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INHALT Seite 4 Was zeichnet eine spezialisierte Abteilung für Hirntumorchirurgie und Chirurgie intrakranieller Metastasen mit interdiszipli- närer Vernetzung aus? Seite 5 Neue bzw. geänderte Essentials in der S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nach- sorge des Mammakarzinoms – Deutsche Krebsgesellschaft e.V. Seite 7 Hormontherapie nach der Menopause: Pro und Kontra Seite 8 Ohnmacht schon, aber Macht? – Eine Einführung zum Thema Seite 10 „Verum quia factum“ (G. Vico) – Wahr ist es, weil es gemacht ist. Philosophisch-theologische Anmerkungen zu unserem Umgang mit der Wirklichkeit Seite 16 Das Helfersyndrom – eine Demontage Seite 18 Die Schmerzmedikation aus Sicht des Rechts – Freiräume und Grenzen Seite 22 Miller-Preis für Früherkennung von malignen Mundhöhlen- läsionen an früheren Mitarbei- tern des HELIOS Klinikum Erfurt Seite 23 Selbsthilfegruppe „Harnblasen- tumor Thüringen“ – Hilfe durch Gespräche und Informationen Seite 24 Nationaler Krebsplan 02/2008 JOURNAL TUMORZENTRUM ERFURT Seit Juni dieses Jahres haben am HELIOS Klinikum Erfurt mehrere Fachdisziplinen ihre Arbeit in ei- nem interdisziplinären Neuro- und Kopfzentrum koordiniert. Dabei stehen im Bereich des Neurozen- trums derzeit vor allem neurovas- kuläre und neuroonkologische Er- krankungen im Vordergrund, wäh- rend das aus der Schädelbasis- gruppe hervorgegangene Kopf- zentrum die multidisziplinäre Be- handlung von Läsionen im Bereich des Schädels in der Nähe der Neu- roachse anstrebt. Ziel der Zusam- menfassung beider Zentren ist die optimale Koordination der Be- handlung der Patienten unabhän- gig von ihrem primären Eintritts- punkt in die Klinik. In der Klinik für Neurochirurgie wurde den erhöhten Anforderun- gen durch die Schaffung einer neuen Abteilung für vaskuläre, funktionelle und pädiatrische Neu- rochirurgie unter Leitung von Priv.- Doz. Dr. med. Rüdiger Gerlach (ehemals Leitender Oberarzt der Neurochirurgischen Universitäts- klinik Frankfurt) entsprochen. Sei- nen Beitrag über die Behandlung intrakranieller Tumoren und Me- tastasen finden Sie auf Seite 4. Neuro- und Kopfzentrum am HELIOS Klinikum Erfurt Die Corona radiata in DTI-Darstellung. Diffusion Tensor Imaging (DTI) basiert auf lokalen Informationen über die Struktur der weißen Substanz des Gehirns, welche durch Magnetresonanztomographie (MRT) gewonnen werden kann.

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INHALT

Seite 4�� Was zeichnet eine spezialisierteAbteilung für Hirntumorchirurgie und Chirurgie intrakraniellerMetastasen mit interdiszipli-närer Vernetzung aus?

Seite 5�� Neue bzw. geänderte Essentialsin der S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nach-sorge des Mammakarzinoms –Deutsche Krebsgesellschaft e.V.

Seite 7�� Hormontherapie nach der

Menopause: Pro und Kontra

Seite 8�� Ohnmacht schon, aber Macht? –

Eine Einführung zum Thema

Seite 10�� „Verum quia factum“ (G. Vico) –

Wahr ist es, weil es gemacht ist. Philosophisch-theologischeAnmerkungen zu unseremUmgang mit der Wirklichkeit

Seite 16�� Das Helfersyndrom –

eine Demontage

Seite 18�� Die Schmerzmedikation aus

Sicht des Rechts – Freiräumeund Grenzen

Seite 22�� Miller-Preis für Früherkennung

von malignen Mundhöhlen-läsionen an früheren Mitarbei-tern des HELIOS Klinikum Erfurt

Seite 23�� Selbsthilfegruppe „Harnblasen-tumor Thüringen“ – Hilfe durch Gespräche und Informationen

Seite 24�� Nationaler Krebsplan

02/2008

JOURNALTUMORZENTRUM ERFURT

Seit Juni dieses Jahres haben amHELIOS Klinikum Erfurt mehrereFachdisziplinen ihre Arbeit in ei-nem interdisziplinären Neuro- undKopfzentrum koordiniert. Dabeistehen im Bereich des Neurozen-trums derzeit vor allem neurovas-kuläre und neuroonkologische Er-krankungen im Vordergrund, wäh-rend das aus der Schädelbasis-gruppe hervorgegangene Kopf-zentrum die multidisziplinäre Be-handlung von Läsionen im Bereichdes Schädels in der Nähe der Neu-roachse anstrebt. Ziel der Zusam-menfassung beider Zentren ist dieoptimale Koordination der Be-

handlung der Patienten unabhän-gig von ihrem primären Eintritts-punkt in die Klinik.

In der Klinik für Neurochirurgiewurde den erhöhten Anforderun-gen durch die Schaffung einerneuen Abteilung für vaskuläre,funktionelle und pädiatrische Neu-rochirurgie unter Leitung von Priv.-Doz. Dr. med. Rüdiger Gerlach(ehemals Leitender Oberarzt derNeurochirurgischen Universitäts-klinik Frankfurt) entsprochen. Sei-nen Beitrag über die Behandlungintrakranieller Tumoren und Me-tastasen finden Sie auf Seite 4.

�� Neuro- und Kopfzentrum am HELIOS Klinikum Erfurt

Die Corona radiata in DTI-Darstellung.Diffusion Tensor Imaging (DTI) basiert auf lokalen Informationen über die Struktur der weißen Substanz des Gehirns, welche durch Magnetresonanztomographie (MRT) gewonnenwerden kann.

TAXOTERE® 20 mg/TAXOTERE® 80 mg. Wirkstoff: Docetaxel – verschreibungspfl ichtig. Zusammensetzung: 1 Durchstechfl asche Taxotere 20 mg/Taxotere 80 mg zur Einmalentnahme enthält Docetaxel als Trihydrat entsprechend 20 mg/80 mg Docetaxel (wasserfrei). Die viskose Lösung enthält 40 mg/ml Docetaxel (wasserfrei). Sonstige Bestandteile: Taxotere Durchstechfl asche: Polysorbat 80. Lösungsmittel-Durchstechfl asche: Ethanol in Wasser für Injektionszwecke. Anwendungsgebiete: In Komb. mit Doxorubicin od. Trastuzumab b. Patientinnen mit lokal fortgeschr. od. metastasiertem Brustkrebs oh. vorherige Chemotherapie. Monotherapie od. Komb. mit Capecitabin b. lokal fortgeschr. od. metastasiertem Brustkrebs nach Versagen einer vorherigen Chemotherapie, die ein Anthrazyklin od. Alkylanzien (bei Monotherapie) enthielt. In Komb. mit Doxorubicin u. Cyclophosphamid für die adjuvante Therapie bei operablem, nodal positivem Brustkrebs. In Komb. mit Cisplatin bei nicht resezierbarem, lokal fort-geschr. od. metastasiertem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom. Monotherapie bei lokal fortgeschr. od. metastasiertem, nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom nach Versagen einer vorherigen Chemotherapie. In Komb. mit Prednison od. Prednisolon zur Therapie des hormonrefraktären metastasierten Prostatakarzinoms. In Komb. mit Cisplatin u. 5-Fluorouracil zur Therapie des metastasierten Adenokarzinoms des Magens, einschließlich Adenokarzinom des gastroösophagealen Übergangs oh. vorherige Chemotherapie. In Komb. mit Cisplatin u. 5-Fluorouracil für die Induktionstherapie bei lokal fortgeschr. Plattenepithelkarzinom im Kopf-Hals-Bereich. Gegenanzeigen: Überempfi ndlichkeit gegenüber Docetaxel od. sonstigen Bestandteilen der Zubereitung. Neutrophilenzahl <1.500 Zellen/mm3. Schwangerschaft u. Stillzeit. Schwere Leberfunktionsstörung (hier Anwendung nur nach streng(st)er Indikationsstellung). Hinweise: Anwendung nur unter Aufsicht eines qualifi zierten Onkologen. Obligate Komedi-kation mit Kortikosteroiden zur Reduktion v. Häufi gkeit u. Schweregrad v. Flüssigkeitsretentionen u. Überempfi ndlichkeitsreaktionen. Strenge Überwachung v. a. während der 1. u. 2. Infusion mit Taxotere: möglich sind allergische Reaktionen wie starker RR-Abfall, Bronchospasmus od. generalisierte Hautausschläge/Erytheme. Regelmäßige Kontrollen des großen Blutbildes vor der Applikation v. Taxotere. Dosisred. bei eingeschränkter Leberfunktion u. beim Auftreten v. schweren peripheren Neuropathien. Cave bei schweren Flüssigkeitseinlagerungen. Kontrazeption unter Therapie u. mindestens 3 Monate danach. Sicherheit u. Wirksamkeit bei Kindern nicht erwiesen. Nebenwirkungen: unterschiedliche Schweregrade, bis schwer ausgeprägt. Häufi gkeiten auch abhängig von Kombinationspartnern. Gut- u. bösartige Neubildungen: sehr selten: akute myeloische Leukämie u. myelodysplastisches Syndrom in Komb. mit anderen Chemotherapeutika u./od. Radiotherapie. Sehr häufi g: nicht kumulative u. reversible Neutropenie; Fieber; Infektionen (wie Pneumonie, Sepsis); Anämie; Thrombozytopenie; Alopezie; Asthenie; Lethargie; Schlafl osigkeit; Myalgie; Arthralgien; Knochenschmerzen; Amenorrhoe; Dyspnoe; Epistaxis; Pharyngitis, Husten, Rhinorrhoe; in Komb. mit Trastuzumab sehr häufi g: Nasopharyngitis. Häufi g: Blutungen. Überempfi ndlichkeitsreaktionen, gewöhnlich mild bis mäßig. Häufi gste Symptome: Flush, Ausschlag mit u. ohne Juckreiz, Engegefühl i. d. Brust, Rückenschmerzen, Atemnot, Arzneimittelfi eber, Schüttelfrost. Berichte über anaphylaktischen Schock. Reversible Hautreaktionen, i. A. mild bis mäßig. Weniger häufi g schwere Symptome wie Hautausschläge mit Abschälungen, Nagelveränderungen, bei schweren Veränderungen mit Hypo-/Hyperpigmentierung, Schmerzen u. Nagelablösungen. Sehr selten: kutaner Lupus erythematodes, bullöse Ausschläge (Erythema multiforme, Stevens-Johnson-Syndrom), schwerwiegendes Hand-Fuß-Syndrom. Abhängig von der kumulativen Dosis Flüssigkeitsretention, periphere Ödeme u. weniger häufi g Pleuraergüsse, Perikardergüsse, Aszites u. Gewichtszunahme. Selten: Dehydratation u. Lungenödeme. Gastrointestinale Nebenwirkungen: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Anorexie, Obstipation, Stomatitis, Geschmacks-veränderungen, gastrointestinale Blutungen, Bauchschmerzen. Gelegentlich Ösophagitis. Selten Dehydration als Folge gastrointestinaler Störungen (einschl. Perforationen) sowie Neutropenie induz. Enterokolitis. Selten Ileus. Milde bis moderate neurosens. Anzeichen: Parästhesien, Sensibilitätsstörungen od. Schmerzen (auch brennend). Neuromotor.

Störungen prim. charakterisiert durch Schwäche, in seltenen Fällen Rigor (sehr häufi g in Komb. mit Trastuzumab). Selten Krämpfe u. vorübergehende Bewusstlo-sigkeit. Herz: Häufi g: Hypo- od. Hypertonie, Rhythmusstörungen od. Herzversagen. Selten: venöse Thromboembolien, Myokardinfarkt, Herzinsuffi zienz.

Häufi g: Anstieg von Serum-Transaminasen, Bilirubin u. alk. Phosphatase, sehr selten: Hepatitis. Reaktionen an der Einstichstelle i.d.R. schwach (Hyperpigmentierung, Entzündungen, Hautrötungen, Hauttrockenheit, Phlebitis, Extravasate, Venenschwellungen). Seltene Fälle von Hör-

störungen u./od. Verlust des Gehörs. Selten: akutes Atemnotsyndrom, interstitielle Pneumonie u. Lungenfi brose, strahleninduz. Re-aktionen (Radiation-Recall-Phänomen). Seltene Fälle von Strahlenpneumonitis bei gleichzeit. Radiotherapie. Selten Tränenfl uß

mit/oh. Konjunktivitis, Tränenkanalverschluß, sehr selten vorübergehende Sehstörungen während der Infusion. In Einzel-fällen: Berichte von sek. Leukämien nach einer Komb. mit Cyclophosphamid u. Doxorubicin; disseminierter intrava-

saler Koagulation (DIC) in Verbindung mit Sepsis od. multiplem Organversagen. Pharmazeutischer Unternehmer: Aventis Pharma S.A., 20 Avenue Raymond Aron, F-92165 Antony Cedex, France. Postanschrift: Sanofi -Aventis

Deutschland GmbH, Potsdamer Straße 8, 10785 Berlin. Stand: Nov 2007 (011905). AVS 702 07 004d-012038 in lung cancer

Die Chemotherapie hat mirgeholfen. Danke!

av214309_1Taxotere_004d_A4 1 14.10.2008 11:43:07 Uhr

�� SSee iittee 33 ��JJOOUURRNNAALL 0022//22000088

Wir wünschen allen Mitgliedern, Partnern, Freunden und Förderern

des Tumorzentrum Erfurt e.V. ein frohes Weihnachtsfest

und ein gesundes neues Jahr.

Wir danken Ihnen herzlich für Ihr Engagement und hoffen auf eine

weitere gute Zusammenarbeit.

Prof. Dr. Berthold Ulshöfer

Vorsitzender des Vorstandes

Prof. Dr. Hartwig Kosmehl

Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates

Dr. Hubert Göbel

Geschäftsführer

�� SSeeiittee 44 �� JJOOUURRNNAALL 0011//22000055JJOOUURRNNAALL 0022//22000088

�� Was zeichnet eine spezialisierteAbteilung für Hirntumorchirurgie undChirurgie intrakranieller Metastasenmit interdisziplinärer Vernetzungaus?

Rüdiger GerlachKlinik für Neurochirurgie, HELIOS Klinikum Erfurt

Die Behandlung von Erwachsenen und Kindern mit hirn-eigenen Tumoren, aber vor allem mit Metastasen stellteine interdisziplinäre Herausforderung dar. Neue diagno-stische MRT-Untersuchungen können bereits vor derOperation durch spezielle Darstellungen der Stoffwech-selaktivität des Tumors und der Durchblutung Aussagenzur Art der Raumforderung machen und dadurch über diestrukturelle MRT-Bildgebung hinaus zu einer besserenCharakterisierung der Tumore beitragen. FunktionelleMRT-Untersuchungen (fMRT) helfen funktionstragendeHirnareale, wie Bewegungs- und Sprachzentrum darzu-stellen. Problematisch ist dabei oft, inwieweit durchintrakranielle Tumore angrenzende Hirnanteile kompri-miert, verschoben oder infiltriert werden. Das betrifftsowohl die Hirnrinde als auch die Faserbahnsysteme, diefür die Vernetzung verschiedener Hirnanteile vonBedeutung sind. Für den Neurochirurgen ist es wichtig, imRahmen der Planung einer Operation möglichst viele die-ser Detailinformationen zu bündeln und in die Beratungdes Patienten über eine mögliche Operation einfließen zulassen. Moderne computerunterstützte Operationsverfah-ren mit integrierter Neuronavigation ermöglichen dieIntegration sämtlicher vor der Operation erhobener Datenin den Operationsablauf. Insbesondere durch fMRT undFaserbahndarstellung von funktionellen Bahnsystemen(DTI) lassen sich Strukturen definieren, die in jedem Fallwährend der Operation geschont werden müssen, umzusätzliche neurologische Defizite bei den Patienten zuvermeiden. Die konsequente intraoperative, neurophysio-logische Überwachung durch Ableitung sensorisch undmotorisch evozierter Potentiale erhöht die Sicherheit dermikrochirurgischen Resektion des Tumors. Eine direkteStimulation der Hirnrinde und der im Marklager befindli-chen Faserbahnensysteme hilft, Regionen mit motorischerFunktion zu identifizieren und zu schonen. Darüber hin-aus kann man aber mit Erfahrung in diesen Stimulations-techniken das Ausmaß der operativen Resektion derTumore verbessern und sehr nah an eloquenten Hirn-arealen Tumore entfernen. Tumore im - oder in der Nähedes - Sprachzentrums können durch eine Überwachungder Sprachfunktion während der Operation bei wachenPatienten ebenfalls mit hoher Sicherheit entfernt werden.Zusätzliche Tests dienen der Verhinderung neuropsycho-logischer Störungen, die nach der Entfernung vonTumoren insbesondere in der dominanten Hemisphäreauftreten können. Durch die Etablierung einer speziellenAbteilung, welche sich unter anderem auf die Chirurgievon Tumoren in der Nähe funktionell-eloquenter Hirn-areale fokussiert ergibt sich in der Klinik für Neuro-chirurgie des HELIOS Klinikum Erfurt erneut eine deutlicheErweiterung des Behandlungsspektrums. Der Vorteil einersolchen Spezialisierung, die durch Anwendung aller der-

zeit verfügbaren Technologien eine funktionelle Absiche-rung während der Tumorresektion in hohem Maße garan-tiert, liegt auf der Hand: parallel zu einer noch präziserenund vollständigeren Tumorresektion erhöht sich diePatientensicherheit. Darüber hinaus steigt auch dieQualität der Weiterbildung auf diesem Gebiet.

Komplexe Hirntumore in eloquent gelegenen Hirnarealensollten nur in speziellen Zentren behandelt werden, diesowohl die optimale technische Ausrüstung als auch diepersonellen Ressourcen zur Verfügung haben. Auch fürKinder, bei denen Hirntumore häufig im Bereich des vier-ten Ventrikels und in der Nähe des Hirnstammes auftre-ten, ist ein qualitativ hochwertiges Monitoring essentiellund führt zu einer erhöhten Sicherheit bei der Operation.

Auf einer speziellen neuroanästhesiologisch bzw. beiKindern pädiatrisch geführten Intensivstation erfolgt nachder Operation die obligate Überwachung der Patienten.Während des Genesungsprozesses innerhalb der ersten 5-7 Tage nach der Operation stellt der Neuropathologeanhand morphologischer, histochemischer und molekula-rer Charakteristika die Diagnose und Graduierung desTumors. Im Rahmen des neu etablierten Kopf- undNeurozentrums am HELIOS Klinikum Erfurt wird dann ent-sprechend der pathologischen Befunde ein Therapieplanerstellt und die weiterführende Behandlung initiiert. Inenger Kooperation mit niedergelassenen Kollegen und –wie im Besonderen im Falle der Metastasenbehandlung –mit den entsprechenden Disziplinen im eigenen klinischenZentrum erfolgt die weitere adjuvante Behandlung undVerlaufskontrolle.

Abb. 1 Patient mit einem großen links unmittelbar hinter derZentralregion gelegenen Tumor, bei dem präoperativ die Darstellungder Faserbahnsysteme erfolgte und in die Neuronavigation integriert wurden. In der vergrößerten Abbildung erkennt man gut, dass derTumor die Fasersysteme verschoben hat, und daher die Möglichkeit der Exstirpation besteht.

Korrespondenzadresse:

Priv.-Doz. Dr. med. Rüdiger GerlachAbteilung für vaskuläre, funktionelle und pädiatrischeNeurochirurgie, Klinik für NeurochirurgieHELIOS Klinikum Erfurt Nordhäuser Str. 74 99089 ErfurtTelefon 0361 781 2261 e-Mail: [email protected]

�� SSee iittee 55 ��JJOOUURRNNAALL 0022//22000088

�� Neue bzw. geänderte Essentials inder S3-Leitlinie für die Diagnostik,Therapie und Nachsorge desMammakarzinoms – DeutscheKrebsgesellschaft e.V.

Anja MerteKlinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe,HELIOS Klinikum Erfurt

Im Juni 2004 wurde die erste Version der interdisziplinä-ren S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorgedes Mammakarzinoms veröffentlicht. Sie ist unter derFederführung der Deutschen Krebsgesellschaft im Kon-sens mit 24 weiteren Fachgesellschaften und Organi-sationen erarbeitet worden und bildet die Grundlage desZertifizierungssystems von DKG und DGS.Im Januar 2008 wurde die aktualisierte 2. Version dieserLeitlinie veröffentlicht. Neben der Neufassung einesKapitels „Präinvasive Läsionen“ und der kompletten Über-arbeitung der Kapitel „Pathologie“, „Adjuvante Strahlen-therapie“ und „Nachsorge“ umfasst sie 104 Statementsund Anmerkungen.

Für den klinischen Alltag wichtige und zum Teil neue bzw.geänderte Statements sollen im Folgenden kurz vorge-stellt werden:

Die histologische Diagnostik abklärungsbedürftigerBefunde soll durch Stanzbiopsie, Vakuumbiopsie oderoffene Biopsie erfolgen. Bei der interventionellen, vor-zugsweise sonographisch gesteuerten Stanzbiopsie soll-ten mehr als 3 repräsentative Proben entnommen wer-den. (Statement Stag-5)

Der mikroskopisch gemessene Sicherheitsabstand zwi-schen Tumor und Resektionsrand sollte 1 mm oder mehrfür das invasive Karzinom und 5 mm oder mehr für dasDCIS betragen. (Statement Allg-2, Allg-3)

Eine postoperative Bestrahlungsbehandlung nach brust-erhaltender Operation wegen eines DCIS senkt die Rate aninvasiven und nichtinvasiven Lokalrezidiven.(Statement DCIS-4)Zur medikamentösen Therapie des DCIS wird in einerAnmerkung Stellung genommen. Hier liegen nur Datenfür das Tamoxifen vor. Es gibt keine Indikation für einenroutinemäßigen Einsatz von Tamoxifen. Nach individuel-ler Abwägung ist bei Vorliegen der Risikofaktoren Alter< 50 J., G3 und unzureichende Resektatränder der Einsatzvon Tamoxifen empfohlen.

Die Bestimmung des histologischen Nodalstatus istBestandteil der operativen Therapie des invasivenMammakarzinoms. Diese soll mit Hilfe der Sentinel-lymphknotenentfernung (SLNE) erfolgen. Die SLNE ist hin-sichtlich der lokalen Kontrolle der Axilladissektion gleich-wertig, aber die Morbidität ist signifikant reduziert. Wennkeine SLNE möglich oder der Sentinellymphknoten befal-len ist, müssen mindestens 10 Lymphknoten aus Level Iund II entfernt werden. (Statement Allg-7)

Abb. 2 Darstellung eines Rezidiv-Glioms (initial Grad II nach WHOGraduierung) links frontal in der Nähe des Sprachzentrums (Broca) bei einem jungen bilingualen Patienten (Deutsch/ Italienisch) 7 Jahrenach der ersten Operation. Links Darstellung des Tumors in derNeuronavigation mit Segmentierung des Tumors (lila) partiell durchdie Oberfläche durchscheinend und rechts der intraoperative Situs(Orientierung wie auf dem Navigationsbild links) nach ausführlicherTestung und erneuter Resektion im Rahmen einer Wachoperation. Die Tumorhöhle reicht bis etwa 1,5 cm an die sowohl für die deutscheals auch italienische Sprache positiv gestesteten Areale heran (durchBuchstaben und Zahlen markiert), bei deren Stimulation einSpeecharrest (A, N2) und semantische Sprachstörungen aufraten.Nach der vollständigen Resektion des Tumors hatte der Patient keineSprachstörungen. Die histologische Diagnose bestätigte die anhandder präoperativen Bildgebung vermutete Malignisierung in einAstrozytom WHO-Grad III.

