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IDENTITÄT UND KULTURELLES ERBE IN BOSNIEN UND HERZEGOVINA UNTER BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG VON SARAJEVO DIPLOMARBEIT zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Naturwissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz vorgelegt von EDNA DEDIC am Institut für Geographie und Raumforschung Begutachter: Mag.phil. Dr.rer.nat. Wolfgang Fischer Graz, 2018

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IDENTITÄT UND KULTURELLES ERBE IN

BOSNIEN UND HERZEGOVINA

UNTER BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG VON SARAJEVO

DIPLOMARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Naturwissenschaften

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

EDNA DEDIC

am Institut für Geographie und Raumforschung

Begutachter: Mag.phil. Dr.rer.nat. Wolfgang Fischer

Graz, 2018

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EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Hiermit erkläre ich, Edna Dedic, ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Diplomarbeit

selbstständig verfasst, alle dafür benötigten Quellen als solche kenntlich gemacht und sonst

keine anderen Quellen benutzt habe.

Diese Fassung entspricht der elektronisch eingereichten Version und wurde nicht

veröffentlicht.

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Za svu njihovu podršku i ljubav, mojoj

mami Selmi, tati Redzi i mojoj braći Edinu

i Arminu.

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VORWORT

''Viđena izvana i bez ljubavi, Bosna je gruba i teška, viđena iznutra i sa ljubavlju, koju

zaslužuje, ona je ljudski bogata iako su sebi nesaznana potpuno.''

(Mehmed Meša Selimović)

Das „Bosnische“ in mir ließ mich in Österreich mit zwei Kulturen aufwachsen - was natürlich

nicht immer leicht war. Doch nicht zuletzt dadurch konnte ich diese beiden Kulturen stets

miteinander vergleichen und dabei auch zentrale Unterschiede feststellen. Die vielen Reisen

nach Bosnien vermittelten mir immer einen warmen, herzlichen Eindruck, trotz der vom Krieg

gezeichneten Landschaftserscheinungen und der immer noch angespannten Verhältnisse

zwischen Serben, Kroaten und Bosniaken.

Nachdem ich im Zuge meines Studiums großes Interesse an der Humangeographie entwickelt

habe, wollte ich genau dieses „Bosnische“ genauer betrachten, wodurch ich begann, vermehrt

Bücher und Paper über Bosnien und Herzegowina zu lesen. Der Entschluss, mich in meinem

Studium gezielt mit diesem Thema auseinanderzusetzen, fiel, als ich an einer vom

Geographieinstitut veranstalteten Bosnienexkursion teilnahm. Durch diese Exkursion wurde

ich auf viele Aspekte aufmerksam, die ich im Rahmen meiner Familienausflüge nach Bosnien

in diesem Ausmaß davor nicht erfahren hatte. Dadurch erkannte ich sowohl ein persönliches

Anliegen, mich diesem Thema zu widmen, als auch das darin versteckte Potenzial. Meine

Herkunft ermöglichte mir einen gewissen Blick von innen, den ich mit der Blickrichtung von

außen kombinieren konnte, wodurch ich mich dazu bewegt fühlte, Klarheit und eine mögliche

Besserung für dieses Land zu schaffen.

Mein Ziel hierbei ist es, die beiden Themengebiete Identität und Kulturerbe miteinander zu

verbinden: die in uns allen steckende Identität als ein omnipräsenter und dennoch abstrakter,

nur sehr schwer greifbarer Begriff in Kombination mit dem Begriff des Kulturerbes, das

Identität nach außen repräsentiert.

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An dieser Stelle möchte ich mich noch bei einigen Personen bedanken, ohne deren

Unterstützung ich wohlmöglich nicht so weit gekommen wäre. Allen voran geht mein größter

Dank an meine Familie, die mich durch meine gesamte Studienzeit hindurch unterstützt hat

und an die ich mich bei allen Belangen stets wenden konnte. Besonders meine Eltern schafften

und schaffen immer wieder alles in ihrer Macht stehende, um mir die bestmöglichen Wege

für meine Zukunft zu ermöglichen. Ihnen verdanke ich es, dass ich meine Potenziale erkenne,

so weit gekommen bin und noch sehr viel mehr in meinem Leben erreichen möchte. Auch auf

meine Brüder, die mich immer in ihr Leben integrieren, ist stets Verlass.

Weiters geht mein Dank an meine Freunde, für deren Unterstützung ich sehr dankbar bin, an

alle Institution, die hier für diese Arbeit mitgewirkt haben, wie die Nationalbibliothek und das

Office of the High Representative, sowie auch meinem Verwandten, Asmir Vučkić, der mir vor

allem in der Kooperation und mit sprachlichen Herausforderungen zur Seite stand. Zu guter

Letzt geht mein Dank auch an meinen Betreuer und Mentor dieser Arbeit, Herr Wolfgang

Fischer, an dessen Rat ich mich stets stützen konnte.

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I KURZFASSUNG

Der Balkankrieg in Bosnien und Herzegowina wurde nicht nur durch Morde an Menschen und

durch „ethnische Säuberungen“ ausgetragen, sondern auch durch das Zerstören von

Erinnerung, von kulturellem Erbe. Dieses Kulturerbe ist Träger geschichtlicher Ereignisse und

kollektiver Identitäten und trägt besonders in einem multiethnischen Land wie Bosnien und

Herzegowina immense Bedeutung.

Die vorliegende Arbeit beschreibt dahingehend die notwendigen theoretischen Grundlagen

zum besseren Verständnis der Begrifflichkeiten „Identität“, „Ethnizität“ und „Nation“, mit

Fokus auf die geschichtliche Aufarbeitung und Relevanz für das Land. So lässt sich die

Problematik der Multiethnizität anhand von historischen Ereignissen, die die Entwicklung

dieser Identitäten bewirkten, nachvollziehen. Die Einflüsse sowohl auf die Identität, der

Nationenbildung, als auch auf das kulturelle Erbe, beginnen mit der osmanischen Herrschaft,

gefolgt von der Österreich-Ungarischen Monarchie, die das Land in greifbarer und nicht

greifbarer Weise prägten. Besonders der jüngste Krieg hinterließ jedoch tiefe Spuren und

beeinflusste verheerend die Ausprägungen der Identitäten.

Dabei stellt Sarajevo – ein Paradebeispiel für Multikulturalität –, wo Moschee, katholische und

orthodoxe Kirchen und Synagoge nur wenige Schritte voneinander entfernt liegen, das

Hauptuntersuchungsgebiet für diese Arbeit dar. Diese besondere Konstellation, verbunden

mit empirischer Forschung anhand von Experteninterviews vor Ort, ermöglichen die

Darbietung der Einflussnahme der Identität auf das Kulturerbe.

Besondere Berücksichtigung erlangen im Zuge dessen die politischen Gegebenheiten im Land,

vor allem seit dem Dayton-Friedensabkommen von 1995, die durch ihre Komplexität und

Intransparenz zu wenig Fortschritt in administrativen Angelegenheiten führen. Dabei zeigt

sich, dass die ethnische Konstellation im Land mit den noch nachwirkenden Geschehnissen

seit dem letzten Balkankrieg noch viele Spuren in Hinblick auf Bewahrung und Inwertsetzung

von Kulturerbe hinterlassen haben.

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II ABSTRACT

Among the many atrocities that occured during the war in Bosnia and Herzegovina – which

included mass killings and ethnical cleansing – was also the destruction of cultural heritage.

This cultural heritage is a reminder of historical events and collective identity and is especially

important in a multicultural country like Bosnia and Herzegovina.

The purpose of my thesis is therefore to describe the necessary tools for understanding the

notions of "Identity", "Ethnicity" and "Nation" in a historical context. This allows us to

comprehend the problem and development of multi-ethnicity and the historical events that

played a role in forming them. These influences on identity, the founding of nations and the

cultural heritage started with the Ottoman empire, followed by the Austro-Hungarian

monarchy. The shaping of identities was influenced greatly by the tremendous repercussions

of the last war.

The investigated area of my thesis is Sarajevo, not only a symbol of multiculturalism but also

a city where mosques, catholic and orthodox churches and synagogues are all part of the

urban image. This unique constellation, together with interviews of experts conducted in this

city, presents the ideal opportunity to illustrate the influence of identities on the cultural

heritage.

Special focus is put on the political development since the Dayton Agreement of 1995.

Because of the complexity and lack of transparency of this agreement only very little progress

was achieved in administration.

It shows that the ethnic constellation in the country with the aftermath of events since the

last war in Bosnia and Herzegovina left many traces in terms of preservation and protection

of cultural heritage.

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III SAŽETAK

Sav užas rata u Bosni i Hercegovini nije se odnosio samo na ubistva i „etnička čišćenja“, nego i

na uništavanje baštine minulih vremena, tačnije kulturno-historijskog naslijeđa.

To kulturno-historijsko naslijeđe je nosilac kulturno-historijskih događaja kao i zajedničkog

identiteta naroda koji u njoj žive. Ono je kao takvo od neizmjerno važnog značaja za

multietničku državu kao što je Bosna i Hercegovina.

Ovaj rad opisuje sve teoretski neophodne elemente koji su potrebni za razumijevanje pojmova

„identitet“, „nacionalnost“ i „nacija“. Svi ovi pojmovi u direktnoj su vezi sa historijskim

dešavanjima koja su veoma važna za Bosnu i Hercegovinu.

Na ovaj način svakako se bolje može razumijeti problematika multietničnosti koja se bazira na

kulturno-historijskim događajima, tačnije na događajima koji su doveli do nastanka i razvoja

identiteta.

Uticaji koji su vodili formiranju identiteta, nacija, te kulturno-historijske baštine počinju

dolaskom Osmanlija na prostore današnje Bosne i Hercegovine, da bi se nastavili u vrijeme

Austro-Ugarske Monarhije čiji se uticaj osjećao kako posredno tako i neposredno.

Nedavni rat u Bosni i Hercegovini ostavio je duboke tragove koji su imali ogroman uticaj na

formiranje identiteta.

Moj istraživački rad počinje stoga u Sarajevu, koje je po svemu simbol multikulturalnosti i

suživota. U ovom gradu stoje na samo nekoliko koraka udaljenosti jedna od druge džamija,

katolička i pravoslavna crkva, te sinagoga.

Ova posebna konstelacija koja se zasniva na empirijskom istraživanju kroz razgovore sa

stručnjacima iz ove oblasti na licu mjesta, jasno prikazuje uticaj identiteta na kulturno-

historijsko naslijeđe.

Posebna požnja usmjerena je i na Dejtonski mirovni sporazum koji zbog svoje složenosti i

netransparentnosti stvara znatne poteškoće u razvoju administracije.

Iz svega možemo zaključiti da je poslednji rat na Balkanu ostavio mnogo tragova i posljedica

koji se odnose na čuvanje i važnost kulturno-historijskog naslijeđa.

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INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT I KURZFASSUNG ..............................................................................................6 II ABSTRACT ....................................................................................................7 III SAŽETAK .....................................................................................................8 IV INHALTSVERZEICHNIS ................................................................................9 V ABBILDUNGSVERZEICHNIS ........................................................................11 VI TABELLENVERZEICHNIS ............................................................................12

1. EINLEITUNG ................................................................................................................ 13

1.1 Forschungsfrage und Ziel der Arbeit ................................................................................... 15

1.2 Hypothesen ...................................................................................................................... 17

1.3 Arbeitsmethodik ............................................................................................................... 18

1.3.1 Literaturrecherche ................................................................................................................ 19

1.3.2 Statistische Daten ................................................................................................................. 19

1.3.3 Expertengespräche ............................................................................................................... 20

2. THEORIE ...................................................................................................................... 22

2.1 Identität ........................................................................................................................... 25

2.2 Ethnizität .......................................................................................................................... 27

2.3 Nation .............................................................................................................................. 29

2.4 Religion und der Weg zur Nation ....................................................................................... 30

2.4.1 Die Anfänge Bosnien-Herzegowinas .................................................................................... 32

2.4.2 Osmanische Herrschaft (1463-1878) .................................................................................... 34

2.4.3 Österreich-Ungarische Monarchie (1878-1918) .................................................................. 35

2.5. Das kulturelle Erbe ........................................................................................................... 37

2.5.1 Kultur .................................................................................................................................... 38

2.5.2 Kulturerbe und Identität....................................................................................................... 40

2.5.3 UNESCO ................................................................................................................................ 43

2.5.4 Regelungen für Kulturerbe in BiH ......................................................................................... 46

3. DAS UNTERSUCHUNGSGEBIET SARAJEVO .................................................................... 54

3.1 Geographische Gegebenheiten .......................................................................................... 56

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3.2 Bevölkerung und statistische Daten ................................................................................... 56

3.3. Regulationen von Kulturerbe in Sarajevo .......................................................................... 59

3.4 Zerstörung und Wiederaufbau des Kulturerbes .................................................................. 62

3.4 Expertengespräche ............................................................................................................ 73

4. ERGEBNISSE DER UNTERSUCHUNG .............................................................................. 90

5. ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNG ........................................................ 93

6.VERZEICHNIS DER ARBEITSGRUNDLAGEN ..................................................................... 99

6.1 Literatur ........................................................................................................................... 99

6.2 Internet ........................................................................................................................... 103

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Ethnische Bevölkerungsverteilung vor dem Krieg (1991) .................................. 23

Abbildung 2: Ethnische Bevölkerungsverteilung nach dem Krieg (1998)………………………………23

Abbildung 3: Bosnien und Herzegowina im Mittelalter ……………………………………………………….32

Abbildung 4: Das Osmanische Reich 1326 bis 1683 ................................................................. 34

Abbildung 6: Eisberg-Modell ................................................................................................... 39

Abbildung 5: Drei Ebenen der mentalen Programmierung des Menschen ............................. 40

Abbildung 7: Mehmed Paša Most in Višsegrad ........................................................................ 45

Abbildung 8: Mostar ................................................................................................................. 45

Abbildung 9: Stećci Grabsteine ................................................................................................ 45

Abbildung 10: Das politische System BiHs ............................................................................... 48

Abbildung 11: Ministerien fšr Kulturerbe in BiH ...................................................................... 50

Abbildung 12: Flagge BiHs ........................................................................................................ 54

Abbildung 13: Flagge Sarajevos ................................................................................................ 54

Abbildung 14: Flagge Sarajevos ................................................................................................ 54

Abbildung 15: Flagge Sarajevos ................................................................................................ 54

Abbildung 16: Flagge Sarajevos ................................................................................................ 54

Abbildung 17: Symbol für Multikulturalität in Sarajevo .......................................................... 58

Abbildung 18: Veranschaulichung der administrativen Gliederung von Kulturerbe in Sarajevo

.................................................................................................................................................. 59

Abbildung 19: Gedenktafel in Sarajevo .................................................................................... 64

Abbildung 20: Abbildungen kulturellen Zerstörens ................................................................. 65

Abbildung 21: Abbildungen kulturellen Zerstörens ................................................................. 66

Abbildung 22: Abbildungen kulturellen Zerstörens ................................................................. 67

Abbildung 23: Nationalbibliothek Sarajevos im August 1992 .................................................. 69

Abbildung 24: Nationalbibliothek Sarajevos ............................................................................ 71

Abbildung 25: Seilbahn auf Trebević ........................................................................................ 72

Abbildung 26: Aufgewertete Olympia-Rodelbahn in Sarajevo ................................................ 73

Abbildung 27: Aufschrift im Zentrum Sarajevos ...................................................................... 98

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TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1: Ethnische und konfessionelle Zugehörigkeit in Bosnien und Herzegowina ........... 23

Tabelle 2: Anzahl an zerstörten muslimischen Bauten…………………………………………………………63

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1. EINLEITUNG

Vor über zwei Jahrzehnten – im März 1992 – stimmten die Menschen in Bosnien und

Herzegowina fast einstimmig für ein unabhängiges Land. Wie Riedlmayer es in seinem Buch

„(Re)Constructions“ (2002) beschreibt, versammelten sich nach den Wahlen mehr als 100.000

Bürger – darunter Muslime, Christen und andere – vor dem Parlamentsgebäude in Sarajevo

und riefen: "Mi smo za mir!", auf Deutsch: „Wir sind für den Frieden!". Diese Rufe nach

Frieden wurden durch Schüsse zum Schweigen gebracht, als bewaffnete serbische

Nationalisten von den Obergeschoßen des gegenüberliegenden Holiday-Inn-Hotels offenes

Feuer auf die untenstehende Menge eröffneten und dabei dutzende von Menschen töteten

und verletzten (Riedlmayer 2002, S. 98). Von diesem Zeitpunkt an bombardierte die von

Serben angeführte Jugoslawische Armee systematisch Sarajevo, das – umgeben von Hügeln

– perfekt für eine Auslöschung der Stadt geeignet zu sein schien. Die an den Hügeln um

Sarajevo verteilten, mit Zielfernrohren ausgestatteten Scharfschützen schossen Zivilisten ab,

als sie die Straßen auf der Suche nach Essen, Wasser und Schutz absuchten. So begann der

Angriff auf Bosnien-Herzegowina.

Von Anfang an war dieser geprägt von zwei Merkmalen, die wenig mit Menschlichkeit zu tun

hatten:

• Die Massenvertreibung und -tötung von BürgerInnen, die aus ihren Häusern vertrieben,

ausgeraubt, vergewaltigt und ermordet wurden, weil sie der "falschen" Ethnie und Religion

angehören sowie

• das gezielte Zerstören von kulturellen, religiösen und historischen Sehenswürdigkeiten und

Denkmälern und, damit verbunden, Erinnerungen (Riedlmayer 2002, S. 2).

Geprägt von diesem grauenvollen, gewaltsamen Krieg der Jahre 1992 bis1995, der bis heute

ein Symbol für ethnische Säuberungen, Massenmorde, Vertreibungen, Gefangennahmen,

Vergewaltigungen und vieles mehr ist, rückte Bosnien und Herzegowina nicht nur in Zeiten

des Krieges sondern auch vermehrt in der heutigen Zeit ins europäische Interesse. Mit seiner

Multikulturalität, den drei Ethnien, drei Sprachen und drei Religionen stellt es immer wieder

eine besondere Herausforderung dar, nicht nur für das Land selbst, sondern auch für das

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wirtschaftliche, politische und natürlich gesellschaftliche Miteinander im europäischen

Aspekt. Anders als in anderen Ländern des ehemaligen Jugoslawiens und auch des restlichen

Europas besteht in Bosnien-Herzegowina die Besonderheit, dass der Staat nicht nach dem

ethnischen Prinzip gegründet wurde und die Nationen nicht mit der territorialen Verteilung

übereinstimmen, die Bevölkerung Bosnien-Herzegowinas also nicht aus einer staatstragenden

Nation, sondern aus drei Nationen besteht, die sich das Land „teilen“ und die als „konstitutive

Völker“ bezeichnet werden: bosnische Serben, bosnische Kroaten und bosnische Muslime

(Bosniaken) (Cudic, 2001 S. 16). Diese drei Völker sind seit dem Dayton-Abkommen von 1995

völlig gleichberechtigt, auch wenn Bosniaken die Mehrheit des Landes ausmachen. Die

ethnische Konstellation im Land und die dynamische Bevölkerungsaufstellung stellen eine

einmalige Gegebenheit von Multikulturalität in Europa, sogar auf der Welt, dar. Dabei bezieht

sich die Bezeichnung „Bosnier“ oder „Bosnierin“ auf eine rein regionale Herkunft und sagt

nichts über die nationale Zugehörigkeit aus. Eine derartige Unterscheidung zwischen

Nationalität und Staatsbürgerschaft ist für Westeuropa schwer nachzuvollziehen und

sprachlich als Begriff lediglich im Russischen verankert, wo dafür das Wort национальность

(„nazionalnost“) verwendet wird. In einem russischen Reisepass bzw. am Visumsantrag findet

man neben der Staatsbürgerschaft also auch das Feld für „Nationalität“ (Mappes-Niediek 2005

S. 69). In Bosnien und Herzegowina sind das drei Nationen, die sich in ihrer Ethnie, Sprache,

Religion und natürlich in ihrer Geschichte voneinander unterscheiden. Diese

Unterscheidungsmerkmale, an denen man die verschiedenen Ethnien als Außenstehender

meist erst durch einen Blick auf die kulturellen Symbole wie Moscheen oder Kirchen

voneinander abgrenzen kann, sind für die jeweiligen Ethnien als Bewohner desselben Staates

als repräsentatives Distinktionsmerkmal zu sehen. Von außen betrachtet bleiben diese

Unterschiede aber häufig auch unsichtbar, ja sogar unhörbar, denn die Dialekte sind nicht den

Ethnien zugeteilt, sondern beruhen einzig auf der geographischen Lage und werden ihrer

nationalen Zugehörigkeit nach entweder „Bosnisch“, „Kroatisch“ oder „Serbisch“ genannt.

Lediglich bei den Wörtern für „Brot“ (hlijeb oder kruh) und „Kaffee“ gibt es, je nach Ethnie,

Unterschiede. Da heißt es für BosnierInnen „kafa“ oder „kahva“, für SerbInnen auch „kafa“

und für KroatInnen „kava“, obwohl sie alle den gleichen, aus dem türkischen Raum

stammenden, Kaffee trinken. Ein Bosnier/eine Bosnierin erkennt meist am Namen, welcher

Ethnie jemand zugehörig ist – dies ist aber auch nicht immer der Fall.

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Durch diese besondere Zusammensetzung der Bevölkerung werden in Kapitel 2 die für ein

leichteres Verständnis relevanten Begrifflichkeiten erläutert. Dabei soll gezeigt werden,

welche Ansätze es dazu gibt, aber vor allem gilt das Augenmerk darauf, woher diese

Identitäten kommen, wie sich diese Nation gebildet hat (Kapitel 2.3) und in welcher Form die

sogenannten konstitutivem Völker heute nebeneinander bestehen. Dazu ist es notwendig den

geschichtlichen Hintergrund zu durchleuchten, der die Etablierung der Religionen stark

beeinflusste (Kapitel 2.4).

In einem Land mit vielseitigem geschichtlichen Einfluss, der Koexistenz dreier verschiedener

Identitäten, drei Religionen und dem blutigen Konflikt von 1992-1995, spielt kulturelles Erbe

eine gewichtige Rolle. Jedoch hat Bosnien und Herzegowina kein eigens der Kultur

gewidmetes Ministerium auf Landesebene und kein allgemein nationales Gesetz, das

Angelegenheiten in Hinblick auf Kultur oder Erbe regelt. Anzumerken ist auch, dass sich

heutzutage wenig mit dem Thema Kulturerbe in Bosnien und Herzegowina beschäftigt wird

und der aktuelle Forschungsstand sich mit der Nachkriegssituation im Land auseinandersetzte,

jedoch nicht weiterzugehen scheint, sodass es wenig Publikationen zu diesem Thema

vorfinden lassen.

Für das Kulturerbe stellt eine nationale Aufteilung in drei Nationen eine kulturelle Varietät

dar, die zugleich auch eine Herausforderung ist. Zum einen steht durch die komplizierte

politische und juristische Lage im Land immer wieder die Streitfrage im Raum, was vom durch

den Krieg Zerstörten wiederaufgebaut bzw. instand gesetzt wird; auf der anderen Seite geht

es darum, bei wem die Zuständigkeiten liegen.

Das in der Arbeit angesprochene Kulturerbe versteht sich dabei als tangibles Erbe, das auf

Identität und Erinnerung, also intangible heritage, einer oder – wie in diesem Fall – mehrerer

Kulturen beruht.

