prävalenz von vorhofflimmern bei kardiologischen patienten
TRANSCRIPT
Diplomarbeit
Prävalenz von Vorhofflimmern
bei kardiologischen Patienten mit Risikofaktoren
für Thromboembolie
eingereicht von
Herbert Forstner
Geb.Dat.: 13.08.1985
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der gesamten Heilkunde
(Dr. med. univ.)
an der
Medizinischen Universität Graz
ausgeführt an der
Universitätsklinik für Kardiologie
unter der Anleitung von
Ass.-Prof. Priv.-Doz. Dr.med. Frank Heinzel, PhD
Graz, Juni 2012 (Unterschrift)
i
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den
benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich
gemacht habe.
Graz, am …… Unterschrift
Gleichheitsgrundsatz: Um die Lesbarkeit dieser Arbeit zu erleichtern, habe ich mich dazu
entschlossen, das generische Maskulinum zu verwenden.
ii
Danksagungen
Ich danke meinem Betreuer Priv.-Doz. Dr. Frank Heinzel für die erstklassige Betreuung,
die er mir zuteilwerden ließ und dass er mich mit seiner ansteckenden Begeisterung für die
Rhythmologie immer wieder von neuem motivieren konnte.
Darüber hinaus bin ich ihm sehr dankbar, dass er mir die Gelegenheit geboten hat, meine
Arbeit an der Jahrestagung der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft zu
präsentieren.
Des Weiteren bedanke ich mich bei Herrn Univ.-Prof. Dr. Pieske für die Möglichkeit, die
Diplomarbeit an seiner Klinik ausführen zu dürfen.
Da der Abschluss meines Studiums nun unmittelbar bevor steht, gebührt meiner Mutter,
Marianne Forstner, mein ganz besonderer Dank. Sie hat mich während meiner Ausbildung
stets unterstützt, mir Rückhalt geboten und mich mit ihrer herzlichen und fürsorglichen
Art, erst zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin.
An dieser Stelle möchte ich auch meinem Onkel, Forstner Josef, danken, der mir mit seiner
Sorgfalt und seinem vielfältigen Wissensschatz, stets ein Vorbild auf meinem Weg war.
Meiner Freundin Magdalena danke ich für die liebevolle Begleitung, den motivierenden
Beistand während meiner Studienzeit und für die eine oder andere fachliche Hilfestellung,
wenn ich mit meinem Medizinerlatein bereits am Ende war.
Ein großer Dank auch an meinen Bruder Andreas und an meine Freunde. Ihr hattet immer
ein offenes Ohr für mich und habt mir meine Studienzeit mit viel Humor bereichert und sie
zu einem unvergesslichen Lebensabschnitt werden lassen.
iii
Zusammenfassung
Die aktuellen „ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation“ führen den
CHADS-VASc Score ein, um das Risiko für thromboembolische Ereignisse bei Patienten
mit Vorhofflimmern (VHF) bemessen zu können. Der CHADS-VASc Score erweitert den
bisherigen CHADS Score (cardiac failure, hypertension, age, diabetes, stroke) um die
vormals „schwachen“ Risikofaktoren Gefäßerkrankung, weibliches Geschlecht und Alter
(65-74 Jahre). Patienten, welche einen CHADS-VASc Score ≥ 2 aufweisen, sollten einer
oralen Antikoagulation zugeführt werden. Durch die Einführung der neuen ESC
Guidelines bedarf es nun einer Reevaluierung des thromboembolischen Risikos.
In einer retrospektiven Annäherung quantifizieren und stratifizieren wir die Veränderungen
der thromboembolischen Risikobemessung, zusammen mit klinischen Parametern der
Patienten unserer Kardiomyopathie-Ambulanz und der allgemeinen kardiologischen
Ambulanz.
In die Studie wurden 500 Patienten mit kompletten Datensätzen aufgenommen. Alter 63,1
±14,3 (mean±st.dev.), 72,4% Männer, 60,4% mit chronischer Herzinsuffizienz. 32,4%
(n=162) aller Patienten hatten Vorhofflimmern in der Vorgeschichte (CHADS_VASc 0:
14%, 1:23%, 2:27%, 3:28%, 4:31%, 5:41%, 6:59%, 7:53%, 8:50%). Patienten mit VHF
litten häufiger an chronischer Niereninsuffizienz (43% vs. 23%). 78% der VHF-Patienten
nahmen RAS-Hemmer, 88% Beta-Blocker. 83,3% (n=135) aller VHF-Patienten hatten im
Vergleich zum CHADS-Score nun einen höheren CHADS-VASc-Score. In 67% dieser
Patienten, führte die Koronare Herzkrankheit (KHK) zu einer Steigerung der
Risikobemessung, in 48% das Alter und in 29% das weibliche Geschlecht. 69,7% der
Patienten mit VHF und CHADS=1 hatten einen CHADS-VASc Score ≥2. In der
Subgruppe der Patienten mit VHF, deren Risikoscore von 1 (CHADS) auf ≥2
(CHADS_VASc) stieg, hatten 26 % keine orale Antikoagulation (OAK).
Zusammenfassend ergibt sich aus der Neubemessung des thromboembolischen Risikos
laut CHADS_VASc ein erhöhter Risikoscore für die Mehrheit der kardiologischen
Patienten. Demzufolge wird ein großer Teil der Patienten mit CHADS=1 einer
Reevaluierung der OAK bedürfen. Bei unseren Patienten war die KHK der häufigste neue
Risikofaktor. Chronisches Nierenversagen war mit einer erhöhten VHF-Prävalenz
assoziiert.
iv
Abstract
The current ESC guidelines for the management of atrial fibrillation introduce the
CHA2DS2VASc score to assess the risk of thromboembolic events in patients with atrial
fibrillation (AF). CHADS-VASc extends the previous CHADS-score (cardiac failure,
hypertension, age, diabetes, stroke) by the formerly “weak” risk factors vascular disease,
female sex and age (65-74 years). Oral antikoagulation is recommended in suitable patients
with a CHADSVASc score ≥ 2. Implementation of the new ESC guidelines requires the
reassessment of thromboembolic risk.
In a retrospective approach, we quantify and stratify the changes of the thromboembolic
risk assessment along with clinical parameters in successive patients of our cardiological
and cardiomyopathy outpatient clinic.
In this study, 500 patients with complete data sets have been included. Age 63.1 ±14.3
(mean±st.dev.), 72.4% male, 60.4% with chronic heart failure. 32.4% (n=162) of all
patients had a history of AF (CHADS-VASc 0: 14%, 1: 23%, 2: 27%, 3: 28%, 4: 31%, 5:
41%, 6: 59%, 7: 53%, 8: 50%). Chronic renal failure was more prevalent in patients with
AF (43% vs. 23%). 78% of the AF patients were on RAS-inhibitors, 88% on beta-blockers.
83.3% (n=135) of all AF patients had a higher CHADS-VASc than CHADS score. In 67%
of these patients, coronary artery disease (CAD) contributed to an increase in the assessed
risk, in 48% age, in 29% female gender. In 69.7% of patients with AF and CHADS=1,
CHADS-VASc was ≥ 2. In the subgroup of patients with AF whose risk score increased
from 1 (CHADS) to 2 (CHADS-VASc), 26% have not been on oral anticoagulants (OAK).
In summary, reassessment of the thromboembolic risk according to CHADS-VASc results
in an increased risk score in the majority of patients with cardiomyopathy. Accordingly, a
large number of patients with CHADS=1 will require re-evaluation for OAK. In our
patients, CAD was the most prevalent of the new risk factors. Chronic renal failure was
associated with an increased prevalence of AF.
v
Inhaltsverzeichnis
Danksagungen ....................................................................................................................... ii
Zusammenfassung ................................................................................................................ iii
Abstract ................................................................................................................................. iv
Inhaltsverzeichnis .................................................................................................................. v
Glossar und Abkürzungen ................................................................................................... vii
Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................... x
Tabellenverzeichnis .............................................................................................................. xi
1 Einleitung .................................................................................................................... 12
1.1 Vorhofflimmerarrhythmie ..................................................................................... 12
1.1.1 Epidemiologie ................................................................................................ 13
1.1.2 Klassifizierung15
............................................................................................ 14
1.1.3 Risikofaktoren ............................................................................................... 15
1.1.4 Pathophysiologische Mechanismen ............................................................... 21
1.1.4.1 Auslöser von Vorhofflimmern ............................................................... 22
1.1.4.2 Atriales Remodelling.............................................................................. 24
1.2 Klinische Manifestation ........................................................................................ 27
1.2.1 Brady- und Tachyarrhythmien....................................................................... 28
1.2.2 Abnahme der Herzleistung15
......................................................................... 28
1.2.3 Thrombembolien ........................................................................................... 29
1.2.3.1 Mechanismen zur Thromben Entstehung49
............................................ 29
1.3 Therapie ................................................................................................................. 32
1.3.1 Antiarrhythmische Therapie15
....................................................................... 32
1.3.2 Frequenz- oder Rhythmuskontrolle2,15
.......................................................... 35
1.4 Thromboembolie-Prophylaxe ................................................................................ 37
1.4.1 CHADS2 – Score ........................................................................................... 41
1.4.2 CHA2DS2VASc – Score ................................................................................ 43
vi
1.5 CHA2DS2VASc und das Risiko für Vorhofflimmern ........................................... 46
1.6 Zielsetzung ............................................................................................................ 46
2 Material und Methoden ............................................................................................... 47
2.1 Studiendesign ........................................................................................................ 47
2.2 Datenerhebung....................................................................................................... 47
2.3 Analyse .................................................................................................................. 48
3 Ergebnisse – Resultate ................................................................................................. 49
3.1 Demographische Daten des Patientenkollektivs ................................................... 49
3.2 Prävalenz von Vorhofflimmern bei den Risikofaktoren, einzeln .......................... 53
3.3 Verteilung der CHA2DS2VASc Score allgemein ................................................... 54
3.4 Stratifizierung nach VHFA ................................................................................... 55
3.5 Beschreibung der Patienten, die beim Anwenden von CHA2DS2VASc statt
CHADS2 in eine höhere Risikoklasse kommen. ................................................... 59
3.6 VHFA bei Patienten mit NINS bzw. KHK ........................................................... 60
3.7 Patienten mit implantiertem Aggregat .................................................................. 61
3.8 Medikamentöse Therapie bei Patienten mit VHFA .............................................. 63
4 Diskussion ................................................................................................................... 66
5 Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 71
vii
Glossar und Abkürzungen
ACCP American College of Chest Physicians
ACE-Hemmer Angiotensin-Converting-Enzyme-Hemmer
AF Atrial Fibrillation
AFCHF- Trial Atrial Fibrillation and Chronic Heart Failure Studie
AFFIRM Atrial Fibrillation Follow-up Investigation of Rhythm
Management
AFI Atrial Fibrillation Investigators
AHA American Heart Association
Amb. Ambulanz
ANDROMEDA ANtiarrhythmic trial with DROnedaron in Moderate-to-
severe congestive heart failure Evaluating morbidity
DecreAse
art. arteriell
ASS Acetylsalicylsäure
ATRIA AnTicoagulation and Risk Factors In Atrial Fibrillation
AVK arterielle Verschlusskrankheit
BAFTA Birmingham Atrial Fibrillation Treatment of the Aged
BB Beta-Blocker
BMI Body-Mass-Index
CABG Coronary Artery Bypass Graft
CHA2DS2VASc Congestive heart failure, Hypertension, Age ≥75a (doppelt),
Diabetes, Stroke (doppelt), Vascular Disease, Age 65-74a,
Sex category female
CHADS2 Congestive heart failure, Hypertension, Age ≥75a, Diabetes,
Stroke (doppelt)
CHI chronische Herzinsuffizienz
CI Confidence Intervall
CMP Kardiomyopathie
viii
CRP C-reaktives Protein
DM Diabetes Mellitus
EAFT European Atrial Fibrillation Trial
EF Ejektionsfraktion
EHRA European Heart Rhythm Association
EKG Elektrokardiogramm
EMAH Erwachsene mit angeborenem Herzfehler
ESC European Society of Cardiology
fam. familiär
gen. genetisch
HI Herzinsuffizienz
HOT CAFÉ How to Treat Chronic Atrial Fibrillation
HR Hazard Ratio
HT Hypertonie
ICD Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator
INR International Normalized Ratio
k.A. keine Angaben
KAGES Steiermärkische Krankenanstalten G.m.b.H.
KHK Koronare Herzkrankheit
KHK operata Koronare Herzkrankheit mit Z.n.CABG
LV linker Ventrikel
MI Myokardinfarkt
NINS Niereninsuffizienz
NVAF Non-Valvular Atrial Fibrillation
NYHA New York Heart Association
OAK orale Antikoagulation
pAVK periphere arterielle Verschlusskrankheit
ix
RAAS Renin-Angiotensin-Aldosteron-System
RACE RAte Control versus Electrical cardioversion for persistent
atrial fibrillation
RF Risikofaktor
RK Reentry-Kreis
RR Blutdruck (Riva Rocci)
RR relatives Risiko
SAS Schlaf-Apnoe-Syndrom
SEC spontaner Echokontrast
SM Herzschrittmacher
SPAF Stroke Prevention in Atrial Fibrillation
SR Sinusrhythmus
STAF Strategies of Treatment of Atrial Fibrillation
sympt. symtomatisch
sys. Systolisch
TAH Thrombozytenaggregationshemmer
TE Thrombembolie
TEE transösophageale Echokardiographie
TIA transitorische ischämische Attacke
VEGF Vascular Endothelial Growth Factor
VHF / VHFA Vorhofflimmern / Vorhofflimmerarrhythmie
vWF von Willebrand Faktor
Z.n. Zustand nach
zAVK zentrale arterielle Verschlusskrankheit
x
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.1 Vorhofflimmern im EKG ............................................................................ 12
Abbildung 1.2 Pathophysiologische Progression von VHF (nach Wyse et al.38
) ............... 21
Abbildung 1.3 Struktur und Triggermechanismen bei VHF (nach Calkins et al.41
) ........... 23
Abbildung 1.4 Übersicht der VHF-Mechanismen (nach Schotten et al.43
) ......................... 24
Abbildung 1.5 Frequenz- oder rhythmuskontrollierte Therapiestrategie
(nach Camm et al.15
) .................................................................................... 36
Abbildung 1.6 Risikokategorisierung der Schemata unter Euro Heart Survey Patienten
(modifiziert nach Lip et al.79
)....................................................................... 45
Abbildung 3.1 Geschlechterverteilung gesamt .................................................................... 49
Abbildung 3.2 Ambulanzbezogene Geschlechterverteilung ............................................... 50
Abbildung 3.3 Altersverteilung gesamt ............................................................................... 50
Abbildung 3.4 absolute Häufigkeitsverteilung der Diagnosen in den Ambulanzen ........... 51
Abbildung 3.5 relative Prävalenz von VHF bei untersuchten Diagnosen ........................... 53
Abbildung 3.6 CHA2DS2-VASc Verteilung in den Ambulanzen ....................................... 54
Abbildung 3.7 Prävalenz von VHFA .................................................................................. 55
Abbildung 3.8 CHA2DS2-VASc Score stratifiziert nach VHF............................................ 56
Abbildung 3.9 relative Häufigkeit von VHF bezogen auf den CHA2DS2-VASc Score ..... 56
Abbildung 3.10 CHA2DS2VASc verglichen mit CHADS2-Score ...................................... 59
Abbildung 3.11 Absolute Häufigkeit der neuen Faktoren zur Risikoscore-Steigerung ...... 60
Abbildung 3.12 Häufigkeit der Patienten mit bzw. ohne Device
bezogen auf CHA2DS2-VASc ................................................................... 61
Abbildung 3.13 Prävalenz von VHF in Patienten mit bzw. ohne Aggregat ........................ 62
Abbildung 3.14 relative Häufigkeit von antithrombotischen Medikamenten
bei Patienten mit VHFA ........................................................................... 64
Abbildung 3.15 relative Häufigkeit von antithrombotischen Medikamenten
bei Patienten ohne VHFA .......................................................................... 64
Abbildung 3.16 relative Häufigkeit von antithrombotischen Medikamenten
bei Patienten mit VHFA bei Anwendung des CHADS2 Scores ................ 65
xi
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1.1 Risikofaktoren, die mit der Erstmanifestation, der Progression
oder den Komplikationen von Vorhofflimmern assoziiert sind
(modifiziert nach Kirchhof P. et al. 200913
). .................................................... 20
Tabelle 1.2 EHRA-Klassifikation (modifiziert nach Kirchhof et al.45
) ............................... 27
Tabelle 1.3 Vergleich mehrerer Risikoschemata (modifiziert nach Hart et al.65
) ............... 40
Tabelle 1.4 CHADS2 Score ................................................................................................. 41
Tabelle 1.5 CHA2DS2VASc Score (nach Camm et al.15
) .................................................... 44
Tabelle 1.6 relatives Schlaganfallrisiko bei CHA2DS2VASc (nach Camm et al.15
) ........... 44
Tabelle 1.7 Empfehlung zur Thrombembolieprophylaxe (nach Camm et al.15
) ................. 44
Tabelle 3.1 Altersverteilung ................................................................................................ 50
Tabelle 3.2 Charakteristika der Patienten ............................................................................ 52
Tabelle 3.3 Prävalenz von VHF bei untersuchten Risikofaktoren ...................................... 53
Tabelle 3.4 Absolute CHA2DS2-VASc Score Verteilung ................................................... 54
Tabelle 3.5 Charakteristika der Patienten mit Vorhofflimmern .......................................... 57
Tabelle 3.6 Vergleich der Subgruppen bezüglich NINS und KHK .................................... 61
Tabelle 3.7 relevante Medikation bei VHF-Patienten und im Gesamtkollektiv ................. 63
12
1 Einleitung
1.1 Vorhofflimmerarrhythmie
Die Vorhofflimmerarrhythmie (VHFA) oder kurz Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste
Form der Herzrhythmusstörung in der westlichen Welt. Diese supraventrikuläre
Tachyarrhythmie beschreibt einen Zustand ungeordneter elektrischer Aktivität in den
Vorhöfen des Herzens, welche zu unregelmäßigen Vorhofkontraktionen mit hoher
Frequenz führt. Das EKG zeigt aperiodische RR Intervalle und anstelle von regelrechten p-
Wellen, treten Flimmerwellen auf, die in Größe, Form, und Regelmäßigkeit variieren.
