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| Der Internist 12·99 1308 M. J. Bahr • M. P. Manns • Medizinische Hochschule Hannover Leberzirrhose Diffuser Organbefall mit makroskopischen und histologischen Leberveränderungen. c Portoportale und portozentrale Brückenbildung c Intrahepatische porto-systemische Shunts c Regeneratknoten Die Leberzirrhose ist eine der komplexesten Erkrankungen im Bereich der inneren Medizin. Ein weites Spektrum unterschiedlicher chronischer Lebererkrankungen kann zur Leberzirrhose führen. Während einige Patienten symptomlos bleiben, ver- sterben andere an den vielfältigen Komplikationen. Diese können fast jedes Organ- system des Körpers betreffen. Dementsprechend gründliche Diagnostik ist nötig, um dem einzelnen Patienten die angemessene Therapie zukommen zu lassen. Im vorlie- genden Beitrag werden die wichtigsten klinischen Probleme bei Leberzirrhose sowie die pathophysiologischen Grundlagen der Erkrankung dargestellt. Definition, Pathologie und Pathophysiologie Die Leberzirrhose ist das Endstadium chronischer Lebererkrankungen. Sie ist defi- niert durch einen diffusen Organbefall mit charakteristischen makroskopischen und histologischen Leberveränderungen: Es kommt zu einer Zunahme der extrazellulären Matrix auf das bis zu Zehnfache.Auch die Zusammensetzung und Lokalisation der einzelnen Matrixbestandteile verändern sich. Zwischen benachbarten Portalfeldern sowie zwischen Portalfeldern und Zentralvenen entstehen bindegewebige Zonen (c portoportale und portozentrale Brückenbildung). Innerhalb dieser Bindege- websbrücken finden sich Kurzschlußgefäße,die Blut vorbei am Leberparenchym aus der splanchnischen in die systemische Zirkulation ableiten (c intrahepatische porto-systemische Shunts). Diese Veränderungen führen zu einer irreversiblen Störung in der Architektur der hepatischen Lobuli. Ein weiteres charakteristisches Merkmal der Leberzirrhose ist eine gesteigerte hepatozelluläre Regeneration. Sie führt zu nodulären Veränderungen (c Regeneratknoten), deren Größe vom Milli- meterbereich bis zu mehreren Zentimetern reichen kann.Makroskopisch lassen sich dementsprechend kleinknotige (<3 mm) von grobknotigen (>3 mm) und gemischt- knotigen Zirrhosen unterscheiden. Die Abgrenzung einzelner Regeneratknoten von einem hepatozellulären Karzinom kann schwierig sein. In zirrhotischen Lebern fin- den sich häufig Nekrosen, die allerdings nicht obligat vorhanden sein müssen. So sind sie bei Hämochromatose eher selten.Der mit den Nekrosen verbundene Paren- chymverlust ist eine Komponente, welche die Leberleistung bei Zirrhose mindert. Der Internist 1999 • 40:1308-1322© Springer-Verlag 1999 Redaktion H.P. Schuster,Hildesheim (Schriftleitung) H. Lydtin, Starnberg K. Wilms,Würzburg U. K. Lindner, Heidelberg Die Beiträge der Rubrik „Weiterbildung“ sollen dem Stand des zur Facharztprüfung für den Internisten notwendigen Wissens entsprechen und zugleich dem Facharzt als Repetitorium dienen. Die Rubrik beschränkt sich auf gesicherte Aussagen zum Thema. Prof. Dr. M. P. Manns • Abteilung Gastroenterologie und Hepatologie,Zentrum Innere Medizin und Dermatologie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Straße 1, D-30623 Hannover

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| Der Internist 12·991308

M. J. Bahr • M. P. Manns • Medizinische Hochschule Hannover

Leberzirrhose

Diffuser Organbefall mit makroskopischen

und histologischen Leberveränderungen.

c Portoportale und portozentraleBrückenbildung

c Intrahepatische porto-systemischeShunts

c Regeneratknoten

Die Leberzirrhose ist eine der komplexesten Erkrankungen im Bereich der innerenMedizin. Ein weites Spektrum unterschiedlicher chronischer Lebererkrankungenkann zur Leberzirrhose führen. Während einige Patienten symptomlos bleiben, ver-sterben andere an den vielfältigen Komplikationen. Diese können fast jedes Organ-system des Körpers betreffen. Dementsprechend gründliche Diagnostik ist nötig, umdem einzelnen Patienten die angemessene Therapie zukommen zu lassen. Im vorlie-genden Beitrag werden die wichtigsten klinischen Probleme bei Leberzirrhose sowiedie pathophysiologischen Grundlagen der Erkrankung dargestellt.

Definition, Pathologie und Pathophysiologie

Die Leberzirrhose ist das Endstadium chronischer Lebererkrankungen. Sie ist defi-niert durch einen diffusen Organbefall mit charakteristischen makroskopischen undhistologischen Leberveränderungen: Es kommt zu einer Zunahme der extrazellulärenMatrix auf das bis zu Zehnfache. Auch die Zusammensetzung und Lokalisation dereinzelnen Matrixbestandteile verändern sich. Zwischen benachbarten Portalfeldernsowie zwischen Portalfeldern und Zentralvenen entstehen bindegewebige Zonen (c portoportale und portozentrale Brückenbildung). Innerhalb dieser Bindege-websbrücken finden sich Kurzschlußgefäße, die Blut vorbei am Leberparenchym ausder splanchnischen in die systemische Zirkulation ableiten (c intrahepatische

porto-systemische Shunts). Diese Veränderungen führen zu einer irreversiblenStörung in der Architektur der hepatischen Lobuli. Ein weiteres charakteristischesMerkmal der Leberzirrhose ist eine gesteigerte hepatozelluläre Regeneration. Sieführt zu nodulären Veränderungen (c Regeneratknoten), deren Größe vom Milli-meterbereich bis zu mehreren Zentimetern reichen kann. Makroskopisch lassen sichdementsprechend kleinknotige (<3 mm) von grobknotigen (>3 mm) und gemischt-knotigen Zirrhosen unterscheiden. Die Abgrenzung einzelner Regeneratknoten voneinem hepatozellulären Karzinom kann schwierig sein. In zirrhotischen Lebern fin-den sich häufig Nekrosen, die allerdings nicht obligat vorhanden sein müssen. Sosind sie bei Hämochromatose eher selten. Der mit den Nekrosen verbundene Paren-chymverlust ist eine Komponente, welche die Leberleistung bei Zirrhose mindert.

Der Internist1999 • 40:1308-1322© Springer-Verlag 1999

RedaktionH.P. Schuster, Hildesheim (Schriftleitung)

H. Lydtin, Starnberg

K. Wilms,Würzburg

U. K. Lindner, Heidelberg

Die Beiträge der Rubrik „Weiterbildung“ sollen

dem Stand des zur Facharztprüfung für den

Internisten notwendigen Wissens

entsprechen und zugleich dem Facharzt als

Repetitorium dienen. Die Rubrik beschränkt sich

auf gesicherte Aussagen zum Thema.

Prof. Dr. M. P. Manns • Abteilung Gastroenterologie und Hepatologie, Zentrum Innere Medizin und

Dermatologie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Straße 1, D-30623 Hannover

Funktionell besonders bedeutsam sind die zirrhotischen Veränderungen auf derEbene der hepatischen Sinusoide. In der gesunden Leber liegen die Hepatozyten ineinlagigen Zellplatten, die in direktem Kontakt zu mindestens einem Sinusoid stehen.Das Endothel ist fenestriert, und der Perisinusoidalraum enthält nur wenig extra-zelluläre Matrix. Dies ermöglicht einen unbehinderten direkten Zugang von Makro-molekülen aus dem Blut zu den Hepatozyten. Die sinusoidale Oberfläche der Hepato-zyten wird durch einen dichten Besatz mit Mikrovilli vervielfacht.