1.1 FORSCHUNGSFRAGE UND ZIEL DER ARBEIT

Mit seiner einmaligen anthropologischen Konstellation steht Bosnien und Herzegowina vor

vielen, immer wieder kehrenden Problemen, die seit dem Balkankrieg und durch das Dayton-

Abkommen zwar stillgelegt, jedoch nie wirklich gelöst worden sind. Mit dieser Problematik

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hat auch das Kulturerbe zu ringen, das von den jeweiligen Identitäten repräsentiert wird.

Historisch bedeutende und einzigartige Denkmäler und Gebäude zu zerstören ist bereits fatal

genug, diese jedoch aufgrund von Uneinigkeit und innerethnischer Diskrepanzen nicht

wiederaufbauen zu können und zu wollen, kann ich nicht einfach so hinnehmen und möchte

daher mit dieser Arbeit den Menschen Ansätze zur Klärung und hoffentlich zur Lösung der

Probleme bieten.

Dieser Arbeit liegt folgende Hauptforschungsfrage zugrunde:

• Inwiefern beeinflusst Identität die Bewahrung und Inwertsetzung des kulturellen

Erbes in Bosnien und Herzegowina?

Die damit zusammenhängenden Subforschungsfragen lauten:

• Woher stammen die drei Identitäten?

• Gibt es eine überregionale bosnische Identität? Gibt es eine nationale Einheit?

• Welchen Einfluss hat das Vorhandensein mehrerer Nationen und

• wie sieht eine Zusammenarbeit der drei Identitäten in Hinblick auf Kulturerbe aus?

Mit dieser Arbeit will ich zum einen aufzeigen, welche Identitäten es in Bosnien und

Herzegowina gibt, in welchem Zusammenhang sie miteinander stehen und wie diese die

Erhaltung und Inwertsetzung des Kulturerbes seit dem Krieg beeinflussen. Dabei soll

dargestellt werden, wie die Ethnizitäten auf das Zusammenleben in der multikulturellen Stadt

Sarajevo einwirken. Weiters soll durch diese Arbeit das Potenzial des kulturellen Erbes in

Hinblick auf Investment, Tourismus und einem damit zusammenhängenden wirtschaftlichen

Aufschwung eruiert werden.

Ob hierbei jede Identität seine eigene Kultur repräsentieren will oder ob es eine nationale

gemeinsame Identität gibt, möchte ich in der vorliegenden Arbeit erforschen. Weitere Fragen,

die in diesem Zusammenhang beantwortet werden sollen, sind: Wie sieht dahingehend die

demographische Konstellation des Landes aus und wie beeinflusst diese das Zusammenleben,

vor allem in Hinblick auf das Kulturerbe? Ziehen die Ethnien an einem Strang oder kämpft jede

separat für die Durchsetzung ihrer eigenen Ziele?

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Als übergeordnetes Ziel liegt es mir am Herzen, aus Bosnien und Herzegowina das Land zu

machen, das es für mich bereits ist: ein multikulturelles, offenes und tolerantes, in dem man

den Krieg sacken lässt, nach vorne sieht und einen gemeinsamen Weg einschlägt. Es kann

bestimmt noch dauern, bis alle Geschehnisse „verdaut“ sind, jedoch finde ich, ist es an der

Zeit mehr Toleranz und ein besseres Miteinander zwischen den drei Ethnien zu fördern, wozu

ich hiermit gerne einen Beitrag leisten möchte. Da die Flucht aus dem Land oder - besser

gesagt - die „Flucht nach Dokumenten“ („za papire“) ein sehr aktuelles und problematisches

Thema in Bosnien und Herzegowina ist, möchte ich vor allen Dingen den Jugendlichen einen

Schimmer Hoffnung für ihr Land aufzeigen, um sie zu inspirieren, ihr Land nicht zu verlassen,

sondern es vielmehr in gemeinschaftlicher Zusammenarbeit neu zu gestalten.

1.2 HYPOTHESEN

Die erste Hypothese dieser Diplomarbeit bezieht sich auf die drei im Land nebeneinander und

zumindest bis zu einem gewissen Grad miteinander lebenden Ethnien. Aufgrund der

vergangenen Ereignisse und der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen diesen

ethnischen Gruppen ergibt sich für mich die erste Hypothese:

1. Hypothese: Es gibt keine überregionale, nationale Identität in Bosnien und Herzegowina,

nur die Bosniaken sehen sich als BosnierInnen.

Durch die komplizierte politische und judikative Konzepte im Land, lassen sich Korruption und

Verbrechen leicht verbergen, wodurch ein Aufschwung des Landes nur schleppend

vorangehen kann. Ein Teufelskreis ergibt sich dadurch, dass nicht zuletzt deshalb sehr viele

junge Menschen keine Zukunftsperspektiven im Land sehen und dieses verlassen.

2. Hypothese: Durch Korruption im Land herrscht große Unzufriedenheit und Misstrauen der

Bevölkerung gegenüber der politischen Führungskräfte, wodurch die Emigration zusätzlich

verstärkt wird.

Die besondere Gegebenheit der Multiethnizität trägt nicht nur Negatives mit sich, sondern

sorgt auch für vielversprechendes Potenzial im Land. Daraus ergeben sich zwei weitere

Hypothesen:

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3. Hypothese: Die Multikulturalität und das Kulturerbe der unterschiedlichen Ethnien stellen

ein großes Potenzial für Tourismus und Wirtschaft dar.

4. Hypothese: Wenn es um die Erhaltung und Inwertsetzung des Kulturerbes geht, ziehen alle

Ethnien an einem Strang.

1.3 ARBEITSMETHODIK

Die vorliegende Arbeit basiert sowohl auf umfassender Literaturrecherche als auch auf der

Lektüre und Verarbeitung aktueller Paper und Internetquellen. Vor allem der theoretische Teil

der Arbeit profitiert von der Einbeziehung sowohl deutsch-, englisch-, und bosnischsprachiger

Fachartikel als auch Berichten, welche die bosnische und ausländische Sichtweise verkörpern.

Dem umfassenden Verständnis des Themas und der theoretischen wie praktischen

Auseinandersetzung mit der Problematik dienen vor allem theoretische Konzepte, welche die

komplexen Begrifflichkeiten darzustellen und zu erklären vermögen. Anzumerken ist, das zu

dem Thema Kulturerbe in Bosnien und Herzegowina aktuell sehr wenig geforscht wird und es

dahingehend auch wenige Publikationen gibt. Da der Krieg noch nicht lange her ist und die

Geschehnisse daher auch nicht von einem völlig nüchternen Standpunkt aus betrachtet

werden können, herrscht eine große Lücke an Publikationen in Zusammenhang mit diesen

Themen. Es scheint fast, als bestehe nach wie vor eine gewisse Angst davor, etwas Falsches

anzusprechen und damit sprichwörtlich in das „Fettnäpfchen“ zu treten. Man kann durchaus

von einer fehlenden Aufarbeitung des Krieges sprechen, die nicht nur in der Fachliteratur,

sondern auch im alltäglichen Leben der Einwohner Bosniens und Herzegowinas spürbar ist.

Auch die Aufteilung der Bevölkerung in konstitutive Völker macht die Auswertung statistischer

Daten problematisch, da diese Daten einzelner Ethnien unabhängig von den anderen erhoben

werden. Eine demographische Übersicht dient dem Verständnis des Themas und soll die

Verteilung der Ethnien im Land verdeutlichen.

Das Kulturerbe lässt sich auch anhand von statistischen Daten aufzeigen, jedoch erfordert ein

genaueres Verständnis, wer für die Erhaltung und Inwertsetzung dessen verantwortlich ist

und wie dies vonstattengeht, andere empirische Methoden.

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Für die genauere Analyse meines Themas, zu dem es in dieser Ausführung noch wenige

Publikationen gibt, war es unumgänglich, vor Ort mit ExpertInnen zu sprechen, um in

Kombination mit den erhobenen statistischen Daten meine Ziele für diese Arbeit zu erreichen.

In diesem Zusammenhang wurden einige Exkursionen unternommen, um die interviewten

ExpertInnen vor Ort befragen zu können.

Für diese Arbeit wurden Hypothesen aufgestellt, die sich am Ende der Arbeit klären sollen.

1.3.1 LITERATURRECHERCHE

Die Literaturrecherche stellt einen unentbehrlichen Bestandteil und eine wichtige

Arbeitsmethodik wissenschaftlichen Arbeitens dar. Durch die Lektüre und Auswertung

einschlägiger Werke und wissenschaftlicher Fachartikel sollen vor allem die Grundlagen des

Forschungsgebiets dargestellt und durch wichtige Konzepte von ExpertInnen näher beleuchtet

werden. Besonders zur Klärung zentraler Begrifflichkeiten und zur Veranschaulichung der

historischen Einflüsse auf das Land bedarf es des Einbezugs der Fachliteratur. Zur

theoretischen Erfassung von Identität, Ethnizität und Nation, werden verschiedene Ansätze

herangezogen, um deren Relevanz für die heute Situation und ihre historische Bedeutung in

Hinblick auf das Kulturerbe zu verdeutlichen. Besonders bei den genannten Begriffen, die seit

Jahrzehnten Eingang in unseren Sprachgebrauch gefunden haben, lässt sich keine klare

Definition und Abgrenzung voneinander in der Literatur finden. Für das tiefere Verständnis

der Entwicklungen in Bezug auf die unterschiedlichen Ethnien in Bosnien und Herzegowina

wird auch ein Blick auf zentrale Abschnitte der Geschichte geworfen.

1.3.2 STATISTISCHE DATEN

Zur Erklärung der Genese der Bevölkerungsstruktur und aktueller Entwicklungen werden in

erster Linie statistische Daten herangezogen, vor allem jene, die die ethnische Konstellation

im Land aufzeigen. Dabei wurden hauptsächlich Daten aus dem Amt für Statistik in Bosnien

und Herzegowina verwendet. Statistische Daten wurden auch zur Erfassung von Kulturerbe

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verwendet, um die Anzahl an verschiedenen kulturellen Bauten bzw. die Zahl an zerstörten

Bauten und wiederaufgebautem Kulturerbe aufzuzeigen. Im Falle Bosniens und Herzegowinas

sind statistische Daten aufgrund der gegebenen ethnischen Zusammensetzung des Landes

und der komplexen politischen Konstellation, die nicht unbedingt transparent erscheint, nicht

einfach zu erlangen. Zudem ist auch die Vertrauenswürdigkeit der Daten in Bezug auf ihre

Korrektheit zumindest zu hinterfragen, vor allem was eine Interpretation der Daten anbelangt.

1.3.3 EXPERTENGESPRÄCHE

Durch die Expertengespräche erhielt ich einen tieferen Einblick in die Thematik. Diese

qualitative Arbeitsmethodik eignet sich dahingehend für das in der Arbeit behandelte Thema,

da anhand derer eine bessere Erfassung der tatsächlichen Problematik sowie eine

Beobachtung von Zukunftsperspektiven möglich ist. Hinzuzufügen ist, dass diese Interviews

mehrheitlich auf Bosnisch abgehalten wurden und von mir selbst möglichst wortgetreu

übersetzt wurden, um die Aussagen sinngetreu wiederzugeben.

Weiters ist anzumerken, dass bei diesen Expertengesprächen nicht nur die Beantwortung der

Fragen für den Erkenntnisgewinn relevant ist, sondern auch die Art und Weise, wie die Fragen

beantwortet wurden – ob auf direktem, indirektem Wege, oder die Beantwortung gar

verweigert wurde. Dabei spielt jede/-r GesprächsteilnehmerIn eine gewisse Rolle. Nach

Houtkoop-Steenstra (2004) haben Menschen, wenn sie miteinander kommunizieren, Ideen

darüber, was sie tun und erreichen wollen. Sie können dabei auf humorvolle, sarkastische,

problemsuchende, hilfesuchende oder zahlreiche andere Arten kommunizieren. Tannen und

Wallet (1993, S. 59f.) verwenden für dieses Phänomen den Begriff „interactive frames“. Diese

„interactive frames“ sind mentale Modelle der TeilnehmerInnen eines Gesprächs und dienen

dem schnellen Verständnis von Situationen, Akteuren und Aktionen – sie funktionieren als wie

wie eine Art Wissensschema. „Interactive frames“ formen in Verbindung mit diesen

Wissensschemata in den GesprächsteilnehmerInnen Erwartungen darüber, was passieren

kann und wie die Handlungen und Äußerungen zu interpretieren sind. Das heißt, sie liefern

einen Rahmen für Interpretationen, wobei „interactive frames“ von den TeilnehmerInnn

selbst konstruiert werden (Houtkoop-Steenstra 2004, S. 44). Wichtig ist auch, zu betonen, dass

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alle ExpertInnen auf Fragen immer aus ihrer eigenen Perspektive antworten und daher immer

auch persönliche Bezüge und eigene Meinungen in die Antwort einfließen.

Experteninterviews bieten die Möglichkeit, offene Fragen zu stellen, die durch Nachfragen

nochmals in eine gewisse Richtung gelenkt oder präzisiert werden können. In den von mir

geführten Interviews stützte ich mich in erster Linie auf offene Fragen und lediglich einmal auf

eine strukturierte Frage mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten, die sdie

GesprächsteilnehmerInnen nach Wichtigkeit ordnen sollen. Für die Ausarbeitung meines

Themas wurden ExpertInnen gewählt, die im Bereich des kulturellen Erbes tätig sind. Zum

einen waren das beispielsweise MitarbeiterInnen des Ministeriums für Zivile

Angelegenheiten, die mir aus ihrer gewissen Innenperspektive die Lage schilderten, zum

anderen suchte ich mir auch außenstehende Personen, die mir mit einer gewissen „Distanz“

– einem von außen gerichteten Blick – ein weiteres Instrument für meine Ausarbeitungen

reichen konnten. Anzumerken ist, dass ich von jeder Ethnie gleich viele Personen befragt

habe, um nicht eine hervorzuheben.

Aufgrund der ethnischen Konstellation im Land – in Verbindung mit den vorherrschenden

innerethnischen Schwierigkeiten – war eine empirische Forschung mit Fragebögen leider nicht

möglich. Zum einen ist es problematisch, zu eruieren, welche Personen welchen Ethnien

angehören und zum anderen würde eine solche Frage zu Voreingenommenheit und

unbewusst differenzierter Beantwortung der Fragen führen. Bei einem bis heute noch sehr

heiklen Thema, das durch die multiethnische Konzeption im Land und dem Konkurrenzkampf

untereinander gezeichnet ist, konnte ich meine gesteckten Ziele mit Frageböden nicht

erreichen. Vor allem mit meinem Hintergrund, den ich natürlich für diese Arbeit außer

Beachtung lasse, war es nicht möglich die FragebogenteilnehmerInnen nach ihrer Ethnie zu

fragen, da ich die Beantwortung der Fragen, wenn auch nur unbewusst, beeinflusst hätte. Eine

rein zufällige Befragung hätte für die Ziele meiner Arbeit keine Relevanz gehabt, da es vor

allem um die Erfassung der Ethnien geht.

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2. THEORIE

Ein theoretischer Input zum behandelten Thema, der vor allem auf Literaturrecherche basiert

und historisch wertvolle Werke miteinbezieht, ist für ein Verständnis der weiteren

Auseinandersetzung unumgänglich. Im folgenden Kapitel werden Themenschwerpunkte

„Identität“, „Ethnizität“, „Nation“ und „kulturelles Erbe“ genauer betrachtet, da diese dem

darauffolgenden empirischen Teil als Basis für die Erfassung der Problematik dienen sollen.

Damit die Problematik besser nachvollziehbar ist, werden zu Beginn die demographische

Zusammensetzung der Bevölkerung vor und nach dem Balkankrieg, der von 1992 bis 1995

andauerte, veranschaulicht sowie darauffolgend die Begriffe „Identität“, „Ethnizität“,

„Nation“ und einige dazugehörende Theorien beschrieben, wobei es vor allem um die

kulturelle Identität und damit einhergehend auch um Ethnizität geht. Diese Begriffe sind

dahingehend relevant, als dass sie in Bosnien und Herzegowina - einem Land mit drei

unterschiedlichen Ethnien - einen zentralen Stellenwert haben und im Laufe der Arbeit noch

mehrmals aufkommen. Diese Identitäten wurden im Laufe der Geschichte gebildet (siehe

Kapitel 2.4) und zeigten, und zeigen teilweise noch immer, diese Ausprägungen an Hand von

kulturellem, greifbarem Gut, das sie im letzten Krieg einander auszulöschen versuchten. Das

Kapitel 2.4 soll weniger die historischen Ereignisse im Detail abbilden, sondern vielmehr ein

übergeordnetes Verständnis dafür geben, wie und woraus sich die unterschiedlichen

Identitäten gebildet haben. Es geht darum, zu verstehen, wie die Geschichte auf die

Identitäten eingewirkt hat. Waren diese schon immer vorhanden und, wenn ja, wie stark

waren sie ausgeprägt?

Danach folgt zunächst eine theoretische Beschreibung von Kultur und kulturellem Erbe

(Kapitel 2.5), um die Begrifflichkeiten für weiteres Verständnis zu klären und die Relevanz

dieser Begriffe für die vorliegende Arbeit zu verdeutlichen. Daraufhin wird die politische

Gegebenheit, unter der der Bereich Kulturerbe fällt und die im Land seit dem Dayton-

Abkommen ein komplexes System darstellt, aufgezeigt, wobei es hier darum geht, zu

verdeutlichen, wie komplex dieses System ist und wie aufwendig - um nicht zu sagen

unmöglich - es ist, in einem derartigen „Dschungel an Bürokratie“ Angelegenheiten zu klären

und einen Fortschritt zu bewirken. In Hinblick auf UNESCO und einige regionale Institutionen

Bosnien und Herzegowinas werden die Regelungen bezüglich des Kulturerbes im Land und

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nicht so sehr die genauen Aufgabenbereiche dieser dargestellt. Dabei soll untersucht werden,

wie das Zusammenspiel von bosnischen, kroatischen und serbischen Identitäten, die sich vor

nicht allzu langer Zeit noch bekriegt haben, aktuell und in Hinblick auf eine gemeinsame

Zukunft, aussieht.

In Bosnien und Herzegowina herrschen, wie zuvor erwähnt, drei Ethnizitäten vor, die zugleich

auch die Religionen bzw. die konfessionelle Zugehörigkeit repräsentieren. Die vorliegende

Tabelle soll dabei verdeutlichen, dass die muslimische Bevölkerung, die Bosniaken genannt

werden, mit einer kleinen Mehrheit überwiegt, gefolgt von Serben, die ein rund ein Drittel der

Bevölkerung ausmachen und der Orthodoxie angehören und schließlich den kroatischen

BosnierInnen, die aus 15,42% bestehen und zum Katholizismus gehören.

Tabelle 1: Ethnische und konfessionelle Zugehörigkeit in Bosnien und Herzegowina, eigene Darstellung nach Zahlen von der letzten Volkszählung 2013 (bhas.ba)

Ethnie Konfession

Bosniaken (50,11%) Islam

Bosnische Serben (30,77%) Orthodox

Bosnische Kroaten (15,42%) Katholisch

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Um zu verstehen, wie die demographische Verteilung im Lande aussieht, hier eine Karte, die

die ethnische Komposition vor und nach dem Krieg, veranschaulicht:

Abbildung 2: Ethnische Bevölkerungsverteilung nach dem Krieg (1998)

Abb. 1: Ethnische Bevölkerungsverteilung vor dem Krieg (1991)

Arbeitsgrundlage: Office of the High Representative for BiH, März 2009

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2.1 IDENTITÄT

Der Begriff „Identität“ ist ein weit verbreiteter, womit er auch viele unterschiedliche Theorien

mit sich bringt. Die Anfänge gehen zurück auf die Namen Mead, Goffman und Strauss, die den

Begriff wesentlich prägten. Für den Gründer des Identitätskonzepts, George Herbert Mead, ist

Identität „ein dynamisches Phänomen, das nur in der sozialen Interaktion entstehen kann,

gleichzeitig aber auch die Voraussetzung für ihr Funktionieren ist.“ (Mead 1973, zitiert nach

Cudic 2001, S. 36)

Mead beschreibt weiter: „Identität entwickelt sich; sie ist bei der Geburt anfänglich nicht

vorhanden, entsteht aber innerhalb des gesellschaftlichen Erfahrungs- und

Tätigkeitsprozesses, das heißt im jeweiligen Individuum als Ergebnis seiner Beziehungen zu

diesem Prozess als Ganzem und zu anderen Individuen innerhalb dieses Prozesses.“ (Mead

1973, S. 177)

Mit der Thematik der Gruppen-Identität und der Unterscheidung zwischen individueller und

kollektiver Identität befasste sich Erik Erikson in seinem Buch „Identität und Lebenszyklus“

(1966) und sagt: „Das bewusste Gefühl, eine persönliche Identität zu besitzen, beruht auf zwei

gleichzeitigen Beobachtungen: der unmittelbaren Wahrnehmung der eigenen Gleichheit und

Kontinuität in der Zeit, und der damit verbundenen Wahrnehmung, dass auch andere diese

Gleichheit und Kontinuität erkennen.“ (Erikson 1966, S. 18)

Haller (1996) geht weiter und sagt, dass das Kollektiv durch die soziale Identität der einzelnen

Menschen mit verschiedenen Merkmalen gebildet wird, wodurch sich die Mitglieder dieses

Kollektivs identifizieren und das auch repräsentieren können. „Die Wahrnehmung, dass auch

andere sich damit identifizieren, wirkt verbunden und macht diese zu 'Gleichen'. Die kollektive

Identität definiert, wer man als Kollektiv ist, d.h. woher man gemeinsam kommt und wohin

man gemeinsam geht.“ (Haller 1996, S. 154)

Eine weitere Theorie stammt von Assmann (1992), der, wie auch seine Frau bekannt für seine

Arbeiten zum Thema kollektives Gedächtnis ist und Identität als „gesellschaftliches Konstrukt

und als solches immer kulturelle Identität“ beschreibt und die Gesellschaft als

„konstituierendes Element seines Selbst“ sieht.

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Wie aus diesen Theorien erkennbar, ist Identität kein eindeutig zu definierender Begriff und

kann für jeden persönlich etwas anderes bedeuten. Abhängig von den individuellen

Erfahrungen und Emotionen, steht Identität stets in korrelativem Verhältnis zu seiner

Umgebung und kann daher als gesellschaftliches Phänomen gesehen werden (Cudic 2001, S.

38-39)

Nach Cudic (2001) formt sich die persönliche Identität mit der Interaktion zwischen

Individuum und Gesellschaft und bildet so eine kollektive Ausprägung - eine ethnische

Identität. „Ethnische Identität entsteht infolge des Prozesses der Identifikation mit einer Gruppe,

mit deren Mitgliedern man eine Herkunft oder den Glauben an diese gemeinsame Herkunft teilt.“

(Cudic 2001, S. 39.)

Identitäten sind in Bosnien und Herzegowina in fast jeder Lebenssituation präsent, egal ob in

individueller, öffentlich-politischer, judikativer oder auch edukativer Sphäre. Eine besondere

Ausprägung der Identitäten zeigt sich im Schulsystem. Immer noch existieren “zwei Schulen

unter einem Dach“, also eine besondere Schulform, die die SchülerInnen nach ihrer

ethnischen Zugehörigkeit separieren.

„Educational system is also based on ethnic principles. The Ministries of Education are

established in all cantons and entities. The curricula in the primary and secondary

schools are designed around the same core subjects and ethnic-specific groups of

subjects (language, history, geography), defined as the subjects of constituent peoples.

Due to the specific character of the educational system, specific phenomena occur,

such as 'divided schools', where children of different ethnicities attend same schools

but are separated from each other in order to take ethnic-specific classes. Such an

organization of the entire political and social system, based around the principles of

'constituent peoples' creates a special framework, not only in terms of political

structures, but also in terms of interpersonal relations, which are inevitably affected

by ethnic borders.“ (Majstorović, Turjačanin 2013, S. 14-15)

Daraus lässt sich schließen, dass diese besondere Form mit der Präsenz der drei konstitutiven

Völker wesentliche Auswirkungen auf das gesamte Leben eines Bürgers hat, welche bereits

mit dem Schulantritt beginnt und somit eine Basis für Diskrepanzen bieten kann.

