surprise strassenmagazin 217/10

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Das andere Ich Doppelgänger treffen aufeinander Nr. 217 | 22. Januar bis 4. Februar 2010 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass. Stopfen statt Shoppen – mit Flickzeug gegen den Konsumwahn Endlose Schulbank: Was bringt Weiterbildung?

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Surprise Strassenmagazin 217/10

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Page 1: Surprise Strassenmagazin 217/10

Das andere IchDoppelgänger treffen aufeinander

Nr. 217 | 22. Januar bis 4. Februar 2010 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

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Endlose Schulbank: Was bringt Weiterbildung?

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2 SURPRISE 217/10

*gemäss MACH Basic 2008-2.

Vorname, Name

Strasse

PLZ, Ort

Telefon

E-Mail

Datum, Unterschrift

Seite bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, [email protected]

Ist gut. Kaufen!Wer etwas verkauft, braucht Geld. Schlichte Wahrheit – gute Sache.Denn 50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute. Alle Preise exkl. Versandkosten.

217/10

Surprise Zeitungs-Taschen (34 x 36 cm); CHF 37.50

neon-orange schwarz

Surprise City-Taschen (24,5 x 35,5 cm); CHF 40.–

rot blau schwarz

Surprise Rucksäcke(32 x 40 cm); CHF 89.–

schwarz rot

Surprise-T-Shirt Preis CHF 40.–

Zu bestellen auf:www.strassenmagazin.ch/website/streetshop/produkte.html

S M L

Olivier Mossets (64) letzte Ausstellung nannte sich «Ten Monochromes»und zeigte – wie der Name verspricht – zehn unifarbene Werke desSchweizer Künstlers. Auf 3 à 3 Meter. Die hat Mosset zum Anlass ge-nommen, um für Surprise zehn T-Shirts in denselben Farben zu ent-werfen. Mit Surprise-Aufschrift. Und vom Künstler signiert.

Schöne Shirts! Und erst noch limitiert!

Fuchsia

Mint

Orange

Raspberry

Preisabschlag

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3SURPRISE 217/10

Inhalt04 Editorial

Geld, Doubles, Bildung04 Leserbriefe

Wunderbares05 Basteln für eine bessere Welt

Spinnenalarm06 Aufgelesen

Egoseller06 Zugerichtet

Kampfzone Strasse07 Mit scharf

Politischer Trauermarsch07 Erwin

… schaut in die Zukunft08 Porträt

Das Model und der Abfall20 Konsum

Geflickt hält länger22 Wörter von Pörtner

Lesen, elektronisch23 Bildende Kunst

Die Kunsthandwerker24 Kulturtipps

Aus dem Leben eines Hobo26 Ausgehtipps

Sofabilder28 Verkäuferporträt

«Unser Leben ist besser geworden»29 Projekt Surplus

Chance für alle!Starverkäufer

30 In eigener SacheImpressumINSP

Ohne Weiterbildung sind die Chancen, auf derberuflichen Karriereleiter empor zu klettern,gering, so die allgemeine Haltung in der Be-rufswelt. Dabei gilt aber oft: Nicht was wir ler-nen ist wichtig, sondern dass wir lernen. DerMarkt an Weiterbildungsangeboten floriertentsprechend. Die richtige Wahl der Ausbil-dung wird dadurch nicht einfacher.

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Titelbild: iStockPhoto

Steuern, Kleinkredite, Krankenkassen – in Krisenzei-ten schnappt die Schuldenfalle noch schneller zu alsin der Hochkonjunktur. Wer jetzt ins Minus rutscht,hat doppelt Mühe, wieder aus den roten Zahlen zukommen. Helfen kann der zeitige Gang zu einer Bera-tungsstelle. Fachleute erzählen, welche Rechnungenzuerst bezahlt werden sollten und wo Schuldner Hilfeerhalten.

13 GesellschaftFinde deinen DoppelgängerHaben Sie auch einen? Werden Sie von wild-fremden Menschen angesprochen und für je-mand anderes gehalten? Sagt man Ihnen, dasses ganz erstaunlich sei, wie sehr Sie doch die-sem oder jener ähnlich sind – zum Verwech-seln ähnlich? Esther Michel und MadeleineWohlfahrt haben sich aufgemacht, um ihrenDoppelgängern auf die Spur zu kommen. Undhaben dabei nicht nur ihre eigenen gefunden.

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10 SchuldenberatungExperten der Existenzsicherung

17 WeiterbildungFür die Karriere lernen wir

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4 SURPRISE 217/10

Ihre Meinung!Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20,

Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, [email protected]. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt,

die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen.

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3

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FRED LAUENER,

GESCHÄFTSFÜHRER

EditorialTabus, Bildung, Doubles

Über Geld spricht man nicht, man hat es. Die-ser Spruch ist mehr als bloss eine arrogante Redensart in besseren Kreisen. Wer viel Geldhat, tut meist gut daran, nicht darüber zu spre-chen – wenn er es nicht verlieren sondern vermehren will. Nicht von nichts kommt esschliesslich, dass Diskretion und Verschwie-genheit zu den zentralsten Werten im Geldge-schäft gehören.Über Geld spricht aber auch nicht gerne, wer esnicht hat. Und schon gar nicht, wenn einen pri-vate Schulden drücken. Verschuldet zu sein gilthierzulande immer noch – sofern man nicht einprominenter Börsenspekulant, ein ehrenwerterImmobilienhai oder eine Bank ist – als morali-sches Delikt; unbesehen der Gründe für die Mi-sere. In diesem Fall hilft Diskretion und Ver-schwiegenheit nicht, sondern verschärft dieMisere noch. Diese Erfahrung machen derzeitTausende, die sich in guten Zeiten guten Mutesfinanzielle Lasten zugemutet haben, die sienun, in der Krise nicht mehr zu tragen vermö-gen. Unser Mitarbeiter Stefan Michel hat sichbei Schuldenberatungen umgesehen und be-richtet ab Seite 10.Wer sich im Beruf nicht ständig weiterbildet,verpasst nicht nur den technologischen Fort-schritt, sondern auch den Anschluss. Es drohenKarriereknick und sozialer Abstieg. Stimmt daswirklich? Und wenn ja, was ist zu beachten,wenn eine Weiterbildung mehr bringen soll alsbloss bessere Aussichten auf einen guten Job?In seinem zweiten Beitrag in diesem Heft setztsich Stefan Michel ab Seite 17 mit einer Bil-dungsindustrie auseinander, der die Krisescheinbar nichts anhaben kann.Ein ganz anderes Thema ist die offenbar irrigeAnnahme, jeder Mensch sei ein einzigartigesWesen. Ab Seite 13 beweisen Esther Michel(Fotos) und Madeleine Wohlfahrt (Text) auf derSuche nach ihren eigenen Doppelgängerinnen,dass es immer mindestens zwei von uns allengibt. Ich wünsche Ihnen gute Lektüre.

Herzlich,

Leserbriefe«Ich habe erlebt, wie der Verkauf von Surpri-se den Verkaufenden hilft, einen weiterenSchritt in die Integration zu wagen.»

Nr. 216: «Die letzte Zigarette – Schriftstel-ler Pedro Lenz über das Rauchverbot»

Tödliches Passivrauchen?Mit Interesse habe ich Lenz’ Essay über dasKrebsgeschwür aus Übersee gelesen. Ergänzenmöchte ich, dass dem Argument «Schutz vonPassivraucher/innen» damit (von WHO, Poli-tik und Interessenvertretungen) Gewicht ver-liehen wird, dass 70 bis 90-Jährige befragt wer-den, ob sie in ihrem Leben mit Raucher/innenzu tun hatten. Diese Frage wird überraschen-derweise bejaht und wenn dann diese Men-schen irgendwann sterben (vielleicht, weil ih-re Uhr einfach abgelaufen ist), werden sie – soeinfach ist das – statistisch zu «Tod durch Pas-sivrauchen» gezählt. Der erste Schritt also, dieeuropäischen Metastasen zu bekämpfen, wärewissenschaftlich sauber zu arbeiten und publi-zierte Behauptungen fundiert zu belegen.Dumm nur, dass dabei herauskäme, dass Pas-sivrauchen nicht tödlich ist.Heike Bombitzki, per E-Mail

Nr. 215: «Alles Gute – Das Sonderheft zumJahreswechsel»

Kleine WunderVor einer Woche habe ich selbst erfahren, wieintegrativ der Surprise-Verkauf für Asylsu-chende sein kann. Seit zwei Monaten lehre icheinen Surprise-Verkäufer Deutsch. Mal redet erund ich korrigiere, mal spreche ich und er fragtnach. Immer haben wir ein Heft dabei, in dasdie neuen Ausdrücke und Sätze aufgeschrie-ben werden. Dazu unternehmen wir einigeszusammen – besuchen den Zoo, eine Fotoaus-

stellung, die Chagall-Fenster in der Fraumünst-erkirche. Das bringt Gesprächsstoff und führtihn in unsere Kultur ein. Nun, kurz vor Weihn-achten gingen wir zusammen an eine Kinder-weihnachtsfeier in der Kirche. Und ich stauntenicht schlecht: Als die Lektorin, die durch dieWeihnachtsgeschichte führte, auftrat, strahlteder junge Mann aus Afrika, weil er sie beimSurprise-Verkaufen kennengelernt hatte undsie immer Zeit für ein Gespräch mit ihm hatte.Nach dem Weihnachtsspiel halfen wir beimAufräumen, und mein Begleiter sagte, dass eralle Leute hier kenne. Sie hätten bei ihm je-weils vor dem Coop das Surprise-Magazin ge-kauft. Für mich war diese Begebenheit sehreindrücklich. Ich habe erlebt, wie der Verkaufdieser Zeitung den Menschen Kontakte ver-schafft und mithilft, einen weiteren Schritt indie Integration zu wagen. Dank vieler Men-schen, die bereit sind, ein wenig von ihrer Zeitzu verschenken, bewirken diese Kontakte hierund dort kleine Wunder. Ihr Magazin finde ichgut gemacht. Die Artikel sind gut geschriebenund spannend. Es ist ein Trost und eine Moti-vation, zu hören und zu lesen, dass es Men-schen gibt, die sich für jene einsetzen, die amRande der Gesellschaft stehen. Barbara Oehler, Thalwil

Grosser SchriftstellerNach längerer Zeit habe ich wieder einmal einStrassenmagazin gekauft und freute mich überdas Interview mit Alex Capus! Ein Schriftstel-ler, den ich sehr schätze, da er sehr gut recher-chiert über Afrika geschrieben hat. Rosmarie Ehrsam, per E-Mail

Die Surprise-Glücksfeen haben die Gewinner des Kreuzworträtsels ermittelt: Der erste Preis, eine Surprise-Tasche gefüllt mit Überraschungen, erhält Peter Wahl aus Thun. Auch der zweite Preis geht ins Berner Oberland. Die Surprise-Tasche gewinnt Regula Stähli ausThun. Und auch der dritte Preis bleibt im Bernbiet: Franziska Teuscher aus Bern kann die Sur-prise-Mütze in Empfang nehmen. Wir gratulieren den Gewinnern herzlich!

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5SURPRISE 217/10

Basteln für eine bessere WeltWir sollen uns also bis auf die Knochen durchleuchten lassen, bevor wir in ein Flugzeug steigen. Da nimmts uns doch Wunder, ob demNacktscanner auch nichts entgeht: Das Spinnlein aus Pfeifenputzern schmuggeln wir unter unsere Kleider und sind gespannt, ob esarachnophobischen Alarm auslöst!

ILL

US

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Vier gleichlange Stücke Pfeifenputzer

von der selben Farbe zurecht schnei-

den. Die vier Stränge bündeln und in

der Mitte zusammenhalten.

Dort wird ein Pfeifenputzer einer

anderen Farbe als Körper darum

gewickelt.

Die Beine noch etwas abknicken

und zurecht biegen.

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6 SURPRISE 217/106

AufgelesenNews aus den 90 Strassenmagazinen,die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Immer freundlich bleiben

Hamburg. Das Hamburger Strassenmagazinhat ein Computerspiel entwickelt, in welchemder Spieler in die Rolle eines Verkäufersschlüpft, genannt Egoseller: Anstatt Granat-werfer werden Strassenmagazine gezogen,die möglichst zahlreich an den Mann und andie Frau gebracht werden müssen. «Das Ver-kaufsgespräch ist wie in der Realität der Grad-messer dafür, ob ein Kunde sich für den Kaufdes Magazins entscheidet», so Hinz&Kunzt-Verkäufer Joe Lechner, der das Computerga-me testete.

Geländewagen oder Kampfhund?

Berlin. Das Berliner Strassenmagazin fragteden deutschen Psychoanalytiker Micha Hil-gers, ob er die Meinung von Bundesrat Mo-ritz Leuenberger teile, dass Geländewagen-fahrer und Kampfhundehalter vergleichbarseien. Das tut er: «Vor allem dann, wenn die-se Autos mit Rammstangen ausgestattetsind. Das ist ausserordentlich gefährlich fürFussgänger und Fahrradfahrer und soll be-drohlichen Charakter haben. Zudem werdenschwere Geländewagen gekauft, weil mansich darin sicher und erhaben gegenüber an-deren Verkehrsteilnehmern fühlt.»

Die ersten, die untergehen

Graz. Klimaaktivistin P. A. Pilitati macht aufdie Folgen des massiv ansteigenden Meeres-spiegels um den Pazifik-Inselstaat Kiribatiaufmerksam. «Die Bäume am Strand fallenreihenweise um, das Salzwasser kommt im-mer weiter ins Land und verunreinigt dasTrinkwasser.» Unterdessen müssten die Men-schen weite Strecken gehen, um an sauberesWasser zu kommen. «Kiribati wird innertJahrzehnten untergehen. Deshalb brauchenwir unbedingt eine Reihe von Rechten, wiesie für alle Klimaflüchtlinge definiert werdenmüssen.»

ZugerichtetAusgebremst und abgeschossen

«Es ist das Beste, die erste Regung desZorns sogleich zu ignorieren», riet Seneca.Denn wenn der Zorn begonnen hat, uns vomrechten Weg abzubringen, kann die Vernunftnichts mehr ausrichten.