Demgegenüber liegen die Hepatozyten in der zirrhotischen Leber mehrlagigübereinander und verlieren ihre Mikrovilli. Im perisinusoidalen Raum entsteht einedichte extrazelluläre Matrix, die sich unterhalb des sinusoidalen Endothels zu einerPseudobasalmembran verdichtet. Die sinusoidale Fenestrierung geht dabei verloren.Dieser als c Kapillarisierung der hepatischen Sinusoide bezeichnete Vorgang führtzu einer verlängerten Diffusionsstrecke zwischen Blut und Hepatozyten. Vor allemdie Clearance makromolekülgebundener Substanzen (z.B. plasmaproteingebundeneMedikamente) wird gestört. Diese Veränderungen sind wesentlich am Funktions-verlust der zirrhotischen Leber beteiligt. Die Kapillarisierung der Sinusoide erhöhtaußerdem den Flußwiderstand in der Leber und trägt so zur Entwicklung der por-talen Hypertension bei.

Eine Ursache für die oben beschriebenen Phänomene ist die c Aktivierung der

hepatischen Sternzellen. Dieser im Perisinusoidalraum lokalisierte Zelltyp dient dergesunden Leber vorwiegend als Retinoidspeicher. Im Rahmen chronischer Leberer-krankungen kommt es zu einer Proliferation und Transdifferenzierung der hepati-schen Sternzellen in Myofibroblasten. Diese Myofibroblasten sind kontraktil und tra-gen so zur Erhöhung des sinusoidalen Flußwiderstandes bei. Sie sind der Hauptpro-duzent der hepatischen Extrazellularmatrix bei Leberzirrhose und initiieren so diebeschriebenen Veränderungen der Sinusoide. Im Bereich der Portalfelder tragen por-tale Fibroblasten zur Produktion der Extrazellularmatrix bei.

Epidemiologie

Exakte Daten zu Inzidenz und Prävalenz der Leberzirrhose sind nicht verfügbar.Schätzungen gehen für die Bundesrepublik Deutschland von 250 Neuerkrankungenpro 100000 Einwohner und Jahr aus. Die Zahl der gemeldeten Todesfälle an chroni-schen Lebererkrankungen für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland betrugim Jahr 1997 knapp 19000 (2,2% aller Todesfälle). Die Zahl der leberbedingten To-desfälle hatte bis Mitte der 70er Jahre zugenommen, seitdem zeigt sich ein leichterRückgang. Die tatsächliche Prävalenz der Leberzirrhose liegt deutlich höher als diesin den Todesstatistiken zum Ausdruck kommt. So fanden sich in Autopsiestudienzirrhotische Leberveränderungen in 4 bis 10% der Verstorbenen. Regional zeigensich Unterschiede in der Prävalenz chronischer Lebererkrankungen, wobei eine Kor-relation zu den konsumierten Alkoholmengen auffällt.

Ätiologie

Das Spektrum der Ursachen für eine Leberzirrhose ist in Tabelle 1 dargestellt, wobeidie Liste vor allem im Bereich der toxischen und hereditären Ursachen nur exem-plarisch sein kann. In Deutschland sind der c chronische Alkoholabusus und diechronischen viralen Hepatitiden quantitativ führend (ca. 40-60% bzw. 25-30%).Welt-weit sind die c chronische Hepatitis B und die c chronische Hepatitis C mit jeweilsungefähr 300 Millionen bzw. 100 Millionen Virusträgern ein großes Problem. Au-toimmune, biliäre und hereditär-metabolische Lebererkrankungen stellen wichtigeund auch therapeutisch bedeutsame Differentialdiagnosen dar. Vor allem die Häu-figkeit des Gendefekts der Hämochromatose wird oft unterschätzt (heterozygot 1/20,homozygot 1/400). Trotz intensiver Diagnostik läßt sich in bis zu 10% der Fälle kei-ne Ursache für eine Leberzirrhose finden (c kryptogene Zirrhose).

In der zirrhotischen Leber liegen die

Hepatozyten mehrlagig übereinander

und verlieren ihre Mikrovilli.

c Kapillarisierung der hepatischen Sinusoide

c Aktivierung der hepatischen Sternzellen

c Chronischer Alkoholabusus

c Chronische Hepatitis Bc Chronische Hepatitis C

c Kryptogene Zirrhose

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Elimination der Noxen kann eine

Progression zur Leberzirrhose verhindern.

Nicht jede chronische Lebererkrankung endet in einer Leberzirrhose. Obwohleine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung besteht, läßt sich auch bei langjährigem aus-geprägtem Alkoholabusus nur bei etwa 50% der Betroffenen eine Leberzirrhose nach-weisen (Abb. 1). Beträgt der Alkoholkonsum unter 60 g/d bei Männern und unter 20-40 g/d bei Frauen, entsteht keine Leberzirrhose. Zwischen 16 und 24% der Patientenmit einer chronischen Hepatitis C entwickeln im Spontanverlauf nach durchschnitt-lich 8 bis 14 Jahren eine Leberzirrhose. Obwohl bei manchen Ätiologien bisher nurinitiale Daten vorliegen, ist davon auszugehen, daß eine Elimination der Noxen eineProgression zur Leberzirrhose verhindern kann. Eine bereits vorliegende Zirrhosekann auch ohne weitere äußere Stimulation voranschreiten, obwohl sich insbeson-dere bei der alkoholtoxischen Lebererkrankung durch Beseitigung der Ursache ofteine deutliche klinische Stabilisierung erreichen läßt.

Bei gleichzeitigem Vorliegen verschiedener leberschädigender Faktoren kann eszu einer gegenseitigen Verstärkung und zu einer Beschleunigung der Progressionzur Leberzirrhose kommen (z.B. bei Alkoholabusus und Hämochromatose). Dahersollte bei chronischen Lebererkrankungen auch nach Identifikation einer Ursachenach weiteren Faktoren gesucht werden. Bei negativer Hepatitisserologie sind Imp-fungen für Hepatitis A und Hepatitis B indiziert.

Tabelle 1

Ursachen der Leberzirrhose

toxisch AlkoholMedikamente (z.B. Methotrexat, INH)Chemikalien (z.B. CCl4, Arsen)

viral Hepatitis BHepatitis CHepatitis B + D

autoimmun Autoimmunhepatitisprimär biliäre ZirrhoseOverlap-Syndrome

biliär sekundär biliäre Zirrhose bei Gallensteinen, Infekten,Strikturen

primär sklerosierende CholangitisGallenwegsatresieAlagille-SyndromMukoviszidose

metabolisch-hereditär HämochromatoseM.Wilsonα1-AntitrypsinmangelPorphyria cutanea tardaGlykogenose Typ IVGalaktosämieTyrosinämie

kardio-vaskulär chronische RechtsherzinsuffizienzPericarditis constrictivaBudd-Chiari-SyndromVeno-occlusive-diseaseM. Osler

sonstige Jejunoilealer Bypasskonnatale SyphilisToxoplasmoseSchistosomiasis

kryptogen

c Latente Leberzirrhosec Dekompensationszeichen

c Leberhautzeichen

c Hepatopulmonales Syndrom

Klinische Befunde und Laborveränderungen

Das klinische Spektrum der Leberzirrhose reicht von kompletter Symptomlosigkeitund normalen Laborwerten bis hin zur Überwachungspflichtigkeit auf Intensivsta-tion mit Multiorganversagen.Zwischen 20 und 30% der Patienten sind subjektiv sym-ptomlos (c latente Leberzirrhose). Die Beschwerden in der Frühphase der Erkran-kung sind häufig unspezifisch (Tabelle 2). In späteren Stadien treten typische c De-

kompensationszeichen und Komplikationen wie Ikterus, hepatische Enzephalopa-thie, Aszites, Ösophagusvarizenblutungen, Ödeme oder eine hämorrhagische Dia-these auf. Zusätzlich finden sich ätiologiespezifische klinische Zeichen wie ein dun-kles Hautkolorit bei Hämochromatose oder neurologische Symptome bei M.Wilson.