Vorhofflimmern kann sich klinisch durch Schwächegefühl, Palpitationen, Schmerzen in
der Brust oder Luftnot zeigen, es bleibt jedoch häufig unbemerkt. Vorhofflimmern geht
außerdem mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität einher. Die gefürchtetste
Komplikation von Vorhofflimmern ist der Schlaganfall, ausgelöst durch eine Embolie
eines Blutgerinnsels vom Herzen in ein Hirngefäß.
Abbildung 1.1 Vorhofflimmern im EKG
13
1.1.1 Epidemiologie
Die Zahl der Menschen mit VHF wird innerhalb der Europäischen Union auf 4,5Millionen
geschätzt und in Nordamerika auf 2,3 Millionen1,2
. Die Prävalenz in der
Gesamtbevölkerung wird zwischen 1-2% angegeben1,3,4
. Studienergebnisse zeigten, dass
mit dem Alter in der Bevölkerung auch die Prävalenz für VHF ansteigt. So beträgt sie nach
Go et al.1 und Kannel et al.
5 bei Menschen unter 55 Jahren 0,1% und bei über 80 Jährigen
9%. Die Rotterdam Studie beschreibt sogar eine Prävalenz von 17,8% bei über 85-
Jährigen6. Insgesamt sind in etwa 70% der VHF-Patienten zwischen 65 und 85 Jahre alt
7.
Generell sind Männer häufiger von VHF betroffen als Frauen. Die altersspezifische
Prävalenz bei Männern in jüngeren Altersgruppen ist höher als bei Frauen. Je älter das
Patientenkollektiv aber ist, desto mehr nähern sich die Prävalenzen von VHF bei Mann und
Frau einander an und in der Gruppe der 85 Jährigen besteht kaum mehr ein Unterschied
zwischen den Geschlechtern6,8
. Chen et al.7 erklärt dies, durch die höhere Lebenserwartung
von Frauen.
Die Framingham Heart Study zeigte, dass statistisch gesehen, jeder vierte Mensch mit 40
Jahren, in seinem Leben Vorhofflimmern bekommen wird9.
Die Inzidenz von VHF steigt von weniger als 0,1% pro Jahr bei Patienten jünger als 40
Jahre, auf über 2% pro Jahr bei Patienten älter als 80 Jahre. Besonders hoch liegt die
Inzidenz für Vorhofflimmern bei Patienten mit Herzinsuffizienz2,10,11
.
Durch die steigende Inzidenz dieses Krankheitsbildes wird es, verschiedenen
Berechnungen zufolge, im Jahre 2050 in den USA 5,6 bis über 10 Millionen Patienten mit
Vorhofflimmern geben1,4,12
.
Epidemiologischen Beobachtungen zufolge, geht VHF unabhängig von anderen
kardiovaskulären Erkrankungen mit einer Verdoppelung der Mortalität einher2.
Patienten mit VHF haben zudem, verglichen mit der Normalbevölkerung ohne VHFA, ein
2-7fach erhöhtes Risiko einen Schlaganfall zu erleiden. Somit tritt jeder sechste Insult bei
Patienten mit VHF auf. Diese Tatsache macht VHF zum stärksten Risikofaktor für
ischämischen Insult2,13,14
.
14
1.1.2 Klassifizierung15
In der Vergangenheit wurden mehrere verschiedene Ansatzpunkte zur Einteilung von
Vorhofflimmern propagiert, wie zum Beispiel nach Ätiologie, Symptomatik,
elektrophysiologischen Mustern oder zeitlichem Verlauf. Aktuell vertreten die
europäischen und die amerikanischen Fachgesellschaften eine Klassifikation, die einen
Konsensus von zeitlichem und klinischem Verlauf des Vorhofflimmerns darstellen soll und
gleichzeitig einfach in der Anwendung ist15
.
Grundsätzlich gilt jedes Vorhofflimmern, das bei einem Patienten zum ersten Mal
auftritt, als neu diagnostiziertes VHF, unabhängig davon wie lange das Flimmern
anhält und ob Symptome wahrgenommen werden.
Dauern die Episoden von VHF weniger als 7 Tage an und es folgt von selbst ein
normaler Rhythmus, so wird dies als paroxysmales Vorhofflimmern bezeichnet.
Meistens kommt es zur spontanen Konversion innerhalb von 2 Tagen.
Persistentes VHF hält länger als 7 Tage an, kann aber mittels einer
medikamentösen- bzw. elektrischen Konversion in den Sinusrhythmus gebracht
werden. Eine spontane Konversion findet nicht statt.
Langandauerndes persistentes VHF ist definiert als ein ≥ 1 Jahr anhaltendes VHF,
bei dem noch eine Rhythmuskontrollstrategie angestrebt wird.
Persistentes VHF wird normalerweise zu permanentem VHF, wenn
Kardioversionen nicht erfolgreich waren bzw. darauf verzichtet wurde und die
Arrhythmie als solche akzeptiert ist. Per Definition sind keine weiteren
Interventionen hinsichtlich der Rhythmuskontrolle geplant.
Ein Patient kann also laut dieser Klassifizierung, im Laufe der Zeit mehrere Formen des
VHF durchlaufen, da eine Progression von paroxysmal nach permanent stattfindet.
Die genannte Terminologie bezieht sich auf Flimmerepisoden, deren keine bekannte
reversible Ursache zugrunde liegt. Demnach wird sekundäres Vorhofflimmern, ausgelöst
durch Myokardinfarkt, Herzoperationen, Perikarditis, Myokarditis, Hyperthyreose oder
akute Lungenerkrankungen gesondert betrachtet. Hierbei löst sich das Problem der VHFA
oftmals mit der Behandlung der Grunderkrankung.
15
Lone AF beschreibt ein Vorhofflimmern bei jungen Patienten unter 60 Jahren, ohne
zugrundeliegenden Risikofaktoren, bei denen die klinische Untersuchung, die Laborwerte
und auch die Echokardiographie keine Pathologien zeigen.
Stilles oder asymptomatisches VHF kann sich bei einem Routine EKG finden oder erst
durch Auftreten einer Komplikation der VHFA bemerkt werden. Asymptomatisches VHF
kann aber sowohl paroxysmal aber auch persistent sein.
1.1.3 Risikofaktoren
Die Entstehung und der Verlauf von Vorhofflimmern scheinen von vielen Faktoren
abhängig zu sein, wovon einige als Trigger für das Auftreten von VHF fungieren können
und andere für elektrophysiologische und später auch strukturelle Umbauprozesse im
Vorhofgewebe verantwortlich gemacht werden.
Alter15,16
Das Alter der Patienten spielt bei der Entstehung von VHF eine wesentliche Rolle. Wie
bereits im Kapitel Epidemiologie beschrieben, steigen sowohl Prävalenz als auch Inzidenz
von VHF mit jedem Lebensjahrzehnt an.
Natürlich treten mit steigendem Alter häufig auch andere kardiale Erkrankungen auf, die
z.B. mit einer Fibrosierung oder Dilatation des atrialen Gewebes einhergehen können, was
das Auftreten einer VHFA begünstigt. Beobachtungen und Analysen stützen diese These,
indem sie zeigten, dass das Alter ein stärkerer Risikofaktor für VHF ist, wenn er mit
anderen Risikofaktoren kombiniert ist. Mit steigendem Alter nimmt auch die
Expositionsdauer von möglichen prädisponierenden Faktoren für VHF zu.
Andererseits erfährt das atriale Gewebe ebenfalls einen Alterungsprozess, wobei es zu
inadäquater Weiterleitung von elektrischen Signalen kommen kann.
Arterielle Hypertonie
In diversen Studien konnte immer wieder ein Zusammenhang zwischen erhöhten
systolischen Blutdruckwerten und dem Auftreten von VHF gezeigt werden. Arterieller
Hypertonus ist nicht zuletzt aufgrund seines epidemiologischen Auftretens in der
Gesamtbevölkerung, der häufigste Risikofaktor für VHF3,4,5,8,17,18,19
.
16
Eine Arbeit von Mitchel et al.20
kommt zu dem Ergebnis, dass der Pulsdruck eine noch
bessere Vorhersagekraft für VHF hat, als der systolische Blutdruckwert alleine. Ein hoher
systolischer und ein niedriger diastolische Blutdruckwert können Zeichen einer wenig
elastischen Aortenwand sein, z.B. verursacht durch Arteriosklerose. Dieser Zustand erhöht
die Belastung für das kardiale Gewebe und das VHF Risiko steigt an20
.
Bluthochdruck bewirkt im Herzen und in den herznahen Gefäßen einige strukturelle und
funktionelle Veränderungen, welche die Entstehung von VHF, aber auch von
thromboembolischen Komplikationen begünstigen. Hierbei spielen z.B. linksventrikuläre
Hypertrophie, verminderte ventrikuläre Füllung, Vergrößerung des linken Atriums und
verminderte Fließgeschwindigkeiten eine Rolle21,22
. Hypertonie ist also auch ein wichtiger
Risikofaktor für Schlaganfall und andere kardiovaskuläre Erkrankungen15
.
Herzinsuffizienz
In unserer alternden Gesellschaft treten häufig mehrere Zustände gemeinsam auf.
Herzinsuffizienz (HI) stellt z.B. einen wichtigen Risikofaktor für VHF dar, aber
gleichzeitig führt VHF oft auch zu einer Verschlechterung der Herzauswurfleistung und im
weiteren, speziell bei alten Menschen, wiederum zu symptomatischer Herzinsuffizienz
(NYHA-Stadium II-IV). Nach den aktuellen ESC Richtlinien für das Management von
Vorhofflimmern leiden 30% der VHF Patienten an symptomatischer Herzinsuffizienz und
umgekehrt kann in 30-40% der HI-Patienten, Vorhofflimmern nachgewiesen werden15
.
Herzklappenerkrankungen
Ein eindeutiger Zusammenhang besteht zwischen Herzklappenerkrankungen und
Vorhofflimmern. Bei etwa 30% der Patienten mit VHFA kann eine
Herzklappenerkrankung gefunden werden, wobei Mitralklappen und Aortenklappen am
häufigsten verändert sind15
. Patienten mit Herzklappendefekten haben ein 2-3mal so hohes
Risiko für Vorhofflimmern13
. Das Risiko korreliert dabei aber nicht mit dem Stenose- oder
Insuffizienzgrad der Klappe19
. In der Vergangenheit gehörten die rheumatischen
Mitralklappenerkrankungen zu den wichtigsten Risikofaktoren für VHF. Heute ist dieses
Krankheitsbild in der westlichen Welt selten geworden, da das Streptokokken- assoziierte
rheumatische Fieber durch den breiten Einsatz von Antibiotika kaum mehr auftritt.
Aufgrund der besonderen Entität wird oft noch von einem „rheumatischen
Vorhofflimmern“ gesprochen. VHF entwickelt sich bei Klappenerkrankungen durch die
17
veränderte Druck- und Volumenbelastung der Herzinnenräume und der daraus
resultierenden Dilatation v.a. des linken Vorhofes.
Koronare Herzkrankheit
Große epidemiologische Studien zeigten, dass die koronare Herzkrankheit ebenfalls häufig
zu den VHFA assoziierten Krankheiten zählt. Zumindest jeder dritte bis vierte Patient mit
nachgewiesenem VHF leidet, den Studien zufolge, auch an der KHK23,24,4
. Die
Zusammenhänge, wie die koronare Perfusion die Reizleitungen und das Gewebe der Atrien
beeinflussen kann, sind jedoch noch weitgehend ungeklärt15
.
Diabetes Mellitus
Diabetes Mellitus Typ2 ist ein Risikofaktor für das Auftreten von VHF. Einige Studien,
welche Daten bezüglich Diabetes Mellitus und Vorhofflimmern untersuchten, kommen
aber zum Teil zu uneinheitlichen Ergebnissen. So wurde in der Framingham Studie17
, DM
als signifikanter, unabhängiger Risikofaktor für VHF identifiziert. Die Arbeit von Psaty et
al.25
bestätigte dies und Movahed et al.26
konnte sogar eine starke Korrelation von DM und
VHF bei einem großen Kollektiv nachweisen. Im Gegensatz dazu steht z.B. eine Arbeit
von Wilhelmsen et al.27
, in der ebenfalls eine große Patientengruppe untersucht wurde,
aber kein signifikanter Zusammenhang gefunden werden konnte. Eine Meta-Analyse zu
diesem Thema kommt zu dem Ergebnis, dass es zwar eine positive Korrelation zwischen
DM und VHF gibt, diese aber wahrscheinlich, durch zahlreiche Störvariablen, nicht so
hoch ausfällt, wie sie manche Studien beschreiben28
.
Derzeit gibt es keine Evidenz, dass DM vom Typ I mit einem erhöhten VHF Risiko
einhergeht, wobei aber auch die Zahl der Fallstudien sehr begrenzt ist. Es wird also eher
über den proarrhythmischen Effekt von Insulinresistenz diskutiert, als den von langzeit-
Hyperglykämie. Eine andere Theorie besagt, dass der inflammatorische Aspekt von
Diabetes, als ursächlich für das VHF wirken könne28
.
Herzfehler
Kongenitale Herzfehler, bei Erwachsenen hauptsächlich in Form von Septumdefekten, sind
durch die morphologische Veränderung der Strukturen ebenfalls mit einem erhöhten
Risiko für VHF behaftet15
.
18
Kardiomyopathien
Primäre Kardiomyopathien sind eine Gruppe heterogener Erkrankungen, die alle mit
Funktionsstörungen des Herzmuskels einhergehen und nicht Folge einer anderen kardialen
oder systemischen Erkrankung sind. Einige davon sind gehäuft mit Vorhofflimmern
assoziiert. In jedem zehnten VHF Patienten konnten Kardiomypathien nachgewiesen
werden, die jedoch in der Gesamtbevölkerung eher selten sind23,29
.
Hyperthyreose
Hyperthyreose gilt schon lange Zeit als möglicher Risikofaktor für VHF. Die Prävalenz
von VHF bei Patienten mit Hyperthyreose wird zwischen 2-30% angegeben16
.
Die Framingham Studie und die Cardiovascular Health Study konnten zudem auch einen
Zusammenhang zwischen dem Auftreten von VHF und subklinischer Hyperthyreose
feststellen. Es gibt aber keine Hinweise dafür, dass Unterschiede im kardiovaskulären
Outcome oder der Mortalität zwischen VHF-Patienten mit subklinischer Hyperthyreose
und Patienten mit normaler Schilddrüsenfunktion bestehen16
.
Körpergewicht
Übergewicht wird mit einer steigenden Inzidenz von VHF in Verbindung gebracht.
Untersuchungen zeigten, dass das Risiko für neu auftretendes VHF, unabhängig von
anderen kardiovaskulären Risikofaktoren, mit jeder Body-Mass-Index(BMI)-
Punkteerhöhung, um 3-8% steigt30
. Der zugrunde liegende Pathomechanismus ist noch
weitgehend ungeklärt. Der BMI Wert korreliert stark mit der Größe der Vorhöfe. Deshalb
nimmt man an, dass eine BMI Erhöhung eine Dilatation des linken Vorhofs verursacht,
was mit elektrophysiologischen und strukturellen Veränderungen einhergeht und so
vermehrt zu VHF führen kann7,30
. Eine Arbeit von Wang et al.31
zeigte, dass VHF nicht
mehr mit dem BMI korrelierte, als die Daten mit dem Durchmesser des linken Atriums
abgeglichen worden waren.
Schlaf-Apnoe-Syndrom
Das Schlaf-Apnoe-Syndrom(SAS) ist mehreren Studien zufolge ebenfalls mit einem
erhöhten Risiko für eine VHFA vergesellschaftet. Bei obstruktivem SAS kommt es
während des Schlafs durch Verlegung der Atemwege immer wieder zu Atempausen, was
sich oft durch lautes Schnarchen und folgender Tagesmüdigkeit bemerkbar macht.
19
Das SAS ist häufig bei übergewichtigen Patienten zu finden und die Vermutung liegt nahe,
dass VHF über den Faktor Adipositas mit dem Schlaf Apnoe Syndrom assoziiert ist.
