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www.fliegermagazin.de #1.2011 7 Rakete zum Reisen: 180 Knoten »cruise« – da wird Europa klein. Zur War- tung nach Litauen ist die »Lima Yankee« keine drei Stunden unterwegs 6 www.fliegermagazin.de #1.2011 TEXT Peter Wolter FOTOS Christina Scheunemann E in Jaguar, aha. Und eine Frau, die ihn putzt. Sie wird damit durch den Dreck gebratzt sein, deshalb hat er darauf bestanden, dass sie ihn säu- bert. Doch wo ist der Mann zu dem Auto? Man weiß nie, was Leute machen, die MENSCH & MASCHINE F-1 ROCKET EVOLUTION VON TEAMROCKET INC. Rock me, Baby! Kunstflug, IFR und schnell reisen: Die F-1 Rocket Evolution kann alles, was die populäre Van’s RV-4 kann, auf der sie basiert – bloß besser einen S-Type fahren, aber man weiß eigentlich immer: Es ist ein Mann. »Das ist mein Auto«, stellt Andrea Kastelic klar, »Fränki kommt gleich.« Man weiß gar nichts, wenn man mit kon- ventionellen Vorstellungen im Kopf den Han- gar von Andrea Kastelic und Frank Krause betritt. Der Raum gehört zu einer langen Flug- zeughalle auf dem Flugplatz Itzehoe Hungriger Wolf. Er gehört den beiden, wie alle Hallenseg- mente hier den jeweiligen Flugzeugbesitzern gehören. Viele haben ihre Stellplätze liebe- voll eingerichtet, mit Kühlschrank, Holzboden oder Blumen auf dem Rasen davor. Andrea und Frank haben Bilder an den Wänden: »Bis dahin kannten wir uns noch nicht«, sagt Andrea und weist auf eines der Fotos, die aneinanderge- reiht Stationen in ihrer und Franks Biografie wiedergeben. Bis zu diesem Foto sieht man die Münchnerin mit einer Cessna auf Hawaii, einem Jaguar, auch in Uniform. Dazwischen Pläne von etwas – »nein, kein Hangar« –, das sich als Tank- stelle entpuppt. Parallel darunter hängen Fotos von Frank: im Alpha Jet, beim Restaurieren ei- nes Jaguars, in Uniform. »Und ab hier«, erzählt Andrea, »ist es unser gemeinsames Leben«. Auf den weiteren Fotos erkennt man sie und ihren Partner unter anderem mit einem halb- fertigen Flugzeug. Und in Uniform: als Piloten von Hapag-Lloyd. Beide fliegen Boeing 737; sie haben sich im Cockpit kennengelernt. »Aber auch davor hatte unser Leben erstaunliche Parallelen«, sagt die frühere Architektin. Ihre erste Karriere und seine als Bundeswehrpilot gehören nicht dazu, wohl aber der Sinn für Stil, für das Besondere und die Fähigkeit, Träume mit Leidenschaft zu verwirklichen. Einer davon steht vor uns: die nachtblaue F-1 Rocket Evolution mit litauischem Kenn- zeichen. Fränk, der seinen Namen augen- zwinkernd mit »ä« schreibt, wollte nach lan- ge zurückliegenden UL-Erfahrungen wieder privat fliegen und begann deshalb vor drei Jah- ren, ein passendes Muster zu suchen. Schnell, kunstflug- und reisetauglich sollte es sein. Also FOTO: PETER WOLTER

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Page 1: Rock me, Baby! - fliegermagazin.de ·  #1.2011 9 Schön wenig Flugzeug für schön viel Dampf: Durch ihren schmalen Tandemrumpf wirkt die Rocket wie ein Racer. Bei drei Kilo-

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Rakete zum Reisen: 180 Knoten »cruise« – da wird Europa klein. Zur War-tung nach Litauen ist die »Lima Yankee« keine drei Stunden unterwegs

6 www.fliegermagazin.de #1.2011

TExT Peter WolterFoToS Christina Scheunemann

Ein Jaguar, aha. Und eine Frau, die ihn putzt. Sie wird damit durch den Dreck gebratzt sein, deshalb hat er darauf bestanden, dass sie ihn säu-bert. Doch wo ist der Mann zu dem

Auto? Man weiß nie, was Leute machen, die

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F-1 RoCKET EvoLUTionvon TEAMRoCKET inC.

Rock me, Baby!Kunstflug, iFR und schnell reisen: Die F-1 Rocket Evolution kann alles, was die populäre van’s Rv-4 kann, auf der sie basiert – bloß besser

einen S-Type fahren, aber man weiß eigentlich immer: Es ist ein Mann.