Bei der Inspektion fallen die c Leberhautzeichen auf (Tabelle 3). Die meistendieser Zeichen geben keinen sicheren Aufschluß über Aktivität, Stadium oder Ätio-logie der Erkrankung. Das Palmarerythem und Spider naevi sind Ausdruck der beiZirrhose vermehrten Neigung zur arteriovenösen Shuntbildung. Sie kommen aberauch in anderen Situationen wie der Schwangerschaft vor. Bei intrapulmonalen ar-teriovenösen Shunts (c hepatopulmonales Syndrom) kann es zu Trommelschlegel-

Tabelle 2

Subjektive Beschwerden und Untersuchungsbefunde bei Leberzirrhose

Symptom Häufigkeit

Abgeschlagenheit, Leistungsknick 60-80%Dyspepsie, Meteorismus 50-70%Splenomegalie 50-75%Müdigkeit, Schlafstörungen, Reizbarkeit 50%Libidoverlust 25-70%Anorexie, Gewichtsverlust 30-40%Blutungsneigung 10-20%Ikterus, Juckreiz, Aszites, Ödeme Spätzeichen

Tabelle 3

Ausgewählte Leberhautzeichen

• Lackzunge, Lacklippen• Mundwinkelrhagaden• Spider naevi• Geldscheinhaut• Palmarerythem• Dupuytrensche Kontraktur• Weißnägel• Bauchglatze• Caput medusae• Purpura (Rumpel-Leede)• Kratzartefakte

Abb. 1 m Alkoholkonsum und Prävalenz der LeberzirrhoseModifiziert nach: Lelbach WK. Cirrhosis in the alcoholic and its relations to the volume

of alcohol abuse. Ann N Y Acad Sci 1975; 252: 85-105

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c Splenomegalie

c Hypergammaglobulinanämie

c Hyperspleniesyndromc Thrombopenie

Im Routinelabor fällt eine Einschränkung

der hepatischen Leistung erst im fort-

geschrittenen Zirrhosestadium auf:

• Albumin

• Cholinesterase

• Quickwert

• Cholesterin

c Child-Pugh-Score

c Sonographie

fingern und Uhrglasnägeln kommen. Das Caput medusae als Ausdruck einer fort-geschrittenen portalen Hypertension ist selten. Häufiger sind erweiterte Bauch-deckenvenen ohne die typische Venensternzeichnung. Geldscheinhaut und Mund-winkelrhagaden können Ausdruck des bei Zirrhose vorkommenden Zinkmangelssein. Gynäkomastie, Bauchglatze und Hodenatrophie beim Mann sind Zeichen einesgestörten Sexualhormonhaushaltes (Androgenmangel, Östrogenüberschuß). Zy-klusstörungen der Frau sind demgegenüber seltener.

In der klinischen Untersuchung und mehr noch in der Sonographie fällt häufigeine c Splenomegalie auf, die oft als Folge der portalen Hypertension gedeutet wird.Die Korrelation zum Portaldruck ist aber gering und histologisch zeigt sich eine reti-kulo-endotheliale Hyperplasie mit Faservermehrung, so daß die Splenomegalie eherAusdruck eines unspezifisch aktivierten Immunsystems ist. Ein ähnliches Phänomenist die bei 80% der Patienten vorhandene c Hypergammaglobulinämie. In der Se-rumproteinelektrophorese findet sich eine breitbasig erhöhte Gammazacke, typi-scherweise mit Werten zwischen 20 und 35% des Gesamtproteins. Diese muß differen-tialdiagnostisch gegenüber der Hypergammaglobulinämie bei Autoimmunhepatitisabgegrenzt werden, diese kann auch ohne Leberzirrhose Werte über 50% erreichen.Die Splenomegalie führt zur vermehrten Sequestration korpuskulärer Blutbestandtei-le in der Milz (c Hyperspleniesyndrom).Die daraus resultierende c Thrombopenie isthäufig das einzige Zeichen einer Leberzirrhose im Routinelabor. Thrombozytenwerteunter 30000/µl sind die Ausnahme. Der Bereich, in dem spontan petechiale Blutungenauftreten, wird nicht erreicht.Auch die Konzentrationen von Leukozyten und Erythro-zyten können erniedrigt sein (Panzytopenie), meist sind die Veränderungen jedochnicht so ausgeprägt wie die Thrombopenie. Bei einem disproportional niedrigen Hä-moglobinwert muß eine Blutungsanämie ausgeschlossen werden.

Die funktionelle Reservekapazität der Leber ist hoch. Im Routinelabor fällt des-halb eine Einschränkung der hepatischen Synthese- oder Entgiftungsleistung erst infortgeschrittenen Zirrhosestadien auf. Albumin, Cholinesterase, der Quickwert undCholesterin sind Parameter der hepatischen Syntheseleistung. Die Aussagekraft desAlbumins und der Cholinesterase ist bei Infektionen eingeschränkt, da es sich umnegative Akutphaseproteine handelt. Ebenso kommt es bei Malnutrition zu niedri-gen Albumin- und Cholinesterasewerten. Seltenere Differentialdiagnosen des Albu-minmangels sind ein renaler oder enteraler Verlust. Der Quickwert und auch einzel-ne Faktoren des Gerinnungssystems spiegeln die hepatische Synthesekapazität zu-verlässiger wieder. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß kein Vitamin-K-Mangelbesteht (ggf. vorherige Vitamin-K-Substitution). Zur Einschätzung der hepatischenEntgiftungskapazität können das Bilirubin und der Ammoniakwert herangezogenwerden. Spezifischere Leberfunktionstests haben sich in der klinischen Praxis nichtdurchgesetzt (z.B. Indocyaningrün-Test, MEGX-Test, Koffein-Clearance). Die Höhedes Bilirubins korreliert mit der Überlebenszeit bei Zirrhose. Hierbei muß beachtetwerden, daß bei biliären Zirrhosen höhere Bilirubinwerte zu erwarten sind als beiZirrhosen anderer Genese.

Die Höhe der Transaminasen (GOT, GPT) ist abhängig von der zugrunde lie-genden Ätiologie. Sie können auch in fortgeschrittenen Zirrhosestadien im Norm-bereich liegen. Häufig findet sich eine leichte Induktion von g-GT und AP, die mit ei-ner fokalen Cholestase durch Regeneratknoten und die gestörte Architektur der he-patischen Lobuli zu erklären ist.

Zur besseren Einschätzung des Stadiums der Leberzirrhose anhand klinischerund Laborparameter wurden verschiedene Scores entwickelt. Der gebräuchlichsteist der c Child-Pugh-Score (Tabelle 4). Die Ein-Jahres-Überlebensraten liegen inChild-Klasse A bei 100%, in B bei 84% und C bei 36%.

Invasive und apparative Diagnostik

Jeder Patient, bei dem der Verdacht auf eine Leberzirrhose besteht, sollte eine c So-

nographie des Abdomens möglichst mit Farbdoppler erhalten. In der Sonographie

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c Feinnadelpunktion

c Budd-Chiari-Syndrom

c Leberpunktion

c Obere Intestinoskopie

c Absolute Alkoholkarenz

Auf eine adäquate Kalorien- und Protein-

aufnahme ist zu achten.

c Hepatische Enzephalopathie

lassen sich häufig typische Zirrhosezeichen nachweisen: unregelmäßiges grobes Pa-renchymmuster, höckrige Oberfläche der Leber, verzogene Lebervenen und allge-mein rarefizierte Gefäße (Abb. 2). Die Differenzierung zwischen Regeneratknotenund hepatozellulären Karzinomen ist wichtig, oft aber schwierig. Hier kann eine so-nographisch gesteuerte c Feinnadelpunktion zur Klärung beitragen. Eine erweiter-te (>13 mm), schwer komprimierbare Pfortader sowie Kollateralkreisläufe und eineSplenomegalie sind Zeichen der portalen Hypertension. Die Sonographie ist sehrsensitiv zum Nachweis geringer Aszitesmengen. Der Farbdoppler-Modus erleichtertdie Diagnose von Thrombosen der Lebervenen (c Budd-Chiari-Syndrom) und derPortalvene. Bei nachgewiesener Leberzirrhose sollte regelmäßig (alle 6-12 Monate)eine Sonographie durchgeführt werden.