Neueren Studien zufolge, ist das Schlaf Apnoe Syndrom aber ein unabhängiger
Risikofaktor für VHF32,33
. Derzeit werden mehrere Mechanismen für das gehäufte
Auftreten von VHF bei SAS Patienten diskutiert: Hypoxämie, sympathische Aktivierung,
Blutdruckschwankungen, erhöhter intrathorakaler Druck, Dehnung der Vorhöfe,
pulmonale Vasokonstriktion und diastolische Dysfunktion30
.
Alkohol
Vorhofflimmern als Folge von übermäßigem Alkoholgenuss wurde erstmals von Ettinger34
im Jahr 1978 als Holiday Heart Syndrom beschrieben. Die Framingham Studie35
zeigte nur
einen schwachen Zusammenhang zwischen chronischem moderatem Alkoholkonsum und
VHF. Das Risiko stieg aber signifikant an, als die konsumierte Alkoholmenge mehr als
36g pro Tag (entspricht 3 alkoholischen Getränken) betrug35
. Die Copenhagen City Heart
Study36
kam zu einem vergleichbaren Ergebnis, auch hier war erst ab einem Konsum von
mehr als 35 alkoholischen Getränken pro Woche das Risiko für VHF bei Männern erhöht.
Nur sehr wenige Frauen erreichten diese Menge an Alkohol, weshalb keine signifikanten
Daten für Frauen erhoben werden konnten36
.
Mehrere Mechanismen werden für dieses Phänomen angenommen. Erstens hat Alkohol
einen direkten toxischen Effekt auf die Herzmuskelzellen. Zweitens geht sowohl der
Alkoholkonsum als auch der Entzug mit einem hyperadrenergen Zustand und einem
verminderten Vagotonus einher. Alkohol verursacht auch eine Verlängerung der intra-
atrialen Überleitungszeit, was sich durch eine breite P- Welle im EKG zeigt30
.
Sport
Obwohl regelmäßige sportliche Betätigung nachgewiesenermaßen die kardiovaskuläre
Morbidität und Mortalität senkt, ist exzessiver Ausdauersport mit einer erhöhten Prävalenz
von VHF verbunden. Das Vorhofflimmern wird häufig in Form von Palpitationen
wahrgenommen, die sowohl während des Trainings aber auch in Ruhe auftreten können30
.
Niereninsuffizienz
Chronisches Nierenversagen ist in 10-15% der VHF Patienten prävalent und ist
wahrscheinlich mit einer höheren kardiovaskulären Komplikationsrate assoziiert. Bisher
gibt es jedoch nur wenige aussagekräftigen Daten diesbezüglich15
.
20
Genetik
In sehr seltenen Fällen kann auch das eigene Erbgut für die Herzrhythmusstörung
verantwortlich sein. Speziell bei jüngeren Patienten ohne erkennbare Risikofaktoren sollte
an familiäres VHF gedacht werden. Es konnten bisher einige Genabschnitte identifiziert
werden, die mit VHF assoziiert werden. Die betroffenen Abschnitte kodieren häufig für
Kalium- oder Natriumkanäle und führen auf diesem Weg zu elektrophysiologischen
Veränderungen im Vorhof30
. Das Long-QT Syndrom, das Short-QT Syndrom und das
Brugada Syndrom sind ebenfalls durch genetisch fehlerhafte Ionenkanäle ausgelöst und
können Rhythmusstörungen wie z.B. Vorhofflimmern verursachen15
.
Tabelle 1.1 Risikofaktoren, die mit der Erstmanifestation, der Progression oder den Komplikationen
von Vorhofflimmern assoziiert sind (modifiziert nach Kirchhof P. et al. 200913
).
Faktor Erstauftreten Progression Komplikationen
Mitralklappenerkrankung X X X
Aortenklappenerkrankung ?X ? ?
Alter X X X
hypertrophe Kardiomyopathie X X X
gen. Defekte, die mit fam. CMP einhergehen X ? ?
arterieller Hypertonus X ? X
LV Hypertrophie X ? ?
diastolische Dysfunktion X ? X
großes Volumen des linken Atriums ? ? X
Narbengewebe im linken Atrium ? ? ?
verminderte LV Funktion ? ? X
sympt. Herzinsuffizienz X ? X
koronare Herzkrankheit ? ? X
pAVK ? ? X
Diabetes mellitus X ? X
Schlaf-Apnoe-Syndrom X X ?
manifeste Hyperthyreose X ? X
Übergewicht ? X ?
hohe Körpergröße X ? ?
Ausdauer-Leistungssport X ? ?
sehr bewegungsarmer Lebensstil X ? ?
Alkohol X X X
21
1.1.4 Pathophysiologische Mechanismen
Ein gesundes Herz schlägt mit Sinusrhythmus etwa 60-100mal in der Minute. Dabei
kommt der elektrische Impuls vom Sinusknoten, welcher zunächst die beiden Vorhöfe
zeitgleich erregt und eine Kontraktion derselben auslöst. Der Impuls leitet sich zum AV-
Knoten weiter und bringt in weiterer Folge die beiden Ventrikel zum Kontrahieren.
Beim Vorhofflimmern kommt es aber zu ungerichteten elektrischen Erregungen in den
Vorhöfen, deren Folge schnelle und unkoordinierte atriale Kontraktionen sind.
Für die Entstehung von VHF benötigt es ein Substrat, das sich in Form eines anatomisch
oder funktionell veränderten Atriums darstellt, und einen Trigger, welcher der
Rhythmusstörung, auf Boden des vulnerablen Substrats den nötigen Anstoß gibt.
Substrat und Trigger lösen einen elektrischen Reentry-Mechanismus aus, der zum
Vorhofflimmern führt.
Aber das VHF selbst bewirkt ebenso elektrophysiologische und strukturelle
Umbauprozesse im Atrium aus, das dem Flimmern als neues Substrat dient. Auf diese
Weise führt paroxysmales Vorhofflimmern mit der Zeit zu permanentem Vorhofflimmern.
Verschiedene Faktoren, wie Trigger, Substrat, modulierende Faktoren und
Vorhofflimmern selbst, beeinflussen sich gegenseitig und führen so zur Aufrechterhaltung
der Arrhythmie (Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.). Modulierende
Faktoren sind z.B. Inflammation, neurohormonale Störungen, genetische Defekte und vor
allem kardiovaskuläre Erkrankungen wie Art. Hypertonus, Herzinsuffizienz, angeborene
Vitien, Klappenfehler, Myokardinfarkt und Diabetes37
.
Abbildung 1.2 Pathophysiologische Progression von VHF (nach Wyse et al.38
)
APB Atrial Premature Beat
22
1.1.4.1 Auslöser von Vorhofflimmern
Paroxysmales Vorhofflimmern braucht initial einen Auslöser um zu entstehen, bei Wegfall
dieser Triggerung endet auch die Rhythmusstörung nach einiger Zeit wieder von selbst.
Persistierendes VHF erhält sich wahrscheinlich unabhängig von derartigen Triggern39
.
Vor mehr als fünfzig Jahren beschrieben Moe et al.40
eine Theorie zur Pathophysiologie
von VHF, die von funktionellen Mikro-Reentry-Kreisläufen ausgeht. Dieser Multiple-
Wavelet–Theorie zufolge, breiten sich mehrere zirkulierende Wellenfronten zeitgleich und
scheinbar unabhängig voneinander über den Vorhof aus (Abbildung 1.3 (B)). Gering
unterschiedliche Refraktärzeiten und Leitungsgeschwindigkeiten führen dazu, dass
einzelne Myokardareale refraktär sind und in dieser Zeit nicht erregt werden können. Der
elektrische Impuls kreist aber um diese refraktäre Stellen und es entstehen zahlreiche, sich
ständig ändernde Erregungswellen. Durch die vielen kreisenden Erregungen kommt es
noch vor dem Eintreffen des Sinusknotenimpulses zu einer Aktivierung des Myozyten.
Eine Erregungsfront kann aber auch nur dann kreisen, wenn sie immer wieder auf
erregbares, nicht refraktäres Gewebe in der Nachbarschaft trifft. Wir wissen heute, dass es
mindestens 4-6 Reentry Kreise (RK) zur selben Zeit benötigt, damit sich die kreisenden
Erregungen selbst erhalten können. Bei weniger RK trifft die Erregung mit hoher
Wahrscheinlichkeit nur auf refraktäres Myokard und kommt dadurch zum Stillstand. Je
mehr Flimmerwellen gleichzeitig kreisen, desto elektrisch stabiler ist die
Rhythmusstörung39
.
Diesem Model zufolge, ist die Anzahl der RK zu jedem Zeitpunkt von der atrialen
Leitungsgeschwindigkeit, der Refraktärzeiten und der Vorhofmasse abhängig. Eine
langsame Leitungsgeschwindigkeit, kurze Refraktärperioden und ein dilatiertes Atrium
begünstigen also die Aufrechterhaltung der VHFA41
.
In den 90er Jahren beobachteten Haissaguerre42
und seine Kollegen, dass Vorhofflimmern
häufig von ektopen Erregungszentren, außerhalb des physiologischen
Schrittmacherzentrums seinen Ausgang nahm (Abbildung 1.3 (C)). Deshalb untersuchte er
die Ursprungsorte für das Flimmern bei 45 Patienten mit symptomatischem, paroxysmalem
VHF, bei denen die medikamentöse Therapie keine Wirkung zeigte. 94% der ektopen Foci
waren in den Pulmonalvenen lokalisiert. Haissaguerre und sein Team isolierten diese Foci
mittels Pulmonalvenenkatheterablation und konnten in diesen Fällen das VHF behandeln42
.
23
Neben den Pulmonalvenen können sich weitere Erregungszentren in der Vena cava
superior, der Vena obliqua atrii sinistri (Marshallvene), der linken hinteren Atriumwand,
der Crista terminalis und dem Sinus coronarius finden.
Histologische Untersuchungen dieser Areale konnten zeigen, dass sich dort ektopes
myokardiales Gewebe befindet, welches arrhythmogenes Potential besitzt und über früh
einfallende Extrasystolen Vorhofflimmern induzieren kann. Es ist heute bekannt, dass
myokardiale Muskelfasern vom linken Atrium bis zu 3cm in die Pulmonalvenen
ausstrahlen2,41
.
Abbildung 1.3 Struktur und Triggermechanismen bei VHF (nach Calkins et al.
41)
(A) Schematische Darstellung des linken und rechten Vorhofs von posterior. Gelb dargestellt sind die vier
linksatrialen autonomen Ganglionplexi und Axone (superior sin., inferior sin., anterior dex., inferior dex.).
Der Sinus coronarius und die Marshalvene und Ligament sind in blau dargestellt. (B) Kleine und große
Reentry-Kreiserregungen. (C) Häufige Stellen für Pulmonalvenentrigger (rote Sterne) und häufige
Lokalisationen für nicht-Pulmonalvenentrigger (grüne Kreuze). (D) Zusammensetzung der arrhythmischen
Mechanismen bei VHF.SVC Superior Vena Cava, IVC Inferior Vena Cava, LSPV Left Superior Pulmonal
Vene, RSPV Right Superior Pulmonal Vene, LIPV Left Inferior Pulmonal Vene, RIPV Right Inferior
Pulmonal Vene.
24
1.1.4.2 Atriales Remodelling
Die Erfolgschancen eine VHFA, mittels elektrischer oder pharmakologischer
Kardioversion zu beenden sind höher, wenn die Arrhythmie erst seit kurzer Zeit besteht. Je
länger die VHFA anhält, desto schwieriger wird es, in einen Sinusrhythmus zu kommen.
Aus dieser Beobachtung heraus, kam die Überlegung, dass sich der Vorhof im Zuge des
Flimmerns verändert bzw. anpasst.
Die Veränderungen im Vorhofmyokard beginnen bereits kurz nach dem Einsetzen der
Rhythmusstörung und stellen eine Art von Regulationsmechanismus dar, um die Zell-
Homöostase aufrecht zu erhalten39
.
Die vielen, ineinandergreifenden Faktoren, die zur Entstehung und Aufrechterhaltung der
Arrhythmie beitragen, werden in der Abbildung 1.4 als schematische Übersicht dargestellt.
Abbildung 1.4 Übersicht der VHF-Mechanismen (nach Schotten et al.43
)
AF Atrial Fibrillation, ERP Effective Refraktory Period, WL Wave Lenght
25
Elektrische Anpassung:2,13,39
Innerhalb der ersten Minuten nach Beginn der Arrhythmie kommt es bereits zu einem
elektrischen Remodelling im Myokard. Schnelle atriale Erregungen bewirken über
Kalziumkanäle einen Kalziumioneneinstrom in die Zellen, was zu einer intrazellulären
Kalziumüberladung und schließlich zum Zelluntergang führen würde. Die Zelle schützt
sich vor weiterem Kalziumeinstrom, indem sie als ersten Schritt die Kalziumkanäle
inaktiviert. Dies geschieht über eine erhöhte Aktivität von Proteinphosphatasen, die den
Phosphorylierungsgrad der Kanalproteine verringern. Nach Stunden bis Tagen vollzieht
sich der nächste Schritt. Die Zelle verringert die Expression von mRNA und Proteinen, die
für die Kalziumeinfuhr verantwortlich sind.
Der verminderte Kalziumeinstrom in die atrialen Myokardzellen bewirkt eine Verkürzung
der Aktionspotenzialdauer und der Refraktärzeit im Vorhofgewebe. Die Wellenlängen der
Erregungen werden kürzer und es steigt das Risiko, dass eine Muskelzelle in einer
vulnerablen Phase von einem Impuls getroffen und eine kreisende Erregung ausgelöst
wird.
Kontraktile Anpassung:
Sowohl der Rückgang des Kalziumeinstroms bewirkt eine Abnahme der Kontraktionskraft
im atrialen Gewebe, als auch die Dedifferenzierung der Myozyten mit konsekutivem
Verlust der kontraktilen Filamente. Durch verminderte Kontraktion, steigt der intraatriale
Druck und die Vorhofmuskulatur wird immer mehr gedehnt, was schließlich zur Dilation
des Atriums führt.
Strukturelle Anpassung:
Die Vergrößerung des Vorhofes ist eine sehr wesentliche Veränderung, da sie einerseits
mehr Fläche für die Reentry Kreiserregungen bietet und andererseits mit einer systolischen
und diastolischen Dysfunktion des Atriums vergesellschaftet ist. Die stetige Dehnung des
Vorhofgewebes forciert strukturelle Umbauprozesse, wie Hypertrophie der Myozyten,
beschleunigter Zelltod und als Endstadium die Fibrose37
. Durch die Fibrose von
Vorhofgewebe entstehen Leitungsstörungen mit dem erhöhten Risiko für Reentry-
Kreiserregungen.
26
Viele Risikofaktoren für VHF greifen in diesen pathophysiologischen Kreislauf ein.
Herzinsuffizienz verursacht eine Dilatation des Atriums und in weiterer Folge eine
Fibrosierung des Gewebes. Klappenvitien wirken sich auf die atriale Dilatation aus.
Hypertonus trägt zur Hypertrophie und Dilatation des Atriums bei. Rheumatische
Herzerkrankungen und Myokarditiden verändern einerseits direkt die
Leitungseigenschaften im Vorhof über entzündliche Prozesse und andererseits lösen sie
dadurch profibrotische Prozesse aus.
27
1.2 Klinische Manifestation
Patienten mit Vorhofflimmern berichten häufig über Palpitation, eingeschränkte
Leistungsfähigkeit, Belastungsdyspnoe, Schwindel, Brustschmerzen und sogar Synkopen.
Daten aus Kanada zufolge, treten Palpitationen mit Abstand am häufigsten auf, 50% der
symptomatischen VHF Patienten leiden darunter44
.
Die Symptome werden mit Hilfe der EHRA Klassifikation eingeteilt.
Tabelle 1.2 EHRA-Klassifikation (modifiziert nach Kirchhof et al.45
)
EHRA I Keine Beschwerden
EHRA II Milde Beschwerden Die normale tägliche Aktivität ist nicht
eingeschränkt
EHRA III Schwere Beschwerden Die normale tägliche Aktivität ist eingeschränkt
EHRA IV Stark behindernde
Beschwerden
Die normale tägliche Aktivität ist nicht mehr
möglich
Die Symptomvariabilität bei Vorhofflimmern ist überaus groß. Manche Patienten leiden
sehr unter der Rhythmusstörung, andere wiederum bemerken sie gar nicht.
Die Beschwerden, die wahrgenommen werden sind hauptsächlich durch die unregelmäßige
Herzaktion, den häufigen Wechsel von Sinusrhythmus zu Vorhofflimmern und den Abfall
des Herzzeitvolumens bedingt.
Mindestens ein Drittel der Patienten mit Vorhofflimmern nimmt überhaupt keine
Symptome war. Dieses asymptomatische Vorhofflimmern, oder „silent AF“ wird oft erst
bei Routineuntersuchungen oder nach Implantation von Herzschrittmachern oder
Defibrillatoren diagnostiziert. Unglücklicherweise scheint das Risiko für Komplikationen
bei symptomatischen und asymptomatischen VHF das gleiche zu sein46
.