Nirgendwo sonst entfaltet der – meistmännliche – Mensch so rasend und aus nich-tigstem Anlass einen Zorn auf seine Mitmen-schen wie im Strassenverkehr: Der Feierab-endverkehr wälzte sich stadteinwärts. Vor ei-ner rot leuchtenden Ampel kamen ein Peuge-ot zu stehen und rechts von ihm, in der Aus-buchtung der Haltestelle, ein Bus. An dessenSteuer sass Herr Djordjevic*, und wie er dar-auf wartete, dass das Signal auf «freie Fahrt»wechselt, streckte Herr Feuz den Kopf aus sei-nem Peugeot und brüllte ihn an, ob er eigent-lich nicht ganz dicht sei, er hätte bei der letz-ten Bushaltestelle den Vortritt erzwungen undsich ihm rücksichtslos vors Maul gedrängt.

Was nach diesem Wortscharmützel folgte,liest sich wie das Drehbuch eines Trash-Mo-vie-Autors, stammt jedoch aus der Feder desStaatsanwaltes: «Der Buschauffeur sinnt aufRache. Mit seinem 12 250 kg schweren Ge-fährt würde er bei der geplanten Action dem1550 kg schweren PW weit überlegen sein,so seine Rechnung. Nachdem die Lichtsig-nalanlage grünes Licht gibt, fährt er nahezugleichzeitig wie der PW-Lenker los, be-schleunigt den Bus, reisst das Steuer absicht-lich abrupt nach links und rammt den Peu-geot mit voller Kraft. Diesen dreht es quervor den Linienbus. Der Buschauffeur drücktnochmals aufs Gas und stoppt seinen Rache-feldzug erst nach 5 Metern.»

«Jemand kann sagen, ich bin schuld – wasist das? Wo ist die Gesetz hier in Schweiz?», ra-debrecht Herr Djordjevic in die Kamera von Te-le Züri, das ihn und seinen Gegenspieler vordem Bezirksgericht Zürich abgefangen hat. DieStaatsanwaltschaft klagt Herrn Djordjevic dergroben Verletzung von Verkehrsregeln, des vor-sätzlichen Körperverletzungsversuchs und derSachbeschädigung an und beantragt eine be-dingte Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu 70Franken sowie 2000 Franken Busse. Sollte erschuldig gesprochen werden, drohen ihm zu-dem berufliche Konsequenzen.

Herr Djordjevic ist seit fünf Jahren bei denVerkehrsbetrieben Glattal VBG angestellt. ImÜbrigen fahre er seit 30 Jahren unfallfrei, sagt erdem Richter. Der gebürtige Serbe ist sichtlichungehalten über die Anklage. Denn die Ge-schichte sei eine ganz andere. Der Peugeot-Len-ker habe ihm den Vortritt verweigert und ihnvor der Ampel bespuckt. «Ja, er bedrohte michund sagte, er werde mich umbringen.»

Djordjevics Verteidiger plädiert für Frei-spruch. «Die Darstellung des Staatsanwalts istdoch recht abenteuerlich», kommentiert ertrocken. Sachlich sei allein das Gutachten derwissenschaftlichen Dienste, die die «Black Box»des Busses ausgewertet haben. Demnach kön-ne davon ausgegangen werden, dass Herr Feuzdas Vortrittsrecht missachtete und das Temponicht anpasste, worauf es zu dem Unfall ge-kommen sei.

Das Gerichtsurteil steht noch aus. Gewissist, dass einer der beiden für seine akute Geis-tesschwäche teuer bezahlen wird.

* persönliche Angaben geändert

ISABELLA SEEMANN ([email protected])

ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

([email protected])

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ERWIN …schaut in die Zukunft VON THEISS

VON CARLO KNÖPFEL*

Wer verstehen will, worüber heute bei der Arbeitslosenversicherunggestritten wird, muss auf die letzte Revision des Arbeitslosen- und In-solvenzgesetzes AVIG zurückblenden. Damals wollte man diese Sozial-versicherung finanziell nachhaltig stabilisieren. Ziel war es, im kon-junkturellen Aufschwung Überschüsse zu generieren, mit denen die Defizite im Abschwung gedeckt werden können. Über den ganzen Konjunkturzyklus hinweg würde sich so eine ausgeglichene Rechnungpräsentieren lassen.

Das Vorhaben scheiterte, weil sich die Ökonomen an den Universitä-ten und im Staatssekretariat für Wirtschaft SECO verkalkulierten. Ins-besondere bei der Zahl jener Erwerbstätigen, die innerhalb eines Auf-und Abschwungs ihre Stelle verlieren, waren ihre Annahmen falsch.Denn längst rechnet man mit mindestens 125000 bis 130 000 Arbeitslo-sen pro Konjunkturzyklus, und auch das sind Annahmen, die von derRealität schon bald überholt werden dürften. Was nämlich nicht ins Kal-kül einbezogen wurde und wird, ist der mit dem fortschreitenden Glo-balisierungsprozess einhergehende strukturelle Wandel auf dem Ar-beitsmarkt. Zumindest ein Teil der Arbeitssuchenden hat zunehmendSchwierigkeiten, wieder eine Stelle zu finden. Keine Frage, der Arbeits-markt in der Schweiz entfernt sich immer mehr vom Ziel der Vollbe-schäftigung.

Angesichts dieser Zusammenhänge könnte die Arbeitslosenversiche-rung mit einer einfachen Erhöhung der Arbeitgeber- und Arbeitnehm-erbeiträge und einem zeitlich befristeten Solidaritätszuschlag auf hohe

Arbeitslosenversicherung Auf asozialen Abwegen

Löhne saniert werden. Ob wir zwei oder drei Prozent an die Arbeitslo-senversicherung abgeben, dürfte kaum jemanden schmerzen. Und dasssich die gut Verdiendenden etwas stärker für jene engagieren, die ihreStelle verlieren, ist nichts anderes als ein selbstverständlicher Akt derSolidarität. Schliesslich ist die Arbeitslosenversicherung noch immer ei-ne Sozial- und keine Privatversicherung.

Doch was macht die Politik? Sie will die Sanierung vor allem durchLeistungskürzungen herbeiführen. Die Arbeitslosen sollen mit einemsinkenden Versicherungsschutz dafür büssen, dass sich Ökonomen beider letzten Revision verhauen haben. Dabei soll es vor allem junge Stel-lensuchende und Langzeitarbeitslose treffen. Die einen sollen noch län-ger warten, bis sie Taggelder beziehen können, den anderen sollen dieTaggelder mit steigender Bezugsdauer sukzessive gekürzt werden.

Das Referendum gegen die geplante Vorlage ist mehr als nötig. Diesoziale Schweiz muss mit einem klaren und unmissverständlichen Neinzu einem solchen Sozialabbau, wie er bei der Arbeitslosenversicherungbetrieben wird, deutlich machen, dass eine unsoziale Politik wie diesein der Schweiz nicht geduldet wird. ■

*Carlo Knöpfel ist Direktionsmitglied von Caritas Schweiz und Präsident des Trä-

gervereins Strassenmagazin Surprise.

Auf der Bühne der Schweizer Sozialpolitik geben die Streicher den Ton an. Zurzeit wird die Revision der Ar-beitslosenversicherung gegeben. Ein politischer Trauermarsch, bei dem die Solidarität mit den Verlierern aufdem Arbeitsmarkt zu Grabe getragen wird.

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VON AMIR ALI (TEXT) UND ANDREA GANZ (BILD)

Beim letzten Fotoshooting wollte man sie dann doch nicht. Dodo Ba-chofner sass schon in der Schminke, als man ihr beschied, ihre Haareseien zu kurz und sie wieder nach Hause schickte. «War mir auch gera-de recht», sagt die 36-Jährige mit einer Spur Trotz in ihrer rauchigenStimme. Sie weiss: Ihren Verdienst als Model kann sie nicht planen. Malverdient sie an einem Tag ein paar Tausend Franken, dann wieder dreiMonate gar nichts.

Auch wenn die Frisur nicht stimmte, wurde Bachofner am Set vor-sorglich die neue Tönung der Kosmetikfirma verpasst, für die sie ihr Ge-sicht hätte in die Kamera halten sollen. Und so sitzt sie mit haselnuss-braunem Haar am langen Esstisch in ihrer Stube. Der schlichte hellblaueWollpullover ist ein Findling aus einem anderen Teil ihres Lebens: DodoBachofner befreit auf Anfrage anderer Leute Keller und Garagen von Alt-glas, Dosen und Alu – und manchmal kommt sie so eben auch zu einerDesigner-Lederjacke, einer Handtasche von Dolce&Gabbana oder ebeneinem Pulli. «Ist immerhin ein Tommy Hilfiger», schmunzelt Bachofnerund streicht über die fein gestrickten Maschen.

Seit einiger Zeit ist das Model auch als Entsorgerin tätig. Als sie bei ih-rem Gotti jeweils Altglas und Ähnliches wegschaffte, wurde ihr bewusst,dass hier eine Nachfrage besteht. Dann ergab sich das eine aus dem an-deren: Ihr Ex-Mann zog aus, und zur gleichen Zeit verlor Bachofner ih-ren Job als Bookerin in ihrer Modelagentur. Weil sie unter der Woche fürihren achtjährigen Sohn Malik da sein wollte, kam eine Vollzeitstellenicht in Frage. Der Berater auf dem RAV glaubte nicht an den Business-plan, den sie für ihre Geschäftsidee – «Dodos Entsorgungsdienst» – vor-legte, sie habe doch keine Qualifikationen für so etwas. Die entschlos-sene Frau überlegte nicht lange und verzichtete auf das Karussell aus Bewerbungen schreiben und Arbeitslosengeld kassieren. «Kein Geld kassieren, keine Rechenschaft schuldig sein», hiess Bachofners einfacheRechnung.

Viel braucht sie nicht zum Leben. Seit ihre Eltern in eine Wohnung ge-zogen sind, wohnt sie wieder in dem Haus, in dem sie aufgewachsen ist.Die Reben, die ihre Mutter vor 20 Jahren pflanzte, überwuchern im Som-mer mittlerweile die ganze Fassade. Dass es genauso lange nicht mehr re-noviert wurde, sieht man dem Häuschen an.Wie eine kleine Villa Kunterbunt steht es ver-winkelt und etwas schief auf einem verschnei-ten Hügel an guter Lage: Auf der einen Seite derBlick über die Schlosstürme des mittelalterlichen Rapperswil auf das un-tere Ende des Zürichsees. Auf der anderen Seite erhebt sich der Bachtel,der Hausberg des Zürcher Oberlands.

Die Einrichtung kommt aus dem Brockenhaus, auf dem abgewetztenLedersofa liegt eine Wolldecke: das Lieblingsplätzchen der alten Hunde-dame Nera. Den hölzernen Clubtisch zieren gerahmte Fotos von SohnMalik mit blonder Löwenmähne. Über einem Stuhl hängt ein blauer Helly-Hansen-Faserpelz. «Meine Lieblingsjacke», sagt Bachofner.

Vieles an dem Häuschen hat sie selbst gemacht. «Klempnern kann ichmittlerweile ganz gut», sagt sie nicht ohne Stolz. Seit Kurzem hat sie ei-ne Zentralheizung. Das Loch für den Gastank hackte sie eigenhändig mit

PorträtDas Model mit der MotorsägeModel, Mami, Müllentsorgerin: Dodo Bachofner spielt in ihrem Leben viele Rollen. Den dauernden Spagat zwi-schen den Welten sah sie früher bei sich selbst als Charakterschwäche. Heute betrachtet sie ihren Drangnach Abwechslung als Stärke.

dem Pickel in den Boden ihres Gartens. «Jetzt friert uns im Winter dasWC nicht mehr ein», stellt Bachofner lakonisch fest.

Bevor sie vor über 20 Jahren an der Coiffeurschau eines Bekanntenzum ersten Mal auf den Laufsteg kam, wäre sie nie auf die Idee gekom-men, sich als Mannequin zu versuchen. «Ich war ein Feld-Wald-Wiesen-Mädchen», beschreibt sich Bachofner rückblickend selbst. Doch der Tagsollte wegweisend sein für ihr weiteres Leben. Als sie bei der Frisuren-schau ankam, direkt nach der Schule, zerzaust und mit Schnee in denHaaren, bekam sie gerade mit, wie eine andere Anfängerin von der Chef-Coiffeuse einen Zusammenschiss bekam. Zu aufgetakelt, lautete dasfachfrauliche Urteil. Bei Dodo Bachofner stellte sich dieses Problemnicht. Sie musste bloss die Hose herunterlassen, zum Cellulite-Check.Dann nahm die Model-Karriere für die 1 Meter 79 grosse Frau mit demgleichmässig geschnittenen Gesicht ihren Lauf.

«Ich habe mich nie als Fremdkörper im Modebusiness gefühlt», sagtBachofner, die nach der Wirtschaftsmatura einige Jahre Ethnologie stu-dierte. Sie komme gut zurecht, auch wenn sie nie verleugnen konnte,dass ihre Herkunft woanders liegt. «Mein Lieblingsspielzeug ist meineMotorsäge», erklärt sie. Wenn sie mit zerkratzten Händen und ver-schrammten Beinen vom Garten ans Fotoshooting geht, wird sie manch-mal schräg angeschaut. Dann prallen die bodenständige Bachofner undDodo das Model aufeinander. Aber dafür gibt es ja Make-up und Photo-shop. «Ich finde es cool, ein Model zu sein – aber nur, solange ich am Ar-beiten bin», meint sie. Freundinnen aus der Modelszene hat sie nicht vie-le. Das Klischee, meint Dodo Bachofner, stimme eben oft: «Models sindblond und dumm.»

Früher führten Bachofner die Shootings noch in die ganze Welt, auf eine Ranch mit Wildpferden zum Beispiel, auf silbern glänzende Zug-dächer irgendwo in der amerikanischen Weite. Und nach Kapstadt natür-lich, die Stadt der Mode-Shootings. «Damals sah ich meine Anpassungs-fähigkeit noch als Schwäche.» Heute sieht Bachofner sie als Stärke: «Ichweiss, wer ich bin. Ich verliere mich nicht. Ich kann auch mit Model Raquel Lehmann ein Cüpli trinken», sagt sie ernst. «Jedem seine Welt.»