�� SSeeiittee 66 �� JJOOUURRNNAALL 0011//22000055JJOOUURRNNAALL 0022//22000088

Die intraoperative Dignitätsfestlegung durch Schnell-schnitt soll nur ausnahmsweise erfolgen. Voraussetzun-gen für einen Schnellschnitt sind:• die Läsion ist intraoperativ und im Präparat palpabel• die Läsion ist groß genug (> 10mm).(Statement Patho-6)

Bei prämenopausalen Frauen kann die Ausschaltung derOvarialfunktion durch GnRH-Analoga, Ovarektomie oderRadiomenolyse die Krankheit günstig beeinflussen. EineTherapie mit GnRH-Analoga sollte über mindestens 2Jahre erfolgen. Die Wirksamkeit der Ovarialfunktionsaus-schaltung nach Chemotherapie ist ungewiss. (StatementAdj-7)

Bei der sicher postmenopausalen Frau sind Aromatase-hemmer der 3. Generation dem Tamoxifen überlegen. Beientsprechender Risikokonstellation können diese primärfür 5 Jahre, für 2-3 Jahre im Wechsel nach 2-3 JahrenTamoxifen oder für 5 Jahre nach 5 Jahren Tamoxifen ver-abreicht werden. (Statement Adj-8)

Eine adjuvante Kombinationschemotherapie (Dreierkom-bination) soll ein Anthrazyklin enthalten. Patientinnen mitbefallenen axillären Lymphknoten sollten eine adjuvanteKombinationstherapie mit Taxanen erhalten. (StatementAdj-11, Adj-12)

Die neoadjuvante Chemotherapie stellt eine alternativeBehandlungsmöglichkeit für Frauen dar, bei denen eineIndikation für eine Mastektomie vorliegt, die aber einebrusterhaltende Operation wünschen. Der Effekt ist beirezeptornegativen Karzinomen am größten. Eine Resek-tion in den neuen Tumorgrenzen ist möglich, wenndadurch eine R0-Resektion mit ausreichendem Sicher-heitsabstand erreicht werden kann. (Statement Adj-13)

Folgende Webseiten stehen im Netz zur Verfügung:www.senologie.org/leitlinienwww.ago-online.org

Korrespondenzadresse:

Dr. med. Anja MerteKlinik für Frauenheilkunde und GeburtshilfeHELIOS Klinikum ErfurtNordhäuser Straße 7499089 ErfurtTelefon 0361-781 4001Telefax 0361-781 4002e-Mail: [email protected]

Adjuvante Upfront-Therapie postmenopausaler Frauen mit HR+ primärem Mammakarzinom

FEMARA® reduzierte in der BIG 1-98 Studie das frühe Fernmetastasen-Risiko bei allen Patientinnen*, ** nach 51 Monaten signifi kant1.

KRAFTVOLL VON ANFANG AN

w w w . f e m a r a . d e

Frühe Fernmetastasen. FEMARA® kann das

verhindern.

* postmenopausale Frauen mit hor-monrezeptorpositivem primärem Mammakarzinom

** FEMARA® im Vergleich zu Tamoxifen*** vorhergehende 26-Monats-Auswer-

tung mit 8.010 Patientinnen, BIG1-98 Group, NEJM 2005; 353 (26): 2747–2757; HR = 0,73, DDFS; p = 0,001

1. Coa tes AS et al. J Clin Oncol. 2007; 25(5): 486-492.

Reduktion des Risikos früher Fernmetastasen vs. Tamoxifen (4.922 Patientinnen, p = 0,03) (HR = 0,81,95 % Cl: 0,67–0,98)***

– 19 %

Femara® 2,5 mg, Filmtabletten

Wirkstoff: Letrozol. Zusammensetzung: Eine Filmtablette enthält: Arzneilich wirksamer Bestandteil: 2,5 mg Letrozol; sonstige Bestandteile: Hochdisperses Silicium-dioxid, mikrokristalline Cellulose, Lactose-Monohydrat, Magnesiumstearat, Mais-stärke, Poly(O-carboxymethyl)stärke, Natriumsalz, Hypromellose, Macrogol 8000, Talkum, Titandioxid (E171), Eisenoxidhydrat (E172). Anwendungsge-biete: Adjuvante Therapie postmenopausaler Frauen mit hormonrezeptorposi-tivem primärem Mammakarzinom. Erweiterte adjuvante Therapie des hormon-abhängigen primären Mammakarzinoms bei postmenopausalen Frauen nach vorheriger adjuvanter Standardtherapie mit Tamoxifen über 5 Jahre. First-Line-Therapie des hormonabhängigen fortgeschrittenen Mammakarzinoms bei post-menopausalen Frauen. Behandlung des Mammakarzinoms im fortgeschrittenen Stadium nach Rezidiv oder Progression der Erkrankung bei Frauen, die sich physiologisch oder nach einem künstlichen Eingriff in der Postmenopause befin-den und die zuvor mit Antiöstrogenen behandelt wurden. Bei Patientinnen mit hormonrezeptornegativem Brustkrebs ist die Wirksamkeit nicht belegt. Gegen-anzeigen: Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der sons-tigen Bestandteile. Prämenopausaler Hormonstatus, Schwangerschaft, Stillzeit. Nebenwirkungen: Sehr häufig ( 10 %): Arthralgie, Schweißausbrüche, Hitze-wallungen. Müdigkeit inkl. Schwächegefühl. Häufig ( 1 %–< 10 %): Appetitlosig-keit, erhöhter Appetit, Hypercholesterinämie, Depression, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Dyspepsie, Obstipation, Diarrhö, Alopezie, Hautausschlag, Myalgie, Knochenschmerzen, Osteoporose, Knochenfrakturen, Unwohlsein, periphere Ödeme, Gewichtszunahme. Gelegentlich ( 0,1 %–< 1 %): Harnweginfektionen, Tumorschmerzen (nicht zutreffend in der adjuvanten und erweiterten adjuvanten Therapie), Leukopenie, generalisierte Ödeme, Angststö-rungen einschl. Nervosität, Reizbarkeit, Schläfrigkeit, Schlaflosigkeit, Gedächtnis-störungen, Empfindungsstörungen einschl. Parästhesie und Hypästhesie, Ge schmacksstörungen, zerebrovaskulärer Insult, Katarakt, Augenreizung, ver-schwommenes Sehen, Herzklopfen, Tachykardie, Throm bophlebitis einschl. oberflächiger und tiefer Thrombophlebitis, Blutdruckanstieg, ischämische kardia-le Ereignisse, Atemnot, abdominale Schmerzen, Stomatitis, Mundtrockenheit, Anstieg der Leberenzyme, Pruritus, trockene Haut, Urtikaria, Arthritis, häufige Miktion, Vaginalblutung, Ausfluss, trockene Vagina, Brustschmerzen, Fieber, tro-ckene Schleimhäute, Durstgefühl, Gewichtsverlust. Selten ( 0,01 %–< 0,1 %): Lungenembolie, arterielle Thrombose, Hirninfarkt. Unbekannt: Angioödeme, anaphylaktische Reaktionen. Warnhinweis: Enthält Lactose. Weitere Anga-ben siehe Fachinformation. Verschreibungspflichtig. Darreichungsformen und Packungsgrößen: 30 Filmtabletten (N1); 100 Filmtabletten (N3). Stand: Dezember 2008 (MS 11/8.9).Novartis Pharma GmbH, 90327 Nürnberg. Tel.: (09 11) 273-0; Fax: (09 11) 273-12 653. www.novartis.de Mitvertreiber: Wyeth Pharma GmbH, Wienburgstr. 207, 48159 Münster,Tel.: (0251) 204-0, Fax: (0251) 204-1128, www.wyeth.deNovartis Pharma Vertriebs GmbH, 90327 NürnbergNovartis Pharma Marketing GmbH, 90327 NürnbergNovartis Pharma Distributions GmbH, 90327 NürnbergNovartis Pharma Arzneimittel GmbH, 90327 Nürnberg

�� SSee iittee 77 ��JJOOUURRNNAALL 0022//22000088

�� Hormontherapie nach derMenopause: Pro und Kontra

Udo B. HoymeKlinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe,HELIOS Klinikum Erfurt

Östrogene und Progestagene werden in der Peri- undPostmenopause mit dem Ziel der Behandlung klimakteri-scher Beschwerden, insbesondere von Hitzewallungenund Schweißausbrüchen eingesetzt. Bei der überwiegen-den Zahl der Frauen ist dies jedoch glücklicherweise nurwenige Jahre erforderlich. Insbesondere eine langfristigeHormonanwendung schützt aber zweifelsfrei auch vorder Osteoporose, ein Schutz vor kardiovaskulären Erkran-kungen ist hingegen nicht eindeutig belegt.

In einigen sehr umfangreichen Studien haben sich in denletzten Jahren Hinweise dafür ergeben, dass unter derHormoneinnahme das Brustkrebsrisiko steigen könnte,dass aber zugleich nach Absetzen der Therapie dieHäufigkeit der östrogenrezeptorpositiven Karzinome auchwieder abnimmt. Schlussendlich gestatten die aus zahlrei-chen Ländern mit teilweise sehr unterschiedlichenBehandlungsstrategien vorliegenden Statistiken auchweiterhin keine gesicherte Einschätzung, ob und in wel-chem Maße die Hormongabe einen Brustkrebs wirklichauslösen kann oder ob diese Therapie eine bereits beste-hende Erkrankung nur unterhält bzw. vorantreibt. Esmuss zudem bedacht werden, dass zum Zeitpunkt derHormoneinnahme unmittelbar nach der Menopausebereits etwa 40 % aller Frauen meist mehrere, allerdingssehr kleine und dadurch nicht erkennbare Mammakarzi-nome aufweisen, die während der vorangegangenenJahre unter dem Einfluss der vom eigenen Eierstock pro-duzierten Hormone entstanden sein müssen. Dies lässt dieBedeutung der von außen zugeführten Hormone für dasmit dem Alter ohnehin ansteigende Brustkrebsrisiko ineinem durchaus anderen Licht erscheinen.

Wegen der emotionalen Belastung des Themas und inVerbindung mit Vorurteilen sowie mangelndem Wissenwird eine sachliche Diskussion derzeit immer wiedererschwert. Es darf vermutet werden, dass die berichteterelativ geringfügige Zunahme der Brustkrebsdiagnosenunter einer Hormonersatztherapie wirklich und aus-schließlich nicht durch die Auslösung sondern durch dieStimulation des Wachstums einiger bereits vorhandenerhormonsensitiver Tumoren zustande kommt. Andererseitsgibt es Hinweise darauf, dass gerade eine Hormonthera-pie vor der Brustkrebsdiagnose die Metastasierung, dieRezidivrate sowie die Mortalität in einem Zeitraum vonmehr als 10 Jahren eindeutig vermindert, sich also gera-dezu günstig auswirkt. Dies hat mit dem positiven Hor-moneinfluss auf eine Gefäßneubildung, die Durchblutungund damit auf die Metastasierungsneigung des Tumors zutun. Zweifel an der Verursachung des Brustkrebses durchHormone resultieren auch aus der Beobachtung, dass ins-besondere bei Frauen mit Übergewicht und/oderStoffwechselstörungen ein hohes Krebsrisiko sogar inAbwesenheit von exogenen Hormonen besteht.

Unter sozialpolitischen und sozialmedizinischen Aspektenerscheint bedeutsam, dass die immer wieder diskutiertenangeblichen Spareffekte für die Kassen durch zurückge-hende Häufigkeit der Hormonverordnung ein nicht sehrweit gedachtes Argument darstellen, da dem stark gestie-gene Kosten für Osteoporosepräparate und vielleichtauch Psychopharmaka nach der Menopause gegenüberstehen dürften. Kassendaten sind hierzu nicht bekannt,ebenso nichts zu den ebenfalls möglichen Einflüssen aufHäufigkeit und Dauer einer Arbeitsunfähigkeit.

Es steht im Fazit außer Zweifel, dass die Hormongabe wiejede andere wirksame Therapie nicht absolut nebenwir-kungsfrei sein kann. Dies bedeutet, dass Wirkung undNebenwirkung einer Behandlung sorgfältig im Gesprächmit der Patientin abgewogen werden müssen, bevor diezeitlich begrenzte Verschreibung erfolgt. Dies bedeutetaber bei der gegenwärtigen Datenlage auch, dass derunstrittige Zugewinn an Lebensqualität durch Hormon-behandlung ärztlicherseits nicht von vornherein unterVerweis auf die (nicht ausreichend belegten und allenfallsvergleichsweise geringfügigen) Brustkrebsrisiken verhin-dert bzw. ausgeschlossen werden darf.

Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. med. Udo B. HoymeKlinik für Frauenheilkunde und GeburtshilfeHELIOS Klinikum ErfurtNordhäuser Str. 7499089 ErfurtTelefon 0361-781 4001e-Mail: [email protected]

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�� Ohnmacht schon, aber Macht? –Eine Einführung zum Thema

Einführungsvortrag zum 4. Palliativsymposium derZentralklinik Bad Berka am 28.06.2008 unter demMotto „Das Palliativteam im Spannungsfeld vonMacht und Ohnmacht“

Christina MüllerKlinik für Palliativmedizin, Zentralklinik Bad Berka

In Vorbereitung des Symposiums haben wir zum eineneine Patientenbefragung zu den Erwartungen an dieBehandlung auf einer Palliativstation durchgeführt undzum anderen haben wir die Teams aller ThüringerPalliativstationen zu Patientenerwartungen sowie zu eige-nen Gefühlen von Ohnmacht und Macht befragt.

Patientenbefragung 01.02.2008 bis 14.03.2008In diesem Zeitraum wurden 52 Patienten neu auf diePalliativstation der Zentralklinik Bad Berka aufgenommen.42 von ihnen waren in der Lage, die gestellten Fragen zubeantworten. 100% der befragten Patienten hatten einefortgeschrittene Tumorerkrankung mit hoher Symptom-last. Die Befragung erfolgte per Interview am Aufnah-metag nach Erstellung der Anamnese, Erhebung des kli-nischen Befundes und nach Aushändigung eines Flyersder Palliativstation.

Der einfach konzipierte Fragebogen enthielt folgendeFragen:

Was erwarten Sie von der Behandlung auf der Palliativ-station?1. Dass Sie wieder gesund werden ? Ja / Nein

Falls Sie mit „Nein“ geantwortet haben:2. Dass Ihr Leben verlängert wird ? Ja / Nein

Falls Sie Frage 2 mit „JA“ beantwortet haben:3. - um Wochen?

- um Monate?- um Jahre?

Ergebnisse

Frage 1 (Gesundheit):Von 42 Patienten antworteten 17 mit Ja (41 %) und 25 Pa-tienten mit Nein (59 %).Eine eindeutige Altersabhängigkeit der Antworten warennicht feststellbar.

Wörtliche Antwortbeispiele: • Patient mit fortgeschrittenem NSCLC (geb. 1923): „ Ja,

gesund wollen wir doch alle werden!“• Patientin mit fortgeschrittenem Zervixkarzinom (geb.

1954): „Ja, ich nehme alles mit, um das zu erreichen.“

Frage 2 (Lebensverlängerung):Von 25 Patienten antworteten 17 Patienten mit Ja (68 %)und 8 Patienten mit Nein (32 %).Auch hier war eine eindeutige Altersabhängigkeit nicht zueruieren.

Wörtliche Antwortbeispiele:• Patient mit extrem ossär metastasiertem Harnblasen-

karzinom (geb. 1963): „Ja, Lebensverlängerung um Jahre, besser auf ewig!“

• Patient mit multipel metastasiertem Fibrosarkom des linken Unterschenkels (geb. 1965):„Ja, Lebensverlängerung um Jahre nach dem Motto - so lange wie möglich, so gut wie möglich.“

Frage 3 (Lebensverlängerung um Jahre, Monate,Wochen):Von 17 Patienten haben 13 geantwortet: 5 „um Jahre“, 2 „um Monate“, 6 „um Wochen“.Fazit: • 17 von 42 Patienten erwarten von der palliativmedizi-

nischen Komplexbehandlung Heilung• 17 von 42 Patienten erwarten von der palliativmedizi-

nischen Komplexbehandlung eine Lebensverlänge-rung; 5 Patienten aus dieser Gruppe erwarten eine Lebensverlängerung um Jahre

• 8 von 42 Patienten erwarten keine Lebensverlänge-rung, sondern „nur eine Verbesserung belastender Symptome“

Das führt zu der Feststellung: 22 von 42 Patienten erwar-ten vom Team einer Palliativstation etwas, was diesesTeam definitiv nicht bieten kann.

Befragung von Palliativteams der Palliativstationendes Freistaates Thüringen im 1. Quartal 2008An die Teams aller Thüringer Palliativstationen wurdenFragebögen folgenden Inhaltes verschickt.

Allgemeiner Teil:• Berufsgruppe?• Geschlecht?• Alter?

Spezieller Teil:1. Meinen Sie, dass Patienten auf Ihrer Palliativstation

von einer palliativmedizinischen Komplexbehandlung erwarten, dass Sie wieder gesund werden? Ja / NeinFalls ja: Wie hoch schätzen Sie den Anteil dieser Patienten auf Ihrer Station ein?0 – 5 % 5 - 10% 10 – 20% über 20%

2. Für wie hoch halten Sie den Anteil der Patienten, die zwar keine Genesung, aber eine Lebensverlängerung von Jahren durch die palliativmedizinische Komplex-behandlung erwarten?0 – 5 % 5 - 10% 10 – 20% über 20%

3. Kennen Sie bei Ihrer Tätigkeit auf der Palliativstation das Gefühl der Ohnmacht? Ja / NeinFalls ja: Wie oft fühlen Sie sich ohnmächtig? eher selten oft sehr oft

4. Welche Situationen oder Symptome rufen bei Ihnen das Gefühl der Ohnmacht hervor (Mehrfachnennun-gen möglich)?schwer beherrschbare Schmerzenschwer beherrschbare LuftnotAngst VerzweiflungEinsamkeitillusionäre Verkennung der Situation durchden Patienten und/oder seine Angehörigen

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5. Kennen Sie das Gefühl, Macht zu haben im Rahmen Ihrer Tätigkeit auf einer Palliativstation?Falls ja: In welchen Situationen?

Ausgewählte Ergebnisse

7 von 9 Palliativteams haben sich beteiligt. Insgesamterhielten wir 73 vollständig beantwortete Fragebögenzurück.

Berufsgruppen:• Pflege 44 (60 %)• Ärzte 8 (11 %)• Physiotherapeuten 6 ( 8 %)• Psychologen 4 ( 5 %)• Ergotherapeuten 3 ( 4 %)• Seelsorger 3 ( 4 %)• Sozialdienst 2 ( 3 %)• Hospizmitarbeiter 3 ( 4 %)

Geschlecht:• männlich 13 (18 %)• weiblich 55 (75 %)• ohne Angabe 5 ( 7 %)

Alter:• unter 30 Jahre 15 (21 %)• 30 – 39 Jahre 39 (54 %)• 40 – 49 Jahre 9 (12 %)• 50 – 59 Jahre 9 (12 %)• über 60 Jahre 1 ( 1 %)

Frage 1 (Erwartung Gesundheit):29 Befragte (40 %) antworteten mit Nein. 44 Mitarbeiter (60 %) haben mit Ja geantwortet.Bemerkenswert ist, dass nahezu ein Viertel (23 %) dieserGruppe den Anteil von Patienten, die mit der Erwartung„Gesundheit“ auf eine Palliativstation kommen, auf über20 % schätzen.

Frage 2 (Erwartung Lebensverlängerung):Der Anteil von Patienten, die mit der Erwartung einerLebensverlängerung um Jahre auf eine Palliativstationkommen, wird von 31 % der Mitarbeiter auf über 20 %geschätzt.

Frage 3 (Gefühl der Ohnmacht)96 % der Mitarbeiter der Thüringer Palliativstationengeben an, bei ihrer Tätigkeit das Gefühl der Ohnmacht zukennen. Von diesen haben 57 % häufig das Gefühl derOhnmacht.

Frage 4 (Situationen, die Ohnmacht hervorrufen)Am häufigsten verursacht das Symptom der schwerbeherrschbaren Luftnot das Gefühl der Ohnmacht (46Mitarbeiter), gefolgt von der illusionären Verkennung derSituation durch Patienten und/oder Angehörige (45Mitarbeiter).

Frage 5 (Gefühl der Macht)Nur von 17 Mitarbeitern (24 %) wurde die Frage mit Jabeantwortet.

Einige Antwortbeispiele zu Macht – Ja: • „Ich bin gesund (hoffentlich, relativ), ich darf (noch)

leben, ich stehe – viele Patienten liegen, ich darf Interpretationen anbieten (?), ich kann aus dem Krankenzimmer wieder weggehen, ich darf Begleitung für einen zeitlich begrenzten Rahmen anbieten“ (Seelsorge)

• „Als „Gesunde“ den Kranken gegenüberzustehen“ (Psychologin)

• „Patienten bei Entscheidungsfindung beeinflussen (führen), Gabe von Analgetika und Antikrebsmitteln, Sedierung usw. – „Beherrschung“ von Symptomen und Situationen“ (Ärztin)

• „Entscheidungen allein treffen zu müssen, die im Weiteren den Verlauf relevant beeinflussen“ (Arzt)

• „Macht in Form von „gut tun“, Klärung, Hinweise, Lösungsansätze finden lassen“ (Hospizdienst)

• „Ich kann es schwer in Worte fassen – bei palliativer Sedierung?, bei Aufklärungsgesprächen?“ (Ärztin)

• „Macht im Sinne von helfen zu wollen mit unseren auf einer Palliativstation üblichen Medikamenten – Schmerzbehandlung! Macht ausnutzen, dass Patient uns vertraut und seine Schmerzen uns gegenüber äußert und wir ihm seine Schmerzen dann auch neh-men können.“ (Pflege)

• „Keine Angabe – ungeklärtes Gefühl“ (Seelsorge)• „Macht über Leben und Tod (terminale Sedierung),

macht mir eher Angst, zu denken, Leben bzw. Sterben in der Hand zu haben, das Zünglein an der Waage zu sein“ (Arzt)

• „Oft unterwerfen sich Patienten und Angehörige – ergeben sich, lassen alles mit sich machen. Bei starken Schmerzen der Patienten habe ich die „Macht“, Bedarfsmedikation auszuteilen“ (Pflege)

Bei der Auswertung der Fragebögen stießen wir auf eineinteressante Subgruppe: 3 von 73 Mitarbeitern (4 %) antworteten auf die Fragenach dem Gefühl der Ohnmacht mit „Nein“. Zu dieserGruppe gehörten 2 Pflegende und ein Arzt bzw. eine Ärz-tin. Davon erlebt sich der Arzt / die Ärztin als nicht ohn-mächtig mit Macht. Die zwei Pflegenden erlebten sich alsnicht ohnmächtig, aber gleichzeitig auch machtlos. Aufeine Interpretation dieses Sachverhaltes wird an dieserStelle bewusst verzichtet.

Zusammenfassung52 % der befragten Patienten erwarten Gesundheit bzw.Lebensverlängerung um Jahre von der Behandlung auf ei-ner Palliativstation. Für 62 % der Mitarbeiter in Palliativ-teams löst diese Tatsache ein Gefühl der Ohnmacht aus.Nur 19 % der Patienten erwarten Symptomverbesserungund Verbesserung/Erhalt von Lebensqualität. Daraus ergibt sich die Frage, ob der „Palliativpatient“ viel-leicht eine idealisierte Wunschvorstellung ist: • sorgfältig abgeklärtes Krankheitsbild in einer wirklich

terminalen oder finalen Situation• gut aufgeklärter Patient mit gut aufgeklärter Familie

und souveräner Krankheitsverarbeitung• Patient, der „apparatemedizinüberdrüssig“ ist und

dem es nur und ausschließlich um eine Verbesserung belastender Symptome geht

• Patient, der gut symptomkontrolliert „letzte Dinge“ autonom regeln möchte

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• Patient, der „lebenssatt“ sterben möchte und zwar selbstbestimmt und in Würde

Sieht die klinische Realität auf Palliativstationen nicht viel-leicht ganz anders aus: • nicht selten diagnostischer Klärungsbedarf• unaufgeklärter (?) Patient/Familie• Patient, der alle modernen medizinischen Maßnahmen

einfordert, weil er leben und nicht sterben will• Lebenswunsch trotz Todesnähe und nicht Sterbe-

wunsch weil TodesnäheHinsichtlich der Frage nach Macht/Ohnmacht an Mit-arbeiter von Palliativstationen fällt auf, dass die Mehrzahlder Mitarbeiter auf Palliativstationen das Gefühl derOhnmacht sehr gut kennt und es auch häufig verspürt,dass aber nur eine kleine Minderheit der Befragten angibt,auch das Gefühl der Macht bei der Arbeit aufPalliativstationen zu erleben. Hält man sich die WHO-Definition von Palliativmedizin ausdem Jahr 1999 vor Augen -Zitat: „Palliativmedizin ist die aktive ganzheitlicheBehandlung von Patienten mit einer progredienten, weitfortgeschrittenen Erkrankung in einer begrenzten Le-benserwartung zu der Zeit, in der die Erkrankung nichtmehr auf eine kurative Behandlung anspricht und dieBeherrschung von Schmerzen, anderen Krankheits-beschwerden, psychologischen, sozialen und spirituellenProblemen höchste Priorität besitzt......“ – und bedenktman, dass die Aufgabe der Symptomkontrolle zumKonzept gehört, so muss man realisieren, dass sowohlBeherrschung als auch Kontrolle von etwas mit Macht zutun haben. Warum also tun wir uns als Mitarbeiter von Palliativ-stationen so schwer zu reflektieren, dass wir auch Machthaben?Auszüge aus der umfangreichen Machtdefinition, die imBrockhaus zu finden ist, verdeutlichen, – dass Macht mit Können, Kraft, Vermögen und letztlich

mit Kompetenz zu tun hat,– dass Macht mit Beziehung, in der es Mächtige und den

Mächtigen Unterlegene gibt, zu tun hat – dabei kann die Macht durchaus auch beim Schwachen, dem Patienten liegen,

– dass es neben der Macht des Schicksals, der wir täg-lich begegnen, auch die der Liebe gibt (Menschliebe, Nächstenliebe).