Irina Savelieva und John Camm schreiben in einer Arbeit über silent-AF, dass 25-30% der
Schlaganfallpatienten, laut epidemiologischen Aufzeichnungen, asymptomatisches
Vorhofflimmern haben46
. Auch die Entwicklung einer Herzinsuffizienz wird oft erst spät
bemerkt.
28
1.2.1 Brady- und Tachyarrhythmien
Unter Vorhofflimmern leitet der Vorhof unregelmäßig etwa 400-600 Impulse pro Minute
an den AV-Knoten weiter. Dieser übernimmt eine Filterfunktion und schützt die Ventrikel
in der Regel vor einer Frequenz von über 200 pro Minute. Der AV-Knoten hat im
Vergleich eine sehr langsame Leitungsgeschwindigkeit und ist eine gewisse Zeit refraktär,
wodurch er nur eine begrenzte Frequenz überleiten kann15
. Trotzdem bedeutet eine
unregelmäßige Pulsfrequenz über 100 Schläge pro Minute eine Tachyarrhythmie, welche
sich durch ein Pulsdefizit und eine herabgesetzte Herzleistungsfähigkeit zeigen kann.
Meist tritt eine Bradyarrhythmie unter der Behandlung von VHF mit negativ dromotropen
Medikamenten, wie Verapamil oder Diltiazem und negativ chronotropen Medikamenten,
wie Betablocker oder Digitalis auf. Hierbei ist besonders darauf zu achten, dass nicht
gleichzeitig ein Präexzitationssyndrom vorliegt, was unter der genannten Therapie zu
lebensbedrohlichen Ventrikelfrequenzen über akzessorische Leitungsbahnen führen
kann15
.
1.2.2 Abnahme der Herzleistung15
Vorhofflimmern verschlechtert die hämodynamischen Eigenschaften des Herzens.
Unkoordinierte Vorhofkontraktionen senken die kardiale Auswurfleistung um 5-15%. Ein
gesundes Herz ist in der Lage dies gut zu kompensieren und die Leistungsfähigkeit bleibt
erhalten. Bei Patienten mit bestehender kardialer Hypertrophie oder Insuffizienz ist die
fehlende AV-Synchronisation deutlicher spürbar, da die Vorhofkontraktion dort stärker zur
Ventrikelfüllung beitragen muss. Zusätzlich begrenzen hohe Ventrikelfrequenzen durch
kurze Diastolendauer eine angemessene Füllung der Ventrikel sowie der Koronargefäße.
Schnelle Kammerfrequenzen können aber auch über längere Zeit hinweg eine
Tachymypathie, also eine Herzinsuffizienz in Folge von Tachykardie, verursachen.
Aufgrund dieser Faktoren ist es durchaus möglich, dass ein bereits insuffizientes Herz
durch das Auftreten einer VHFA akut dekompensiert. Die Rolle der Herzinsuffizienz als
Folge, aber auch als Substrat des Vorhofflimmerns, wurde bereits in den Kapiteln
Risikofaktoren und Pathophysiologische Mechanismen diskutiert.
29
1.2.3 Thrombembolien
Vorhofflimmern ist der wichtigste Risikofaktor für das Auftreten zerebraler Insulte, dabei
ist etwa jeder vierte bis fünfte Schlaganfall durch VHF verursacht45,47
. In selteneren Fällen
können kardiogene Thromben auch Mesenterialinfarkte, Niereninfarkte oder sogar
Herzinfarkte auslösen, hauptsächlich werden sie aber in zerebrale Gefäße geschwemmt.
Die Insulte bei Patienten mit VHF zeigen meist einen schwereren Verlauf und sind mit
einer ungünstigeren Prognose verbunden, als bei Patienten mit Sinusrhythmus14
. Das
Risiko von thrombembolischen Komplikationen steigt mit dem Alter. Es liegt bei Patienten
mit primärem Vorhofflimmern unter 65 Jahren etwa bei 1% und über 65 Jahren bei 3-
4%48
.
Darüber hinaus ist das Risiko für Frauen höher als für Männer. Risikosteigernde
Komorbiditäten sind Herzinsuffizienz, art.Hypertonie, Diabetes, Insult in der Anamnese
oder arterielle Verschlusskrankheit. Diese Faktoren werden mit dem CHA2DS2VASc Score
erfasst, der eine Risikobemessung für Insulte bei VHF darstellt.
1.2.3.1 Mechanismen zur Thrombenentstehung49
Anatomische Ursachen
Das linke Herzohr ist der häufigste Entstehungsort für intraatriale Thromben bei Patienten
mit aber auch ohne Vorhofflimmern. Diese schmale, blind endende Ausstülpung des linken
Vorhofes scheint durch die Möglichkeit der Blutstase, prädestiniert für die Genese von
Blutgerinnsel zu sein. Andererseits bilden sich im rechten Herzohr, das eine ähnliche
Morphologie aufweist, weit weniger pulmonalembolien-verursachende Thromben. Es ist
weitgehend bekannt, dass eine Dilatation des linken Atriums und des linken Herzohres, in
Folge von VHF, mit einem höheren Thrombembolierisiko einhergeht.
Histologische Untersuchungen von atrialem Gewebe zeigten, dass Vorhofflimmern
endokardiale Veränderungen in den Herzohren auslöst. Diese Schäden betrafen das linke
Herzohr stets mehr als das rechte. Das Gewebe war fibrinös-ödematös-verändert, mit
Endothelabtragungen und thrombotisch-aufgelagertem Material.
30
Für diese Veränderungen ist wahrscheinlich die extrazelluläre Matrix verantwortlich, die
bei VHF unterbrochen sein kann und nicht nur Reizleitungsstörungen, sondern auch
Fibrose und Thrombogenese initiieren kann.
Veränderungen des Blutflusses
Das Vorhofflimmern führt zu einem Ausfall der Pumpfunktion der Vorhöfe. Die atriale
Muskulatur zittert zwar, sie ist aber funktionell stillstehend. Daraus resultiert eine
verringerte Fließgeschwindigkeit des Blutes, mit gleichzeitig erhöhtem Risiko für
Thrombogenese. Eine oft begleitende Dilatation des Atriums steigert dieses Risiko noch
weiter.
Die Blutstase im linken Atrium und Herzohr kann bei einer transösophagealen
Echokardiographie mittels spontanem Echokontrast (SEC) sichtbar gemacht werden.
Der Zusammenhang zwischen dem Phänomen des spontanen Echokontrastes und einem
hohen Risiko für kardiogene Embolien bei Vorhofflimmern ist belegt. Eine Studie von
Leung et al. 50
fand eine hohe Korrelationsrate zwischen Thrombembolierisiko und SEC.
Spontaner Echokontrast oder auch „Smoke“ genannt, ist ein im Ultraschall zu
beobachtendes Phänomen, das durch die Interaktion von Fibrinogen und Erythrozyten
zustande kommt. SEC ist abhängig von der Fließgeschwindigkeit und ist daher häufiger
bei Patienten mit verändertem Blutfluss sichtbar.
Veränderungen der Blutzusammensetzung
Hauptverantwortlich für die Entstehung von Thromben sind sicherlich die Thrombozyten
und die Proteine der Gerinnungskaskade. Es gibt Hinweise darauf, dass es bei VHF zu
Veränderungen dieser Blutbestandteile kommen kann und dass auch inflammatorische
Zytokine, Wachstumsfaktoren und das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System bei der
Thrombogenese mitbeteiligt sind.
Untersuchungen wiesen bei Patienten mit permanenten VHF erhöhte Fibrinwerte nach.
Generell sind prothrombotische Substanzen bei Schlaganfallpatienten mit Vorhofflimmern
mehr erhöht als in Sinusrhythmus.
Der von Willebrand Faktor ist ein Marker für Endothelschäden und Endotheldysfunktion.
In einer epidemiologischen Studie konnte ein Zusammenhang zwischen vWF im Plasma
und Vorhofflimmern gezeigt werden51
. Darüber hinaus gibt es Daten, die der
Konzentration von vWF im Blut eine gute Vorhersagekraft für Insulte und vaskuläre
31
Ereignisse bescheinigen. Da aber die Konzentration auch durch viele andere Erkrankungen
erhöht sein kann, ist der vWF kein sehr spezifischer Marker.
Die Blutplättchen, ohne die es keine Blutgerinnung geben würde, können Studien zufolge
unter Vorhofflimmern verändert sein. Auf jeden Fall bewirkt VHF eine gesteigerte
Aktivierung und Gerinnungsfähigkeit der Thrombozyten. Es ist aber leider weitgehend
unklar, ob und wie sich diese Veränderungen auf das thromboembolische Risiko
auswirken.
In der Pathophysiologie der VHFA haben inflammatorische Prozesse Einfluss auf die
Entwicklung von Fibrose und Reizleitungsstörungen in den Atria. Neueren Studien
zufolge, haben sie aber auch das Potential, direkt an der Thrombenentstehung mitzuwirken.
Die Entzündungsmarker CRP und Interleukin 6 stimulieren die Produktion von Tissue
Faktor. Außerdem steigert Interleukin 6 die Plättchenproduktion, die Sensitivität zu
Thrombin und die Transkription von Fibrinogen und ist an der Aktivierung sowie der
Schädigung von Endothel beteiligt. Eine Studie von Conway et al. 52
zeigte einen
Zusammenhang zwischen erhöhtem Schlaganfallrisiko und Interleukin 6 bei Patienten mit
permanentem VHF.
Die Konzentrationen von Wachstumsfaktoren, wie der Vascular Endothelial Growth Factor
(VEGF) sind während eines Vorhofflimmerns verändert. VEGF wird von aktivierten
Thrombozyten freigesetzt und stimuliert die Expression von Tissue Factor. Die
Konzentration von VEGF ist erst bei länger andauernden, also bei persistierenden und
permanenten VHF wesentlich erhöht und trägt über die gleichzeitige Expression von
Tissue Factor zur Thrombophilie bei.
Angiotensin II besitzt mehrere proinflammatorische Eigenschaften und steigert auch die
Produktion von proinflammatorischen Zytokinen. Daher kann man davon ausgehen, dass
Angiotensin II und im weiteren Sinne das RAAS, über verschiedene Wege für
entzündliche Vorgänge und verminderte Fibrinolyse bei Vorhofflimmern verantwortlich
ist.
32
1.3 Therapie
Die Therapie der VHFA muss zwei grundlegende Ansätze bedienen. Als erstes muss das
Risiko einer Thrombenbildung mittels konsequenter Antikoagulation gemindert werden.
Der zweite Therapieansatz soll Symptome behandeln und das weitere Fortschreiten in
permanentes VHF verhindern. Diese antiarrhythmische Therapie zielt auf eine
Verlangsamung der Ventrikelfrequenz (Frequenzkontrolle) oder die Wiederherstellung und
den Erhalt des Sinusrhythmus (Rhythmuskontrolle) ab.
Gleichzeitig gibt es die Möglichkeit der Upstream Therapie, die dem myokardialen
Remodelling über die Behandlung von Begleiterkrankungen wie Hypertonie,
Herzinsuffizienz und Entzündungsprozessen entgegenwirken soll. Hierbei spielen ACE-
Hemmer, Angiotensinrezeptor-Blocker, Aldosteronantagonisten, Statine und Omega 3
Fettsäuren eine wesentliche Rolle15
.
Bevor aber die genannten Therapieschritte gegangen werden, sollte nach möglichen
Ursachen für das VHF gesucht werden. In manchen Fällen lässt sich als Grundproblematik
für die Arrhythmie z.B. eine Schildrüsenerkrankung oder exzessiver Alkoholgenuss in der
Anamnese finden. In manchen Fällen verschwindet nach Beseitigung des Auslösers, auch
die Rhythmusstörung.
1.3.1 Antiarrhythmische Therapie15
Grundsätzlich muss die Entscheidung der Therapiestrategie bei jedem Patienten individuell
getroffen werden. Die Wahrscheinlichkeit, einen Sinusrhythmus über längere Zeit
herstellen zu können, die Symptomatik des Patienten und die Nebenwirkungen bzw.
Kontraindikationen der therapeutischen Möglichkeiten sind wichtige Punkte, die bei dieser
Entscheidung beachtet werden müssen.
Akuttherapie:
Als Akuttherapie von Vorhofflimmern bei hämodynamisch stabilen Patienten wird in
erster Linie eine Regulierung der Ventrikelfrequenz mit Betablockern oder
Kalziumantagonisten vom Verapamil- oder Diltiazem-Typ angestrebt. Gerade neu
aufgetretenes VHF zeigt eine hohe spontane Konversionsrate innerhalb der ersten 24
33
Stunden, dabei können mit Senkung der Kammerfrequenz die meisten Symptome
therapiert werden.
Bleibt die Symptomatik unter der Frequenzkontrolle bestehen oder wird initial eine
Rhythmuskontrolle verfolgt, besteht die Möglichkeit der pharmakologischen
Kardioversion. Flecainid, Propafenon und Ibutilide sind Arrhythmika mit relativ schnellem
Wirkungseintritt, während Amiodaron erst nach Stunden wirkt. Flecainid und Propafenon
sollten aber nicht bei strukturellen Herzerkrankungen gegeben werden. Ibutilide kann als
Nebenwirkung eine gefährliche Torsade-de-pointes-Tachykardie haben. Vernakalant ist
eine relativ neue Substanz auf dem österreichischen Markt, die ein gutes Wirkpotential zur
Kardioversion bei „Recent-Onset AF“ haben soll. Vernakalant wirkt verzögernd auf die
Überleitungsgeschwindigkeit und verlängert die Refraktärzeit im Vorhof53
.
Liegt eine hämodynamisch instabile Situation vor, sollte nach den ESC Richtlinien, primär
eine elektrische Kardioversion angestrebt werden. Die Gleichstrom-Kardioversion muss in
Kurznarkose und unter EKG Kontrolle durchgeführt werden. Aufgrund des
thrombembolischen Risikos, darf das VHF nicht länger als 48 Stunden bestehend sein oder
es muss eine dokumentierte Antikoagulation über 3 Wochen vorliegen. Um etwaige
Thromben im Vorhof auszuschließen, kann eine TEE der Kardioversion vorausgehen.
Frequenzkontrolle:
Eine längerfristige Frequenzkontrolle wird häufig bei Patienten mit permanentem VHF
oder bei oft älteren, oligosymptomatischen Patienten mit paroxysmalem bzw.
persistierendem VHF als sinnvoll erachtet. Die Strategie verfolgt in erster Linie eine
Milderung der Symptome, den Schutz vor einer Tachmyopathie und eine Verbesserung der
hämodynamischen Situation, durch längere Ventrikelfüllungszeiten. Das Vorhofflimmern
an sich, bleibt aber erhalten. Der Mechanismus hinter der medikamentösen
Frequenzkontrolle funktioniert über Substanzen, welche Einfluss auf die Refraktärzeit
bzw. die Leitungskapazität im AV-Knoten oder auf das Vegetativum haben und dadurch
die Kammerfrequenz senken können.
Häufig verwendete Medikamente stellen hierbei Betablocker, Kalziumantagonisten vom
Verapamil- bzw. Diltiazemtyp und Digitalis-Präparate dar.
Die Entscheidung über die Verwendung der einzelnen Medikamente hängt vom Lebensstil
des Patienten und seinen kardialen Begleiterkrankungen ab. Verapamil und Diltiazem
sollten aufgrund ihrer negativ inotropen Eigenschaften nicht bei herzinsuffizienten
Patienten zur Verwendung kommen. Der Multikanalblocker Dronedaron senkt auch
34
effektiv die Ventrikelfrequenz während Belastung und Ruhe. Amiodaron besitzt ebenfalls
gute frequenzsenkende Eigenschaften. Es sollte aber aufgrund eines schlechteren
Nebenwirkungsprofils, nur bei Versagen der anderen frequenzkontrollierenden Substanzen
eingesetzt werden.
AV-Knoten-Ablation
Eine effektive, nicht pharmakologische Option um eine gute Frequenzkontrolle unter VHF
zu erreichen, stellt die AV-Knoten-Ablation mit konsekutiver Device-Implantation dar. Bei
diesem Herzkatheter-Eingriff wird der AV-Knoten oder das His-Bündel selektiv durch
Hochfrequenzstromanwendung zerstört und eine geordnete Erregung mittels eines
geeigneten Herzschrittmachers wiederhergestellt. Die AV-Knoten Ablation ist jedoch
irreversibel und ist nur für Patienten indiziert, bei denen andere Therapiemöglichkeiten
keine befriedigende Ergebnisse brachten.
Rhythmuskontrolle
Bei Patienten mit VHFA kann eine Wiederherstellung und Erhaltung des Sinusrhythmus
einerseits die Symptome der Rhythmusstörung reduzieren und andererseits die atrialen
Umbauprozesse stoppen und teilweise rückgängig machen. Unglücklicherweise stellt sich
die Rhythmuskontrolle bisweilen oft als schwierig dar. Die Fähigkeiten der
antiarrhythmischen Medikamente einen Sinusrhythmus über längere Zeit zu erhalten sind
bescheiden. Darüber hinaus haben viele dieser Medikamente ein breites
Nebenwirkungsspektrum und wirken proarrhythmisch. Die Therapie vermindert zwar die
Rezidiv-Häufigkeit von VHF, sie kann VHF-Episoden aber nicht gänzlich verhindern. Aus
diesem Grund ist auch bei sinusrhythmus-erhaltender Therapie, eine begleitende
Antikoagulation unbedingt notwendig.