Zum Kundenkreis von Dodo der Entsorgerin gehören Senioren, WGsund Villenbesitzer von der Goldküste gleichermassen. Wenn sie, wie fastimmer, gut gelaunt bei ihren Kunden vorbeischaut, nimmt sie sich auch

mal eine halbe Stunde Zeit für ein Schwätzchen: «Das macht die Arbeitinteressant.» Ihr ist klar, dass sie noch zu billig arbeitet: «Anfangs dach-te ich, die Leute kommen in Scharen.» Aber die Krise habe ihr einenStrich durch die Rechnung gemacht. Zudem brauche es ein Umdenken:«Eine Putzfrau hat mittlerweile fast jeder. Eine Entsorgerin finden diemeisten aber noch dekadent.»

Bachofners Ziel ist es, irgendwann vom Müll anderer Leute leben zukönnen. Dass der Erfolg sich mit der Zeit einstellen wird, davon ist sieüberzeugt. Bis dahin freut sie sich halt am Kontakt mit Menschen ausverschiedenen Welten – und am einen oder anderen Designer-Accessoi-re aus einem High-Society-Keller an der Goldküste. ■

«Eine Entsorgerin finden die meisten dekadent.»

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10 SURPRISE 217/10

In Krisenzeiten haben Schuldenberatungsstellen alle Hände voll zu tun, müsste man meinen.Aber nichts da. Auch sie spüren die Krise. Allerdings anders als man denkt.

SchuldenberatungHochkonjunktur für Sanierer?

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11SURPRISE 217/10

VON STEFAN MICHEL

Lange ging es gut. Traditionsfirmen, Grossbanken, Staaten, Öl-scheichs und Alleinerziehende mit Minimallohn – alle hatten sie Schul-den. Viele Firmen können ohne Kredite nicht arbeiten, manche Privatenicht leben. Wenn sie zu sehr überziehen, wird die Rechnung teuer.Den Grossen hilft vielleicht der Staat oder,wenn sie selber Staaten sind, der Währungs-fonds. Die Kleinen landen auf dem Betrei-bungsamt und in der Schuldenberatung.

Creditreform, der Schweizerische Gläubi-gerverband, meldete bereits im vergangenen September eine alarmie-rende Zunahme der Firmenkonkurse um 25 Prozent gegenüber demVorjahr. Die Privatkonkurse hingegen sind im gleichen Zeitraum leichtgesunken. Creditreform-Sprecher Claude Federer kann allerdings keineEntwarnung geben: «Die Privatkonkurse werden wohl nachziehen.Schliesslich steigt mit den Firmenkonkursen auch die Arbeitslosigkeit.»

Die Folgen der KriseÜberrannt wird keine der befragten Schuldenberatungsstellen in St.

Gallen, Zürich, Basel und Bern. Eine Zunahme stellen nur jene fest, dienicht schon vorher ausgelastet waren. David Laso von der Fachstellefür Schuldenfragen im Kanton Zürich präzisiert: «Seit Anfang Herbstnehmen die Telefonanfragen zu. Es scheint, dass jene, die ihre Stelleverloren haben oder eine Lohneinbusse hinnehmen mussten, ihre Re-serven aufgebraucht haben.» Auch Selbstständigerwerbende rufen häu-figer bei der Fachstelle an.

Sein Kollege in Bern, Mario Roncoroni, sieht die Auswirkungen derKrise noch weit entfernt: «Wer jetzt beginnt, sich zu verschulden, derkommt in zwei oder drei Jahren zu uns.» Die meisten suchen erst Hilfe,wenn sich die Schuldscheine stapeln oder der Rauswurf aus der Woh-nung unmittelbar bevorsteht. Und manche sogar noch später, wie Ron-coroni erzählt: «Zur Schuldenberatung geht man, wenn man an eine Lösung glaubt, zum Beispiel wenn man eine neue Stelle gefunden hat.»

Direkt wirkt sich die Krise hingegen auf jene aus, die bereits im Sa-nierungsprozess stecken. Jene, die ihre Schulden nach einem rigidenPlan und am Existenzminimum lebend abstottern. Wer in dieser Situa-tion den Job verliert oder weniger verdient, kann die Lösung seinerGeldprobleme bis auf weiteres vergessen. Ähnlich verhält es sich bei je-nen, die erst anfangen, sich zu verschulden. «Die Schlupflöcher werdenkleiner», erklärt Laso und meint damit keine Steueroptimierer, sondernLeute am finanziellen Anschlag: «Engpässe durch Überstunden oder ei-nen Nebenjob zu kompensieren, ist jetzt nicht mehr möglich.» Umsoschneller landen jene in der Schuldenfalle, die sich in der Hochkon-junktur bis an den Rand verpflichtet haben oder bereits am Existenz-minimum leben. Noch rasanter geht das, wenn man den Job verliertoder wegen der schlechten Konjunktur weniger verdient. 20 oder 30Prozent weniger Einkommen sprengen fast jedes Budget.

Der Hauptkreditgeber der SchweizDer viel geschmähte Kleinkredit ist nicht das Hauptproblem. «Viel-

leicht die Hälfte meiner Kunden haben einen Konsumkredit», erklärtMarkus Hoby, privater Schuldenberater in St. Gallen, «aber praktisch je-der hat Steuerschulden.» Roncoroni bestätigt: «Der Hauptkreditgeberder Schweiz ist der Staat.» Steuerschulden sind der Klassiker schlecht-

hin: Man gibt seinen ganzen Lohn aus und plötzlich flattert eine Steu-errechnung über mehrere tausend Franken ins Haus. Ein kleiner Trost,dass Schulden beim Staat mit Zinsen zwischen zwei und sechs Prozentdie billigsten der Schweiz sind. An zweiter Stelle der Gläubigerhitpara-de stehen die Krankenkassen. Und die sind weit weniger geduldig alsder Fiskus, weiss Hoby: «Sie machen rabiat Inkasso und warten nicht

lange mit der Betreibung.» Kein Problem seien hingegen Leasing-Verträ-ge, so Roncoroni: «Die verstossen praktisch alle gegen das Bundesgesetzüber Konsumkredite. Die meisten Forderungen gelten deshalb nicht.»

Die Krise verschont auch die Gläubiger nicht. Besonders Firmen sindmehr denn je auf ihr Geld angewiesen. «Viele schauen als Erstes, wel-che Forderungen offen sind und machen diese geltend», erklärt Hoby,«oder sie ziehen gleich ein Inkassobüro bei.» Dann wird es nicht nurungemütlicher, sondern auch teurer, denn die Kosten der Spezialistenfürs Geld eintreiben werden regelmässig – und in den meisten Fällenrechtswidrig – dem Schuldner übertragen. «Die Inkassodienste schei-nen härtere Vorgaben zu haben», vermutet Roncoroni, «selbst bei Klien-ten mit Krankheitsgeschichten! Wie kann man da nicht nachgeben?»

Doch es gibt auch die anderen. Gerade jetzt sind einige Firmen froh,wenn sie wenigstens einen Teil ihrer Guthaben erhalten. David Laso be-stätigt: «Die Mehrheit ist kooperativ. Die sehen uns als verlängerte In-kassostellen. Wir suchen eine Lösung, dank der unser Klient seineSchulden sanieren kann und die Gläubiger zu ihrem Geld kommen.Wenn beide Seiten Opfer bringen, gibt es eine Lösung.» Auch MarkusHoby, der als privater Schuldenberater eine etwas besser verdienendeKundschaft vertritt, stellt fest, dass eine gewisse Erleichterung einsetzt,wenn er als Profi sich einschaltet. Vor allem dann, wenn es um eineNachlassstundung geht, also um einen gerichtlich verfügten Aufschubder Zahlungsfristen. «Denn da arbeite ich im Auftrag des Gerichts.»

Privatkonkurs: Ausweg oder Sackgasse?Manchmal bleibt trotzdem nur der Privatkonkurs. Wie bei der Stun-

dung werden alle Betreibungen und Verzugszahlungen gestoppt. Dasgesetzliche Existenzminimum wird etwas höher angesetzt als bei einerLohnpfändung. Übertrifft man dieses, zahlt man wieder Schulden ab,bis zum Ende seines Lebens. Der Konkurs kommt für Laso aber nur alsultima ratio infrage: «Wir haben 25-Jährige mit Aussicht auf jahrelangeLohnpfändungen infolge massiver Überschuldung, nicht selten über60 000 Franken. Im besten Fall können mit Hilfe der Fachstelle weitereBetreibungen vermieden werden und die Schulden innert drei bis vierJahren abgebaut werden. Bei vielen ist aber ein Privatkonkurs unum-gänglich. Er ermöglicht einen zweiten Start ins Erwachsenenleben.»

Wer jetzt in die Schuldenfalle tappt und sich wie ein normalerSchuldner verhält, nämlich optimistisch bis zum Selbstbetrug oder mithilflosem Fatalismus reagierend, dessen Sanierung wird stattfinden,wenn es der Wirtschaft wieder besser geht. Ein Grund, die Finanzenschleifen zu lassen, ist das nicht. Denn bis dann werden die jetzigenNeuschuldner mit 50 000 bis 250 000 Franken in der Kreide stehen undjahrelang abzahlen oder bis an ihr Lebensende am Existenzminimumleben.

Am billigsten sind Schulden beim Staat: Die Zinsen fürSteuerausstände betragen zwei bis sechs Prozent.

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INTERVIEW: STEFAN MICHEL

Angenommen, ich komme mit einem Bergvon Schulden zu Ihnen. Was passiert dann?Der Infoladen ist unsere erste Anlaufstelle.Am besten bringt man Schuldscheine, Mah-nungen, Steuererklärung und dergleichen mit.In einem ersten kurzen Gespräch machen wiruns ein Bild, entscheiden, ob Sie bei uns dierichtigen Ansprechpersonen finden.

Wenn ich bei Ihnen richtig bin, was passiert dann?Sie besuchen zuerst eine Infoveranstaltung. Dort lernen Sie, sich einenÜberblick über Einnahmen und Ausgaben zuverschaffen. Viele haben noch nie ein Budgetgemacht. Erst danach beginnt die persönlicheBeratung. Wir klären Schuldensumme undGläubiger ab. Wir lernen Sie und Ihre Themenkennen. Welche Ziele haben Sie? Wie ist Ihr Gesundheitszustand? Wasist Ihnen wichtig? Ein junger Mensch hat oft andere Möglichkeiten alsein 58-Jähriger.

Wie hoch sind die Schulden der Leute, die zu Ihnen kommen?Das ist sehr unterschiedlich. Von 10 000 bis 200 000 Franken ist alles dabei.

Wer verschuldet sich typischerweise?Es kann jeden treffen, jedes Bildungs- und Einkommensniveau. DenSelbstständigerwerbenden, dessen Geschäft nicht mehr läuft. Den An-gestellten, der die Stelle verliert, aber positiv denkt und auf eine neueStelle hofft. Er ändert nichts an seinem Lebensstil, braucht seine Er-sparnisse auf und rutscht allmählich in die Schulden. Bei einer Allein-erziehenden mit drei Kindern kann schon eine Zahnarztrechnung über2000 Franken die Schuldenspirale in Gang setzen. Trennungen sind einhäufiger Grund für Schulden, oder auch die Geburt von Kindern.

Wann kommen die Leute zu Ihnen?Die meisten erst, wenn es zu spät oder fast zu spät ist. Zum Beispiel,wenn ihnen unmittelbar der Rauswurf aus der Wohnung droht – unddas passiert in der Schweiz nicht so schnell. Ich staune manchmal, wielange es Leute mit ihren Schulden aushalten.

Wie lange dauert eine Schuldensanierung?Eine Sanierung über drei Jahre ist realistisch. Das ist eine lange Zeit, inder man mit knappem Budget leben muss. Es gibt Einzelne, die auchlänger durchhalten wollen. Schulden zu haben, kann sehr erdrückendsein.

Was ist die Alternative?Das hängt von der Lebenssituation ab. Privatkonkurs oder ein Lebenmit Schulden sind zwei Möglichkeiten. In der Sozialarbeit begleiten wirdie Menschen, die bereit sind für einen Lernprozess und dafür Zieleentwickeln. Einige werden bis ans Ende des Lebens arm sein. Trotzdemist es für diese Menschen eine Erleichterung, weil die Situation geklärtist. Die Angst, die Post zu öffnen, schwindet.

Halten Sie es für sinnvoll, wenn man Menschen aus dem privatenUmfeld einbezieht oder den Arbeitgeber?Wenn Sie einen guten Job haben und 5000 Franken Schulden, dann fra-gen Sie einen Verwandten. Das würde ich auch so machen. Bei den Ar-beitgebern gibt es Unterschiede. Viele helfen ihren Angestellten, indem

sie ihnen ein zinsloses Darlehen gewähren oder sie zu uns schicken.Aber es gibt Branchen, in denen sich die Arbeitnehmer davor scheuen,zuzugeben, dass sie ihre Finanzen nicht im Griff haben. Grundsätzlichmachen wir die Erfahrung, dass die Arbeitgeber wollen, dass es ihrenAngestellten gut geht und deshalb an einer Lösung mitarbeiten.

Gibt es Dinge, die man schneller bezahlen sollte und Schulden, diewarten können?Miete, Steuern, Strom, Lebensmittel und Krankenkasse, solche laufen-den Kosten haben absolute Priorität. Bei Nicht-Bezahlung droht unterUmständen der Wohnungsverlust, oder ich sitze im Dunkeln. Das Zei-tungsabo oder die Billag sind weniger entscheidend. Das Wichtigste ist,dass man mit Gläubigern redet und sich nicht neu verschuldet.