Ohne Macht keine Möglichkeiten, ohne Macht vielleichtauch keine Ohnmacht? Was macht Macht für uns so suspekt, dass wir meinen,keine zu haben? Fragen, deren Klärung Anliegen unseres Symposiums ist.

Korrespondenzadresse:

Dr. med. Christina MüllerZentralklinik Bad Berka GmbHKlinik für PalliativmedizinRobert-Koch-Allee 9 99437 Bad BerkaTelefon 036458/51900Telefax 036458/53526e-Mail [email protected]

�� „Verum quia factum“ (G. Vico) –Wahr ist es, weil es gemacht ist. –Philosophisch-theologischeAnmerkungen zu unserem Umgangmit der Wirklichkeit

Vortrag auf dem Symposium „Das Palliativteam imSpannungsfeld von Macht und Ohnmacht“ am28. Juni 2008 in Bad Berka

Eberhard ThiefenseeLehrstuhl für Philosophie, Katholisch-TheologischeFakultät, Universität Erfurt

1. Francis Bacons revolutionäres ProgrammAm 7. November 1592 feierte die englische KöniginElisabeth I. ihr 34jähriges Thronjubiläum, und der 31jäh-rige Baron Francis Bacon von Verulam erhielt den ehren-vollen Auftrag, das Festspiel zu produzieren. VierPersonen „beraten“ die Feier durch vier Reden. Die letztedieser vier Reden preist selbstverständlich die Königin.Zuvor aber werden die Tapferkeit, die Liebe und dieErkenntnis gefeiert. Der Preis der Erkenntnis gipfelt indem mutigen Satz: „Noch beherrschen wir die Natur [nur]in unseren Meinungen, aber sie knechtet uns in ihrerNotwendigkeit; aber wenn wir von ihr in der Erfindunggeleitet würden, würden wir sie durch Handlungenbeherrschen.“ Diese Aussage ist der Startschuss dermodernen Erfahrungswissenschaften. Bacon wird diesesProgramm bis zu seinem Lebensende verfolgen. 1626erleidet der Lord bei einem höchstpersönlich ausgeführ-ten Experiment – dem Ausstopfen eines toten Huhns mitEis zum Zweck der Erforschung der Haltbarkeit – eineLungenentzündung, an der er stirbt. Aber nicht nur dieOrientierung am Experiment ist neu, sondern mit ihr ver-bunden ist auch ein neues Wirklichkeitsverständnis. EinigeGenerationen später wird es der italienische PhilosophGiambattista Vico (1668-1744) auf die knappe Formelbringen: „Verum quia factum“ – „Wahr ist es, weil esgemacht ist.“Was ist daran so neu? Das lässt sich eigentlich nur im Blickauf die Vorgeschichte des Wahrheitsbegriffs verstehen.Die ganze Antike und das Mittelalter hindurch herrschteein Wirklichkeitsverständnis vor, das von einem vernünf-tig geordneten Sein ausging. Vernünftig war es, weil es alsProdukt einer Weltvernunft galt, gemeinhin Gottgenannt. Der Mensch hatte diesem Sein nach-zu-denken,um zur Weisheit zu gelangen. Da er selbst ein zufälliges,vorübergehendes Lebewesen war, das nur kurzlebigeWerke schuf, war Weisheit nicht zu erreichen, wenn mansich den menschlichen Kunstprodukten oder der sich stetsändernden Natur zuwandte. Es galt „Verum est ens“ –„Wahr ist nur das Sein“. Wahre Erkenntnis besteht dem-entsprechend in der Annäherung des Intellekts an dieSache („Veritas est adaequatio intellectus ad rem“).

2. Von der Theorie zur Praxis – oder von derKontemplation zum ExperimentFreilich kannte man auch schon früher herstellendeWissenschaften wie z.B. die Baukunst oder die Medizin(Heilkunst). Letztere hatte das Ziel, Gesundheit wiederher-

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zustellen. Aber für Aristoteles (384-322 v. Chr.), den gro-ßen Wissenschaftstheoretiker für Antike und Mittelalter,waren diese produzierenden Wissenschaften nachrangig.Über ihr standen als eigentliche praktische Wissenschaf-ten diejenigen, die sich mit dem richtigen Handeln als sol-chem und nicht mit technischen Fragen beschäftigten,also die Ethik und die Politik. Als höchste galten jedoch dietheoretischen Wissenschaften, deren Ziel nicht der Nutzenoder die Praxis waren, sondern die reine Erkenntnis als sol-che. Wissen um des Wissens willen, das war wahreWeisheit und brachte den Menschen dem Göttlichennäher, denn der Gott, so Aristoteles, ist das in sich krei-sende Denken. Ein wahrer Philosoph hatte entsprechenddie Lebensnotwendigkeiten hinter sich zu lassen undnicht mehr wie das Tier um sein Dasein zu kämpfen. InMuße (lat. scholae – unser Wort „Schule“ stammt vondort) sollte er den Dingen auf den Grund gehen, ihrePrinzipien erkennen. Entsprechend waren die Künste(artes liberales), versammelt in der sogenannten Artisten-fakultät der alten Universität, die niedrigsten Wissen-schaften – noch unter Medizin und Jurisprudenz stehend.Die Königsdisziplin war die Theologie.Zum Sein hatte man also über Jahrtausende hinweg einvorrangig kontemplatives Verhältnis. Das Wort „theoria“meint ja „Schau“, und so beschaulich war auch daseigentliche Objekt dieser Betrachtung: der Himmel, des-sen Ordnung der Mensch nicht stören konnte und wo sich– jenseits des sich stets wandelnden Mondes – auf mathe-matisch beschreibbaren Bahnen die Himmelskörper be-wegten. Auch die Mathematik selbst war eine solchewahre Wissenschaft, beschäftigte sie sich doch mit ewi-gen Zahlenverhältnissen, in welche der Mensch ebensowenig eingreifen konnte wie in die Gesetze derHimmelsbahnen.Auf diesem Hintergrund kann man ermessen, welcheRevolution Bacon und Vico auslösten. Wahr ist nicht mehr,was ist, sondern was wir selbst gemacht haben, denn nurdann kennen wir den genauen Hergang der Sache, wirkennen ihre Ursachen und damit ihre Prinzipien und kön-nen sie entsprechend jederzeit nachvollziehen. DieseEinstellung ist tief in unsere Sprache eingedrungen. Wirsagen zwar noch immer: „Aber es ist doch so!“, sobald wireine Wahrheit unterstreichen wollen („Wahr ist das Sein“).Doch folgen wir eigentlich Vico: „Das ist Fakt. Das sind dieFakten.“ („Verum quia factum“) Wie Vico meinen wirdamit vornehmlich das, was geworden ist. Auch Vicodachte mit seiner Formel zunächst an die geschichtlichenFakten. Historie galt nämlich vor ihm nicht als Wissen-schaft, weil sie sich mit dem Veränderlichen, Menschli-chen, Zufälligen befasste. In Bacons Programm findet sichdagegen weniger Rückblick als Zukunftsmusik: Wirklich-keit ist das zu Machende, Realität das zu Realisierende.Unsere Alltagssprache hat das aufgenommen, wenn wirFakten als „Tatsachen“ bezeichnen: Tat-Sachen sind jaErgebnis einer Tat, eines Eingriffs in die Natur. D.h. Wahr-heit kommt nicht aus stiller Betrachtung, sondern ausdem wiederholbaren Experiment. Dies bestimmt, was„wirklich“ ist und nicht nur gedacht oder vermutet wird.Nicht das „Sein“, sondern das von Menschen Hergestelltewird zur Quelle des Wissens.Wir alle kennen wahrscheinlich den Satz, der Bacon zuge-schrieben wird (auch wenn er sich so prägnant nirgend-wo bei ihm findet): „Wissen ist Macht.“ Eine doppeldeu-tige Formel: Gemeint ist nicht nur, dass man durch Wissen

Macht erlangt, sondern auch, dass Wissen auf Machtberuht – und nur auf der Grundlage des Gemachten istWissen zu erlangen.So hat sich das Verhältnis zur Natur offenbar radikalgewandelt: Es geht nicht mehr um das Sich-Einfügen ineine gottgegebene Ordnung, sondern um Herrschaft übereine Natur, die zum feindlichen Gegenüber deklariertwird: Sie knechtet uns in ihrer Notwendigkeit, so BaconsVorwurf. Sie enthält also nichts Geheimnisvolles oderGeheiligtes mehr, sondern sie muss nötigenfalls niederge-rungen werden, wenn sie sich uns entgegenstellt. Darüberhinaus bietet sie das Material für unsere Kunstfertigkeit,nur das ist ihre Aufgabe. Theorie wird ab jetzt von derPraxis gesteuert, nicht umgekehrt. Wissen ist kein Wert ansich, sondern Wissen soll nützen. Die Naturwissenschaf-ten werden zur Leitwissenschaft. Im alten universitärenSchema gesprochen: Die Artistenfakultät dominiert nundie anderen. Tatsächlich werden aus ihr im Laufe derNeuzeit und Moderne alle Einzelwissenschaften hervorge-hen, welche jetzt in einer Universität gelehrt werden.

3. Kritische StimmenZweifellos hat besonders unsere westeuropäisch gepräg-te Kultur damit einen riesigen Sprung nach vorn getan.Wir können diese Revolution wahrscheinlich erst jetzt wie-der richtig würdigen, wenn wir auf die Geburtsschmerzenachten, die andere Kulturen erleiden, die derzeit diesenSprung nachvollziehen müssen. Immanuel Kant (1724-1804) erkannte messerscharf, in welcher Revolution desWirklichkeitszugangs der Siegeszug der Naturwissen-schaften begründet ist: „Sie [die Naturforscher] begriffen,dass die Vernunft nur das einsieht, was sie selbst nachihrem Entwurfe hervorbringt, dass sie ... die Natur nöti-gen müsse, auf ihre Fragen zu antworten, nicht aber sichvon ihr allein gleichsam am Leitbande gängeln lassenmüsse“. So schreibt er in der Vorrede zu seiner „Kritik derreinen Vernunft“ (2. Auflage 1787). Die Natur hat also zuantworten wie ein Angeklagter vor Gericht: Bacon warzeitweise Oberstaatsanwalt, und Kant spricht vomGerichtshof der Vernunft, die ihre Urteile fällt. Für Kantwird diese Einsicht, welcher Art der Zugriff der Natur-wissenschaften ist, zum Ansatzpunkt, nun die gesamteErkenntnistheorie umzubauen: Es wäre doch zu überle-gen, ob wir nicht besser vorwärts kämen, wenn sich dieGegenstände (Objekte) nach unserer Erkenntnis richtenund nicht – wie bisher gedacht – die Erkenntnis nach denGegenständen. Modern gesprochen: Es ist unser Raster, indas die Dinge passen müssen, sonst akzeptieren wir sienicht als Gegenstand unserer Erfahrung. Was sich alsonicht in die Formen von Raum und Zeit, was sich nicht indie Kategorien – die vorbereiteten „Kästchen“ – unseresVerstandes pressen lässt, existiert nicht. Wir – die Subjekte– schaffen uns Wirklichkeitsmodelle. Wir machen uns vonder Welt ein Bild, das wir natürlich bereit sind zu modifi-zieren, wenn es uns nicht mehr hilft, was wir der Welt aberletztlich überstülpen. Es ist unsere Brille, durch die wir dieWirklichkeit betrachten, es ist unser Denken, das aus demChaos der Sinnesdaten ein Ganzes formt, es ist unsereSprache, welche die Welt beschreibt. Mit anderen Worten:Jetzt führen wir die Welt an der Leine, nicht mehr sie uns.Aber kann man zur Wahrheit finden, wenn man die Naturbefragt wie ein Großinquisitor oder – um es noch schär-fer zu sagen – sie in Experimenten mit ausgeklügeltenApparaturen solange foltert, bis sie antwortet? Ist nicht

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jedes Labor bis hin zu den riesigen Teilchenbeschleunigerneine Art Folterkeller für die Natur? Man kann hier durch-aus skeptisch werden, wissen wir doch heute besser alsfrüher, dass die unter der Folter gewonnenen Erkenntnissekaum zu gebrauchen sind. Das war der Vorwurf, denschon Goethe gegenüber Newton ins Feld führte, als esum die Farbenlehre ging: Goethe war strikt der Meinung,dass man nie etwas über die Farben, wie sie sind, lernenkann, wenn man Licht erst durch einen Lichtspalt zwängt,dann durch ein Glasprisma zerhackt und anschließend dieErgebnisse in eine unnatürliche Kunstsprache übersetzt,d.h. in mathematische Formeln presst. Das Ergebnis die-ser Auseinandersetzung um die Farbenlehre ist allerdingsbekannt: Goethe ging nicht als großer Physiker in dieGeschichte ein, wie er selbst hoffte, sondern als großerDichter. Doch wenn auch die Entwicklung über solcheZweifel hinweggegangen zu sein scheint, das Unbehagenverstummte nicht – bis heute. Der wohl bisher letztegroße deutsche Philosoph Martin Heidegger (1889-1976)geißelte die Technikverliebtheit unserer Kultur und sprachvon ihrer „Seinsvergessenheit“. Wahrheit habe etwas mitEnthüllung, mit Offenbarung zu tun, in der sich etwaszeigt, etwas ereignet. Das mutet seltsam weltfremd an.Aber sogar ein Astrophysiker wie Arthur Eddington (1882-1944) sprach noch 1939 von dem Prokrustesbett, in dasdie Natur von der Wissenschaft gezwungen wird: Wiedamals der namensgebende antike Tyrann, der seineunglücklichen Gäste auf die Länge des Bettes entwederverkürzte oder dehnte, bis sie genau hineinpassten, wür-den heute die Naturwissenschaftler die Natur in vorgege-bene Frageraster, Experimentalanordnungen und mathe-matische Modelle pressen, bis es passt. Würde Prokrustesheute leben, so fährt Eddington sarkastisch fort, hätte erwahrscheinlich eine Abhandlung über die gleiche Längealler Reisenden geschrieben. Auch die Sozialwissenschaf-ten kennen das Problem: In den 60er Jahren gab es einenMethodenstreit, in dem u.a. darüber diskutiert wurde, obdie Umfrage-Techniken nicht oberflächlich seien und derSoziologie die Kraft nähmen, die Verhältnisse zu ändern,statt sie immer nur bestätigend zu beschreiben.

4. Gründe für die Wissenschafts- und TechnikskepsisGewöhnlich nehmen wir an, dass der Wissenschaftsopti-mismus, der sich seit Bacons Zeiten verstärkte, seinenmodernen Dämpfer durch die oft unkalkulierbaren Folgenunserer Eingriffe in die Natur bekommen hat. Tatsächlichwächst unsere Unsicherheit, ob wir manche Konsequen-zen dieser Eingriffe – von resistenten Krankheitskeimen inden Krankenhäusern bis zu Klimafolgen – in den Griffbekommen werden. Aber das dürfte nicht der eigentlicheGrund für den Wissenschaftsskeptizismus, ja sogarWissenschaftspessimismus sein, der sich immer mehr aus-breitet.Meines Erachtens liegt er in einem tiefergehendenUnbehagen: Wenn ich die Natur zum zu beherrschendenObjekt mache und nur solche Ergebnisse gelten lasse, dieich selbst produziert und reproduziert habe – was ist dannmit dem Menschen selbst? Schon in der französischenAufklärung – nur wenige Zeit nach Vico – findet sich einBuchtitel wie „L’homme machine“ („Die MaschineMensch“, 1748 verfasst von J. O. de La Mettrie). Es istoffenbar von Vorteil, den Menschen wie eine – zugestan-denermaßen komplizierte – Maschine zu betrachten, ken-nen wir uns doch in Maschinen als technischen Produkten

aus. Doch handelt es sich diesmal nicht mehr nur umeinen x-beliebigen Naturgegenstand, den wir manipulie-ren, um ihm seine Geheimnisse regelrecht zu entreißen.Auch wenn der Mensch zweifellos ebenso ein Objekt vonNaturwissenschaft und Medizin sein kann wie alles ande-re – und wie sich dann prompt zeigt, unterscheidet er sichkaum von anderen physikalisch-chemischen Gegenstän-den oder Organismen –, diesmal steht das Objekt auch aufder anderen Seite des Verfahrens: Der Mensch, diesesnaturwissenschaftlich-technische Objekt, ist auch derNaturwissenschaftler und die Medizinerin, also dasSubjekt von Forschung und Technik. Folglich kommt diezugreifende Vorgehensweise ähnlich wie ein Bumerangauf den zurück, der sie praktiziert. Ist der Mensch nichtsweiter als eine hochgezüchtete Maschinerie, die produ-ziert, reproduziert, repariert und am Ende als Ersatz-teillager ausgeschlachtet werden kann: Was ist denn dannmit mir, dem Forscher und der Technikerin? Einen solchenBumerangeffekt kennt jeder Arzt, der sich krankheitsbe-dingt plötzlich auf der anderen Seite wiederfindet, alsovom Subjekt zum Objekt, vom Täter zum Opfer wird. Dieletzten Worte sind bewusst drastisch gewählt. Diese refle-xive Struktur, dieses Sich-Zurückbeugen des Bezugs zumObjekt auf das Subjekt ist es, was den Verdacht hervor-ruft: Trotz aller Erfolge – ist das der angemessene Umgangmit der Wirklichkeit? Kann ich Bacons Programm nochakzeptieren, wenn es um den Menschen und damit auchum mich geht?Die Wissenschaft- und Technikskepsis wurzelt deshalbwohl in dem wachsenden Eindruck, selbst nur noch –ohnmächtiges – Objekt geworden zu sein und damit alsbeherrschbar zu gelten. Der Pessimismus bezieht sich vorallem auf das Ausgeliefertsein gegenüber den wissen-schaftlichen Erkenntnissen – und auf deren gesellschaft-liche Konsequenzen. Denn auch von ihnen muss gespro-chen werden. Bacons Programm war nämlich nicht nureine Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, sondern bein-haltete auch ein gesellschaftliches Programm. Das zeigtesich im weiteren Verlauf. Die Vorstellung, die Natur müsseund könne beherrscht werden, und der damit verbunde-ne Gedanke eines technischen Fortschritts wurde auch aufdie Menschheitsgeschichte ausgedehnt (z.B. im „histori-schen Materialismus“ des Marxismus-Leninismus). Wiederist der Mensch unmittelbar betroffen: Geht eine solcheIdee nicht auf Kosten der menschlichen Freiheit? Was istdenn mit dem Unsicherheitsfaktor „freies Individuum“ ineiner Geschichte, die nun ebenfalls in ein Modell gebracht– um nicht zu sagen: gepresst – wird: das Modell einesgesetzmäßigen Fortschritts? Wenn die großen Befreierdavon überzeugt sind, dass alles auf den Kommunismusoder die Demokratie oder die eine Menschheit hinausläuft(die Fortschrittsmodelle weichen im Detail ab): Muss jetztnicht konsequent versucht werden, den „menschlichenFaktor“ auszuschalten – durch geschickte Manipulation,nötigenfalls auch durch Zwang, durch institutionelleEinbindung, Sozialkontrolle ...? Diese Strategie scheintnicht nur die Hirnforschung zu verfolgen, welche das nöti-ge theoretische und technische Know-how für dasEliminieren der unkalkulierbaren Freiheit zu verschaffenverspricht. Auch andere Humanwissenschaften weisen indiese Richtung: Die menschliche Person soll möglichsthinter Rollen verschwinden (s. meinen Vortrag 2007) undwird so Opfer verschiedener psychologischer und soziolo-gischer Kontrollmechanismen. Jede Evaluation und jedes

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Bewerbungsgespräch wird zur Erfahrung der Ohnmacht:Ich bin nur noch Objekt.Die Ursache des Unbehagens liegt deshalb wohl in einertiefen Kluft zwischen dem (gesellschaftlichen) Ziel desmöglichst gut funktionierenden Menschen einerseits undder (individuellen) Suche nach Lebenssinn und persönli-chem Profil andererseits. Folglich wird die Privatsphäreimmer wichtiger, denn sie ist der einzige Bereich, in demich nicht funktionieren muss und unter gesellschaftlicherKontrolle stehe, sondern den ich noch einigermaßen imGriff habe – verum quia factum. So wird er zum Rück-zugsraum aus einer Ohnmachtserfahrung – zum Zweckder Wiedererlangung der Macht wenigstens über die pri-vaten Verhältnisse. My home is my castle – meineWohnung ist meine Burg. Wenn jemand ins Krankenhauskommt, macht er wohl genau diese ambivalenteErfahrung: Einerseits werde ich aus meiner Privatsphäregerissen und einem institutionellen Mechanismus ausge-liefert, der mich zum Objekt macht: Ohnmachtserfah-rung. Aber ich weiß auch, dass ich mich einer solchenInstitution ausliefern muss, weil nur so die Ärzte etwasmachen können – und da erwarte ich von ihnen typischneuzeitlich, dass die Knechtschaft der Natur gebrochenwird: Machbarkeitshoffnung – oder sogar Machbarkeits-wahn?

5. Ein Rückblick aus psychologischer PerspektiveSchauen wir zurück auf den Weg durch die westeuropäi-sche Geistesgeschichte, dann sind im Übergang vomMittelalter zur Neuzeit offenbar Prozesse abgelaufen, die– so macht es der Psychologe Horst Eberhard Richter inseinem Buch „Der Gotteskomplex“ (1979) deutlich – kind-lichen Reaktionsmustern ähnlich sind: Erfahrungen vonOhnmacht und Abhängigkeit werden durch Allmachts-wünsche abgewendet, wobei es zu einer Überkompensa-tion kommt. Wie sich das Kind auf einer bestimmtenEntwicklungsstufe von der Autorität des Vaters freimachtund sich in übersteigertem Machtgefühl an dessen Stellesetzt: „Ganz ähnlich trägt die neuzeitliche Einstellung zurReligion viele Züge genau dieses 'Reaktionsmusters': wegvon 'narzisstischer Ohnmacht' gegenüber Gott – hin zu'narzisstischer Omnipotenz'; weg aus kindlicher Unmün-digkeit – hin zu einer Haltung egozentrischen Größen-wahns, einem der Kennzeichen unserer Gegenwart. 'Sowurde jeder gewissermaßen sein eigener Gott'.“ Was hierspeziell zur Religion und zum Gottesverhältnis vermutetwird, betrifft offenbar alle Aspekte unseres Umgangs mitder Wirklichkeit. Das dürfte besonders Medizinern ver-traut vorkommen, wurden sie doch gern „Halbgötter“oder sogar „Götter in Weiß“ genannt – und zuweilen füh-len sie sich wohl auch so.Die Überwindung dieser pubertären Phase besteht darin,dass sich diese Überkompensation normalisiert. Es gehtalso um das, was seit alters als Weg der Tugend propagiertwird: Die Tugend, so sagte schon Aristoteles, liegt in derMitte. Er fügte allerdings hinzu: Die Mitte ist schwer zutreffen. Das überzogene Machtgehabe einerseits nennt er„Aufgeblasenheit“, das gegenteilige Extrem „seelischeSchwäche“. Die in der Mitte liegende Tugend ist die des„Hochsinnes“, der seelischen Größe. Ins Heute übersetzt:Die öffentliche Wahrnehmung scheint zu schwanken, obsie die Ohnmachtserfahrung, die wir individuell machenund die auch viele Bereiche unserer Kultur prägen, zulässtoder sogar fördert – was zu einer allgemeinen Katastro-

phenstimmung und zum Pessimismus führen würde –oder sie verdrängt bzw. sogar abweist, wie es unverbes-serliche Wissenschaftsgläubige und Technikoptimistengern praktizieren. Beides dürfte falsch sein; die Tugend(d.h. Lebenstauglichkeit) scheint also hier wirklich in derMitte zu liegen.