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Für ein besseres Verständnis bzw. eine deutlichere Unterscheidung zwischen den Begriffen

Identität und Ethnizität, folgt weiters eine Beschreibung von Ethnizität und Nation,

bezugnehmend auf Bosnien-Herzegowina. Wie aus den oben angeführten Zitaten, hängen die

Begriffe Identität und Ethnizität sehr eng miteinander zusammen. Anzumerken ist, dass durch

die zahlreichen Theorien und Experten/Expertinnen deutlich wird, dass es sich bei diesen

Begriffen um nicht präzise zu definierende und sehr komplexe Termini handelt, wobei Cudic

(2001) in ihren Arbeiten besonders auf den Fall von Bosnien-Herzegowina eingeht und deshalb

für die vorliegende Arbeit eine besondere Relevanz hat.

2.2 ETHNIZITÄT

Den Begriff „Ethnizität“ prägte bereits Max Weber in seinem Buch „Gesellschaft und

Wirtschaft“ aus dem Jahre [1922] 1972. Der Begriff etablierte sich jedoch erst in den 1950er-

Jahren – zu Beginn vorwiegend im englischsprachigen Raum – und wurde 1953 das erste Mal

im Oxford English Dictionary angeführt. Im damaligen Jugoslawien nimmt der Begriff erst in

den 80er-Jahren an Relevanz zu (Cudic 2001, S. 33).

„Ethnizität wurde als unverwechselbares Merkmal einer geschlossenen Gruppe

verstanden und zuerst zur Beschreibung des Zustandes ethnischer Differenzen bei

Einwandern verwendet. Ethnische Identität hingegen betonte mehr die prozessuale

Dimension, d.h. die Indentifizierungsprozesse individueller Akteure in einem

Akkulturationsprozeß.“ (Cudic 2001, S. 35)

Nach Cudic (2001) beschreibt Ethnizität also eine Menschenmenge, die auf Basis gemeinsamer

Eigenschaften wie Herkunft, Kultur und Geschichte ein gewisses Bewusstsein der Identität und

Solidarität entwickeln und so ein Kollektiv – ein Volk – bilden und dieses auch formen. Somit

ist Ethnizität also kein statisches Phänomen.

In wissenschaftlichen Kreisen spaltete sich die Ansicht über den Terminus Ethnizität, wodurch

sich verschiedene Konzepte und Ansätze bildeten. Im Wesentlichen sind das der

objektivistische und der subjektivistische Ansatz, auf die ich zusammengefasst und basierend

auf Cudic (2001), eingehe.

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Der objektivistische Ansatz – oder auch primordiale Ansatz genannt – bezeichnet Ethnien als

etwas bereits Vorbestimmtes oder Gegebenes, dem man aufgrund unveränderbarer

Faktoren, wie Abstammung, Sprache, Religion, Tradition und geographische Nähe, nicht

entfliehen kann. Man wird in eine Ethnie sozusagen „hineingeboren“ und kann sie demnach

nicht frei wählen oder später ändern (Cudic 2001, S. 40-41). Aus dieser Beschreibung ergeben

sich sowohl eine gewisse Determinierung als auch Persistenz des Phänomens, die durch die

fehlende Erklärung darüber, warum Ethnien im Wandel sind oder verschmelzen,

beispielsweise, häufig Ursprung für Kritik sind (Cudic 2001, S. 42-43).

Im Kontrast dazu steht der subjektivistische bzw. auch situative Ansatz, der Ethnizität als

etwas vom Menschen künstlich Konstruiertes versteht, in dem ethnischen Gruppen von der

jeweiligen Situation abhängig sind und so im ständigen Wandel stehen. Dabei bildet vor allem

der Glaube am Gemeinsamen und nicht das durch die Geburt an Gegebene den Kern (Wieland

2000, S. 29-30).

Neben diesen beiden Ansätzen gibt es noch den situativ-primordialen Ansatz, der sich mit der

Selbstzuschreibung und der Zuschreibung anderer definiert. Wie bereits Hofstede (1981) die

Kultur in „in-groups“ und „out-groups“ teilte, geht auch Wieland (2000) davon aus, dass es

Gruppenbildungen bzw. -abgrenzungen gibt. Die „in-groups“ basieren auf gemeinsamen

Identifikationen, also einer kollektiven Identität, während sich die „out-groups“ durch

bestimmte Klassifizierungen von den „Anderen“ abgrenzen. Nach Wieland (2000) kann diese

Zuschreibung sowohl subjektiv als auch objektiv sein.

Die Existenz dieser ethnischen Gruppen zeigt sich vor allem in Hinblick auf gemeinsame

politische Ziele und Symbole, also Kulturerbe. „Die Vereinigung zu einer ethnischen Gruppe habe

den Zweck, eine politische Organisation zu etablieren, die allerdings als formale Organisation

innerhalb der formalen Struktur der jungen Staaten keinen Platz habe und deshalb informell unter

Verwendung einiger traditioneller symbolischer Formen arbeiten müsse.“ (Cudic 2000, S. 50).

Nach Mappes-Niediek (2005) ist Identität das „Bewusstsein von sich selbst.“ Dabei soll jeder

einzelne das Gefühl haben, zu einer gewissen Gruppe zugehörig zu sein, wobei auch

dieAnerkennung als Gruppenmitglied durch andere Mitglieder eine Voraussetzung darstellt

(Mappes-Niediek 2005, S. 14). Dabei spielt der gemeinsame Hintergrund, die gemeinsame

Herkunft und Kultur, eine bedeutende Rolle für ein verstärktes Zusammengehörigkeitsgefühl

und damit verbunden auch für das Identitätsbewusstsein, das vor allem für nebeneinander

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existierenden Ethnien, wie sie in Bosnien-Herzegowina gegeben sind, von besonderer

Relevanz ist. „Hat eine Gruppe eine feste Identität, so will sie sie auch bewahren. […]

Zugehörigkeit ist etwas, das man seinen Kindern weitergibt.“ (Mappes-Niediek 2005, S. 15).

Nicht zuletzt wird diese Zuteilung der Ethnien auch durch die konfessionelle Zugehörigkeit

determiniert. Das zentrale Unterscheidungsmerkmal der Ethnien ist nach Wieland (2000) die

Religion, da die konfessionelle mit der nationalen Zugehörigkeit in Bosnien-Herzegowina

übereinstimmt. Um den Nationenbegriff besser nachvollziehen zu können, folgen einige

Erläuterungen zu diesem Thema.

2.3 NATION

Wie zu den beiden oben angeführten Begriffen gibt es auch ausgehend vom Nationenbegriff

viele verschiedene Theorien und Ansätze. Viele sehen unter dem Begriff „Nation“ ein

modernes Phänomen. Für diese Arbeit von besonderer Relevanz wird die Verbindung von

Nation mit „Elementen der vormodernen Ethnie“, das sind vor allem Mythen, Erinnerungen

und Symbole (Cudic 2000, S. 51).

„Was eine Nation betrifft, so bilden 1500000 Personen kaum eine Einheit allein

aufgrund ihrer geographischen Nähe. Geographische und biologische Erwägungen

mögen zur Bildung von Begriffen beitragen und in gewissem Sinn in dieses Selbst

eindringen. Denn die Mitglieder einer Nation verstehen sich als Bewohner eines

gemeinsamen Gebietes und manchmal als Abkömmlinge gemeinsamer Vorfahren.

Doch Gruppen bestehen als solche nur wegen der gemeinsamen Symbolbildungen

ihrer Mitglieder.“ (Strauss 1968, S. 162).

Als Unterscheidungskriterium zwischen Nation und Ethnizität kann man die politische

Komponente verstehen, welche bei einer Nation eine zentrale Rolle spielt (Cudic 2000, S. 52).

Nach den Theorien von Smith steht das territoriale Merkmal im Vordergrund (Burtscher 1999,

S. 88), während bei Weber das Solidaritätsgefühl eine Nation ausmacht (Alter 1985, S.17).

Smith unterstreicht in einer Nation auch die Bedeutung der ethnischen Merkmale, die auf

religiösen Gemeinschaften basieren (Smith 1998, S. 37), die vor allem in Bosnien und

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Herzegowina - wie bereits erwähnt - eine zentrale Rolle spielen. Von einem Nationalstaat kann

in diesem Land jedoch nicht die Rede sein, da im Nationalismus „das Staatsgebiet und der von

einem bestimmten Volk erfüllte Raum deckungsgleich sein sollten.“ (Cudic 2000, S. 55). Nach

Mappes-Niediek (2005) ist Bosnien und Herzegowina ein Vielvölkerstaat, da der Staat

dementsprechende politische Umgehensweisen aufzeigt:

„Bosnien ist aber kein Nationale-, sondern ein Vielvölkerstaat. Der Unterschied

zwischen einem National- und einem Vielvölkerstaat liegt nicht in der kulturellen

Buntheit oder in der Verschiedenheit der Abstammung selbst, sondern im staatlichen

Umgang damit. Nationalstaat und Vielvölkerstaat unterscheiden sich politisch, nicht

kulturell.“ (Mappes-Niediek 2005, S. 33).

Durch die verschiedenen vorhandenen kulturellen Identitäten kann man in Bosnien und

Herzegowina eben von drei Nationen sprechen, die sich aufgrund ihrer Geschichte und

Symbolik voneinander unterscheiden. Daraus resultiert, dass es in diesem Land kein

gemeinsames Solidaritätsgefühl für den Staat Bosnien und Herzegowinas gibt, sondern jede

Nation ihr eigenes besitzt und dieses vertritt. Die Bevölkerung teilt sich zwar ein Territorium,

einen gemeinsamen geschichtlichen Hintergrund, die Sprache, einige Bräuche, Feiertage, und

vieles mehr, wodurch eine kollektive Identität gegeben sein muss, jedoch herrscht auf

staatlicher Ebene eine ethnisch-nationale Dreiteilung vor. Diese drei Ethnien, also Bosniaken,

Serben und Kroaten, bedienen sich verschiedener Symbole, um sich als solche von den

„Anderen“ zu unterscheiden. Auch die Geschichte beeinflusste dabei die Nationen, die im

folgenden Kapitel kurz angesprochen wird.

2.4 RELIGION UND DER WEG ZUR NATION

Aus der Geschichte Bosnien und Herzegowinas lässt sich schließen, dass die Religionen bereits

schon seit Anbeginn des Staates nebeneinander koexistierten. In einigen Orten, so auch im

Zentrum von Sarajevo, findet man eine Moschee, eine katholische und orthodoxe Kirche nur

wenigen Schritten voneinander entfernt.

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“The placement of architecture is an intentional, thoughtful, political act. People who

cannot abide the sight of each other will not build their houses and the most important

monuments of their religious and communal life in the shadows of those of the

others.”

Diese Nahe Koexistenz von Religionen beeinflusste sogar das Aussehen der jeweiligen

Glaubenshäuser, die manchmal die Gestalt einer Moschee beispielsweise, die der Kirche

annahm (Riedlmayer 2002 S. 10-11).

Durch die verschiedenen Formationen des Staates und der Religionen etablierte sich das bis

heute bestehende komplexe System der drei „konstitutiven Völker“. Dass Religionen einen

gewichtigen Faktor in der Etablierung der Nationen spielten und auch in der Gegenwart noch

relevant sind, ist unumstritten, was nicht zuletzt durch die – manchmal nur wenige Schritte

voneinander entfernten - Glaubenshäuser der Bosniaken/Muslime, Kroaten/Katholiken und

Serben/Orthodoxe verdeutlicht. Wie sich diese Religionen in der Vergangenheit etablierten

und dabei auf das Land selbst einwirkten wird im folgenden Kapitel analysiert und umfassend

dargestellt. Dabei wird kurz auf die Einflüsse des Osmanischen Reichs, der Österreich-

Ungarischen Monarchie und der Epoche Jugoslawiens eingegangen, um festzustellen, wie sich

die multiethnische Gegebenheit allmählich entwickelte und woraus sich die Identitäten in

ihrer heutigen Ausformung bildeten.

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2.4.1 DIE ANFÄNGE BOSNIEN-HERZEGOWINAS

Das Land Bosniens-Herzegowina wurde im frühen Mittelalter durch die von Nord-Osten

vordringenden Slawen besiedelt. Diese kamen aus den nördlichen Karpaten und besiedelten

weite Teile des Balkans, damals des Byzantinischen Reichs. Das Königreich der Bosnier

existierte bis ins 15. Jahrhundert, mit der Herrschaft unter Ban Tvrtko im Jahre 1377 und den

Landesgrenzen, wie auf der Karte ersichtlich (Imamovic 1998, S. 25).

Bereits zu dieser anfänglichen Zeit herrschte eine reiche Vielfalt an Ethnien und Religionen,

die sich durch die besonderen geographischen Gegebenheiten über die weitreichenden,

unzugänglichen Flächen verteilten (Imamovic 1998, S. 21-27). Daraus resultierten stetige

Wanderungsbewegungen, wodurch eine Schaffung einer Union oder einer Beständigkeit in

Hinblick auf eine politische Führung nicht möglich war (Hösch 2007, S. 28). Dabei gilt es

hervorzuheben, dass es ein Vorherrschen von verschiedenen Ethnien bereits seit der

Entstehungsgeschichte gab. „Die Bevölkerungsverschmischungen sind teilweise schon in die

Zeit vor der Einwanderung zurückzudatieren.“ (Hösch 2007, S. 16)

Abbildung 3: Bosnien und Herzegowina im Mittelalter

Arbeitsgrundlage: Noel 1996, S. 12

Page 33: EDNA DEDIC - unipub.uni-graz.at

33

Die vorherrschenden Konfessionen waren zu dieser anfänglichen Zeit in erster Linie

Katholiken, die sich nach der Nord-Süd-Grenze von Kaiser Theodosius im Jahre 395 n. Chr. im

Westen, und Orthodoxe, die sich hauptsächlich im östlichen Teil des Balkans ansiedelten (Calic

1994, S. 42). Laut Turczynski hatte der kirchliche Einfluss auf die Nationsbildung sehr viel

beigetragen und diente den Ethnien „als Vertreterin der zu neuem Selbstbewusstsein

heranreifenden Nationalitäten.“ (Turczynski 1976, S. 5f) Neben dem starken Einfluss der

römischen und der byzantinischen Kirche kommt auch noch die sogenannte Bosnische Kirche,

bzw. Bogomilen, die für Diskussionsraum über die historische Identität der BosnierInnen, nicht

zuletzt aufgrund der fehlenden Aufzeichnungen über diesen Zeitraum, führen (Cudic 2001, S.

113ff). Die Bogomilen werden in manchen Literaturen häufig mit den bosnischen Muslimen in

Verbindung gesetzt und als „ethnische Besonderheit“ gegenüber den Orthodoxen und

Katholiken beschrieben (Dzaja 1994, S. 14). Mit dem Beginn der Eroberung durch die Osmanen

endet jedoch die Glaubensbewegung der Bogomilen (Cudic 2001, S 114).

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2.4.2 OSMANISCHE HERRSCHAFT (1463-1878)

Bosnien und Herzegowina wurde 1463 von den Türken besetzt, wodurch die zuvor

vorherrschenden mittelalterlichen Institutionen Bosniens und die bosnische Kirche

verschwanden. Das Land wurde dadurch vor allem in politischen, ökonomischen und sozialen

Belangen verändert (Cudic 2000, S. 117).

Neben den religiösen Veränderungen transformierten sich unter Einfluss der Osmanen auch

die Städte Bosniens durch den Bau von Moscheen und es wurden Stiftungen zum Bau und zur

Unterstützung von Bibliotheken, Schulen, Wohltätigkeitssuppen, Küchen und andere

Stiftungen etabliert, wodurch Märkte, Nachbarschaften und auch gesamte neue Städte

entstanden (Riedlmayer 2002, S.6f). Die Geschichte spiegelt sich deutlich in den Gebäuden

wider: muslimische, christliche und jüdische BürgerInnen lebten und arbeiteten

nebeneinander und glaubten an ihre Religion, Seite an Seite, betont Riedlmayer (2002). Im

Zentrum von Sarajevos altem Basar steht die Gazi-Husrev-Beg-Moschee, die 1531 von

Bosniens erstem muslimischen Bürgermeister gegründet wurde.

Abbildung 4: Das Osmanische Reich 1326 bis 1683 (Putzger, Bruckmüller (Hrsg.) 2000, S. 39.)

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In dieser Phase gingen durch den mit der türkischen Herrschaft einhergehenden

Wirtschaftsaufschwung auch eine Vielzahl von Wanderungsprozessen vonstatten, wodurch

die Bevölkerungsstruktur - vor allem durch die serbisch-orthodoxen Walachen - beeinflusst

wurde (Dzaja 1984, S. 23). Demgegenüber stand der Islamisierungsprozess, der auch durch

gewisse Privilegien zunahm und im Zuge dessen vor allem der bosnische Adel konvertierte

(Dzaja 1984, S 43f). „Nicht nur, dass das einfache Glaubensbekenntnis zum Islam eine Entlastung

von der Kopfsteuer cizya (harač) bedeutete, sie bewirkte zudem die Einstufung in eine niedrigere

Steuerklasse.“ (Cudic 2002, S 119)

Die Osmanen unterschieden die Einwohner Bosnien-Herzegowinas nicht nach ihrer ethnischen,

sondern rein nach ihrer religiösen Zugehörigkeit, wodurch eine Art „nationale Identität“ entstehen

konnte (Cudic 2001, S. 127).

2.4.3 ÖSTERREICH-UNGARISCHE MONARCHIE (1878-1918)

Aufgrund wirtschaftlicher Verschlechterungen und religiöser Verfeindungen im Land suchte

die katholische Gemeinschaft Hilfestellung beim Vatikan und von Ungarn; die orthodoxe

Gemeinschaft hingegen wandte sich an Serbien und Russland. Die bosnische Herrschaft sah

sich um 1800 noch als Bestandteil des Osmanischen Reiches, was der Etablierung eines

Nationalgefühls im Wege stand. Der Versuch, sich ab dem 18. Jahrhundert von der

Osmanenherrschaft zu befreien, führte schließlich zur Intervention der

Habsburgermonarchie, welche am Berliner Kongress 1878 die Ermächtigung auf Besetzung

Bosnien-Herzegowinas erhielt und das Land schließlich 1908 vollständig annektierte

(Kettermann 2008, S. 106-112, Cudic 2001, S. 126).

In religiöser Hinsicht proklamierte die neue Herrschaft an die Bevölkerung Bosnien-

Herzegowinas gerichtet: „Euere Gesetze und Einrichtungen sollen nicht willkürlich umgestoßen,

Euere Sitten und Gebräuche sollen geschont werden.“ (Dzaja 1994, S. 42) Dennoch gab es

Schwierigkeiten mit der vorherrschenden Religion, in der es keine Trennung zwischen Staat und

Religion gab. Das Ziel in der österreich-ungarischen Monarchie war es nicht, die drei Konfessionen

als politischen Faktor zu neutralisieren oder aufzuheben, sondern diese durch

Modernisierungsprozesse, meist zu eigenen Gunsten, zu erhalten. Die Intelligentsia baute schon

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rasch ein Schulwesen und verschiedene Ausbildungsstellen aus, um den Konfessionalismus zu

bewältigen, wodurch vermehrt nationalistische Tendenzen enstanden (Cudic 2001, S. 191).

Cudic (2001) führt weiterhin an:

„Unter der Herrschaft der österreich-ungarischen Monarchie erfuhr die

Vergemeinschaftung anhand religiöser Zugehörigkeit eine Zuspitzung in nationalen

Kategorien. Die Konstruktion der nationalen Identitäten wurde von einem starken

Nationalismus begleitet, d.h. einer intensiven Mobilisierung der Mitglieder dieser

Gemeinschaften zur Unterstützung der politischen Programme und zur Stärkung der

Bestrebungen nach einer Vereinigung mit den jeweiligen „Mutterländern“. Die

ethnische Differenzierung wurde in dem Sinne politisiert, dass sie zur Schaffung

elaborierter nationalistischer Programme führte.“ (Cudic 2001, S. 128)

In Hinblick auf die Nation war der Einfluss aus Kroatien für Katholiken und der aus Serbien für

Orthodoxe von zentraler Bedeitung und sorgte dafür, dass sich diese Konfessionen jeweils mit

den religiösen Zentren außerhalb des Landes identifizierten. So wurden die Katholiken auch

zu Kroaten und die Orthodoxen zu Serben, obwohl sie BewohnerInnen von Bosnien und

Herzegowina sind. Jedoch gab es stets (zumindest am Beginn) eine gemeinsame

Identifizierung, die sich nicht gegen die jeweils andere Ethnie, sondern die Fremdherrschaft

richtete. Zudem waren sich diese drei Ethnien in ihrem Lebensstil, ihren Überzeugungen und

vielen anderen Aspekten auch sehr ähnlich, wodurch ein überregionales Gemeinschaftsgefühl

entstand (Cudic 2001, S. 128-129). Die Intelligentsia brachte jedoch eine politische Identität

mit sich und damit verbunden auch großen Einfluss auf die drei Ethnien, vor allem durch die

Orientierung der nationalen Bewegungen an den Außenzentren Kroatien und Serbien (Dzaja

1994, S. 19).

Auch in baulichem Bereich brachten die neuen Herrscher einen „Wiener Geschmack“ mit sich:

mit den Bemühungen auf eine Modernisierung der bosnischen Städte und der Errichtung

neuer Schulen, Museen und staatsbürgerlicher Einrichtungen, die sie nützten, um ihr neu

erworbenes Territorium in der modernen Zeit zu zeigen. Die Gebäude und Stadtansichten sind

ein bestehen bleibendes Erbe von vier Jahrzehnten habsburgischer Herrschaft in Bosnien-

Herzegowina, das eine typisch bosnische Mischung kultureller Einflüsse darstellt (Riedlmayer

2002, S. 12).

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Es ist ersichtlich, dass es im Laufe der Geschichte hindurch also verschiedene Einflüsse auf das

bauliche und ethnische Leben, auf Land und Leute, aber auch Schwierigkeiten – vor allem

bezüglich Religionen – gegeben hat. Anzumerken ist, dass nach den 1990er Jahren der Staat

in Hinblick auf Religionen und religiösen Gemeinschaftens sich völlig veränderte und dass eine

Politisierung des Glaubens stärker zur Geltung kam als zur Zeit des Sozialismus (Cvitkovic 2017,

S. 39).

Die drei Religionen schienen aber bis zum Jahre 1992 auch ohne größere

Auseinandersetzungen koexistieren zu können, bis 1992 die Moschee in Sarajevo bombardiert

wurde (Riedlmayer 2002, S. 7). Die kriegerischen Auseinandersetzungen beeinflussten die

ethnische Situation im Lande fatal, vor allem, da es sich um einen Krieg unter „Brüdern“

handelte, der unter der Zivilbevölkerung ausgetragen wurde. Wie genau und in welchen

Ausprägungen sich die Identitäten zueinander und miteinander transformierten, lässt sich

wissenschaftlich sehr schwer feststellen, vor allem, da es für eine genauere Analyse keine

ausreichende Zeitspanne aufweist. Weiters ist es schwierig, den ethnischen Zustand der

Nachkriegszeit zu analysieren, da dieser sehr stark mit den individuellen Hintergründen und

den damit verbundenen Emotionen und Erfahrungen zusammenhängen und nur sehr schwer

zu fassen sind. Unumstritten ist jedoch, dass der Krieg nicht nur eine menschliche Zerstörung,

sondern auch eine ihrer Identität und Erinnerung verursacht hat. Kulturerbe wurde im Krieg

zwar vor allem baulich zerstört, jedoch bleibt ungreifbare, immaterielle Kultur, wie Bräuche,

Tänze, Tradition, für immer in einem erhalten und wird weitergegeben. (siehe Kapitel 2.5.2

Kulturerbe und Identität)

2.5. DAS KULTURELLE ERBE

Ein genauerer Blick auf den Kulturbegriff fördert das Verständnis von Kulturerbe, das eine

große Bedeutung für die Identitäten –hierbei nicht so sehr ihre individuelle, sondern als

gemeinsame kollektive Kultur gemeint – ausübt. In einem Land mit vielseitigen historischen

Einflüssen, der Koexistenz dreier konstitutiver Völker, drei Religionen sowie in Anbetracht der

kriegerischen Auseinandersetzung Anfang der 90er-Jahre spielt kulturelles Erbe eine

gewichtige Rolle. Für das Verständnis dieses Begriffes wird zunächst auf den Begriff „Kultur“

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eingegangen, um darauffolgend Kulturerbe und die damit zusammenhängende Bedeutung

der Identität zu analysieren. Einen wesentlichen Faktor in Hinblick auf kulturelles Erbe stellen

die UNESCO und das Ministerium für zivile Angelegenheiten in Bosnien und Herzegowina, auf

das im Kapitel 2.5.4 eingegangen wird, dar. Mit dieser theoretischen Basis werden im letzten

Teil dieses Kapitels einige Beispiele von kulturellem Erbe in Sarajevo aufgezeigt.

