoden ver-

gleichen’ und Kollation, Konjektur ‘philologische Textbesserung’, kor-

rupt ‘fehlerhaft überliefert’, Literatur, Paraphrase, Pasquill ‘Schmäh-

schrift’, Poet, Poeterei, publizieren, Sonett (Petrarca!)

Begriffe aus Musik und Kunst

Beispiele für Musiktermini: Fuge, Instrument als Sammel-

bezeichnung, Kontrapunkt, Lautenist (aber schon mhd. lûte

‘Laute’), modulieren, Modulation ‘Tonartwechsel’, Motette,

Musicus, Musikant, Pedal, Sopran, Alt, Tenor, Bass, stimmen

und Stimmung.

Beispiele für Kunsttermini: Architektur, Basis ‘Podest, Pos-

tament’, Gesichtspunkt, Mittelpunkt, Monument, Perspektive,

Proportion.

Kamin und Streichholz in den deutschen Dialekten (dtv-Atlas

Deutsche Sprache)

Anfang des Bibelglossars von Adam Petri (Basel 1522)

Luther-WortbildungenKomposita: Taubenkremer, Bethaus, Mördergruben, Schriftgelehrte,

die Hohenpriester, Feuereifer, Sündenbock, Machtwort, kleingläubig,

geistreich, gottgefällig, gnadenreich, Glaubenskampf, Sündenangst.

Abfällige Bezeichnungen, z.B. Winkelprediger, Päpstling, Papist,

Bilderstürmer, Schwarmgeist, Wortgezänk.

Wortspiele: Buchstablisit, Eselist, Papstesel, Johannes Eck = Dr.

Eck = Dreck, Thomas Murner = Murnarr, Lemnius als

Arschhummel.

Legenden = Lügenden, päpstliche Dekrete = Drecketen, heiliger

Vater = hellischer Vater.

Scherzhafte lateinisch-deutsche Hybridbildungen:

eigensinnigissimus, verbis verdrieslicissimis.

Fremdwörter bei Luther

Evangelium (älter: gotspell)

Apostel (älter: Zwölfbote)

Prophet (älter: Weissage)

Testament (älter: neue oder alte ê).

Paarformeln, z.B. gelobt und gebenedeit

Lexikalische Alternativen, z.B. Gigant oder Riesen.

Slawische Lehnwörter bei LutherGrenze (statt älterem Mark)

Peitsche (statt älterem Geißel)

Kretschmer (heute noch als Name, zu tschech. krčma ‘Wirt’),

Kürschner (zu einem altslav. Wort *kurzno ‘Pelz’, vgl. russ. kórzno ‘Mantel mit Pelzkragen’)

Graupe (zu sorb. krupa ‘Getreidegraupe’, auch ‘Hagelkorn’)

Petschaft (zu slowen. pečat ‘Siegel’ mit volksetymologischer Angleichung an Schaft)

Staupe ‘öffentliche Bestrafung mit Ruten’ (zu polabisch staup ‘Pfosten’; weil der Delinquent dabei an einen Pfosten gebunden wurde)

dolmetschen (zu ungar. tolmács, aus dem Türkischen und ursprünglich aus einer nicht näher bekannten kleinasiatischen Sprache)

Schöps ‘kastrierter Hammel’ (zu tschech. skopec)

Stieglitz (zu tschech. stehlec)

Neue Wortbedeutungen bei Luther

traditionell bei Luther

Arbeit Mühsal, das was

zwangsläufig geleistet

werden muss

von Gott zugewiesene, Sinn stiftende Aufgabe: die trewlich

arbeiten ynn yhrem stand, den wil ers schlaffend geben. Die arbeit

aber kan nicht einerley sein: Ein igliches mensch hat sein bescheiden

(angemessene, von Gott zugeteilte) arbeit

fromm tüchtig im weitesten

Sinne

gottesfürchtig: nit widerumb, wie seyne werck stehn, darnach sey er

frum odder glaubig, die werck, gleych wie sie nit glaubig machen., so

machen sie auch nit frum. – bey allen fromen, Christlichen,

vernünfftigen, Gottfürchtigen hertzen

Glaube Akzeptieren von

Lehrsätzen

Lebenslanges Vertrauen auf Gott, der im Menschen wirkt:

Glawb isr eyn lebendige erwegene zuversicht auf Gottis gnade

Gnade Zustand der Seele Unmittelbare Wirkung Gottes: Es ist gar ewyn groß, starck,

mechtig unnd thettig ding umb gottis gnade. Soe ligt nit, wie die

trawmprediger fabuliern, ynn der seelen und schlefft odder lessit sich

tragen, wie ein gemalt brett seyne farbe tregt ... sie tragt, sie furet, si

treybett, sie tzeucht, sie wandellt, wie wirckt allis ym menschen

Sünde Verstoß gegen

kirchliche Ge- und

Verbote

Leben außerhalb des Glaubens: Und ist also kurtz und dürre

in dis wort Sünde beschlossen, was man lebt und thut on un ausser

den Glauben an Christum

Zeitliche und prozentuale Verteilung der Erstbelege von

Fremdwörtern im Deutschen Fremdwörterbuch

Lateinisch-deutsche Sprachmischung in

Luthers Tischreden

• Spiritus sanctus sezt mortem ein ad poenam ‘der

Heilige Geist setzt den Tod ein als Strafe’.

• Ergo mus fides in hac carne infirma sein ‘deshalb

muss der Glaube in diesem Fleische schwach

sein’.

• In articulo remissionis peccatorum ligt die cognitio

Christi ‘im Glaubenssatz von der Vergebung der

Sünden liegt die Erkenntnis Christi’.

Lateinisch beeinflusste Lebens- und

damit Wortschatzbereiche• Rechtswesen: Advokat, Akte, Amnestie, appellieren, Argument, Arrest, Faktum, Familie,

Formel, Injurien, Justiz, Kaution, konfiszieren, legal, protestieren, Prozess, Termin, Testament.

• Politik, Verwaltung: Audienz, Deputation, Insignien, Konspiration, Legation, Potentat,Rebell, Regent, Regiment, Repressalien, Residenz, Tumult.

• Bildungswesen: absolvieren, Auditorium, Aula, Collegium, Dekan, Disziplin, Examen,Fakultät, Ferien, immatrikulieren, Kommilitone, Pensum, Professor, promovieren, religieren,definieren, deklamieren, diktieren, disputieren, dozieren, Exempel, exemplifizieren, memorieren,präparieren, traktieren.

• Literatur: fabulieren, Fragment, Kapitel, komisch, Literatur, Mäzen.

• Publizistik und Buchwesen: Autor, Edition, Exemplar, Faksimile, Format, Kolumne,Korrektur, Makulatur, publizieren, Spatium.

• Mathematik: addieren, Differenz, dividieren, multiplizieren, plus, Proportion, Quotient,Summe.

• Medizin und Naturwissenschaften: Abstinenz,, Arterie, Chirurg, Diät, Elixier, empi-risch, Essenz, Infektion, Nerv, Pore, Tinktur. Beispiel Paracelus: Und ob gleichwol diesemina in matrice ligen und nit in genitore, so sehet an das ei von der hennen; das ist vonder hennen und nicht vom han, sol es aber genriren sein pullum, so muß durch den hanengeschehen.

• Handel, Verkehr: Datum, Kopie, Nota, Register, quittieren.

Französische Lehnwörter der Frühen Neuzeit• Speisekultur: bouillon, carafe, cotelette, fricassee, compote, confiture, creme, delicatesse,

garnieren, gelee, liqueur, ragout, service.

• Kleidungskultur: coiffure, corset, cravatte, frisure, garderobe, manchette, parfum,toilette.

• Architektur, Gartenanlage: ameublement, buffet, chaise, commode, lustre, meublieren,necessaire, toilette, balcon, balustrade, facade, mansarde, niche, palais (Neuentlehung,schon mhd. palas > nhd. Palast), souterrain, terrasse, arcade, bassin, ermitage,espalier, orangerie, parc, reservoir,

• Gesellschaftsleben und Künste: amusement, bai, carrousel, domestique, etiquette,illumination, intrigue, suite, tour, belles lettres, cabinet, email, graveur, medaillon,passage, entree, ouverture, pas, allemande, bourree, gavotte, menuet, quadrille.

• Menschliche Wesenszüge (Adjektive!): brillant, capricieux, charmant, coquette,esprit, genie, genereux, honorable, malicieux, naif, plausible, raffiniert.

• Verwandtschaft: cousin(e), neveu, oncle, tante.

• Handel und Transport: adresse, banquier, billet, chicane, comptoir, directeur,engagieren, en gros, etablissement, fabrique, fond(s), octroi, saison, carosse, chaise,equipage, fiacre, voiture u.a.

• Politik und Verwaltung: balance, avancieren, depeche, entree, etat, finesse, garantie,ministre, sondieren, tour, usurpateur usw.

