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Lamprecht, S./ Lamprecht, H./ Wiedemann, B. Training in der Neuroreha by naturmed Fachbuchvertrieb Aidenbachstr. 78, 81379 München Tel.: + 49 89 7499-156, Fax: + 49 89 7499-157 Email: [email protected], Web: http://www.naturmed.de zum Bestellen hier klicken

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Page 1: Lamprecht, S./ Lamprecht, H./ Wiedemann, B. Training in ... · die nicht höher als 0,2km/h sein darf. Viele neuro-logische und geriatrische Patienten tolerieren die ersten Male,

Lamprecht, S./ Lamprecht, H./ Wiedemann, B.

Training in der Neuroreha

by naturmed FachbuchvertriebAidenbachstr. 78, 81379 München

Tel.: + 49 89 7499-156, Fax: + 49 89 7499-157Email: [email protected], Web: http://www.naturmed.de

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VorwortNeurorehabilitation ist ein spannendes Gebiet inder medizinischen Rehabilitation. Nachdem in dermuskuloskeletalen Rehabilitation die medizinischeTrainingstherapie schon seit einigen Jahrzehntenzum Standard gehört und auch in der kardiovasku-lären Rehabilitation ein wichtiger Bestandteil ist,stellt sich die Frage, warum sich bisher die Trai-ningstherapie bei der Rehabilitation von neurolo-gischen Patienten noch nicht etabliert hat.

Wir arbeiten seit Mitte der 1990er-Jahre mitneurologischen Patienten in der medizinischenTrainingstherapie. Schon damals setzten wir dasLaufband (mit Gewichtsentlastung), Kraftgeräte,Ausdauergeräte und auch Gleichgewichtsgerätewie Messplattformen, bewegliche Plattformen unddas Space curl ein. Viele dieser Geräte waren da-mals schon mit Feedback Systemen ausgestattetund PC gesteuert.

Als wir 2009 angefangen haben, Kurse in „MTTin der Neurologie“ anzubieten, kam immer wiederdie Frage nach einem Buch, das als Nachschlag-werk zu den Kursinhalten dienen kann.

Es gab kein Buch, in dem umfassend die Aspekteder medizinischen Trainingstherapie behandeltwurden und Hinweise zum Training bei unter-schiedlichen neurologischen Erkrankungen zu fin-den waren. Zu einzelnen Aspekten und zu einzel-nen Diagnosen finden sich in letzter Zeit immermehr Bücher und Veröffentlichungen in Fachzeit-schriften.

Der Gedanke, dass Personen mit neurologischenErkrankungen oder Symptomen auch trainierenkönnen und sollen wird in der Regel heute nichtmehr so kontrovers diskutiert, wie noch vor eini-

gen Jahrzehnten. Da inzwischen immer mehr ak-zeptiert wird, dass das motorische, funktionelleHauptproblem bei neurologischen Patienten meistdie Schwächen sind, wird es immer selbstver-ständlicher, dass den Patienten angeraten wird zutrainieren.

Wir hoffen, dass wir mit diesem Buch dazu bei-tragen, Therapeuten zu ermuntern, mit ihren neu-rologischen Patienten auch in den Trainingsraumzu gehen und mit ihnen unter den Aspekten dermedizinischen Trainingstherapie ein strukturiertesTraining durchzuführen.

Wichtig ist uns, dass dies nicht nur bei fittenneurologischen Patienten geplant wird, sonderngerade auch bei schwer betroffenen (Phase-C-) Pa-tienten. Nach unserer Erfahrung, werden sehr vieleneurologische Patienten in der stationären und inder ambulanten Therapie nicht über- sondern un-terfordert.

Ganz besonders möchten wir uns bei unserenneurologischen Patienten bedanken, die sich –

zum Teil nach anfänglichen Bedenken – dann dochentschlossen haben, den anstrengenden Weg desTrainings an der Leistungsgrenze zu beschreitenund gemerkt haben, dass es sich lohnt. Diese Rück-meldungen der Patienten haben uns bestärkt, un-sere Erkenntnisse in diesem Buch niederzulegen.

Wir hoffen, dass sowohl Physio- und Ergothera-peuten, als auch Sporttherapeuten von diesemBuch zum Wohle der neurologischen Patientenprofitieren werden.