Vielfach sind durch das Auftreten von VHF-Rezidiven, wiederholte Kardioversionen
nötig. Das zunehmende atriale Remodelling mit der VHF-Dauer, erschwert die
erfolgreiche Wiederherstellung des Sinusrhythmus.
Eine Rhythmuskontrolle wird v.a. bei paroxysmalen und persistenten VHF verfolgt. Nach
Kardioversion kommen in erster Linie Antiarrhythmika der Klasse Ic und Klasse III nach
Vaughan Williams als Rezidivprophylaxe zum Einsatz. Häufig verwendete Substanzen
sind Amiodaron, Dronedaron, Sotalol, Flecainid oder Propafenon.
35
Das effektivste Medikament zur Sinusrhythmusstabilisierung ist das Amiodaron, das eine
gute Therapieoption für Patienten mit regelmäßigen, symptomatischen VHF Episoden
darstellt.
Dronedaron ist weniger wirksam als Amiodaron, dafür bietet es ein günstigeres
Nebenwirkungsprofil. Nach der ANDROMEDA-Studie54
ist erhöhte Vorsicht bei der
Anwendung von Dronedaron bei Herzinsuffizienten Patienten geboten. Es zeigte sich eine
erhöhte Mortalität unter Dronedaron bei Patienten mit symptomatischer HI (NYHA II-IV)
und LV-Dysfunktion. Propafenon und Flecainid haben ebenfalls eine gute Wirksamkeit bei
der Erhaltung des Sinusrhythmus, sollten jedoch nicht für Patienten mit KHK oder
reduzierter Linksventrikelfunktion verordnet werden.
Katheterablation
Häufig wird die Prozedur der Katheterablation bei Patienten mit symptomatischen,
paroxysmalen VHF angewendet, die sich gegenüber einer antiarrhythmische Therapie
refraktär oder intolerant gezeigt haben. Zudem sollten sie kaum Anzeichen für eine
strukturelle Herzkrankheit aufweisen. Bei manchen Patienten sind wiederholte Ablationen
nötig, um die gewünschte Rhythmuskontrolle zu erreichten. Die Katheterablation ist ein
komplexes und zeitlich aufwändiges Verfahren, bei dem fokale ektope Erregerzentren,
meist nahe den Pulmonalvenen oder die Pulmonalvenenöffnungen selbst, zirkumferent
elektrisch isoliert werden. Viele Studien und Meta-Analysen zu diesem Thema beschreiben
eine deutlich bessere Rhythmuskontrolle nach Katheterablation, im Vergleich zu
medikamentöser Therapie in einem ausgewählten Patientenkollektiv.
1.3.2 Frequenz- oder Rhythmuskontrolle2,15
Die Wahl, welche Therapiestrategie verfolgt wird, ob frequenzkontrollierend oder
rhythmuskontrollierend ist für jeden Patienten individuell zu entscheiden (Abbildung 1.5).
Grundsätzlich sollte jeder Patient mit VHF eine antikoagulative- und eine
frequenzkontrollierende- Therapie erhalten. Das ideale Langzeitziel in der VHF Therapie
ist natürlich die Wiederherstellung eines dauerhaften Sinusrhythmus. Verschiedene
Faktoren haben Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, den Sinusrhythmus erhalten zu
können. Das Alter des Patienten, die Dauer des bestehenden Vorhofflimmerns, die Anzahl
und Länge der VHF-Episoden, oder die kardialen Begleiterkrankungen sind nur einige
dieser einflussnehmenden Faktoren.
36
Während der letzten zehn Jahre gab es mehrere Untersuchungen, die das Outcome der
beiden Therapiestrategien verglichen und keine überlegene Strategie finden konnten. Die
AFFIRM-Studie55
konnte keine Unterschiede in der Gesamtmortalität oder der
Schlaganfallrate zwischen den Strategien feststellen. Ebenfalls im Jahr 2002 wurden die
kardiovaskuläre Mortalität und Morbidität bei Frequenz- und Rhythmuskontrolle in der
RACE-Studie56
untersucht. Auch hier war die Rhythmuskontrolle der Frequenzkontrolle
nicht überlegen. In der AF-CHF Studie57
konnte kein Unterschied bei der kardiovaskulären
Mortalität bei Patienten mit Herzinsuffizienz zwischen den beiden Therapiestrategien
beobachtet werden. Zu vergleichbaren Ergebnisse kamen auch die STAF- und HOT
CAFÉ-Studie58,59
.
Abhängig von den Symptomen, sollte bei älteren Patienten mit persistierendem VHF und
Herzerkrankungen in erster Linie eher eine Frequenzkontrolle angestrebt werden. Jüngere
Patienten mit paroxysmalem VHF oder „lone AF“ haben eine höhere Chance auf
Sinusrhythmuswiederherstellung und dementsprechend kann eine Rhythmuskontrolle
sinnvoll sein.
Abbildung 1.5 Frequenz- oder rhythmuskontrollierte Therapiestrategie (nach Camm et al.15
)
37
1.4 Thromboembolie-Prophylaxe
Vorhofflimmern erhöht das Risiko für Insulte um das 5 fache, wodurch die Prophylaxe von
Thrombembolien einen essentiellen Teil der Therapie von VHF darstellt.
Statistisch betrachtet verhindert eine Antikoagulation bei 2 von 3 Patienten einen
Schlaganfall und eine Thrombozytenfunktionshemmung vermindert das Schlaganfallrisiko
um ein Fünftel60
.
Mehrere große randomisierte Studien konnten die Wirksamkeit von Vitamin K
Antagonisten (VKA) zur primären und sekundären Prophylaxe von Thrombembolien bei
nicht-klappenassoziiertem-Vorhofflimmern (NVAF) nachweisen. Die relative
Risikoreduktion von Insulten unter Cumarintherapie war hochsignifikant mit 64%,
gegenüber der Kontrollgruppe. Thrombembolische Komplikationen treten hauptsächlich
bei Patienten auf, wenn die Therapie pausiert oder die Antikoagulation im
subtherapeutischen Bereich liegt. Die Mortalität ist im Vergleich zur Kontrollgruppe
signifikant reduziert15
.
Neben der Cumarine wurden auch die Thrombozytenfunktionshemmer auf ihre
Wirksamkeit gegen Thrombembolien bei VHF untersucht. Aspirin reduzierte in einigen
Arbeiten die Inzidenz von Insult nicht signifikant gegenüber Placebo. In einer Meta-
Analyse zeigte sich jedoch eine Schlaganfallreduktion von 22% (95% CI 6-35) gegenüber
den Kontrollgruppen. Die SPAF-I Studie zeigte unter Aspirin Therapie, eine
Schlaganfallrisikoreduktion von 42% gegenüber Placebo. Diese Arbeit trug wesentlich zu
den Ergebniswerten der Meta-Analyse bei, wurde aber frühzeitig aufgrund von
Ungereimtheiten durch mögliche Bias beendet. Bereits eine Dosis von 75mg Aspirin reicht
aus, um eine fast vollständige Plättchenfunktionshemmung zu erzielen. Daraus lässt sich
folgern, dass eine niedrigdosierte Therapie (<100mg) die gleiche Wirksamkeit aber ein
niedrigeres Blutungsrisiko mit sich bringt, als eine hochdosierte Aspirin-Behandlung15
.
Ein direkter Vergleich der Wirksamkeiten von Cumarin und Aspirin zur
Thrombembolieprophylaxe zeigte eine signifikante Überlegenheit von Cumarinen mit
einer Risikoreduktion von 39%. Zu einem vergleichbaren Ergebnis gelangte auch die
BAFTA-Studie61
, die orale Antikoagulation mit einem Ziel-INR von 2-3, mit Aspirin
75mg verglich. Dabei erwies sich die orale Antikoagulation mit Warfarin als signifikant
38
wirksamer als Aspirin bei der Reduzierung der primären Endpunkte wie z.B. Insult und
gleichzeitig gab es keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen bezüglich des
Blutungsrisikos. In früheren Studien wurde unter Warfarin eine Verdoppelung des
zerebralen Blutungsrisikos im Vergleich zu Aspirin beobachtet, wobei die absolute
Risikosteigerung von 0.2% pro Jahr gering war15
.
Das individuelle Blutungsrisiko bei Patienten mit VHFA sollte vor dem Beginn einer
gerinnungshemmenden Therapie evaluiert werden. Ein einfaches Hilfsmittel hierfür ist der
HAS-BLED Score. HAS-BLED ist ein Akronym und steht für Hypertension, Abnormal
renal/liver function, Stroke, Bleeding history or predisposition, Labile INR, Elderly > 65a,
Drugs /alcohol. Das Risiko für intrazerebrale Blutungen unter oraler Antikoagulation liegt
etwa bei 0,1 bis 0,6%. Zwischen einem INR von 2-3 und niedrigeren INR- Werten besteht
kein erhöhtes Blutungsrisiko. Erst ab INR-Werten über 3,5 steigt das Risiko für zerebrale
Blutungskomplikationen15
. Der Großteil der VHF Patienten profitiert deutlich von einer
Antikoagulation und das Nutzen-Risiko-Verhältnis liegt meist auf der Nutzen Seite.
Studien konnten bereits zeigen, dass die orale Antikoagulation bei Patienten mit VHF und
Risiko für Schlaganfall noch zu wenig Verwendung findet62
.
Zwei neue Gruppen gerinnungshemmender Medikamente werden zukünftig auf dem Markt
zur Schlaganfallprophylaxe bei VHF verfügbar sein, mit denen große Hoffnungen
verbunden sind. Dies sind auf der einen Seite oral verfügbare direkte Thrombininhibitoren
und auf der anderen Seite oral verfügbare Faktor Xa Inhibitoren63
.
Das Schlaganfallrisiko ist nicht bei jedem VHF- Patienten gleich hoch, es wird durch das
Alter und durch Begleiterkrankungen beeinflusst. Diverse große Untersuchungen
identifizierten im Laufe der Zeit Risikofaktoren, die mit einer Erhöhung des
thrombembolischen (TE) Risikos unter VHF einhergehen. Daraus entstanden
verschiedenen Schemata, nach denen das Insultrisiko bemessen und eine antithrombotische
Therapieempfehlung abgeleitet werden kann.
Die aktuellen ESC Leitlinien für das Management von Vorhofflimmern15
empfehlen eine
antithrombotische Therapie auf Grundlage des CHA2DS2VASc- Risikoscores.
39
In einer Übersichtsarbeit der „Stroke in AF Working Group“ wurden potentielle
Risikofaktoren systematisch analysiert und es konnten 4 einheitliche, unabhängige
Risikofaktoren für Schlaganfall bei VHF-Patienten identifiziert werden (Schlaganfall in
der Vorgeschichte, höheres Alter, Art.Hypertonie und Diabetes)64
.
Früherer Insult oder TIA in der Krankengeschichte war der stärkste unabhängige
Risikofaktor in dieser Übersichtsarbeit, das Schlaganfallrisiko stieg um das 2,5 fache an
(95% Cl 1,8 bis 3,5). Das Patientenalter war ebenfalls ein unabhängiger Risikofaktor mit
einer Risikosteigerung um den Faktor 1,5 (95% Cl 1,3 bis 1,7). Sowohl erhöhter
systolischer Blutdruck, als auch Hypertonie in der Vorgeschichte waren mit einer
Risikosteigerung assoziiert. Diabetes Mellitus war ein unabhängiger Risikofaktor in vier
Studien, wobei in keiner Arbeit der Schweregrad, die Dauer oder die Therapie der
Zuckerkrankheit in Bezug auf Insult analysiert worden war. Die klinische Herzinsuffizienz,
die koronare Herzkrankheit und das weibliche Geschlecht waren in den untersuchten
Kohorten keine gleichbleibend signifikanten Risikofaktoren für Schlaganfall bei VHF-
Patienten.64
Eine andere Übersichtsarbeit zu diesem Thema von Hughes und Lip60
identifizierte Insult
bzw. TIA in der Vorgeschichte, Alter ≥ 75Jahre, strukturelle Herzkrankheit, Hypertonie
und Myokardinfarkt als unabhängige Risikofaktoren. Diabetes war diesmal nicht eindeutig
mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden. Zehn Studien prüften den Faktor
„weibliches Geschlecht“ als risikosteigernde Gegebenheit für TE Ereignisse, wobei die
Hälfte dieser Arbeiten einen signifikanten Zusammenhang feststellen konnte.
Echokardiographisch erfasste mittlere- bis schwere-linksventrikuläre Dysfunktion war
ebenfalls ein signifikanter Risikofaktor. Die Autoren vermuten, dass auch die pAVK eine
Rolle für das thrombembolische Risiko spielen dürfte. In dieser Arbeit konnten aber zu
wenig aussagekräftige Daten darüber gesammelt werden60
.
Die ATRIA Studie65
gibt Hinweise darauf, dass Proteinurie das Risiko für
Thrombembolien bei NVAF um 54% (RR 1,54; 95% Cl 1,29 - 1,85) steigert. Dies würde
bedeuten, dass chronische Niereninsuffizienz, unabhängig von anderen Risikofaktoren, mit
einer Erhöhung des Schlaganfallrisikos einhergehen könnte. Eine Studie aus Japan kam zu
einem vergleichbaren Ergebnis. Die Langzeitmortalität, kardiale Komplikationen und das
Schlaganfallrisiko waren um mehr als das 8 fache erhöht, wenn VHF-Patienten mit
CHADS2 ≥2 gleichzeitig eine verminderte glomeruläre Filtrationsrate (<60ml/min/1,73m2)
aufwiesen66
.
40
Während der letzten 20 Jahre wurden mehrere Schemata publiziert, nach denen das
Thrombembolie-Risiko bei NVAF bemessen werden kann (Tabelle 1.3). Obwohl sich die
verschiedenen Schemata inhaltlich zu einem großen Teil überschneiden, bestehen dennoch
einige Unterschiede, die zu uneinheitlichen Risikobewertungen führen.
Tabelle 1.3 Vergleich mehrerer Risikoschemata (modifiziert nach Hart et al.67
)
Studie Alter
[a]
HT DM Z.n.Insult
/TIA
weibl.
Geschl.
HI KHK Sys.RR LV-
Dysfunkt
AFI (1994)68
≥65 + + +
SPAF (1995) >75* + ++ ++* ++ >160 ++
EAFT (1995)69
# + >160
AFI (1998)70
>65 + + + +
SPAF (1999)71
>75*
* + + ++ ++** >160
CHADS2 (2001)72
≥75 + + ++ +
ACCP (2001)73
≥65
>75 ++ + ++ ++ + ++
Framingham Heart
Study (2003)74
+ ## + + + +
Van Walraven et al.
(2003)75
+ + + + +
ACCP (2004)76
≥65
>75 ++ ++ + ++ ++
Birmingham/NICE
(2006)77
≥65 + + ++ ++ + ++
ACC/AHA/ESC
(2006)78
≥75 + + ++ ~ + ~ +
Birmingham (2009)
CHA2DS2VASc79
≥65
>75 + + ++ + + + +
+ normaler Risikofaktor (RF), ++ starker RF
*Weiblich >75a ist ein starker RF aber männlich >75a und weiblich <75a nicht
**Weiblich >75a und männlich >75a mit Hypertonie sind starke RF
# Alle Patienten erlitten kürzlich Insult/TIA. Es gibt 3 zusätzliche RF außerhalb der Tabelle: Kadiomegalie
im Thoraxröntgen, ischämischer Insult im Schädel-CT und VHF seit länger als 1 Jahr.
## Alter wird in 11 Gruppen eingeteilt.
~ „weicher“ oder „weniger validierter“ RF
41
1.4.1 CHADS2 – Score
Der CHADS2 Score entstand aus den bestehenden „Artrial Fibrillation Investigators“-
(AFI) Schema und dem „Stroke Prevention in Atrial Fibrillation“-(SPAF) Schema zur
Risikobemessung von Thrombembolien bei NVAF und wurde zum ersten Mal 2001 von
Gage et al. beschrieben72
.
Der CHADS2 Score sollte ein leicht zu merkendes Hilfsmittel zur Risikostratifizierung
darstellen, das schnell und einfach in der Anwendung ist und gleichzeitig eine gute
prädiktive Genauigkeit aufweist15
.
Der CHADS2 Score ist ein Akronym für Cardiac failure, Hypertension, Age, Diabetes,
Stroke und basiert auf einem Punktesystem, bei dem die 2 am Ende für die doppelte
Punktzahl bei Z.n. Stroke steht (Tabelle 1.4). Treffen bei einem Patienten mehrere
Risikofaktoren zu, dann addieren sich die Punkte bis zu einem Maximalwert von 6. Das
jährliche Insultrisiko steigt demnach mit der Punktezahl des CHADS2 Scores an.
Hat ein Patient bereits einmal einen Insult oder eine transitorische ischämische Attacke
(TIA) erlitten, wird dies laut CHADS2 Score mit 2 Punkten bewertet, da das relative Risiko
für einen weiteren Insult, dem von 2 anderen Risikofaktoren entspricht72
.