2.5.1 KULTUR

Der Begriff „Kultur“ ist in der globalisierten Welt, die Im Zeichen der Durchmischung und des

Austausches in vielerlei Bereichen vonstattengehen und dadurch für Zu-, jedoch auch auf

Ablehnung dieser Vorgänge stoßen, inflationär. Da es sich dabei um einen eher abstrakten

Begriff handelt und es zahlreiche Konzepte dazu gibt, lässt sich nicht von einer einheitlichen

Definition von Kultur sprechen, sondern lediglich von verschiedenen „Kulturbegriffen“. Bereits

im Jahre 1963 haben Kroeber/Kluckhohn mehr als 160 Definitionen von Kultur aufgezeigt und

analysiert, wobei die Anzahl seither mit Sicherheit um einiges gestiegen ist (Kroeber,

Kluckhohn 1963).

Das Wort „Kultur“ stammt vom lateinischen Wort „colere“ (pflegen) oder auch von „cultura“

bzw. „cultus“ (Landbau, Anbau, Pflege). (Stowasser) An der etymologischen Herkunft wird

bereits deutlich, dass es um etwas vom Menschen Gepflegtes bzw. Gemachtes geht. Dabei

spielen, wie auch für die vorliegende Arbeit, Symbole eine besondere Rolle:

„The cultural category, or order, of phenomena is made up of events that are

dependent upon a faculty peculiar to the human species, namely, the ability to use

symbols. These events are the ideas, beliefs, languages, tools, utensils, customs,

sentiments, and institutions that make up the civilization—or culture, to use the

anthropological term—of any people regardless of time place, or degree of

development.” (White 1949, zit. n. Kroeber/Kluckhohn 1963, S. 137)

Kroeber/Kluckhohn (1963) zufolge besteht Kultur aus expliziten und impliziten Mustern, die

aus und für Verhaltensweisen entstehen und durch Symbole verbreitet werden. Für sie

besteht das Wesentliche der Kultur aus traditionellen, also historisch abgeleiteten, Ideen und

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den mit ihnen verbundenen Werte. Dabei betonen sie, dass Kultursysteme zwar zum einen

das Resultat von Handlungen sind, gleichzeitig aber auch weitere Handlungen beeinflussen.

Laut dem Soziologen Hofstede ist Kultur eine „software of the mind“ oder eine „kollektive

Programmierung des Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von Menschen

von einer anderen unterscheidet.“ (Hofstede 1993, S. 19) Er vergleicht das Denken des

Menschen mit der Programmierung von Computern. Diese „mentalen Programme“

bestimmen die Art und Weise, wie wir sind und denken, und werden durch unser Umfeld

beeinflusst.

Kultur ist für Hofstede ein kollektives Phänomen, das erst durch Sozialisation und Lernen

entsteht. Sie basiert auf der untersten Ebene, nämlich der menschlichen Natur, die universell

ist und uns individuell vererbt wird. Bei der eigenen Persönlichkeit handelt es sich, laut

Hofstede, um eine Kombination aus Erlebtem und Erlerntem, weshalb diese von Individuum

zu Individuum unterschiedlich ist.

Nach dem bekannten Eisberg-Modell nach Bolten besteht Kultur aus sichtbaren (perceptas)

und unsichtbaren, immateriellen (konceptas) Ebenen (Bolten 2007, S. 4).

Abbildung 5: Eisberg-Modell (Wiegmann 2009, S. 24, nach Bolten 2007, S. 21)

Die sichtbare Ebene zeigt dabei alle wahrnehmbaren Dinge – das „Was?“ einer Kultur –. die

die untere Ebene bezieht sich auf die dahinterstehenden Gedanken und Werte.

Kultur schafft auch über persönlichen Erfahrungen, Erinnerung und die kollektive Geschichte

eine besondere Verbundenheit des Menschen zu einem Raum (Byrne 2008, S. 152-170), wie

in Kapitel 2.5.2 genauer beschrieben wird.

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2.5.2 KULTURERBE UND IDENTITÄT

Seit dem Zweiten Weltkrieg wird die Rolle der Erinnerung manipuliert und die Entstehung und

Bejahung moderner Nationalstaaten verursacht, gekoppelt mit dem Diskurs über „Erbe“, der

über die Grenzen der Staaten hinausgeht, um eine internationale Gemeinschaft der Nationen

anzusprechen, die sich an eine globale „Kultur der Menschheit“ richtet. In gewisser Weise ist

"Erbe" innerhalb dieses Diskurses als Synonym für "Erinnerung" und "Denkmäler" entstanden,

sodass wir jetzt sagen können:

„heritage is [...] the term that best denotes our inescapable dependence on the past.

What we inherit is integral to our being. Without memory and tradition we could

neither function now nor plan ahead. […] Heritage distills the past into icons of identity,

bonding us with precursors and progenitors, with our own earlier selves, and with our

promised successors” (Musi 2015, S. 14f., zitiert nach Lowenthal 1994, S. 43).

Der Begriff „heritage“ wurde so zu einer Verbindung zwischen Erinnerung und Identität auf

verschiedenen Skalen – einschließlich der nationalen, jedoch ohne sich nur darauf zu

beschränken – und ist explizit mit der Bedeutung für den Aufbau eines gemeinsamen

Kulturraums für die Menschheit angereichert (Musi 2015, S. 15). Durch die Adressierung eines

globalen Publikums, anstatt nur eines nationalen, wurde der Diskurs über Kulturerbe mit

universellen Werten und Menschenrechten versehen. Durch diese universelle Aufmerksam,

Abbildung 6: Drei Ebenen der mentalen Programmierung des Menschen (Scharmitzer 2009, S. 23, nach Hofstede 2009, S. 4)

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nicht zuletzt ausgehend von der UNESCO und dem Europarat, rückt Erbe und die damit

zusammenhängende Politik immer mehr ins globale Licht und wird in der Kulturpolitik immer

mehr zum Thema gemacht, wodurch die Mitgliedsstaaten auch in ein gewisses Rampenlicht

geraten. Das trägt dazu bei, eine weltweite politische Ökonomie zu schaffen, die die

Vorstellungen vom Recht, dem Gutem und dem Wahrem nach vorne drängt. In diesem

Zusammenhang fungiert das als kulturelles Gut anerkannte Kulturerbe als symbolisches

Kapital für nationale und ethnische Einheiten (Musi 2015, S. 16ff.).

Musi (2015) bezieht sich hierbei auf McDowell (2008), der die Wichtigkeit des Kulturguts

hervorbringt:

"[…] the visual features of the cultural landscape such as public buildings, monuments,

plaques, plinths, graffiti, and street names [...] map selective interpretations of the past

and present onto public spaces. As such, they articulate heritage and can be read as

icons of identity and spatializations of history." (Musi 2015, S. 17 nach McDowell 2008,

S. 40)

Insofern nimmt Musi (2015) an, dass Kulturerbe die „Spuren der Vergangenheit“ verkörpert,

auf dem das Gemeinschaftsgefühl über Zeit und Zugehörigkeit zu einem Ort beruhen. Sie

beschreibt das Kulturerbe wie einen Mittelpunkt, um den sich die Konstruktion der Erinnerung

und Identität dreht. Dabei eignet sich erbautes Kulturerbe besonders gut, um Verbindungen

zwischen Zeit, Raum und Identität zu etablieren, da ihre Gegenstände – öffentliche Gebäude,

Denkmäler und dergleichen – eine greifbare Darstellung der Erzählungen basierend auf

Erinnerung und kollektiver Identität herstellen und sie gleichzeitig an eine bestimmte

Kulturlandschaft verankern.

Die Kernfunktion von Kulturerbe ist die Aufrechterhaltung der Identifikation von kollektiven

Identitäten, während es gleichzeitig eine historische Grundlage für die Legitimation und das

Vorhandensein einer Gruppe in der Gegenwart bereithält. Dabei spielt das kollektive

Gedächtnis eine immense Rolle, das sich durch tangible Konzepte über die Geschichte

hindurch repräsentiert. Durch dieses Kulturerbe entsteht das Gefühl einer Kontinuität der

Vergangenheit, deren Aufgabe es ist, die Identität der Erinnerungsgruppe zu zeigen. Die

Kernbedeutung von individueller oder kollektiver Identität basiert auf einem Gefühl von

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geteilter Zeit und geteiltem Raum, das durch das Erinnern aufrechterhalten wird. Das

geschieht jedoch nicht natürlich, sondern durch Vorstellung, die auf einer gemeinsamen

Vergangenheit beruht (Musi 2015, S. 11).

Für Pally (1997) bedeutet Identität in Zusammenhang mit Region gleichzeitig die Existenz von

Emotionen, durch die die Region geprägt wird. Kulturelle Identität steht im engen

Zusammenhang mit unseren Emotionen und Gefühlen. Diese kulturelle Identität transformiert

durch ihre dort lebenden und agierenden Personen räumliche Einheiten (Kuby 2013, S. 33ff.).

Das Kulturerbe wird durch die individuellen Wahrnehmungen der Menschen beeinflusst

(Pearce 2004, S. 1ff.). Kulturerbe besteht aus vom Kollektiv durch ihre Vergangenheit

geprägten und mit Werten zugewiesenen Gegenstände, Bräuche, Traditionen oder Objekten

(Musi 2015, S. 32). Für Smith bedeutet kulturelles Erbe nicht nur ein Gebäude oder etwas

Materielles, sondern es etabliert sich vor allem durch die Interaktion mit diesem. Kulturelles

Erbe bezieht sich nach Smith (2006) auf einen Prozess, dessen Dynamik der dem englischen

Sprachgebrauch entsprungene Begriff „heritagization“ eher Aufmerksamkeit schenkt.

Darunter versteht man die Generierung von Identität(en) und Zugehörigkeitsgefühl(en)

zwischen Individuen unter Einfluss des spezifischen politischen, ökonomischen sowie sozio-

kulturellen Kontextes, Diese Identitätsbildung erfolgt in erster Linie über die Tradierung von

Bräuchen, Traditionen und Objekten der Vergangenheit, denen eine auf die Gegenwart (und

Zukunft) bezogene Bedeutung zugesprochen wird. Damit kann kulturelles Erbe als ein soziales

Konstrukt verstanden werde, das nicht nur eine (vermeintliche) Homogenität der Bevölkerung

bzw. einzelner Bevölkerungsgruppen bestimmter Regionen vermittelt, sondern auch der

Legitimation gegenwärtiger Handlungen dienen kann (Smith 2006, S. 11-14ff., 57ff.).

Musi (2015) spricht auch die Bedeutung des Erinnerns in Hinblick auf Kulturerbe an und sagt,

dass die Rekonstruktion einer Vergangenheit das Gefühl von Zusammengehörigkeit in der

Gegenwart stärkt und betont auch, dass das politische Projekt einer Nation sowohl von einer

erfundenen als auch von einer vorgestellten Gegenwart getragen wird. In ebendiesem Projekt

hängt das kollektive Gedächtnis von den Erinnerungen ab, die die historischen Ereignisse

durch Schaffung von öffentlichen Monumenten und offiziellen Zeremonien sowie

Gedenkfeiern repräsentieren. Die Errichtung von Denkmälern dient der Festigung bestimmter

Erzählungen aus vergangenen Ereignissen der Nation, indem sie als Symbole fungieren, die an

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bedeutende Ereignisse der nationalen Vergangenheit erinnern und damit an eine "Geographie

der Zugehörigkeit", eine Identität (Musi 2015, S. 39-41).

Diese zentrale Bedeutung des Kulturerbes spendet jedoch auch Platz für Konflikte, wie es in

Bosnien und Herzegowina durch die Zerstörung des kulturellen Erbes verursacht wurden.

"[…]the establishment of memorial sites, places where the past is not only preserved

as fetish but also transmitted as signification, is inevitably a focus for struggle over

meaning: whose monument is permitted, and what meanings may it convey?”. (Musi

2015, S. 18 nach Hodgkin and Radstone S. 11)

Die Erinnerung an die jüngsten Ausschreitungen in den Jahren zwischen 1992 bis 1995 scheint

ausschlaggebend zu sein, da Konstruktionsprozesse einer Identität im post-Dayton Bosnien-

Herzegowina wichtige Aspekte des Krieges ansprechen: zum einen die kriegerische und

koordinierte Gewalt innerhalb der ethnischen Gruppen, die zur Gründung eines unabhängigen

Staates Bosnien und Herzegowinas geführt hat und zum anderen die zentrale Rolle, die dem

kulturellen Erbe als Zeichen von Erinnerung und Identitäten in Hinblick auf die

Kriegszerstörung und den Wiederaufbau im post-Dayton zugeschrieben ist (Musi 2015, S. 20).

2.5.3 UNESCO

Das oben beschriebene Verstehen und die Bewertung des kulturellen Erbes wurde aus einer

Reihe von internationalen Texten und Konventionen erarbeitet, die von der UNESCO

Konvention für den Schutz von Kulturgut im Falle eines bewaffneten Konflikts – unterzeichnet

in Den Haag 1954 – ausging, mit dem Ergebnis:

“damage to cultural property belonging to any people whatsoever means damage to the

cultural heritage of all mankind, since each people makes its contribution to the culture of the

world.” (Musi 2015, S. 16 nach UNESCO 1954)

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Um dieses Erbe zu erhalten, „sollte es an zukünftige Generationen in seinem authentischen

Zustand und seiner gesamten Vielfalt als wesentlicher Teil der Erinnerung der menschlichen

Rasse, weitergegeben werden.“ (Musi 2015, S. 16 nach Council of Europe 1975, Art. 2)

Die UNESCO (United Nation Educational, Scientific and Cultural Organization) ist eine

selbstständig, weltweit tätige Sonderorganisation der United Nations, deren Ziel es ist, das

materielle und immaterielle Kulturerbe mit seinem unwiederbringlichen Wert für zukünftige

Generationen zu schützen und erhalten, die kulturelle Vielfalt und den interkulturellen Dialog

zu fördern (UNESCO 2018).

Zu den von UNESCO aufgelisteten Kulturgütern gehören in Sarajevo:

• Mehmed Paša Sokolović Brücke in Višegrad (2007)

• Old Bridge Area of the Old City of Mostar (2005)

• Stećci Medieval Tombstone Graveyards (2016) (UNESCO 2018).

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Abbildung7: Mehmed Paša Sokolović Brücke in Višegrad (weltatlas 2018)

Abbildung 8: Mostar 2017, eigene Aufnahme

Abbildung 9: Stećci Grabsteine (heritagesites 2018)

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2.5.4 REGELUNGEN FÜR KULTURERBE IN BIH

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die wohl einzig existente Literatur zu dieser

Thematik, auf Musi (2015) mit dem Titel „(Re)constructions“ und wird für die folgenden

Beschreibungen über politische und administrative Regelungen für das Kulturerbe in Bosnien

und Herzegowina als Quelle herangezogen.

Bosnien und Herzegowina hat kein eigens der Kultur gewidmetes Ministerium auf

Landesebene und kein allgemeines, nationales Gesetz, das Angelegenheiten in Hinblick auf

Kultur oder Erbe regelt. Die gewaltvollen Auseinandersetzungen und die ethnischen

Konstellationen im Land bewirkten, dass im Dayton-Abkommen auch das politische und

judikative System bestimmt wurden. Innerhalb dieser Systeme beruhen die Repräsentation

der Regierungsorgane und Entscheidungsprozesse auf allen Ebenen auf Mechanismen des

Kräfteziehens sowie Balanceakten und den Rechten der drei konstitutiven Völker Bosnien und

Herzegowinas. Das im Dayton beschlossene „ethnische Prinzip“ sollte zwar sicherstellen, dass

Bosniaken, Kroaten und Serben ihre Stimme in den Entscheidungsprozessen haben und ihre

Rechte geschützt sind, macht aber durch das Vetorecht die Entscheidungsprozesse besonders

komplex und anfällig für Gesetzeslücken, die in einigen Fällen den Prozess der

Entscheidungsfällung behindern. Das ethnische Prinzip hat auch einen weiteren Effekt: Durch

die Bestimmung und Persistenz der ethnischen Zugehörigkeit als Schlüsselmerkmal der

politischen Repräsentation und Machtteilung, wird die Marginalisierung und Diskriminierung

von Minderheiten impliziert und kritische, alternative Modelle der (Selbst-) Identifikation

ausgeschlossen (Musi 2015, S. 84).

Zumindest teilweise sind Konsequenzen des vier Jahre andauernden, bewaffneten Konflikts

der 1990er-Jahre zu sehen, wobei gewohnte Aufgaben und Handlungen von Institutionen

verhindert wurden, während kulturelles Erbe systematisch beschädigt und zerstört wurde.

Somit standen dem Land beim Ausbruch des Krieges 1992 lediglich minimale institutionellen

Kapazitäten zur Verfügung, um die überragenden Aufgaben des Wiederaufbaues zu meistern

(Riedlmayer 2002, S. 4).

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Eine weitere Stufe der Macht bildet das Vorhandensein eines Hohen Repräsentanten (OHR)

für Bosnien und Herzegowina – aktuell Valentin Inzko. Nach dem Beschluss des Dayton-

Abkommens vertritt der Hohe Repräsentant ad-hoc eine internationale Institution, die für die

Überwachung der Umsetzung der zivilen Aspekte des Friedensabkommens zuständig ist. Der

Hohe Repräsentant erhält Leitlinien vom Peace Implementation Council (PIC) und hat seit

1997 die Befugnis, Gesetze betreffend Verstöße gegen das Dayton-Abkommen und rechtlicher

Verpflichtungen nach eigenem Ermessen zu erlassen, wenn die legislativen Organe hierbei

versagen (Musi 2015, S. 83, OHR 2018).

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Um einen Überblick und Eindruck dieser Komplexität zu erlangen, ohne darauf jedoch genauer

einzugehen, hier eine Verbildlichung des politischen Systems in Bosnien:

Abbildung 10: Das politische System in Bosnien und Herzegowinas (Richter, Gavric 2010, S. 13)

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In diesem Zusammenhang besteht das judikative und legislative System über der Bewahrung

des Kulturerbes im heutigen Bosnien und Herzegowina aus einem komplexen Set an

Rechtsvorschriften als Teil verschiedener Regierungs- und Verwaltungsebenen mit fehlender

Kohärenz und übergreifender Strategie. Musi beschreibt – bezugnehmend auf einen Report

der Commission to Preserve National Monuments –, dass das Fehlen von bundesweiten

Rechtsvorschriften für den Schutz des Erbes mitunter einer der Gründe für den nicht

systematischen und synchronen Prozess des Schutzes ist und sagt, dass der fehlende politische

Wille zur Harmonisierung der Perspektiven dem Schutz des Kulturerbes und dem Erlass dem

erträglicher Gesetze im Wege steht (Musi 2015, S. 85).

Die politische Ebene des Kulturerbes erweist sich also in Bosnien und Herzegowina besonders

seit dem Dayton-Abkommen als äußerst komplexe Angelegenheit. In einem derart

dezentralisierten System sind Angelegenheiten in Bezug auf Erbe auf der Ebene der Entitäten

und weiteren Subebenen mit speziellen Gesetzen, Ministerien und Instituten geregelt. Das

Land hat auf staatlicher Bundesebene kein speziell der Kultur gewidmetes Ministerium und

kein allgemeines, nationales Gesetz, das Angelegenheiten über Kultur oder Erbe regelt. Das

Ministerium für zivile Angelegenheiten von BiH deckt Funktionen der Koordinierung und

Harmonisierung von Unternehmensplänen und Definitionen von

internationalen Strategien in verschiedenen Bereichen – einschließlich der Kultur. Die

Institution, die konkret für das Erbe auf staatlicher Ebene verantwortlich ist, ist die

Kommission zur Erhaltung von Nationalen Denkmälern (Komisija za očuvanje nacionalnih

spomenika Bosne i Hercegovine).

Auf der Entitäten-Ebene werden Angelegenheiten in Bezug auf Kultur und Erbe durch

spezifische Ministerien, Abteilungen und Institute geregelt:

• Republika Srpska hat ein eigenes Ministerium für Bildung und Kultur mit einer

Abteilung für Schutz des kulturellen Erbes und ein republikanisches Institut zum Schutz

des kulturhistorischen und natürlichen Erbes.

• Die Föderation BiH hat sein eigenes Ministerium für Kultur und Sport mit einem

Bereich für kulturhistorisches Erbe und Kultur und ein Institut für den Schutz von

Monumenten.

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• Brčko District verwaltet Angelegenheiten, die sich auf das Erbe beziehen durch die

Kommission zur Erhaltung des Kulturerbes unter der Abteilung für Raumplanung und

Eigentumsrechte.

Kurz gefasst gehören kulturpolitischen Angelegenheiten zum Ministerrat.

Tätigkeitsbereiche:

Diese auf Entitäten-Ebene agierenden Institute sammeln Dokumente und erforschen an Erbe

und der fachlichen Supervision zum Wiederaufbau, Rehabilitation, Restaurierung und

Konservierung von Kulturgut. Sie beschäftigen sich zudem mit der Realisierung von

Entscheidungen der Kommission zur Erhaltung nationaler Denkmäler, stellen den Wert und

die Bedingungen für Kulturerbe fest und entwerfen Pläne und Projekte zum Schutz des

Kulturerbes. Fachleute dieser Institute sind darüber hinaus in der Ausarbeitung von Gesetzen

über Kulturerbe involviert. Die Mandate dieser Institute sollen untereinander kooperieren und

auch mit der höheren Ebene der Verwaltung zusammenarbeiten (kons.gov. 2018).

Die Kommission zur Erhaltung der nationalen Denkmäler (Komisija za očuvanje nacionalnih

spomenika) ist die zuständige Institution von Denkmalschutz auf Bundesebene der Republik

und wurde im Friedensabkommen von der Republik Bosnien und Herzegowina, der Föderation

Ministerium für zivile Angelegenheiten

Kommission zu Erhaltung von

Nationalen Denkmälern

RS: Ministerium für Bildung und Kultur

FBiH: Ministerium für Kultur und Sport

Brčko District: Raumplanung und Eigentumsrechte

Bundesebene

Entitätenebene

Graphische Darstellungen der Ministerien für Kulturerbe in BiH

Abbildung 11: Ministerien für Kulturerbe (nach Musi 2015, eigene Darstellung)

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Bosnien und Herzegowina und der Republika Srpska unterzeichnet. Die wichtigsten darin

verfassten Aufgaben und Grundsätze wurden in Annex 8 des General Framework Agreement

for Peace (GFAP) im Jahre 2001 von der Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina und

der Kommission zur Erhaltung nationaler Denkmäler unterzeichnet. Laut dieser Vereinbarung

sollte die Kommission über Petitionen für die Designation von Eigentum mit kultureller,

historischer, religiöser oder ethnischer Bedeutung als nationale Denkmäler entscheiden.