Kirchheim unter Teck, Sabine und Hansim September 2015 Lamprecht

Lamprecht/Lamprecht, Training in der Neuroreha (ISBN 9783132019713), © 2016 Georg Thieme Verlag KG

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Inhaltsverzeichnis

1 Medizinische Trainingstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1.1 Vom Altertum zur Moderne . . . . 91.2 Vom Bodybuilding zum

medizinischen Fachgebiet . . . . . . 11

1.3 Von der Orthopädiezur Neurologie . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2 Sport und Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

2.1 Bedeutung von Bewegung . . . . . 14

3 Allgemeine Trainingseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

3.1 Motorische Grundfähigkeiten . . 19

3.2 Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193.2.1 Krafttraining in der

neurologischen Rehabilitation . . . . 20

3.3 Ausdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213.3.1 Ausdauertraining in der

neurologischen Rehabilitation . . . . 22

3.4 Schnelligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223.4.1 Schnelligkeitstraining in der

neurologischen Rehabilitation . . . . 22

3.5 Beweglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 233.5.1 Fördern von Dehnfähigkeit

und Gelenkbeweglichkeit in derneurologischen Rehabilitation . . . . 23

3.6 Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253.6.1 Koordinationstraining in der

neurologischen Rehabilitation . . . . 25

3.7 Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 253.7.1 Gleichgewichtstraining in der

neurologischen Rehabilitation . . . . 25

4 Neurologische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

4.1 Kortikale Reorganisation . . . . . . . 264.1.1 Vorrangige Ziele bei der moto-

rischen Neurorehabilitation . . . . . . 284.1.2 Moderne Ansätze und Konzepte in

der neurologischen Rehabilitation . 30

4.2 Feedback Training . . . . . . . . . . . . . 40

5 MTT in der Neurologie – weshalb? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

5.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

5.2 Das motorische Lernenfördernde Faktoren . . . . . . . . . . . . 43

5.3 Behandelbare neurologischeSymptome in der MedizinischenTrainingstherapie . . . . . . . . . . . . . . 44

5.3.1 Symptom Spastik . . . . . . . . . . . . . . . 455.3.2 Symptom Parese . . . . . . . . . . . . . . . . 485.3.3 Symptom Ataxie . . . . . . . . . . . . . . . . 485.3.4 Symptom Gleichgewicht . . . . . . . . . 51

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6 Trainingsgeräte in der Neurologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

6.1 Trainingsgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . 536.2 Ausdauertraining . . . . . . . . . . . . . . 536.2.1 Laufband. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536.2.2 Fahrradergometer . . . . . . . . . . . . . . . 656.2.3 Oberkörper-Ergometer . . . . . . . . . . . 66

Watt-gesteuertes Training . . . . . . . . . . 666.2.4 Cross-Trainer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666.2.5 Bewegungstrainer . . . . . . . . . . . . . . . 686.2.6 Stepper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

6.3 Krafttraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . 726.3.1 Beinpresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 736.3.2 Kletterwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 746.3.3 Butterfly revers . . . . . . . . . . . . . . . . . 746.3.4 Latzug senkrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 746.3.5 Gewichtsstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 746.3.6 Langhantel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 756.3.7 Kurzhanteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 756.3.8 Kniestrecker/Kniebeuger . . . . . . . . . 77

6.4 Gleichgewichtstraining . . . . . . . . . 77

6.4.1 Balance-Trainer . . . . . . . . . . . . . . . . . 776.4.2 Spacecurl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 786.4.3 Physiomat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806.4.4 Posturomed . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806.4.5 Verschiedene Pads. . . . . . . . . . . . . . . 806.4.6 Terrasensa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 816.4.7 MTD. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 826.4.8 Sensamove . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

6.5 Vibrationstraining . . . . . . . . . . . . . 826.5.1 SRT/Zeptor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 846.5.2 Galileo/Wellengang. . . . . . . . . . . . . . 856.5.3 Power Plate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

6.6 Klettern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 856.6.1 Kletterwand (Boulderwand) . . . . . . 85

6.7 Kleingeräte für ein Training mitneurologischen Patienten . . . . . . 85

6.8 Slackline . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 866.9 SilverFit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

7 Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

7.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

7.2 Schlaganfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 877.2.1 Welches Training soll ein

Schlaganfallpatient ausführen?. . . . 897.2.2 Weshalb Krafttraining in der

Rehabilitation nach Schlaganfall? . . 917.2.3 Weshalb Ausdauertraining

bei der Rehabilitation vonSchlaganfallpatienten? . . . . . . . . . . . 92

7.3 Multiple Sklerose . . . . . . . . . . . . . . 93

7.4 Morbus Parkinson. . . . . . . . . . . . . . 96

7.5 Querschnittlähmung . . . . . . . . . . . 101

7.6 Schädel-Hirn-Trauma . . . . . . . . . . . 1027.7 Zerebralparese . . . . . . . . . . . . . . . . 103

7.8 Neuromuskuläre Erkrankungen . 1037.8.1 Allgemeine Hinweise . . . . . . . . . . . . 1047.8.2 Empfehlungen zum

Ausdauertraining. . . . . . . . . . . . . . . . 1057.8.3 Empfehlungen für ein Krafttraining 1057.8.4 Motoneuronerkrankungen