Trotz der verbesserten Labor- und bildgebenden Diagnostik ist die c Leber-

punktion mit anschließender histologischer Aufarbeitung immer noch die einzigeMethode, um sicher präzirrhotische Stadien von einem kompletten Umbau des Or-gans unterscheiden zu können. Sie kann perkutan, transjugulär oder auch laparo-skopisch erfolgen. Neben der Ermittlung des Krankheitsstadiums lassen sich mit derPunktion häufig auch noch Hinweise auf die Ätiologie gewinnen.

Bei nachgewiesener Leberzirrhose sollte eine c obere Intestinoskopie zum Öso-phagusvarizen-Staging durchgeführt werden (Abb. 3). Eine endoskopisch retrogra-de Cholangiographie ist bei unklaren biliären Lebererkrankungen indiziert.

Der diagnostische Informationsgewinn durch zusätzliche bildgebende Verfahrenwie Computertomographie, Magnetresonanztomographie und Szintigraphie istmeist gering. Sie sollten daher nur bei speziellen Fragestellungen eingesetzt werden(z.B. Differenzierung von Raumforderungen).

Therapie

Eine spezifische Therapie der Leberzirrhose steht nicht zur Verfügung. Die Behand-lung zielt deshalb neben allgemeinen Maßnahmen auf die Elimination der zugrun-de liegenden Zirrhoseätiologie sowie die Verhinderung oder zumindest Eingrenzungvon Komplikationen (siehe dort).

Eine c absolute Alkoholkarenz ist anzustreben. Ebenso sollten hepatotoxischeMedikamente soweit möglich ab- oder umgesetzt werden. Da sich im Laufe einer Le-berzirrhose häufig eine Verschlechterung des Ernährungszustandes bis hin zur Ka-chexie ergibt, ist auf eine adäquate Kalorien- und Proteinaufnahme zu achten. Dietägliche Proteinzufuhr sollte idealerweise 1,3 g/kg Körpergewicht betragen.Bei schwe-rer c hepatischer Enzephalopathie kann eine Reduktion bis auf minimal 0,7 g/kg KGnötig werden (s.u.).Auch auf einen ausgeglichenen Mineral-,Spurenelement- und Vi-taminhaushalt sollte geachtet werden.Vor allem bei Alkoholismus findet sich häufigein Mangel an B-Vitaminen (Makrozytose im Blutbild,neurologische Symptomatik).

Tabelle 4

Child-Pugh-Score der Leberzirrhose

Parameter Score-Punkte1 2 3

Enzephalopathie keine Grad 1-2 Grad 3-4Aszites nicht leicht mittelgradigBilirubin [µmol/l] <35 35-51 >51

bei PBC, PSC <69 69-170 >170Albumin [g/l] >35 28-35 <28Quick [%] >70 40-70 <40

Einteilung nach Addition der Score-Punkte der einzelnen Kategorien:Child-Pugh-Stadium A 5-6 Punkte, B 7-9 Punkte, C 10-15 Punkte

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Störungen der Gallesekretion können einen Mangel an fettlöslichen Vitaminen (A, D,E und K) verursachen, der korrigiert werden sollte. Einem Muskelabbau sollte durchleichtes Bewegungstraining entgegengewirkt werden. Isometrisches Krafttraining istjedoch wegen der möglichen portalen Druckerhöhung zu vermeiden.

Die abnehmende Proteinsynthese der Leber kann zu einer ausgeprägten Störungder Blutgerinnung führen. Dabei sind sowohl prokoagulatorische als antikoagulato-rische Faktoren betroffen. Für eine regelmäßige Substitution mittels gefrorenemFrischplasma oder Gerinnungsfaktorpräparaten besteht keine Indikation. Eine Aus-nahme sind geplante Eingriffe mit Blutungsrisiko oder akute Blutungen.

Die ultima ratio in der Therapie der Leberzirrhose stellt die c Lebertransplan-

tation dar. Pro Jahr werden in Deutschland zwischen 600 und 800 Patienten leber-transplantiert. Die zunehmende Optimierung der chirurgischen Technik und derpostoperativen Versorgung, darunter führend die Immunsuppression, stellen heuteEin-Jahres-Überlebensraten zwischen 80 und 90% sicher. Die Indikationsstellungzur Lebertransplantation kann nur im Zusammenwirken mit einem Transplantati-onszentrum erfolgen.Anzustreben ist eine rechtzeitige Kontaktaufnahme, daß heißt,die Patienten haben bereits Komplikationen der Zirrhose erlitten, es sollte aber nochnicht zu einer therapierefraktären dekompensierten Situation mit deutlicher Ver-schlechterung des Allgemeinzustandes gekommen sein. Der Mangel an Spenderor-ganen setzt den wünschenswerten Zahlen an Lebertransplantationen leider immernoch enge Grenzen und führt zu teilweise erheblichen Wartezeiten. Deshalb sollteauch im Falle eines potentiellen Spenders Kontakt mit einem Transplantationszen-trum aufgenommen werden.

Komplikationen und ihre Therapie

Die Komplikationen der Leberzirrhose können nahezu jedes Organsystem betreffen (Ta-belle 5).Ihr Auftreten ist entscheidend für die Prognose der Erkrankung.Die wichtigstenKomplikationen sind die portale Hypertonie mit der Entstehung von Ösophagusvari-zen und Aszites, die hepatische Enzephalopathie, zirrhoseinduzierte Nierenfunktions-störungen, das hepatozelluläre Karzinom und ein hepatogener Diabetes mellitus.

Portale Hypertension und Ösophagusvarizen

Der erhöhte sinusoidale Flußwiderstand bei Zirrhose führt zu einem Rückstau por-talen Blutes in das Splanchnikusgebiet. Der arterielle Anteil der Leberdurchblutung

Die abnehmende Proteinsynthese der

Leber kann zu einer ausgeprägten Störung

der Blutgerinnung führen.

c Lebertransplantation

Abb. 2 m Sonographisches Bildeiner zirrhotischen Leber

Abb. 3 m Endoskopische Darstellung von Ösophagusvarizen

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Die Flußumkehr in der Portalvene ist durch

Farbdopplersonographie darstellbar.

c Backward-Flow-Theorie

c Forward-Flow-Theorie

c Ösophagusvarizenblutung

Extrahepatische Shunts belasten den

Organismus mit potentiell toxischen

Substanzen.

c Cruveilhier-von-Baumgarten-Syndrom

c Propranolol

steigt, und es kann zu einer rein arteriellen Perfusion der Leber mit Flußumkehr inder Portalvene kommen. Diese Flußumkehr ist durch Farbdopplersonographie dar-stellbar und mit einer verschlechterten Prognose verbunden. Der erhöhte hepatischeFlußwiderstand ist eine Komponente, die zum Anstieg des Portaldruckes bei Zirr-hose führt (c Backward-Flow-Theorie). Quantitativ ebenso bedeutsam für die por-tale Hypertension ist ein erhöhter Einstrom in das Splanchnikusgebiet über die Me-senterialgefäße (c Forward-Flow-Theorie). Die erhöhte Splanchnikusperfusion trägterheblich zur insgesamt hyperdynamen Kreislaufsituation (Herzzeitvolumen ↑ ,systemischer peripherer Widerstand ↓) bei Leberzirrhose bei.