Darunter sehen sie beweglichen oder unbeweglichen Reichtum als große Bedeutung für ein

Kollektiv mit derselben Kultur, Geschichte, Religion oder ethnischer Herkunft, sowie

Architektur, Kunstgeschichte, archäologische Bauten, Gebäude und Friedhöfe (Musi 2015, S.

84ff).

Die Mitglieder dieser Kommission werden vom Präsidium von Bosnien und Herzegowina

ernannt und bestehen aus fünf Mitgliedern, die als eine allgemeine Vertretung für die in

Bosnien und Herzegowina lebenden ethnischen Gruppen fungieren. Eine Petition für die

Designation eines Denkmals können bei der Kommission durch jede Partei oder betroffene

Person in Bosnien und Herzegowina eingereicht werden, die mit Mehrheitsentscheidung der

Kommissionsmitglieder mit ausführlicher Erläuterung der Entscheidungsgrundlage

angenommen wird, wie auf ihrer homepage deklariert (kons.gov 2018). Neben dieser Petition

wurde die Kommission auch angesichts der Kriegszerstörungen des kulturellen Erbes kreiert

und beinhaltet auch von Anfang an eine Liste der gefährdeten Denkmäler, die

Notfallschutzmaßnahmen erforderten, um eine völlige Zerstörung zu verhindern. Daneben

gibt es noch eine provisorische Liste der nationalen Bauten, auf der sich aktuell 776 nationale

Denkmäler befinden, darunter 65 Denkmäler aus Sarajevo. Auf der Liste der gefährdeten

nationalen Bauten befinden sich 83 Denkmäler (kons.gov. 2018).

Durch die besondere ethnische Konstellation wurde im General Framework Agreement for

Peace in Bosnia and Herzegowina, Annex 8 (GFAP) beschlossen, dass die Entitäten geeignete

rechtliche, wissenschaftliche, technische, administrative und finanzielle Maßnahmen, die für

den Schutz, die Erhaltung, Präsentation und Sanierung der Denkmäler benötigt werden,

setzen müssen (Musi 2015, S. 88). Im Jahre 2002 und 2003 veröffentlichte die Kommission

ihre Kriterien zur Ernennung und Bezeichnung eines nationalen Denkmales. Die Kriterien

definierten die Art der Kulturgüter (bewegliche und unbewegliche), die unter Schutz gestellt

werden sollten, und führte die Gründe zur Bewertung von technischen, ästhetischen,

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künstlerischen und architektonischen Werts von Bauten an, wie Eigenschaften von

dokumentarischem oder wissenschaftlichem/pädagogischem Wert, der

Einzigartigkeit/Seltenheit, Authentizität, Integrität und Landschaftswert. Zwei Abschnitte der

Kriterien scheinen dabei besonders erwähnenswert, da sie auf die Elemente von Kulturerbe

hinweisen: Der „historischer Wert“ betrifft die "Vereinigung eines Gebäudes, einer Gruppe

oder eines Ortes mit einer historischen Figur in der Geschichte oder ein bedeutendes Ereignis

in der Geschichte" (Art. II-B), und der "symbolische Wert" beinhaltet "Bedeutung für die

Identität einer Gruppe von Menschen." (Art. II-E-v) (nach Musi 2015, S 88). Diese beiden

Definitionen verbinden das Erbe einerseits mit der Formulierung von Erinnerung (durch die

Bezeichnung bedeutender historischer Personen, Orte und Ereignisse), und auch andererseits

durch die der Identität bzw. Identitäten (siehe Kapitel 2.5.2). Diese beiden Auslegungen

weisen deutlich auf die beiden Aspekte hin, die in allen wichtigen internationalen Texten mit

der Rolle und Funktion des Erbes in der Gesellschaft und den Konventionen, die deren Schutz

und Erhaltung regeln, zusammenhängen (Musi 2015, S. 89).

Musi (2015) führt weiter an, dass mehrere Aspekte der Schaffung der Kommission zur

Erhaltung der nationalen Denkmäler den internationalen Ansatz des letzten Balkankrieges

wiederspiegelt und darin auch die Rolle von Ethnizität und Kultur mit besonderer Sorge um

die Funktionen des Erbes in dieser speziellen multikulturellen Nachkriegsgesellschaft aufzeigt.

Zunächst ist anzuführen, dass die Kommission dieselben Prinzipien einer ethnisch

ausbalancierten Repräsentation und Machtteilung, wie im Dayton-Abkommen unterzeichnet,

teilt. Dieser zeigt sich an der ethnischen Zusammensetzung der MitarbeiterInnen, wie in allen

anderen Organen der Regierung, wobei sich die ethnischen Zusammensetzungen auf die drei

konstitutiven Völker des Landes beziehen. Darüber hinaus ist anzumerken, dass für die ersten

fünf Amtsjahre zwei der fünf Mitglieder der Kommission direkt vom Generaldirektor der

UNESCO ernannt wurden, der einen von denen auch als Vorsitzenden ernannt hat. Im Jahre

1995 wurden die anderen Mitglieder von der Föderation Bosnien und Herzegowinas (FBiH)

(zwei Mitglieder) und der Republika Srpska (ein Mitglied) ernannt und beinhaltete auch zwei

internationale Mitglieder, die in vielen Bereichen als neutrale Elemente in einem komplexen

drei-ethnischen-Konstrukt fungieren (Musi 2015, S. 89ff., kons.gov. 2018).

Die Bewahrung und Inwertsetzung des Erbes wurde auch durch symbolische Bedeutung und

durch die Fokussierung auf die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen geladen. Dieser

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Aspekt fasst implizit eine ganze Reihe von Begriffen zum Erbe zusammen, die in direktem

Zusammenhang mit der internationalen Doktrin stehen, ausgearbeitet durch UNESCO und CoE

Konventionen seit dem Zweiten Weltkrieg. Um für die Rückkehr von Vertriebenen in ihre

Heimat relevant zu sein, muss das Erbe als ein hervorstechendes Element der kulturellen

Identität einer Gruppe und ihrer Rechte auf Kultur gegeben sein, dabei auch die

Meinungsfreiheit und die demokratische Beteiligung an der Kultur des Landes beinhalten.

Außerdem sollte nach Musi (2015) ein Link zwischen baulichem Erbe und dem Territorium, wo

sich das Erbe befindet aufgebaut werden, um ein kulturelles Kollektiv mit ihrem zugehörigen

Gebiet zu verbinden. Die Kommission betont diese Verbindung zwischen Erbe und der

räumlichen Dimension des kulturellen Erbes eines Kollektivs, was auf die Relevanz der

Rekonstruktion des Kulturerbes in Bezug auf Identitätsbildung und Wiederherstellung von

physischen und psychologischen Landschaften hinweist. Dabei ist die globale Vernetzung

durch internationale Organisationen und NGO‘s für die Inwertsetzung und Rekonstruktion der

durch den Krieg zerstörten Kulturgüter anzuführen, die eine entscheidende Rolle bei

Wiederaufbau- und Entwicklungsprojekten spielt. Dabei führt Musi (2015) eine wichtige

Aussage des Council of Europe an, in dem es heißt, dass der Prozess der Inwertsetzung des

Erbes es ist:

„[…] to preserve a certain lifestyle that could help convince inhabitants to remain in (or

return to) their villages, making sure that affected regions do not face post-conflict

trauma with progressive impoverishment or even abandonment. Reconstruction and

development is therefore a priority in conflict areas, not only for accommodating the

inhabitants and ensuring the right conditions for the return of displaced persons, but

also for preserving the spirit of the communities”. (Musi 2015 nach CoE 2010, S. 4)

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3. DAS UNTERSUCHUNGSGEBIET SARAJEVO

In den folgenden Kapiteln wird das (räumliche) Untersuchungsgebiet dargestellt. Zuerst

werden einige geographische Daten präsentiert, nur um eine grobe Vorstellung von der Stadt

zu bekommen, danach wird das Kulturerbe und die Regulationen dessen in der Stadt Sarajevo

gezeigt, um danach die vom Krieg zerstörte Kulturerbe und der Wiederaufbau dessen

aufzuzeigen, bis zum Schluss dieses Abschnittes die Experteninterviews vorgestellt und

analysiert werden.

Sarajevo, die Hauptstadt und auch das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum

Bosnien und Herzegowinas, ist das Sinnbild für Multikulturalität. Sarajevo befindet sich im

demokratischen Staat Bosnien und Herzegowina, das in zwei Landesteile gegliedert ist: Der

Föderation Bosnien und Herzegowina (FBiH) und der Republika Srpska (RS). Weiters ist das

Land in zwei Entitäten aufgeteilt: bosnisch-kroatische Föderation und die Republika Srpska.

Daneben gibt es seit 2000 noch den Sonderbezirk Brčko Distrikt, der beiden Entitäten zugehört

(Plešnik 2016, S. 18). Das politische System ist wohlmöglich das komplizierteste der Welt.

Abb. 12: Flagge Bosniens und Herzegowina (Weltflaggen) Abb. 13: Flagge Sarajevos (Wikipedia)

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Das Dayton-Friedensabkommen wurde 1995 beschlossen und besagt unter anderem:

„Bošnjaci, Hrvati i Srbi kao konstitutivni narodi, zajedno sa ostalima i građani Federacije

Bosne i Hercegovine, ravnopravno uređuju Federaciju Bosne i Hercegovine, definiranu

Aneksom II Općeg okvirnog sporazuma za mir u Bosni i Hercegovini.“ (Federalni Zavod

za Statistiku, 2018)

„Bosnier, Kroaten und Serben schaffen als konstitutive Völker gemeinsam mit Anderen

und Bewohnern der Föderation Bosnien und Herzegowinas, gleichberechtigt die

Föderation Bosnien und Herzegowinas, beschlossen nach der Annexion 2 des

Allgemeinen Friedensabkommens für Bosnien und Herzegowina.“ (Federalni Zavod za

Statistiku, 2018. Eigene Übersetzung)

Abbildung 14: Administrative Gliederung Bosnien-Herzegowinas

Arbeitsgrundlage: Federalni Zavod za statistiku - FZS, 2016.

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3.1 GEOGRAPHISCHE GEGEBENHEITEN

Die Stadt Sarajevo liegt in einem breiten Becken (Sarajevo polje) im Herzen Bosnien-

Herzegowinas und erstreckte sich von Osten beginnend, wo sich die baščaršija, also die

Altstadt befindet, nach Westen, den neueren Stadtvierteln, aus (Plešnik 2016, S. 163). Dass

sich die Stadt zur Hauptstadt entwickelte, liegt mitunter an der günstigen naturräumlichen

Gegebenheit und den von Sarajevo aus ausbreitenden Verkehranbindungen an weite

Landesteile (Marek 1931, S. 151f.). Die Hanglage hingegen bot der Bevölkerung während dem

Krieg keine Möglichkeit sich vor den Feinden zu schützen. Auch das tangible Kulturerbe wurde

dadurch angegriffen und stark beschädigt.

3.2 BEVÖLKERUNG UND STATISTISCHE DATEN

In Bosnien und Herzegowina leben 3,531 Millionen Menschen (Stand 2013), wobei die

Population nach dem Krieg um 19,3% gesunken ist. In Sarajevo leben davon 291 422

Einwohner (ANUBIH 2017, S. 11-15). Bosnien und Herzegowina ist, wie bereits mehrmals

erwähnt, ein Land mit drei „konstitutiven Völkern“, eingeteilt in zwei Entitäten, in die

Abbildung 15: Sarajevo aus Sicht des Avaz-Towers, Mai 2018, eigene Aufnahme

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Föderation Bosnien-Herzegowinas (FBiH) und in die Republika Srpska (RS), sowie den von

beiden Entitäten verwalteten Brčko Distrikt. Weiters leben dort, wie bereits bekannt, 3

Ethnizäten, die wie folgt aufgeteilt sind:

Diese komplexe Verwaltung, sowie die territoriale Einteilung des Landes wurden mit dem

Dayton-Friedensabkommen 1995 beschlossen.

Die Föderation Bosnien-Herzegowinas besteht zusätzlich noch aus 10 Kantonen, wie auf der

Karte ersichtlich, davon ist Sarajevo einer, der wie folgt weiters in neun Gemeinden unterteilt

ist: (vgl. Plešnik 2016, S. 162ff.)

1. Stari Grad 2. Centar 3. Novi Grad 4. Novo Sarajevo 5. Hadžidi 6. Ilidža 7. Ilijaš 8. Trnovo

Bosniaken50,11%

Kroaten15,42%

Serben30,77%

ETHNISCHE AUFTEILUNG DER BEVÖLKERUNG IN BIH 2013

Arbeitsgrundlage: Akademija Nauka i Umjetnosti Bosne i Hercegovine 2017, S. 29., eigene Darstellung

Abbildung 16: Darstellung der ethnischen Aufteilung 2013

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9. Vogošća

Wie bereits angesprochen ist die Multikulturalität eine Besonderheit dieser Stadt. Daran

sprechen auch unterschiedliche Monumente an, die sich in der Stadt verbreitet befinden.

Ein Symbol für diese Multikulturalität stellt heute noch ein Denkmal dar, das sich mitten im

Zentrum, am Trg Oslobođenje, dem Platz der Befreieung, befindet. Bei dieser Skulptur baut

ein Mann symbolisch die Erde auf, wobei ihm Tauben helfen.

Abb. 17: Symbol für Multikulturalität in Sarajevo 2018, eigene Aufnahme

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3.3. REGULATIONEN VON KULTURERBE IN SARAJEVO

Wie bereits auf nationaler Ebene gesehen, sind die Regulationen und die politischen

Tätigkeitsbereiche, unter die Kulturerbe fällt, sehr komplex aufgeteilt. In Sarajevo sieht die

gesamte Konstellation zur Bewahrung und Inwertsetzung von Kulturerbe wie folgt aus:

Abbildung 18: Veranschaulichung der administrativen Gliederung von Kulturerbe in Sarajevo, eigene Darstellung (orientiert nach Musi 2015, S. 85)

Als die Hauptstadt von BiH und gleichzeitig der Föderation von BiH, und damit verbunden das

administrative Zentrum des Kantons, bietet Sarajevo eine Reihe von Instituten, die sich dem

Schutz und der Erhaltung des Kulturerbes widmen:

• die staatliche Kommission zur Erhaltung nationaler Denkmäler

• auf Entitätsebene die Bundesanstalt für Denkmalpflege

• auf kantonaler Ebene das Institut für den Schutz des kulturhistorischen und

natürlichen Erbes von Sarajevo

Alle haben ihren Sitz in der Stadt.

SARAJEVO

Organisation von Schutz und Erhaltung des Kulturerbes in Sarajevo

Kommision zur Erhaltung nationaler Denkmäler

staatliche Ebene

Bundesanstalt für Denkmalpflege

Entitätsebene

Institut für den Schutz des kulturhistorischen und natürlichen Erbes

von Sarajevo

kantonaler Ebene

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Die kantonale Institution für das kulturhistorische und natürliche Erbe Sarajevos (Kantonalni

zavod za zaštitu kulturno-historijskog i prirodnog naslijeđa Sarajevo) wurde 1963 gegründet

und beinhaltet auch einen Fond für die Altstadt Sarajevos, der Baščaršija. Diese Institution ist

seit 1997 für das gesamte kulturhistorische und natürliche Kulturerbe im Kanton Sarajevo

verantwortlich (konsv.gov. 2018).

Ein weiterer wichtiger Bestandteil in Hinblick auf Kulturerbe in Sarajevo ist der Sarajevo

Kanton Fond für den Schutz und die Instandhaltung von Friedhöfen, von Schahiden und

Kriegsopfern, Gedenkstätten und Denkmälern von Opfern des Völkermordes – der Fond

Memorijala.

„Fond memorijala uređuje, održava i izgrađuje predviđene građevinske i

hortikulturalne sadržaje na grobljima i pojedinim grobnim mjestima poginulih

pripadnika Oružanih snaga RBiH.

Fond memorijala organizuje i provodi aktivnosti u cilju obezbjeđivanja sredstava za

izgradnju, zaštitu i očuvanje mezarja šehida i grobalja poginulih boraca, kao i aktivnosti

i manifestacije u cilju podizanja moralne svijesti o potrebi očuvanja spomena na šehide

i poginule borce i očuvanja digniteta imena šehida i poginulog borca. Nažalost, zbog

agresije i genocida koji se desio u Bosni i Hercegovini u periodu 1992 – 1995 godine, u

godinama kada se planiralo osnivanje Fonda memorijala, nije bilo političkog

konsenzusa da se ovaj Fond formira na nivou države Bosne i Hercegovine.“ (Fond

Memorijala, 2018)

Diese Organisation wurde 1997 durch den Beschluss des Parlaments des Kantons Sarajevo

gegründet und ist heute ein Organ des kantonalen Ministeriums für Veteranengelegenheiten

(fond memorijala 2018). Der Fond erstellt jährlich einen Bericht über seine Arbeit und legt ihn

der Regierung des Kantons Sarajevo zur Genehmigung vor. Die grundlegende Kompetenz des

Fonds besteht darin, Nišan-Grabsteine für die während der Ausschreitungen in Bosnien und

Herzegowina getöteten Schahiden und Kämpfer, sowie Gelder für gute Zwecke, wie für die

Errichtung von Nišan-Grabsteinen und Friedhöfen, bis hin zu Gedenkfeiern,

Öffentlichkeitsarbeit, Informationsverbreitung, usw., zu sammeln. Dabei liegt der Fokus des

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Fonds auf Opfer und Kämpfer des letzten Konflikts und ist in erster Linie der „Rettung“ der

Kriegserfahrung aus der Vergangenheit und gegen konkurrierende Berichte gewidmet, mit

dem Ziel, zukünftige Generationen vor den Schrecken eines Völkermordes zu warnen, wie sie

auf ihrer homepage deklarieren:

„Cilj je da ta sveta mjesta budu stalna opomena budućim generacijama o zlu koje nam

je učinjeno, kako se više nikada i nikome ne bi desio genocid, silovanje, etničko

čišćenje. Sem toga, građevinskim unificiranjima pokušali smo ostaviti pečat vremena u

kojem su branitelji Države poginuli, tako da se po čitavoj Bosni i Hercegovini

prepoznaju jedinstvena nadgrobna obilježja, ulazne kapije, nadgrobna obilježja

veterana – onih koji su branili opstanak čast, imetak, dostojanstvo, zemlju i svoju vjeru

i slobodu. Bez podrške Zavoda za izgradnju Kantona Sarajevo, Zavoda za zaštitu

kulturno historijskog i prirodnog naslijeđa Kantona Sarajevo, Zavoda za planiranje

Kantona Sarajevo, Ministarstva za boračka pitanja Kantona Sarajevo, te Vlade i

Skupštine Kantona Sarajevo, sam Fond ne bi bio u mogućnosti realizovati planirane

projekte niti provesti veliki broj manifestacija koje su održane.“

„Das Ziel ist es, dass diese heiligen Stätte eine ständige Warnung für zukünftige

Generationen des Bösen sind, so dass niemand sonst jemals Völkermord,

Vergewaltigung, ethnische Säuberungen begehen wird. Außerdem haben wir versucht,

das Siegel der Zeit zu verlassen, in der die Verteidiger des Staates durch den Aufbau

der Vereinigung getötet wurden, und mit einzigartigen Grabsteine, Eingangstore,

Grabsteine von Veteranen – für diejenigen, die das Land und ihren Glauben und ihre

Freiheit mit Ehre, Eigentum, Würde verteidigten, zu versehen. Ohne die Unterstützung

des Instituts für Bau des Kantons Sarajevo, des Instituts für den Schutz des kulturellen

und historischen Erbes des Kantons Sarajevo, des Planungsbüros Sarajevo, des

Ministeriums für Kriegsveteranenangelegenheiten des Kantons Sarajevo und der

Regierung des Kantons Sarajevo wäre der Fond selbst nicht in der Lage, die geplanten

Projekte zu realisieren und so eine große Anzahl von Veranstaltungen durchzuführen.“

(Fond Memorijala 2018, eigene Übersetzung)

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62

3.4 ZERSTÖRUNG UND WIEDERAUFBAU DES KULTURERBES

In diesem Kapitel wird die Zerstörung und der Prozess des Wiederaufbaus nach dem

Balkankrieg 1992-1995 angesprochen, wobei es in erster Linie um greifbares Kulturerbe geht,

da das nicht-greifbare schwer wissenschaftlich zu veranschaulichen ist und in dieser Arbeit nur

nebensächlich eine Rolle spielt. Es soll hierbei auch nicht darauf fokussiert werden, wer was

zerstört hat, sondern darauf, was und vor allem wie wiederaufgebaut wird. Durch die

gesamten statistischen Erfassungen und Angaben (siehe beispielsweise Riedlmayer,

Radulovic) sowie des tatsächlich Zerstörtem, das auf den Straßen zu erfassen ist, lässt sich

jedoch deutlich schließen, dass die Beschädigung der islamischen Kulturbauten, Gräber,

sakraler Bauten, etc. von Seiten der Serben, auch Kroaten, die dadurch eine Auslöschung der

jeweils „Anderen“ erzielen wollten, deutlich überragt, wobei das hierbei eine durchaus

nebensächliche Rolle spielt, trotzdem für die Vollständigkeit und Richtigkeit erwähnt werden

sollte. Die meist zerstörten Bauten sind nicht zuletzt Moscheen und Mesdžidi, kleinere

Moscheen (Riedlmayer 2002, S. 3). Radulovic (2013) beschreibt dabei die Bedeutung der

Zerstörung von Moscheen, insbesondere deren Minarette, die besonders landschaftsprägend

sind und durch deren Zerstörung auch die Existenz des Islams ausgelöscht werden kann:

„The most attacked religious buildings during the war in Bosnia and Herzegovina were

mosques and masjids. The destruction of such institutions often wasn’t easy. When

bombed, one of the most characteristic part of the mosque - the minaret - wasn’t easy

to target. Minaret is usually a high tower (it is always higher than the dome), it serves

for Muslim cleric to climb and to invite Muslims for prayer 5 times a day. Visually, the

minarets are a very important features of the towns with Muslim population (i.e. for

the places containing Ottoman heritage). The destruction of the mosques/masjids was

the widely performed paradigm in the places that experienced the ethnic cleansing

during the war; it became a common practice following the conclusion that the

ethnically cleansed towns have no minarets, therefore they are towns with no

presence of Islam, i.e. with no Muslims, i.e. with no past coinciding with Islam. Such

destruction and attitude in post-war courts was often considered as the part of the

genocide.” (Radulovic 2013, S 34f.)