(Vorderhornzellerkrankungen) . . . . 1057.8.5 Neuropathien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1077.8.6 Erkrankungen der neuro-

muskulären Übertragung. . . . . . . . . 1097.8.7 Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

7.9 Spastische Spinalparalyse (SSP) . 111

7.10 Schwer betroffene Patientenund Medizinische Trainings-therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

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Inhaltsverzeichnis

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8 Organisatorisches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

8.1 Trainingsplanung . . . . . . . . . . . . . . 113

8.2 Personelle Voraussetzung . . . . . . 114

8.3 Räumliche Voraussetzungen. . . . 114

8.4 Gesetzliche Rahmen-bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

8.5 Gerätevoraussetzungen . . . . . . . . 115

9 Tests und Assessments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

9.1 Tests für die Neurorehabilitation 116

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

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Inhaltsverzeichnis

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6 Trainingsgeräte in der Neurologie

6.1 TrainingsgeräteIn diesem Kapitel stellen wir Trainingsgeräte vor,die nach unserem Kenntnisstand für die Medizini-sche Trainingstherapie geeignet sind. Kurz führenwir auch einige Trainingsgeräte auf, die oft in Fit-nessstudios oder in Einrichtungen der Medizini-schen Trainingstherapie mit orthopädisch-chirur-gischem Schwerpunkt vorhanden, aber unsererMeinung nach nicht speziell für neurologische Pa-tienten geeignet sind.

Nur kurze Erwähnung finden die Robot-gestütz-ten Trainingsgeräte, die vornehmlich in stationärenReha-Einrichtungen und weniger in ambulantenZentren eingesetzt werden. Sicherlich gibt es nochviele Geräte, die sinnvoll in der neurologischenMedizinischen Trainingstherapie eingesetzt wer-den können, die hier aber nicht erwähnt werden.Die Neu- und Weiterentwicklung von Geräten fürdie Rehabilitation von neurologischen Patienten istzur Zeit sehr dynamisch, immer wieder kommenneue Geräte auf den Markt, vorhandene Gerätewerden weiterentwickelt und verbessert. Wichtigin der neurologischen Medizinischen Trainingsthe-rapie ist, dass die Geräte fein dosiert werden kön-nen, einfach zu bedienen sind, auch für behindertePatienten zugänglich sind und funktionelle Bewe-gungen ermöglichen.

Wir haben die Geräte nach der Wirkung (Aus-dauer, Kraft) eingeteilt, allerdings können abhän-gig vom Geräteeinsatz, diese mitunter für ein Aus-dauer- oder für ein Krafttraining eingesetzt wer-den. Wir freuen uns, wenn Anwender uns neueGeräte bekanntgeben und wenn Geräteherstellerihre Geräte so weiterentwickeln, dass sie noch bes-ser für die Medizinische Trainingstherapie in derNeurologie eingesetzt werden können. Wichtig ist,dass die Entwickler und Hersteller auch mit denPraktikern und Patienten zusammenarbeiten, da-mit sinnvolle und noch besser bedienbare Geräteauf den Markt kommen.

6.2 Ausdauertraining

6.2.1 LaufbandDas erste Laufband wurde 1889 von Nathan Zuntzentwickelt. Zuntz war Professor für Physiologie ander Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin. Erentwickelte das Laufband, um Belastungsstudien

bei Pferden durchführen zu können. Dieses Lauf-band war in der Geschwindigkeit und Neigung va-riierbar und erlaubte die Durchführung von Studi-en unter genau definierten, messbaren und repro-duzierbaren Bedingungen. Zuntz und seine Mit-arbeiter entwickelten in der Folge das Laufbandweiter, um Messungen auch am Menschen durch-führen zu können. Diese und andere Arbeiten vonZuntz waren wegweisend und wichtig für die sichdamals rasch entwickelnde Sportmedizin. Zuntzgilt auch als einer der Begründer der Luftfahrt-medizin und Wegbereiter der Höhenphysiologie.

Inzwischen haben zahlreiche Studien dazu ge-führt, dass das Laufbandtraining aus dem Lokomo-tionstraining besonders bei Querschnittpatientenund Halbseitengelähmten nach Schlaganfall nichtmehr wegzudenken ist (Hesse et al. 1994,▶Abb. 6.1). Auch erste Untersuchungen bei Par-kinson- und MS-Patienten (Laufens et al. 1999)zeigen in vielen Parametern eine größere Verbes-serung als beim Gangtraining ohne die Benutzungeines Laufbands. Ein partielles Gewichtsentlas-tungssystem (BWS) mit Hilfe von Fallschirmgurtenbzw. speziell entwickelten Haltegurten, ermöglichtes auch schwerstbetroffenen Patienten in derFrühphase der Rehabilitation von einem Laufband-training zu profitieren (▶Abb. 6.2).