Tabelle 1.4 CHADS2 Score
Risikofaktor Punkte
C Herzinsuffizienz 1
H arterielle Hypertonie 1
A Alter > 75 Jahre 1
D Diabetes mellitus 1
S Z.n. Schlaganfall / Transitorische Ischämische Attacke 2
Gage und Mitarbeiter kombinierten bei der Entwicklung des CHADS2 Scores die
unabhängigen Risikofaktoren des AFI- und des SPAF-Schemas.
Im Einzelnen waren das bei AFI: Alter > 65 Jahre, stattgehabter Insult, Hypertonie und
Diabetes72
.
Bei SPAF: Hypertonie, stattgehabter Insult, weiblich >75 Jahre, Herzinsuffizienz oder EF
≤ 25%, systolischer Blutdruck >160mmHg72
.
Die beiden Risikofaktoren weibliches Geschlecht und Alter über 65 Jahre waren damals in
den Klassifikationen vertreten, wurden aber nicht direkt in den CHADS2 Score
42
übernommen. Weibliches Geschlecht galt in den ACC/AHA/ESC Leitlinien von 2006 als
„weicher“ oder „weniger validierter“ Risikofaktor78
. Mit dem aktuellen Birmingham 2009
Schema und dem CHA2DS2VASc Score, werden diese Faktoren neu aufgegriffen und in
die Risikoklassifizierung etabliert.
Der antithrombotische Therapieplan sieht eine dauerhafte orale Antikoagulation bei einem
CHADS2 Score Wert von ≥ 2 vor, mit einem Ziel- INR Wert von 2-3. Bei einem Punkt,
muss individuell entschieden werden, ob eine Plättchenaggregationshemmung oder eine
Cumarin-Therapie verfolgt wird. Trifft kein Risikofaktor auf den Patienten zu, muss
grundsätzlich keine antithrombotische Therapie verordnet werden.
Wie bereits erwähnt wurde, ist das Schlaganfallrisiko unter den VHF-Patienten individuell
verschieden. Das Alter und die Begleiterkrankungen spielen dabei eine wesentliche Rolle.
Diverse Studien beschäftigten sich damit, die Zusammenhänge zwischen den klinischen,
echokardiographischen und demographischen Charakteristika der VHF- Patienten und
ihrem Thrombembolierisiko zu finden60,80,64
. Darunter befanden sich einige Arbeiten, die
begründeten Anlass gaben, weitere Faktoren in die Risikostratifizierung miteinzubeziehen.
In der Euro Heart Survey und der ATRIA Studie war z.B. das weibliche Geschlecht mit
einer Risikosteigerung für TE assoziiert79
. Der Einfluss von vaskulären Erkrankungen auf
das TE-Risiko bei VHF, im Speziellen der Myokardinfarkt, als Folge einer KHK, konnte
ebenfalls in systematischen Untersuchungen belegt werden79
. Das Schlaganfallrisiko steigt
mit zunehmendem Alter an, sowohl bei Patienten mit VHF, als auch in der
Normalbevölkerung. Ältere Patienten profitieren von einer oralen Antikoagulation in
Bezug auf das TE-Risiko. Diese Annahme wird dadurch bekräftigt, dass die Wirkung von
TAH auf das relative Schlaganfallrisiko mit zunehmendem Alter sinkt, die OAK aber ihre
präventive Wirkung beibehält79
.
43
1.4.2 CHA2DS2VASc – Score
In den aktuellen Leitlinien für das Management von Vorhofflimmern der europäischen
Gesellschaft für Kardiologie (ESC Guidelines 201015
) wird das Schlaganfallrisiko bei
NVAF über das neue Birmingham 2009 Schema mit dem Akronym CHA2DS2VASc
(Cardiac failure, Hypertension, Age ≥ 75a, Diabetes, Stroke, Vascular diasease, Age > 65a,
Sex category female) stratifiziert. Es handelt sich dabei gewissermaßen um eine
Erweiterung des CHADS2 Scores, welche 3 zusätzliche Faktoren in die Stratifizierung
miteinbezieht(Tabelle 1.5). Ein stattgehabter Insult oder TIA und Alter ≥75 gelten als
„starke“ Risikofaktoren und werden mit jeweils 2 Punkten gewertet, da diese beiden
Faktoren mit einem besonders hohen Risiko für Schlaganfall assoziiert sind. Weibliches
Geschlecht, Alter ≥ 65 Jahre und vaskuläre Erkrankung kamen als zusätzliche Faktoren
hinzu, wobei jeder „einfache“ Risikofaktor mit einem Punkt bewertet wird. Der Faktor
„vaskuläre Erkrankung“ entspricht entweder einer koronaren Herzkrankheit, einem
Myokardinfarkt, einer arteriellen Verschlusskrankheit oder einem komplexen
Aortenplaque. Das Alter kann 0, 1 oder 2 Punkte ausmachen, der Score hat demnach einen
Maximalwert von 9 Punkten. Mit steigender Punktezahl steigt das jährliche Risiko für ein
thrombembolisches Ereignis (Tabelle 1.6).
Die Therapieempfehlung entspricht weitgehend der, des bestehenden CHADS2 Scores. Ab
einem CHA2DS2VASc von 2 oder mehr Punkten, sollte eine OAK mit VKA begonnen und
in einem INR Zielwert von 2 bis 3 gehalten werden. Bei einem CHA2DS2VASc von 1,
können entweder Vitamin K-Antagonisten bis zu einem INR von 2-3 oder
Thrombozytenaggregationshemmer gegeben werden. Nach aktuellen Meinungen sollte
eher die orale Antikoagulation angestrebt werden, da das TE-Risiko das Blutungsrisiko
meist übersteigt79
. Wenn kein CHA2DS2VASc Risikofaktor vorliegt sollte auch keine
antithrombotische Prophylaxe erfolgen, jedoch ist laut Leitlinien eine tägliche Gabe von
ASS vertretbar(Tabelle 1.7).
Infolge der Erweiterung des Risikoscores von CHADS2 zu CHA2DS2VASc werden
einerseits mehr potentielle Einflussfaktoren für TE erfasst und andererseits können
Personen mit niedrigem Risiko dadurch genauer differenziert werden.
44
Tabelle 1.5 CHA2DS2VASc Score (nach Camm et al.15
)
Risikofaktor Punkte
C Herzinsuffizienz / LV Dysfunktion (EF ≤ 40%) 1
H arterielle Hypertonie 1
A Alter ≥ 75 Jahre 2
D Diabetes Mellitus 1
S Z.n. Schlaganfall / TIA / Thrombembolie 2
V Vaskuläre Erkrankung (MI, AVK, Aortenplaque) 1
A Alter 65 - 74 Jahre 1
Sc weibliches Geschlecht 1
Tabelle 1.6 relatives Schlaganfallrisiko bei CHA2DS2VASc (nach Camm et al.15
)
CHA2DS2VASc Score Patienten (n=7329) Relatives Insult/TIA–
Risiko pro Jahr
0 1 0%
1 422 1,3%
2 1230 2,2%
3 1730 3,2%
4 1718 4,0%
5 1159 6,7%
6 679 9,8%
7 294 9,6%
8 82 6,7%
9 14 15,2%
Tabelle 1.7 Empfehlung zur Thrombembolieprophylaxe (nach Camm et al.15
)
Risikokategorie CHA2DS2VASc Score Empfohlene Therapie
1 starker Risikofaktor
oder ≥ 2 einfache
Risikofaktoren
≥2 OAK
1 einfacher Risikofaktor 1 OAK oder ASS
Keine Risikofaktoren 0 Keine antithrombotische
Therapie oder ASS
45
Ein Problem der bisherigen Stratifizierungsschemen bestand darin, dass es große
Unterschiede der Gruppengrößen zwischen den Schemata gab (Abbildung 1.6). Auf die
Hochrisikogruppe entfallen nach dem Framingham Schema 10,2% der Patienten und nach
dem Birmingham-2009 Schema, 75,7% der Patienten. Infolgedessen gibt es zwischen den
verwendeten Schemata starke Abweichungen in der antithrombotischen Therapie der
Patienten79
.
Der CHADS2 Score ermittelte für den Großteil der Patienten ein mittleres Risiko (61,9%),
wodurch bei vielen Patienten die Wahlmöglichkeit zwischen OAK und TAH bestand, aber
keine definitive Therapiestrategie empfohlen wurde. Der aktuelle CHA2DS2VASc Score
klassifiziert im Vergleich dazu 15,1% der Patienten als mittlere Risikogruppe und nur
9,2% der VHF Patienten als niedrige Risikogruppe. In der Letzteren trat während des
Beobachtungszeitraums kein einziges thrombembolisches Ereignis auf79
. Bei Anwendung
des CHADS2 kam es in 1,4% der niedrig-Risikogruppe zu Thrombembolien. Folglich
definiert der CHA2DS2VASc Score die VHF Patienten mit niedrigem Risiko für TE besser
als der CHADS281,82,83
.
Abbildung 1.6 Risikokategorisierung der Schemata unter Euro Heart Survey Patienten (modifiziert
nach Lip et al.79
)
Die Konsequenz dieser Patientenumverteilung zwischen den Risikogruppen durch den
neuen CHA2DS2VASc Score ist, dass die große Gruppe der Patienten mit mittlerem und
niedrigem Risiko unter der CHADS2 Stratifizierung, neu evaluiert werden müssen. Viele
Patienten werden durch die Etablierung des CHA2DS2VASc Scores in eine höhere
Risikoklasse kommen und die antithrombotische Therapie muss gegebenenfalls, den
aktuellen Leitlinien entsprechend, modifiziert werden.
46
1.5 CHA2DS2VASc und das Risiko für Vorhofflimmern
Die Risikofaktoren für Thrombembolie bei Vorhofflimmern und für das Auftreten von
Vorhofflimmern selbst, sind zu einem großen Teil die gleichen. Herzinsuffizienz, LV
Dysfunktion, Hypertonie, höheres Alter, Diabetes, KHK und die arterielle
Verschlusskrankheit steigern sowohl das Risiko für VHF, als auch für thrombembolische
Ereignisse. Ein hoher CHA2DS2VASc Score geht somit in der Normalbevölkerung auch
mit einem erhöhten Vorhofflimmerrisiko einher. Das kardiologische Patientenkollektiv ist
mitunter besonders von diesen Risikofaktoren betroffen und eine Evaluation gemäß
CHA2DS2VASc könnte eine Hochrisikogruppe für das Entstehen von VHF identifizieren.
In weiterer Folge könnte diese Gruppe intensiver Rhythmus-überwacht werden und
Patienten mit VHF würden früher einer antithrombotischen Behandlung zugeführt.
Eine Studie von Welles et al.84
untersuchte die prädiktiven Fähigkeiten des CHADS2
Scores für ischämischen Schlaganfall bei KHK-Patienten ohne Vorhofflimmern. Hohe
CHADS2 Score Werte gingen bei Patienten ohne VHF mit einem erhöhten
Schlaganfallrisiko einher. Vermutlich steigt mit einem hohen CHADS2 bzw.
CHA2DS2VASc Wert auch die Wahrscheinlichkeit für Vorhofflimmern84
.
Insgesamt betrachtet, gibt es bisher jedoch nur wenige Daten über die Prävalenz von
CHA2DS2VASc Risikofaktoren im Zusammenhang mit der Prävalenz von VHF in einem
kardiologischen Patientengut.
1.6 Zielsetzung
Ziel ist es, kardiologische Patienten bezüglich der Prävalenz von CHA2DS2VASc
Risikofaktoren zu evaluieren.
Die CHA2DS2VASc Verteilung soll mit relevanten demographischen und
klinischen Charakteristika in Verbindung gebracht werden.
Die Prävalenz von Vorhofflimmern in den verschiedenen CHA2DS2VASc
Risikogruppen soll evaluiert werden.
Es soll ferner herausgearbeitet werden, bei wie vielen Patienten es aufgrund des
neuen CHA2DS2VASc Scores zu einer höheren Risikokategorisierung kommt.
Schließlich soll eine Gruppe von Hochrisiko-Patienten identifiziert werden, die von
häufigen Rhythmuskontrollen profitieren könnte.
47
2 Material und Methoden
2.1 Studiendesign
Die Studie wurde retrospektiv und monozentrisch an der klinischen Abteilung für
Kardiologie der Medizinischen Universitätsklinik Graz angelegt. Es wurden unselektiv alle
Patienten in das Screening mit einbezogen, die während der Zeit von Oktober 2009 bis
Oktober 2010 in die Kardiomyopathie-Ambulanz bestellt worden waren und alle Patienten,
die während dem 11.Juni 2010 und dem 30.September 2010 in der allgemeine Ambulanz
in Behandlung waren.
Ausschlusskriterien waren einerseits eine unzureichende Datenerfassung des Patienten im
Edv-System oder das Ableben des Patienten vor bzw. während der Zeit der
Datenerhebung.
Die Studie wurde am 26.01.2011 von der Ethikkommission begutachtet und mit der
Nummer 23-180 ex 10/11 genehmigt.
2.2 Datenerhebung
Die Patientendaten, Diagnosen, Befunde sowie Arztbriefe wurden dem
Krankenhausinformationssystem Medocs, der digitalen Datenbank der steirischen
Krankenhausgesellschaft KAGES entnommen. Diese Informationen wurden, in einer mit
Microsoft Office Excel 2007 erstellten Datenbank gesammelt und analysiert.
Es wurden vorzugsweise die aktuellsten Berichte zur Datenbank hinzugefügt, falls jedoch
wichtige Daten nicht im letzten Bericht erhoben werden konnten, wurde chronologisch
weitergesucht. War bei einem Patienten VHF dokumentiert, wurde in der
Krankengeschichte weiter recherchiert seit wann das VHF bereits bekannt war.
Patientendatensätze ohne dokumentierte Untersuchungsbefunde bzw. Arztbriefe der
kardiologischen Ambulanzen wurden nicht in die Datenbank aufgenommen.
48
Folgende Werte wurden in der Datenbank aufgezeichnet:
Demographische Daten: Name, Geburtsdatum, Geschlecht, Kontakt-Telefonnummer,
Postleitzahl, Screeningdatum, besuchte Ambulanz
Relevante Erkrankungen: Arterielle Hypertonie, Vorhofflimmern, Vorhofflattern,
Diabetes Mellitus, Insulinpflichtiger DM, Zentrale Arterielle
Verschlusskrankheit, Periphere Arterielle Verschlusskrankheit,
Z.n.Insult / Z.n.Transistorischer Ischämischer Attacke,
Chronische Herzinsuffizienz, Z.n. kardialer Dekompensation,
Koronare Herzkrankheit; Z.n. CABG, Mitralstenose, Z.n.
Myokarditis, Angeborene Herzvitien, Niereninsuffizienz,
Dialysepflichtig
VHFA-spezifische Daten: Vorhofflimmer-Erstdiagnosedatum, Diagnose Evidenz, VHFA-
Typ
Sonstiges: EKG-Rhythmus, pAVK-Stadium, NYHA-Stadium,
Ejektionsfraktion, implantierter Cardioverter/Defibrillator
Relevante Medikation: ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptorblocker, Beta-Blocker,
Antiarrhythmika Klasse I / III, Digitalis, Kalziumantagonisten,
Aldosteronantagonisten, Diuretika, OAK, ASS, Clopidogrel
2.3 Analyse
Die erhobenen Daten wurden mit dem Programm Microsoft Office Excel 2007 analysiert,
statistisch ausgewertet und teilweise in Diagrammen veranschaulicht. Die deskriptive
Statistik erfasste Häufigkeitsverteilungen und Mittelwerte mit Standardabweichung.
Tabellen wurden mithilfe des Programms Microsoft Office Word 2007 generiert.
49
3 Ergebnisse – Resultate
3.1 Demographische Daten des Patientenkollektivs
Es wurden insgesamt Datensätze von 537 Patienten gesammelt, welche entweder auf der
allgemeinen kardiologischen Ambulanz oder auf der Kardiomyopathie (CMP)- Ambulanz
der Universitätsklinik Graz vorstellig wurden.
Im Zeitraum von 11.Juni 2010 bis 30.September 2010 wurden 261 Patienten von der
allgemeinen Ambulanz aufgenommen, sowie 276 Patienten von der CMP- Ambulanz in
der Zeit von 07.Oktober 2009 - 29.September 2010.
Bei 25 Patienten konnten nur unvollständige Datensätze erhoben werden und 12 Patienten
sind im Untersuchungszeitraum verstorben. Diese beiden Patientengruppen wurden nicht
in die weitere Analyse miteinbezogen.
Von den 500 analysierten Patientendatensätzen stammten 237 (47,4%) aus der allgemeinen
kardiologischen Ambulanz und 263 (52,6%) aus der CMP-Ambulanz. Insgesamt waren
72% (n=362) der Patienten Männer und 28% (n=138) Frauen.
Abbildung 3.1 Geschlechterverteilung gesamt
Auf die Ambulanzen aufgeteilt, fanden sich in der allgemeinen Ambulanz 149 Männer und
88 Frauen, in der CMP-Ambulanz 213 Männer und 50 Frauen.
Das durchschnittliche Alter der analysierten Patienten betrug 63,1 Jahre (19- 90a), wobei
die Altersgruppe der 65- bis 74 –jährigen die zahlenmäßig dominierende war (Abbildung
3.3).