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Die folgende Tabelle zeigt das Ausmaß der Zerstörung der muslimischen (Glaubens)Bauten:

Tabelle 2: Anzahl an zerstörten muslimischen Bauten, nach Riedlmayer 2002, S. 2f., eigene Darstellung

Bautyp Anzahl vor dem

Krieg

Anzahl von

Zerstörtem oder

Beschädigtem

Zerstörtes oder

Beschädigtes in

Prozent

Moscheen, džamije 1149 927 80,68%

Kleinere Moscheen,

mesdžidi 557 259 46,50%

Gesamte Anzahl an

Moscheen 1706 1186 69,52%

Koranschulen,

madrasa 954 87 9,12%

Mausoleum, turbe 90 44 48,89%

Andere religiöse

Bauten, vakufske

zgrade

1425 554 38,88%

Bei einem Rundgang durch die Stadt prägen die Einschusslöcher immer noch etliche Häuser

und verdeutlichen durch die Schäden die immensen materiellen und baulichen Auswirkungen

des Krieges, von den menschlichen Auswirkungen hier keine Rede. Daneben erinnern einige

Denkmäler, Parks, Gedenktafeln, etc. an die grauenvollen Ausschreitungen Anfang der 90er-

Jahre. Dazu zählen auch die roten Farbklekse, die am Boden an schwere Kriegsverluste

hindeuten oder beispielsweise die Gedenktafel vor einer ehemaligen Bäckerei, vor der

Einwohner – darunter auch Kinder – anstanden, um Brot zu holen. Dabei sind die Namen der

Verstorbenen verewigt, wobei auffällt, dass sich darunter auch serbische und kroatische Opfer

befanden. Aus der Ferne war wohl nicht zu unterscheiden, wer zu den „Anderen“ gehört bzw.

kennt eine Granate keine ethnische Zugehörigkeit.

Page 64: EDNA DEDIC - unipub.uni-graz.at

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Der bewaffnete Angriff von den umliegenden Hügeln richtete sich in erster Linie zwar auf die

Bewohner Sarajevos, um die jeweils „Anderen“ auszulöschen, damit verbunden versuchte

man aber auch ihre Erinnerung und Existenz (siehe Kapitel 2.5) auszulöschen und zerstörte

dadurch ihre multiethnische symbolische Entfaltung, wie Gebäude, Gebetshäuser, Denkmäler,

etc, die für Sarajevo gerade kennzeichnend waren. Die Gewalt gegen die Menschen wurde

begleitet von der systematischen Zerstörung der kulturellen, baulichen Präsenz der Ethnien,

wie hauptsächlich Bibliotheken, Archive, Moscheen und auch anderes Kulturerbe.

Abbildung 19: Gedenktafel an Verstorbene von Angriff vor einer Bäckerei in Sarajevo 2018, eigene Aufnahme

Page 65: EDNA DEDIC - unipub.uni-graz.at

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Eine genauere Auflistung der durch den Krieg zerstörten kulturellen Bauten in Sarajevo kann

in einem Katalog der Institution für kulturhistorisches und natürliches Erbe nachgelesen

werden. Diese Institution war für den Wiederaufbau und ist für die Erhaltung der angeführten

Kulturgüter verantwortlich, und wurde bereits zuvor in der Arbeit genauer behandelt.. Hier

werden nur beispielhaft einige Auszüge dieses Katalogs gezeigt, um das Ausmaß der

Zerstörung zeigen zu können:

Abbildung 20: Abbildungen kulturellen Zerstörens, Katalog Obnove 2011, S. 13

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Abbildung 21: Abbildungen kulturellen Zerstörens, Katalog Obnove 2011, S. 14

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Sarajevo war schon immer auch geprägt von der Koexistenz mehrerer Religionen (siehe

Kapitel 2.4), deren Glaubenshäuser nur wenige Schritte voneinander entfernt liegen. Diese

Besonderheit macht Sarajevo zu einem Paradebeispiel für Multikulturalität. Sakrale Objekte,

wie Symbole und Plätze von religiösen, nationalen und geistlichen Lebens im bosnischen-

herzegowinischen Raum, sowie Symbole jahrzehntelanger Überbleibsel von Einflüssen aus

West und Ost, Nord und Süd, haben im Laufe des letzten grausamen Krieges das Schicksal des

gemeinsamen kulturhistorischen Erbes geteilt. Die Destruktion genau dieser genannten

Objekte, die eines der strategischen Ziele des Balkankrieges waren, waren auch Ziel der

Zerstörung von wertvollstem Erbe der Kultur und Geschichte Bosnien und Herzegowinas.

Abbildung 22: Abbildungen kulturellen Zerstörens, Katalog Obnove 2011, S. 16

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In Bosnien und Herzegowina herrscht eine lange Tradition des Schreibens, Sammelns, und der

Aufbewahrung von Büchern aus dem Mittelalter, während katholische und orthodoxe Klöster

ihre eigenen Bibliotheken behielten, wie Kasapovic (2015) anführt. Diese Tradition setzte sich

durch die osmanische Zeit fort, gefolgt durch islamische und jüdisch-sephardische Bräuche,

die eine Kultivierung der Buchkultur mit sich brachten. Im Jahr 1537 wurde die erste

öffentliche Bibliothek in Sarajevo - die Gazi Husrev Beg Bibliothek, eröffnet. Danach brachte

die österreichisch-ungarische Ära europäischen Geist in die Bibliotheken Bosniens und

Herzegowinas und es wurden staatliche und ethnische Bibliotheken in verschiedenen Kultur-

und Bildungsverbänden erschaffen. In diesen turbulenten historischen Zeiten konnten

bosnisch-herzegowinische Bibliotheken wertvolle Schriften aufbewahren, Schätze und

Zeugnisse von Jahrhunderten des Multikulturalismus, der durch einen Zusammenfluss von

Ethnien, Religionen und Sprachen geformt wurde. Mittelalterliche Manuskripte, einschließlich

orthodoxer und katholischer Gebetsbücher, Transkriptionen des Korans und anderer

wertvoller islamischer Werke, der jüdischen Haggada, und gedruckte Bücher aus dem

sechzehnten Jahrhundert bis in die Gegenwart – all das ist im Laufe der Jahrhunderte erhalten

geblieben. Während der kommunistischen Periode verherrlichte Bosnien und Herzegowina

seine kulturelle Entwicklung und sein Kulturerbe, wodurch es Kultureinrichtungen für die

Zwecke der politischen Propaganda unterstützte. Vor allem in der kommunistischen Zeit galt

den Bibliotheken großer Wert, da diese als sozial nützlich für die Entwicklung des Geistes eines

„sozialistischen Bürgers“ gesehen wurden und als staatliche Ressourcen mit historischer

Bedeutung politische Unterstützung fanden (Kasapovic 2015, S. 666). Was bosnisch-

herzegowinische Bibliotheken jedoch von anderen der postkommunistischen Länder

unterscheidet ist die Verwüstung durch den Krieg und die unzureichende Gesetzgebung und

Politik in Hinblick auf den Schutz der Bibliotheken. Kasapovic (2015) spricht an, dass vor allem

die mangelnde Kooperation und Koordination zwischen den Bibliotheken und Ebenen (siehe

Kapitel 3.3) die Entwicklung derer in der Nachkriegszeit deutlich behindert haben (Kasapovic

2015, S. 667).

Ein Beispiel einer solchen Zerstörung, die mitunter eine Auslöschung der geschichtlichen

Niederschreibungen verursachen wollte, ist die Brandsetzung der National- und

Universitätsbibliothek Sarajevos.

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„In April 1992 it was the Bosnian capital Sarajevo which came under

siege by JNA forces firing at the city from emplacements on the surrounding

hills. This time the siege lasted for three and a half years. An estimated

12,000 of the city‘s 350,000 residents were killed by shelling and

sniper fire; 50,000 more were wounded. The siege of Sarajevo also resulted

in what may be the largest single incident of deliberate book-burning

in modern history. The target of the attack was Bosnia‘s National and

University Library, housed in a handsome Moorish Revival building built

during the 1890s in the old town center as Sarajevo‘s city hall.” (Riedlmayer 2007, S.

110)

Abbildung 23: Nationalbibliothek Sarajevos im August 1992 (Riedlmayer 2007, S. 111)

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Vor dem Brand hatte die National- und Universitätsbibliothek ein Rapportier von geschätzten

zwei Millionen Werken, sowie Spezialsammlungen, seltene Bücher und Manuskripte,

einzigartige Archive, Karten, auch eine nationale Sammlung von Büchern, Zeitungen,

Zeitschriften, darunter die wichtigsten Forschungssammlungen der Universität von Sarajevo.

In einem dreitägigen Inferno wurde die Bibliothek und circa 90 Prozent ihres Bestandes zu

Asche gemacht (Riedlmayer 2007, S. 110). Riedlmayer beschreibt die verheere Lage:

„Braving a hail of sniper fire, librarians and citizen volunteers formed a

human chain to pass books out of the burning building to trucks queued

outside. Interviewed by a foreign journalist, one of them said: We managed

to save just a few very precious books. Everything else burnt down.

And a lot of our heritage, national history lay down there in ashes.” (ABC

News, 1993 nach Riedlmayer 2007, S. 112).

Die serbischen Snipers haben es vor allem auf die islamische Kollektion der Osmanischen

Skripte aus dem Jahre 1950 abgesehen und vernichteten die Islamisch Orientalische

Institution mit all ihrem Content (Riedlmayer 2007, S. 112).

Nach dem Krieg war vor allem das Post-Dayton-Abkommen ausschlaggebend für die komplexe

Verwaltung der Bibliotheken, die in vier Ebenen unterteilt wurde (siehe Kapitel 3.2): Staat,

Entitäten, Kantone und lokale Gemeinschaften. Dieses komplexe System hat sich negativ auf

den Fortschritt der Bibliotheken ausgewirkt, da sie unter den zwei komplexesten Sektoren

dieses Systems fallen: dem der Bildung und der Kultur. Diese fällt unter die Ebene der

Entitäten.

Anhand von etlichen Sponsoren und Investoren, vor allem aus der EU und den USA, gelingt es

Bosnien und Herzegowina einige der wichtigsten Bauten wiederaufzubauen und zurück in ihr

ursprüngliches Antlitz zu bringen. Darunter auch die Universitäts- und Nationalbibliothek, auf

Bosnisch Viječnica, die durch österreichische Investoren seit 1996 wiedererbaut und 2014 mit

der Wiener Vielharmonika feierlich eröffnet wurde (vijecnica 2018). Heute wird sie vor allem

für feierliche Events, wie zum Beispiel dem Österreich-Ball, austrijski bal, genutzt (oslobođenje

2018).

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Riedlmayer (2002) spricht vor allem die Kapazität an Verbesserungen in Hinblick auf

Kulturerbe und das mangelnde Fachwissen in den für die Erhaltung und Inwertsetzung

benötigten Bereichen an:

„Among the many negative consequences of the fragmented political arrangements

imposed on Bosnia by the framework of the Dayton Agreement is that the

institutions that used to be supported at the national level, including those involved

in the protection of cultural heritage, have been left orphaned, without adequate

support or legal mandate. However, at the local level, where regulatory authority

now resides, there is a serious shortage of expertise and resources for dealing with

the cultural catastrophe wrought by the war.

In addition to funding for specific projects, there is a need for training in proper

methods of assessment and in current methods and approaches to the conservation

of wardamaged monuments. The local authorities also need support in drafting and

effectively enforcing standards and regulations to stop the ongoing destruction of

important buildings and heritage sites that survived the war only to fall victim to

uncontrolled postwar development.” (Riedlmayer 2002, S. 34)

Abbildung 24: Nationalbibliothek Sarajevos 2018, eigene Aufnahme

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Weitere Beispiele, an denen ersichtlich ist, dass Kulturerbe bewahrt und wiederaufgebaut

wird, sind die Seilbahn auf den Berg Trebević, die fast drei Jahrzehnte nach der Zerstörung

durch ausländische Investoren wiedererbaut wurde. Dazu zählt auch die Inwertsetzung des

Olympiaparks mit der Rodelbahn, die von Mienen und Ästen befreit wurde. Mit diesen

Erneuerungen werden bereits viele Touristen angelockt.

Abbildung 25: Seilbahn auf Trebević 2018, eigene Aufnahme

Page 73: EDNA DEDIC - unipub.uni-graz.at

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3.4 EXPERTENGESPRÄCHE

Die in diesem Abschnitt vorgestellten Expertengespräche zeigen, wie in Kapitel 1.3.3

beschrieben, einen tieferen Einblick in das Untersuchungsthema. Diese Expertengespräche

können als zusätzliche Informationsquelle zu dem nicht leicht definierbaren Begriffen

Identität und Kultur fungieren, vor allem durch das Fehlen von verlässlicher Statistik und

wissenschaftlicher Literatur. Da dieses Thema an sich bereits viel auf individueller Perspektive

Abbildung 26: aufgewertete Olympia-Rodelstrecke 2018, eigene Aufnahme

Page 74: EDNA DEDIC - unipub.uni-graz.at

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und wenig auf fassbaren Gegebenheiten beruht, sollte hinzugefügt werden, dass es sich

hierbei um die Meinungen und Auswertungen der Experten handelt und meine Perspektive

dabei außen vor bleibt.

Befragt wurden vor allem Experten und Expertinnen, die mit Identität und Kulturerbe

professionell tätig und beruflich damit beschäftigt sind. Vor allem da es sich bei diesen

Themen um (immer noch) sehr sensible Angelegenheiten handelt und aufgrund von

ethnischer Korrektheit, bleiben die Namen der ExpertInnen verborgen. Anzumerken ist, dass

von jeder Ethnie und von jeder Ebene des politischen Systems, das heißt von staatlicher,

föderaler, Entitäten- und kantonaler Ebene, ExpertInnen befragt wurden, um einen

bestmöglichen Einblick in die Zusammenarbeit dieser Ebenen zu erlangen, den man durch

fehlende Literatur nicht erlangen kann. Dabei wurde auch eine Exkursion nach Bosnien und

Herzegowina und auch in die Republika Srpska, zum Ministerium nach Banja Luka,

unternommen.

Die geführten Gespräche begannen zunächst mit der Frage des Tätigkeitsbereichs der

jeweiligen Institution/Person, um über die Fragen hinaus zu begreifen, wie die Arbeit vor Ort

aussieht. Damit soll in erster Linie das Ziel verfolgt werden, die Forschungsfrage zu

beantworten, inwiefern die Identität auf das Kulturerbe Einfluss nimmt und wie die

Kooperation zwischen den Identitäten aussieht. Insgesamt wurden die Gespräche an fünf

Fragen orientiert, die jedoch im Laufe des Gesprächs durch Zwischenfragen für ein klares

Verständnis ergänzt wurden.

Als weitläufiges Ziel dieser Experteninterviews sollen mögliche Lücken, aber vor allem

Potenziale für eine Verbesserung des Landes gezeigt werden.

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Frage 1) Welche Zugehörigkeit ist Ihnen am Wichtigsten?

Die zum Land Bosnien und Herzegowinas, zu ihrer Ethnie, zu ihrem Volk, zu Europa

oder ihrer Religion?

Ziel der Frage:

Mit dieser Frage soll herausgefunden werden, welcher Zugehörigkeit sich unterschiedliche

Personen in Bosnien und Herzegowina fühlen, um zu sehen, welche Dominanz Identität aus

ihrer individuellen Perspektive trägt. Daraus soll auch in Hinblick auf eine gemeinsame Zukunft

erkennbar sein, wie sehr sich die ExpertInnen mit dem Land Bosnien und Herzegowinas

identifizieren oder ob jeder seine eigene Identität immer noch zeigt und sich dadurch

definiert. In Hinblick auf Kulturerbe ist diese Frage dahingehend relevant, da sie zeigt, ob alle

Beteiligten an einem Strang ziehen oder sich jeder als Teil eines Kollektivs, aber nicht als Teil

des Landes, sieht.

Auswertung:

Bei dieser Frage zeigten sich sehr unterschiedliche Antworten. Die befragten Personen, die bis

auf eine Ausnahme aus dem Land Bosnien und Herzegowina stammen und dort auch wohnen,

sehen sich selbst hauptsächlich zu ihrer Ethnie zugehörig. Die meisten antworteten, dass die

Ethnie für sie selbst am Wichtigsten ist und sie sich dadurch auch definieren.

Einer antwortete, dass die Zugehörigkeit als BosnierIn die wichtigste sein sollte, es aber nicht

ist. Jedem wahren Patrioten sollte das Land Bosnien und Herzegowina an erster Stelle stehen.

Um auf diese Frage überhaupt eine Antwort geben zu können, müsse man sich, laut eines

Experten, die Geschichte des Landes ansehen: Leider wurde aufgrund der negativen Politik im

Land und den Schwierigkeiten bei der Eroberung der Territorien Bosnien und Herzegowinas

eine „verlorene Politik“ von Seiten der ersten Nachbarländer Bosnien und Herzegowinas

geführt, die jahrelang alles negierten, das bosnisch ist. Das geschah einigen leider auch,

wodurch eine Zugehörigkeit des Landes nur als ein regionaler Terminus verstanden wird, das

heißt, Bosnier sind die, die aus Bosnien kommen, aber national gesehen bezeichnen sie sich

als Zugehörige ihrer Ethnizität, von der sie stammen. Leider ist auch die religiöse Zugehörigkeit

zu einem Synonym der nationalen Zugehörigkeit geworden. Die richtige Bezeichnung

„Bošnjak“, die alle Einwohner Bosnien und Herzegowinas bezeichnete - egal welcher religiöser

oder nationaler Zugehörigkeit - geriet in Vergessenheit. Durch die starken Einflüsse der

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Nachbarländer Kroatien und Serbien, haben die katholischen und orthodoxen Bewohner

Bosnien und Herzegowinas mit der Zeit die zuvor vorherrschende Bezeichnung „Bošnjak“, die

als synonyme Bezeichnung für Bosnier galt, verdrängt und begonnen sich als Serben oder

Kroaten zu deklarieren. Damals haben sich jedoch nur mehr bosnische Muslime als Bosniaken

bezeichnet, damit beim Rückgang Österreich-Ungarns und der Formation des SHS-

Königreichs, diese Bezeichnung nicht völlig außer Acht gelassen wird. So begann die damalige

Herrschaft nur mehr die muslimische Bevölkerung als solche zu bezeichnen, womit eine

Stärkung der Religionszugehörigkeit mit der Nation vonstattenging. Zu Titos Jugoslawien-Zeit

hatten die Bosniaken nicht einmal das Recht, Muslime zu sein, sondern sie mussten sich als

Serben, Kroaten oder als keiner Religion zugehörig deklarieren. Diese Bestimmung wurde erst

1968 abgeschafft, wodurch die Bosniaken konstitutiv geworden sind, jedoch unter der

Bezeichnung „Muslime“. Diese Bezeichnung hat die Nation repräsentiert, das heißt in Bosnien

und Herzegowina haben muslimische Muslime gewohnt (Muslimani muslimani), und das war

auch eine weltweit einmalige Gegebenheit, dass man einem Volk eine Bezeichnung der

Religion als Bezeichnung einer Nation zuschreibt. Serben haben stark vermieden, den

Bosniaken den Status eines konstitutiven Volkes zu geben, da sie meinten, damit werden die

nationalen Interessen der serbischen Bevölkerung Bosnien und Herzegowinas gefährdet, die

ihre nationale Identität bereits vorher herausbildeten, vor allem nach dem Attentat an Gavril

Princip in der Stadt Sarajevo. Die beste Veranschaulichung der Negierung alles Bosnischen

zeigt das stetige Negieren der bosnischen Sprache, die bewiesen als eine der ältesten

Sprachen des ehemaligen Staates gilt. Erst nach dem Krieg und der Aggression in Bosnien und

Herzegowinas bekommen die bosnischen Muslime ihre ursprüngliche Bezeichnung

„Bosniaken“, die auch zur Bezeichnung der Nationalität wird. Weiter meint der Experte, dass

er zukünftig sieht, dass die Religion eine individuelle Angelegenheit ist und er würde die

Zugehörigkeit zum Land Bosnien und Herzegowinas an erster Stelle sehen, - Bosnien als ein

unabhängiges, souveränes Land, das immer schon ein Teil Europas war.

Auch eine weitere Meinung sieht die Zugehörigkeit zum Land Bosnien und Herzegowinas an

erster Stelle, sagt jedoch auch, dass dies leider in der Realität aufgrund von sehr stark

präsenter Ideologien und Identifikationen zu Serbien und Kroatien, nicht der Fall ist; wünscht

sich das jedoch und glaubt auch, dass es mit einer größeren Zeitspanne nach dem Krieg noch

eintreffen wird. Dabei wird angeführt, dass sich nur wenige als „BosnierInnen“ definieren und

als solche bekanntlich zeigen. Hier wurde auch das Beispiel der Schweiz erwähnt, wo auch

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verschiedene Identitäten zusammenleben, sogar sehr unterschiedliche Sprachen gesprochen

werden, sich alle Einwohner dennoch als SchweizerInnen definieren. In der Schweiz sagt kein

italienischsprechender Einwohner er/sie sei ItalienerIn und kein französischsprechender

er/sie sei Franzose/Französin. In der Schweiz besteht darüber kein Zweifel und keine

Diskussion, wie ein Experte anführt.

Laut eines Experten hängt diese Identifikation davon ab, wo man wohnt. Laut seinen

Aussagen, geht die Anzahl an Menschen leider zurück, die sich als „Bosnier“ bezeichnen. Der

enttäuschende Grund dafür ist, dass diese Bezeichnung nur einer Identität für den gesamten

Staat entsprechen würde.

In Teilen Sarajevos, die der Föderation Bosnien und Herzegowinas angehören, identifizieren

sich, laut seiner Meinung, die meisten Einwohner zum Land, also als „Bosnier“; in anderen

Teilen, wie den Gemeinden, die der RS angehören oder wo kroatische Einwohner dominieren,

leider nicht. Für ihn spielt dabei die Religion nicht so sehr eine Rolle, nur die Bezeichnung

„Kroate“ oder „Serbe“, wobei diese meist nicht als religiöse Personen erkenntlich sind. Er

betont jedoch, dass immer weniger Einwohner in Sarajevo sich als „Bosnier“ bezeichnen und

das Verstehen darüber, was das überhaupt bedeutet, sich ändert. Das hängt damit zusammen,

dass das politische System in Bosnien und Herzegowina einen dazu zwingt, sich als ein

Zugehöriger einer Ethnie anzuschließen, damit man überhaupt einen Platz in der Gesellschaft

und in den öffentlichen Bereichen bekommt. Um beim Zensus oder als KandidatIn im

politischen System dazuzugehören, muss man sich als Teil einer der drei Ethnien definieren.

Diejenigen, die gegen eine gemeinsame Identität sind, haben das, seiner Meinung nach, mit

Erfolg geschafft und stützen sich auf das konstitutionelle System in Bosnien und Herzegowina,

um diese Idee zu marginalisieren. Auch der Zensus im Jahre 2013 war alles andere als streng,

was die Angabe der Zugehörigkeit, Sprache, Religion, etc. anbelangt, wodurch diese

Separation weiter gepusht wurde.

Ein weiterer Aspekt, der von Experten genannt wurde ist das Schulsystem, das die

Identifizierung mit der jeweiligen Ethnie weiterhin zumal unterstützt und immer noch erhält.

Das kann auch der Grund sein, warum diese Diskrepanzen sich auch verschlechtern, da bereits

zur Schulzeit und in sehr jungen Jahren eine Segregation stattfindet.

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Interpretation:

Die Variation der Antworten zeigt, dass die Identifikation mit den jeweiligen Ethnien und der

konfessionellen Zugehörigkeit immer noch sehr präsent ist im Land und daher der Weg einer

gemeinsamen Nation noch ein sehr weiter erscheint. Einige Befragten definieren sich

ausschließlich mit der eigenen Ethnie und sagen auch, dass diese die wichtigste Zugehörigkeit

ist, wodurch ein Zusammengehörigkeitsgefühl nicht entstehen kann. Auffällig ist, dass sich die

Bosniaken zumeist als BosnierInnen definieren und zu Bosnien und Herzegowina als ihre

Nation zugehörig fühlen. Wohlmöglich gründet das auch darauf, dass sie kein anderes Land

als Zentrum ihrer Religion in der Vergangenheit hatten, anders als für Kroaten und Serben. In

Hinblick auf eine gemeinsame Zukunft könnte diese Trennung der Bezeichnung, die damit die

Trennung der Ethnien repräsentiert, zu weiteren Diskrepanzen führen.