Schulden sind salonfähig geworden. Oder ändert sich das jetzt wieder?Wir leben in einer Welt des «Kaufe heute, bezahle morgen!». Auf allenPlakatwänden wird das angepriesen. Aber wer seine Schulden nichtmehr im Griff hat, ist trotzdem geächtet, zumindest, wenn er kein BigBoss ist. Nur Grossverdiener, die straucheln, gelten immer noch als galant. ■

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Eva Schätti ist Präventionsverantwortliche bei der Basler Budget- und Schuldenberatungstelle Plusminus. Sieweiss, wie schnell jemand in die Schuldenspirale gerät, kennt aber auch Möglichkeiten, den Sturz ins Boden-lose aufzuhalten.

Schuldenberatung«Eine Zahnarztrechnung kann genügen»

«Wer Schulden hat, ist geächtet. Nur Grossverdiener,die straucheln, gelten immer noch als galant.»

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GesellschaftDas doppelte (F)lottchen

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VON ESTHER MICHEL (BILDER) UND MADELEINE WOHLFAHRT (TEXT)

Micha und OliMicha: Neulich hat mich ein Türsteher einen Abend lang böse ange-starrt. Irgendwann musste ich ihm sagen, dass er mich wohl mit Oli ver-wechselt, der in besagtem Club einige Nächte zuvor den Feueralarmausgelöst hatte. Das Gute daran: Wenn ich das nächste Mal etwas bosge,kann ich es getrost auf Oli schieben. Oli: Kürzlich hat mich ein Türsteher bei der Eingangskontrolle lustig an-geschaut und wollte mir den Stempel auf die Stirn pressen. Irgendwannmusste ich ihm sagen, dass er mich wohl mit Micha verwechselt, der ei-nige Nächte zuvor mit einer Clownnase den Club betreten wollte. DasGute daran: Wenn ich das nächste Mal den Clown spiele, kann ich es ge-trost auf Micha schieben.

Esther und MonikaMonika: Angefangen hat alles mit einem Bild von Esther, auf dem ichmich selber mit ihr verwechselt habe. Mir fiel plötzlich auf, dass wir unsgleichen, Esther meinte dazu nur: «Spinnst du?» Von diesem Tag an be-gann es wie auf Knopfdruck. Seitdem werden wir wirklich dauernd ver-

wechselt und bei jeder Gelegenheit gefragt, ob wir Zwillinge sind. Es-ther hat mich kürzlich an einem Event vertreten, es ist keinem aufge-fallen, dass ich nicht dort war, wie praktisch! Esther: Inzwischen drehe ich mich schon um, wenn jemand «Monika»ruft. Ich wurde sogar von Monikas ehemaligem Liebhaber abge-knutscht, es hat also durchaus angenehme Seiten, diese Doppelgänger-Sache. Schade eigentlich, dass wir nicht verwandt sind, ich hätte nichtsdagegen, ein paar Monika-Gene zu haben!

Thomas und Dominik Thomas: Als wir uns vor zehn Jahren zum ersten Mal begegnet sind,war relativ schnell klar, dass wir beste Freunde werden würden. Wirsind uns in vieler Hinsicht sehr ähnlich. Vielleicht weniger vom Äusse-ren her, aber in unseren Wesenszügen, Ansichten und auch Lebensläu-fen. Bevor wir uns überhaupt kannten, waren wir fast gleichzeitig imAustauschjahr im Mittleren Westen der USA, anschliessend hatten wirdenselben Arbeitgeber – und wir beendeten zur fast gleichen Zeit unse-re erste lange Beziehung.Dominik: Wir wurden beinahe als eine Einheit wahrgenommen, dieCharaktereigenschaften des einen wurden einfach in den anderen hin-

Saddam Hussein hatte mindestens vier, Elvis Presley hat Tausende und Michael Jackson inzwischen auch:Doppelgänger. Politiker verwenden sie aus Sicherheitsgründen und Schauspieler brauchen sie in Form vonStuntmen und Bodydoubles. Paul McCartney soll angeblich gar mit einem Doppelgänger ersetzt worden sein,als er 1966 bei einem Autounfall ums Leben kam. Stimmt vielleicht die Theorie, wonach es jeden Menschen aufder Welt zweimal gibt? Und was, wenn beide in derselben Stadt leben? Esther Michel und Madeleine Wohlfahrthaben sich in Zürichs Nachtleben auf die Suche gemacht. Gefunden haben sie sechs Doppelgänger-Paare,auch ihre eigenen.

Türsteher trauen ihren Augen nicht, wenn Oli nach fünf Minuten schon wieder um Einlass bittet, aber eigentlich Micha (rechts) ist.

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Selbst die Liebhaber können nicht zwischen Esther (links) und Monika unterscheiden.

Ähnliches Aussehen und ähnliche Erfahrungen: Thomas (links) und Dominik. Auch die Namen sind zum Verwechseln ähnlich: Madeleine (links) und Marlene.

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Fotografin Esther Michel ist auf der Suche nach weiteren Doppelgän-gern: Wer also einen hat, kann sich unter dem Stichwort «Doppelgän-ger» bei [email protected] melden. Und wer seinen Doppelgängergerne finden möchte, kann sich unter www.doppelgaenger.com an-melden. Einfach einloggen und sich selbst anhand eines Fotos undzahlreicher Kriterien möglichst präzise beschreiben. Für einen erstengemeinsamen DVD-Abend sind folgende Filmtips wärmstens zu emp-fehlen: – Face/Off (1997): John Travolta schlüpft mittels modernster Chirur-

gie in den Körper eines Terroristen. Oder war es umgekehrt? – The Crow (1998): Der Hauptdarsteller Brandon Lee starb bei einem

Unfall am Set. Der Film wurde mit Doubles und Computeranimatio-nen fertiggestellt.

– Ein Zwilling kommt selten allein (1998): Hollywood-Sternchen Lind-say Lohan spielt in dieser Disney-Komödie eine Doppelrolle!

ein interpretiert. Wir wurden sogar schon im Doppelpack angemachtmit Sprüchen wie: «Ich würde euch beide daten – welcher ist eigentlichegal». Aber wir kommen natürlich nicht immer nur gut an. Es hat sichzwischen uns aufgrund der vielen gemeinsamen Erlebnisse eine starkeEigendynamik mit zahlreichen Insiderwitzen entwickelt. Einige findenuns zwar einzeln wohl nett, aber zusammen einfach nur unerträglich.

Marlene und Madeleine Madeleine: Als wir eine Zeitlang an denselben Orten im Ausgang wa-ren, wurden wir häufig verwechselt. Vielleicht, weil wir damals beideeinen Freund mit Lockenkopf hatten, uns ähnlich sehen und dann auchnoch fast gleich heissen, war es schwierig, uns auseinanderzuhalten. Inletzter Zeit werden wir nicht mehr so oft verwechselt, aber es kommtimmer noch vor, dass mich Leute wegen Club-Eintritten anquatschen,natürlich meinen sie Marlene, deren Mann Clubbetreiber ist. Marlene: Ich fand es ziemlich seltsam, als mich ein Barkeeper einmalmit «Schon wieder du?» begrüsste. Später lief mir Madeleine über denWeg, die kurz zuvor bei demselben Barkeeper bestellt hatte und zufäl-ligerweise fast gleich angezogen war wie ich.

Neil und Patrick Neil: Seit Patrick vor ein paar Jahren nach Zürich gezogen ist, werde ichhauptsächlich von hübschen Frauen mit «Pädi» angesprochen. So gese-hen habe ich nichts dagegen, verwechselt zu werden. Patrick: Wir haben uns über meine Exfreundin kennengelernt, die sichdamals in Neil verguckte. Sie war eigentlich auch die Erste, die die Ähn-lichkeit betonte. Nebst unserem Freundeskreis und Aussehen ist auchunser Musikgeschmack ziemlich ähnlich. Daher legen wir inzwischenregelmässig gemeinsam auf.

Barbara und NicolaNicola: Ich habe mich schon lange gefragt, wer eigentlich diese Barba-ra ist, die mir so ähnlich sehen soll. Ich kenne ihren halben Freundes-kreis, nur sie nicht. Durch dieses Fotoshooting haben wir uns nun end-lich kennengelernt. Jetzt weiss ich, mit wem ich verwechselt werde,wenn ich das nächste Mal mit «He, kennst du mich nicht mehr?» be-grüsst werde. Barbara: Ich war so aufgeregt, diese ominöse Nicola endlich zu sehen!Wir haben gleich beim ersten Treffen viele weitere Gemeinsamkeitennebst unserem Aussehen entdeckt. Zum Beispiel unser Kleiderstil, Mu-sikgeschmack und unser Sternzeichen. Es überrascht mich also nicht,dass wir uns nun auch noch gut verstehen. ■

Teilen Aussehen und Freunde: Nicola (links) und Barbara. Patricks (links) Ex verguckte sich in seinen Doppelgänger Neil.

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Ob für die Karriere oder um wieder einen Job zu kriegen – sich weiterzubilden ist zur ungeschriebenen Pflichtgeworden. Dabei ist die Weiterbildung oft bloss Selbstzweck: Es ist wichtiger, dass man lernt als was man lernt.

WeiterbildungLebenslänglich auf der Schulbank

VON STEFAN MICHEL

Wann haben Sie sich zum letzten Mal weitergebildet? Sind Sie zu-sammengezuckt? Haben Sie ihre Pflicht-Tage im Seminarraum nochnicht geleistet? Oder gehören Sie zu jenen, die Weiterbildung für sowichtig halten wie die Mittagspause mit den richtigen Leuten – beideskann ihre Karriere oder wenigstens ihre Zufriedenheit am Arbeitsplatzfördern, Sie kommen aber auch ohne klar. Oder sind Sie gar eine Total-verweigerin, ein Totalverweigerer? Ihnen widmete «Education Perma-nente», eine Fachzeitschrift für Weiterbildung, im April 2009 einen be-sorgten Artikel. Er zitiert eine Studie, gemäss der die «Nie-Teilnehmer»(nicht zu verwechseln mit den «temporären Nichtteilnehmern») über-zeugt seien, dass ihnen Fortbildung weder mehr Lohn noch eine besse-re Stelle einbringe.

Der Mainstream glaubt an das Gegenteil. Nicht nur gilt es als sicher,dass man früher oder später dank Kursen und Seminaren beruflich auf-steigen oder auf Stellensuche bessere Chancen haben wird. Sich nicht re-gelmässig weiterzubilden, halten viele für geradezu unverantwortlich.Unmöglich mit der Entwicklung des eigenen Berufs Schritt zu halten, oh-

ne sich regelmässig vermitteln zu lassen, was sich alles geändert hat! DieChancen auf eine neue Stelle schwinden Tag für Tag, hält man sich nichtpermanent fit mit Fortbildung! So sehen das nicht nur die Kursanbieter,sondern auch jene, die Stellensuchende beraten oder darüber entschei-den, welche Bewerberin die ausgeschriebene Stelle erhält. LebenslangesLernen, ein Begriff, der nach fernöstlicher Philosophie klingt, ist zum Ge-bot geworden, den Wirtschaftskapitäne wie kühle Bundesvertreter hochhalten.

Wo gehts hier zum Traumjob?Weiterbildung ist in der Schweiz zu einem gewichtigen Markt gewor-

den. Über tausend private, halb- und ganz öffentliche Anbieter vonWeiterbildungsmassnahmen setzen mit rund 100 000 Lehrgängen jähr-lich über fünf Milliarden Franken um. Um das Thema Weiterbildungkommt nicht herum, wer seine Karriere gezielt vorantreiben will oder ar-beitslos ist. Eine dritte Gruppe sind jene, die sich von einer Weiterbildungversprechen, den Einstieg in ihren Traumberuf zu schaffen, also endlichals Tanzlehrer zu arbeiten statt als Schuhverkäufer oder als Kamerafraustatt als Kindergärtnerin.

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Der Stolz des Heimbesitzers: Sven Unold vor seinem Wohnwagen mit selbst gebautem Vorbau.

Dass es möglich ist, sich bis zum Wunschjob weiterzubilden, davonist Claudio Weiss überzeugt. Er ist Geschäftsführer des Schweizer Kar-riereportals karriere.ch. «Wenn jemand weiss, wo er steht und wo er hinwill, dann können unsere Online-Tools und Beratungsservices aufzeigen,welche Schritte zum Ziel führen.» David Keel, der als Erwachsenenbild-ner und Organisationsberater arbeitet, sieht das anders: «Dass es einendirekten Weg zur Traumstelle gibt, ist Humbug. Dahinter steckt der alteErfolgsmythos, dass man alles schaffen kann, wenn man nur fleissig ge-nug ist.» Dass es erfolgreiche Einzelfälle gebe, streitet er nicht ab. Wich-tiger für ihn ist: «Gesamtgesellschaftlich kann das nicht funktionieren,denn die Zahl der interessanten und gut bezahlten Stellen wächst nicht,je mehr Menschen sich weiterbilden. Beruflicher Erfolg hängt von vielenFaktoren ab. Ein wichtiger ist der Zufall.»

Dass Karrieren keinesfalls ein Zufallsprodukt sind, vermittelt karrie-re.ch. Dort gibt es ein «Traumjob-Tool», mit dem man sich seine Ideal-stelle bausteinartig zusammensetzen kann: Per Mausklick wählt manBranche, Tätigkeit, Position in der Firmenhierarchie und natürlich dasSalär, das man für angemessen hält. Man präzisiert seine Angaben undgibt seinen beruflichen Werdegang dazu. Das Resultat sind allerdingskeine Stellenangebote, sondern Kontakte zu spezialisierten Beratern, diemit dem Traumjobkandidaten die nächsten Schritte auf dem Weg zumberuflichen Olymp besprechen.

Karriereschritt oder SelbstverwirklichungBeratung brauchte Gaby Mantel keine, nachdem sie herausgefunden

hatte, in welchem Bereich sie arbeiten wollte. Nach einem abgebroche-nen Biologiestudium und diversen Bürojobs auf Assistenzstufe landetesie in der Personalabteilung eines grossen Unternehmens und wollte dortmehr Verantwortung übernehmen und kompetenter werden. «Dafürbrauchte ich den Fachausweis als eidgenössisch diplomierte Personal-

fachfrau. Dazu gibt es keine Alternative», erklärt sie. Die Frage war nurnoch, in welcher Zeit sie das schaffen wollte. Sie entschied sich für diekürzeste Variante: beim Kaufmännischen Verein in einem Jahr, neben ih-rer Vollzeitstelle. «Das war sehr hart und ich würde es nicht unbedingtnochmals so machen.» Gelohnt hat es sich. Zuerst wurde sie befördert.Inzwischen ist sie in einer anderen internationalen Firma im Personal-wesen angestellt.

