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Schwere Gussteile vom Fließband Die Heger Gruppe betreibt eine der weltweit innovativsten Gießereien Vor fünf Jahren war das Konzept revolutionär. Heute ist es das immer noch. Bei HegerFerrit in der Pfalz werden bis zu 30 Tonnen schwere Naben von Windkraftanlagen in Serie am Fließband gegossen. Das ist in der Form nach wie vor einmalig und schafft in der Region zahlreiche neue Arbeitsplätze. Sembach. Der Tisch ist gedeckt. Darauf steht lediglich ein Stahlzylinder. Der hat allerdings einen Durchmesser von fast fünf Metern und ist gut sieben Meter hoch. Leise summend schiebt sich ein auf Schienen fahrender Hubwagen zwischen die Tischbeine und hebt das rund 130 Tonnen schwere Ensemble einige Zentimeter an. Im Schritttempo geht es in eine große, düstere Halle. Wenige Minuten später werden hier, unter einem Funkenregen, mehr als 30 Tonnen, rund 1.500 Grad heiße Eisenschmelze in den Zylinder gegossen. Währenddessen werden gut 50 Meter zurück, auf einem weiteren Tisch, die Teile der

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Page 1: Arbeitgeberverband Gesamtmetall · Web viewEine 30-Tonnen-Nabe wird für den Transport auf einem Tieflader befestigt Fotos: Gesamtmetall/Pit Junker Die Bilder können Sie auf unserer

Schwere Gussteile vom Fließband

Die Heger Gruppe betreibt eine der weltweit innovativsten Gießereien

Vor fünf Jahren war das Konzept revolutionär. Heute ist es das

immer noch. Bei HegerFerrit in der Pfalz werden bis zu 30

Tonnen schwere Naben von Windkraftanlagen in Serie am

Fließband gegossen. Das ist in der Form nach wie vor einmalig

und schafft in der Region zahlreiche neue Arbeitsplätze.

Sembach. Der Tisch ist gedeckt. Darauf steht lediglich ein

Stahlzylinder. Der hat allerdings einen Durchmesser von fast

fünf Metern und ist gut sieben Meter hoch. Leise summend

schiebt sich ein auf Schienen fahrender Hubwagen zwischen

die Tischbeine und hebt das rund 130 Tonnen schwere

Ensemble einige Zentimeter an. Im Schritttempo geht es in eine

große, düstere Halle. Wenige Minuten später werden hier, unter

einem Funkenregen, mehr als 30 Tonnen, rund 1.500 Grad

heiße Eisenschmelze in den Zylinder gegossen.

Währenddessen werden gut 50 Meter zurück, auf einem

weiteren Tisch, die Teile der nächsten Gussform für die

Rotornabe einer Windkraftanlage zusammengesetzt.

Gießen am Fließband. Bei kleineren Teilen bis zu 100

Kilogramm, beispielsweise Motor- oder Getriebeblöcke für die

Automobilindustrie, ist das nichts Besonderes. Was allerdings

im pfälzischen Sembach bei Kaiserslautern geschieht, ist in der

Größenordnung und in den Abläufen einzigartig. Verantwortlich

dafür ist Johannes Heger, geschäftsführender Gesellschafter

der HegerGuss GmbH, einem über 110 jährigen

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Traditionsunternehmen aus dem Nachbarort Enkenbach-

Alsenborn. Mit der HegerFerrit GmbH stellte der Unternehmer

2009 ein Gießerei-Konzept für handgeformte große Gussteile

auf die grüne Wiese, das es so bis heute auf der Welt „kein

zweites Mal gibt“ und das technologisch in Deutschland

„unumstritten die Nummer Eins“ sein dürfte.

Den Aufwind der Windenergie genutzt„Wir hatten als Familienunternehmen das Glück“, sagt Heger,

„damals ohne langes Zögern zum richtigen Zeitpunkt handeln

zu können.“ Der richtige Zeitpunkt war der Aufwind in der

Windenergiebranche und die Tatsache, dass einer der größten

deutschen Windrad-Hersteller einen Fünf-Jahres-Vertrag mit

Heger abschloss. Der sicherte die Investitionen von mehr als 25

Millionen Euro ab.

Schwere Gussteile in Serie, darum dreht sich im wahrsten

Sinnes des Wortes seitdem alles im neuen Werk. Das

Herzstück ist nämlich eine Kreisbahn mit einem Durchmesser

von 110 Metern. Durchbrochen wird dieses Zentrum von vier

länglichen Hallen, die den Kreis wie Stachel durchstoßen. In

der Kreishalle werden die Gussstücke wie auf einem Fließband

auf Schienen zur jeweiligen Produktionsstation befördert. Die

innovative Idee ist dabei, dass das Werkstück zum Arbeiter

kommt. Das ist genau umgekehrt der bisherigen Arbeitsweise in

Gießereien. „In jeder Halle“, sagt Heger, „findet nur eine Art von

Tätigkeit statt.“ So könnten Prozesse sich nicht gegenseitig

stören. Die Arbeitsstationen seien erstmals ortsfest „und

können produktiv, sicher und ergonomisch korrekt gestaltet

werden“. Mit diesem Konzept ließen sich bis zu 2.000 große

Windradnaben pro Jahr produzieren. Die Planung, und darauf

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ist der Geschäftsführer besonders stolz, wurde übrigens

komplett von den Ingenieuren bei HegerGuss durchgeführt.