Die Erhöhung des Portaldruckes kann indirekt durch den Wedge-Druck in denLebervenen gemessen werden. Der normale transhepatische Druckgradient beträgtbis zu 5 mmHg. Danach folgt ein klinisch stummer Bereich bis 12 mmHg, in demnoch keine c Ösophagusvarizenblutungen auftreten. Erst darüber treten die be-kannten Komplikationen der portalen Hypertension auf.

Mit zunehmendem Portaldruck bilden sich extrahepatische Kollateralkreisläufe,die Portalblut an der Leber vorbei in die systemische Zirkulation ableiten. Diese ex-trahepatischen Shunts belasten den Organismus mit potentiell toxischen Substanzen,indem der First-Pass-Metabolismus der Leber umgangen wird. Die klinisch wichtig-sten Kollateralen sind varikös erweiterte, submuköse Ösophagus- und Fundusvenen,die zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bei 30% der kompensierten und bei 60% derdekompensierten Patienten vorliegen. Um 8% der initial varizenfreien Patienten ent-wickeln pro Jahr Ösophagusvarizen. Daneben kann es zur Wiedereröffnung der Na-belvene (c Cruveilhier-von-Baumgarten-Syndrom, Abb. 4), zu spontanen splenore-nalen Shunts und auch zur Ableitung über den Plexus haemorrhoidales kommen.

Die Ösophagusvarizenblutung ist eine wichtige Todesursache bei Patienten mitLeberzirrhose (10-15% der Todesfälle). Ein Drittel der Varizen blutet innerhalb von 2Jahren nach Diagnosestellung. Risikofaktoren für das Auftreten einer Ösophagusva-rizenblutung sind eine bereits vorangegangene Varizenblutung, Varizen 3-4 Grades,Red-Color-Signs und Blue-Wale-Signs auf den Varizen und ein persistierender Al-koholabusus. Zwischen 30 und 50% der Patienten versterben an der ersten Varizen-blutung. Ohne Therapie erleiden zwei Drittel der Patienten eine Rezidivblutung in-nerhalb des ersten Jahres, am häufigsten innerhalb der ersten sechs Wochen nach derIndexblutung.

Eine prophylaktische Varizensklerosierung vor der ersten Blutung bringt keinenÜberlebensvorteil und ist daher außer im besonderen Einzelfall nicht indiziert. ZurSenkung des Portaldruckes ist die Gabe von β-Blockern als Primärprophylae ange-zeigt. Die meiste Erfahrung liegt mit c Propranolol vor (2 x 10-160 mg/d). Ziel isteine Senkung der Herzfrequenz um ca. 20-25% auf 55-60 pro Minute. Die Wirkung er-folgt über eine Verminderung des Einstroms in das Splanchnikusgebiet. Die β-Block-

Tabelle 5

Komplikationen der Leberzirrhose

Komplikation Häufigkeit

Portale Hypertension→ Ösophagusvarizen 30-60% bei Erstdiagnose→ Aszites, Ödeme im Verlauf bei 60-70%→ spontan bakterielle Peritonitis 15-20% im Verlauf bei Aszites→ hepatorenales Syndrom Spätstadium

Hepatische Enzephalopathie latent bei bis zu 70%Malnutrition, Kachexie 10-30%Hepatogener Diabetes mellitus 5-15%Hepatozelluläres Karzinom ca. 2-5% / Jahr (sehr variabel)Hepatopulmonales Syndrom selten klinisch relevant

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c Nitratec Molsidomin

c Spironolacton

Eine Verödung der Varizen kann durch

Sklerotherapie oder Gummibandligatur

erfolgen.

c Shunt

c Transjugulärer intrahepatischerportosystemischer Shunt (TIPS)

c Notfallendoskopie

c Octreotid

c Terlipressin

ade reduziert das Herzzeitvolumen. Als nichtselektiver β-Blocker führt Propranololaußerdem zu einem Überwiegen der a-Rezeptorenwirkung an den Gefäßen und sozu einer splanchnischen Vasokonstriktion. Neben Propranolol liegen auch Erfah-rungen mit anderen nichtselektiven β-Blockern vor (z.B. Nadolol 40-80 mg/d, Sota-lol, Timolol). Bei Kontraindikationen gegen β-Blocker können c Nitrate (z.B. 2 x 20-40 mg/d Isosorbit-5-Mononitrat) oder c Molsidomin (z.B. 2 x 8 mg/d) zur Senkungdes Portaldruckes eingesetzt werden, wobei ein mittlerer arterieller Blutdruck von70 mmHg angestrebt werden sollte. Die Kombination von β-Blockern und Nitratenist eventuell noch effizienter, die Datenlage ist aber noch nicht ausreichend für eineallgemeine Empfehlung. Auch c Spironolacton senkt den Portaldruck signifikant,dieser Effekt besteht unabhängig von der diuretischen Wirkung.

Nach der ersten Varizenblutung besteht eine Indikation zur Verödung bestehen-der Varizen. Dieses kann durch Sklerotherapie oder Gummibandligatur erfolgen, wo-bei die Ligatur bezüglich der Nebenwirkungen günstiger zu sein scheint. Im direktenVergleich mit der Sklerotherapie ist medikamentöse Rezidivprophylaxe durch b-Blockade nicht ganz so effektiv (39% versus 55% Rezidivblutungen). Da die Blu-tungsrezidive häufig früh, noch vor Abschluß einer Sklerotherapie auftreten, ist einemedikamentöse Blutungsprophylaxe unter der Sklerotherapie sinnvoll.

Im Fall rezidivierender Varizenblutungen kann die Anlage eines c Shunts er-wogen werden. Die Shuntanlage kann chirurgisch erfolgen (z.B. porto-cavaler H-Shunt, splenorenaler Shunt).Daneben wurde in den letzten Jahren die Möglichkeit desweniger invasiven c transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts

(TIPS) entwickelt und evaluiert. Die Vorteile des TIPS gegenüber dem chirurgischenShunt liegen in der geringeren Invasivität, der einfacheren späteren Lebertransplan-tation und der guten Steuerbarkeit des Ergebnisses, denn die Flußrate über den TIPSläßt sich z. B. bei Verschlechterung einer Enzephalopathie nachträglich durch An-passung des Durchmessers korrigieren. Problematisch ist die Neigung zur Stenosie-rung der Stents.

Bei Verdacht auf eine akute Varizenblutung sollte, sofern möglich, eine sofortigec Notfallendoskopie erfolgen (Blutungskontrolle 70-100%). Fast so effektiv wie eineNotfallsklerotherapie ist die medikamentöse Therapie mit dem Somatostatinanalo-gon c Octreotid (Blutungskontrolle 60-70%). Dazu wird eine Initialdosis von 50 µggegeben, danach Dauerinfusion von 25-50 µg/h.Alternativ zu Octreotid kann das Va-sopressinanalogon c Terlipressin gegeben werden (1-2 mg als Bolus alle 4-6 Stundeni.v., Blutungskontrolle 60-80%, Kontraindikationen beachten).Wegen der möglichenkardiovaskulären Nebeneffekte ist hier eine Kombination mit Nitraten empfehlens-

Abb. 4 b Sonographisches Bild einer wiedereröffneten Nabelvene (Cruveilhier-von-Baumgarten-Syndrom)

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c Ballontamponade

c Diagnostisches Aszitespunktat

c Volumenretention

Im fortgeschrittenen Stadium bilden sich

häufig periphere Ödeme.

Beschränkung der Natriumzufuhr auf 3 g/d

sinnvoll.

wert (Nitroglycerin-Dauerinfusion mit einem systolischen arteriellen Zielblutdruckvon 100 mmHg). Ist trotz dieser Maßnahmen keine Stillung der Blutung zu erzielen(5-10% der Patienten), sollte eine mechanische Kompression mittels c Ballontam-

ponade durchgeführt werden (Sengstaken-Blakemore-Sonde, Linton-Nachlas-Son-de, Blutungskontrolle 80-100%, letale Komplikationen 6-20%).