In Bosnien und Herzegowina ist es tatsächlich immer noch so, dass man sich zu einer Ethnie

deklarieren muss, um Platz im öffentlichen Leben zu finden, beispielsweise in der Politik oder

am Arbeitsmarkt. Dies hängt damit zusammen, dass seit dem Dayton-Abkommen die

ethnische Verteilung in den meisten Ebenen der Gesellschaft reguliert wurde. Das bedeutet

leider auch, dass sich beispielsweise nur ein/e RepräsentantIn einer Ethnie zur Wahl aufstellen

lassen kann und Minderheiten hier keinen Platz haben, da sie aus allen Regulationen

ausgeschlossen wurden.

Man merkt eine gewisse Angst und ein Konkurrenzdenken zwischen den Ethnien von den

jeweils „Anderen“ in der Zahl überstimmt zu werden und somit auch die Mehrheit und die

damit zusammenhängende Macht zu verlieren, was sich beispielsweise, wie auch oben vom

Experten angesprochen wurde, im Zensus 2013 gezeigt hat, bei dem Einwohner Bosniens und

Herzegowinas ihre im Ausland lebenden Familienmitglieder zu ihrer Ethnie dazuzählen

konnten, nur um nicht von den „anderen“ überstimmt zu werden.

Frage 2) Worin sehen Sie das Potenzial in Bosnien und Herzegowina?

Ziel der Frage:

Mit dieser Frage soll das Potenzial des Landes gezeigt werden, um auf der einen Seite zu sehen,

wie die Experten das Potenzial des Landes einschätzen und auf der anderen, welche

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Zukunftsperspektiven Bosnien und Herzegowinas wohlmöglich blüht. Dabei soll

herausgefunden werden, worauf man sich in Hinblick auf eine Besserstellung des Landes

fokussieren sollte.

Auswertung:

Die Mehrheit der Befragten führte an, dass Bosnien und Herzegowina auf alle Fälle Potenzial

hat - sogar in mehreren Bereichen, die in den folgenden Punkten zusammengefasst werden:

• Potenzial für Tourismus

• Nahrungsherstellung

• Industrie

• Creative Industry und Kunst

• Handwerk

• Wirtschaftliches Potenzial

• Potenzial für Unternehmensgründungen

• Kulturerbe als Potenzial

• Naturräumliches Potenzial

Laut eines Experten hat Bosnien und Herzegowina vor allem in ökonomischer Sicht großer

Potenzial. Es scheint, dass sich die Wirtschaft im Land langsam bessert, laut Statistiken, aus

denen ein Wachstum zu sehen ist. Es lässt sich dahingehend aber auch eine Ungleichheit der

wachsenden Größe des öffentlichen Sektors und den Leuten, die einen Arbeitsplatz haben

gegenüber denen, die arbeitslos sind, feststellen. Generell wächst die Wirtschaft aber und es

gibt bestimmte Regionen, in denen es viel expandierende Wirtschaft mit vielen neuen, kleinen

Unternehmen gibt, und Gemeinden, die Unternehmen fördern. Hierbei spielen auch Diaspora

einen wichtigen Faktor und tragen mit ihren Unternehmen und Investitionen zum

wirtschaftlichen Wachstum bei. In Sarajevo scheinen die Einwohner manchmal unzufriedener

zu sein, da sie sich durch die Hauptstadt automatisch einen gewissen Lebensstandard

erwarten, nur weil es die Hauptstadt ist und hierher Menschen kommen, Geld ausgeben und

sich amüsieren, etc. Es ist aber, nach Angaben mehrerer Experten, noch viel Raum für

wirtschaftliche Expansion und Wachstum vorhanden. Sie sprechen vor allem eine

Unterstützung von Start-ups an und adäquate administrative Regulationen, die

Unternehmensgründungen erleichtern und fördern. Das Prozedere von Neugründungen oder

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Wiedereröffnungen sollte hierbei erleichtert werden. Mit mehr Unternehmen und einer

Förderung von Start-Ups kann im wirtschaftlichen Bereich das Potenzial noch weiter gefördert

und damit verbunden, Raum für positive Veränderung geschaffen werden. In Hinblick auf

Instabilität im Lande gibt es Vorschläge, gewisse Parteien mehr zu bremsen, um nicht mehr

politischen Diskurs zu schaffen.

Für all dieses Potenzial kommt der Wunsch nach mehr politischer Aktivität auf, vor allem auf

lokaler Ebene, da hier, nach Meinung einiger Experten, gerade wenig Veränderung stattfindet

und es wenig voranschreitet.

Weitere wirtschaftliche Antriebsmöglichkeit, die hier genannt wurden, sind die Nachbarländer

Serbien und Kroatien, die durch die Nähe der EU und ihre stabileren wirtschaftlichen Lagen,

das Land dadurch positiv antreiben können. Wenn alle Nachbarländer Bosniens und

Herzegowinas einmal zur EU gehören, könnte das die Situation im Land auch verbessern. Auch

Punkte wie Sicherheit sollten laut eines Experten wieder mehr in den Vordergrund gerückt

werden, um das Land zu verbessern.

Hier wird auch das Erbe nicht nur als wichtiger Teil der kollektiven und individuellen Identität

angesprochen, sondern als besonderer Wert, der bereits lange andauert und weit in deie

Geschichte zurücklangt. Dabei haben wir aus Sicht einer Expertin eine gemeinsame kollektive

Identität, die es zu bewahren gilt. Dieses Kulturerbe ist aber nicht nur ein wichtiges

symbolisches Ausleben dieser Identitäten, sondern vielmehr eine wichtige Ressource, die wir

auf eine durchdachte Weise schützen sollten. Sie sieht in der Kulturindustrie das größte

Potenzial, das viel mehr gefördert werden sollte. Das Kulturerbe sieht sie dabei nicht nur als

wichtige Kennzeichen der individuellen und kollektiven Identität, sondern auch als

wirtschaftliches Potenzial und Potenzial für Fortschritt in der Kultur. Hierbei nennt sie auch

Projekte, die das Kulturerbe als touristische Attraktion miteinbeziehen, wie zum Beispiel in

eine Route durch das Land und dabei unter anderem auch andere Länder beteiligt werden.

Dass Sarajevo in kultureller Sicht bekannt ist, scheint hier außer Frage zu stehen, nicht zuletzt

durch den Balkankrieg, der auch Kriegstourismus und dark heritage in das Licht rückt.

Interpretation:

Positiv zu vermerken ist, dass jede/r Befragte Potenzial in Bosnien und Herzegowina sieht.

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Hier scheint es einige positivere aber auch negativere Zukunftsperspektiven für das Land zu

geben. Kritisiert wird von einigen Seiten auf alle Fälle das komplexe administrative System und

die vielen unterschiedlichen Ebenen, die eine Zusammenarbeit erschweren. Da es dahingehen

bereits viel Diskussionen gibt, kann das in Zukunft möglicherweise zu einer Veränderung des

komplexen Systems und einer Auflockerung der Regulierungen führen. Dazu müssen

Einwohner jedoch noch weitaus kritischer, aber vor allen Dingen aktiver werden. Auffallend

ist auch, je mehr man von den Medien und einigen politischen Meinungen weggeht, desto

mehr Positives ist im Land zu vermerken.

Frage 3) Wie sieht die Bewahrung und Inwertsetzung des kulturellen Erbes ihrer Meinung

nach aus?

Ziel der Frage:

Mit dieser Frage sollen die ExpertInnen einschätzen und erklären, wie das Kulturerbe in

Bosnien und Herzegowina bewahrt und wieder in Wert gesetzt wird, um das komplexe System

des Kulturbegriffs im Land leichter nachzuvollziehen.

Auswertung:

Bei dieser Frage erklärten die Befragten, in welchem Tätigkeitsbereich sie zuständig sind und

wie ihre Arbeit mit Kulturerbe aussieht. Dabei hat sich gezeigt, dass Kulturerbe eine große

Rolle spielt, allen voran das Dayton-Abkommen und die darin verordnete Annex 8 Regelung,

die über alle anderen Regulierungen steht.

In Bosnien und Herzegowina herrscht ein reiches kulturelles Erbe, jedoch gibt es ein Problem

der Aneignung kultureller Denkmäler und der Fehlinterpretation und Neuschreibung der

Geschichte. Leider wurden im letzten Krieg sogar kulturhistorische Denkmäler zerstört, die

unter dem Schutz von UNESCO standen. Alles, was die Existenz einer bosnischen Nation

bewiesen hat und beweist, wie zum Beispiel das Rathaus in Sarajevo, die Alte Brücke in

Mostar, viele Kirchen usw., sollte zerstört werden. Die Identität hat dabei einen großen

Einfluss auf die Erhaltung von kulturhistorischen Denkmälern.

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Hier wird von mehreren Experten die Bildung als ein wichtiger Einflussfaktor auf das

Kulturerbe genannt. Bildung und genaue Kennzeichnung, was Kulturerbe ist, sollte viel mehr

in den Mittelpunkt gerückt werden, um ein Bewusstsein für Kulturerbe zu schaffen. Es wird

erwähnt, dass der Bezug der Einwohner zu den Kulturbauten sehr wichtig ist und dabei ein

Wahrnehmen und ein Wissen über die eigene Kultur Einfluss darauf nimmt. Wenn Seitens der

Bevölkerung keine Wichtigkeit einem Monument zukommt, so kann es noch so viele Projekte

und Regulationen geben, sie werden dieses Monument jedoch leichter vernachlässigen oder

beschädigen. Hier sollte man also bereits in der Schule ein Bewusstsein dafür schaffen, was

und warum etwas als Kulturgut gesehen wird.

Aus den Experteninterviews geht heraus, dass das internationale Komitee nicht länger in der

Kommission für die Erhaltung von nationalen Monumenten eingebunden ist, wie dies nach

dem Krieg der Fall war. Anfänglich war dieses Komitee ausschließliche eine internationale

Gemeinschaft, wurde jedoch weitergegeben an das Präsidium, das neue Mitglieder der

Kommission beinhaltet. Es gab zwar noch internationale Experten, die dort ihren Sitz hatten,

jedoch eher exkludiert wurden, sodass es nun eher Diskrepanzen und Unschlüssigkeit gibt

bzw. sich auch jeder um seine eigenen Angelegenheit kümmern kann. Das führt dazu, dass

einige etwas in ihrer eigenen Region fördern können und die „anderen“ in ihrer Region außen

vor lassen. Das Interesse Kulturerbe zu schützen und zu bewahren ist nicht wirklich geschützt

oder reguliert, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Das Ministerium für Zivile

Angelegenheiten trägt dabei den Aufgabenschwerpunkt des Kulturerbes auf Landesebene,

wobei mehr auf kantonaler und regionaler Ebene tatsächlich geschieht und in Praxis

umgesetzt wird.

Es wurde öfter betont, dass Bosnien und Herzegowina reich an Kulturerbe ist, vor allem durch

die verschiedenen Machteinflüsse und historischen Geschehnisse, jedoch es im Land einfach

an klaren Regelungen fehle, um dieses Kulturgut an die nächsten Generationen

weiterzugeben. Dabei betont ein Experte, dass es nicht darum geht, zu welcher Ethnie dieses

Kulturerbe gehört oder wer was zerstört hat; es gehört nämlich uns allen und ist Teil der

gemeinsamen Geschichte aller Einwohner Bosniens und Herzegowinas. Ohne dies zu

bewahren und zu schützen geht auch ein Teil der Geschichte Bosnien und Herzegowinas und

damit ein wichtiger Bestandteil der Identität verloren.

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Eine Expertin führt an, dass die bauliche Zerstörung des Kulturerbes die eine Sache ist, der

Verlust der Pläne und Aufzeichnungen zu den Bauten jedoch ein viel größeres Problem

darstellt. Die vielen durch den Krieg verschollenen und vernichteten Aufzeichnungen zu den

unterschiedlichen Gebäuden lassen einen Wiederaufbau oder eine Renovierung fast nicht zu.

Nur eine erhaltene Dokumentierung eines Denkmals ermöglicht es, dieses zu Erneuern. Es

wurden durch einige Institutionen Mikrofilme und Kopien von Plänen erhalten, die während

des letzten Krieges an sicheren Orten versteckt und somit erhalten wurden, die eines der

elementaren Dinge für das Stadtbild sind.

Es wurden auch Beispiele angeführt, bei denen gewisse Institutionen trotz der vorhanden

Regulierungen zum Kulturerbe dennoch umgangen, ignoriert und sie in der Praxis anders als

verordnet umgesetzt wurden. Dies sei auf das fehlende System und Achtung vor diesen

Institutionen zurückzuführen. Dadurch geht, laut Experten, das Ambiente Sarajevos verloren,

die Besonderheit der Multikulturalität.

Interpretation:

Aus diesen Antworten geht, wie auch schon theoretisch festgestellt, hervor, dass vor allem

das komplexe System an Administration und Politik der Bewahrung und Inwertsetzung von

Kulturerbe im Weg stehe. Bei einem Fehlen von einheitlicher Regulierung und deutlicher

Regeln in Bezug auf die Bewahrung und Inwertsetzung des Kulturerbes sowie der schlechteren

wirtschaftlichen Lage, ergibt sich die Gefahr, dass ausländische Investoren ein historisch

wichtiges Kulturgut „aufkaufen“ können und es zu ihren Gunsten verändern oder gar

eliminieren. Gewisses Kulturerbe ist dafür nicht gut genug geschützt, sodass der Einfluss von

außen durchaus das Land verändern können und ihre eigene Kultur hineinbringen und dabei

die des Landes überdecken. Dabei kann auch UNESCO eine Rolle spielen, die durch ihr

internationales Wirken und ihre Wichtigkeit den Schutz, beispielsweise der Baščaršija, geben

und sichern würde.

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Frage 4) Inwiefern beeinflusst die Identität die Bewahrung und Inwertsetzung des

kulturellen Erbes und wie sieht die Zusammenarbeit dieser aus?

Ziel der Frage:

Mit dieser Frage soll herausgefunden werden, wie die Experten und Expertinnen den Einfluss

der Ethnien auf das Kulturerbe einschätzen und wie sich dieser Einfluss auf die Entscheidungen

bezüglich Erhaltung und Inwertsetzung des Kulturerbes auswirken.

Auswertung:

Die Zusammenarbeit in Bosnien und Herzegowina spielt nicht nur dahingehend eine wichtige

Rolle, um die im Dayton-Abkommen beschlossene Gleichberechtigung aller drei Ethnien

einzuhalten, sondern in erster Linie für die erfolgreiche Durchsetzung aller Entscheidungen,

ohne sich dabei gegenseitig zu behindern oder in den Schatten zu stellen.

Die ExpertInnen gaben an, dass vor allem die Zusammenarbeit der Ethnien von der jeweiligen

Region abhängig ist. In Sarajevo ist die Zusammenarbeit, laut eines Experten, besser als in

Banja Luka oder Mostar beispielweise. Wenn man nach Sarajevo schaut, gibt es eine weitaus

stärker durchmischte Bevölkerung, wobei in dieser Region diese Durchmischung jedoch wenig

zu verspüren ist. Die Menschen stehen in einem guten Miteinander und haben ähnliche

politische Ansichten. Natürlich hat die Nachkriegssituation das Land ethnisch sehr homogen

aufgeteilt, sodass die Beziehungen in bestimmten Regionen, darunter auch Sarajevo oder

Tuzla beispielsweise, sehr gut sind, aber auch in politisch schwierigen Regionen, wie Banja

Luka oder Teilen Mostars gibt es zwar ethnische Tendenzen zu den jeweiligen Seiten aber die

meisten von denen sind nicht „geladen“.

Da vor allem das Dayton-Abkommen die Zusammenarbeit zumindest auf höheren Ebenen

reguliert, scheint diese Zusammenarbeit zu funktionieren. Alternativen zum Dayton-

Abkommen gibt es bereits, diese seien jedoch nur Ideen und nicht konkrete

Änderungsbestrebungen. Auf lokalen Ebenen werden die Dayton-Bestimmungen nicht so

streng gesehen, sodass andere Möglichkeiten gegeben sind. So können die Kooperationen der

Sarajevo-Gemeinden und der Gemeinden der Republika Srpska in Sarajevo durchaus auch sehr

gut verlaufen, wo sie grundlegende Fragen zu lösen haben, ohne sich streng an die Dayton-

Regulationen zu halten. Je mehr man in lokalen Ebenen schaut, desto besser funktioniert auch

das Miteinander ohne strenge Regeln. Konstitutionell gesehen wird das Dayton-Abkommen,

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laut Experten, noch weiter bestehen bleiben. Nur Krisen im Land, Proteste oder Bewegungen

könnten diese Änderung der aktuellen administrativen Lage vorantreiben, jedoch scheint man

sich vor solchen Unruhen noch zurückzuhalten, wohlmöglich aus Angst, dass dies wieder

eskalieren und zu einem neuen Krieg führen könnte. Oder - andere Änderungsoptionen

könnten durch Einflüsse von außen angetrieben werden, beispielsweise seitens von

Washington oder der EU.

Ein Experte vergewissert aber auch, dass die Menschen, die mit der Bewahrung und

Inwertsetzung von Kulturerbe zu tun haben und sich professionell damit beschäftigen, sehr

wohl auf jedes Kulturerbe gleichermaßen achten, ohne dabei das einer bestimmten Ethnie zu

bevorzugen.

Laut einer Experten könnte die Zusammenarbeit der Ethnien besser aussehen, vor allem aber

die Zusammenarbeit der verschiedenen Ebenen im Land, also der staatlichen mit der

kantonaler beispielsweise. Hier wünscht sie sich eine bessere Koordination der verschiedenen

Institutionen auf verschiedenen Ebenen. Sie verweist auch darauf, dass ethnische Mehrheit in

einer Region über die ethnischen Minderheiten entscheidet und somit die ethnischen

Konstellationen stets eine Rolle spielen. Jedoch spricht sie auch an, dass sie nicht zwischen

„deren“ und „unserem“ Erbe unterscheiden will, es sich hingegen um „unser“ Erbe handelt,

also ein gemeinsames Erbe aus einer gemeinsamen Historie mit universellem Wert, der uns

allen gehört.

Eines der Hauptprobleme in Hinblick auf Kulturerbe ist das Fehlen von einer Kategorisierung

des Kulturerbes. Es gibt keine Denkmäler, die der Kategorie eins, zwei, usw., entsprechen und

somit auf einer potenziellen Priorität stehen würden, nach nationalen Denkmälern bis hin zu

den lokalen. Jetzt wird aber jedes Denkmal als nationales Denkmal deklariert. Die Erhaltung

der nationalen Denkmäler übernehmen wiederrum die ethnischen Einrichtungen, die sehr

wohl, laut ihrer Meinung, geleitet von der jeweiligen Ethnie dementsprechend beeinflusst

wird. Hier fehlt es, ihrer Meinung nach, an Kooperationen und Geldern.

Hier wird von Seiten eines Experten aus explizit getrennt zwischen den getroffenen

Entscheidungen und den tatsächlich umgesetzten Praktiken und der Achtung vor gewissen

Institutionen und deren Entscheidungen. Sie berichtet von Ignoranz ihres Instituts, wodurch

Entscheidung über ihren Köpfen getroffen werden. Vor allem die Kooperation zwischen den

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föderalen Entscheidungen und der tatsächlichen Umsetzungen auf lokaler Ebene wird hier als

problematisch beschrieben.

Interpretation:

Aus den Antworten geht heraus, dass die Ethnien zwar schon einen Einfluss auf das Kulturerbe

haben, vor allem aber in anderen Regionen, wie Banja Luka und Mostar, nicht so sehr in

Sarajevo, wo das Zusammenleben dieser Ethnien auf einem anderen Level stattfindet. Aus

einigen Antworten kann man schließen, dass bei der Zusammenarbeit der Ethnien noch Luft

nach oben herrscht und einige anscheinend doch nur an ihren eigenen kulturellen Bauten, die

ihre Ethnie repräsentieren, interessiert sind. Eine viel größere Rolle scheinen aber die

politischen Regulationen in Hinblick auf Kulturerbe zu spielen, hier das Dayton-Abkommen,

das genau bestimmt wie viele Mitarbeiter von welcher Ethnie im Ministerium arbeiten.

Weiters bestimmt dieser Annex 8 von Dayton, dass bei allem „lebenswichtigen

Entscheidungen“ alle drei Ethnien zustimmen müssen, wobei nicht klar deklariert wird, welche

Entscheidungen das genau betrifft. Laut einiger Experten und Expertinnen wird jedoch leider

über deren Kopf hinweg entschieden, da es an überregionalen Regulationen zum Kulturerbe

fehlt. Auch durch das Fehlen eines klaren Systems kommt es immer wieder vor, dass einige

Institutionen, die zwar für Aufgaben, die das Kulturerbe betrifft zuständig sind, aus

Entscheidungen und Umsetzungen ausgeschlossen werden. Hinzu kommt, dass Investitionen

in Bosnien und Herzegowina eine wichtige Rolle spielen und diese nicht klar zu einer

Institution zuzuordnen sind, wodurch es leicht zu Entscheidungen kommt, von denen andere

Institutionen bis zur Realisierung der Projekte nichts wissen und dadurch kein

Mitspracherecht ermöglicht bekommen. Es scheint auch, dass durch die fehlende

überregionale, staatliche Regelung und das intransparente System in Hinblick auf Kulturerbe,

die Gefahr besteht, dass wichtiges, historisch wertvolles, kulturelles Gut nicht

dementsprechend geschützt oder gar verändert wird. Einmal verändert, abgebaut oder gar

vernichtet kann es nie wieder in seine ursprüngliche Gegebenheit gebracht werden.

Eine Möglichkeit für Veränderungen können neben den Einflüssen aus dem Ausland auch die

nächsten Wahlen und ein neuer politischer Umbruch bieten.

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Es fällt auf, dass die ExpertInnen auf dem Gebiet von Kulturerbe im Kulturerbe des Landes

einen gemeinsamen Teil ihrer Vergangenheit und ihrer Identität sehen und den als ein

gemeinsames Kulturerbe auffassen, ohne ihr eigenes hervorzutun oder anderes in den

Schatten zu stellen.

Frage 5) Würden Sie sagen, dass das Vorhandensein von drei Ethnien eine Bereicherung für

das Land ist? Welche Vor- bzw. Nachteile kommen dem mit?

Ziel der Frage:

Mit dieser Frage soll herausgefunden werden, ob die ExpertInnen die Existenz von drei Ethnien

als etwas Positives oder eher negativ einschätzen und wie sich dieses Vorhandensein auf das

Land, ihrer Meinung nach, auswirkt. Dabei wurde auch hinterfragt, welche Vor- und Nachteile

in Bosnien und Herzegowina, mit der Besonderheit von mehreren ethnischen Gruppen

nebeneinander, gesehen werden können.