50
Abbildung 3.2 Ambulanzbezogene Geschlechterverteilung
Abbildung 3.3 Altersverteilung gesamt
Tabelle 3.1 Altersverteilung
Altersgruppe n Patienten Prozent
<25a 7 1%
25-34a 15 3%
35-44a 30 6%
45-54a 73 15%
55-64a 111 22%
65-74a 179 36%
75-84a 78 16%
85-94a 7 1%
51
Die häufigsten Diagnosen der Patienten waren Hypertonie (n=343), chronische
Herzinsuffizienz (n=302) sowie die koronare Herzkrankheit (n=277), gefolgt von
Vorhofflimmerarrhythmie (n=157), Niereninsuffizienz (n=147) und Diabetes Mellitus
(n=147), wovon 44 Diabetiker insulinpflichtig waren. Insgesamt konnten 157 Patienten
(31,4%) mit einer VHFA identifiziert werden. Bei nur 5 Patienten trat isoliertes
Vorhofflattern auf. 136 Patienten waren bereits mit einem implantierbaren
Kardioverter/Defibrillator oder Herzschrittmacher versorgt. 106 Patienten waren zumindest
einmal kardial dekompensiert und 62 hatten bereits einen Insult oder eine TIA erlitten.
Desweiteren fand sich bei 44 Personen eine Myokarditis in der Krankengeschichte und bei
12 ein Herzvitium. Gefäßerkrankungen wie die pAVK (n=42) und die zAVK (n=31) waren
bei insgesamt 73 Patienten bekannt. Im gesamten Kollektiv war kein Patient mit
Mitralklappenstenose. Abbildung 3.4 zeigt die Häufigkeitsverteilung der Diagnosen in den
beiden Ambulanzen nach absoluter Häufigkeit gestaffelt.
Abbildung 3.4 absolute Häufigkeitsverteilung der Diagnosen in den Ambulanzen
52
Tabelle 3.2 Charakteristika der Patienten
Charakteristikum
Patienten
(n=500)
Diagnosen
Arterieller Hypertonus 343 68,6%
Diabetes mellitus 147 29,4%
insulinpflichtiger DM 44 8,8%
Zentrale arterielle Verschlusskrankheit 31 6,2%
Periphere arterielle Verschlusskrankheit 42 8,4%
Chronische Herzinsuffizienz 302 60,4%
NYHA I 34 6,8%
NYHA II 138 27,6%
NYHA III 68 13,6%
NYHA IV 9 1,8%
k.A. 53 10,6%
Koronare Herzkrankheit 277 55,4%
Z.n. CABG 106 21,2%
Mitralstenose 0 0%
Niereninsuffizienz 147 29,4%
dialysepflichtige NINS 14 2,8%
Erwachsene mit angeborenem Herzfehler 12 2,4%
Z.n. kardiale Dekompensation 106 21,2%
Z.n. Myokarditis 44 8,8%
Vorhofflimmerarrhythmie 157 31,4%
isoliertes Vorhofflattern 5 1%
Device
Implantierbarer Kardioverter/Defibrillator, Pacemaker 136 27,2%
Ejektionsfraktion
10 - 30% 63 12,6%
31 – 54% 206 41,2%
>54% 92 18,4%
k.A 139 27,8%
Relevante Begleitmedikation
ACE-Hemmer 289 57,8%
Angiotensin II Rezeptor Blocker 98 19,6%
Betablocker 414 82,8%
Diuretika 265 53,0%
Aldosteronantagonisten 182 36,4%
Digitalis 87 17,4%
Calziumkanal Antagonisten 59 11,8%
Orale Antikoagulation 166 33,2%
Acetylsalizylsäure 196 39,2%
Clopidogrel 61 12,2%
Antiarrhytmika Klasse I , III 35 7%
53
3.2 Prävalenz von Vorhofflimmern bei den Risikofaktoren, einzeln
Im Patientenkollektiv wurde die Prävalenz von VHF gemäß der Grunderkrankung
stratifiziert (Tabelle 3.3).
Von den insgesamt 62 Patienten die bereits einen Insult oder eine TIA erlitten hatten, war
bei 50% VHF nachweisbar.
Niereninsuffizienz wird hier ebenfalls beschrieben, obwohl nicht zu den klassischen
Risikofaktoren für VHF gehörend, da es im Patientenkollektiv auffällig oft kombiniert mit
VHF auftrat: 47,6% der Patienten mit NINS hatten diagnostiziertes Vorhofflimmern.
Abbildung 3.5 zeigt die relative Prävalenz von VHF bei den untersuchten Erkrankungen.
Tabelle 3.3 Prävalenz von VHF bei untersuchten Risikofaktoren
Erkrankung Gesamt VHFA
Z.n.Insult/ TIA 62 31 50,0%
chron. Herzinsuffizienz 302 121 40,1%
Diabetes Mellitus 147 58 39,5%
art. Hypertonie 343 111 32,4%
Gefäßerkrankung (KHK, pAVK,zAVK) 286 93 32,5%
Niereninsuffizienz 147 70 47,6%
Abbildung 3.5 relative Prävalenz von VHF bei untersuchten Diagnosen
54
3.3 Verteilung der CHA2DS2VASc Score allgemein
Die Berechnung des CHA2DS2-VASc Scores aller Patienten lieferte, die in Tabelle 3.4
dargestellte Häufigkeitsverteilung. Es fand sich kein Patient in der Datenbank mit einem
CHA2DS2-VASc Score von 9.
Tabelle 3.4 Absolute CHA2DS2-VASc Score Verteilung
CHA2DS2-VASc 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
n Patienten 14 56 93 112 97 73 32 19 4 0
Die Verteilung der Patienten auf die Ambulanzen gestaffelt nach CHA2DS2-VASc ist in
Abbildung 3.6 dargestellt.
Abbildung 3.6 CHA2DS2-VASc Verteilung in den Ambulanzen
Folglich sind im Patientenkollektiv (n=500) 430 Personen (86%) mit einem Risikoscore
von ≥ 2 und 225 Personen (45%) mit einem CHA2DS2-VASc Score von ≥ 4. Von diesen
225 Patienten war bei 91 eine VHFA bekannt. Der Gruppe mit dem höchsten Score im
Kollektiv bestand aus 4 Patienten mit einem CHA2DS2-VASc von 8.
55
3.4 Stratifizierung nach VHFA
Im Patientenkollektiv (n=500) waren 162 Patienten mit diagnostiziertem VHF.
Die Information darüber war im Medocs in 82,7% (n=134) der Fälle bereits aus der
Diagnoseliste ersichtlich, bei 17,3% (n=28) waren diese Information nur aus Arztbriefen
oder Befunden erhebbar.
Abbildung 3.7 Prävalenz von VHFA
Bei 35 Patienten (21,6%) war das VHF als permanente VHFA im Medocs-System
eingetragen, bei 44 (27,2%) als paroxysmale VHFA. 83 Patienten (51,2%) waren nicht
näher klassifiziert.
Das aktuelle EKG jener Patienten mit diagnostiziertem VHF zeigte bei 63 (38,9%) einen
Sinusrhythmus, bei 96 (59,3%) ein VHF. Bei 2 Patienten (1,2%) war der Rhythmus weder
als SR noch als AF beschrieben und bei einem Patienten war kein EKG dokumentiert.
Die Erstdiagnose des Vorhofflimmerns war in 34,6% der Fälle im Jahr 2010 gestellt
worden.
Die Verteilung des CHA2DS2-VASc Scores stratifiziert nach Vorhofflimmern wird in
Abbildung 3.8 dargestellt. Die absolute Zahl der AF-Patienten stieg bis zu Score 3 stetig an
(Score 0 [n=2], Score 1[n=13], Score 2[n=25], Score 3[n=31]), blieb bis Score 5 etwa
gleich (Score 4 [n=30], Score 5 [n=30]) und fiel dann bis Score 9 wieder ab (Score 6
[n=19], Score 7 [n=10], Score 8 [n=2], Score 9 [n=0]).
56
Abbildung 3.8 CHA2DS2-VASc Score stratifiziert nach VHF
Die relative Häufigkeit von VHF im Gesamtkollektiv (Abbildung 3.9) zeigt ein
kontinuierliches Ansteigen mit dem CHA2DS2-VASc Score bis 6 gefolgt von einem
leichten Abfall bei Score 7 und 8. Der steile Rückgang der Patientenzahlen in den beiden
hochscore Bereichen relativiert vermutlich die terminale Häufigkeitssenkung.
Abbildung 3.9 relative Häufigkeit von VHF bezogen auf den CHA2DS2-VASc Score
57
Die Subgruppe der Patienten mit Vorhofflimmern zeigte folgende Charakteristika:
Tabelle 3.5 Charakteristika der Patienten mit Vorhofflimmern
Charakteristikum
Patienten
(n=162)
VHFA-Typ
Paroxysmale VHFA 44 27,2%
Permanente VHFA 35 21,6%
k.A. 83 51,2%
Ekg-Rhythmus
Sinusrhythmus 63 38,9%
Vorhofflimmern 96 59,3%
k.A. 3 1,8%
Zeitpunkt der VHFA- Erstdiagnose
2010 56 34,6%
2009 41 25,3%
2008 17 10,5%
2007 13 8,0%
2006 9 5,6%
2000-2005 26 16,0%
Diagnosen
Arterieller Hypertonus 111 68,5%
Diabetes mellitus 58 35,8%
insulinpflichtiger DM 14 8,6%
Zentrale arterielle Verschlusskrankheit 10 6,2%
Periphere arterielle Verschlusskrankheit 18 11,1%
Chronische Herzinsuffizienz 121 74,7%
NYHA I 7 4,3%
NYHA II 48 29,6%
NYHA III 31 19,1%
NYHA IV 4 2,5%
k.A. 31 19,1%
Koronare Herzkrankheit 90 55,6%
Z.n. CABG 34 21,0%
Mitralstenose 0 0%
Niereninsuffizienz 70 43,2%
dialysepflichtige NINS 8 4,9%
Erwachsene mit angeborenem Herzfehler 8 4,9%
Z.n. kardiale Dekompensation 60 37,0%
Z.n. Myokarditis 12 7,4%
58
Charakteristikum
Patienten
(n=162)
Device
Implantierbarer Kardioverter/Defibrillator, Pacemaker 62 38,3%
Ejektionsfraktion
10 - 30% 37 22,8%
31 – 54% 65 40,1%
>54% 22 13,6%
k.A 38 23,5%
Relevante Begleitmedikation
ACE-Hemmer 89 54,9%
Angiotensin II Rezeptor Blocker 37 22,8%
Betablocker 142 87,7%
Diuretika 106 65,4%
Aldosteronantagonisten 73 45,1%
Digitalis 61 37,7%
Calziumkanal Antagonisten 18 11,1%
Orale Antikoagulation 112 69,1%
Acetylsalizylsäure 36 22,2%
Clopidogrel 8 4,9%
Antiarrhytmika Klasse I , III 21 13,0%
59
3.5 Beschreibung der Patienten, die beim Anwenden von CHA2DS2VASc statt CHADS2 in eine höhere Risikoklasse kommen.
Drei unabhängige Faktoren bilden die Erweiterung vom CHADS2 zum CHA2DS2VASc –
Score. Im Einzelnen sind dies: das Alter zwischen 65 und 74 Jahren, weibliches
Geschlecht und als vaskulärer Faktor, die KHK, komplexe Aortenplaques, zAVK und die
pAVK.
Insgesamt sind in unserem Kollektiv 405 Patienten (81%) durch die Anwendung des
CHA2DS2VASc -Scores in ihrer Risikobemessung im Vergleich zum CHADS2 Score
aufgestiegen. 173 Patienten um 1 Punkt, 181 Patienten um 2 Punkte und 51 Patienten um
das Maximum von 3 Punkten.
Von den 39 Patienten, die nach CHADS2 als „low-risk“ gelten, kamen 41% bei
CHA2DS2VASc in den mittleren Risikobereich, und 23% in den Hochrisikobereich.
Von den 145 Patienten, die CHADS2 in die Kategorie mittleres Risiko fallen, wurden 72%
bei CHA2DS2VASc in die Hochrisikokategorie klassifiziert.
63% des untersuchten Kollektivs war bereits nach CHADS2 in der Hochrisikokategorie.
Abbildung 3.10 zeigt die absoluten Häufigkeitsverteilungen des CHADS2 Scores
verglichen mit denen des aktuellen CHA2DS2VASc-Scores. Dabei ist zu beachten, dass
beim CHADS2 Score höchstens 6 Punkte erreicht werden konnten.
Abbildung 3.10 CHA2DS2VASc verglichen mit CHADS2-Score
60
Der neue vaskuläre Faktor hat den größten Einfluss auf den CHA2DS2-VASc Score im
Patientenkollektiv gezeigt. In 286 Fällen war er für die Risikoscore-Steigerung
verantwortlich, wobei die Subgruppe mit KHK allein 277 Patienten ausmachte. Das
Miteinbeziehen der Altersgruppe zwischen 65 und 74 Jahren steigerte bei 179 Patienten
den Risikoscore, gefolgt vom Faktor „weibliches Geschlecht“ mit einer Steigerung des
Scores bei 138 Patienten.
Durch die Anwendung des neuen CHA2DS2-VASc Schemas bei den Patienten mit
bekanntem Vorhofflimmern stiegen 83% (n=135) in eine höhere Risikostufe auf.
Abbildung 3.11 Absolute Häufigkeit der neuen Faktoren zur Risikoscore-Steigerung
3.6 VHFA bei Patienten mit NINS bzw. KHK
Die Gegenüberstellung der Patientengruppen mit bzw. ohne VHF zeigte keinen
signifikanten Unterschied bezüglich der KHK (55,6% vs. 55,6%).
Auffallend ist jedoch die häufige Vergesellschaftung von Niereninsuffizienz mit
Vorhofflimmern (43,2% vs. 22.8%). Auch die dialysepflichtige Niereninsuffizienz ging
mit einer höheren Vorhofflimmerrate einher (4,9% vs. 1,8%), wie in Tabelle 3.6 gezeigt
wird.
Die koronare Herzkrankheit als häufigster neuer Faktor zur Steigerung des CHA2DS2-
VASc –Scores, steht in diesem Kollektiv nicht für die Steigerung der VHF-Prävalenz.
61
Tabelle 3.6 Vergleich der Subgruppen bezüglich NINS und KHK
Gesamtkollektiv
(n=500)
Subgruppe
ohne VHFA
(n=338)
Subgruppe
mit VHFA
(n=162)
KHK 277 55,4% 188 55,6% 90 55,6%
KHK operata 106 21,2% 72 21,3% 34 21,0%
NINS 147 29,4% 77 22,8% 70 43,2%
NINS
dialysepflichtig 14 2,8% 6 1,8% 8 4,9%
3.7 Patienten mit implantiertem Aggregat
Insgesamt konnten 136 Patienten mit implantiertem Device identifiziert werden, davon
hatten 62 Patienten eine bekannte VHFA. Demzufolge haben 364 Patienten im Kollektiv
kein Aggregat und 27,5% dieser Patienten (n=100) haben die Diagnose Vorhofflimmern.
Die Stratifizierung der Patienten mit bzw. ohne Device nach CHA2DS2-VASc wird in
Abbildung 3.12 veranschaulicht. Patienten mit implantiertem Device haben den Vorteil,
dass auftretende Herzrhythmusstörungen zu jeder Zeit aufgezeichnet werden und z.B
paroxysmale VHF-Episoden erkannt werden. Patienten ohne Device, aber mit hohem
Risikoscore für Thrombembolie bei VHF, entgehen einer konsequenten Kontrolle. In
einem angenommenen Hochrisikobereich von ≥ 4 sind das 158 Patienten (31,6%).
Abbildung 3.12 Häufigkeit der Patienten mit bzw. ohne Device bezogen auf CHA2DS2-VASc
62
Patienten mit vergleichbarem Risikoprofil zeigen im Durchschnitt höhere VHF-
Prävalenzen, wenn sie ein einen SM oder einen ICD implantiert haben. In unserem
Gesamtkollektiv war VHF bei 44% der Patienten mit implantiertem Aggregat bekannt,
aber nur bei 27,5% der Patienten ohne Aggregat. Ein differenzierteres Bild zeigt sich bei
dem Vergleich von Patienten mit ähnlichem Risikoprofil (Abbildung 3.13). Patienten mit
Herzinsuffizienz und SM/ICD waren zu 46% von VHF betroffen und nur 36% der
Herzinsuffizienzpatienten ohne SM/ICD. Bei den Patienten ohne HI, aber mit Aggregat
war in 42% VHF bekannt und dementsprechend bei 19% der Patienten ohne SM oder ICD.
Abbildung 3.13 Prävalenz von VHF in Patienten mit bzw. ohne Aggregat
63
3.8 Medikamentöse Therapie bei Patienten mit VHFA
In die Datenbank wurden Medikamentengruppen aufgenommen, die im weitesten als
relevant für den Herzrhythmus, Herzfrequenz oder die Blutgerinnung gelten. Eine
Übersicht dieser relevanten Medikamentengruppen und deren Häufigkeitsverteilung im
Gesamt- und VHF-Patientenkollektiv sind in Tabelle 3.7 aufgelistet.