»Das ist mein Auto«, stellt Andrea Kastelic klar, »Fränki kommt gleich.«

Man weiß gar nichts, wenn man mit kon-ventionellen vorstellungen im Kopf den han-gar von Andrea Kastelic und Frank Krause betritt. Der Raum gehört zu einer langen Flug-zeughalle auf dem Flugplatz itzehoe hungriger

Wolf. Er gehört den beiden, wie alle hallenseg-mente hier den jeweiligen Flugzeugbesitzern gehören. viele haben ihre Stellplätze liebe-voll eingerichtet, mit Kühlschrank, holzboden oder Blumen auf dem Rasen davor. Andrea und Frank haben Bilder an den Wänden: »Bis dahin kannten wir uns noch nicht«, sagt Andrea und weist auf eines der Fotos, die aneinanderge-reiht Stationen in ihrer und Franks Biografie

wiedergeben. Bis zu diesem Foto sieht man die Münchnerin mit einer Cessna auf hawaii, einem Jaguar, auch in Uniform. Dazwischen Pläne von etwas – »nein, kein hangar« –, das sich als Tank-stelle entpuppt. Parallel darunter hängen Fotos von Frank: im Alpha Jet, beim Restaurieren ei-nes Jaguars, in Uniform. »Und ab hier«, erzählt Andrea, »ist es unser gemeinsames Leben«. Auf den weiteren Fotos erkennt man sie und

ihren Partner unter anderem mit einem halb-fertigen Flugzeug. Und in Uniform: als Piloten von hapag-Lloyd. Beide fliegen Boeing 737; sie haben sich im Cockpit kennengelernt. »Aber auch davor hatte unser Leben erstaunliche Parallelen«, sagt die frühere Architektin. ihre erste Karriere und seine als Bundeswehrpilot gehören nicht dazu, wohl aber der Sinn für Stil, für das Besondere und die Fähigkeit, Träume

mit Leidenschaft zu verwirklichen. Einer davon steht vor uns: die nachtblaue

F-1 Rocket Evolution mit litauischem Kenn-zeichen. Fränk, der seinen namen augen-zwinkernd mit »ä« schreibt, wollte nach lan-ge zurückliegenden UL-Erfahrungen wieder privat fliegen und begann deshalb vor drei Jah-ren, ein passendes Muster zu suchen. Schnell, kunstflug- und reisetauglich sollte es sein. Also

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Schön wenig Flugzeug für schön viel Dampf: Durch ihren schmalen Tandemrumpf wirkt die Rocket wie ein Racer. Bei drei Kilo-gramm pro PS geht tatsächlich die Post ab

Rocket Team: Frank Krause und Andrea Kastelic. Mit ihrem Traum-flugzeug sind die beiden am liebs-ten gemeinsam unterwegs

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kein UL. Aber auch keine Cessna: »Damit wollte ich mal eine Wolke anfliegen, die schräg über mir war. Aber als ich vollgas gab und die nase hoch nahm … Die Wolke war dort oben und ich da unten – frustrierend!«

in die engere Wahl kam schließlich die Rv-4 von van’s Aircraft. Das populäre US-Kitplane war auch wegen seines Tandemcockpits für Fränk interessant, denn als ehemaliger Kampf-jet-Pilot liebt er das inline-Feeling. Bei seinen Recherchen zur Rv-4 stieß er auf deren Weiter-entwicklung, die Rocket. »Die kann alles, was die Rv-4 kann, nur besser«, sagt der 46-Jährige. Sie kann vor allem Begeisterung entfachen: Als

Fränki dann aber sagte, er wollte selbst bauen, wär ich beinahe wieder ausgestiegen. ich woll-te jetzt fliegen, nicht erst in sieben bis zehn Jahren.«

Eine schnellere Lösung zeichnete sich durch das ab, was in der Kitplane-Szene Builder Support genannt wird und im internet leicht zu findet ist: Firmen, die beim Bau helfen. Recht-lich ist das Thema etwas heikel, denn eigent-lich müssen »Experimentals« vom halter zu mindestens 51 Prozent selbst gefertigt sein. Al-lerdings hindert niemand einen Erbauer daran, seine fertige Maschine zu verkaufen. Wer nun nicht warten möchte, bis irgendwann mal das

er seine Entdeckung Andrea vorstellte, schlug die Rocket bei ihr voll ein. »Bis dahin war es sein Projekt«, sagt sie, »aber als er mit dem Ding um die Ecke kam, wollte ich dabei sein. Mein großer Traum war immer, mit einer kleinen Maschine richtig weit weg zu fliegen, und zwar iFR, also sicher, wenn das Wetter mal schwierig wird. Als

Spannweite 7,57 m

Flügelfläche 9,48 m2

Länge 6,40 m

Leermasse 634 kg

MToM 998 kg

Tankinhalt 200 l

Motor/Leistung Lycoming io-540 (mod.)/320 PS

Propeller hartzell, 2-Blatt (»blen-ded airfoil«), constant speed, Metall, 2,032 m

vmin 52 kts iAS

vReise (75%) 180 kts iAS

vcruise economy (65%) 160 kts iAS

vmax horizontal 210 kts iAS

vne 240 kts iAS

Bestes Steigen 3000 ft/min

Sicheres Lastvielfaches +6/–3 g

Materialwert + Builder ca. 123 000 Euro

TEChniSChE DATEn

F-1 Rocket Evolution

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gesuchte Muster flugfertig angeboten wird, kauft einen Bausatz, übergibt ihn professionel-len helfern, bezahlt deren Arbeit und erhält ein fertiges Flugzeug. im Fall der itzehoer Rocket heißt der Builder Support Termikas, eine Fir-ma im litauischen Prienai. Der Betrieb ist nach EASA 145 zugelassen, auf Yak spezialisiert, war-tet und repariert aber auch Flugzeuge anderer Marken sowie Motoren und Propeller.