6. Eine theologische Perspektive: Die Geschöpflichkeitdes MenschenWo diese Mitte genau liegt, kann auch ich nicht sagen.Aber vielleicht helfen einige nun eher theologischeAnmerkungen, diese Mitte zu suchen und wenigstens hinund wieder auch zu treffen. Es ist ein Weg, der erstgesucht und dann auch gegangen werden muss.Angesichts der kulturellen Konstellation, die ich bisherskizziert habe, wird es kein Spaziergang, sondern ein stei-niger Pfad mühsamen Umdenkens und vielleicht schmerz-hafter Neuorientierung. Aber es gibt Zeichen derHoffnung, ja Zuversicht, z. B. das ungewöhnliche Themadieses Symposions – „... im Spannungsfeld von Macht undOhnmacht“ – und einen Diskussionsbeitrag beim Sympo-sion im letzten Jahr: Dass da einer seine Hilflosigkeit beibestimmten Problemen gestand, war ungewöhnlich. Mirsagte daraufhin ein anderer Teilnehmer, er habe so etwasnoch nie auf einem medizinischen Kongress erlebt.In einem zentralen Gebet der katholischen Messliturgieheißt es vom Menschen: „Über alle Geschöpfe sollte erherrschen und allein dir, seinem Schöpfer, dienen.“ (4. Hochgebet) Das ist eine Erinnerung an den Anfang derBibel, wo der göttliche Auftrag an die Menschen ergeht:„Seid fruchtbar, und vermehrt euch, bevölkert die Erde,unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische desMeeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere,die sich auf dem Land regen.“ (Genesis 1,28) Insofern isteigentlich Bacons revolutionäres Programm auch theolo-gisch kaum zu kritisieren, zielt es doch diesen Auftrag an,wenn es fordert, die Knechtschaft der Natur über denMenschen zu beenden. Dazu sind wir sogar göttlich legi-timiert und offensichtlich auch mit den nötigenFähigkeiten ausgestattet: Kreativität, Freiheit, Vernunft.Was jedoch die zitierte Kritik des Psychologen Richter her-vorgerufen hat, ist das Extrem, in welches sich im Laufeder weiteren Entwicklung dieses Programm verkehrte. Eswurde vergessen, dass „Vernunft“ von „Vernehmen“kommt. Der Mensch ist das vernünftige, d.h. das verneh-mende Geschöpf, und von daher einer höheren Instanzgegenüber in der Pflicht. Seine Herrschaft ist geborgt, seinZugriff auf die Natur ist begrenzt und erfordert einebestimmte Aufmerksamkeit. Das vergessen zu haben,erwies sich als problematisch, wenn nicht sogar verhee-rend.Der Philosoph Jürgen Habermas verlangt von den religiö-sen Mitgliedern der Gesellschaft, dass sie ihre religiöseRede in säkulare Sprache übersetzen – so gut es geht. Wiekann man die Rede von der Geschöpflichkeit des Men-schen verständlich machen, wenn jemand ihre biblischeGrundlegung nicht teilt? Die Philosophen sprechen vonder Kontingenz des Menschen. Kontingent ist alles, wasnicht zwingend so ist, wie es ist, d.h. es kann auch andersoder sogar gar nicht sein. Dass ein Kreis rund ist, ist zwin-gend, dass er einen bestimmten Radius oder einebestimmte Farbe hat, ist dagegen kontingent. Das konkre-te menschliche Dasein ist so gesehen unaufhebbar kon-tingent: Ich kann weder meine natürliche Abstammung –

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angefangen beim Urknall und bis hin zu meiner geneti-schen Ausstattung – selbst bestimmen, noch meine sozio-kulturelle Herkunft, also mein Elternhaus und die gesell-schaftliche Schicht und auch die Kultur, in der ich aufge-wachsen bin. Mit Vico gesprochen: Das sind die Fakten,historische Vorgegebenheiten. Genau diese aber stehennicht in meiner Macht. Ebenso nicht, dass ich überhauptauf der Welt bin und dass ich überhaupt über so etwaswie Freiheit verfüge, die mir ermöglicht, etwas zu wollenund zu bewirken. Ich kann zwar etwas aus mir machen,doch dazu müssen sozusagen erst einmal dasAusgangsmaterial inklusive bestimmte Fähigkeiten – einvorläufiges „Ich“ also – vorhanden sein, um der zu wer-den, der ich jetzt bin oder sein will. Dieses Vorhandene istnicht in meiner Macht. Das und vieles mehr ist letztlichuneinholbar und außerhalb der Tat-Sachen, die ich dannselbst schaffe.Diese Vorgegebenheiten begrenzen aber auch dieVerfügbarkeit über mich selbst und über mein eigenesLeben. Ich kann mich nur begrenzt selbst vervollkommnenoder vervollkommnen lassen, weil meine Selbstwerdungund Selbstbestimmung immer zurückgebunden ist anmeine Geschichte, deren Anfang ich nicht selbst gesetzthabe und deren weiterer Verlauf von vielen Faktoren mit-bestimmt wurde und wird, die ich nicht in der Hand habe.Selbst-Bestimmung ist also nie ohne Fremd-Bestimmungund Mit-Bestimmung durch anderes und andere zuhaben. Hinzu kommt, dass Geschichte auch immer Schuld-Geschichte ist. Solche negativen Erfahrungen des Versa-gens prägen und verändern mich ebenfalls und bestim-men mein Handeln mit. Von daher reagieren Deutschebeim Thema Stammzellforschung oder Sterbehilfe ebenanders als andere, deren Kultur nicht durch die dunkleNacht verbrecherischer Menschenversuche in denKonzentrationslagern oder nationalsozialistischer Eutha-nasieprogramme gegangen ist.Eine solche Einsicht reduzierter Selbstbestimmung heißtfür die Medizin, dass sich – unbeschadet aller medizini-schen Eingriffsmöglichkeiten und Fortschritte – immersolche Grenzen der Verfügbarkeit und Machbarkeit findenlassen werden. Wo sie genau liegen, müssen wir jeweilsneu austesten und aushandeln. Wer jedoch eine unge-bremste Perfektionierung des Menschen propagiert, hatoffenbar ein falsches Menschenbild – von sich selbst undvon denen, für die er tätig wird. Er wird zum Ideologen,den man daran erkennt, dass er an Realitätsverlust leidetund nicht merkt, dass die Wirklichkeit anders ist, als er siesich in seinen Ideengebäuden und Zukunftsprojekten aus-malt.Wer mit der nötigen Vernunft und Lebenserfahrung aus-gestattet ist, wird von der vielfältigen Gebrochenheit undUnvollkommenheit des Menschseins allgemein und auchin jedem konkreten Fall nicht absehen können. Können ja– aber wird er es auch wollen? Das erscheint doch immerals Fiasko, als Versagen, als Einengung, als Ohnmacht, dieschwer auszuhalten sind. Wahrscheinlich gehört zu diesem Eingeständnis einGrundvertrauen, dass trotz aller Begrenztheiten, natürli-chen und selbstverursachten Defekte und Übel das Ganzeals sinnvoll begriffen und entsprechend bejaht werdenkann. Der religiöse Mehrwert der Rede von derGeschöpflichkeit liegt wohl in diesem Punkt: Trotz alledemkönnen Menschen, kann ich mich als prinzipiell anerkannt

und angenommen wissen. Eine solche Einsicht ist schonim zwischenmenschlichen Bereich nicht zu überbieten:Wer sich grundsätzlich anerkannt und angenommenweiß, hat eher die Kraft, seine Grenzen zu akzeptieren undkann entsprechend freier und gelassener agieren als einMensch, der meint, sich ständig selbst bestätigen und umAnerkennung und Akzeptanz ringen zu müssen.

7. Wie aus Schwäche Stärke werden kannIn einem seiner Gemeindebriefe macht Paulus, dessen2000. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern, ein überra-schendes Selbsteingeständnis: „Damit ich mich wegender einzigartigen Offenbarungen nicht überhebe, wurdemir ein Stachel ins Fleisch gestoßen: ein Bote Satans, dermich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht über-hebe. Dreimal habe ich den Herrn angefleht, dass dieserBote Satans von mir ablasse. Er aber antwortete mir:Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in derSchwachheit. Viel lieber also will ich mich meinerSchwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich her-abkommt. Deswegen bejahe ich meine Ohnmacht, [...];denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ (2. Briefan die Korinther 12,7-10) Der letzte Satz passt zum Thema„Spannungsfeld von Macht und Ohnmacht“ – aber wiesoll er verstanden werden?Paulus war von einem Übel geplagt, das medizinischschwer zu diagnostizieren ist. Es genauer zu wissen, dürf-te allerdings nicht allzu viel zum Verständnis dieserAussage beitragen. Paulus ringt offenbar um eineBefreiung von dieser Krankheit (oder was es auch immergewesen sein mag) – vergeblich. Die Antwort auf dieseOhnmachtserfahrung, die er findet, ist geradezu paradox:Wenn ich schwach bin, bin ich stark. Er würde es uns soerläutern: „Wenn ich mir vorgenommen habe, ganz imDienst der Verkündigung Gottes aufzugehen (diesenEntschluss hatte Paulus Jahre zuvor getroffen), dannbesteht die Gefahr, dass ich dem Auftrag dadurch imWege stehe, dass ich mich auf meine und nicht auf GottesKräfte verlasse. Ich würde dann die Menschen nicht fürdiesen Gott begeistern, sondern für mich. Ich würde zueiner Art Guru für sie werden. Das Übel, das michschwächt, ist sinnvoll, denn es hilft mir, mich zurückzu-nehmen und Platz für einen anderen zu machen, der grö-ßer ist als ich.“Wieder muss diese Aussagen des Paulus in säkulareSprache übersetzt werden. Was heißt, seine Ohnmacht zubejahen und schwach zu sein, um stark zu sein? Anfang Juni erschienen in verschiedenen ZeitungenBerichte zu ärztlichen Kunstfehlern. „Die Welt“ vom 4. Juni 2008 (Online-Ausgabe) berichtete so: „40.000 Malsind im vergangenen Jahr Patienten gegen Medizinerwegen des Verdachts auf Kunstfehler vorgegangen. Injedem 20. Fall gaben Gutachter den Patienten recht.Anders als in früheren Zeiten müht sich die Ärzteschaftheute selbst darum, Transparenz auf diesem äußerst sen-siblen Feld herzustellen. Vielen Medizinern fällt dieserSchritt zwar nicht leicht, schließlich geht es auch immerum den eigenen Ruf oder um den einer Klinik. Doch andem Image vom Halbgott in Weiß sind die wenigstenheute noch interessiert. [...] Ärzte machen Fehler – auchdas ist menschlich. Zumal in einem Gesundheitssystem,das aus Kostengründen das Personal oftmals überstrapa-ziert. Die neue Offenheit der Ärzte – die durchaus nochgrößer werden kann – hilft den Opfern von Kunstfehlern,

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zu ihrem Recht zu kommen. [...] Je mehr über Fehlerbekannt wird, desto gezielter können zudem Sicher-heitsmaßnahmen ergriffen werden. Von einer solchenEntwicklung würden auch die Mediziner selbst profitie-ren. Wenn festzustellen ist, dass sich Fehler häufen, weildie Arbeitsbedingungen vor allem in Krankenhäusernmittlerweile so mangelhaft sind, trüge die Gesund-heitspolitik ein gehöriges Maß an Mitschuld.“ Einen Fehlerzuzugeben, ist offensichtlich ein Zeichen von bejahterSchwäche, aus der aber Stärke werden kann, wie derBericht zeigt: für die Betroffenen, für diejenigen selbst, dieden Fehler eingestehen, und möglicherweise sogar für dasganze Gesundheitssystem.Der erste Schritt wäre, den Fehler und die Ohnmacht vorsich selbst zuzugeben. Das erzeugt Unsicherheit und istein Zeichen von Schwäche. Wie ein Schatten wird michjetzt dieses Eingeständnis begleiten: „Du bist nicht per-fekt, im Gegenteil.“ Doch ist schnell klar, wie daraus auchStärke werden kann: Wer seine Grenzen schon einmalerreicht hat und dies in der Erinnerung behält, kann einegrößere Wachsamkeit für die jeweilige Situation entwik-keln. Er kann aufmerksamer für die kleinen Warnzeichensein, ob sie nun von den Patienten, den Mitarbeitern oderKollegen kommen.Der zweite und viel schwierigere Schritt ist, den Fehler unddie Ohnmacht vor anderen zu bekennen, ihn öffentlich zumachen. Hier droht ein Verlust des Ansehens, vielleichtsind sogar juristische oder berufliche Folgen zu tragen,und das ist deutlich eine Schwächung. Worin kann dieStärke liegen? Vielleicht kann der oft unselige Kampf umAnerkennung beendet werden, an dem sich alle beteili-gen, indem sie nun nicht mehr die Rolle des ständigunfehlbar Besten weiter- und sich gegenseitig vorspielen.Das kann andere motivieren, ihrerseits Fehler, Ratlosig-keiten u.a. Unfähigkeiten einzugestehen – zunächst wie-der vor sich selbst, dann auch vor anderen. Es kann dieGesprächsbasis mit den Patienten und ihren Angehörigenverbessern, weil jetzt mehr Ehrlichkeit in den Umgangmiteinander einzieht und unrealistische Erwartungen kor-rigiert werden. Wieder ist das enttäuschend, aber Ent-Täuschungen beseitigen Täuschungen. Ein öffentlichesEingeständnis der Schwäche kann die Aufmerksamkeiteines ganzen Teams aufwecken, kann Forschung undInnovation vorantreiben und neue Wege öffnen. DiePalliativmedizin ist wohl derzeit noch einer der wenigenBereiche in der modernen Medizin, in dem man bereit istzu sagen: „Ich kann hier nichts mehr machen.“ Genaudann kann man aber wieder etwas machen. Es sind letzt-lich immer die Wahrheiten und Eingeständnisse und nichtdie Selbst- und Fremdtäuschungen, die frei machen kön-nen.Ich habe immer gesagt: Der positive Effekt kann eintreten– garantieren wird das keiner. Denn es kann auch dieStellung gefährdet werden oder die Strafe desAkzeptanzverlustes drohen. So braucht es also für diesenSchritt ein starkes Vertrauen, „dass es schon gut gehenwird“. In diesem Vertrauen dürfte erneut der religiöseMehrwert der Aussage des Paulus liegen. Ob sich auch dasin nichtreligiöser Sprache wiedergeben lässt?

Wo genau die Mitte zwischen Optimismus und Pessi-mismus, zwischen der aristotelischen „Aufgeblasenheit“einerseits und der „seelische Schwäche“ andererseitsliegt, um zur Tugend des „Hochsinnes“ zu finden, ist

schwer zu sagen. Manchmal helfen kurze Leitsprüche wei-ter. Deshalb sei zum Schluss ein wahrscheinlich vielenbekanntes Gebet zitiert, das in den 1940er Jahren derdeutsch-amerikanische Theologe Reinhold Niebuhr(1892-1971) formuliert hat. „Gott, gib mir die Gelassen-heit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, denMut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und dieWeisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ Esdürfte leichter sein, das in säkulare Sprache zu übersetzen,als es praktisch umzusetzen.

Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. Eberhard TiefenseeLehrstuhl für PhilosophieKatholisch-Theologische Fakultät der Universität ErfurtNordhäuser Str. 6399089 ErfurtTelefon 0361-7372511e-Mail [email protected]/tiefensee

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�� Das Helfersyndrom –eine Demontage

Vortrag auf dem Symposium „Das Palliativteam imSpannungsfeld von Macht und Ohnmacht“ am28. Juni 2008 in Bad Berka

Klaus DörnerHamburg

Um das mir gestellte Thema in das Macht-Ohnmacht-Generalthema einzubetten, sei zuerst an eine ArtNaturgesetz der Medizingeschichte erinnert: Wann immerin der Geschichte der Medizin eine neue Pille, ein Gerätoder eine neue Disziplin erfunden worden ist, haben diejeweiligen Erfinder ihre Neuerung regelmäßig erst einmaldramatisch überbewertet. Sie waren so begeistert übersich selbst, dass sie in ihrer Erfindung einen nachgerademenschheitsbeglückenden Fortschritt sahen, allesBisherige in Frage stellten und daher eine entsprechendeBelohnung in Form von Ansehen, Geld oder Karriereerhofften – schon der Sache wegen. Innovationen in der Medizin haben also immer auch mitMachtstreben zu tun, was unweigerlich auch die natürli-che oder wissenschaftliche Selbstkritik beeinträchtigt.Man ist in einer solchen Situation so begeistert davon, denleidenden Menschen jetzt besser helfen zu können, dassman gut beraten ist, in diesem Prozess eine „Begeiste-rungshalbwertzeit“ in Rechnung zu stellen; denn erstwenn diese überschritten ist, kehrt die Selbstkritik allmäh-lich wieder zurück, folgt eine Ernüchterungsphase, sodassman oft froh sein kann, wenn von dem ursprünglicherwarteten Erfolg etwa 10 % als wirklicher und dauerhaf-ter Fortschritt übrig bleibt. Das gilt, wie schon gesagt,auch für die Erfindung einer neuen medizinischenDisziplin, also in unserem Fall auch für die neuePalliativmedizin. Allerdings scheint in dieser Hinsicht BadBerka eine Ausnahme darzustellen; denn seit hier diePalliativmedizin etabliert ist, wird dieser Gründungs-prozess von Christina Müller und den übrigen Verant-wortlichen jedes Jahr mit einem Symposion begleitet, aufdem das, was sie doch gerade erst zu erfinden dabei sind,gleichzeitig selbstkritisch gegen den Strich gebürstetwird, so auch in diesem Jahr mit dem Macht-Ohnmacht-Thema. Und dies ist eine ganz ungewöhnliche moralischeLeistung, daher in höchstem Maße bewundernswert.

In diesem Rahmen nun zu meinem Helfersyndrom-Thema.Dass die Tätigkeit des Helfens immer auch mit der Gefahrdes Machtmissbrauchs verbunden ist, weil es nun mal einMachtgefälle gibt zwischen dem Helfer und dem Hilfsbe-dürftigen, weiß an sich jeder, wissen auch die vonChristina Müller befragten Palliativ-Mitarbeiter, auchwenn sie es wünschenswerter fanden, diesen Zusammen-hang zu leugnen. Man könnte daher verallgemeinern:Nicht der potenzielle Machtmissbrauch beim Helfen istgefährlich, denn er ist unvermeidlich; gefährlich ist ledig-lich seine Leugnung.

Um das besser zu verstehen, hier die Kurzfassung einerKulturgeschichte des Helfens: Die ganze Menschheitsge-schichte entlang war das Helfen das Privatvergnügen der

Bürger, denn es gab keine helfenden Berufe, und selbstdie Tätigkeit der Ärzte beschränkte sich weitgehend aufdie Bessergestellten. Da die Bürger nun aber über ihreeigene Familie hinaus anderen, fremden Menschen niegern geholfen haben, kannten alle Kulturen den drittenSozialraum [1] der Nachbarschaft (zwischen privat undöffentlich gelegen). Das änderte sich dramatisch im 19.Jahrhundert, als wegen der Industrialisierung die Familienvom Helfen entlastet werden sollten, weshalb der schwe-rere Hilfebedarf in Krankenhäuser, Anstalten und Heimeausgegrenzt und institutionalisiert wurde. Man brachtenicht mehr die Hilfe zu den Menschen, sondern dieMenschen zur Hilfe. Innerhalb dieser Institutionen konn-te nun all das entstehen, was wir heute helfende Berufenennen, was neben den naturwissenschaftlichen Fort-schritten entscheidend zur Wirksamkeitsexplosion des unsgeläufigen modernen Gesundheitssystems beigetragenhat. Die dadurch bedingte Heilungs-Begeisterung war ver-ständlich, schlug sich aber auch darin nieder, dass denÄrzten im 19. Jahrhundert standesrechtlich vorgegebenwar, dass sie beim Sterben und auch bei chronischenErkrankungen nichts zu suchen hätten, weil es ja dortnichts zu heilen gäbe; dies bleibe wieder Sache der Bürger.Noch um 1900 gingen daher 95 % der Bürger zum Ster-ben nach Hause, auch wenn die räumlichen Verhältnissedort meist ungünstiger waren als heute. Das änderte sich erst in den 60er Jahren des 20. Jahrhun-derts, als mit der Intensivmedizin der erste High-Tech-Schub der Medizingeschichte erfolgte. Die Begeisterungder Mediziner, nun geradezu auch den Tod besiegen zukönnen, war so groß, dass die meisten von ihnen es nichteinmal merkten oder aber in Kauf nahmen, dass sie in vie-len Fällen ihre Intensiv-Patienten mit ihren neuen Appa-raten bis in die Sinnlosigkeit und Unmenschlichkeit hineinquälten. Auch dies ein Beispiel dafür, dass es mit der allzu großen Begeisterung von uns Medizinern für diePatienten auch gefährlich werden kann.

Nun wollte es der Hegel’sche Weltgeist oder der Zeitgeist,dass die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts auch die Epocheder antiautoritären Bürgerrechtsbewegungen war, zuerstin den USA, dann auch in anderen Ländern. So entstan-den überall mächtige Bürgerinitiativen, die erstmals inder Medizingeschichte gegenüber den macht-missbrau-chenden „Halbgöttern in Weiß“ das Bürgerrecht aufSelbstbestimmung forderten und im Laufe der Zeit auchdurchsetzten. Und dies ist die Geburtsstunde des damalsneuen Begriffs des „Helfersyndroms“ – als Kampfbegriffder bürgerschaftlichen Selbstbestimmungs-Kampagnen.Aber auch über die Tagespolitik hinaus entfaltete dieserBegriff eine folgenreiche Bedeutung; denn mit ihm wurdeerstmals zu Bedenken gegeben, dass Helfen nicht, wie bis-her, immer nur gut ist, sondern auch Machtmissbrauchsignalisieren kann, wenn nämlich das Helfen, nur weil estechnisch möglich ist, zum Selbstzweck wird, um jedenPreis erfolgt, sich verabsolutiert, nur noch die Interessender Helfenden zählen. Heute ist die Begeisterungshalb-wertzeit der Intensivmediziner weitgehend überschrittenund ist das Selbstbestimmungsrecht der Patienten, immervon Ausnahmen abgesehen, zumindest im Grundsatz –nicht zuletzt auch dank der Juristenhilfe – so gut aner-kannt, dass wir nun auch gut beraten sind, eine entgegen-gesetzte Gefahr ins Auge zu fassen; denn bei Normen-

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Konflikten geht es meistens darum, dass wir zwischenzwei normativen Verabsolutierungsgefahren einen ver-nünftigen Mittelweg finden. Zumindest gibt es heutebereits einen boomenden internationalen Forschungs-zweig, die „Medical Deresponsibilization“, z. B. zur ver-breiteten Neigung von Ärzten, mit der Begründung desSelbstbestimmungsrechts der Patienten ihre eigene Ver-antwortung zu vermeiden oder sich zu Wunscherfüllernvon Dienstleistungskunden ökonomisch zu machen oderim Zusammenhang mit der Tendenz der Menschen,immer geringere Schmerzen schon für unerträglich zuhalten, entweder zu früh oder zu spät zur Indikation derpalliativen Sedierung zu greifen.

Wie also einerseits das Helfen machtpolitisch zum Helfer-syndrom pathologisch entarten kann, so könnte manheute auch schon vom genauso pathologischen undmacht-verleugnenden „Selbstbestimmungssyndrom“sprechen, wenn etwa der Arzt oder der Patient oder derPflegende oder die Angehörigen die inhaltliche Auseinan-dersetzung um die letzten Fragen beim Sterben in derlebendigen Beziehung durch einseitige Instrumentalisie-rung oder Verabsolutierung des Selbstbestimmungs-rechts blockieren, so wichtig das Selbstbestimmungs-Argument in einem anderen Fall auch sein mag.