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Abb. 6.1 Laufbandtraining.

6.2 Ausdauertraining

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Ein für den Bereich der Neurorehabilitation ge-eignetes Laufband benötigt als wichtigste Voraus-setzung eine sehr geringe Anfangsgeschwindigkeit,die nicht höher als 0,2 km/h sein darf. Viele neuro-logische und geriatrische Patienten tolerieren dieersten Male, wenn sie auf dem Laufband üben, kei-ne höhere Geschwindigkeit. Die Steigerung der Ge-schwindigkeit sollte in 0,1-km/h-Schritten erfol-gen können. Wichtig ist auch die Möglichkeit derEinstellung der Steigung (sowohl positive als auchnegative Steigung). Ebenso sollte ein geeigneter,idealerweise höhenverstellbarer Handlauf vorhan-den sein. Es gibt auch Laufbänder mit Handläufen,die in der Breite angepasst werden können. Die Pa-tienten sollten sich mit dem Unterarm auf speziel-len Schienen abstützen können (▶Abb. 6.3).

Da in der neurologischen Rehabilitation nichtunbedingt eine gute Federung notwendig ist, musses nicht zwingend ein Lamellenlaufband sein. DieGeschwindigkeiten, mit denen in der neurologi-

schen Rehabilitation trainiert wird, sind nicht sohoch, dass es beim Gehen zu einer Flugphasekommt. Bei Lamellenlaufbändern kann es schwie-rig sein, mit dem Patienten auf das Laufband zukommen, da diese Laufbänder konstruktions-bedingt relativ hoch sind (▶Abb. 6.4). Um mit

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Abb. 6.2 Laufband mit Gewichtsentlastungssystem(BWS).

Abb. 6.3 Laufband mit Unterarmstützen. Mit freund-licher Genehmigung der h/p/cosmos sports &medicalgmbh, Nussdorf-Traunstein.

Abb. 6.4 Lammellenlaufband. Mit freundlicher Geneh-migung der Woodway GmbH, Weil am Rhein.

Trainingsgeräte in der Neurologie

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einem rollstuhlpflichtigen Patienten auf ein La-mellenlaufband zu fahren, benötigt man eine Ram-pe (▶Abb. 6.5).

Ist am Laufband eine Rampe fest installiert,muss diese entfernt werden, damit der Patientauch selbstständig trainieren darf. Nur wenn dasLaufband in Verbindung mit bestimmten Gangtrai-

nern benutzt werden soll, ist unter Umständen einLamellenlaufband notwendig (z. B. wurde der Lo-koHelp ursprünglich für Woodway-Laufbänderentwickelt – inzwischen kann er auch an andereLaufbänder angeschlossen werden –, auch andereGangtrainer sind so konstruiert, dass sie aus-schließlich auf ein bestimmtes Lamellenlaufbandpassen).

Die Erkenntnis der Wichtigkeit des Laufband-trainings in der Rehabilitation hat dazu geführt,dass inzwischen eine ganze Reihe von unter-schiedlichen Gangtrainern auf dem Markt sind(z. B. Lokomat, LokoHelp, Pedago) (▶Abb. 6.6,▶Abb. 6.7).

Der LokoHelp hat in einer methodisch sehr gu-ten Studie seine Wirksamkeit vergleichbar miteinem Laufbandtraining nachgewiesen, gleichzei-tig war die Belastung des Therapeuten deutlich ge-ringer und es wurde weniger Therapeutenzeit fürdas Gangtraining benötigt (Freivogel 2009).

Mit Hilfe der sog. Exoskelette bzw. mit Hilfeeines Gewichtsentlastungssystems (BWS) könnenauch schwerstbetroffene Patienten schon in derFrühphase der Rehabilitation vom Laufbandtrai-ning profitieren. Der Vorteil der Gangtrainer be-ruht u. a. darauf, dass der Therapeut körperlichentlastet wird und dadurch eine längere Trainings-zeit mit einer höheren Anzahl an Repetitionen fürdie Patienten möglich wird.

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Abb. 6.5 Rampe für Lammellenlaufband.

Abb. 6.6 Lokomat. Mit freundlicherGenehmigung von Hocoma, Schweiz.

6.2 Ausdauertraining

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Merke

Ein Laufbandtraining ersetzt jedoch niemals eineGangschule auf verschiedenen Untergründen, danur das in den Alltag umgesetzt werden kann,was auch tatsächlich trainiert wird („law of iden-tical elements“, Majsak 1996, ▶Abb. 6.8,▶Abb. 6.9 u. ▶Abb. 6.10).