Italienische Lehnwörter der Frühen Neuzeit

• Wirtschaft: Bank, Bankrott, Bilanz, brutto, netto,

Kredit, Diskont, Giro, Kargo, Kasse, Konto, Lombard,

Magazin, Million, null, Provision, Prozent, Risiko,

saldo, Skonto, Valuta

• Verkehr und Transport: Golf, Kompass, Passagier,

Pirat, Post und Strapaze.

• Militär: Alarm, Bastei, Marketender, Proviant,

Zitadelle

Slawische Entlehnungen der Frühen Neuzeit

„Rechtsslawismen“

• Grenze, Podworowe ‘Hofsteuer’, Powoz ‘Fuhrdienst’, Supan ‘hoher Beamter’ (heute Familienname Schippan), Temnitze ‘Gefängnis’, Kopitze ‘Granzmarkierung’, Kretscham ‘Wirtshaus’ (heute Familienname Kretschmer u.ä.)

Infolge der Hussitenkriege

• Possetke ‘Militärlager der Hussiten’, Lebke ‘Helm’, Tesak ‘Hiebwaffe’, Huffnitze ‘Steinbüchse’ (später zu Haubitze), Pischel ‘Pistole’

Alltagswörter

• Babe ein einfacher Kuchen, Bulke ‘Semmel, Brötchen’, Graupe (ein Gestenprodukt), Mauke ‘Brei’, Plinse ‘Pfannkuchen’, Quark, Powidel ‘Pflaumenmus’ (das Wort steckt auch im Slibowitz), Jauche, Peitsche.

Wortbildungen mit slawischen Morphemen

• Lumpak ‘Lumpensammler’, Rotzak ‘Kind mit Rotznase’, Stinkaz ‘jemand der stinkt’, Nackatz ‘Nackedei’.

• Galusch ‘Pfifferling’ (gal zu mhd. gel ‘gelb’), Harusch ‘Häher’ (in Har steckt bereits das Wort Häher).

Jiddisch / Rotwelsch in der dt. Umgangssprache (1)

veräppeln jidd. ewil ‘Narr’

Bammel jidd. baal emo ‘Herr der Angst’

wo der Bartel den Most holt Bartel ‘Eisenstange’ zu jidd. barsel ‘Eisen’, Most ‘Geld’ wie

Moos und Mäuse zu jidd. moo ‘Geld’

Beisel jidd. bajis ‘Haus’

Bettel (im Kartenspiel) jidd. batolo ‘unnütz, vergeblich’

betucht jidd. betuach ‘sicher, zuverlässig’

blau machen jidd. belo ‘ohne’

pleite jidd. pleto ‘Flucht’

Bock zig. ‘Hunger’

Eisen (Hufeisen = Glücksbringer!) jidd. es ‘Wohlstand’

Essig sein jidd. hesek ‘Verlust’

Ganove jidd. gannaw ‘Dieb’

haarig

zeigen, was eine Harke ist

jidd. harog ‘Mörder’

fürn Appel und n Ei jidd. hewel ‘unnütz’

Jiddisch / Rotwelsch in der dt. Umgangssprache (2)

Hefen österr. ‘Gefängnis’ aus Hefenmann ‘Polizist’, das zu jidd. hawono

‘Wissen, Kenntnis’

(Grüne) Minna jidd. innes ‘Schmerz, Folter’

Kaff zig. gaw

kappore ‘tot’ jidd. kappora ‘Sühne’ (am Jom Kippur wurde das

Kapporehindl geschlachtet)

Kassiber jidd. kessaw ‘Brief ’

Klitsche zig. kliyin ‘Vorhängeschloss’ durch Missverständnis

zu ‘heruntergekommenes Rittergut’ umgedeutet

Knast jidd. knas ‘Strafe’

Kohle ‘Geld’ jidd. kall ‘leicht’

Leine ziehen eig. ‘auf den Strich gehen’ roman. linea ‘Linie, Strich’

Macker jidd. makor ‘Bekannter’

malochen jidd. melocho ‘Arbeit’

Massel jidd. masol ‘(glücklicher) Stern’

Jiddisch / Rotwelsch in der dt. Umgangssprache (3)

mauscheln urspr. ‘jiddisch reden’ jidd. Mauschel ‘armer Jude’ (zum Namen Mosche =

Moses)

meschugge jidd. meschuggo ‘verrückt’

mies jidd. mis ‘schlecht’