Fließbandguss bis 30 TonnenDer Exklusiv-Vertrag mit Windrad-Hersteller ist im vergangenen

Jahr ausgelaufen, was für die Gießerei ganz neue

Möglichkeiten eröffnet. „Die sind noch immer unser größter

Kunde“, sagt Heger, „doch nach Ablauf der Vereinbarung

haben wir auch andere Hersteller als Kunden gewonnen – und

beliefern damit nun drei der führenden Windradbauer in

Europa.“ Das sei anfangs nicht geplant gewesen. Doch

aufgrund der rasanten Entwicklung der Windkraftbranche ist

Heger jetzt froh, dass die Bindung an einen Hersteller

ausgelaufen ist.

Geplant waren ursprünglich auch nicht die ganz großen Teile.

„Das Stückgewicht lag anfangs bei acht bis zehn Tonnen,

maximal waren 15 Tonnen möglich“, so Heger. Doch für die

rasant wachsende Windenergiebranche und die mit ihr

wachsenden Windräder war dies nicht genug – mittlerweile

werden größere Naben benötigt. „Unsere Ingenieure und

hochqualifizierten Facharbeiter haben es geschafft“, freut sich

Heger, „das Maximalgewicht auf das Doppelte, also 30 Tonnen,

zu erhöhen. Mit zwei Gießpfannen und zwei Kränen, die

gleichzeitig im Einsatz sind, ist dies möglich.“

Produktivität und Arbeitsplätze verdoppeltDurch das neue Fabrikkonzept hat sich die Produktivität

verdoppelt. „Die Möglichkeiten des nun höheren Stückgewichts

haben den Markt vergrößert, die Wettbewerbsfähigkeit

gesteigert und auch die Produktivität im Vergleich zu anderen

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konventionellen Wettbewerbern weiter verbessert“, betont

Heger. Das wirkt sich auch auf die Beschäftigung aus. Mit 50

neuen Mitarbeitern war man 2009 in Sembach gestartet –

mittlerweile sind es 80. „Die Zahl wird in den nächsten Monaten

auf 100 steigen“, prognostiziert Heger, „da der Umsatz weiter

wächst.“ Allein mit den jetzt schon vorliegenden Bestellungen

bis Ende 2015 ergibt sich für die letzten beiden Jahre eine

Umsatzsteigerung von knapp 70 Prozent.

Während Heger einerseits mit dem Guss von Windradnaben an

den regenerativen Energien und an der Energiewende beteiligt

ist, wird im Sembacher Werk aber auch enorm viel Energie

verbraucht. Obwohl die benötigte Energie bei dem neuen

Gießereikonzept um 200 Kilowattstunden pro Tonne erzeugtem

Guss niedriger ist als in anderen Gießereien, werden pro Jahr

immer noch rund 20 Millionen Kilowattstunden benötigt. Das ist

ungefähr so viel, wie eine Kleinstadt mit 20.000 Einwohnern

verbraucht. „Die Achillesferse der deutschen Gießereien im

internationalen Wettbewerb“, sagt Heger, ist neben den

Personalkosten vor allem der hohe Stromkostenfaktor.“ Doch

das Unternehmen verbraucht nicht nur viel Energie, es

produziert auch welche. Seit Mai 2013 deckt ein eigenes

Windrad – gleichzeitig gut sichtbares Wahrzeichen von

HegerFerrit – rund ein Drittel des jährlichen Stromverbrauchs

der Gießerei ab. Die Nabe stammt natürlich aus eigener

Produktion.

Das Familienunternehmen mit seinen 270 Mitarbeitern

produziert mittlerweile neben den Windradnaben in der vierten

Generation auch andere hochwertige Eisengussteile für den

Weltmarkt. So wurde vor einiger Zeit im Stammwerk

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HegerGuss im benachbarten Enkenbach der größte und

schwerste Motorblock der Firmengeschichte mit mehr als vier

Metern Länge und 13.000 Kilogramm Stückgewicht gegossen.

Der daraus gebaute V16-Motor sei ein Prototyp mit großer

Zukunft und würde zur stationären Energieerzeugung

eingesetzt.

„Zur Formherstellung kam ein neues, selbst entwickeltes

Formverfahren zum Einsatz“, erläutert Heger, „dass bei einer

extrem komplexen Bauteilgeometrie gleichzeitig eine wesentlich

verbesserte Maßgenauigkeit des Gussteils ermöglicht.“ Lange

Kanäle in Längsrichtung würden nicht mehr aufwändig gebohrt,

sondern gleich beim Gießen gebildet. Das würde allerding noch

im traditionellen Verfahren gegossen – nicht auf fahrenden

Tischen.

Ansprechpartner:HegerGuss GmbH

Johannes HegerTel: 06303 – 803 111

[email protected]

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Fotos zum Artikel

Abguss der Eisenschmelze in die Gusspfanne

Säubern einer Nabe von Gussrückständen

Erstellen einer Gussform mit Spezialsand

Der Prototyp einer neuen Nabe wird vermessen

Eine 30-Tonnen-Nabe wird für den Transport auf einem Tieflader befestigt

Fotos: Gesamtmetall/Pit Junker

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