Denn wer kennt nicht aus der praktischen palliativen oderhospizlichen Arbeit die jedes Mal einmalige und unver-gleichliche Situation, wo ein im Sterben befindlicherPatient mit oder ohne Worte etwa Folgendes signalisiert:„Liebe Leute, jetzt macht mal halblang; Ihr könnt mirglauben, dass mir meine Selbstbestimmung noch nie soegal war wie jetzt, wo mir die selbstbestimmte Verfügungüber mein Leben zwischen den Fingern zerrinnt und ichdabei bin, jetzt oder bald das Weite zu suchen. MeinSterben ist für mich ein bisschen existenzieller als eurebloß medizinische oder bloß juristische Experten-Machtperspektive. Nehmt euer Helfersyndrom oder euerSelbstbestimmungssyndrom ein wenig zurück. Setzt euchlieber alle, deren vertrauensvolle Hände ich sowieso baldverlasse, um mein Bett herum – Angehörige wie Profis. Dakann jeder noch mal seine medizinischen oder juristischenMachtmöglichkeiten einbringen. Aber berücksichtigtdabei auch meine Äußerungen, verbal oder averbal; lasstmich also bei dem Meinungsaustausch mitspielen. Undtauscht vor allem, daran denkt Ihr am wenigsten, auchoffen eure Ohnmachtsgefühle aus, zu denen Ihr euchdoch besser als zu euren Machtgefühlen bekennen könnt– und zwar so lange, bis wir uns einigermaßen einig sind;und so soll dann verfahren werden, wobei wir uns vorherdie Absolution für alle Irrtümer gegenseitig erteilen, diein existenziellen Fragen – Gott sei Dank – immer möglichbleiben.“

Sie sehen, es geht also weniger um eine Demontage desHelfersyndroms, sondern mehr um seine Ergänzung hin-sichtlich des entgegengesetzten Gefahrenpotenzials.

Abschließend komme ich noch einmal auf den Anfangzurück: Bei der bisherigen Selbstkritik-Tradition in BadBerka bin ich sicher, dass Sie auch die Ersten sein werden,die vielleicht in ein paar Jahren den Mut aufbringen wer-den, auch die Grundsatzfrage an die Palliativmedizin zurichten, zu der jede neue Spezialisierung (z. B. Psychoso-

matik oder Geriatrie) verpflichtet ist: Soll sie sein oder lie-ber nicht sein, überwiegen ihre Vorteile oder ihre Nachtei-le? Heute überwiegen wohl ziemlich sicher die Vorteile derPalliativmedizin, von denen daher auch immer die Redeist. Aber in ein paar Jahren könnten auch die Nachteileüberwiegen, die unbeabsichtigten Nebenwirkungen,wenn etwa die Sensibilität für Sterben und Tod im übri-gen Gesundheitswesen nicht zu-, sondern abgenommenhat, „weil wir ja dafür die Palliativmedizin haben“, wenndie Palliativmedizin mit ihrer ärztlichen Macht das bürger-schaftliche Engagement der Hospizbewegung plattge-macht haben sollte und wenn – im Zusammenhang damit– das Helfersyndrom der Palliativmediziner das Sterbenvollends zu einer medizinischen Angelegenheit reduziertund seine Integration in das gesellschaftliche Miteinanderder Menschen eher verhindert haben könnte; immerhin istin Ihrem Flyer auch heute noch auch von „Symptomen …spiritueller Art“ die Rede. Das muss alles nicht, aber kannso kommen. Vielleicht kommen Sie auch im schonungslo-sen Nachdenken über solche Möglichkeiten dazu, IhrePalliativmedizin zumindest mit dem Ziel zu betreiben, IhreBotschaft, Ihre Sensibilität dem gesamten Gesundheits-system und auch der Gesellschaft so wirksam mitzuteilen,dass Sie sich eines Tages überflüssig gemacht haben. Esbleibt dann immer noch die Frage offen, ob Sie dieses Zielerreichen oder nicht und wenn ja, dann wann.

Literatur

1. Klaus Dörner: Leben und Sterben, wo ich hingehöre, Paranus, Neumünster, 2007

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�� Die Schmerzmedikation aus Sichtdes Rechts – Freiräume und Grenzen

Vortrag auf dem Symposium „Das Palliativteam imSpannungsfeld von Macht und Ohnmacht“ am28. Juni 2008 in Bad Berka

Gunnar DuttgeZentrum für Medizinrecht, Juristische Fakultät,Georg-August-Universität Göttingen

I. Selten sind Macht und Ohnmacht so eindeutig verteilt wiebeim chronischen Schmerzpatienten: Der Schmerz ist dermitunter ganz und gar Vereinnahmende, der Patient siehtsich zum ohnmächtig erduldenden Objekt verdammt.Eine effektive Schmerzmedikation lindert daher keines-wegs nur körperlich, sondern auch seelisch: Die erlösen-de Befreiung von der Qual öffnet das Tor zu neuerLebensfreude, zu neuem Selbstvertrauen und „Lebens-qualität“ – kurz: sie gibt dem Menschen die Freiheit zursinnstiftenden Selbstentfaltung zurück. Seit jeher gehörtdas Streben nach Bekämpfung von schweren Schmerzenzu den elementaren Bedürfnissen des Menschen. Heutegilt dem Patienten die moderne Schmerzmedizin als letz-te Hoffnung vor der Selbstaufgabe und dem Wunsch zusterben; sie wird zur machtvollen Instanz, die berufen ist,mit den Waffen der chemischen Pharmazeutik denSchmerz zu besiegen [1]. Allzu leicht gerät der Patientjedoch von einer Abhängigkeit in die nächste: „Von seinerHilflosigkeit, der Krankheit gegenüber, wechselt er in dieOhnmacht gegenüber der Medizin“ [2]. Damit ihm diesnicht widerfährt, steht auf der Seite des Schwachen dasRecht: nicht um sich nun selbst zum Herrscher aufzu-schwingen und ärztliches Bemühen zur „Erfüllungsme-dizin“ herabzuwürdigen, sondern mit dem Ziel, dass beiallem fürsorglichen „Wohltun“ das Mensch- und nichtlediglich Körpersein des Patienten nicht in Vergessenheitgerät, um also zu gewährleisten, dass dem Patienten alseigenständigem Subjekt („Person“) der gebotene Respektzuteil wird mit seinem Recht auf eigenes Empfinden undErleben, auf Information, auf Mitbestimmung und ggf.Letztentscheidung über Art und Ausmaß der offeriertenärztlichen Intervention, die zu akzeptieren und mitzutra-gen er bereit ist [3].

II.Das eben Skizzierte deutet bereits an, dass Schmerzlinde-rung „um jeden Preis“ keine akzeptable Devise sein kann,so sehr das handlungsmotivierende Anliegen von schla-gender Evidenz und für die leidenden Opfer von gerade-zu existentieller Bedeutung ist. So wenig hinnehmbar esalso erscheint, Menschen, die sich auf Linderung hoffendder ärztlichen Kunst anvertraut haben, aus unbegründe-ter Sorge vor irrig vorgestellten rechtlichen Risiken undbefürchteter Sanktionierung im Stich zu lassen: AuchSchmerzmedikation geschieht nicht im rechtsfreienRaum. Wo verlaufen aber die rechtlichen Grenzen, inner-halb welcher Freiräume ist (medikamentöse) Schmerzlin-derung erlaubt oder inwieweit gar geboten, und was sindggf. die rechtlichen Folgen bei Überschreiten der „rotenLinien“, sei es bei einem „Zuviel“ oder „Zuwenig“? – Vor

einem Eintauchen in die Details bedarf es aus derPerspektive des Rechts vorab einer grundlegendenUnterscheidung zwischen der körperbezogenen interven-tionellen Wirkung als solcher und einer nur in Ausnah-mefällen vorstellbaren evtl. lebensverkürzenden Folge,resultierend aus einer hochdosierten Schmerzmedikation.Letztere wird juristisch, sofern nicht ausschließbar auchfür die Lebensdauer relevant, als eigenständiger Typusder sog. „indirekten Sterbehilfe“ verstanden [4]; damitfällt nicht etwa schon das scharfe Schwert des Verboten-seins, doch unterliegt diese Form der Leidlinderung ausGründen des Lebensschutzes besonderen Anforderungen(näher 2.). Ob bzw. inwieweit hiermit verglichen die sog.„terminale Sedierung“ Sonderfragen aufwirft, wird eben-falls noch zu klären sein (abschließend 3.). Zuvor undzunächst interessiert jedoch die Schmerzmedikation alleinschon in ihrer körperbezogenen Wirkung: Bereits dieseIntervention ist rechtlich wie ethisch legitimierungsbe-dürftig; es gelten hierfür die allgemeinen Grundsätze zumsog. „ärztlichen Heileingriff“ (sogleich 1.). Stehen derSchmerzmittelgabe hiernach keine rechtlichen Hürdenentgegen, hat der behandelnde Arzt freilich keine Wahlmehr: Als Fürsorgepflichtiger (juristisch: „Garant“ krafttatsächlicher sowie rechtlich verpflichtender Übernahmeder medizinischen Versorgung) ist ihm aufgegeben, imRahmen des rechtlich Zulässigen und ärztlich-medizinischVerantwortbaren alles zu unternehmen, um die Schmer-zen seines Patienten nach Möglichkeit zu lindern. Bleibter hinter den Anforderungen dieser Handlungspflichtzurück, so macht er sich als „Sonderpflichtiger“ nicht nurwegen unterlassener Hilfeleistung (§ 323c StGB), sondernsogar wegen Körperverletzung durch Unterlassen (§§ 223,13 StGB) strafbar und überdies schadensersatzpflichtig(§§ 280, 823, 253 II BGB).

1. Im juristischen Verständnis wird der ärztliche Heilein-griff bekanntlich schon seit einer über hundert Jahrezurückliegenden Rechtsprechung als „tatbestandliche“Körperverletzung qualifiziert, die jedoch durch eine wirk-same, d.h. infolge zureichender Aufklärung in informier-tem Zustand erfolgte Einwilligung des Patienten gerecht-fertigt werden kann [5]. Hintergrund dieser bis heute vor-herrschenden Rechtsauffassung war und ist das Bestre-ben, das Selbstbestimmungsrecht des Patienten zusichern. Da es trotz mehrerer Anläufe in der Vergangen-heit [6] an einem gesonderten Straftatbestand der eigen-mächtigen Heilbehandlung nach wie vor fehlt, bleibt aufder Basis der geltenden Gesetzeslage nur der Weg überden Körperverletzungstatbestand. Zufrieden stellend istdiese Situation nicht, allerdings mehr des Begründungs-zusammenhangs und weniger des Ergebnisses wegen:Denn wenn es zutrifft, dass die Legitimation des ärztli-chen Heileingriffs auf zwei Säulen ruht, d.h. neben derWahrung der ärztlichen Professionalität (Intervention auf-grund medizinischer Indikation und Behandlung legeartis) gleichrangig auch die Achtung des Selbstbestim-mungsrechts [7] in Frage steht, so liegt auf der Hand, dasseine Pflichtverletzung auf jeder der beiden Seiten Folgennach sich ziehen muss. Dass freilich auch ein Aufklärungs-fehler letztlich als Körperverletzungsunrecht gewertetwird und nicht – was der Sache eher entspräche – als Aus-löser für ein Freiheitsdelikt (fehlende wirksame Einwilli-gung führt rechtlich zur „Zwangsbehandlung“), lässt sich

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nicht so recht einsehen [8]; insoweit trifft das Argumentder Unvergleichbarkeit mit einem „Messerstecher“ [9] zu.Im Fall eines in jeder Hinsicht pflichtgemäßen ärztlichenVerhaltens beruht dieser Einwand jedoch auf einemMissverstehen der juristischen Dogmatik: Straftatbestän-de „indizieren“ zwar strafwürdiges Unrecht; das definiti-ve Unwerturteil ist jedoch erst gefällt, wenn die äußerlichin ein schützenswertes Gut eingreifende (und daherpotentiell schädigende) Tat nicht in den Anwendungsbe-reich eines Rechtfertigungsgrundes (wie z.B. der tatsäch-lichen oder mutmaßlichen Einwilligung) fällt. Ist die Tatgerechtfertigt, so gilt sie vollumfänglich als erlaubt, stehtalso ohne jedweden Abstrich voll und ganz in Überein-stimmung mit der Rechtsordnung. Sofern also die recht-lichen Anforderungen eingehalten werden, sind Ärzteebenso wenig Messerstecher wie GerichtsvollzieherDiebe, Polizisten Täter einer Nötigung oder Richter einerFreiheitsberaubung.

Die Anforderungen, die an eine wirksame Einwilligunggestellt werden, sind keine anderen als jene, die allgemeingelten: Der sog. „informed consent“ setzt daher eine ärzt-liche Aufklärung über „Wesen, Bedeutung und Tragweite“des Eingriffs voraus [10], im hiesigen Kontext also nebendem (realistischerweise) zu erwartenden Nutzen vor allemüber die möglichen Risiken und mutmaßlichen Beein-trächtigungen (z.B. Bewusstseinstrübung, Müdigkeit) derin Aussicht genommenen Medikation nach Art undSchwere. Praktische Probleme bei der Umsetzung dieserAnforderungen entlasten nicht, sondern sind durch ent-sprechende organisatorische Vorkehrungen zu beheben;ggf. macht sich der Organisationsverantwortliche wegenOrganisationsverschuldens haftbar [11]. Nach der stren-gen höchstrichterlichen Rechtsprechung muss selbst überentfernte Risiken aufgeklärt werden, sofern es sich um„typische“ handelt, die also spezifisch mit dieser Inter-vention verbunden und nicht auf eine andere Ursachezurückführbar sind [12]. Insbesondere bedarf es jedochauch der Aufklärung über Alternativen [13] einschließlicheiner evtl. Verschlechterung bei Nichtintervention, weilder Patient erst in vergleichender Kenntnis aller Optionenimstande ist, aufgrund eigener Bewertung eine Entschei-dung über das für ihn „Beste“ zu treffen. Bei patienten-seitiger Einnahme der Medikamente kommt schließlichder sog. therapeutischen Aufklärung besonderes Gewichtzu, d.h. es ist im persönlichen Gespräch ebenfalls sorgfäl-tig über Dosierung, Einnahmetermine und sonstige fürden bestimmungsgemäßen Gebrauch erforderliche Um-stände zu informieren [14].

Ist der Patient nicht einwilligungsfähig und liegt keinesog. Gesundheitsvollmacht (in schriftlicher Form, vgl. § 1904 II S. 1 BGB) vor, so darf der behandelnde Arzt nurin Fällen besonderer Eilbedürftigkeit über den mutmaßli-chen Willen des Patienten spekulieren und die nötigenEntscheidungen treffen. Die Angehörigen des Patientenkönnen – soweit in Akutsituationen noch erreichbar – zurErmittlung dieses „subjektiv-mutmaßlichen Willens“ [15]wichtige Informationen liefern; zumeist wird jedoch das„objektiv-vernünftige Wohl“ die Schmerzlinderung ohneweiteres erfordern, und zwar so weit, wie eine solchemedizinisch indiziert und lege artis ist, mithin eine Risiko-Nutzen-Abwägung die Vorgehensweise als ärztlich ver-tretbar erscheinen lässt. Mehr als im Sinne einer

Informationsquelle können die Angehörigen die thera-peutische Entscheidung von Rechts wegen nicht beein-flussen; das deutsche Recht kennt für sie keine „natürli-che Stellvertreterschaft“ [16]. Eben deshalb bedarf es innicht eilbedürftigen Fällen der vormundschaftsgerichtli-chen Bestellung eines Betreuers (s. §§ 1896, 1902 BGB; zurBindung des Betreuers an das „subjektive Wohl“ vgl. §1901 II, III BGB) oder der direkten vormundschaftsgericht-lichen Entscheidung (vgl. §§ 1908i, 1846 BGB) über dieVereinbarkeit der in Aussicht genommenen Maßnahmemit dem hypothetischen Willen des Patienten [17], damitauch der (im Entscheidungszeitpunkt) einwilligungsunfä-hige Patient der „ärztlichen Vernunfthoheit“ nicht aufGedeih und Verderb ausgeliefert ist. Die Betreuung kannentweder auf Antrag des Betroffenen selbst oder vonAmts wegen veranlasst werden (§ 1896 I BGB), wobei letz-teres zumeist auf Anregung von dritter Seite (Angehörige,Nachbarn etc.) erfolgt. Dem Arzt, der den Zustand desPatienten am besten beurteilen kann, kommt dabei einebesondere Verantwortung zu; bereits aus § 7 I MBO-Äfolgt seine Pflicht, eine evtl. erforderliche Betreuung anzu-regen, wenn nur so das Selbstbestimmungsrecht desPatienten gewährleistet werden kann.

Damit verbindet sich keine Preisgabe der ärztlich-medizi-nischen Professionalität: Der Patient darf zwar Therapie-angebote selbst dann (und ungeachtet aller ärztlichenEmpfehlung) ablehnen, wenn dies erwartbar tödlicheFolgen nach sich zieht [18]; er kann jedoch keine „Be-handlung“ fordern, die den Rahmen des ärztlich Vertret-baren überschreitet [19]. Das ärztliche Wirken im aktivenSinne bleibt daher an die zentralen Erfordernisse dermedizinischen Indikation und des Facharztstandards [20]gebunden. Evidenzbasierte wissenschaftliche Erkenntnis,bewährte praktische Erfahrung und Akzeptanz der jewei-ligen Vorgehensweise innerhalb der Profession sind allge-mein die ausschlaggebenden Parameter [21]. Für dieSchmerzmedikation im Besonderen dürften auf derGrundlage des 3-Stufen-Schemas der WHO [22] vor allemdie Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommissionmit der hierin zu findenden Klassifikation der Schmerzen,Differenzierung der Wirkstoffe und näheren Anleitungenzur Dosierung von zentraler Bedeutung sein [23]. GewisseUnsicherheiten bei der Handhabung im konkretenEinzelfall werden sich dadurch allerdings schon wegendes individuell unterschiedlichen Resorptionsvermögensnicht restlos beseitigen lassen. Um so wichtiger ist einefrequentielle Beobachtung und eine sorgfältige, mitGründen versehene Dokumentation von Art und Umfangder Medikation; je mehr diese vom Normalen abweicht,um so eher sollte zudem eine Absicherung durch Hinzu-ziehung eines weiteren Arztes erfolgen. Bei Überschreitendes zulässigen Rahmens droht ebenfalls wie bei fehlenderoder defizitärer Aufklärung ein Strafverfahren wegenKörperverletzung (§ 223 StGB) und zivilrechtlich eineInanspruchnahme auf Schadensersatz (§§ 280, 823 I, IIBGB).

2. Lässt sich unter den gegebenen Umständen nicht aus-schließen, dass die Schmerzmedikation, bedingt durchdas verwendete Präparat und die Höhe der Dosis, einelebensverkürzende Wirkung nach sich ziehen könnte, sodarf dies um der erstrebten Leidminderung willen den-noch als unvermeidbare Nebenfolge in Kauf genommen

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werden. Innerhalb dieses Rahmens, sofern also derlebensverkürzende Effekt nicht wahrscheinlich oder garsicher ist [24], findet sich ungeachtet der (inzwischenangefochtenen) begrifflichen Klassifizierung („indirekteSterbehilfe“) von Rechts wegen kein Hindernis für eineeffektive Schmerzbekämpfung, soweit diese nach ärzt-lich-medizinischer Einschätzung geboten ist. So unbestrit-ten sich dies heute im Ergebnis darstellt, so sehr offenbartdas Recht noch immer Unsicherheiten über die „richtige“Begründung hierfür [25]. Die Frage ist keineswegs von nurakademischem Interesse, sondern hat in der laufendenrechtspolitischen Debatte erhebliche Relevanz. Denn derBundesgerichtshof in Strafsachen hat sich deutlich imSinne einer notstandsähnlichen Argumentation (Prinzipdes überwiegenden Interesses) positioniert: Danachkönne „… die Ermöglichung eines Todes in Würde undSchmerzfreiheit gemäß dem erklärten oder mutmaßlichenPatientenwillen […] ein höherwertiges Rechtsgut [sein] alsdie Aussicht, unter schwersten, insbesondere sog.Vernichtungsschmerzen noch kurze Zeit länger leben zumüssen“ [26]. In der Strafrechtswissenschaft wurde dar-aufhin vereinzelt durchaus konsequent der Schluss gezo-gen, dass erst recht auch die gezielte Tötung desPatienten – gleichsam als „noch effektivere Leidensmin-derung“ – erlaubt sein bzw. werden müsse [27].Vorsichtiger und tragfähiger dürfte es daher sein, den all-gemeinen Grundsätzen entsprechend auch insoweit aufdas Selbstbestimmungsrecht der Patienten abzustellen;soweit es an der nötigen Einwilligungsfähigkeit fehlt, wirdman innerhalb des skizzierten Rahmens der lediglich mög-lichen, d.h. nicht auszuschließenden Lebensverkürzungbei erstrebter signifikanter Schmerzlinderung im Regelfallvon einem dahingehenden hypothetischen Willen ausge-hen können [28]. Bei wahrscheinlicher oder gar „sicherer“Verkürzung der verbleibenden Lebensspanne lässt sichdies hingegen nicht mehr annehmen; die auf eine solcheErweiterung zielenden Beschlüsse des DeutschenJuristentages (strafrechtliche Abteilung) 2006 [29] dürf-ten zudem wohl kaum mit dem ärztlichen Selbstver-ständnis vereinbar sein [30].

3. Nach alledem versteht sich nahezu von selbst, dassauch eine gezielte medikamentöse Bewusstseinsdäm-pfung im späten Erkrankungsstadium zwecks Symptom-kontrolle (sog. palliative oder „terminale Sedierung“ [31])keinen Sonderregeln unterliegt, gleichgültig, ob dasBestreben eher auf Vergrößerung oder auf Verkleinerungdes Handlungsspielraums zielt. Soweit sich lebensverkür-zende Wirkungen nicht gänzlich ausschließen lassen, gel-ten daher die eben erläuterten Grundsätze zur „indirek-ten Sterbehilfe“. Allein die Möglichkeit einer Umgehungdes strafbewehrten Verbots der aktiv-direkten Sterbehilfe(§ 216 StGB) durch Kombination von Sedierung und nach-folgender Therapiebegrenzung (sog. „passive Sterbe-hilfe“) bildet eine Besonderheit und lässt es geratenerscheinen, die weitere Entwicklung daraufhin sorgfältigzu beobachten [32]. Davon abgesehen wird man hinsicht-lich der Sedierung als solcher wohl nicht in pauschalisie-render Weise von einem die Bewusstseinstrübung akzep-tierenden mutmaßlichen Willen aller Patienten ausgehenkönnen [33]. Manche werden möglicherweise bis zu eineräußersten Grenze der Erträglichkeit bei klaremBewusstsein bleiben wollen und diese Option für wertvol-

ler erachten [34]. Dementsprechend muss bei nicht einwil-ligungsfähigen Patienten durch Einbeziehung der An-gehörigen und besser noch durch rechtzeitige Vorge-spräche mit dem Betroffenen selbst eine tragfähige, aufkonkret-individuellen Anhaltspunkten beruhende Infor-mationsbasis für die nachfolgenden Entscheidungen ge-schaffen werden. Die Wahl von Sedierungsart und -tiefemuss sich an einem (palliativ-)medizinischen „Standard“orientieren; soweit ein solcher noch nicht (hinreichend)besteht [35], bedarf es durch systematische Erhebungund wissenschaftliche Analyse von praktischen Erfah-rungen entsprechend verstärkter Anstrengungen.

III. Die Ethik-Charta der Deutschen Gesellschaft zum Studiumdes Schmerzes (2007) betont zu Recht: „Der Umgang mitSchmerzen ist ein Kriterium für den zivilisatorischenEntwicklungsstand einer Gesellschaft; kompetente undadäquate Linderung von Schmerzen in allen Lebens-situationen […] ist ein wesentliches Merkmal einer huma-nen, an Lebensqualität und Lebenssinn des Menschen[…] orientierten Medizin“ [36]. An einer effektivenSchmerzbekämpfung sollte sich heute daher niemandmehr gehindert sehen. Freilich darf dabei niemals verges-sen werden, dass Sinn jeder Medikation stets die Stärkungder natürlichen Kräfte ist, nicht etwa deren Ersetzung.Jede Intervention in den natürlichen Verlauf des Orga-nismus steht daher unter dem Vorbehalt ihrer unbeding-ten Erforderlichkeit. Erst in diesem Lichte lässt sich verste-hen, was der Philosoph Gadamer in seiner „Apologie desSchmerzes“ meinte: „Die Bekämpfung des Schmerzeswird im Zeitalter der Technik zu einem besonderenProblem der ärztlichen Behandlung, insbesondere dann,wenn es darum geht, den Schmerz zu betäuben. […] DiePatienten verlangen … auch dort die chemischeSchmerzbekämpfung, wo der Arzt sie aus guten Gründenvermeiden sollte und damit riskiert, sein Ansehen zu ver-lieren [37].“

Anmerkungen:1. Lang, Nachwort, zu: Gadamer, Schmerz. Einschätzungen aus medizini-

scher, philosophischer und therapeutischer Sicht, 2003, S. 44.2. Martin Gerhard Reisenberg, (*1949), Diplom-Bibliothekar in Leipzig und

Autor, abrufbar unter http://www.aphorismen.de/display_aphorismen.php (Stand: 28.8.2008).