Mischpoke jidd. mischpocho ‘Familie’

frech wie Oskar jidd. ossok ‘frech’

auf die Palme bringen jidd. baal allim ‘Wüterich’

Pech ‘Unglück’ jidd. pechus ‘Mangel’

Penne ‘Herberge’, dazu auch pennen jidd. binjan ‘Gebäude, Haus’

Polente jidd. paltin ‘Burg’

Pustekuchen jidd. poschut ‘wenig’

Ramsch jidd. romo ‘er hat betrogen’

Reibach jidd. rewach ‘Zins’

guten Rutsch jidd. rosch ‘Kopf, Anfang’

Jiddisch / Rotwelsch in der dt. Umgangssprache (4)

Sargnagel jidd. sarchenen ‘stinken’

Schickse ‘(nichtjüdisches) Mädchen’ jidd. schekez ‘Greuel’

Schlamassel dt. schlimm + jidd. masol ‘Stern’ (s.o.)

Schmäh dial. ‘Erdichtetes, Tratsch’ jidd. schema ‘Geschichte’

Schmiere stehen jidd. schmiro ‘Wache’

schofel jidd. schofol ‘schlecht’

Stuss jidd. schtus ‘Dummheit’

türmen rabbinisch tharam ‘entfernen’

du hast einen Vogel jidd. du heißt n weokal ‘zu bist ein Narr’

Zaster zig. saster ‘Eisen, Metall’

zappenduster jidd. zophon ‘Mitternacht’

einige Städtenamen:

Mokum Beiß

Mokum Dollet

Mokum Lamed

Mokum Pej

Mokum Reisch

Berlin oder Bamberg

Dresden

Leipzig

Frankfurt

Regensburg

Um welche Dame geht es???Ich gneiß nicht, was tarrt es bedeften

daß ich so bittselig schäft

ein Meischen aus toflischem Tempo

das rauchelt mir lau aus dem Heft

Die Bläse ist bibbrisch, 's wird rusplig,

der Große floßt kiemig und reck,

der Mauschel der Steinfalle förfert

im Killeklärchenbleck

Der zuckernste Wonnenberg hauert

he oben nebbich traut,

ihre fuchsenen Schlanglinge blanken,

sie strillicht ihr fuchsenes Kraut

Sie filzt es mit fuchsenem Rechen

und winselt ein Schierlach dabei,

das hegt eine gar fixfaxge,

murrige Höhnerei

Den Grätlingskaffer im Plemphans

den krallt es mit wütendem Zwick,

er linzt auf die Plotzer den Mondschein,

er raunt auf die Steinfalle krick

Ich macker, der Gansplempel wickelt

am Eck noch Knudel und Kahn

und das hegt mit ihrem Schauern

die ??? betan

Ersatz „undurchsichtiger“ Simplizia durch

„durchsichtige“ Wortbildungen

mhd. wülpe : fnhd. Wölfin

mhd. mein : fnhd. Verbrechen (vgl. noch Meineid)

mhd. sælde : fnhd. Seligkeit

mhd. finstere : fnhd. Finsternis (auch Dunkelheit)

mhd. kone : fnhd. Hausfrau ‘Ehefrau’

mhd. ferge : fnhd. Fährmann

usw.

Wortbildungsstatistik für das Frühneuhochdeutsche

Präfixnomina und Nomina aus

Präfixverben

Bildung mit ab-: abschaum, abscheid, abrede, abscheu ...

Bildung mit aber- in der Bedeutung ‘falsch’:

abergunst, aberhandel, abernutzung, abersaat ...

Bildung mit auf-: auflaurer, aufläufer, aufluger

‘Beobachter’ ...

Bildung mit aus-: auskunft, auslauf, ausschlag ...

Bildung mit be-: befragung, befreiung, befleckung,

befreundung ...

Präfixnomina, frühnhd. und nhd.

Präfixverben, frühnhd. und nhd.

Das Frühneuhochdeutsche Wörterbuch

Das Deutsche Fremdwörterbuch

1 Das Lemma = Stichwort

3 Grammatische Angaben

4 Wortgeschichtliche Angaben: Entlehnungszeitpunkt

und Verbreitung (hier also eine frühneuhochdeut-

sche Entlehnung), ursprüngliche (etymologische)

Bedeutung, Entlehnungsgrundlage.

6/7 Verwendungsbedeutungen, hier a und b.

10 Das Wort in der Wortbildung

11 Beleg(e) zu Verwendungsbedeutung a und b

Das Deutsche Rechtswörterbuch