Aszites und zirrhoseinduzierte Nierenfunktionsstörungen

Aszites ist die Ansammlung von Flüssigkeit in der freien Bauchhöhle. In der Sono-graphie können schon Mengen ab 50 ml nachgewiesen werden (klinische Untersu-chung ab 1500 ml). Häufige Aszitesursachen neben der Leberzirrhose sind:

• bakterielle Infektionen,• Malignome,• Pankreatitis und • Albuminmangel nicht hepatischer Genese.

Jeder neu aufgetretene Aszites sollte deshalb diagnostisch punktiert werden. Ebensowird bei einer deutlichen Verschlimmerung eines bestehenden zirrhotischen Aszitesverfahren.

Von dem c diagnostischen Aszitespunktat sollte ein Blutbild möglichst mit Dif-ferentialblutbild erstellt werden. Granulozytenzahlen über 250/µl (Leukozytenzahlen>500 /µl) sprechen für eine infektiöse Genese des Aszites (spontan bakterielle Perito-nitis). Der pH-Wert des Aszites liegt dabei häufig unter 7, 3. Mit dem Punktat solltenanaerobe und aerobe Blutkulturflaschen beimpft werden. Die Verwendung von Blut-kulturflaschen anstelle steriler Röhrchen führt zu einer deutlich höheren Sensitivitätvon um 90%.Bei Verdacht auf Tuberkulose müssen spezielle Kulturen angelegt werden.Die Bestimmung des Gesamtproteins erlaubt die Differenzierung eines Transsudates(Protein <30 g/l) von einem Exsudat (Protein >30 g/l).Eine höhere Spezifität weist derSerum-Aszites-Albumingradient auf (Serumalbumin – Aszitesalbumin in g/l),der beiportaler Hypertension größer oder gleich 11 g/l ist (zu 97% korrekte Klassifikation).LDH (im Vergleich zum Serumwert), Cholesterin (>45 mg/dl) und eine zytologischeAufarbeitung können Hinweise auf ein Malignom ergeben. Hämorrhagischer Aszitesist bei Leberzirrhose zu ca. 25% durch ein hepatozelluläres Karzinom bedingt.

Mit Progredienz einer Leberzirrhose entwickelt sich eine Neigung zur c Volu-

menretention. Die periphere arterielle Vasodilatation führt zum zentralen Volumen-mangel,woraufhin es zur Aktivierung verschiedener Hormonsysteme kommt (u.a.Re-nin-Angiotensin-Aldosteron,Katecholamine).Diese bewirken eine verminderte rena-le Natriurese und einen Anstieg des Blutvolumens.Dafür daß dieses retinierte Volumensich in der Bauchhöhle ansammelt, spielt das Verhältnis von portaler Hypertensionzum kolloidosmotischen Druck eine zentrale Rolle.Durch die verringerte Proteinsyn-thesekapazität der Leber fällt die Albuminkonzentration im Plasma und damit der kol-loidosmotische Druck. Bei portaler Hypertension wird dann Flüssigkeit über das Me-senterium in die freie Bauchhöhle ausgeschwitzt.Daneben kann auch der Lymphabflußder zirrhotischen Leber gestört sein, was zur Aszitesentwicklung beträgt. Die Aszites-produktion kann Größenordnungen von mehreren Litern pro Tag erreichen. Zusätz-lich zum Aszites bilden sich im fortgeschrittenem Stadium häufig periphere Ödeme.

Da bei zirrhotischem Aszites in der Regel ein erhöhtes Gesamtkörpernatriumvorliegt, ist eine Beschränkung der Natriumzufuhr auf 3 g/d (ca. 50 mmol/d) als er-ste Maßnahme bei Aszites sinnvoll (Cave! Natriumgehalt von Medikamenten). Eineweitere Einschränkung wird von den Patienten meist nicht toleriert, hat oft nur einengeringen weiteren Effekt und führt vermehrt zu Komplikationen. Die Erhöhung desGesamtkörpernatriums besteht auch bei Patienten mit erniedrigtem Serumnatrium,weswegen eine Supplementation mit NaCl in diesem Fall nicht indiziert ist. Anstelledessen sollte bei Hyponatriämie (<130 mmol/l) eine Beschränkung der Trinkmenge

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c Spironolacton• Startdosis 50 mg/d

• Maximaldosis 400mg/d

c Furosemid20 bis 160 mg/d

c Xipamidbis zu 40 mg/d

Peritoneo-venöse Shunts werden nur noch

selten angelegt.

c Portalvenenthrombosec Prärenales Nierenversagen

bis auf minimal 1000 ml/d erfolgen. Zusätzliche Bettruhe erhöht das zentral effekti-ve Blutvolumen und steigert so die Diurese.Diurese. Der Aldosteronantagonist c Spironolacton ist das Diuretikum der erstenWahl bei zirrhotischem Aszites. Die Startdosis liegt bei 50 mg/d, die Maximaldosis bei400 mg/d. Bei tendenziell hohen Kaliumspiegeln oder nicht effizienter Aszitesaus-schwemmung ist die Kombination mit einem Schleifendiuretikum sinnvoll. Die mei-ste Erfahrung liegt hier mit c Furosemid in Dosierungen zwischen 20 und 160 mg/dvor (alternativ c Xipamid bis zu 40 mg/d).Der Erfolg der diuretischen Therapie wirdam besten anhand des täglichen Körpergewichtes kontrolliert. Eine Abnahme bis zu500 g/d ist anzustreben, bei ausgeprägten peripheren Ödemen darf die Gewichtsre-duktion auch bis zu 1 kg/d betragen. Eine weitere Intensivierung der diuretischenTherapie durch Hinzunahme eines Thiaziddiuretikums (sequentielle Nephron-blockade) ist nicht durch Studien abgesichert. Unter diuretischer Therapie sollten re-gelmäßig Serum-, Urinelektrolyte sowie die Retentionsparameter kontrolliert wer-den. Die Therapie mit Aldosteronantagonist und Schleifendiuretikum kann erhebli-che Hyponatriämien (<125 mmol/l) induzieren. In einem solchen Fall ist die Fort-führung der Diuretikatherapie kontraindiziert, da deren Wirkung nur noch gering,die Gefahr eines Nierenversagens aber hoch ist. Weitere relative Kontraindikationenfür eine intensive diuretische Therapie sind eine eingeschränkte Nierenfunktion(Kreatinin >1.5 mg/dl entsprechend 130 µmol/l, Kreatinin-Clearance <40 ml/min) so-wie eine sich deutlich verschlechternde hepatische Enzephalopathie.

Therapeutische Aszitespunktion. Patienten, die auf Diuretika schlecht ansprechen, undsolche mit massivem Aszites sind Kandidaten für therapeutische Aszitespunktionen.Blutungskomplikationen liegen bei dieser Prozedur im Bereich von 1/1000. Es wurdegezeigt, daß auch große Entnahmevolumina von den meisten Patienten problemlosvertragen werden, und es danach nicht zu einem intravaskulären Volumenmangelmit einer Verschlechterung der Nierenleistung kommt. In der Regel wird man mitEntnahmevolumina von 4-6 l/d einen guten Erfolg erzielen können. Die Gabe vonPlasmaexpandern (z.B.Albumin 6-10 g/l Aszitespunktat/d, Gelatine, Dextran-70) zurVerhinderung einer Hypovolämie wird empfohlen. Diese verlangsamen die Aszites-neubildung.Außerdem gehen den Patienten durch großvolumige Aszitespunktionenteilweise erhebliche Proteinmengen verloren, die durch orale Zufuhr kaum ausgegli-chen werden können. Bei häufigen großvolumigen Aszitespunktionen verarmen diePatienten auch an Komplementfaktoren und Immunglobulinen, was den bei Zirrho-se bestehenden Immundefekt verstärken kann.