3. Die Betonung, dass der Letztentscheidung des Patienten ein Therapieangebot vorausgehen muss, stellt sicher, dass der Patient keine aus ärztlicher Sicht unverantwortliche Intervention erzwingen kann. Die „Unvernunft“ des Patienten schlägt also nur bei der Ablehnung eines Therapieangebots durch; die stattfindende Behandlung darf hingegen den Rahmen des ärztlich Vertret- und Verantwortbaren nicht verlassen.

4. Näherer Überblick zu den Sterbehilfetypen bei Duttge, in: Kettler u.a. (Hrsg.), Selbstbestimmung am Lebensende, 2006, S. 36 ff.

5. Reichsgericht-Rechtsprechung in Strafsachen (RGSt) 25, 375 ff.; Bundesgerichtshof, Entscheidungen in Strafsachen (BGHSt) 11, 111, 112.

6. Vgl. Katzenmeier, Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 1997, 156 ff.7. Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl. 2002,

§ 6 Rn. 2.8. Dazu näher Duttge, Medizinrecht (MedR) 2005, 706 ff.; Lilie, in:

Leipziger Kommentar (LK)/StGB, 11. Aufl. 2005, Vor § 223 Rn. 3.

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9. ag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex artis, 2000, S. 439.

10. Dölling, in: Dölling/Duttge/Rössner (Hrsg.), Handkommentar: Gesamtes Strafrecht, 2008, § 228 StGB Rn. 17.

11. Deutsch, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2000, 1745 ff.; Einbecker Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Medizinrecht (DGMR) e.V., MedR 2006, 127 ff.

12. BGH MedR 2001, 421, 422; Wussow, Versicherungsrecht (VersR) 2002, 1337, 1339.

13. BGH VersR 1996, 233; BGH MedR 2005, 599, 600. 14. Bundesgerichtshof, Entscheidungen in Zivilsachen (BGHZ) 162, 320;

BGH NJW 1970, 511, 512; 1982, 697, 698.15. Die Ermittlung des subjektiv-hypothetisch Gewollten ist vorrangiger

Maßstab für die mutmaßliche Einwilligung, vgl. BGHSt 45, 219, 221; Dölling (Fn. 10), § 228 StGB Rn. 17 a.A. Jox, Ethik in der Medizin (Ethik Med) 2004, 401, 404 ff.

16. Der Entwurf zum 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz v. 12.02.2004 (BT-Drucks. 15/2494), der eine solche vorsah, wurde wegen verbleibender Missbrauchsgefahren nicht verabschiedet, vgl. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses v. 16.02.2005 (BT-Drucks. 15/4874), S. 26.

17. Die Aufgabe des Vormundschaftsgerichts beschränkt sich also auf die Wahrung des patientenseitigen Selbstbestimmungsrechts; die Frage, was medizinisch indiziert ist, bleibt damit – natürlich – in der alleinigen Beurteilungskompetenz der behandelnden Ärzte.

18. Leitentscheidung: BGHSt 11, 111, 114.19. Eine kontraindizierte Maßnahme ist selbst dann rechtswidrig, wenn sie

der Patient nach umfänglicher Aufklärung über alle wesentlichen Umstände noch immer verlangt, vgl. BGH NJW 1978, 1206 ff. (Extraktion gesunder Zähne).

20. BGH NJW 1993, 2989, 2990; bei Außenseitermethoden gilt der noch-mals strengere Sorgfaltsmaßstab eines (gemeint: besonders) „sorgfälti-gen Arztes“, vgl. BGH MedR 2008, 87 ff.

21. Becker-Schwarze, in: Höfling/Eugen (Hrsg.), Recht und Ethik der Palliativmedizin, 2007, S. 41.

22. World Health Organization, Cancer Pain Relief: With a Guide to Opioid Availability, 2. Aufl., 1996, S. 15.

23. Z.B. Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Tumorschmerzen, 3. Aufl. 2007.

24. Ungenau daher die Ethik-Charta der DGSS, 2007, S. 11: „Schmerztherapie darf nicht schaden. Es ist nicht als Schaden zu betrachten, wenn ein früherer Tod beim Tumorpatienten Folge einer Schmerztherapie ist“ abrufbar unter http://www.dgss.org/uploads/media/Ethik-Charta.lang_01.pdf (Stand: 28.8.2008).

25. Im Überblick: Seibert, Rechtliche Würdigung der aktiven indirekten Sterbehilfe, 2003.

26. BGHSt 42, 301, 305; ähnlich Schöch/Verrel, Alternativ-Entwurf Sterbebegleitung, Goltdammer´s Archiv für Strafrecht (GA) 2005, 553, 573 ff.; dazu krit. Duttge, GA 2006, 573, 578 f.

27. Lüderssen, Juristenzeitung (JZ) 2006, 689, 690 f.; Merkel, in: Schroeder-Festschrift 2006, S. 297, 308; Neumann/Saliger, Online-Zeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht (HRRS) 8-9/2006, 280, 285.

28. Näher Duttge et al., Preis der Freiheit, 2. Aufl. 2006, S. 80 ff.29. Vgl. Beschluss III, 1.: Eine Leidensminderung „…ist zulässig auch dann,

wenn die Lebensverkürzung zwar nicht beabsichtigt, aber als sichere Folge vorhergesehen wird“ abrufbar unter http://www.djt.de/files/djt/66/66_DJT_Beschluesse.pdf (Stand: 28.8.2008).

30. Vgl. Grundsätze der BÄK zur ärztlichen Sterbebegleitung, Deutsches Ärzteblatt 2004, A 1298.

31. Zum Begriff Neitzke/Frewer, Ethik Med 2004, 323, 324; Radbruch/Nauck, in: Aulbert/Nauck/Radbruch (Hrsg.), Lehrbuch der Palliativmedizin, 2. Aufl. 2007, S. 1029.

32. Birnbacher, Ethik Med 2004, 358, 364; Hartogh, Ethik Med 2004, 378, 380; Müller-Busch, in: Kettler u.a. (Hrsg.), Selbstbestimmung am Lebensende, 2006, S. 124, 132 ff.; Verrel, Patientenautonomie und Strafrecht bei der Sterbebegleitung, Gutachten C zum 66. Deutschen Juristentag 2006, C 105 f.

33. Radbruch/Nauck (Fn. 31), S. 1029, 1031 f.; Sahm, Sterbebegleitung und Patientenverfügung, 2006, S. 122.

34. Nauck/Jasper/Radbruch, in: Höfling/Brysch (Hrsg.), Recht und Ethik der Palliativmedizin, 2007, S. 67, 71; Verrel (Fn. 32), C 102.

35. Darauf hindeutend Müller-Busch, Ethik Med 2004, 369, 375: „Sedierungstiefe und -art sollte individuellen Bedürfnissen angepasst werden“.

36. Ethik-Charta der DGSS, 2007, S. 6, abrufbar unter http://www.dgss.org/uploads/media/Ethik-Charta.lang_01.pdf (Stand: 28.8.2008).

37. Gadamer, Schmerz. Einschätzungen aus medizinischer, philosophischer und therapeutischer Sicht, 2003, S. 23.

Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. Gunnar DuttgeZentrum für MedizinrechtJuristische Fakultät der Georg-August-UniversitätGöttingenGoßlerstr. 1937073 GöttingenTelefon 0551-397435e-Mail [email protected]

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Aussagekraft, da das Mundhöhlenepithel verhornt unddie entscheidenden Zellen mit einem einfachen Watte-stab-Abstrich nicht gewonnen werden können. Hier hilftdie Verwendung von relativ harten Bürstchen (s. Abb. 1)weiter. Entscheidend für die Aussagekraft der sogenann-ten Bürstenbiopsie ist jedoch die in Driemels Studie erst-mals immunzytochemisch markierten extrazellulärenMatrixproteine wie die Gamma2-Kette von Laminin-5 undhochmolekularem Tenascin-C. Diese sind Schlüsselprote-ine der Invasions- und Metastasierungskaskade von ora-len Plattenepithelkarzinomen. Die immunzytochemischeMarkierung von atypischen Zellen in den Bürstenbiopsie-präparaten erleichtert das Auffinden der diagnoseent-scheidenden Zellen, rationalisiert die Diagnostik und er-möglicht eine hohe Sicherheit der Interpretation. Darausresultiert eine Sensitivität (Karzinom richtig erkannt) von95 % und eine Spezifität von 99 % (nur einer von 100 posi-tiven Tests ist falsch positiv).

Entwickelt hatte Privatdozent Dr. Dr. Driemel diese Tech-nologie während seiner Facharztausbildung an der Klinikfür Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Ope-rationen des HELIOS Klinikums Erfurt bei Chefarzt Prof. Dr.Dr. Hans Pistner und in enger Zusammenarbeit mit HerrnProfessor Dr. Hartwig Kosmehl, Chefarzt des Institutes fürPathologie am selben Klinikum, zugleich einem sehr ver-sierten und anerkannten Oralpathologen. An der Klinik fürMund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universität Re-gensburg (Prof. Dr. Dr. T. E. Reichert) wurden die Datenvervollständigt und die Technik zur Rezidivüberwachungerweitert. Herr Driemel hat zu diesem Thema an derUniversität Regensburg habilitiert. Im Verlauf wurden dieStudien mit Mitteln der Europäischen Union (FP6, LSCH-CT-2003-5032, Stroma) und des Bundesministeriums fürBildung und Forschung (BMBF) unterstützt.

Abb.2 Standardisierte Immunzytochemie mit Laminin-5 und Tenanscin-C; Normale Schleimhaut und immunzytochemisch erkannte und markier-te Zellen eines Plattenepithelkarzinomes der Mundhöhle (OSCC)

Die hohe Sensitivität der methodisch erweiterten undabgesicherten Bürstenzytologie empfiehlt diese Technikals ersten diagnostischen Schritt im Rahmen desMonitorings von Mundschleimhautläsionen. PositiverBefund und Progression der Läsion bei negativem Befundsind hiernach Indikationen zur Überweisung des Patientenan Fachkliniken und zur dort durch zu führenden histopa-thologischen Kontrolle. Sie sollen immer dann zum

�� Miller-Preis für Früherkennung vonmalignen Mundhöhlenläsionen anfrüheren Mitarbeitern desHELIOS Klinikum Erfurt

Höchster wissenschaftlicher Preis der DGZMKerstmals seit 4 Jahren wieder vergeben

Hans PistnerKlinik für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie,Plastische Operationen, HELIOS Klinikum Erfurt

Der Deutsche Miller-Preis wird vom Vorstand der DGZMKjährlich als Anerkennung für die beste wissenschaftlicheArbeit auf dem Gebiet der Zahn-, Mund- und Kieferheil-kunde seit 1908 und nach Unterbrechung seit 1961 ver-geben. Nicht in jedem Jahr wurden die eingereichtenStudien für preiswürdig befunden: 2008 wurde erstmalsnach einem preislosen Intervall von 3 Jahren der mit10.000 Euro dotierte Preis beim Deutschen Zahnärztetagin Stuttgart im Oktober 2008 wieder vergeben: anPrivatdozent Dr. Dr. Oliver Driemel, z.Z. Oberarzt der Klinikfür Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der UniversitätRegensburg.

Titel der Studie: „Identifikation oraler Risikoläsionen undKarzinome mittels oraler Zytologie - Immunzytoche-mische, massenspektrometrische (SELDI), DNA-zytome-trische und quantitative mRNA-Analyse oraler Bürsten-biopsate.“ Dahinter „versteckt“ sich die moderne Form des zytologi-schen Abstrichs, mit Hilfe dessen „verdächtige“ Schleim-hautveränderungen in der Mundhöhle ohne Skalpellüberprüft und mit hoher Sicherheit der Aussage überprüftwerden kann. Die Folge: Bürste ersetzt (zumindest vorläu-fig) Messer!

Abb.1 Bürstenbiopsie einer verdächtigen Schleimhautveränderung am Gaumen

Die „gewöhnliche“ Zytologie mit Auswertung nachPapanicolau, wie sie in der Gynäkologie zu großenErfolgen in der Frühbehandlung von Zervixkarzinomengeführt hat, gelingt in der Mundhöhle nicht mit gleicher

�� SSeeiittee 2233 ��JJOOUURRNNAALL 0022//22000088

Einsatz kommen, wenn eine Schleimhautläsion klinisch alsnicht dringend tumorverdächtig angesehen wird undzunächst durch Beobachtung verfolgt wird. In diesenFällen sind Bürstenbiopsie-basierende Verfahren geeig-net, diagnostische Fehleinschätzungen frühzeitig zuerkennen. (Abgerechnet werden kann die Gebührennum-mer 05 der BEMA 2004 bzw. die GOÄ-Nr. 279 und 7.) Beijedem klinisch eindeutigem Karzinom-Verdacht erübrigensich sämtliche Verfahren der oralen Bürstenbiopsie, dennes wird unmittelbar eine Skalpellbiopsie erforderlich.Durch frühe Überweisung in eine Fachklinik kann die not-wendige chirurgische Therapie im Umfang kleiner blei-ben. Die Überlebenswahrscheinlichkeit und Lebensquali-tät eines Patienten sind um so höher, je kleiner ein Tumorbei Diagnosestellung und Behandlungsbeginn war.

Die Verleihung des MILLER - Preises für die Bürstenbiopsieist ein wichtiger Schritt für die Zahnmedizin hin zurZahnMedizin: Die Augen des Zahnarztes können mit Hilfedieses neuen Werkzeuges für maligne Erkrankungen derMundhöhle geschärft werden. Die einfache nicht-invasi-ve Wiederholbarkeit in der Zahnarztpraxis erlaubt die eng-maschige Kontrolle oraler Vorläuferläsionen und ermög-licht eine frühzeitige Erkennung maligne transformierterZellen.

Abb.3 Übergabe der MILLER-Preis-Urkunde an Herrn Privatdozent Dr. Dr. Oliver Driemel beim Deutschen Zahnärztetag 2008 in Stuttgart (von links nach rechts: Prof. Dr. Stratmann, Generalsekretär DGZMK, Priv.-Doz. Dr. Dr. Driemel, Prof. Dr. Hoffmann, Präsident DGZMK)

Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. Dr. Hans PistnerKlinik für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie, PlastischeOperationenHELIOS Klinikum ErfurtNordhäuser Str. 7499089 ErfurtTelefon 0361-7812230Telefax 0361-7812232e-Mail [email protected]

�� Selbsthilfegruppe „Harnblasen-tumor Thüringen“ – Hilfe durchGespräche und Informationen

Claus HofmannSelbsthilfegruppe Harnblasentumor – Thüringen

Die Selbsthilfegruppe „Harnblasentumor Thüringen“ hatsich im Januar 2005 unter dem Dach des Selbsthilfebun-des Blasenkrebs e.V. gegründet.

Die Diagnose eines Tumors gleich welcher Art kann dasLeben eines Menschen und seiner Angehörigen verän-dern. Alltägliche Dinge können plötzlich Angst machen,die Sorgen drehen sich um die Familie und den Arbeits-platz. Hinzu kommen die Furcht vor Untersuchungen,Behandlungen, Krankenhausaufenthalten und anfallen-den Kosten. In vielen Fällen werden bei den Betroffenen teils dramati-sche, das Schicksal tangierende Assoziationen ausgelöst.Eine Welt bricht zusammen! Geht es weiter? Und wennja, wie? Das gilt auch für das Leben mit oder nach einemHarnblasentumor.

Sprechen hilft beim Verarbeiten. Neben Partner undAngehörigen wird der Austausch mit anderen Erkranktenoft als hilfreich empfunden. Unsere Selbsthilfegruppesteht dafür bereit. Mit unseren Erfahrungen wollen wir beider Bewältigung dieser Lebenssituation helfen.

Nach der Überwindung des Diagnoseschocks sind nebendem im Vordergrund stehenden ärztlichen Können daspersönliche Bemühen um Sachlichkeit, Rationalität undInformation wichtige Voraussetzungen für gute Heilungs-chancen.In einer solch schweren Lebensphase ist es wichtig, mitLebensmut und dem Glauben an die eigene Kraft dieHandlungshoheit für sein Leben zu behalten oder wiederzurück zu gewinnen.

Die Vielzahl operativer und nicht operativer Behandlungs-möglichkeiten eines Harnblasentumors ist für den Laiennur schwer überschaubar. Der medizinische Fortschritt istauch auf diesem Gebiet enorm. Es ist und bleibt dieAufgabe des Arztes, in Abstimmung mit dem Patientendie jeweils optimale Therapie festzulegen.

Aber die Betroffenen wollen oft mehr wissen als in demsachlich nüchternen, vielfach von Zeitknappheit bestimm-ten Arzt-Patienten-Gespräch zu vermitteln ist. Sie erfahrenund berichten von Unzulänglichkeiten in den verschiede-nen Phasen des Genesungsprozesses, häufig aufgrundfehlender oder lückenhafter Informationen. Manchmal handelt es sich dabei um vergleichsweisebanale Dinge. Es kann aber auch wesentliche Fragen be-treffen. Hier sehen wir für die Arbeit unserer Selbsthilfe-gruppe einen wichtigen Ansatz.

Eingedenk eigener Erfahrungen empfehlen wir daher,möglichst zeitnah nach der Diagnose, den Kontakt zueiner Selbsthilfegruppe zu suchen. Das ist eine wichtigeErgänzung zum Primat der ärztlichen Behandlung.

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Tumoren der Harnblase betreffen einen Körperbereich,der häufig noch immer als Tabuzone gilt. "Man sprichtnicht darüber!" Auch wenn inzwischen moderne, scho-nende Therapien zur Verfügung stehen, kann dieBehandlung dennoch radikale Auswirkungen auf dieLebensqualität des Betroffenen und der unmittelbarenAngehörigen haben. Operative Eingriffe können ausge-dehnt sein und schwer verlaufen. Die erfolgreicheTherapie des Tumors hat mitunter unvermeidbare dauer-hafte Funktionsveränderungen im Körper zur Folge.

Die Komplexität einer Harnblasentumor-Erkrankung undderen Folgen werden bei einem Blick auf die Themendeutlich, die in Selbsthilfe-Foren besprochen werden:- Tumor(nach)behandlung / (biologische) - Tumorabwehr - Inkontinenz - Prostata - Stoma - Potenz - Darm - Nieren.Wichtig ist dazu die folgende Bemerkung: Einige dieserProbleme oder auch andere Probleme können auftreten,müssen aber nicht! Eine annähernde Beschwerdefreiheitnach der Behandlung ist keinesfalls ausgeschlossen.

Was will unsere junge, noch ihren Weg suchendeSelbsthilfegruppe „Harnblasentumor Thüringen“ errei-chen?1. Wir wollen Betroffenen, Familienangehörigen und

Interessierten bis zu 10mal im Jahr ein Gesprächs-forum bieten.

2. Wir sprechen über alles offen wie auch vertraulich.3. Bedarfsweise werden Vier-Augen-Gespräche möglich

sein; fallweise stehen wir Betroffenen innerhalb und außerhalb von Kliniken persönlich und auch auf ande-re Weise für Kontakte und Gespräche zur Verfügung; dies insbesondere für den unmittelbaren Zeitraum nach der Erstdiagnose.

4. Wir geben Hinweise auf Informationsveranstaltungen und sind bemüht, selbst eigene Veranstaltungen durchzuführen. Information und Erfahrungsübermitt-lung sind Kernkompetenzen der Selbsthilfearbeit.

5. Fachärztliche Begleitung ist für uns von größter Bedeutung, da nur so alle praktischen Erfahrungen und Fragen in den richtigen medizinischen Kontext eingeordnet werden können.

6. Wir suchen den Kontakt zu den medizinisch angren-zenden Selbsthilfegruppen. Nur interdisziplinär wer-den einige Probleme verständlicher.

7. Der „Heimat-Standort“ der Selbsthilfegruppe „Harn-blasentumor Thüringen“ ist Jena. Bis zur wünschens-werten Gründung weiterer Selbsthilfegruppen an anderen Orten in Thüringen werden wir versuchen, einzelne Veranstaltungen auch in anderen Städten und Gemeinden Thüringens anzubieten und durchzufüh-ren.

Wir laden alle Patienten mit der Diagnose Harnblasen-tumor ein, ihre eigenen Erfahrungen einzubringen und zuvermitteln, aber auch von den Erfahrungen andererBetroffener zu profitieren. Die Mitglieder unserer Selbsthilfegruppe sind jederzeit

ansprechbereit. Das gilt auch für Informationen zu unse-ren Veranstaltungsterminen.

Weitere Informationen zum Selbsthilfebund Blasenkrebsfinden Sie im Internet unter http://www.selbsthilfe-bund-blasenkrebs.de.

Korrespondenzadresse:

Claus Hofmann SHG „Blasentumor Thüringen“ Prager Straße 3099427 WeimarTelefon: 03643-500 370Telefax: 03643 500 370e-Mail: [email protected]

�� Nationaler Krebsplan – WesentlicheHandlungsfelder sind Aufgaben desTumorzentrums

Mitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit(gekürzt)

Gemeinsam mit führenden Vertretern der Deutschen Krebs-gesellschaft, der Deutschen Krebshilfe sowie der Arbeitsge-meinschaft Deutscher Tumorzentren hat Bundesgesund-heitsministerin Ulla Schmidt am 16. Juni 2008 den Natio-nalen Krebsplan vorgestellt. Der Nationale Krebsplan versteht sich als Fortsetzung des frü-heren „Gesamtprogramms zur Krebsbekämpfung“ und solleine langjährige Perspektive haben. In der ersten Phase sol-len die vier Bereiche Krebsfrüherkennung, onkologische Ver-sorgungsstrukturen und Qualitätssicherung, effiziente onko-logische Arzneimittel-Therapie und Patientenorientierungumgesetzt werden. Gerade in diesen Bereichen bietet einNationaler Krebsplan derzeit einen echten „Mehrwert“ fürdie Krebsbekämpfung in Deutschland.

Warum brauchen wir einen Nationalen Krebsplan?Trotz eines hochentwickelten Gesundheitswesens und erheb-licher Fortschritte bei der Behandlung von Krebspatientensteht Deutschland bei der Krebsbekämpfung vor wachsen-den Herausforderungen.An erster Stelle steht die demographisch bedingte Zunahmeder Krebsneuerkrankungen. Das Risiko an Krebs zu erkran-ken, nimmt mit höherem Alter zu. Da der Anteil ältererMenschen in der Bevölkerung zunimmt, wird die Zahl derKrebsneuerkrankungen steigen. So rechnen Experten damit,dass die Zahl der altersbedingten Neuerkrankungen inEuropa im Jahr 2020 im Vergleich zu 2002 bei Männern um24 Prozent und Frauen um 15 Prozent steigt.Krebs ist heute nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen diezweithäufigste Todesursache in Deutschland. Nach den aktu-ellen Zahlen des Robert-Koch-Instituts waren im Jahr 2004insgesamt 436.500 Neuerkrankungen zu verzeichnen, rund12.000 mehr im Jahr 2002.Durch Fortschritte in der Therapie wird sich der typische

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Verlauf von Krebserkrankungen zunehmend dem einer chro-nischem Erkrankung angleichen. Immer mehr Menschen, diefrüher an ihrer Krebserkrankung gestorben wären, werdenüberleben, selbst wenn der Krebs nicht in allen Fällen voll-ständig geheilt werden kann. Aufgrund der zu erwartendenZunahme solcher „chronischer Krebsverläufe“ wird die kon-tinuierliche medizinische Nachsorge und die sorgfältigeonkologische Langzeitbetreuung eine größere Bedeutunggewinnen. Angesichts der demographischen Entwicklungwird es immer mehr alte und hochbetagte krebskrankeMenschen geben, die zusätzlich an weiteren Erkrankungen(Multimorbidität) leiden. Diese stellen besondere Anfor-derungen an die ärztliche und pflegerische Betreuung. Dieonkologischen Versorgungsstrukturen bis hin zu einer ange-messene Palliativversorgung müssen dieser EntwicklungRechnung tragen.Eine weitere Herausforderung ist die rasante Entwicklungund Zulassung neuer „zielgerichteter“ Krebsarzneimittel, diedas bisherige Behandlungsspektrum (Chirurgie, Strahlen-und Chemotherapie) erweitern. Fachleute und Betroffenehoffen, dass die „maßgeschneiderte“, individualisierte onko-logische Arzneimitteltherapie die Wirksamkeit, Verträglich-keit und Lebensqualität weiter verbessern wird. KritischeStimmen warnen hingegen vor den explodierenden Kostender Krebstherapie bei teilweise marginalem oder ungeklär-tem Zusatznutzen dieser Arzneimittel.Aufgrund der zunehmenden Komplexität und Spezialisie-rung der Krebstherapie und des immer schnelleren Wissens-zuwachses werden die Anforderungen an niedergelasseneÄrztinnen und Ärzte, Krankenhäuser und weitere Einrich-tungen sowie Versorgungsstrukturen kontinuierlich steigen.Dies gilt insbesondere für die: • laufende Anpassung der medizinischen Aus-, Weiter- und

Fortbildung an den aktuellen medizinischen Wissens-stand,

• Fähigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit trotz der fortschreitenden Spezialisierungs- und Differenzierungs-tendenzen in der Onkologie,

• Qualitätssicherung der Behandlungsabläufe, die immer komplexer und damit störanfälliger werden.