Keine klaren Vorstellungen hatte Nastasja Wolfensberger. Nach abge-schlossener Lehre zur Optikerin nahm sie in England Sprachunterrichtbis zum «Proficiency Certificate», dem Diplom, mit dem sie sogar Eng-lisch unterrichten könnte. Das war jedoch nie ihr Ziel. Sie interessiertesich für eine kreative Arbeit. Als sie von der freien Kunstschule F&F hörte, wo – im Gegensatz zu künstlerischen Fachhochschulen – keineMatura vorausgesetzt wird, bewarb sie sich spontan für den Lehrgang Fotografie. Nach einem Jahr wechselte sie in die Grafik und schloss zweiJahre später ab. Danach fand sie eine Stelle in einem Transportunter-nehmen, wo sie neben etwas Grafik viel allgemeine Kommunikationsar-beit erledigte. Ihrer Vorstellung von kreativer Arbeit entsprach das nicht,weshalb sie nach einem Jahr kündigte. Als freischaffende Grafikerin kamsie auf keinen grünen Zweig. «Ich bin nicht so gut darin, mich anzuprei-sen und das ist entscheidend, um an Aufträge zu kommen», erklärt sie.Mit 30 Jahren holt sie nun die Berufsmatura nach, in der gesundheitlich-sozialen Richtung. Dem Rat einer Mitarbeiterin der Berufsmaturitäts-schule folgend, wählte sie die Richtung, deren Fächer sie am meisteninteressieren. «In erster Linie mache ich das für mich. Ich denke aberschon, dass mir das etwas bringt.»

Die zwei Geschichten zeigen, was Laufbahn- und Weiterbildungs-experten übereinstimmend bestätigen: Relevante Arbeitserfahrung, einklares und realistisches Berufsziel sowie ein allgemein anerkannter Ab-schluss erhöhen die Chance markant, eine Stelle zu erhalten, die den eigenen Vorstellungen entspricht. Je länger man im Geschäft ist, destohöher wird der Druck, mittels Fortbildungskursen zu belegen, dass manauf der Höhe der Zeit ist. Dabei ist es wichtiger, dass man einen Kurs er-folgreich abgeschlossen hat, als das, was man dort gelernt hat. ClaudioWeiss zitiert eine Befragung von zehn Teilnehmern einer Weiterbildungfür Verkaufsleiter. «Sieben haben angegeben, sie seien danach aufgestie-gen und verdienten heute mehr. Lediglich drei hingegen wenden das Gelernte im Berufsalltag oft an.» Ein Trost für manches praxisfern ge-scholtene Universitätsstudium.

Arbeitslos auf KursWeniger um Wünsche und Selbstverwirklichung geht es bei den Ar-

beitslosen. Weiterbildung ist für sie heutzutage fast schon obligatorisch.René Wehrli, Leiter des RAV Baden erklärt warum: «Weiterbildung kannentscheidend sein, um beruflich am Ball zu bleiben. Ein Informatiker,zum Beispiel, ist nach einem halben Jahr ohne Job schon fast weg vomFenster.» Generell gehe es in der Weiterbildung von Stellensuchenden da-rum, ihre Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten oder zu erhöhen. Berufs-kenntnisse sind nicht der einzige Weg dazu. «Wenn wir feststellen, dassSozialkompetenzen das Problem sind, dann ermutigen wir unserenKlienten, einen entsprechenden Kurs zu besuchen», stellt Wehrli klar. Er-zwingen lasse sich jedoch nichts: «Ohne Eigenmotivation bringt keinKurs etwas.»

Es bleibt, für sich das richtige Angebot herauszufiltern, ob zur Kar-riereförderung oder um zurück ins Arbeitsleben zu finden. Dass dies angesichts des Dschungels aus Institutionen und der Blütenvielfalt an Titeln zur reinen Glückssache geworden sei, verneinen die für diesen Ar-tikel befragten Experten: Welche Zertifikate in einer Branche etwas gel-ten, wissen jene am besten, die dort arbeiten und Beschriebe für freieStellen anfertigen. Die Chance, eine solche zu ergattern, erhöht sich mitdem richtigen Weiterbildungspapier. Doch je mehr diesen Schein besit-zen, desto wichtiger werden andere Qualitäten – oder ein noch fundier-terer und noch intensiverer Lehrgang.

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Peli Fischer und Felix Müller in ihrer «Baronesse». Statt im Vorzelt kocht Peli Fischer diesen Winter im Bauwagen.

Karin Caflisch, Head Human ResourcesMarketing & Recruiting, KPMG

Wie oft passiert es Ihnen, dass Sie einen Ab-schluss oder einen Titel in einem Bewer-bungsdossier nicht kennen?Sehr selten. Für die Profile, die wir bei KPMGbrauchen, kenne ich die Ausbildungen in- undauswendig.

Welche Abschlüsse gelten wirklich etwas? Das kommt auf das Fachgebiet an. Eidgenössische Diplome sind immergut, Berufsverbände bieten auch sehr gute Weiterbildungen an. Um ein-zuschätzen, wie hoch die Qualität eines MBA-Abschlusses ist, hilft es,nachzusehen, wo die Universität, die den Lehrgang anbietet, in interna-tionalen Ranglisten steht.

Steht man in Bewerbungsverfahren besser da, je mehr man sichweitergebildet hat?Ausbildung um Ausbildung und Titel um Titel zu machen, ohne diesesFachwissen praktisch anzuwenden, bringt nicht viel. RegelmässigeWeiterbildung und das praktische Umsetzen im Beruf müssen sich dieWaage halten.

Warum soll man sich weiterbilden, wenn man seine Arbeit be-herrscht?Jeder Job entwickelt sich weiter. Eine Weiterbildung kann fachliche Lü-cken schliessen, sie erweitert aber auch den Horizont und hilft, neueNetzwerke zu erschliessen. Weiterbildungen sehen nicht nur gut aus imCV. Es tut allen gut, sich ab und zu neue Inputs zu holen.

Bert Höhn, Vizedirektor Laufbahnzentrumder Stadt Zürich

Wie findet man heraus, welche Weiterbil-dungen gut und welche schlecht sind?Entscheidend ist, dass eine Weiterbildung beiden Arbeitgebern etwas gilt. Darum ist eswichtig, dass der Anbieter einer Weiterbildungin seiner Branche bekannt und vernetzt ist.

Fachhochschulen, staatliche und von Berufsverbänden anerkannteWeiterbildungen erfüllen diese Bedingungen in aller Regel.

Lohnt es sich, ein Jahr Arbeitszeit und bis zu einem Jahresgehalt ineinen angesehenen Master-Abschluss zu investieren?

Ein Master-Abschluss garantiert keine Traumstelle. Doch der Stellenwertder Weiterbildung ist hoch und die Personalchefs schauen darauf, obsich ein Kandidat kontinuierlich und aus eigenem Antrieb weitergebildethat. Bei vielen Arbeitsstellen geht es heute darum, sich anzupassen, fle-xibel zu sein und Neues zu lernen, weil sich die Arbeit stetig verändert.

Wie viel nützt Weiterbildung einem Arbeitslosen?Wer zeigen kann, dass er die Arbeitslosigkeit genutzt hat, um sichweiterzubilden, steht besser da. Die arbeitslose Person muss aber auchwirklich motiviert sein für den Kurs, den sie belegt. Vor allem bei Men-schen, die sich nie weitergebildet haben, kann die Vorstellung Angstauslösen, wieder in die Schule zu gehen. Reine Kopfarbeit ist in ihremFall zu vermeiden. Von einer Fortbildung, die auch noch etwas Freudebereitet, profitieren sie mehr.

Fabiano Annoscia, Mitarbeiter Segments-management Zürcher Kantonalbank

Sie haben viel in ihre Weiterbildung inve-stiert. Warum?In einem grösseren Betrieb ohne Hochschulab-schluss Karriere zu machen, ist heute fastnicht mehr möglich. Man braucht mindestenseinen Fachhochschulabschluss. Also holte ich

die Berufsmatura nach und studierte Wirtschaftskommunikation.

Wie haben Sie die richtige Weiterbildung gefunden?Ich wollte im Marketing- oder PR-Bereich arbeiten. Die Studiengänge inWirtschaftskommunikation waren damals noch in den Anfängen. Be-rufsbegleitende Angebote gab es damals nicht. Ich begann in Luzern,wechselte wegen des kürzeren Wegs nach Winterthur, und als es an derHochschule für Wirtschaft in Zürich ein berufsbegleitendes Kommuni-kationsstudium gab, machte ich dort weiter bis zum Abschluss.

Was hat Ihnen das Studium gebracht?Nach dem Abschluss konnte ich eine interne Stage in der Werbeabtei-lung der Bank absolvieren. Dies ermöglichte mir, später in den BereichMarketing- und Segmentsmanagement zu wechseln. Das im Studium er-worbene Fachwissen ist für meine derzeitige Tätigkeit nicht zwingendnotwendig. Zu lernen, wie man sich Wissen aneignet, Prioritäten setzt,mit Druck umgeht, davon profitiere ich schon. Ich habe regelmässigKontakt mit meinen Studienkollegen. Das kann nützlich sein, wenn icheine andere Stelle suche.

Würden Sie etwas anders machen, wenn sie heute eine Weiterbil-dung suchten?Heute würde ich mich weniger blenden lassen von Hochschul-Prospek-ten und Infoveranstaltungen. Ich würde genauer fragen, ob ich lerne,was ich im Job brauche. Ich wüsste aber nicht, wie ich das damals hät-te besser machen können. ■

Interviews: Stefan Michel

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Die Personalfachfrau

Der Laufbahnberater

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Der Weitergebildete

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Der Winterspeck oder der Zahn der Zeit hinterlassen an Kleidern und Gebrauchsgegenstän-den Spuren. Doch die guten Stücke sind nicht verloren: Reparieren hilft – auch beim Sparen.

KonsumFlicken statt Shoppen

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«Schirmdoktor» Erich Baumann bringt kaputte Schrime auf Vordermann.

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VON JULIA KONSTANTINIDIS

Die Hosen sind plötzlich eine Nummer zu klein, der teure Winter-mantel hat das Silvesterfeuerwerk nicht ohne Brandlöcher überstandenund der Lieblingsschirm wurde im Föhnsturm zerfetzt. Zu allem Elendist Ihnen beim Weihnachtsgrosseinkauf die Achse am Einkaufswägeligebrochen und als Sie den Weihnachtsbraten dann endlich auf demHerd hatten, ist Ihnen aufgefallen, in welch schrecklichem Zustand Ih-re seit Generationen vererbten Kupferpfannen sind.

Am liebsten würden Sie sich im neuen Jahr des ganzen alten Krem-pels entledigen. Doch am Wintermantel hängen so viele Erinnerungenund die Kupferpfannen sind eigentlich 1-A-Qualität. Nicht zu vergessen,dass das Januarloch auch in Ihrem Portemonnaie klafft.

Sowohl bei Nostalgikern als auch bei Preisbewussten heisst die De-vise: flicken statt neu kaufen.

Wo Motorsägen wieder scharf werdenWas alles möglich ist, haben wir beinahe schon vergessen. Schlosser,

Sattler, Messerschleifer erscheinen uns als Handwerker aus vergange-nen Zeiten. Doch gerade bei ihnen gibts Hilfefür Kaputtes.

Jean-François Gerzner etwa bringt Kupfer-pfannen mit Grünspan wieder in Schuss, in-dem er sie neu verzinnt. «Das ist ein sehr altesHandwerk», weiss Gerzner. Zwar werde dieser Service nicht mehr sohäufig beansprucht, weil nur noch wenige Kupferpfannen in Gebrauchsind. Doch auch mit neueren Töpfen kann Gerzner was anfangen: Ver-bogene Böden richten zum Beispiel, damit der Energieverbrauch beimKochen nicht zu gross ist. Er löst auch mit dem Sandstrahler Fettkrustenvon Bratpfannen oder ersetzt abgebrochene Griffe.

Der Fahrende, der seine Werkstatt im Graubündner Cazis hat, machtals Messerschleifer auch aus alten Klingen wieder neue, im Angebot hater auch das Schärfen von stumpfen Motorsägen und das Reinigen vonAktenvernichtungsgeräten. «Ich mache Vieles vor Ort, meine Kund-schaft kommt aus der ganzen Schweiz», erklärt Gerzner, der vollum-fänglich von seinen Dienstleistungen als Messerschmied und Pfannen-flicker lebt. Seine Kunden sind Privatpersonen, aber auch Firmen undRestaurants. In den Gasthäusern ist Gerzner oft bei einer Tätigkeit anzutreffen, von der die wenigsten wissen, dass es sie gibt: Er hobelt die Oberfläche von Schneidebrettern aus Kunststoff glatt. «In denSchneideritzen können sich Keime einnisten, deshalb müssen die Brett-chen ab und zu abgeschliffen werden.»

Die stumpfen Messer des Silberbestecks nachschleifen zu lassen,lohnt sich allemal. Gerzner gibt auf seiner Homepage als Richtpreis 4.50Franken pro Silbermesser an. Die Gartenschere bringt er für sieben biszwölf Franken wieder auf Vordermann. Kommen die Geräte ursprüng-lich nicht aus dem Billig-Discounter, ist die Reparatur eine valable Al-ternative zum Neukauf.