Antworten:

Alle Befragten gaben bei dieser Frage an, dass das Vorhandensein dreier Ethnien auf alle Fälle

eine Bereicherung für die Stadt Sarajevo bzw. auch für das Land Bosnien und Herzegowinas

darstellt. Sie sehen in jeder Region, in der mehrere Ethnien koexistieren eine Bereicherung

darin. In manchen Gebieten des Landes gibt es zwar offiziell und inoffiziell Fälle von Intoleranz,

jedoch hindert dies nicht die Entwicklung dieser Region. Wenn man sich Sarajevo hierbei

ansieht und die politischen Ansichten der EinwohnerInnen hier mit denen von Banja Luka oder

Mostar ansieht, so lässt sich feststellen, dass jeder hier - unbeachtet seiner ethnischen

Affiliation oder seines Namens - eine ungefähre gemeinsame Weltanschauung hat. Es ist

jedoch auch in Hinblick auf Funktionalität etwas ermutigend und entmutigend, da es hierbei

oft darum geht, warum die Staat nicht funktioniert und genügend Fortschritte macht. Sarajevo

Kanton ist hierbei nicht so funktionell und es gibt keine ethnische Blockade-Mechanismen, die

den Kanton davon abhalten könnten besser zu sein. Diese sind Korruption, laut Meinung des

Experten. Hier gibt es aber seitens einer politischen Partei Bestrebungen, die Korruption in

den Griff zu bekommen und logische Fragen zu stellen, wie zum Beispiel: „Warum

funktionieren öffentliche Services nicht?“. Leider erreichen diese politischen Parteien, die

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tatsächlich etwas verändern wollen, nie wirklich eine kritische Größe, mit der sie Neues

erreichen und das Bild ändern könnten.

Multiethnizität ist etwas, das Bosnien und Herzegowina immer schon schmückte und ihm

seine Besonderheit und Schönheit verlieh. Die Koexistenz dieser Ethnien in BiH war immer

schon eine Inspiration für viele Reiseführer und Historiker. Leider hat der Aufstieg des

Nationalismus zum Krieg in Bosnien und Herzegowina geführt, dessen Teilung bis heute noch

bemerkbar ist. Bosnien und Herzegowina muss die Heimat aller Völker und Nationalitäten

sein, wie ein Experte meint. Weil das Land, wie es bei der ersten Sitzung der ZAVNOBiH in

Mrkonjić Grad am 25. November 1943 festgelegt wurde, die Entschlossenheit der Menschen

in Bosnien und Herzegowina zum Ausdruck brachte, dass ihr Land weder serbisch, noch

kroatisch oder muslimisch, sondern serbisch UND muslimisch UND kroatisch ist, wird eine

Gemeinschaft, die die volle Gleichheit aller Serben, Muslime (Bosniaken) und Kroaten

gewährleistet, und dies sollte administrativ verwaltet werden.

Auch Diaspora spielen in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle und können sehr hilfreich für das

Land sein, auch wenn sie nur zurückkommen, um die Familie zu besuchen oder Geld zu

investieren. Experten können auch verstehen, dass diese nicht ihr „neues Leben“ aufgeben

würden, um wieder zurückzukehren in ein Land, wo noch so viel zu tun ist.

Laut eines Experten kommen die Menschen im alltäglichen Leben sehr gut miteinander

zurecht und sozialisieren sich auf normalem Weg. Wenn man sich die Medien, dabei vor allem

die sozialen Medien, ansieht, so erscheinen diese das größere Problem zu sein, da in diesen

öffentlichen Diskursen zwischen den ethnischen Gruppen, vor allem derjenigen, die sich von

politischen Anführern oder sozialen Medien leiten lassen, einige zu Unruhen bereiten wären.

Dies verschlechterte sich, nach Meinung des Experten, in letzter Zeit, wodurch es vermehrt zu

einer Verschlimmerung der Situation und des Miteinander gekommen ist. Das

Zusammenleben der ethnischen Gruppen wurde dadurch in jedem Hinblick beeinflusst. Eine

wichtige Rolle spielt bei dieser Diskrepanz das politische System und die klare Abteilung der

Ethnien, so auch der Bildungssysteme, sodass in allen Ebenen und fast im täglichen Leben

bereits eine Trennung zwischen den Ethnien zu vermerken ist. Kinder werden nach

verschiedenen Systemen, mit verschiedenen Schulbüchern und unterschiedlichen Curricula,

vor allem im Fach Geschichte, unterrichtet, wodurch bereits in sehr frühen Jahren eine

unterschiedliche Wahrnehmung der Bevölkerung in Hinblick auf das gemeinsame Land

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gegeben wird. Dadurch ergibt sich im alltäglichen Leben stets diese Unterscheidung, auch

wenn diese Unterschiede für einen Außenstehenden oder Touristen nicht zu spüren sind, für

die Einwohner sind sie das jedoch schon. Doch diese top-down-Einflüsse, die schon so lange

existieren, verstärken und verschlimmern sich, vor allem weil die Einwohner Bosniens und

Herzegowinas bereits durch diese Gegebenheiten frustriert sind. Sie können ihre Ziele nicht

verfolgen und stehen auch mit erfolgreich abgeschlossenen Studien unzufrieden da und

sagen, sie wollen das für sich selbst und ihre Familien im Leben eigentlich nicht erreichen. Man

kann sich in diesem Land auch mit viel Fleiß und Mühe keine großen Erwartungen in Hinblick

auf Politik, Finanzen, Bildung, etc. machen, wodurch eine Art von Pessimismus entstehe.

Dieser Pessimismus zeigt sich zum einen an der Auswanderungsbilanz und zum anderen an

der nicht-Beteiligung an Politik. Die Menschen hier, die unzufrieden mit der aktuellen Lage

sind, sind auch meist weiniger dazu bereit, sich an der Politik oder der aktuellen Situation zu

beteiligen und etwas zu ändern. Diejenigen, die sich auch an Wahlen beteiligen, sind auch

diejenigen, die sich in einer gewissen Art und Weise mit dem Land verbunden fühlen.

Interpretation:

Durch die durchaus positiven Antworten aller Befragten, lässt sich feststellen, dass sie der

Multikulturalität in Sarajevo positiv entgegensehen. Das private und alltägliche Leben in einer

multiethnischen Stadt scheint zu funktionieren. Es steht mehr das politische System und die

Funktionalität dessen unter Kritik, wodurch ein Pessimismus entsteht. Auch die Korruption,

die durch das komplexe System der zahlreichen Ebenen erleichtert wird, ist eine akute

Angelegenheit und scheint hierbei zu Misstrauen der Bevölkerung zu führen, wodurch wieder

viele Menschen das Land verlassen. Ohne gebildete Menschen wird Korruption jedoch wieder

erleichtert, wodurch sich das Land in einem Teufelskreis befindet.

Ein wichtiger Einflussfaktor auf Bosnien und Herzegowina stellt die Diaspora dar, die das Land,

die Abläufe und Mentalität der Menschen kennt, in Kombination mit ihrem Wissenszuwachs

durch das neue Land, in dem sie leben, etwas verändern kann.

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4. ERGEBNISSE DER UNTERSUCHUNG

Aus den Auswertungen der durchgeführten Expertengespräche lässt sich schließen, dass die

ExptertInnen durchaus verschiedene Ansichten auf die befragten Themengebiete hatten,

wodurch erkenntlich wird, dass die Situation im Land immer noch keinen klaren gemeinsamen

Weg verfolgt. Die Expertengespräche zeigten vor allem auf, dass noch sehr viel Raum für

Verbesserung und Aufschwung herrscht und, dass durch eine gemeinsame Wegbeschreitung

die Ziele für eine Verbesserung des Landes verfolgt werden können.

Die EinwohnerInnen Bosnien und Herzegowinas definieren sich zwar hauptsächlich über ihre

ethnische Zugehörigkeit, die auf die nationalen Zentren der jeweiligen Ethnien zurückzuführen

sind, jedoch sind diese Diskrepanzen in den meisten Lebensbereichen, laut Meinungen der

ExpertInnen, wenig zu verspüren.

Die Definition als Zugehörige einer ethnischen Gruppe ist in Bosnien und Herzegowina durch

die politischen Regelungen unumgänglich, um in der Gesellschaft einen Platz zu haben. Dabei

stellt die ethnische Konstellation für einige zwar kleine Hindernisse dar, jedoch wird genau

diese als Besonderheit des Landes und der Stadt Sarajevo - die Symbolbild für Multikulturalität

ist - gesehen. So beeinflusst diese die Bewahrung und Inwertsetzung von Kulturerbe weniger;

mehr wird das Kulturerbe durch das komplexe politische System, wie in Kapitel 2.5 angeführt,

reguliert.

Besonders durch das Fehlen von überregionalen, staatlichen Regelungen und das

intransparente System in Hinblick auf Kulturerbe, besteht die Gefahr, dass wichtiges,

historisch wertvolles kulturelles Gut nicht dementsprechend geschützt oder gar verändert

wird. Einmal verändert, abgebaut oder gar vernichtet wird es wohl nie wieder so sein können,

wie es einmal war.

Auch Diaspora und ausländische Investoren spielen in Hinblick auf eine Verbesserung des

Landes eine wichtige Rolle. Eine weitere Möglichkeit für Veränderungen können neben den

Einflüssen aus dem Ausland auch die nächsten Wahlen bieten und ein neuer politischer

Umbruch, der bis jetzt durch fehlende gesellschaftliche Partizipation und mangelnder Kritik

am öffentlichen System ausblieb.

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Einen wichtigen Einflussfaktor auf die Diskrepanz der Ethnien spielt das politische System und

die klare Abteilung der Ethnien, so auch der Bildungssysteme, sodass in allen Ebenen und fast

im täglichen Leben bereits eine Trennung zwischen den Ethnien zu vermerken ist. Für die

Bewahrung und Inwertsetzung von Kulturerbe erscheint den Experten Bildung als ein

wichtiger Aspekt, dem mehr Platz im aktuellen System gebühren sollte. Schulbildung und

genaues Erkennen, was Kulturerbe ist, sollte viel mehr in den Mittelpunkt des alltäglichen

Lebens gerückt werden, um ein Bewusstsein für Kulturerbe zu schaffen.

Bosnien und Herzegowina ist reich an Kulturerbe, vor allem durch die verschiedenen

Machteinflüsse und historischen Ereignisse, jedoch fehle es im Land an klaren Regelungen, vor

allem auf Landesebene, um Klarheit zu schaffen und dieses Kulturgut an die nächsten

Generationen weiterzugeben. Dabei kann man erkennen, dass es nicht darum geht, zu

welcher Ethnie dieses Kulturerbe gehört oder welche Ethnie was weswegen zerstört hat,

sondern es geht vielmehr darum, das Kulturerbe als ein gemeinsames zu sehen. Es gehört uns

allen und ist Teil der gemeinsamen Geschichte aller EinwohnerInnen Bosniens und

Herzegowinas. Ohne dieses wertvolle Erbe zu bewahren und zu schützen geht auch ein Teil

der Geschichte Bosnien und Herzegowinas und damit ein wichtiger Bestandteil der Identität

verloren, wie aus den Interviews hervorgeht.

Störfaktoren, die trotz des enormen Potenzials, das Bosnien und Herzegowina in

verschiedensten Bereichen aufzeigen kann, sind jedoch immer noch Misstrauen in die Politik

und Korruption. Dadurch kann man Pessimismus verspüren, was wiederum das stetige

Abwandern der Bevölkerung bezweckt.

Laut Experten herrscht in Bosnien und Herzegowina jedoch auf alle Fälle viel Potenzial, sei es

in natürlicher, kultureller oder wirtschaftlicher Sicht. Vor allem kann man hier die Wirtschaft

durch unternehmensfreundlicheren Gegebenheiten ankurbeln, wodurch man dem

Teufelskreis, der zur Abwanderung führt, entkommen könnte. Kulturerbe und die besondere

multiethnische Zusammensetzung der Bevölkerung lockt auch jedes Jahr zahlreiche Touristen

an, wodurch sich die wirtschaftliche Lage auch weiter verbessern kann.

In einer Sache waren sich jedoch alle ExpertInnen einig: Das Vorhandensein dreier Ethnien

stellt in Bosnien und Herzegowina eine Bereicherung dar. Mit dieser Gegebenheit, die großen

Einfluss auf das tägliche Leben der EinwohnerInnen hat, ist das Land zwar mit

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Herausforderungen konfrontiert, wird jedoch auch stets bereichert, was wiederum eine

Attraktion für Tourismus ist.

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5. ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFLGERUNG

Das Land Bosnien und Herzegowina war seit Beginn des Balkankrieges, der von 1992 bis 1995

grauenvollste Spuren bis in die heutige Zeit hinterließ, von zwei Merkmalen geprägt: Die

Massenermordung und ethische Säuberung der Bevölkerung und der gezielten Zerstörung von

Kulturerbe, in diesem Kontext greifbarem, baulichen Erbe – das nicht greifbare Erbe ist nicht

zerstörbar. Der Krieg wurde nicht nur durch Morde an Menschen ausgetragen, sondern auch

durch Zerstören von greifbarem Erbe und damit verbunden, der Erinnerung.

Die besondere ethnische Konstellation im Land, die aus 50,11% Bosniaken, 30,77% Serben und

15,42% Kroaten besteht, die zugleich auch die religiöse Zugehörigkeit repräsentieren, ergibt

seit dem Balkankrieg nicht nur eine territorial neue Verteilung der Bevölkerung, sondern auch

ein neu reguliertes politisches System, das auf dem Friedensabkommen von Dayton 1995

basiert.

Durch die verschiedenen vorhandenen kulturellen Identitäten kann man in Bosnien und

Herzegowina eben von drei Nationen sprechen, die sich aufgrund ihrer Geschichte und

Symbolik voneinander unterscheiden, wobei diese Unterscheidungen für manche kaum

auffallend und mehr für die Träger dieser Nationen von Bedeutung sind. Daraus resultiert,

dass es in diesem Land fast kein gemeinsames Solidaritätsgefühl für den Staat Bosnien und

Herzegowinas gibt, sondern jede Nation ihr eigenes besitzt und dieses vertritt. Die

Bevölkerung teilt sich zwar ein Territorium, einen gemeinsamen geschichtlichen Hintergrund,

die Sprache, einige Bräuche, Feiertage, und vieles mehr, wodurch eine kollektive Identität

gegeben sein muss, jedoch herrscht auf staatlicher Ebene eine ethnisch-nationale Dreiteilung

vor. Diese drei Ethnien bedienen sich Symbolen, die sie als solche von den „Anderen“

unterscheiden. Dabei spielt Kulturerbe eine wichtige Rolle, hier nicht nur materielles sondern

auch immaterielles Erbe.

Die Kernfunktion von Kulturerbe ist die Aufrechterhaltung der Identifikation von kollektiven

Identitäten, während es gleichzeitig eine historische Grundlage für die Legitimation und das

Vorhandensein einer Gruppe in der Gegenwart gewährt. Dabei spielt das kollektive

Gedächtnis eine immense Rolle, das sich durch tangible Konzepte über die Geschichte

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hindurch repräsentiert. Durch dieses Kulturerbe entsteht das Gefühl von Kontinuität der

Vergangenheit, deren Aufgabe es ist, die Identität der Erinnerungsgruppe zu zeigen. Die

Kernbedeutung von individueller oder kollektiver Identität ist ein Gefühl von geteilter Zeit und

geteiltem Raum, das durch das Erinnern aufrechterhalten wird. Das geschieht jedoch nicht

natürlich, sondern durch Vorstellung, die auf einer gemeinsamen Vergangenheit beruht.

Durch die Ausarbeitung verschiedenster Theorien und Ansätze, ließ sich feststellen, dass den

Begrifflichkeiten Identität, Ethnizität und Nation eine hohe Relevanz in der heutigen Zeit in

Bosnien und Herzegowina gebührt, sich diese Begriffe jedoch zum einen nicht klar

voneinander trennen und zum anderen nicht eindeutig definieren lassen. Identitäten spielen

in Bosnien und Herzegowina - nicht zuletzt durch die historischen Ereignisse und

verschiedenen Herrschaftsformen - in fast jeder Lebenssituation eine zentrale Rolle und zeigt

sich an den verschiedenen Ausprägungen des Kulturerbes. Die wichtigsten Einflussfaktoren

waren dabei der osmanische Einfluss (1463-1878), der vor allem den Islam und verschiedenste

kulturelle Veränderung miteinbrachte, die Österreich-Ungarische-Monarchie (1878-1918)

und das kommunistische Jugoslawien, hauptsächlich unter Tito. Genau dieser waren auch für

die Herausbildung der drei Ethnien ausschlaggebend, die sich durch die vielerlei Faktoren

immer wieder im Laufe der Geschichte separierten. In baulichem Hinblick brachten die

verschiedenen Herrschaftsformen und Einflüsse eine Modernisierung der bosnischen Städte

und eine Durchmischung kultureller Stile.

Eine zentrale Rolle spielte dabei der letzte Balkankrieg, durch den der Staat auf Grundlage des

Dayton-Friedensabkommens neu geregelt wurde. Um die grausamen Unruhen unter Kontrolle

halten zu können, wurden darin auch die ethnischen Gegebenheiten reguliert, sodass diese

„konstitutiven Völker“ gleichberechtigt im Land koexistieren. Unter diesen Maßnahmen fallen

auch ethnische Verordnungen, die sich durch fast alle Ebenen des komplexen politischen

Systems ziehen. Neben dieser immer noch in gewisser Weise auffindbaren Separierung der

Bevölkerung, sei es mit ethnischen Bestimmungen am Arbeitsplatz oder der unterschiedlichen

Curricula im Schulsystem, hat der Krieg auch physiognomischen Spuren auf den kulturellen

Bauten hinterlassen. Dabei beeinflusste dieser das Kulturerbe immens, hierbei vor allem das

für diese Arbeit relevante greifbare Kulturerbe.

Eingebettet in das Post-Dayton-Abkommen trägt in Bosnien und Herzegowina der Bereich des

Kulturerbes seine Komplexität mit sich. In diesem dezentralisierten System sind

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Angelegenheiten in Bezug auf Erbe auf der Ebene der Entitäten geregelt - mit weiteren Ebenen

mit spezifizierten Gesetzen, Ministerien und Instituten. Das Land hat auf staatlicher

Bundesebene kein speziell der Kultur gewidmetes Ministerium und kein allgemeines

nationales Gesetz, das Angelegenheiten über Kultur oder Erbe regelt. Das Ministerium für

zivile Angelegenheiten von BiH deckt Funktionen der Koordinierung und Harmonisierung von

Unternehmensplänen und Definitionen von internationalen Strategien in verschiedenen

Bereichen, einschließlich der Kultur. Die Institution, die konkret für das Erbe auf staatlicher

Ebene verantwortlich ist, ist die Kommission zu Erhaltung von Nationalen Denkmälern

(Komisija za očuvanje nacionalnih spomenika Bosne i Hercegovine).

Die Bewahrung und in Inwertsetzung scheint hierbei nicht so sehr durch die ethnisch

komplexe Gegebenheit gebremst zu werden, mehr jedoch durch die vielen Ebenen im

politischen und administrativen System, das eine Zusammenarbeit dieser Ebenen stark

erschwert. Durch das Fehlen eines expliziten Ministeriums für Kultur, scheinen die

Aufgabenbereiche für Kulturerbe nicht klar verteilt zu sein. Hier wäre eine landesweite

Regelung und landesweite Bestimmung, was die Bewahrung und Inwertsetzung von

Kulturerbe anbelangt, für eine bessere Zukunft wünschenswert. Auch in Hinblick auf das

Schulsystem und unternehmensfreundlicher Bestimmungen herrscht noch starker

Aufholbedarf. Bildung ist in Hinblick auf Kulturerbe unumgänglich und sollte dahingehen auf

das Verstehen des Wertes unseres Kulturerbes anzielen und somit auch die Wichtigkeit dessen

hervorbringen.

„One of the most important ways in which governmental and international agencies

can promote the work of cultural reconstruction is through sponsoring programs for

professional education and technical and material assistance that can help build up the

capability of the local institutions in Bosnia. For some years to come, the need for an

international presence and for international assistance will continue. But ultimately, it

will be these institutions and the new generation of Bosnian architects and heritage

experts who will be responsible for ensuring that their country’s rich multi cultural past

will remain as a legacy and a lesson for future generations of Bosnians.“ (Riedlmayer

2002, S. 35)

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Um für die Rückkehr von Vertriebenen wieder zurück in ihre Heimat relevant zu sein, muss

das Erbe als ein hervorstechendes Element der kulturellen Identität einer Gruppe und ihrer

Rechte auf Kultur sein, dabei auch die Meinungsfreiheit und die demokratische Beteiligung an

der Kultur des Landes ansprechen. Diaspora und andere Einflussfaktoren von außen könnten

das Land vorantreiben.

Sarajevo war schon immer auch geprägt von der Koexistenz mehrerer Religionen, deren

Glaubenshäuser nur wenige Schritte voneinander entfernt liegen. Diese Besonderheit macht

Sarajevo zu einem Paradebeispiel für Multikulturalität.

Anhand der in Kapitel 1.3 beschriebenen Arbeitsmethoden kann folglich meine

Forschungsfrage beantwortet werden.

Die Forschungsfrage lautet:

Inwiefern beeinflusst Identität die Bewahrung und Inwertsetzung des kulturellen Erbes in

Bosnien und Herzegowina?

Meine Antwort:

Identität spielt vor allem in Bosnien und Herzegowina, einem Land, in dem gleich mehrere

nebeneinander bestehen und wo es erst vor nicht einmal drei Jahrzehnten genau zwischen

denen kriegerische Ausschreitungen gegeben hat, eine immense Rolle. Diese Identitäten gab

es zwar schon immer, jedoch identifizierte sich die darin durchmischte Bevölkerung durch die

wechselnden Herrschaftsformen und der dadurch aufkommenden Instabilität mit den zu

ihnen gehörigen religiösen Zentren, die sich für die Katholiken in Kroatien und für die

Orthodoxen in Serbien befanden. Dadurch waren einer gemeinsamen Nationsbildung und

eines Zusammengehörigkeitsgefühls keine Möglichkeit gegeben.

Die Identitäten hatten für die Ausprägung des Kulturerbes mehr Einfluss als heutzutage auf

die Bewahrung und die Inwertsetzung. Diese Identitäten, oder besser formuliert, die

konstitutiven Völker, werden im Friedensabkommen von Dayton als gleichberechtigte

Elemente des Landes angeführt, wodurch sich bereits auf der höchsten und stärksten

Regelung des Landes diese gleichberechtigte Gegebenheit sichert. Jedoch kommen mit genau

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diesen Regelungen auch Komplikationen mit sich, wohingegen die Kooperation der

ethnischen Gruppen im alltäglichen Leben bereits funktionieren würde. Es ist also mehr das

Abkommen von Dayton und die darin komplexen Verordnungen, welche die Bewahrung und

Inwertsetzung beeinflussen, und nicht so sehr die Ethnien, von denen man kaum mehr

Diskrepanzen in Hinblick auf Kulturerbe zu spüren bekommt.

In der Theorie zeigen sich vielerlei Projekte, die eine Erneuerung und mit Zusammenarbeit

unbeachtet des ethnischen Backgrounds plädieren. In der Praxis scheinen jedoch einige

Institutionen, die möglicherweise politisch relevanter sind als andere und von einer gewissen

Ethnie in der Mehrheit ist, über die Köpfe anderer Institutionen hinweg zu entscheiden. Dies

ist jedoch daher zurückzuführen, dass es vor allem an einheitlichen Regulationen und

Transparenz im politischen System fehlt. Diese Komplexität lässt auch Platz für Korruption,

wodurch Unsicherheit Seitens der Bevölkerung entsteht und diese ein Auswandern vor allem

junger, gebildeter Menschen vorantreibt. Um aus diesem Teufelskreis herauszukommen,

meinen viele Experten, das Land brauche wieder Reformen und Wegweiser von außen, aus

Washington oder der EU beispielsweise. Ich jedoch glaube, dass Bosnien und Herzegowina

durchaus in der Lage ist, seine Probleme selber in die Hand zu nehmen und auf eigenen Beinen

zu, möglicherweise sogar besseren, Lösungen kommt. Es war bereits schon einmal das

Paradies von Multikulturalität und hat, nach meinen Ansichten nach, jedes Potenzial es wieder

zu werden.

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Abbildung 27: Aufschrift im Zentrum Sarajevos 2018, eigene Aufnahme

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