Tabelle 3.7 relevante Medikation bei VHF-Patienten und im Gesamtkollektiv
relevante Begleitmedikation
Gesamtkollektiv
(n=500)
Subgruppe mit
VHF (n=162)
Subgruppe ohne
VHF (n=338)
ACE-Hemmer 57,8% 54,9% 59,2%
Angiotensin II Rezeptor Blocker 19,6% 22,8% 18,0%
Betablocker 82,8% 87,7% 80,5%
Diuretika 53,0% 65,4% 46,7%
Aldosteronantagonisten 36,4% 45,1% 32,2%
Digitalis 17,4% 37,7% 7,7%
Calziumkanal Antagonisten 11,8% 11,1% 12,1%
Orale Antikoagulation 33,2% 69,1% 16,0%
Acetylsalizylsäure 39,2% 22,2% 47,3%
Clopidogrel 12,2% 4,9% 15,7%
Antiarrhytmika Klasse I , III 7% 13,0% 4,1%
Die Gruppe der Patienten mit bekanntem Vorhofflimmern, war zu 69,1% mit Marcoumar
oder Sintrom oral antikoaguliert. 25 Patienten (15,4%) mit VHF erhielten keine OAK,
jedoch Plättchenaggregationshemmer wie ASS und Clopidogrel.
Es fanden sich jedoch auch 22 Patienten mit einer VHFA, bei denen keinerlei
gerinnungshemmende Medikation verordnet war und bei 3 Patienten waren keine Daten
zur Medikation erfasst.
Bei 54% der Patienten mit bekanntem VHF und einem CHA2DS2-VASc Scores von 1
wurden orale Antikoagulantien verschrieben. Diese Rate steigerte sich entlang des Scores
bis zu CHA2DS2-VASc 4 auf 87% und sank paradoxerweise bei CHA2DS2-VASc 5 auf
53% ab, wobei diese Gruppe besonders häufig ASS oder Plavix erhielt.
Bei CHA2DS2-VASc 6 und 7 stabilisierte sich die Rate der oral antikoagulierten VHF-
Patienten bei durchschnittlich 77%. Im Kollektiv waren nur 2 Patienten mit VHF und
einem CHA2DS2-VASc von 8. Diese Tatsache relativiert den terminale Abfall der OAK-
Rate in dieser CHA2DS2-VASc Gruppe auf 50%.
64
Abbildung 3.14 relative Häufigkeit von antithrombotischen Medikamenten bei Patienten mit VHFA
Insgesamt verlief die Kurve der antikoagulierten Patienten ohne bekanntes VHF im
Durchschnitt unter 20%. Auch hier ist der terminale Peak in der Gruppe mit CHA2DS2-
VASc 8 durch die geringe Patientenzahl (n=4) als relativ zu betrachten.
In Abbildung 3.15 kann gezeigt werden, dass auch die Rate der Patienten mit TAH,
einhergehend mit dem CHA2DS2-VASc Score und der Begleiterkrankungen stetig steigt.
Abbildung 3.15 relative Häufigkeit von antithrombotischen Medikamenten bei Patienten ohne VHFA
65
Bei Anwendung des CHADS2 Scores auf die Patientensubgruppe mit VHFA, sind 64% mit
einem CHADS2 von 1 oral antikoaguliert. Im Durchschnitt sind in dieser Subgruppe 72%
mit einem CHADS2 von ≥ 2 mit Marcoumar oder Sintrom antikoaguliert. In derselben
Gruppe, also VHF Patienten mit OAK und CHA2DS2-VASc ≥ 2, sind es 76%.
Abbildung 3.16 relative Häufigkeit von antithrombotischen Medikamenten bei Patienten mit VHFA
bei Anwendung des CHADS2 Scores
66
4 Diskussion
In der vorliegenden Studie wurde eine kardiologische Patientengruppe von 500 Personen
nach dem aktuellen CHA2DS2VASc Schema stratifiziert und die Prävalenz von
Vorhofflimmern ermittelt. Es konnte gezeigt werden, dass ein großer Teil der Patienten,
hohe CHA2DS2VASc Werte aufweist (86% mit einem CHA2DS2VASc von ≥ 2 und 45%
mit einem Wert von ≥ 4) und dass die Vorhofflimmerprävalenz mit dem Risikoscore für
Thrombembolien korreliert, was zu der Annahme führt, dass der CHA2DS2VASc Score
auch als ein geeignetes Hilfsmittel zur Evaluation des Vorhofflimmerrisikos Verwendung
finden könnte. Darüber hinaus fand sich eine große Patientengruppe, die nach den
aktuellen Leitlinien, bei Anwendung des CHA2DS2VASc Schemas, nun in eine höhere
Risikoklasse kommen werden und einer Re-evaluierung bedürfen.
Das Auftreten einer VHFA wird neben dem Alter und dem Geschlecht, von bestimmten
Faktoren begünstigt. Laut dem Deutschen Kompetenznetz-Vorhofflimmer Register, ist bei
87,6% der Patienten mit Vorhofflimmern mindestens ein Risikofaktor vorhanden24
. Es
handelt sich dabei meist um Krankheiten, welche in der Bevölkerung häufig auftreten.
Arterielle Hypertonie verdoppelt (1,4 bis 2,1fach) das Risiko für VHF21,17
. Durch die
enorme Prävalenz der HT in Europa von etwa 44%85
, wird es zu einem der wichtigsten
Risikofaktoren16
. In unserem kardiologischen Patientenkollektiv waren knapp 70%
Hypertoniker.
Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern sind zwei Krankheitsbilder die pathophysiologisch
zusammenhängend sind und sich gegenseitig im Verlauf beeinflussen. In der Framingham
Studie war die HI der stärkste RF für Vorhofflimmern mit einer Risikosteigerung um das
6-fache17
. Es besteht bei 30% der VHF-Patienten eine symptomatische Herzinsuffizienz24
.
In unserem VHF-Patientenkollektiv litten 40% an chronischer Herzinsuffizienz.
Im Durchschnitt leidet etwa jeder dritte Vorhofflimmerpatient zudem an einer koronaren
Herzkrankheit4,23
. In dieser Arbeit konnte eine KHK-Prävalenz von 55,6% unter den VHF-
Patienten festgestellt werden. Laut der Framingham Studie haben Patienten nach einem
Myokardinfarkt ein 1,4fach erhöhtes Risiko für VHF17
.
Bei Menschen mit Diabetes Mellitus besteht ein 40% erhöhtes Risiko eine VHFA zu
entwickeln28
. Einer neueren Arbeit zufolge, leiden 20% der VHF-Patienten an Diabetes
Mellitus28
. In unserem Kollektiv waren 39,5% der VHF Patienten an Diabetes Mellitus
erkrankt.
67
Die rheumatische Herzklappenerkrankung war einst ein wichtiger prädisponierender
Faktor für das Entstehen von VHF. Neuere Daten zeigen, dass nur noch in 3,7% der VHF-
Patienten eine rheumatische Klappenerkrankung besteht und es im Laufe der Zeit zu einem
Wandel der Herzerkrankungen gekommen ist24
.
Die vorliegende Studie kann diese Entwicklung nur bekräftigen, da sich unter den 500
evaluierten Patienten keine einzige Mitralklappenstenose fand.
Die Prävalenz von Vorhofflimmern in der Bevölkerung wird in der Literatur mit 1 bis 2%
angegeben1,3,4
. In unserem Patientenkollektiv hatten 32% der Patienten eine VHFA. Dieser
enorme Unterschied kommt zum größten Teil aufgrund des spezifischen Patientengutes in
den kardiologischen Ambulanzen zustande, da praktisch alle Patienten an einer kardialen
Grund- bzw. Begleiterkrankung leiden. Ein weiterer wesentlicher Punkt für die hohe VHF-
Prävalenz ist aber wahrscheinlich auch, dass Vorhofflimmerarrhythmien durch den
häufigen Einsatz von EKG-Untersuchungen in den kardiologischen Ambulanzen öfter als
solche erkannt werden.
Durch die Neubemessung des Thrombembolierisikos nach CHA2DS2VASc, wurden im
Vergleich zum CHADS2 Schema, 83% der VHF-Patienten einer höheren Schlaganfall-
Risikoklasse zugeordnet. Der neue vaskuläre Faktor, im Besonderen die KHK, war in
unserem Patientenkollektiv am häufigsten für die Risikosteigerung verantwortlich, gefolgt
von den Faktoren: Alter zwischen 65-75 Jahre und weibliches Geschlecht.
Die direkte Schlussfolgerung daraus ist, dass viele Patienten bezüglich der
antithrombotischen Therapie nach dem CHA2DS2VASc Schema neu evaluiert werden
müssen, um eine leitliniengerechte Behandlung zu ermöglichen.
In epidemiologischen Studien wurde gezeigt, dass die koronare Herzkrankheit einen
Risikofaktor für die VHFA darstellt. 28-44% der VHF-Patienten leiden an einer koronaren
Herzkrankheit 1,4,23,24
. Die KHK-Prävalenz in der Gesamtbevölkerung liegt bei etwa 5%86
.
Bei unseren kardiologischen Patienten konnte kein Prävalenzunterschied zwischen KHK-
Patienten mit bzw. ohne VHF (55,6% vs. 55,6%) festgestellt werden, wobei die KHK-
Prävalenz mit über 55% in unserem Kollektiv generell sehr hoch war.
68
Der Anteil von VHF-Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz beträgt 5,8% nach
Nieuwlaat et al.23
und 11,1% nach Nabauer et al.24
. Neben diesen epidemiologischen
Beobachtungen gibt es wenige wissenschaftliche Daten über den Zusammenhang von
chronischer Niereninsuffizienz und dem Auftreten von VHF. In einer Arbeit von Watanabe
et al.87
erhöhte chronisches Nierenversagen das Risiko für Vorhofflimmern. Eine neuere
Studie von Horio et al.88
konnte zeigen, dass chronisches Nierenversagen ein signifikant
unabhängiger Risikofaktor für Vorhofflimmern bei Hypertonie-Patienten ist (HR 2,18 95%
CI 1,21-3,90 P=0,009).
In der vorliegenden Studie konnten wir ebenfalls einen auffälligen Zusammenhang
zwischen VHF und chronischer Niereninsuffizienz finden. Die Patientensubgruppe mit
Vorhofflimmern litt deutlich häufiger an NINS als die Subgruppe ohne VHFA (43,2% vs.
22,8%). Möglicherweise ist die chronische Niereninsuffizienz ein „schwacher“
Risikofaktor für Vorhofflimmern und sollte mehr Beachtung in der Evaluierung der VHF-
Patienten finden. Zudem kann die hohe Prävalenz von Hypertonie-Patienten in unserem
kardiologischen Kollektiv ausschlaggebend für die hohe Rate an niereninsuffizienz-
assoziiertem VHF sein und damit die oben genannte Studie von Horio et al.88
bekräftigen,
in der chron. NINS ein signifikanter Risikofaktor für VHF bei Hypertonie-Patienten war.
Falls der CHA2DS2VASc Score, wie in unserer Arbeit gezeigt, als ein Hilfsmittel zur
Identifizierung von VHF-Patienten Verwendung finden könnte, wäre es sinnvoll, speziell
bei kardiologischen Patienten, neben dem CHA2DS2VASc Score auch die chron.
Niereninsuffizienz in der Evaluierung zu berücksichtigen,
Die aktuellen Leitlinien der Fachgesellschaften empfehlen eine antithrombotische Therapie
mittels OAK bei VHF-Patienten ab einem CHA2DS2VASc Wert von ≥215
. Bei einem Wert
von 1 besteht die individuelle Wahlmöglichkeit ob TAH oder OAK gegeben wird, obwohl
es auch hier schon die Tendenz eher zur oralen Antikoagulation gibt. In unserer VHF-
Subgruppe waren insgesamt 69% der Patienten oral antikoaguliert.
Von den Patienten mit einem CHA2DS2VASc von 1 wurden 54% mit OAK und nur 15%
mit TAH behandelt. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte sein, dass dem ärztlichen
Personal in den kardiologischen Ambulanzen der Umgang mit OAK und die INR-
Einstellung vertrauter ist, als dem in einer allgemeinen Internen Ambulanz oder aber der
punktegebende Risikofaktor ist wesentlich für die OAK-Entscheidung. Hierbei muss
allerdings erwähnt werden, dass die Patientenzahl mit VHF und einem CHA2DS2VASc=1
69
relativ gering war, mit nur 13 Patienten. 7 Patienten (54%) erhielten demnach OAK und
der punktegebende Risikofaktor war bei 6 Patienten (85%) die Herzinsuffizienz.
Es besteht auch die Möglichkeit, dass nicht alle Risikofaktoren der Patienten korrekt im
Medocs Edv-System erfasst worden sind und es dadurch zu Verschiebungen der
CHA2DS2VASc Werte gekommen ist. Eine Folge daraus könnte sein, dass Patienten mit
CHA2DS2VASc 1 tatsächlich höhere Werte erreichen und deshalb OAK laut Guideline –
Empfehlung erhalten.
Die aktuelle Studienlage zu diesem Thema bekräftigt die Verwendung oraler
Antikoagulation, verglichen mit Trombozytenaggregationshemmer, aufgrund ihrer
besseren Wirksamkeit bei ähnlichem Blutungsrisiko62,89
.
Studien konnten zeigen, dass die OAK-Therapie, einer Kombinationstherapie von
Clopidogrel und ASS in der Vermeidung von kardiovaskulären Ereignissen überlegen war,
bei etwa gleichem Blutungsrisiko89
. Daher sollte bei VHF Patienten grundsätzlich eine
OAK Therapie angestrebt werden. Die Auswertung unsrer Studiendaten ergab, dass die
VHF-Patienten mit steigenden CHA2DS2VASc Werten immer häufiger OAK erhalten.
Jedoch zeigte sich ein paradoxer Einbruch der OAK-Rate von CHA2DS2VASc 4 mit 87%
auf CHA2DS2VASc 5 mit 53%. Die Patientengruppe mit CHA2DS2VASc 5 erhielt jedoch
besonders häufig entweder Clopidogrel oder ASS. Falls keine Kontraindikationen gegen
eine orale Antikoagulation vorliegen, sollte bei diesen Patienten eine Therapieumstellung
auf OAK überlegt werden. Eine Triple-Therapie mit Clopidogrel, ASS und OAK sollte
standardmäßig nicht zum Einsatz kommen, da es keine Vorteile bezüglich des
thromboembolischen Risikos gibt, jedoch das Blutungsrisiko ansteigt15
.
Eine Ausnahme bildet das antithrombotische Therapieregime bei VHF-Patienten nach
Koronararterien-Stenting, hier wird ein vorübergehende Triple-Therapie mit Clopidogrel,
ASS und OAK über 1 bis 6 Monate empfohlen15
.
Die gesammelten Daten dieser Studie sprechen dafür, dass zwischen dem Auftreten von
Vorhofflimmern und dem CHA2DS2VASc Risikoscore ein Zusammenhang besteht.
Patienten mit mehreren CHA2DS2VASc Faktoren haben demnach ein erhöhtes Risiko, eine
VHFA zu entwickeln.
Wir identifizierten deshalb eine hochrisiko-Patientengruppe (134 Patienten) ohne
bekanntem VHF mit einem CHA2DS2VASc Wert von ≥4 . Dieses Kollektiv hat, unseren
Überlegungen zufolge ein erhöhtes Risiko für VHF und könnte von einer engmaschigen
70
Rhythmusüberwachung profitieren, da bei frühzeitiger Diagnosestellung und
prophylaktischer Antikoagulation, thrombembolische Komplikationen verhindert werden
könnten.
Aufgrund der Tatsache, dass viele Patienten mit VHF keinerlei Symptome zeigen, ist eine
reine Evaluierung der Anamnese nicht ausreichend für die Identifizierung der
Rhythmusstörung90
. Häufigere EKG Kontrollen oder Holter-EKG Untersuchungen
könnten bei diesen Patienten durchgeführt werden. Leider zeigten bereits einige Studien,
dass die Wahrscheinlichkeit die VHFA durch nicht-kontinuierliche Rhythmuskontrollen zu
erkennen, gering ist91,92,93
. Durch längere Überwachungsperioden können auch mehr Fälle
von paroxysmalem VHF erkannt werden94
.
Die Wahrscheinlichkeit ein VHF durch intensivere Rhythmusobservation neu zu erkennen,
ist gerade bei Hochrisiko-Patienten mit hohen CHA2DS2VASc Werten besonders groß.
Daher scheint es mir sinnvoll eine solche Patientengruppe auch ohne bekanntem VHF,
regelmäßigen Rhythmuskontrollen zu unterziehen. Meiner Meinung nach wäre es daher
günstig, den Herzrhythmus kardiologischer Patienten ab einem CHA2DS2VASc Wert von
4 intensiver zu überwachen, da in dem vorliegenden kardiologischen Kollektiv die VHF-
Patienten im Durchschnitt einen CHA2DS2VASc Wert von 4 aufwiesen und die Patienten
ohne VHF einen CHA2DS2VASc Wert von 3. Außerdem besteht die Risikogruppe ab
einem CHA2DS2VASc von 4 aus einer hohen Patientenzahl, sodass viele Patienten von
einer frühzeitigen Diagnose und komplikationsvorbeugenden Therapie profitieren könnten.
Eine dauerhafte Rhythmusüberwachung durch einen implantierbaren Ereignis-Monitor
(Loop Recorder) könnte in Zukunft eine Option zur Identifizierung von asymptomatischem
VHF sein95,96
.
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