Ersatzteile aus dem FundbüroManchmal sind es aber nicht materielle Beweggründe, die eine Tren-

nung von einem Gegenstand so schwer machen. Das weiss auch ErichBaumann. Er betreibt im bernischen Jegenstorf einen Schirmservice undnicht selten landet bei ihm auch Billigware auf der Werkbank: «Erinne-rungen und Erlebnisse sind mit diesen Schirmen verbunden, die Besit-zer hängen daran.» Meistens sind die Probleme mechanischer Art, etwa,wenn sich der Schirm nicht mehr öffnen oder schliessen lässt. Baumannbespannt aber auch blosse Gestelle – von Regen- und Sonnenschirmen –komplett neu. Nebst Privatkunden lassen sich auch Warenhäuser vonBaumann helfen, etwa dann, wenn neu gekaufte Schirme wegen eines

Defekts zurückgebracht werden. 100 bis 150 Schirme flickt Erich Bau-mann im Monat, durchschnittlich kostet eine Reparatur 17 Franken.

Erich Baumann, der als Arbeitsagoge den Schirmservice zehn Jahrelang für eine Stiftung mit psychisch Kranken betrieb, flickt die Schirmeheute nebenberuflich und aus Leidenschaft. Weil Ersatzteile schwer zukriegen sind, da die Skelette der Schirme oft aus dem fernen Osten kom-men, hat der Schirmdoktor eine Abmachung mit dem SBB-Fundbüro: Erbekommt die nicht abgeholten Schirme und verwertet ihre Einzelteilean seinen Reparaturobjekten weiter.

Es sind die Emotionen, die uns an Lieblingsschirme, aber auch anKleider binden. Auch dann noch, wenn die Hose zwickt oder der Reiss-verschluss der Handtasche, die seit 20 Jahren treue Begleiterin ist, hin-über ist. Alles kein Problem, das meiste lässt sich ändern oder flicken.«Männerhosen sind dazu gemacht, ausgelassen zu werden», beruhigtSchneiderin Ruth Näf, die ihr Atelier in Zürich hat. Bevor die teure, aberzu enge Anzugshose in der Kleidersammlung landet, ab damit zum Än-derungsschneider. Der lässt die Hose aus oder nimmt sie ein und weissauch, was zu tun ist bei kaputten Reissverschlüssen. Brandlöcher imMantel macht Ruth Näf mit einem Stück Stoff, dass sie aus dem Innern

des Kleidungsstücks herausnimmt, unsichtbar. Sie wüsste sogar, wieman einen abgewetzten Hemdkragen erneuern könnte, obwohl das inder Praxis noch nie verlangt wurde: «Ist das Hemd lang genug, schnei-det man unten einen Streifen Stoff ab und überzieht damit den Kragen.»Selbst Fehlkäufe wie durchsichtige Bikinis sind nicht unbedingt demMülleimer geweiht: Lingerie-Schneidereien können mit hauchdünnenEinsätzen Abhilfe schaffen. Abgesehen davon, dass viele Frauen nichtgerne häufiger als nötig Schwimmbekleidung kaufen – weil, die Um-kleidekabine, das Licht, die Unzulänglichkeiten des eigenen Körpers, Siewissen ja –, lohnt sich diese Änderung meistens auch finanziell.

Die Reparatur als AbenteuerOft sind auch Schuhmacher eine gute Anlaufstelle, nicht nur für ka-

putte Schuhe, sondern auch für gebeutelte Ledertaschen, ausgerisseneGürtel oder in die Jahre gekommene Rucksäcke. Denn mit ihren Näh-maschinen schaffen die Schuhmacher den Durchstich auch bei Materi-alien, die auf normalen Maschinen nicht mehr zu retten sind.

Selbst abgebrochene Räder von Kinder- oder Einkaufswägen können,sofern aus Metall, von einem Schlosser wieder funktionstüchtig ange-schweisst werden. Ganz zu schweigen von den Sattlern und Innende-korateuren, die aus zerschlissenen Stühlen und Sofas wieder Schmuck-stücke machen.

Und wenn dann doch mal die Verlockungen der Konsumwelt zu grosssind, gibts Beruhigung fürs schlechte Gewissen: Das noch einwandfreieHandy, das dem neuen Modell weichen musste, kann etwa bei der Han-dy-Clinic abgegeben werden. Das Unternehmen verwendet die Einzel-teile für Reparaturen oder verkauft die Geräte als Occasionen weiter.Und auch alte Brillengestelle können ein zweites Leben haben, sofernsie nicht in einer Schublade verstauben: Viele Optikergeschäfte nehmenalte Brillen entgegen. Sie geben sie an Hilfswerke weiter, die wiederumin Entwicklungsländern gute Verwendung dafür haben.

Nostalgiker, Umwelt- und Finanzbewusste wissen: Bevor was für ver-loren erklärt wird, lohnt es sich, beim Handwerker nach Reparaturmög-lichkeiten nachzufragen. Denn von der gelungenen Rettung des Lieb-lingskleids zu berichten, ist sogar noch aufregender, als von der letztenSchnäppchenjagd zu erzählen. ■

«Männerhosen sind dazu gemacht, ausgelassenzu werden.»

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sass mir ein Mann gegenüber, der angestrengtein Buch mit dem sinngemässen Titel «Zuhörenstatt dreinschlagen» las. Ich habe mich dannwoanders hingesetzt. Auch die beliebten Tarn-umschläge, die Harry-Potter-Bücher in Ratge-ber des Kalibers «Reich, fit und spirituell in fünfMinuten» verwandelten, braucht es nicht mehr.

Was es immer noch braucht, ist Zeit fürs Le-sen. Nach einigen Wochen hatte ich erst dreikurze Stücke von Wilde gelesen. Ausserdemhat ein Gerät auch seine Tücken. Es brauchtStrom. Kaum in die Ferien gefahren, merke ich,dass ich das Aufladekabel zu Hause vergessenhabe. Weil es so etwas nicht im Laden zu kaufen gibt, muss es in Amerika bestellt und ins Feriendomizil geliefert werden. Tatsächlichmeldet sich nach wenigen Tagen eine nette Da-me der Kurierfirma und erkundigt sich nachmeinem genauen Aufenthaltsort. Offenbar ha-be ich es nicht gut erklärt. Seither telefonierenwir fast täglich, aber das Kabel will den Weg zumir partout nicht finden. Der Reader liegt dar-nieder. So bin ich denn froh, dass ich zuunterstim Koffer die drei Bände «Krieg und Frieden»mitgeschleppt habe. Gar nicht so unbequemzum Lesen. Ausserdem raschelt das Papier beimBlättern. Und es riecht. Irgendwie altmodisch.

STEPHAN PÖRTNER

([email protected])

ILLUSTRATION: MILENA SCHÄRER

([email protected])

Ich habe einen sogenannten E-Reader, einelektronisches Lesegerät geschenkt bekomm-men. Das stimmt nicht ganz. Ich habe es selbergekauft. Schon vor Monaten. Aber da die Ak-zeptanz der Dinger irgendwo zwischen Laub-bläsern, Telefonmarketing und Abonnementspropagandistischer Wochenzeitschriften anzu-siedeln ist, behaupte ich eben, es sei ein Ge-schenk gewesen.

Die Vorteile eines solchen Geräts leuchtetenmir während des Reisens ein. Gestartet mit ei-ner Handbibliothek, die einen ganzen Kofferfüllte, der nicht leichter wurde, weil immerneue Bücher hinzukamen, denen unterwegs zuwiderstehen unmöglich war, träumte ich oftvon einer kompakteren Form des Lesestoffes.Der handliche MP3-Player, auf dem 13025 Stü-cke, Musik und Hörbücher, gespeichert sind,leistete gute Dienste. Ich sehnte mich nie da-

nach, ein Plattengestell mitzuschleppen. DochBücher sind etwas anderes. Heisst es.

Das Papier rieche und das Blättern sei etwasSinnliches. Es geht. Vor allem dicke Bücher eig-nen sich nur bedingt zum Lesen, es sei denn,man sitze steif an einem Tisch. Gerochen habeich Papier vor allem dann, wenn es sich um einBuch handelte, das lange Zeit in einem feuch-ten Keller gelegen hatte.

Kaum in der Heimat, kaufte ich also einenReader. Für mich gab es noch das Argument,dass man die eigenen Texte auf das Ding ladenkann, es mir also möglich ist, meine zu überar-beitenden Werke dabei zu haben. Also keinfaules Herumsitzen mehr.

Kaum ist es angekommen, lade ich ein paarBücher drauf. Die gesammelten Werke vonOscar Wilde kosten schlappe drei Franken,Shakespeare ist auch nicht teurer. Modernesschon. Gut, alles ist auf Englisch, deutsche Ti-tel gibt es kaum. Die ersten Erfahrungen sindpositiv. Ausser einer ständigen Angst, das Dingliegen zu lassen, lese ich im Tram englischeKlassiker oder studiere mein Manuskript. Zu-dem ist es heute noch recht schick, mit so ei-nem Ding zu hantieren. Etwa so, wie vor dreiJahren mit einem iPhone. Da aber niemandsieht, was man liest, kann man sich nicht mehrmit in der Öffentlichkeit vors Gesicht gehalte-nen, brandaktuellen oder hochkompliziertenTiteln von den Gratisfutter-Schafen abgrenzen.Das kann allerdings ein Vorteil sein. Im Zug

Wörter von PörtnerDer Leser

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Bildende Kunst Die Kunst-Werkstatt

VON ALEXANDER MARZAHN

Es ist ein Bild des Jammers. Die Beine, der Deckel, die Tastatur, jaselbst der Hocker – alles schlapp und kraftlos, als sei der Konzertflügelbei einer besonders einfühlsam gespielten Mozart-Serenade zerflossenwie eine Wachsfigur im Backofen. Und doch – das bedauernswerte Ob-jekt ist hart wie Stahl. Wer hats erfunden? Urs Fischer, in Zürich aufge-wachsener Künstler mit internationalem Renommee. Wer hats gebaut?Eine kleine Firma in Münchenstein/BL, Kunstbetrieb AG, der Ort, woKünstlerträume wahr werden. Vor drei Jahren wurde das Unternehmengegründet, heute sind die Auftragsbücher voll, der Ruf folgt den Werkenüber die Region hinaus, auch nach New York, wo Urs Fischer derzeit ei-ne grosse Soloshow im «New Museum» zeigt.

Auf 1300 Quadratmetern residiert die Kunstbetrieb AG, auf dem In-dustrieareal Walzwerk ausserhalb des Dorfs. Es riecht nach Lösungs-mittel, nach Epoxidharz, Holzleim und tausend anderen Stoffen. Irgend-wo sirrt eine Schleifmaschine, irgendwo trommelt eine Waschmaschinezum finalen Schleudergang. Auf den grauen Overalls steht das Firmen-logo: «Kunstbetrieb». Das Unternehmen wurde vor drei Jahren von Mi-chèle Elsener und Martin Hansen, Glockengiesser aus St. Gallen, sowievon der Basler Kulturmanagerin Annina Zimmermann gegründet. DasStartkapital war klein, das Beziehungsnetz gross, und seit der Stahl-giesser Peter Gerber mit an Bord ist – er hat seine mächtigen Gussöfenmitgebracht –, ist hier (fast) alles möglich. Was man nicht selber fertig-bringt, wird an befreundete Firmen weitergegeben. Von der Krise spürtman nichts. Oder nichts mehr. Anfang des letzten Jahres, da bekam mankalte Füsse, als plötzlich Stillstand herrschte, just nachdem man einezweite, grössere Halle dazugemietet hatte. Vor allem dank internationaltätigen Künstlern wie Urs Fischer, Ugo Rondinone oder Andro Wekuahat sich die Lage entspannt. Dass Angus Fairhurst, Gründungsmitgliedder Young British Artists, vor seinem Freitod 2008 seine letzten Bronze-affen hier giessen liess, hat sich herumgesprochen. «Es war einer unse-rer ersten Aufträge überhaupt», sagt Zimmermann.

Kunstbetrieb? Von Kunst ist erst einmal nicht viel zu sehen, die Be-tonung liegt klar auf den letzten zwei Silben. Auf einem fahrbaren Ar-beitstisch stehen immerhin drei schlanke Grazien in Bronze, eben ersteiner Gussform aus Silikon entschlüpft: Peter Moilliet, Mitbegründer der«Gruppe 48», lässt sie hier giessen. Manchmal kommt der 88-Jährigeselbst vorbei, bespricht die Patinierung, wählt den Sockel. Ganz hintenbefindet sich die Giesserei, das Herzstück der Kunstfabrik. Zwei Schmel-zöfen und Schmelztiegel, daneben sieht es aus wie im Tresor der Natio-nalbank: Auf Paletten stapeln sich Barren aus Aluminium, Bronze, Zinn,Messing und warten auf ihre Kunstwerdung. Acht Kunstwerker sind hierbeschäftigt, jeder hat sein angestammtes Metier. In der kleineren Hallewird mit Wachs und Kunststoff gearbeitet, in der grossen mit Holz undMetall. Kunst hat viele Gesichter, das fordert Flexibilität und viele Fä-higkeiten: Ein Modellbauer ist dabei, zwei Kunstgiesser, ein Möbel-schreiner und Innenarchitekt, eine Requisiteurin, eine Buchbinderinund neu eine Tierpräparatorin. Nur Künstler arbeiten hier nicht, offen-

bar stellen sie ihr Talent ungern in den Dienst erfolgreicher Kollegen.«Wichtig ist, dass man sich nicht zu sehr auf ein Material spezialisierthat», sagt Zimmermann, die im Büro die Fäden in der Hand hält, Offer-ten macht, Produktionspläne erstellt. Kleine Objekte sind für wenigeHundert Franken zu haben. Bei aufwendigen Produktionen wie demFlügel sind sechsstellige Summen schnell erreicht.