Der Bewegungsablauf des Gehens auf dem Lauf-band unterscheidet sich vom Gehen auf dem Bo-den. Beim Gehen auf dem Laufband wandert derBoden in der Standbeinphase nach hinten, wo hin-gegen beim Gehen auf dem Boden der Körper überdas Standbein nach vorne transportiert werdenmuss. Dies bedeutet auch, dass die Anforderung andas Gleichgewicht nicht identisch ist. Trotzdem istdas Laufband dem Gehen sehr ähnlich und triggertgerade durch das Wegziehen des Bodens das Aus-lösen der Schrittreaktion. Diese Schrittreaktionenwerden bei Menschen ähnlich wie bei vierfüßigenLebewesen durch die CPGs (central pattern gener-ators) auf Rückenmarksebene ausgelöst (Dietz2003).

Das Konzept des zentralen Mustergenerators(CPG) geht davon aus, dass ein Netzwerk von Neu-ronen existiert, die intrinsisch (also ohne Anstoßvon außen) rhythmisch alternierende Aktivität er-

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Abb. 6.7 LokoHelp „Pedago“.Mit freundlicher Genehmigung vonwww.lokohelp.net.

Abb. 6.8 Gehen auf Kies.

Trainingsgeräte in der Neurologie

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zeugen können (MacKay-Lyons 2002): Bewegun-gen, wie z. B. Laufen, Rennen, Fliegen, Schwimmen,Kaubewegungen, Atmung, werden durch dieseneuronalen Netzwerke im ZNS erzeugt und durchsensorische Rückkopplung den Umwelterforder-nissen angepasst. Auch wenn Gehen eine Willkür-handlung ist, so muss es dennoch nur willkürlichin Gang gesetzt werden und läuft dann selbststän-dig automatisiert weiter: wir müssen nicht darandenken, wie wir gehen, da das Gehen von diesenspinalen Schaltkreisen kontrolliert wird (Dietz

2010). Angenommen wird, dass diese zentralenMustergeneratoren (CPG), die im Rückenmark ver-mutet werden, jedes Mal aktiviert werden, wennein Fuß vor den anderen gesetzt wird. Diese Akti-vierung ist unabhängig von der Art und Weise desVorsetzens oder ob der Fuß aktiv oder passiv ge-setzt wird, wichtig ist nur, dass das Spielbein beijedem Schritt das Standbein überholt. Die Thera-peuten müssen deshalb darauf achten, dass beimpassiven Vorsetzen der Füße dies immer auch sogeschieht (▶Abb. 6.11).

Gehen ist ein basales Bewegungsmuster, das ge-netisch verankert ist. Gerade deshalb kann dasGangmuster auch bei schwer betroffenen Patien-ten schon sehr früh in der Rehabilitation (Phase B)abgerufen werden. Dies sollte intensiv in der Reha-bilitation und auch besonders in der Frührehabili-tation genutzt werden. Es kann beobachtet wer-den, dass bei manchen Patienten das Gangmusterfrüher und leichter abgerufen werden kann alseinfache Transfers (Bett – Stuhl, Rollstuhl – Toilet-te) oder das Stehen. So kann u.U. der Transfer (Bett– Rollstuhl, Rollstuhl – Toilette, Rollstuhl – Bett)auch über eine Verbesserung des Gehens verbes-sert werden. Diese Vorgehensweise funktioniertoft gerade bei kognitiv stark eingeschränkten Pa-tienten sehr gut. Bei kognitiv stark betroffenen Pa-tienten kann das abstrakte Bewegungsmuster desTransfers oft nicht abgerufen werden, wohingegendas Gangmuster oft besser abrufbar ist. Daraus

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Abb. 6.11 Passives Vorsetzen der Füße auf dem Lauf-band.

Abb. 6.9 Treppensteigen.

Abb. 6.10 Einsteigen in S-Bahn.

6.2 Ausdauertraining

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lässt sich erkennen, dass besser direkt mit den Pa-tienten auf dem Laufband mit Gewichtsentlas-tungssystem das Gehen ausprobiert werden sollte,falls das Üben des Transfers nicht funktioniert. Mitdiesem Vorgehen können oft mithilfe des Gehensdas Stehen und die Transfers beeinflusst und ver-bessert werden. Im Vergleich zum Gangmustersind nämlich die motorischen Programme für dasStehen und das Umsetzten nicht so tief verankertund deswegen nicht immer leicht abrufbar.

Ein großer Vorteil des Laufbandtrainings im Ver-gleich zum Gehtraining auf dem Boden ist dieMöglichkeit des Dual-Task- bzw. Multi-Task-Trai-nings (▶Abb. 6.12). Wenn der Patient seine Mobi-lität auch außerhalb der Wohnung erreichen will,muss das Gehen im Dual- bzw. im Multi-Task-Mo-dus trainiert werden.