Dazu gehören auch patientengerechte Informations-,Beratungs- und Hilfsangebote. Der krebskranke Mensch mitseinen speziellen psychosozialen Bedürfnissen und seinerbesonderen Lebenssituation muss im Mittelpunkt stehen.Bei der zunehmenden Spezialisierung, Fragmentierung undTechnisierung der onkologischen Versorgung darf dies nichtaus den Augen verloren werden.

Was sind die Handlungsfelder und Ziele des NationalenKrebsplans?Trotz der erreichten Fortschritte in der Krebsbekämpfungbestehen noch Verbesserungspotenziale. Der Schwerpunktdes Nationalen Krebsplans wird zunächst bei vierHandlungsfeldern liegen: 1. Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung2. Weiterentwicklung der onkologischen Versorgungsstruk-

turen und der Qualitätssicherung3. Sicherstellung einer effizienten onkologischen Arznei-

mittel-Therapie4. Stärkung der Patientenorientierung

1.Handlungsfeld: Weiterentwicklung der Krebsfrüher-kennungIn diesem Handlungsfeld stehen folgende Ziele im Vorder-grund: • Höhere Teilnahmerate an den Krebsfrüherkennungs-

untersuchungen• Organisatorische Weiterentwicklung der bestehenden

Krebsfrüherkennungsprogramme für Gebärmutterhals- und Darmkrebs

• Evaluation der Krebsfrüherkennungsprogramme hin-sichtlich ihres Nutzens

Höhere Teilnahmerate an den Krebsfrüherkennungsun-tersuchungenIn Deutschland wird bereits seit 1971 allen gesetzlichVersicherten ein umfassendes Krebsfrüherkennungspro-gramm angeboten. Weitere wichtige Meilensteine waren dieAufnahme der Früherkennungs-Koloskopie (Darmspiege-lung) in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkas-sen im Jahre 2002 und die flächendeckende Einführung einesqualitätsgesicherten Mammographie-Screenings nach denEuropäischen Leitlinien in den Jahren 2004 bis 2008. Fernerwird ab dem 1. Juli 2008 allen gesetzlich versicherten Frauenund Männern ab 35 Jahren ein zweijährliches standardisier-tes Hautkrebs-Screening angeboten. Hiermit nimmt Deutsch-land international eine Vorreiterrolle ein.Allerdings wird das Früherkennungsangebot von den Versi-cherten nur unzureichend wahrgenommen. So nahmen imJahr 2006 weniger als die Hälfte der Frauen (48 Prozent) unddeutlich weniger Männer (21 Prozent) die Krebsfrüherken-nungsuntersuchungen der gesetzlichen Krankenversiche-rung in Anspruch.Ein wichtiges Ziel des Nationalen Krebsplans ist, die Inan-spruchnahme des Krebsfrüherkennungsangebots der gesetz-lichen Krankenkassen zu verbessern. So sind z.B. mit der Ge-sundheitsreform 2007 die Krankenkassen verpflichtet worden,ihre Versicherten zu Beginn eines Kalenderjahres auf Früher-kennungsuntersuchungen hinzuweisen. Darüber hinaus berei-tet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung einProjekt vor, das zu einer höheren Teilnahme führen soll.Trotz dieser Maßnahmen bedarf es zusätzlicher Anstrengun-gen zur Verbesserung der Wahrnehmung von Krebsfrüh-erkennungsuntersuchungen. Eine Schlüsselrolle bei derInformation der Bevölkerung haben die behandelnden Ärz-tinnen und Ärzte.Als ergänzende Maßnahmen zur Verbesserung der Teilnah-merate bieten sich folgende Aktivitäten an: Eine intensiveund kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit mit Themen-Peaks(Brustkrebs- und Darmkrebsmonat, Hautkrebswoche etc.),Informationen für Multiplikatoren, Setting-Ansätze in denBereichen Arbeitsplatz, Schule und Wellness, besondere An-sprache von Risikogruppen (z. B. Hochrisiko-Familien). Bo-nus-Systeme, nicht nur für Versicherte, sondern auch für An-bieter von Früherkennungsmaßnahmen, könnten motivie-rend wirken. Daneben könnten Recall- und Erinnerungs-systeme der Leistungserbringer zusätzlich zu der be-stehenden Verpflichtung der Krankenkassen, ihre Versicher-ten auf die für sie maßgeblichen Früherkennungsuntersu-chungen hinzuweisen, die Teilnahmeraten steigern. Fernerkönnten Früherkennungs- und Gesundheitsuntersuchungenverstärkt als „One Stop Shopping“ etabliert werden, alsoden Versicherten so angeboten werden, dass innerhalb einesKonsultationstermins möglichst viele Untersuchungendurchgeführt werden können.

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Weiterentwicklung der bestehenden Krebsfrüherken-nungsprogrammeZur Sicherung einer qualitativ hochwertigen und effektivenKrebsfrüherkennung wird international empfohlen, Früher-kennungsuntersuchungen im Rahmen organisierter Scree-ning-Programme zu erbringen. Wesentliche Bestandteileeines solchen Programms sind: • ein Aufforderungs- bzw. Einladungssystem,• strukturierte Qualitätssicherung auf allen Ebenen,• zentrale Datenerfassung,• eine angemessene Evaluation.

Evaluation der KrebsfrüherkennungsprogrammeDa sich Früherkennungsuntersuchungen an beschwerde-freie, klinisch gesunde Menschen richten, ist es wichtig, dassder Nutzen (Sterblichkeitssenkung), die Qualität (z. B. Zahlder Fehldiagnosen), aber auch mögliche Risiken von Früher-kennungsuntersuchungen (z. B. unnötige Abklärung auf-grund eines falsch-positiven Befundes, Überdiagnose und -therapie) regelmäßig wissenschaftlich untersucht werden.Leider wird die Evaluation der Früherkennungsprogrammeunter Beteilung der epidemiologischen Krebsregister derzeitdurch hohe datenschutzrechtliche Hürden und uneineinheit-liche Regelungen in den Landeskrebsregistergesetzen behin-dert. Hier müssen gemeinsam mit den Ländern Wege gefun-den werden, um unter Einhaltung der datenschutzrechtli-chen Bestimmungen eine aussagekräftige Evaluation zuermöglichen.

2. Handlungsfeld: Weiterentwicklung der onkologischenVersorgungsstrukturen und der QualitätssicherungIn diesem Handlungsfeld stehen folgende Ziele imVordergrund: • Flächendeckende Sicherstellung einer hohen onkologi-

schen Versorgungsqualität• Förderung der Entwicklung und Anwendung von qualita-

tiv hochwertigen onkologischen Leitlinien• Bessere Vernetzung der onkologischen Versorgung• Verbesserung der Qualitätstransparenz der onkologi-

schen Versorgung• Sicherstellung einer ausreichenden ambulanten und sta-

tionären psychoonkologischen Versorgung

Flächendeckende Sicherstellung einer hohen onkologi-schen VersorgungsqualitätAuch wenn die Überlebenschancen erhöht und die Lebens-qualität in den letzten Jahren stetig verbessert wurden, ist dieQualität der onkologischen Versorgung noch nicht überallgleich hoch. Nicht alle onkologischen Behandlungseinrich-tungen erfüllen die personellen und strukturellen Vorausset-zungen für eine qualitativ hochwertige Krebsversorgung.Der Nationale Krebsplan hat zum Ziel, allen Krebspatientenin Deutschland eine qualitativ hochwertige Versorgung zuermöglichen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft,Wohnort und Versichertenstatus. Ein ganz wichtiger Ansatzbesteht darin, dass geeignete vorbildhafte und bewährteVersorgungsmodelle, wie sie z. B. von der Deutschen Krebs-gesellschaft und der Deutschen Krebshilfe entwickelt wur-den, in die Fläche gebracht werden.Ein Instrument, wie die Qualität der Behandlung wesentlichgestärkt werden kann, ist beispielsweise die Zertifizierungvon Brustkrebszentren. So werden mehr als 70 Prozent derin Deutschland auftretenden Brustkrebsneuerkrankungen inden hoch spezialisierten rund 170 Brustkrebszentren behan-

delt, die von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert wur-den. Eine Voraussetzung für die Zertifizierung ist u. a. eineMindestzahl von 150 primär an Brustkrebs erkrankten Frauenpro Jahr. Kritisch zu bewerten ist in diesem Zusammenhang,dass die restlichen 30 Prozent der Fälle von Brustkrebs in ca.800 Krankenhäusern versorgt werden, in denen teilweiseweniger als fünf Brustkrebsfälle pro Jahr behandelt werden.Für andere häufige Krebsarten (z. B. Darmkrebs und Prostata-krebs) stellt sich die Problemlage ähnlich dar. Es müssendaher Lösungen gefunden werden, dass alle Krebspatienteneine qualitätsgesicherte Behandlung unter Berücksichtigungder regionalen Versorgungsstrukturen erhalten.Problematisch sind in diesem Zusammenhang aber auch diebestehenden unterschiedlichen Zertifizierungsmodelle undBezeichnungen für Krebseinrichtungen. Das erschwert vielenBetroffenen die Auswahl einer geeigneten Behandlungsein-richtung. Um diese Unklarheiten in der Definition von Krebs-zentren zu beseitigen, hat die Deutsche Krebsgesellschaftbereits im Jahre 2002 mit einer standardisierten Zertifizie-rung von Brustkrebszentren begonnen. Auf der Basis einesinterdisziplinär erarbeiteten Anforderungskataloges werdenin einem zweistufigen Verfahren sowohl die Prozess- als auchdie Strukturqualität ebenso wie die fachlichen Kompetenzendurch externe Experten überprüft. Erst nach Erfüllung allerKriterien und Vorgaben kann ein Brustkrebszentrum ein offi-zielles Zertifikat erhalten. Inzwischen gibt es 170 Brustkrebs-, mehr als 50 Darmkrebs- und über 20 Prostatakrebszentren,die eine Zertifizierung durch die Deutsche Krebsgesellschafterhalten haben.

Förderung der Entwicklung und Anwendung von quali-tativ hochwertigen onkologischen LeitlinienDie fachlichen Anforderungen an eine hohe Qualität in derVersorgung verschiedener Krebserkrankungen werden durchLeitlinien definiert. Qualitativ hochwertige, so genannte evi-denzbasierte Leitlinien sollen Handlungsempfehlungen imSinne von „Behandlungskorridoren“ geben, die den aktuellgültigen Stand des medizinischen Wissens definieren und all-gemein zugänglich zur Verfügung gestellt werden. Leitliniensollten auch Aspekte der Patientenzufriedenheit und derLebensqualität berücksichtigen. Sie können dazu beitragen,die Ressourcen im Gesundheitswesen besser zu nutzen.

Bessere Vernetzung der onkologischen VersorgungQualitäts- und Abstimmungsprobleme treten erfahrungsge-mäß an den sektoralen Schnittstellen (z.B. Hausarzt / Facharzt,niedergelassener Arzt / Krankenhaus) auf. Bei der Weiterent-wicklung onkologischer Versorgungsstrukturen muss die sek-torenübergreifende Zusammenarbeit besonders beachtet wer-den. Die Gesundheitspolitik hat die integrierte Versorgunggefördert und gestärkt, doch werden die verfügbaren Ange-bote im Rahmen der onkologischen Versorgung noch nichtausreichend genutzt. Aber gerade die komplexe onkologischeVersorgung erfordert eine enge Abstimmung zwischen denVersorgungssektoren. Ein weiteres Ziel der Entwicklung onko-logischer Versorgungskonzepte ist die stärkere Einbindung derBetroffenen, insbesondere der Selbsthilfe.

Verbesserung der Leistungsqualität und Qualitätstrans-parenz der onkologischen VersorgungEntscheidungsträger, Leistungserbringer, Kostenträger undnatürlich Patientinnen und Patienten benötigen zuverlässigeund aussagekräftige Daten zur Qualität der onkologischenVersorgung. Nur auf der Grundlage einer gesicherten Daten-

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lage können bestehende Defizite in der onkologischen Ver-sorgung identifiziert und geeignete Maßnahmen zu derenBeseitigung ergriffen werden. Patienten und ihre behandeln-den Ärztinnen und Ärzte brauchen zudem zuverlässige Aus-künfte darüber, welche onkologischen Behandlungseinrich-tungen bei welchen Tumorerkrankungen eine besondersgute Versorgungsqualität bieten.Im Rahmen des Nationalen Krebsplans soll die onkologischeQualitätsberichterstattung für Leistungserbringer, Entschei-dungsträger und Patienten verbessert werden. Das Maßnah-menpaket umfasst: • den flächendeckenden Ausbau der klinischen Krebsregi-

ster zur Erfassung und Verbesserung der Qualität der Versorgung aller Krebskranken,

• die stärkere Vernetzung regionaler klinischer Krebs-register,

• die stärkere Vernetzung von klinischen und epidemiolo-gischen Krebsregistern

• die Rückmeldung der Daten an alle beteiligte Leistungs-erbringer in Form einer strukturierten, kritischen Ergeb-nisbewertung,

• die transparente Darstellung der Versorgungsergebnisse für Kliniken, Ärztinnen und Ärzte, Betroffene und Öffent-lichkeit, z. B. in Form von frei zugänglichen Berichten (Internet, Printmedien).

Abb. 1 Anzahl jährlich dokumentierter Tumoren im Klinischen Krebsregister desTumorzentrum Erfurt (mit Stand November 2008 sind die Verläufe von insgesamt71.621 Tumoren registriert)

Sicherstellung einer ausreichenden ambulanten und sta-tionären psychoonkologischen VersorgungBei vielen Krebspatienten liegt eine schwere behandlungsbe-dürftige psychische Erkrankung vor, die häufig nicht erkannt

Abb. 2 Klinisches Krebsregister des Tumorzentrum Erfurt: DokumentierteTumoren nach Hauptlokalisationen. Das TZ Erfurt ist Partner meherer zertifizier-ter Organtumorzentren in Mittel- und Westthüringen.

Abb. 3 Seit 2003 sind die Ärzte und Zahnärzte in Thüringen gesetzlich verpflich-tet, alle Tumorerkrankungen an das Gemeinsame Krebsregister in Berlin zu mel-den. Empfohlen wird der Meldeweg über das zuständige Tumorzentrum. DerNutzen für Arzt und Patient ist vielfältig.

und adäquat behandelt wird. In der ambulanten psychoon-kologischen Versorgung gibt es noch Defizite. Daher musseine angemessene psychoonkologische Versorgung regel-haft in die onkologische Versorgung integriert werden.

3. Handlungsfeld: Sicherstellung einer effizienten onko-logischen Arzneimittel-TherapieIn diesem Handlungsfeld stehen folgende Ziele imVordergrund:• Langfristige Sicherstellung eines fairen und schnellen

Zugangs aller Krebskranken zu nachweislich wirksamen innovativen Krebstherapien

• Zuverlässige anbieterunabhängige und zeitnahe Nutzen-Bewertung neuer Krebsarzneimittel nach der Zulassung

• Sicherstellung einer evidenzbasierten und wirtschaftli-chen Verordnungspraxis

• Nachhaltige Sicherung der Finanzierbarkeit medizinisch notwendiger hochpreisiger Krebsarzneimittel

Die geltenden Vorschriften in Deutschland ermöglichengrundsätzlich eine zeitnahe Einführung innovativer Arznei-mittel in die Versorgung. Die Herausforderung besteht darin,bereits frühzeitig nach Zulassung der Arzneimittel den Nut-zen bei den betroffenen Patientengruppen unter Berücksich-tigung der vernetzten Versorgungsstrukturen nachzuweisen.Vor diesem Hintergrund ist eine rasche und herstellerunab-hängige Nutzenbewertung nach der Zulassung sowie dieSicherung einer evidenzbasierten und wirtschaftlichen Ver-ordnungspraxis von hoher Bedeutung.

1993/94

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Nov.2008

973 2090 2478 2927 3014 3741 3897 4411 5361 6101 6631 7583 7386 7489 7629Tumoren

8000

6000

4000

2000

0

„Entscheidungsträger, Leistungserbringer, Kostenträ-ger und natürlich Patientinnen und Patienten benöti-gen zuverlässige und aussagekräftige Daten zur Qua-

lität der onkologischen Versorgung. Nur auf derGrundlage einer gesicherten Datenlage können be-stehende Defizite identifiziert und geeignete Maß-nahmen ergriffen werden. Es ist gut, dass der Natio-nale Krebsplan den Ausbau sowie eine bessere Ver-

netzung von klinischen und epidemiologischenKrebsregistern voranbringen wird.“

Prof. Dr. Ferdinand Hofstädter, Vorsitzender derArbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren

100009000800070006000500040003000200010000

Anzahl

BrustdrüseHaut

DarmLunge

ProstataSonstige

Leukämien/LymphknotenNiere

HarnblaseGebärmutterkörper

Mund/RachenGebärmutterhals

MageBauchspeicheldrüse

EierstockHoden

KehlkopfSchilddrüseSpeiseröhre

Behandelnde Ärzte und Zahnärzte in Krankenhaus und Praxis(Melder)

Klinisches Krebsregisterdes Tumorzentrums

Gesundheits-ämter

Epidemiologisches Krebsregister(GKR Berlin)

Patient

nur Melde-bögen

GKR-Aufwands-entschädigung

ÜbersichtsberichteAuswertungenSterbedatenGKR-Aufwandsentschädigung

SterbedatumTodesursacheGKR-Aufwandsentschädigung

Toten-scheine

Nachsorge-Erinnerung

Epidemiolog.Daten gemäßKrebsregister-gesetz

Meldebögen /

Arztbriefkopien

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� GemeinsamesVeranstaltungsverzeichnisvon Medizinisch-wissenschaftlicher Gesellschaft Erfurt e.V.HELIOS Klinikum Erfurt GmbH und Tumorzentrum Erfurt e.V.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir möchten Ihre gezielten und konzentrierten Fortbildungsaktivitätenmit einem gemeinsamen Veranstaltungsverzeichnis unterstützen undIhnen ein breites Spektrum zertifizierter und hoffentlich für Sie interes-santer Fort- und Weiterbildungen anbieten. Die nachstehende Kurzfassung kann weder vollständig sein, nochumfassend informieren. Sie soll als Orientierungshilfe dienen und Sieanimieren, alle weiteren Informationen und die laufenden Aktualisie-rungen auf der Internetseite www.mwg-erfurt.de nachzulesen und /oder direkt bei den Organisatoren zu erfragen. Über eine zahlreiche Teilnahme an den Veranstaltungen, regeDiskussionen sowie die Vertiefung und Ausweitung persönlicherKontakte freuen wir uns besonders.

Prof. Dr. med. Prof. Dr. med. Prof. Dr. med.R. Erkwoh B. Ulshöfer D. EßerVorsitzender Vorsitzender Ärztlicher DirektorMWG e.V. Tumorzentrum Erfurt e.V. HELIOS Klinikum Erfurt

Januar 2009

09. – 11.01.2009, 16.00 – 18.00 UhrLeonardo Hotel Weimar (ehem. Hilton), Belvederer Allee 25, Weimar19. Gemeinsame Arbeitstagung „Angiologie interdisziplinär“HELIOS Klinikum Erfurt, Institut für diagnostische und interventionelleRadiologie und Neuroradiologie, Gefäßzentrum

14.01.2009, 15.00 UhrHELIOS Klinikum Erfurt, AuditoriumNeue Entwicklungen in der Alzheimer-Therapie-ForschungPriv.-Doz. Dr. med. D. Montag, Leibniz-Institut für Neurobiologie,MagdeburgMedizinisch-wissenschaftliche Gesellschaft Erfurt e.V. undHELIOS Klinikum Erfurt, Neurozentrum

21.01.2009, 16.00 UhrHELIOS Klinikum Erfurt, Seminarraum der Klinik für NeurologieEEG-Befunde bei EnzephalopathienProf. Dr. med. R. Besser, Klinik für Neurologie, HELIOS Klinikum KrefeldHELIOS Klinikum Erfurt, Klinik für Neurologie

21.01.2009, 15.00 – 19.00 UhrDorint Hotel Weimar, Beethovenplatz 1-2, 99423 WeimarInterdisziplinäre Onkologische Fortbildung: Metastasen alsonkologischer PrognosefaktorKlinik für Innere Medizin / Gastroenterologie, Onkologie und Endokrinologie der Zentralklinik Bad Berkain Zusammenarbeit mit dem Tumorzentrum Erfurt e.V.

Februar 2009

11.02.2009, 16.00 UhrHELIOS Klinium Erfurt, Seminarraum der Klinik für NeurologieEthische Probleme bei neurologisch SchwerstkrankenProf. Dr. med. F. Erbguth, Klinik für Neurologie, Klinikum NürnbergHELIOS Klinikum Erfurt, Klinik für Neurologie

21.02.2009, 10.00 – 12.00 UhrHELIOS Klinikum Erfurt, AuditoriumPatiententag HarnblasentumorenTumorzentrum Erfurt e.V. in Zusammenarbeit mit der Klinik fürUrologie des HELIOS Klinikum Erfurt und der SelbsthilfegruppeHarnblasentumor Thüringen

4. Handlungsfeld: Stärkung der PatientenorientierungIn diesem Handlungsfeld stehen folgende Ziele imVordergrund: • Verbesserung der Informations-, Beratungs- und Hilfsan-

gebote• Verbesserung der kommunikativen Fähigkeiten von Ärz-

tinnen und Ärzten

Verbesserung der Informations-, Beratungs- und Hilfsan-geboteViele Krebspatienten und ihre Angehörigen sind nachMitteilung der Diagnose emotional und organisatorisch oftüberfordert. Viele finden sich trotz der vorhandenen Infor-mations- und Hilfsangebote in dem ihnen unübersichtlich er-scheinenden Gesundheitssystem nicht zurecht. Hinzukommt, dass die Seriosität und Qualität der angebotenenInformationen nicht selten zu wünschen übrig lassen.Es besteht ein wachsender Informationsbedarf für die zuneh-mende Zahl von Krebskranken und deren Angehörige. Hiermuss geprüft werden, wie die vorhandenen Informations-angebote unter Einbindung der Betroffenen weiterentwik-kelt, vernetzt und verbreitet werden können

Verbesserung der kommunikativen Fähigkeiten von Ärz-tinnen und ÄrztenDie Diagnose Krebs ist für die Betroffenen und ihre Ange-hörigen ein Schock. Hierdurch wird die dringend notwendi-ge Fähigkeit zur aktiven Mitwirkung an der Therapie oft starkbeeinträchtigt. Das emotionale Trauma einer Krebsdiagnosekann so belastend sein wie die Krebserkrankung selbst.Die Mitteilung der Krebsdiagnose und die angemessene psy-chologische Begleitung des Patienten und seiner Angehöri-

gen stellen sehr hohe Anforderungen an die kommunikati-ven Fähigkeiten der behandelnden Ärztinnen und Ärzte. Gu-te Kommunikationsfähigkeiten sind eine Basiskompetenz füralle Leistungserbringer, die gelehrt bzw. systematisch trai-niert werden muss. Dieser Bereich wird in der medizinischenAus-, Weiter- und Fortbildung immer noch vernachlässigt. Esmuss sicher gestellt werden, dass in den medizinischenCurricula die Vermittlung adäquater Kommunikationskom-petenzen die gleiche Bedeutung erhält wie die „klassischen“Lehrinhalte. Dies gilt nicht nur für Ärztinnen und Ärzte, son-dern auch für andere Gesundheitsberufe, in der onkologi-schen Versorgung

Was sind die nächsten Schritte?In der ersten Phase werden die vier Bereiche Krebsfrüherken-nung, onkologischen Versorgungsstrukturen und Qualitäts-sicherung, effiziente onkologische Arzneimittel-Therapie undPatientenorientierung umgesetzt. Diese erstreckt sich überden Zeitraum 2009/2010. Das Bundesministerium für Ge-sundheit wird in Kürze an die zuständigen Vertreter der Län-der, der Selbstverwaltung von Krankenkassen und Leistungs-bringer, der Wissenschaft sowie an Patientenorganisationenherantreten, um mit ihnen ge-meinsam umsetzungsfähigeMaßnahmen zu entwickeln. In den weiteren Phasen werdenzusätzliche Handlungsfelder, z.B. die Primärprävention, dieKrebsforschung oder der umwelt- und arbeitsplatzbezogeneKrebsschutz berücksichtigt werden.