Meistens gehts hier um grössere Dimensionen, plastische Wagnissewie das Bergmassiv, welches vom Künstlerduo Studer/van den Berg amBildschirm entworfen wurde und nun als begehbare Installation auf gros-sen bedruckten Aluplatten verräumlicht werden soll. Manche Künstlerhelfen, wie Moilliet, aktiv mit, andere schicken per Mail eine digitale Vor-lage und sehen ihr eigenes Werk erst in ihrer Galerie in Paris oder NewYork. Denn die Zeiten, in denen der eine mit Bronze, der andere mitKunststoff arbeitet, sind vorbei. Am Anfang steht eine Idee, die Wahl desadäquaten Materials folgt erst danach. Der Kunstbetrieb leistet Geburts-hilfe, berät und begleitet. Nur als Künstler sehen sich die Mitarbeiternicht. «Ziel ist es, die eigene Arbeit zum Verschwinden zu bringen», sagtZimmermann. «Die Handschrift des Betriebs ist unwichtig, das Objektsoll sich nahtlos ins Œuvre des jeweiligen Künstlers einreihen.» ■

(Kunst-) Handwerk: Kunstbetriebler, mit einer Skulptur des Künstlers Urs Fischer.

Das junge Unternehmen Kunstbetrieb AG im Walzwerk Münchenstein lässt Künstlerträume wahr werden: Hierwird gebaut, was morgen im Museum steht.

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Kulturtipps

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BuchtippDie Strasse als Lebensnerv

Peter Hessler interessiert sich vor allem für eines: Strassen. Erfolgt ihnen durch ganz China und erzählt dabei auf humorvolleWeise, wie sie das Leben der Menschen tief gehend verändern.

VON OLIVER ZWAHLEN

China ist in Bewegung. Kaum etwas hat sich so stark verändert wie dasMobilitätsverhalten. Immer mehr Menschen kaufen sich ein Auto, Stras-sen erschliessen abgelegene Gegenden und wegen der besseren Infra-struktur verwandeln sich Berggegenden in Industriegebiete. Als PeterHessler vor bald zehn Jahren den chinesischen Führerschein machte,wollte er genau diesen Phänomenen nachspüren. Im gemieteten Gelän-dewagen reist der langjährige Korrespondent des «New Yorker» der Chi-nesischen Mauer entlang, die in den 30er-Jahren fast als Baumaterial füreine Autobahn hätte herhalten sollen, wie wir bei der Lektüre beiläufigerfahren. Hessler scheint auf der Reise durch die aussterbenden Dörferim Westen mit martialischen Namen wie «Schlachtet die Hu ab» jedenmitzunehmen, der an der Strasse steht: Lastwagenfahrer, ehemalige Sol-daten, und immer wieder «Dorfgrazien», die ihre Heimat verlassen, umin den Städten ihr Glück zu suchen. Szenenwechsel. Einige Zeit später mietet sich der Autor wenige Kilome-ter nördlich von Peking ein Bauernhaus. Wie viele Dörfer, droht auchSancha zunächst auszusterben: Im ganzen Ort gibt es ein einziges Kind,denn die meisten jungen Familien wandern in die Städte aus. Doch dannkommt die neue Strasse und mit ihr die neue städtische Mittelschichtaus Peking, die das einfache Landleben geniessen will. Dank der engenFreundschaft zu einer Familie gewinnt Hessler Einblick ins Dorfgesche-hen. So erzählt er detailreich von den Machtkämpfen vor einer Kandi-datur zum Dorfvorsteher oder wie jemand seinen behinderten Bruderbei der Provinzbehörde stehen lässt, bis die Beamten schliesslich diestaatliche Unterstützung doch noch auszahlen. Im dritten Teil des Bu-ches besucht Hessler ein neues Fabrikquartier in Südostchina und er-zählt, wie ein Unternehmer versucht, mit BHs reich zu werden. Was als ein einfacher Reisebericht aufgemacht ist, entpuppt sich bei nä-herem Hinsehen als zweierlei: Einerseits ist «Überland» eine gut lesbareStudie zu einem sich ändernden Mobilitätsverhalten, andererseits ge-lingt es Hessler immer wieder, eine grosse Nähe zu den Menschen undderen Schicksale in einem sich rasch wandelnden Land zu schaffen. Et-was vom Besten, was in der letzten Zeit über China erschienen ist.Peter Hessler: Überland – Begegnungen im neuen China. Berlin Verlag,

555 Seiten. CHF 39.–

DVDAngriff der talentierten MädchenFrisch, frech und fröhlich erzählt Helene Hegemann in ihrem Spiel-filmdebüt die Geschichte der 15-jährigen Mia Fisch, die nach demTod der Mutter zu ihrer Tante nach Berlin zieht. Was schwere Kostsein könnte, kommt äusserst witzig daher. Dabei ist die Regis-seurin, die auch gleich das Buch geschrieben hat, selbst ein erst 16-jähriger Teenager.

VON PRIMO MAZZONI

Während sich allerlei Gremien aus Experten, Politikern und Filmschaf-fenden immer wieder aufs Neue die Köpfe einschlagen, was denn nunder beste Weg sei, das gute (= erfolgreiche) Filmschaffen zu fördern,taucht allenthalben – auch dies geschieht immer wieder – ein kleines U-Boot auf, das neben allen Fahrwassern und quasi aus der falschen, weilungelernten, also amateurhaften Ecke kommt, und fegt mit Mikro-Bud-get die Millionenkisten von der Leinwand (naja, nicht ganz, aber ver-dient wärs schon). Wie das kommt? Weil es wirklich um etwas geht.Weil jemand eine Geschichte erzählen muss, die ihm oder ihr auf derSeele brennt, kurz: eine Geschichte, die berührt.Helene Hegemann hat mit 14 die Mutter verloren. Zog zu ihrem Vaternach Berlin. Hat die Schule geschmissen. Das musste raus, und so ent-stand irgendwie – ohne nachzudenken, fast automatisch, wie sie selbstsagt – ein Drehbuch. Nach und nach liess sie einzelne Leute darin lesen.Schliesslich fand sich eine Produktionsfirma, die mit ihr das Projekt aufprofessioneller Basis realisierte.Das Ergebnis, «Torpedo», dauert nur 40 Minuten. Die sind aber wahrlicheine Bombe. Ein kleiner Film, der ruhig aber dennoch wild ist, der mitden Erzählkonventionen, seinem Publikum und sich selbst herumspielt,immer ernst bei der Sache bleibt, aber sich nicht zu ernst nimmt. DenZuschauer stets in einer erfrischenden Unsicherheit schweben lässt,was denn nun ist, was nicht ist. «Torpedo» hat sehr gekonnt viele Regis-ter drauf. Kaum zu glauben, dass das erst der Anfang einer sehr ju-gendlichen Karriere sein könnte. TORPEDO (D 2008), 42 Min. Deutsch, englische Untertitel. Extras: Outtakes,

Regie-Interview, Kurzfilm «Spassvögel 1». www.filmgalerie451.de/film/torpedo

Fesselnd: Mias Kampf, mit Erwachsenen zurande zu kommen.

China ist im Wandel – Peter Hessler

gelang auf den Strassen des Landes eine

Studie mit grosser menschlicher Nähe.

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MusikHobo mit GitarreSeasick Steve besingt sein langes Leben auf der Strasse. DerRoots-Blues des Graubartes ist so eindringlich, dass sich nun dasDach der Royal Albert Hall über ihn spannt und sein neues Album«Man From Another Time» die Charts stürmt.

VON OLIVIER JOLIAT

Seit wann er Gitarre spielt, weiss Seasick Steve genauso wenig, wie anwelchem Tag er als Steven Gene Wold geboren wurde. Irgendwann inden 40er-Jahren, irgendwo in Kalifornien. Die Geburtsurkunde, wenn esdenn eine gab, hat er mit der Flucht vor dem prügelnden Stiefvater zu-rückgelassen. Seither war Steve ein Hobo, wie in Amerika umherzie-hende Obdachlose bezeichnet werden. Er folgte auf Güterzügen denErnten oder schlug sich mit anderen Gelegenheitsjobs quer durch dieUSA. 30 Jahre lang. Die Gitarre diente ihm bereits damals zur Aufbes-serung der Reisekasse. Die Musik liess Seasick Steve Anfang der 90er-Jahre in Seattle auch erstmals länger sesshaft werden. Die Stadt mutier-te gerade zum Mekka der Gitarrenmusik. Mit seinem eigenständig verschrobenen Stil wurde Steve ein gefragter Sessionmusiker und arbei-tete als Produzent. Sein erstes eigenes Album realisierte er jedoch erst2004, als er nach einem Herzinfarkt Ruhe suchte und mit seiner zwei-ten Frau in deren Heimat Norwegen zog.Ruhiger wurde es für Seasick Steve jedoch nicht. Denn mit seinem ers-ten Soloalbum «Dog House Music» begann für ihn ein neues Leben.Roots Music, egal ob Folk, Country oder Blues, ist im Aufwind. Und seitSeasick Steve mit seiner alten, nur mit drei Saiten bespannten Gitarre ineiner englischen Fernsehshow auftrat, wollen alle den so authentischenwie charismatischen Musiker sehen. Mittlerweile spielte Steve vor65000 Leuten am Glastonbury Festival oder in der altehrwürdigen Roy-al Albert Hall.Seine Zeit als Hobo lebt auf dem neuen Album «Man from Another Ti-me» jedoch weiter. Der Blues ist dank Steves einnehmender Stimme sowunderschön wie fern jeder Romantik, und passend instrumentiert mitSchrummel-Gitarre und Schepper-Schlagzeug. Spektakulär am schlich-ten Roots Blues ist vor allem, dass das Album auf Platz vier in die UK-Charts einstieg. Als hätte er es geahnt, dankt Steve mit dem Song «Hap-py (to Have a Job)». Darin schwört er, nie zu vergessen, wem er seinejetzige Arbeit verdanke und darum immer alles zu geben. Man darf sichauf die Konzerte freuen.Seasick Steve, «Man From Another Time» (Atlantic/Warner).

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Die 25 positiven FirmenDiese Rubrik ruft Firmen und Institutionenauf, soziale Verantwortung zu übernehmen.Einige haben dies schon getan, in dem siedem Strassenmagazin Surprise mindestens500 Franken gespendet haben. Damit helfensie, Menschen in pre kären Lebensumstän-den eine Arbeitsmöglichkeit zu geben undsie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zube g leiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? DieSpielregeln sind einfach: 25 Firmen werdenjeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jenerBetrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet

werden?

Mit einer Spende von mindestens 500 Franken

sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3,

Verein Strassenmagazin Surprise, 4051 Basel

Zahlungszweck:

Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag!

Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

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Brother (Schweiz) AG, Baden

Druckerei Hürzeler AG, Regensdorf

IBZ Industrie AG, Adliswil

Zeix AG, Zürich

Zürcher Kantonalbank, Zürich

Axpo Holding AG, Zürich

Experfina AG, Basel

AnyWeb AG, Zürich

muttutgut.ch, Lenzburg

Mobilesalad AG, Bern

Proitera GmbH, Basel

Coop Genossenschaft, Basel

Alfacel AG, Cham

Kaiser Software GmbH, Bern

chefs on fire GmbH, Basel

Statistik Georg Ferber GmbH, Riehen

Locher Schwittay Gebäudetechnik GmbH, Basel

Schützen Rheinfelden AG, Rheinfelden

Responsability Social Investments AG, Zürich

SV Group AG, Dübendorf

Baumberger Hochfrequenzelektronik, Aarau

Scherrer & Partner GmbH, Basel

VXL AG, Binningen

Thommen ASIC-Design, Zürich

Ingenieurbüro BEVBE, Bonstetten

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Ein Leben wie aus dem Booklet: Seasick Steve.

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Schlagzeug statt Sofa: Familie in Varanasi.

Ausgehtipps

BernDrogen, Drooogen, Droooooogen!Alkohol, Ecstasy, Haschisch, Heroin, Kokain, LSD, Speed und so wei-ter – bevor das Theaterstück auf Präventionstour durch Schulen und so-ziale Einrichtungen geht, ist es noch einmal in der Berner Vidmarhalle2 zu sehen: Hanna, Anfang 40, verheiratete Hausfrau und Mutter, hälteinen Vortrag über die Vorzüge regelmässigen Drogenkonsums. Gegenalle gesellschaftlichen Anfeindungen legt sie zwingend dar, dass Drogengut sind für die Menschheit, angstfrei und schlank, mutig und stark ma-chen. Zwischen Grössenwahn und Entzugserscheinungen pendelnd,unternimmt Hanna während ihres Diavortrags eine Reise Richtung Pa-radies. Und so wird die Drogenexpertin zur Drogensüchtigen und ihrprofessioneller Vortrag zum Bekenntnis eines gescheiterten Lebens.(mek.)«Welche Droge passt zu mir? Eine Einführung», 2. Februar 2010, 19.30 Uhr,

Vidmarhallen, Könizsrasse 161, Bern-Liebefeld. www.stadttheaterbern.ch

ZürichAuf der Couch

Das Sofa – der Dreh- und Angelpunkt gemeinschaftlichen Lebens: DerSchweizer Fotograf Fabian Biasio versammelte in Varanasi, der heiligenStadt am Ganges in Indien, Familien unterschiedlicher Kasten und Reli-gionen auf oder vor ihren Sofas. Seine Kamera war Biasio ein Türöffner,dank der ihm eindrückliche Einblicke in die vielschichtige indische Ge-sellschaft gelangen. (juk) Sofabilder aus Varanasi – Fotografien von Fabian Biasio, noch bis am 27. Juni,

Völkerkundemuseum der Universität Zürich. www.musethno.uzh.ch.

Entzug und Grössenwahn: die süchtige Drogenexpertin.

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1940: Zahnkontrolle bei einem Verdingmädchen durch den Armeninspektor.

Auf TourEntspannter EigenbrötlerManche bezeichnen Howe Gelb als «graue Eminenz des US-Gitarren-undergrounds». Andere nennen ihn Eigenbrötler. Und ganz Gewitzteziehen den Vergleich zu Neil Young. Auf jeden Fall zählt der Songwriteraus Arizona zu den umtriebigsten Musikern seiner Generation. Statt dasProfil für den grossen Erfolg zu schärfen, spielt er lieber mit verschie-denen Musikern unter wechselnden Bandnamen, zum Beispiel als GiantSand, aus denen die Kitschtruppe Calexico hervorging. Gelb seinerseitsbannt seine ureigene Americana ganz entspannt auf Platte um Platte, bisauch eingefleischte Fans den Überblick verlieren. Und wenn er geradenicht im Studio werkelt, geht er auf Konzertreise. In der Schweiz machtder grosse Freistiler dabei gleich fünfmal Halt. Ausreden à la «Ist mir zuweit» gelten also nicht. (ash)2. Februar, 20.30 Uhr, Café Kairo, Bern; 3. Februar, 20.30 Parterre Basel; 4. Februar,

20.20 Uhr, El Lokal, Zürich; 5. Februar, 21 Uhr, Flösserplatz, Aarau; 6. Februar,

21.30 Uhr, Grabenhalle, St. Gallen.

Die graue Eminenz gibt sich die Ehre: Howe Gelb.