Definition

Dual-Task bzw. Multi-Task bedeutet, dass derPatient neben dem Gehen z. B. gleichzeitigreden, den Kopf drehen, etwas tragen oder ggf.alles gleichzeitig tun muss.

Erfahrungsgemäß gehen alle neurologischen Pa-tienten auf dem Laufband besser als auf dem Bo-den, da sie dabei nicht auf mehrere Dinge gleich-zeitig achten müssen. Bei Parkinsonpatienten istder Effekt oft besonders deutlich, da das Laufbandein externer Cue (Schlüsselreiz) für die Patientenbedeutet. Da bei Parkinsonpatienten in der späte-ren Phase der Erkrankung ein Dual-Task besondersschwierig ist, sollte bei diesen Patienten in derspäteren Phase das Laufbandtraining nicht primärin einer Dual-Task-Situation durchgeführt werden.Dies bedeutet aber nicht, dass man nicht auch beiParkinsonpatienten Dual-Task-Elemente im Trai-ning benutzen darf.

Gerade das Wegziehen des Bodens beim Lauf-band forciert die Schrittauslösung noch mehr. Sokann das Laufbandtraining durchaus als Forced-use-Training der unteren Extremitäten betrachtetwerden (Hamzei et al. 2012), da der Patient ge-zwungen ist, Schritte zu machen. Viele Patientenhaben beim ersten oder auch beim zweiten MalSchwierigkeiten mit dem veränderten motori-schen Ablauf auf dem Laufband. Deshalb ist eswichtig mit sehr langsamer Geschwindigkeit dieLaufbandtherapie zu beginnen. Spätestens beimzweiten oder dritten Mal, meist jedoch schon nachwenigen Minuten gewöhnt sich der Patient an denveränderten Bewegungsablauf. Wichtig ist, dassder Patient diese Bewegungserfahrung selbst ma-chen soll, ohne dass der Therapeut zu viele verbaleInstruktionen gibt, da auch hier die Grundsätzedes impliziten motorischen Lernens gelten.

Zu beachten ist auch, dass langsameres Gehenimmer mehr Kraft und Gleichgewicht erfordert alsschnelleres Gehen. Das ökonomischste Gehen fin-det bei einer Frequenz von circa 120 Schritten proMinute statt. Der Energieaufwand steigt beimlangsameren Gehen exponentiell an (▶Abb. 6.13).Können sich Patient und Therapeut darüber ver-ständigen, die Laufbandgeschwindigkeit zu stei-gern, bringt dies oft eine Erleichterung des Gehensfür den Patienten mit sich. Das Gangmuster ver-bessert sich dadurch. Dies gilt gleichermaßen auchfür Pedago oder Lokomat. Auch hier sollte miteiner Schrittfrequenz gearbeitet werden, die sichdem ökonomischsten Gangrhythmus annähert.

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Abb. 6.12 Dual Task.

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Merke

Mit einem Laufbandtraining können auch sehrgut die beiden wichtigsten Parameter der Fort-bewegung bzw. der Mobilität trainiert werden:● Gehgeschwindigkeit und● Gangausdauer.

Beides sind wichtige Prädiktoren für außerhäusli-ches Gehen. Perry et al. (1995) haben bestimmteMindestgeschwindigkeiten als Voraussetzungenfür häusliche bzw. außerhäusliche Gehfähigkeitberechnet:● Gehgeschwindigkeit mindestens 1,1m/s ≙3,96 km/h

● Gehstrecke von ca. 500m● Fähigkeit, den Kopf beim Gehen zu drehen● Treppen steigen und Bordsteine überwinden● Tragen von Gegenständen beim Gehen

Außerhäusliches Gehen wiederum ist eines derwichtigsten Ziele des Patienten und der neurologi-schen Rehabilitation. Da die Ganggeschwindigkeitso wichtig für die Mobilität ist, muss sie entspre-chend trainiert werden. Zum Überqueren einerStraße ist eine Ganggeschwindigkeit von ca.2,6 km/h erforderlich (Fries u. Freivogel 2010). Eineinfacher Test zur Messung der Ganggeschwindig-keit ist der 10-Meter-Geh-Test (▶ Tab. 9.1).

Für die Mobilität eines Patienten ist neben derGeschwindigkeit die Ausdauer ebenso wichtig(Ortner u. Pott 2007). Das Überwinden von 300

Metern in einer Zeit von 11,5 Minuten (1,56 km/h)gilt nach Lerner-Frankiel (1986) als Kriterium füraußerhäusliches Gehen (Ortner u. Pott 2007). Diesbedeutet eine Ganggeschwindigkeit von mehr als1,5 km/h über eine längere Strecke. Eine lange Ent-fernung ist im ICF (d 4501) als Strecke über 1 Kilo-meter definiert. Ein einfacher Test, um die Gang-ausdauer zu messen, ist der 6-Minuten-Gehtest(▶Tab. 9.1).