Shuntanlage. Bei Patienten mit therapierefraktärem Aszites, bei denen auch durch re-zidivierende großvolumige Aszitespunktionen keine befriedigende Situation erreichtwerden kann, sollte die Indikation zur Shuntanlage überprüft werden. Peritoneo-venöse Shunts werden heutzutage nur noch selten angelegt. Neben Infektionspro-blemen ist es vor allem die Shuntokklusion, die häufig zu Revisionsoperationen führt.Durch diese Probleme im mittel- bis längerfristigen Verlauf ist der ansonsten sehreffektive peritoneo-venöse Shunt eher in den Hintergrund gerückt. Ähnlich wie fürrezidivierende Ösophagusvarizenblutungen hat sich der transjuguläre intrahepati-sche porto-systemische Shunt (TIPS) als eine gute Alternative für ansonsten thera-pierefraktäre Patienten mit Aszites erwiesen.

Komplikationen. Bei Leberzirrhotikern mit Aszites können verschiedene zusätzlicheKomplikationen zu einer plötzlichen Asziteszunahme führen: Durch die Verlangsa-mung der portalen Blutflußgeschwindigkeit besteht ein erhöhtes Risiko für die Ent-wicklung von c Portalvenenthrombosen (Farbdopplersonographie). Auch ein aku-tes c prärenales Nierenversagen im Rahmen einer diuretischen Therapie kann eineplötzliche Zunahme des Aszites bewirken.

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Granulozytenzahlen im Aszites über 250/µl

stellen die Indikation zur Antibiose dar.

c Cephalosporinec Gyrasehemmer

Spontan bakterielle Peritonitis (SBP). Eine häufig zu spät diagnostizierte Komplikation beiAszites ist die spontan bakterielle Peritonitis (SBP), die sich bei 15-20% der hospita-lisierten Patienten mit Aszites entwickelt. Sie äußert sich durch Fieber, Asziteszu-nahme, ein spontan schmerzhaftes Abdomen und Druckschmerz. Die Letalität ohneTherapie ist hoch (>50%). Ursächlich werden eine Durchwanderung der Darmwanddurch intestinale Keime sowie eine Einschwemmung von Keimen aus der systemi-schen Zirkulation vermutet. Dementsprechend werden häufig gramnegative Stäb-chen im Aszitespunktat bei SBP nachgewiesen, danach folgen Pneumokokken undStaphylococcus epidermidis. Im Gegensatz zu Peritonitiden nach Perforationen istbei der SBP häufig nur eine einzelne Keimart und keine Mischinfektionen festzu-stellen. Da die Therapie schnellstmöglich eingeleitet werden muß, kann das Ergebnisder Bakterienkulturen nicht abgewartet werden. Granulozytenzahlen im Aszites über250/µl stellen die Indikation zur empirischen Antibiose dar. Dazu werden hochdo-sierte c Cephalosporine der 3. Generation verwendet (z.B. Cefotaxim, Ceftriaxon,>90% Therapieerfolg), alternativ können c Gyrasehemmer gegeben werden. Typischsind Leukozytenzahlen unter 10000/µl Aszites, eitriger Aszites ist bei SBP selten. NachInitiation der Antibiose kommt es zum schnellen Abfall der Leukozyten im Aszites.Falls möglich sollte die Aszitesmenge durch Punktion verkleinert werden. Dies führtzur Reduktion der Keimzahl und zur Verkleinerung des Verteilungsvolumens für dieAntibiotika. Da die Rezidivrate der SBP mit ungefähr 80% hoch ist, sollte bei ausge-wählten Patienten (z.B. Patienten, die zur Lebertransplantation gemeldet sind) eineDauerprophylaxe mit Gyrasehemmern erfolgen. Bei ca. 30% der Patienten ohne An-zeichen für eine Nierenfunktionsstörung kommt es im Laufe der SBP zu einem Ein-bruch der Nierenfunktion. Initialen Ergebnissen nach, kann dies durch frühe hoch-dosierte Albumingabe verhindert werden.

Hepatorenales Syndrom (HRS). Die hämodynamischen und neurohumoralen Verände-rungen durch die Leberzirrhose und ihre Therapie können zu einer graduellen Ein-schränkung der Nierenfunktion bis hin zum irreversiblen hepatorenalem Syndrom(HRS) führen. Das hepatorenale Syndrom ist wie folgt definiert:

• Kreatinin-Clearance unter 40 ml/min,• keine Hypovolämie oder andere funktionelle oder organische Ursachen für die

Nierenfunktionseinschränkung,• keine Reaktion auf Volumenexpansion,• Proteinurie <500 mg/d.• Zusätzlich finden sich häufig eine massiv eingeschränkte Natriurese (<10 mmol/l)

bei gleichzeitiger Hyponatriämie (<130 mmol/l) und ein vermindertes Urin-volumen (<500 ml/d).

Die konservative Behandlung des echten hepatorenalen Syndroms war lange Zeit nurexperimentell, häufig frustran, und die Letalität war hoch. Da das zentrale patho-physiologische Problem in einer Umverteilung des Blutvolumens von der systemi-schen Zirkulation in das Splanchnikusgebiet mit einer sekundären Aktivierung ver-schiedener Hormonsysteme besteht, kann eine Reversion dieses Zustandes mittelsaggressiver Plasmaexpansion bei gleichzeitiger Aszitesableitung versucht werden.Positive Erfahrungen wurden auch mit der Gabe von Octreotid zur Verminderungdes splanchnischen Einstromes berichtet. Auch nach Lebertransplantation kann eszur völligen Normalisierung der Nierenfunktion kommen.

Hepatische Enzephalopathie

Die hepatische Enzephalopathie ist eine häufige, aber potentiell vollständig reversibleKomplikation der Leberzirrhose.Die Rate der dadurch in ihrer Fahrtüchtigkeit einge-schränkten Patienten wird auf bis zu 50% geschätzt. Zwei Faktoren bewirken die Zu-nahme potentiell neurotoxischer Substanzen in der systemischen Zirkulation: (1) die

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Mit Hilfe psychometrischer Tests läßt sich

häufig eine latente Enzephalopathie nach-

weisen.

c Flapping Tremor

c Laktovegetabile Diät

verminderte hepatische First-Pass-Clearance bei intra- und extrahepatischen Shuntsund (2) die geringere Detoxifikationsfähigkeit der Hepatozyten durch die sinusoida-le Kapillarisierung. Es ist dann eine Kombination verschiedener Substanzen, die zurEntwicklung der hepatischen Enzephalopathie führt: Ammoniak, endogene Benzo-diazepinen ähnliche Stoffe, aromatische Aminosäuren, Mercaptane und andere.

Schon bevor es zu subjektiven klinischen Symptomen kommt, läßt sich oft mitHilfe psychometrischer Tests eine latente Enzephalopathie nachweisen (häufig alsStadium 0 bezeichnet).Tabelle 6 zeigt die Einteilung der verschiedenen klinischen En-zephalopathiegrade. Die Beschwerden beginnen meist unspezifisch mit Schlaf-störungen, emotionalen Schwankungen, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen.Die Schläfrigkeit nimmt im Verlauf zu und im Spätstadium werden die Patienten ko-matös. Klinisch zeigt sich der c Flapping Tremor (Asterixis). Die Diagnose der he-patischen Enzephalopathie ist eine klinische Diagnose, die sich aus der Anamneseund der körperlichen Untersuchung ergibt. Labortests und technische Untersu-chungsverfahren dienen zur Identifikation der Ursachen und zum Ausschluß vonDifferentialdiagnosen. Die Messung der Ammoniakspiegel läßt keine sichere Aussa-ge über das Stadium der Enzephalopathie zu, da große interindividuelle Schwan-kungen bestehen.