BaselVerdingkinder erzählen

Es ist noch nicht lange her: Vom frühen 19. Jahrhundert bis in die1960er-Jahre war es in der Schweiz gängige Praxis, Kinder aus soge-nannten Problemfamilien zu «entfernen». Oft wurden die Kinder armerArbeiterfamilien oder Scheidungskinder von einer Amtsperson ohneVorankündigung abgeholt und zu einem Bauern aufs Land verfrachtet.Dort mussten die Verdingkinder ihre Spielsachen abgeben – und die Ar-beit bis zur totalen Erschöpfung begann. Lange Jahre blieb das Schick-sal der Verdingkinder ein Tabu, das von den Behörden totgeschwiegenwurde. Nun rollt die vom Verein Geraubte Kindheit konzipierte Ausstel-lung «Enfances Volées – Verdingkinder reden» dieses dunkle Kapitel derSchweizer Geschichte auf: In Hördokumenten und Videos von Betroffe-nen wird sowohl der Alltag der Kinder wie auch der Umgang mit dentraumatischen Erlebnissen dokumentiert. (mek)Die Ausstellung «Enfances Volées – Verdingkinder reden» ist noch bis zum 28. März

in der Basler Barfüsserkirche zu sehen. www.hmb.ch

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Di–So 10–17 Uhrwww.verdingkinderreden.ch

www.hmb.ch

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Verkäuferporträt«Unser Leben ist besser geworden»

AUFGEZEICHNET VON RETO ASCHWANDEN

Sanjiv Kumar«Früher haben wir beide die Gratiszeitung ‹.ch› verteilt. Zusätzlich habeich Swiss-Flugzeuge gereinigt. Letzten Herbst sind wir auf Surprise auf-merksam geworden. Wir haben uns gemeinsam im Zürcher Vertriebs-büro gemeldet. Es war ganz unkompliziert. Wir bekamen die Verkaufs-ausweise mit den Nummern 6085 und 6086 sowie je zehn Magazine alsStartkapital. Seit dem 17. November verkaufen wir das Heft in Winter-thur.

Regula Weilenmann KumarMein Verkaufsplatz liegt vor der Migros Neuwiesen sowie beim C&A inder Altstadt. Ich mache das nicht den ganzen Tag wie mein Mann, son-dern nur stundenweise. Dies deshalb, weil ich im Restaurant Frohsinn inEidberg Küchendienst mache. Dort gefällt es mir sehr, weil meine Arbeitgeschätzt wird. Meine Arbeitszeit dort reicht weit in die Nacht hinein,deshalb kann ich am anderen Tag nicht schon um acht Uhr früh wiederauf der Strasse stehen, um Surprise zu verkaufen.

Mein Standort ist der Bahnhof Winterthur. Manchmal stehe ich auchbeim C&A in der Altstadt. Da ist immer viel Betrieb. Ich fange morgensum acht an. Über Mittag wechsle ich in meine andere Anstellung bei derFirma ISS, da reinige ich die Busse der Winterthurer Verkehrsbetriebe.Die beiden Jobs haben etwas gemeinsam: Ich bin unter Leuten undkomme in Kontakt mit ganz verschiedenen Menschen.

Und wie verschieden die Menschen sind! Es gibt Leute, die sind unzu-frieden. Die benützen uns, um Dampf abzulassen. Deshalb möchten wirhier nicht zu viel erzählen. Denn manche grenzen einen erst recht aus,wenn sie über die Situation von jemandem wie uns Bescheid wissen. Ichbekam auch schon zu hören: Geh doch arbeiten. Da habe ich geantwor-tet: Was glauben Sie denn, was ich hier tue? Das ist ja Arbeit. Auch wennich nicht so hart schufte wie ein Eisenleger auf dem Bau. Aber den gan-zen Tag in der Kälte stehen – das ist auch anstrengend.

Es kommt vor, dass jemand aggressiv ist und dumme Sprüche macht.Das habe ich alles schon erlebt. Ich möchte aber sagen, dass die meis-ten Kunden freundlich sind. Manche wollen mich zum Beispiel zum Essen einladen.

Das habe ich auch erlebt. Und einmal brachte mir eine Kundin Konfitü-re mit. Das ist super nett, aber manchmal habe ich fast ein schlechtes Ge-wissen, denn diese Leute haben wahrscheinlich selber auch nicht vielGeld. Und ich kenne es einfach nicht, dass Menschen so grosszügig sind.Das habe ich nie erlebt, bevor ich angefangen habe, Surprise zu verkau-fen. Seit wir Surprise verkaufen, ist unser Leben besser geworden.

Das Ehepaar Regula Weilenmann Kumar, 39, und Sanjiv Kumar, 33, verkauft seit zwei Monaten Surprise inWinterthur. Manchmal müssen sie sich bei der Arbeit Sprüche anhören. Öfter aber staunen sie über die Gross-zügigkeit der Menschen.

Die Arbeit tut uns beiden sehr gut. Sie hilft uns, einander zu unterstüt-zen und miteinander ein Auskommen zu finden. In der Vorweihnachts-zeit haben wir sehr gut verkauft. Wie das im neuen Jahr wird, wissenwir nicht, wir sind ja erst etwa zwei Monate dabei.

Spannend finde ich, dass ich bei der Arbeit die Leute beobachten kann.Da gibt es alles: Vornehme, Mittelschicht und Arme. Interessanterweisekaufen die in den schicken Anzügen kaum einmal ein Heft, sondern sieignorieren uns – als wären wir Luft. Bei den Reichen lernt man eben spa-ren. Die Kundschaft kommt eher aus der Mittelschicht. Im neuen Jahrmöchten wir weiterhin Surprise verkaufen. Und ich will ein bisschen ab-nehmen.

Und wir möchten zusammen Ferien machen.

Für die Gesellschaft wünschen wir uns, dass man mehr zusammenhält.Wir hoffen, dass weniger Menschen ausgegrenzt werden. Dass mehr Leu-te eine Chance bekommen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.» ■

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Surprise kümmert sich um Menschen, die we-niger Glück im Leben hatten als andere. Men-schen, die sich aber wieder aufgerappelt habenund ihr Leben in die eigenen Hände nehmenwollen. Mit dem Verkauf des Strassenmaga-zins Surprise überwinden sie ihre soziale Iso-lation. Ihr Alltag bekommt Struktur und wie-der einen Sinn. Sie gewinnen neue Selbstach-tung und erarbeiten sich aus eigener Kraft ei-nen kleinen Verdienst. Die Surprise-Strassen-verkäuferinnen und -verkäufer helfen sich sel-

ber. Das verdient Respekt und Unterstützung.Regelmässige Verkaufende werden von Sur -prise-Sozialarbeiterinnen be treut, individuell begleitet und gezielt gefördert. Dazu gehörtauch, dass sie von Surprise nach bestandenerProbezeit einen ordentlichen Arbeits vertrag er-halten. Mit der festen Anstellung übernehmendie Surprise-Verkaufenden mehr Verantwor-tung; eine wesentliche Voraussetzung dafür,wieder fit für die Welt und den Arbeitsmarktzu werden.

Vorname, Name

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E-Mail

Datum, Unterschrift

1 Jahr: 8000 Franken 1/2 Jahr: 4000 Franken 1/4 Jahr: 2000 Franken 1 Monat: 700 Franken

Ja, ich werde Götti/Gotte von:

Talon bitte senden oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, [email protected], PC-Konto 12-551455-3

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Jovanka RoggerZürich

Eine Chance für alle!Werden Sie Surprise-Götti oder -Gotte

Gute Besserung!

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Vielleicht haben Sie ihn schon vermisst. Werregelmässig den Basler Bahnhof frequentiert,kommt unweigerlich bei Surprise-VerkäuferWolfgang Kreibich vorbei. Doch im Dezemberschlug das Schicksal zu: Wolfgang Kreibicherlitt einen Herzinfarkt und wird sich für län-gere Zeit erholen müssen. Doch schon im Spi-tal betonte der zähe Deutsche: «Ich werde zu-rückkehren.» Einstweilen wünschen wir ihmvon Herzen gute Besserung.

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer!Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, wel-

chen Verkäufer Sie an dieser Stelle sehen möchten:

Strassenmagazin Surprise, Redaktion,

Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel,

F +41+61 564 90 99, [email protected]

Peter Gamma, BaselPeter Hässig, BaselAndreas Ammann, BernWolfgang Kreibich, BaselKurt Brügger, BasellandAnja Uehlinger, Baden

Ausserdem im Förderprogramm SurPlus:

Bob Ekoevi Koulekpato, BaselMarika Jonuzi, BaselMarlise Haas, BaselTatjana Georgievska, BaselRené Senn, Zürich

Als Götti oder Gotte ermöglichen Sie einer Strassenverkäuferin oder einem -verkäufer eine betreute Anstellung bei Surprise und damit dieChance zur Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben.

Fatima KeranovicBaselland

Jela VeraguthZürich

Kumar ShantirakumarBern

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30 SURPRISE 217/10

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24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– )(Verpackung und Versand bietenStrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.)

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Impressum

HerausgeberStrassenmagazin Surprise GmbH, Postfach, 4003 Baselwww.strassenmagazin.chGeschäftsführungFred LauenerÖffnungszeiten SekretariatMo–Do 9–12/14–16.30 Uhr, Fr 9–12 UhrT +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 [email protected] Lauener (Leitung), Reto Aschwanden, Julia Konstantinidis, Mena Kost, Agnes Weidkuhn (Koordina-tion), T +41 61 564 90 70, [email protected] MitarbeitAmir Ali, Andrea Ganz, Olivier Joliat, Carlo Knöpfel, Alexander Marzahn, Primo Mazzoni, Esther Michel, Stefan Michel, Stephan Pörtner, Milena Schärer, IsabellaSeemann, Udo Theiss, Priska Wenger, Madeleine Wohlfahrt, Oliver Zwahlen Korrektorat: Alexander JungoGestaltungWOMM Werbeagentur AG, BaselDruckAVD GoldachAuflage29 400, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./JahrAnzeigenverkaufTherese Kramarz, T +41 61 564 90 90 [email protected]

MarketingTheres BurgdorferVertriebSmadah LévyBaselMatteo Serpi ZürichReto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 ZürichT +41 44 242 72 11, Mobile +41 79 636 46 12 [email protected] Maurer, Pappelweg 21, 3013 Bern T +41 31 332 53 93, Mobile +41 79 389 78 [email protected] und FörderungRita Erni, T +41 61 564 90 51 Chor/KulturPaloma Selma, T +41 61 564 90 40StrassensportLavinia Biert, T +41 61 564 90 10www.strassensport.chTrägerverein Strassen magazin Surprise Präsident: Carlo Knöpfel

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugs -weise oder in Ausschnitten, nur mit aus-drücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redak-tion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt.

Surprise ist:

Hilfe zur Selbsthilfe Surprise fördert seit 1997 die Selbsthilfe von Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit beglei-teten Angeboten in den Bereichen Arbeit, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selb-ständigkeit und berufliche Eingliederung, das Verantwortungsbewusstsein, die Gesundheit undeine positive Lebenseinstellung. Surprise gibt es in der deutschsprachigen Schweiz.

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimmeund sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Ge-sellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit.

Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende unabhängige Strassenmagazin Surprise heraus.Neben einer professionellen Redaktion verfügt das Strassenmagazin über ein breites Netz vonfreien Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen. Der überwiegende Teil der Aufla-ge wird von Menschen ohne oder mit beschränktem Zugang zum regulären Arbeitsmarkt aufStrassen, Plätzen und in Bahnhöfen angeboten. Die regelmässige Arbeit gibt ihnen eine Tages-struktur, neues Selbstvertrauen und einen bescheidenden aber eigenständig erwirtschaftetenVerdienst. Für viele Surprise-Verkaufende ist das Strassenmagazin der erste Schritt zurück in eineigenständiges Leben.

Strassensport Der zweite Schwerpunkt von Surprise ist die Integration von sozial benachteiligten Menschenin der Schweiz über den Sport. Mit einer eigenen Strassenfussball-Liga, regelmässigem Trai-nings- und Turnierbetrieb, der Schweizermeisterschaft sowie der Teilnahme des offiziellenSchweizer Nationalteams am jährlichen «Homeless Worldcup» vernetzt Surprise soziale Institu-tionen mit Sportangeboten in der ganzen Schweiz.

Organisation und Internationale VernetzungSurprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden von der Stras-senmagazin Surprise GmbH geführt, die von dem gemeinnützigen Verein Strassenmagazin Sur-prise kontrolliert wird. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerks der Stras-senzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband gegen 100Strassenzeitungen in über 40 Ländern an.

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Anzeigenverkauf Therese Kramarz, T +41 76 325 10 60, [email protected]

*gemäss MACH Basic 2009-2.

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Ja, ich will Stadion-Besitzer werden

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Kaufen Sie ein StadionImmer mehr sozial Benachteiligte finden Freude am Sport: 15 Teams streiten ab März dieses Jahresum den Schweizer Meistertitel der Obdachlosen Fussballer, eine Rekordzahl. Um die Begeisterung mit der passenden Infrastruktur unterstützen zu können, hat Surprise eine eigene Street-Soccer-Arena gekauft. Helfen Sie mit. Werden Sie Besitzer einer turniertauglichen Anlage von 22 x 16 m – mitToren und Seitenbanden – und sponsern Sie einen oder gleich mehrere der 352 Quadratmeter à 100Franken. Die Gönner werden auf einer Bande mit Namen verdankt.