Ein Patient braucht beide oben genannten Fähig-keiten, um eine annähernd normale Mobilität zuerreichen und damit in die Lage versetzt zu wer-den, auch an Aktivitäten auf der Partizipationsebe-ne teilnehmen zu können. Deswegen muss bei derAuswahl der Therapieziele darauf geachtet wer-den, welche der beiden Fähigkeiten trainiert wer-den soll. Wenn das Ziel der Therapieeinheit dieGangausdauer ist, muss entsprechend auch Aus-dauer trainiert werden, wenn die Ganggeschwin-digkeit verbessert werden soll, muss auf Ge-schwindigkeit trainiert werden.

Die Gehausdauer ist wichtig, damit der Patientseine soziale Teilhabe erreichen kann, die Gang-geschwindigkeit ist unerlässlich, um die außer-häusliche Mobilität zu sichern, da beim Überque-ren einer Straße bei der Grünphase einer Fußgän-gerampel eine Gehgeschwindigkeit von 3,6 km/herforderlich ist. In der Begründung, warum eine sohohe Geschwindigkeit zum Überqueren der Straßebei einem mit Fußgängerampel geregelten Fuß-gängerübergang festgelegt ist, heißt es: „1,00m/s(= 3,6 km/h) sollte nicht unterschritten werden,weil dies zu Räumzeiten führt, die von den übrigen

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500

400

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0

0,5

0

1,0

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120 240 3600Schritte/min

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Abb. 6.13 Energiekurve beim Gehenmit unterschiedlicher Schrittfrequenz.

6.2 Ausdauertraining

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Verkehrsteilnehmern deutlich als zu lang empfun-den werden [...]“ (Richtlinien für Lichtsignalanla-gen, RiLSA 2010, ▶Abb. 6.14). Diese Regelung er-schwert für viele neurologische Patienten, aberauch für viele andere Mitbürger, die nicht mehr soschnell gehen können, die Möglichkeiten zur Teil-habe am sozialen Leben, wie es im ICF fest-geschrieben ist. Für viele Patienten ist diese Anfor-derung ein so großes Hindernis, dass sie die Woh-nung nicht mehr verlassen und kaum noch sozialeKontakte pflegen.

Es ist einleuchtend, dass es für eine Teilnahmeam sozialen Leben nicht ausreichend ist, auf demLaufband schnell und ausdauernd genug gehen zukönnen oder im Krankenhausflur bzw. in der Phy-siotherapie-Praxis auf ebenen Grund auf und ab zugehen. Nach dem „law of identical elements“ vonMajsak (1996) müssen gerade beim Gehen vielealltagsrelevanten Situationen geübt werden, umvon einer gelungenen Gangrehabilitation sprechenzu können. Dies bedeutet, dass in der Therapieauch das Gehen in Alltagsbedingungen mit unter-schiedlicher Untergrundbeschaffenheit, in Men-schenmengen, auch bei Regen oder Schnee geübtwerden muss. Der Patient muss an der Leistungs-grenze trainieren und die Prinzipien des Shapingsmüssen beachten werden.

Ebenso sind die sichere Benutzung von öffentli-chen Verkehrsmitteln (Busse und Straßenbahnen)und Rolltreppen notwendig, um eine wirklicheMobilität zu ermöglichen (Ortner u. Pott 2007). Imambulanten Bereich sind hier die Rahmenverträge,die von den physiotherapeutischen Berufsverbän-

den in Deutschland mit den Krankenkassen abge-schlossen worden sind, problematisch. Diese Ver-träge sehen vor, dass die Therapie nur in den zuge-lassenen Therapieräumen oder bei Hausbesuchenin der Wohnung des Patienten bzw. in den Räu-men der sozialen Einrichtungen stattfinden darf.Diese Rahmenverträge können u. U. versicherungs-technische Probleme verursachen, wenn der The-rapeut zum Wohle des Patienten trotzdem einGangtraining außerhalb der Praxisräume durch-führt und dabei ein Versicherungsfall eintritt (Rah-menvertrag VdEK §4.1 vom 01.04.2013).

Praxistipp

Außerhäusliches Gehen● Gehgeschwindigkeit mindestens 1,1m/s ≙3,96 km/h

● Gehstrecke von ca. 500m● Fähigkeit, den Kopf beim Gehen zu drehen● Teppen steigen und Bordsteine überwinden● Tragen von Gegenständen

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann man sagen, dass eine er-folgreiche Gangrehabilitation mit einem Trainingallein auf dem Laufband nicht erreicht werdenkann, vielmehr müssen alle unterschiedlichenAnforderungen, die auf den Patienten im Alltagzukommen, trainiert werden.