Quelle:www.bmg.bund.de/cln_042/nn_1168248/SharedDocs/Standardartikel/DE/AZ/K/Glossar-Krebs/Nationaler-Krebsplan-Wichtige-Handlungsfelder.html

EXJADE® 125 mg/- 250 mg/- 500 mg Tabletten zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen.Wirkstoff: Deferasirox. Zusammensetzung: 1 Tablette zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen enthält: Arzneilich wirksamer Bestandteil: 125 mg/250 mg/ 500 mg Deferasirox. Sonstige Bestandteile: Lactose-Monohydrat, Cros-povidon Typ A, mikrokristalline Cellulose, Povidon, Natriumdodecylsulfat, hochdisperses Siliciumdioxid, Magnesiumstearat. Anwendungs ge bie-te: Behandlung der chronischen Eisenüberladung auf Grund häufiger Trans fusionen ( 7 ml/kg/Monat Erythrozytenkonzentrat) bei Pa tienten mit Beta-Thalassämia major im Alter von 6 Jahren und älter. Behandlung der chronischen, transfusionsbedingten Eisenüberladung, wenn eine De-feroxamin-Therapie bei folgenden Patientengruppen kontraindiziert oder unangemessen ist: Pat. mit anderen Anämien, Pat. im Alter zwischen 2 und 5 Jahren, Pat. mit Beta-Thalassämia major mit Eisenüberladung auf Grund seltener Transfusionen (< 7 ml/kg/Monat Erythrozytenkonzentrat). Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Kombination mit anderen Eisenchelattherapien. Pat. mit einer Kreatininclearance < 60 ml/min. Pat. mit schweren Le ber-fkt.störungen (nicht untersucht). Schwangerschaft/Stillzeit: Anwendung nicht empfohlen. Nebenwirkungen: Sehr häufig: Erhöhtes Serum krea-tinin. Häufig: Kopfschmerzen, Diarrhö, Obstipation, Erbrechen, Übelkeit, Bauchschm., Blähungen, Dyspepsie, erhöhte Transaminasen, Haut aus-schlag, Juckreiz, Proteinurie. Gelegentlich: Angst, Schlafstör., Schwindel, früher Katarakt, Makulopathie, Hörverlust, pharyngolaryngeale Schmer-zen, gastrointest. Blutungen, Magenulkus, Zwölffingerdarmgeschwür, Gastritis, Hepatitis, Cholelithiasis, Pigmentierungsstörung, renale Tubulopathie (erworb. Franconi-Syndrom), Glukosurie, Fieber, Ödeme, Müdigkeit. Selten: Ösophagitis. Nicht bekannt: Akutes Nierenversagen, Urtikaria, Überempfindlichkeitsreaktionen (einschl. Anaphylaxie und Angioödem), Leberversagen. Warnhinweis: Enthält Lactose. Weitere Angaben: Siehe Fachinformation. Verschreibungspflichtig. Dar rei-chungsform und Packungsgrößen: 125 mg/- 250 mg/- 500 mg Tabletten zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen: Packungen mit 84 Tabletten (N3). Stand: Dezember 2008 (MS 10/8.4). Novartis Pharma GmbH, 90327 Nürnberg. Tel.: (09 11) 273-0, Fax: (09 11) 273-12 653. www.novartis.de

EXJADE entzieht Eisen bevor Organe geschädigt werden

Eisenintoxikation:

Transfusionen belasten den Körper

EFFEKTIV GEGEN EISENINTOXIKATION

1x TÄGLICH ORAL

�� SSeeiittee 2299 ��JJOOUURRNNAALL 0022//22000088

25.02.2009, 19.00 – 19.00 UhrHELIOS Klinikum Erfurt, AuditoriumUltrahochfeld-MR in Erfurtanlässlich der Inbetriebnahme des 3-Tesla-MR-SystemsHELIOS Klinikum Erfurt, Institut für diagnostische und interventionelleRadiologie und Neuroradiologie, Gefäßzentrum

28.02.2009, 9.30 – 13.30 UhrBest Western Hotel Der Lindenhof, Gotha1. Gothaer GynäkologentagTumorzentrum e.V. in Zusammenarbeit mit der Frauenklinik desHELIOS Kreiskrankenhaus Gotha

April 2009

03.04.2009, 15.00 – 18.00 UhrHELIOS Klinikum Erfurt, AuditoriumLichen ruber planus der Mundschleimhaut: Eine Präkanzerosemit Beziehung zum Dentalamalgam?Prof. Dr. Dr. Dunsche, Chefarzt der Klinik für MKG-Chirurgie,Klinikum KarlsruheKlinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, HELIOS KlinikumErfurt in Zusammenarbeit mit dem Tumorzentrum Erfurt e.V.

22.04.2009, 16.00 – 20.00 UhrHELIOS Klinikum Erfurt, AuditoriumErfurter Dermatologie Frühjahrstagung: Das HELIOS Hauttumorzentrum stellt sich vorKlinik für Hautkrankheiten und Allergologie, HELIOS Hauttumor-zentrum Erfurt in Zusammenarbeit mit dem Tumorzentrum Erfurt e.V.

Juni 2009

17.06.2009, 16.30 – 20.00 UhrVictor’s Residenz-Hotel Erfurt19. Erfurter Fortbildung Hämatologie und OnkologieTumorzentrum Erfurt e.V. in Zusammenarbeit mit der 4. Medizini-schen Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, HELIOS Klinikum Erfurt

20.06.2009, 9.00 – 14.00 UhrZentralklinik Bad Berka, Station 335. Berkaer PalliativsymposiumKlinik für Palliativmedizin, Zentralklinik Bad Berka, in Zusammen-arbeit mit dem Tumorzentrum Erfurt e.V.

September 2009

19.09.2009, 9.00 – 14.00 UhrHELIOS Klinikum Erfurt, AuditoriumErfurter Dermatologische Herbsttagung: Hautkrankheitenals (Multi-)SystemerkrankungenAllergologie – Dermatoonkologie – ImmunologieKlinik für Hautkrankheiten und Allergologie, HELIOS Hauttumor-zentrum Erfurt in Zusammenarbeit mit dem Tumorzentrum Erfurt e.V.

30.09.2009, 17.00 – 20.00 UhrVictor’s Residenz-Hotel ErfurtSymposium Gynäkologische OnkologieTumorzentrum Erfurt e.V. in Zusammenarbeit mit der Klinik fürFrauenheilkunde und Geburtshilfe, HELIOS Klinikum Erfurt

November 2009

20. – 21.11.2009Haus Hainstein Eisenach22. Onkologische KonferenzTumorzentrum Erfurt e.V. in Kooperation mit der MedizinischWissenschaftlichen Gesellschaft Erfurt e.V.

�� GemeinsamesVeranstaltungsverzeichnisvon Medizinisch-wissenschaftlicher Gesellschaft Erfurt e.V.HELIOS Klinikum Erfurt GmbH und Tumorzentrum Erfurt e.V.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir möchten Ihre gezielten und konzentrierten Fortbildungsaktivitätenmit einem gemeinsamen Veranstaltungsverzeichnis unterstützen undIhnen ein breites Spektrum zertifizierter und hoffentlich für Sie interes-santer Fort- und Weiterbildungen anbieten. Die nachstehende Kurzfassung kann weder vollständig sein, nochumfassend informieren. Sie soll als Orientierungshilfe dienen und Sieanimieren, alle weiteren Informationen und die laufenden Aktualisie-rungen auf der Internetseite www.mwg-erfurt.de nachzulesen und /oder direkt bei den Organisatoren zu erfragen. Über eine zahlreiche Teilnahme an den Veranstaltungen, regeDiskussionen sowie die Vertiefung und Ausweitung persönlicherKontakte freuen wir uns besonders.

Prof. Dr. med. Prof. Dr. med. Prof. Dr. med.R. Erkwoh B. Ulshöfer D. EßerVorsitzender Vorsitzender Ärztlicher DirektorMWG e.V. Tumorzentrum Erfurt e.V. HELIOS Klinikum Erfurt

Januar 2009

09. – 11.01.2009, 16.00 – 18.00 UhrLeonardo Hotel Weimar (ehem. Hilton), Belvederer Allee 25, Weimar19. Gemeinsame Arbeitstagung „Angiologie interdisziplinär“HELIOS Klinikum Erfurt, Institut für diagnostische und interventionelleRadiologie und Neuroradiologie, Gefäßzentrum

14.01.2009, 15.00 UhrHELIOS Klinikum Erfurt, AuditoriumNeue Entwicklungen in der Alzheimer-Therapie-ForschungPriv.-Doz. Dr. med. D. Montag, Leibniz-Institut für Neurobiologie,MagdeburgMedizinisch-wissenschaftliche Gesellschaft Erfurt e.V. undHELIOS Klinikum Erfurt, Neurozentrum

21.01.2009, 16.00 UhrHELIOS Klinikum Erfurt, Seminarraum der Klinik für NeurologieEEG-Befunde bei EnzephalopathienProf. Dr. med. R. Besser, Klinik für Neurologie, HELIOS Klinikum KrefeldHELIOS Klinikum Erfurt, Klinik für Neurologie

21.01.2009, 15.00 – 19.00 UhrDorint Hotel Weimar, Beethovenplatz 1-2, 99423 WeimarInterdisziplinäre Onkologische Fortbildung: Metastasen alsonkologischer PrognosefaktorKlinik für Innere Medizin / Gastroenterologie, Onkologie und Endokrinologie der Zentralklinik Bad Berkain Zusammenarbeit mit dem Tumorzentrum Erfurt e.V.

Februar 2009

11.02.2009, 16.00 UhrHELIOS Klinium Erfurt, Seminarraum der Klinik für NeurologieEthische Probleme bei neurologisch SchwerstkrankenProf. Dr. med. F. Erbguth, Klinik für Neurologie, Klinikum NürnbergHELIOS Klinikum Erfurt, Klinik für Neurologie

21.02.2009, 10.00 – 12.00 UhrHELIOS Klinikum Erfurt, AuditoriumPatiententag HarnblasentumorenTumorzentrum Erfurt e.V. in Zusammenarbeit mit der Klinik fürUrologie des HELIOS Klinikum Erfurt und der SelbsthilfegruppeHarnblasentumor Thüringen

�� SSeeiittee 3300 �� JJOOUURRNNAALL 0011//22000055JJOOUURRNNAALL 0022//22000088

KONTAKTADRESSEN:

Medizinisch-wissenschaftliche Gesellschaft Erfurt e.V.Sekretär Priv.-Doz. Dr. med. Klaus HammNordhäuser Straße 74 · 99089 ErfurtTelefon: 03 61 / 7 81-67 18Telefax: 03 61 / 7 81-67 19www.mwg-erfurt.de

HELIOS Klinikum ErfurtPressesprecherin Brigitte KohlbergNordhäuser Straße 74 · 99089 ErfurtTelefon: 03 61 / 7 81-10 31Telefax: 03 61 / 7 81-10 32www.helios-kliniken/erfurt

Tumorzentrum Erfurt e.V.Geschäftsführer Dr. Hubert GöbelNordhäuser Straße 74 · 99089 ErfurtTelefon: 03 61 / 7 81-48 06Telefax: 03 61 / 7 81-48 03

www.tumorzentrum-erfurt.de

�� ANGEBOTE DES TUMORZENTRUM ERFURT e.V.

KONSILARDIENSTE

• Interdisziplinäres onkologisches KonsilJeden Mittwoch, 7.45 Uhr, Beratungsraum im GebäudeInnere Medizin / Hautklinik, HELIOS Klinikum Erfurt,Nordhäuser Straße 74, 2. OG.

Anmeldungen über Telefon 03 61 / 7 81-48 02

Leitung: Prof. Dr. Herold / Prof. Ulshöfer

Jeder Arzt kann seine onkologischen Fälle persönlicheinem Gremium von Experten aller Fachdisziplinen vor-stellen. Am Ende der (kostenfreien) Beratung erhält ereine konkrete Therapieempfehlung. Zu jeder Fallbespre-chung wird ein Protokoll angefertigt, das dem vorstellen-den Arzt und eventuellen mitbehandelnden Ärztenzugeht.

• Telefonischer KonsilardienstUnkompliziertes Vermitteln von Kontakten zu den speziellen onkologischen Ansprechpartnern aller Fach-gebietef www.tumorzentrum.de

ONKOLOGISCHE LEITLINIENHilfestellung bei der Umsetzung der aktuellen Diagno-se-, Therapie- und Nachsorgeleitlinien der DeutschenKrebsgesellschaft und der medizinischen Fachgesell-schaften.

In Ergänzung und zur praktischen Durchführung werdendiese wo nötig für die speziellen regionalen Bedingungenadaptiert.

KONTAKTE ZU SELBSTHILFEGRUPPEN UNDHOSPIZDIENSTEN IN DER REGION

PSYCHOLOGISCHE BETREUUNGBetreuungsangebote für stationäre Patienten des HELIOSKlinikum Erfurt sowie für Ärzte und Pflegepersonal.

FORT- UND WEITERBILDUNG• Ärzte• Krankenschwestern und -pfleger• Sozialdienst

DOKUMENTATION• Klinische TumordokumentationIn Erfüllung des Qualitätssicherungsauftrages des Sozial-gesetzbuches (SGB V) wird für jeden Patienten der gesam-te Krankheitsverlauf nach anerkannten Regeln(Tumorbasisdokumentation) dokumentiert. Die Unterla-gen stehen dem Patienten und ihren behandelnden Ärz-ten zur Verfügung. Im Einzelfall (bei Umzug, Arztwech-sel, Verlust von Originalunterlagen) sind sie für den Arzteine unschätzbare Hilfe.

• Gemeinsames Krebsregister der neuen Bundesländer

Epidemiologisch relevante Daten werden entsprechendgeltender Gesetze an das Gemeinsame Krebsregister derneuen Bundesländer weitergegeben.Mehr als 95 % der Meldungen des Einzugsgebietes kom-men vom Tumorzentrum. Diese Daten werden regelmä-ßig mit den amtlichen Sterbedaten abgeglichen und ste-hen dem meldenden Einrichtungen zur Verfügung.

SERVICE

• Unterstützung der Nachbetreuung, Erinnerungsfunktion

Auf persönlichen Wunsch werden Patienten (und ihrebetreuenden Ärzte) an vereinbarte bzw. vergesseneNachsorgetermine erinnert.

• Statistiken für Krankenhäuser und Praxen

Erstellung von Übersichten, Leistungsstatistiken undÜberlebenszeitanalysen für die von der jeweiligen Ein-richtung betreuten Patienten.

• Informationen

Kostenlose Bereitstellung von Tumor-Nachsorgepässenund Informationsmaterialien für Patienten, Ärzte, Pflege-personal und Sozialdienste

�� SSeeiittee 3311 ��JJOOUURRNNAALL 0022//22000088

�� HIER ERREICHEN SIE UNS

HELIOS Klinikum Erfurt GmbHHaus 8, Nordhäuser Straße 74, 99089 Erfurt

Telefon: 03 61 / 7 81-48 02Telefax: 03 61 / 7 81-48 03E-Mail: [email protected]: http://www.tumorzentrum-erfurt.deGeschäftsführer: Dr. rer. nat. Hubert Göbel

�� WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT

Prof. Dr. med. Hartwig Kosmehl (Vorsitzender)Chefarzt, Institut für Pathologie, HELIOS Klinikum ErfurtTelefon: 03 61 / 7 81-27 50

Dr. med. Joachim BechlerChefarzt, Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe,HELIOS Kreiskrankenhaus Gotha/ OhrdrufTelefon: 0 36 21 / 2 20-2 49

Adjunct Professor Dr. med. Rainer Bonnet M.D.Dpt. of Medicine, Loma Linda Univ., CaloforniaChefarzt, Klinik für Pneumologie,Zentralklinik Bad BerkaTelefon: 03 64 58 / 5 15 00

Michael DomrösLeiter der Landesvertretung Thüringen, VdAK / AEK,Lucas-Cranach-Platz 2, 99099 ErfurtTelefon: 03 61 / 4 42 52 11

Dr. med. Alexander FichteUrologe, Geschwister-Scholl-Straße 6, 99085 ErfurtTelefon: 03 61 / 6 43 73 03

Dipl.-Med. Susanne KöhlerOberärztin, Abteilung Innere I, HELIOS KreiskrankenhausGotha/ OhrdrufTelefon: 0 36 21 / 2 20-1 30

Priv.-Doz. Dr. med. Klaus HammLeiter der Abteilung Stereotaktische Neurochirurgie undRadiochirurgie, HELIOS Klinikum ErfurtTelefon: 03 61 / 7 81-67 18

Prof. Dr. med. Udo B. HoymeDirektor, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe,HELIOS Klinikum ErfurtTelefon: 03 61 / 7 81-40 00

Prof. Dr. med. Ruthild LinseChefärztin, Klinik für Hautkrankheiten, HELIOS Klinikum ErfurtTelefon: 03 61 / 7 81-43 00

Dr. med. André NematChefarzt, Klinik für Thoraxchirurgie und ThorakaleEndoskopie, Thoraxzentrum, HELIOS Klinikum ErfurtTelefon: 03 61 / 7 81-25 90

Priv.-Doz. Dr. med. Günter OrtmannOberarzt, Klinik für Chirurgie, Hufeland Klinikum,Standort Bad LangensalzaTelefon: 0 36 03 / 8 55-0

Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Hans PistnerChefarzt, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie,HELIOS Klinikum ErfurtTelefon: 03 61 / 7 81-22 30

Dr. med. Stefan ReinschOberarzt, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde,HELIOS Klinikum ErfurtTelefon: 03 61 / 7 81-63 39

Prof. Dr. med. Steffen RosahlChefarzt, Klinik für Neurochirurgie, HELIOS KlinikumErfurtTelefon: 03 61 / 7 81-22 60

Prof. Dr. med. Axel SauerbreyChefarzt, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, HELIOS Klinikum ErfurtTelefon: 03 61 / 7 81-45 00

�� VORSTAND

Prof. Dr. med. Berthold Ulshöfer (Vorsitzender)Chefarzt, Klinik für Urologie, HELIOS Klinikum ErfurtTelefon: 03 61 / 7 81-22 00

Prof. Dr. med. Michel Herold (Stellvertr. Vorsitzender)Leiter der Abteilung Hämatologie / Onkologie, 2. Medizinische Klinik, HELIOS Klinikum ErfurtTelefon: 03 61 / 7 81-25 66

Prof. Dr. med. Dirk EßerChefarzt, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde,HELIOS Klinikum ErfurtTelefon: 03 61 / 7 81-21 00

Prof. Dr. med. Hartwig KosmehlChefarzt, Institut für Pathologie, HELIOS Klinikum ErfurtTelefon: 03 61 / 7 81-27 50

Dr. med. Christina MüllerChefärztin, Klinik für Palliativmedizin, Zentralklinik Bad BerkaTelefon: 03 64 58 / 5 19 00

Priv.-Doz. Dr. med. Ulrike SchalldachChefärztin, Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, HELIOS Klinikum ErfurtTelefon: 03 61 / 7 81-24 00

Dr. med. Jörg WenigerHämatologe und internistischer Onkologe,Geschwister-Scholl-Straße 6, 99085 ErfurtTelefon: 03 61 / 5 66 78 19

��������Aktuelle Studienergebnisse:Arimidex® vs. Tamoxifen

24 % weniger Rückfälle1*,16 % weniger Fernmetastasen1*

Positiver Carryover-Effekt: Der absolute Arimidex® Vorteil nimmt nach Therapieende weiter zu.1**

9 Jahre dokumentierteLangzeitverträglichkeit -5 Jahre unter Therapie, 4 Jahrenach Therapieende.1

ARIMIDEX®

1 mg FilmtablettenWirkstoff: Anastrozol. Ver-schreibungspflichtig. Zusammenset-zung: 1 Filmtablette enthält 1 mg Ana-strozol. Sonstige Bestandteile: Lac-tose-Monohydrat; Povidon; Poly (O-carboxymethylstärke), Natrium-salz; Magnesiumstearat; Hy-promellose; Macrogol 300;Titandioxid. Anwendungs-gebiete: Adjuvante Be-handlung postmenopau-saler Frauen mit hormon-rezeptor-positivem, nicht-fort geschrittenem, invasi-vem Mammakarzinom.Adjuvante Behandlungpostmenopausaler Frau enmit hormonrezeptorpositi-vem, nicht fortgeschritte-nem Mam makarzinom, diebereits 2 bis 3 Jahre eine ad-juvante Behandlung mit Tamoxi-fen erhalten haben. Fortgeschritte-nes Mammakarzinom bei postmeno-pausalen Frauen. Bei Patientinnen mitöstrogenrezeptornegativen Tumoren ist dieWirksamkeit von Arimidex® bisher nicht belegt,es sei denn, die Patientinnen sprachen zuvor auf Tamo-xifen an. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Anastrozol bzw.einen der angegebenen Hilfsstoffe; prämenopausale Frauen;Schwangerschaft und Stillzeit; Patientinnen mit schweren Nie-renfunktionsstörungen (Kreatinin-Clearance < 20 ml/min),Patientinnen mit mäßigen oder schweren Leberfunktions-störungen. Östrogenhaltige Arzneimittel nicht zusam-men mit Arimidex® verabreichen, da diese dessenpharmakologische Wirkung aufheben. Nicht zusam-men mit Tamoxifen einsetzen. Nebenwirkungen:Arimi dex® ist im allgemeinen gut verträglich. Diebei klinischen Prüfungen beobachteten Neben-wirkungen waren überwiegend leicht bis mäßigausgeprägt und führten nur in wenigen Fällenzum Therapieabbruch. Auftreten können: Sehrhäufig: Hitzewallungen. Häufig: schnelle Er-müdbarkeit, Gelenkschmerzen/-steifheit, trok-kene Scheide, Haarausfall, Hautausschlag,Magen-Darm-Be schwerden (Übel keit, Durch-fall), Kopfschmerzen, Karpaltunnelsyndrom,Erhöhung der Leberenzyme alka lische Phos-phatase, ALT (Alaninaminotransferase) undAST (Aspartataminotransferase). Gelegentlich:Appetitlosigkeit, Erbrechen, Vaginalblutungen(vor allem in den ersten Wochen nach der Umstel-lung von einer anderen Hormontherapie), Schläfrig-keit, erhöhte Cholesterinwerte, erhöhte Werte vonGamma-GT und Bilirubin, Hepatitis. Sehr selten: Haut-und Schleimhautveränderungen mit Blasenbildung (Ery-thema multiforme, Stevens-Johnson-Syndrom), allergischeReaktionen, darunter Angioödem, Urticaria und Anaphylaxie. DaArimidex® die endogenen Östrogenspiegel senkt, kann Arimidex®

eine Reduktion der Knochendichte hervorrufen und für einige Patientin-nen das Risiko für Knochenbrüche erhöhen. Es ist unwahrscheinlich, dassArimidex® die Fähigkeit, ein Fahrzeug zu führen oder Maschinen zu bedienen, be-einträchtigt. Treten jedoch die Symptome Schwächegefühl und Somnolenz auf, ist beim Füh-ren von Fahrzeugen oder zum Bedienen von Maschinen Vorsicht geboten. Dosierung: 1 Filmtablette täglich.Anwendungsdauer: Bei der adjuvanten Behandlung des nicht fortgeschrittenen Mammakarzinoms wird eineBehandlungsdauer von 5 Jahren empfohlen. Handelsformen: OP mit 30 Filmtabletten (N1); OP mit 100 Filmta-bletten (N3); Klinikpackung. Hersteller: AstraZeneca GmbH, 22876 Wedel, ww.astrazeneca.de. Mitvertrieb: Pro-med Arzneimittel GmbH, 22876 Wedel; pharma-stern GmbH, 22876 Wedel. Stand der Information: August2007. Weitere Informationen enthält die Fach- bzw. Gebrauchsinformation bzw. sind auf Anforderung erhältlich.

AZIB

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1 The Arimidex, Tamoxifen, Alone or in Combination (ATAC) Trialists Group, Lancet Oncol 2008; 9: 45-53 * Arimidex® vs. Tamoxifen bei hormonrezeptorpositiven postmenopausalen Frauen (n=5.216 Patientinnen);

Rückfälle = time to recurrence (TTR), Fernmetastasen = time to distant recurrence (TTDR)** Verbesserung der Zeit bis zum Rückfall (TTR) nach 60 Monaten = 2,8 % absolut;

Verbesserung der TTR nach 100 Monaten = 4,8 % absolut.

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