Dem Neuauftreten oder der Verschlechterung einer hepatischen Enzephalopathiegehen in ungefähr 80% präzipitierende Faktoren voraus: Infektionen, Elektrolyt-störungen (z.B. Hypokaliämie), Exsikkose bei intensivierter diuretischer Therapie,Verstopfung, Schlafmitteltherapie (v.a. Benzodiazepine), gastrointestinale Blutungen,diätetischer Eiweißexzeß. Nach diesen Faktoren muß zuerst gesucht und sie müssenabgestellt werden.

Zur Sicherstellung einer ausreichenden Proteinaufnahme scheint eine c lakto-

vegetabile Diät einen Vorteil gegenüber fleischhaltiger Kost zu besitzen. Die anzu-strebende Proteinzufuhr (1,3 g/kg Körpergewicht/d) kann bei Enzephalopathie nichtimmer eingehalten werden, sollte aber nicht unter 0,7 g/kg Körpergewicht/d gesenktund ggf. supplementiert werden (s.u.).

Tabelle 6

Einteilung der hepatischen Enzephalopathie

Stadium klinische Befunde

0 nur durch psychometrische Tests erfaßbarsubklinisch

1 Euphorie, auch Depressionen, leichte Verwirrung, affektive & intellektuelleProdromi Verlangsamung, verwaschene Sprache, veränderter Schlafrhythmus

2 verstärktes Stadium 1, zusätzlich Benommenheit, inadäquates Verhalten,noch vorhandene Sphinkterkontrolle

3 meistens schlafend, aber erweckbarSomnolenz

4 teilweise Verlust der Reaktion auf SchmerzreizeSopor, Koma

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c Laktulose

Durch Antibiotika können Bakterien mit

Ureaseaktivität im Darm reduziert werden.

Die Leberzirrhose wird als Präkanzerose

für die Entwicklung eines hepatozellulären

Karzinoms (HCC) angesehen.

c α-Fetoprotein (AFP)

Die Gabe von c Laktulose erreicht eine schnellere Passage potentieller Toxinedurch den Darm. Durch eine Ansäuerung des intestinalen pH-Wertes wird die Bakte-rienflora zugunsten nicht toxinproduzierender Spezies verschoben.Die Dosis wird biszu einer Stuhlfrequenz von 4 weichen Stühlen pro Tag gesteigert.Die mit Laktulose as-soziierte Darmgasbildung kann erheblich sein und zum Absetzen des Präparates zwin-gen (z.B. bei Subileuszuständen). Dann können andere abführende Maßnahmen (z.B. Lactilol, Magnesiumsulfat) oder auch hohe Einläufe mit Laktulose sinnvoll sein.

Bei akuten Enzephalopathieepisoden können durch Antibiotika Bakterien mitUreaseaktivität im Darm reduziert werden, was zu einer verminderten Ammoniak-produktion führt. Dazu wird vor allem Neomycin (4 x 500-2000 mg/d, alternativ Pa-ronomycin) eingesetzt, ein nur geringgradig resorbierbares Aminoglykosid. Wegender möglichen Nephro- und Ototoxizität sollte die Applikation auf zwei Wochen, ma-ximal jedoch einen Monat begrenzt bleiben. Die Antibiose antagonisiert partiell denLaktuloseeffekt. Alternative Antibiotika sind Metronidazol, Aminopenicilline oderauch Vancomycin.

Der veränderte Quotient aromatischer zu verzweigtkettigen Aminosäuren kanndurch die intravenöse oder orale Zufuhr verzweigtkettiger Aminosäuren ausgeglichenwerden.Bei akuten Enzephalopathieepisoden verbessert die i.v.-Zufuhr den mentalenStatus, ändert aber die Überlebensprognose nicht. Die orale Supplementation (20-40 g/d) hat ihren Platz bei Patienten mit nachgewiesener oraler Proteinintoleranzzur Sicherstellung der Proteinzufuhr und einer anabolen Stoffwechselsituation.

Zur metabolischen Ammoniakentgiftung kann Ornithinaspartat (3 x 6 g/d) einge-setzt werden.Bei Zinkmangel ist eine Substitution indiziert (z.B. 150 mg Zinkacetat/d).

Hepatozelluläres Karzinom und andere Malignome

Die Leberzirrhose wird als Präkanzerose für die Entwicklung eines hepatozellulärenKarzinoms (HCC) angesehen. Pro Jahr tritt bei etwa 2-5% der Patienten mit Leber-zirrhose ein HCC auf. Weltweit ist das HCC der vierthäufigste Tumor. BestimmteÄtiologien sind mit einem besonders hohen Risiko der HCC-Entwicklung verbunden.Dazu gehören chronischer Alkoholabusus, Hepatitis B (25% der Todesfälle durchHCC), Hepatitis C (HCC-Inzidenz 3-5%), Hämochromatose (20-50% der Todesfälledurch HCC) und a1-Antitrypsinmangel (bei homozygotem PiZZ-Genotyp). Die Dop-pelinfektion mit HBV und HCV birgt ein besonders hohes HCC-Risiko. Seltener istdas HCC bei der primär biliären Zirrhose, beim M.Wilson und bei der autoimmunenHepatitis zu finden. Bei der primär sklerosierenden Cholangitis entwickelt sich in 15-30% der Fälle ein cholangiozelluläres Karzinom.

Das c α-Fetoprotein (AFP) im Serum steht als einfacher HCC-Screeningtest zurVerfügung, wobei darauf hingewiesen werden muß, daß nicht alle hepatozellulärenKarzinome AFP überexprimieren (nur ca. 70%). Leicht erhöhte AFP-Werte könnenauch im Rahmen der Leberregeneration vorkommen. Die Spezifität nimmt mit derAFP-Höhe zu. Regelmäßige Kontrollen alle 3-6 Monate erhöhen die diagnostische Si-cherheit.Die sensitivste bildgebende Methode zum Screening ist die Sonographie,dieebenso wie das AFP regelmäßig durchgeführt werden sollte. Ein kurativer Therapie-ansatz ist meist nur bei solitären kleinen Tumoren zu erreichen. Die Therapie derWahl ist die chirurgische Entfernung (Hemihepatektomie,Lebertransplantation).Diesystemische und lokale Chemotherapie hat bisher nicht die erwünschten Erfolge ge-bracht. Ein neuerer Ansatz besteht in der lokalen ultraschallgesteuerten Ethanol-instillation, die bisher nur in Zentren verfügbar ist.

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1. Nennen Sie die häufigsten Beschwerden von Patienten mit Leberzirrhose

2. Welche Laborveränderungen können in der Frühphase auf eine Leberzirrhose hinweisen?

3. Was sind die wesentlichen Komplikationen der Zirrhose?

4. Welche apparative Diagnostik hatbei Zirrhose einen besonderen Stel-lenwert und warum?

5. Welche therapeutischen Maßnah-men sollten Sie erwägen?

Fragen und Antworten zur Erfolgskontrolle

Leistungsknick, Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Schlafstörungen, Konzentrations-schwäche, Reizbarkeit, Dyspepsie, Libidoverlust, Anorexie.

Thrombopenie, Hypergammaglobulinämie, erhöhte Cholestaseenzyme (g-GT, AP).

Ösophagusvarizen,Aszites, hepatische Enzephalopathie, Nierenfunktionsstörungen,Kachexie, spontan bakterielle Peritonitis, hepatozelluläres Karzinom.

• Sonographie: Nachweis von Aszites und hepatozellulären Karzinomen.• Obere Intestinoskopie: Nachweis und Therapie von Ösophagusvarizen.

• Allgemeinmaßnahmen: Elimination der zugrundeliegenden Ätiologie, Alkohol-karenz, kalorisch ausreichende und ausgewogene Diät,Vitaminsubstitution.

• Komplikationstherapie: β-Blockade bei portaler Hypertension, Laktulose beihepatischer Enzephalopathie, Diuretika bei Aszites.

• Bei Zeichen der Dekompensation Vorstellung zur Lebertransplantation.

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