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Abb. 6.14 Fußgänger an Ampel.

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Laufband und AusdauertrainingDas Ausdauertraining auf dem Laufband wird ambesten als Intervalltraining gestaltet. In Abhängig-keit vom Krankheitsbild wird mit entsprechenderIntensität trainiert (Kap. 7). Das Training sollteidealerweise unter Pulskontrolle durchgeführtwerden. Der Patient geht so lange wie möglich(Borg-Skala), idealerweise im entsprechendenTrainingspulsbereich, wenn möglich ermitteltdurch ein Belastungs-EKG, dann macht er einePause bis der Puls sich normalisiert hat und gehtschließlich weiter. Ziel ist die Ausdauer des Gehensund/oder die Ausdauer des Herz-Kreislauf-Systemszu verbessern.

Laufband und KrafttrainingBenutzt man das Laufband zum Krafttraining, wirdmit einer Steigung trainiert, um eine Kräftigungder Wadenmuskulatur zu erreichen (▶Abb. 6.15).Bei Patienten mit einer Halbseitenlähmung kannbei einer Asymmetrie dem Patienten auf demLaufband eine Langhantel oder ein Gewichtsstabauf die Schultern gegeben werden (▶Abb. 6.16).Dies fördert die Symmetrie und die Aufrichtungbeim Gehen. Seitliches Gehen auf dem Laufbandbewirkt eine Kräftigung in der Standbeinphaseund verbessert die Hüftstabilisation. Dadurch kannevtl. auch die Korrektur des Fußes durch einen ex-

ternen Focus erreicht werden, da der Fuß, der nachaußen zur Seite gesetzt wird, automatisch in Pro-nation eingestellt wird. Zur Steigerung der Trai-ningsintensität wird die Steigung des Laufbandserhöht und vorsichtig beschleunigt (▶Abb. 6.17).

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Abb. 6.17 Seitliches Gehen auf dem Laufband.

Abb. 6.15 Laufband mit Steigung.

Abb. 6.16 Patient mit Gewichtsstab auf dem Laufband.

6.2 Ausdauertraining

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Laufband undGleichgewichtstrainingSoll beim Laufbandtraining das Gleichgewicht trai-niert werden, muss vorher getestet werden, wel-che Gleichgewichtsproblematik beim Patienten imVordergrund steht. Hat der Patient mehr Problememit geschlossenen Augen, sollte vermehrt die Tie-fensensibilität oder Propriozeption geübt werden.Dies wird mit geschlossenen Augen (Achtung: aufdem Laufband sehr schwierig!) oder mit Blick-wechsel nach rechts und links, aber auch nachoben und unten geübt. Dabei muss beachtet wer-den, dass der Patient sich nicht festhält, da ansons-ten das propriozeptive Training weniger effektivist bzw. die Tiefensensibilität deutlich wenigertrainiert wird, da ein zusätzlicher Informations-kanal zur Verfügung steht. Hat der Patient Proble-me loszulassen, kann ein Theraband an den Hand-läufen zum Festhalten oftmals genügen, damit derPatient das Training durchführen kann(▶Abb. 6.18). Das Gleichgewicht wird auf demLaufband auch trainiert, wenn der Patient anderemotorische oder kognitive Aufgaben gleichzeitigerledigen muss.

Laufband und Dual-Task-TrainingGerade den Dual-Task bzw. den Multi-Task kannman sehr gut auf dem Laufband trainieren. Der Pa-tient soll reden und gehen. Er kann Bälle fangen,Farben oder Gegenstände im Raum suchen, rück-wärts zählen oder rechnen, jonglieren oder derTherapeut wirft kleine Sandsäckchen auf das Lauf-band, denen der Patient ausweichen muss. Der Pa-tient kann auch Gegenstände tragen oder mit die-sen hantieren (▶Abb. 6.19). Der Phantasie sind fürDual- oder Multi-Task-Aufgaben keine Grenzengesetzt. Wichtig ist auch hier, dass an der Leis-tungsgrenze des Patienten trainiert wird.

Laufband und SchnelligkeitstrainingSpeziell die Gehgeschwindigkeit kann auf demLaufband sehr gut trainiert werden. Mit demstrukturierten geschwindigkeitsbasierten Lauf-bandtraining (Speed-dependent treadmill train-ing, STT), das in den Jahren 1999 und 2000 in derRehabilitationsklinik Kreischa entwickelt und wis-senschaftlich untersucht wurde (Pohl 2002; Pohl2003) konnten Patienten nach einem Schlaganfall

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Abb. 6.18 Therabänder am Laufband. Abb. 6.19 Dual Task auf dem Laufband.

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