Als Andrea und Fränk jedoch einen Rocket-Bausatz kaufen wollten, hat-te der texanische Anbieter Mark Fre-derick (TeamRocket) die Produktion

bereits eingestellt (siehe Kasten Seite 12: »Die Evolution der Rocket«). Unverhofft meldete sich im herbst 2008 Jim Richmond, Eigentü-mer des US-Flugzeugherstellers CubCrafters: Er habe noch einen Rocket-Bausatz und wolle ihn loswerden. Richmond war bereits der drit-te Besitzer. Andrea und Fränk schlugen blind zu und ließen ihren Schatz von Yakima im US-Bundsstaat Washington zu Termikas nach Litauen verfrachten. im Mai 2009 legten die Auftragsbauer los, alle vier Wochen schaute Fränk in Prienai vorbei, sprach mit den Leuten und arbeitete mit. Ein Jahr später war »Mid-night Pearl« fertig. »Bei der Farbe hat er mich wieder gefragt«, verrät Andrea mit Seitenblick zu Fränk, dem der Mercedes-Farbton Midnight Blue Pearl genauso gut gefällt wie ihr. Zuvor war die Austattung des Flugzeugs weitgehend seine Sache. Bloß wenn er mal wieder ein neues Panel-Layout vorschlug, das den ästhetischen Ansprüchen der Ex-Architektin nicht genügte, legte sie ihr veto ein: »nicht symmetrisch – ab-gelehnt!« Bei der Avionik hingegen war die ver-kehrspilotin für alles zu haben: »ich wollte eine

richtige iFR-Ausstattung mit zwei getrennten Systemen für die beiden Fluglagesensoren.

Schauen wir uns das endgültige Panel an: zwei zentrale Bildschirme von Grand Rapid Technology (GRT) für alle Flug- und Motorda-ten mit unabhängigen Kreiselplattformen und Synthetic vision, links als GPS ein GnS 430, ebenfalls von Garmin ein SL 30 für Funk und nAv sowie ein GTx-330-Transponder, rechts ein Engine information System, darüber der Autopilot.

Beim Antrieb hat sich Fränk ein paar Extrawünsche erfüllt. Der Lycoming io-540 ist feingewuchtet, er bekam eine 6-

»Mein großer Traum war im-mer, mit einer kleinen Ma-schine weit weg zu flie-gen«Andrea KastelicPiC in der Rocket, Co in der Boeing 737

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in-1-Auspuffanlage, Kolben mit 10:1- statt 8:1-verdichtung, ein Christen-Rückenflug-schmiersystem sowie eine Einspritzanlage mit größerem Fuelcontroller. Die Ansaugluft führt nicht mehr durch die Ölwanne, sondern außer-halb davon zu den Zylindern (cold air induc-tion); die Ein- und Auslasskanäle sind nachbe-arbeitet. Ein Ram-Air-System misst die Menge der Ansaugluft, die von der Fluggeschwin-digkeit abhängt, und passt die eingespritzte Benzinmenge an. Dazu regelt eine elektroni-sche Doppelzündung drehzahlabhängig den Zündzeitpunkt. Zwei große Batterien sorgen unabhängig voneinander dafür, dass die Zün-dung auch dann nicht ausfällt, wenn der Ge-nerator versagt – ihre Kapazität reicht, um die Tanks leerzufliegen. vor dem Start wird per voltmeter gecheckt, ob die Batterien auch wirklich voll sind. nützlicher Luxus: Will der Pilot den Motor in heißem Zustand starten, kann er den überhitzten Sprit über ein »perch valve« in die Tanks zurückpumpen und kalten ansaugen lassen.

von all diesen feinen Zutaten ahnt man beim Anblick der geschmeidigen Cowling nichts. höchstens die drei runden, strömungs-optimierten Lufteinlässe deuten auf Leistungs-steigerung hin; normalerweise haben Rockets rechteckige Einlässe. Rund 320 PS dürfte der modifizierte io-540 leisten, der Serienmotor bringt es auf 285 PS.

vielleicht ist es das Fahrwerk der Midnight Pearl, das noch am ehesten an eine Rv-4 er-innert. Wie für van’s typisch ragen die Beine nach hinten. Die Streben bestehen aus Titan-stäben mit anlaminiertem hartholz zur Dämp-fung, ummantelt von GfK-verkleidungen. Kunststoff findet man an der Maschine sonst nur bei einigen sphärisch geformten Teilen wie der Cowling, den Randbögen oder Rad-verkleidungen.

Ansonsten ist die Rocket ganz aus Metall gefertigt. Wie gut? Sehr gut, sagt Fränk. Je-denfalls muss man bei einem Blechflieger wie diesem nicht befürchten, dass ohne Qualitäts-sicherung mit hartz 4 laminiert wurde. Rund 35 000 Euro hat die Fertigstellung gekostet, zirka 88 000 Euro beträgt der Materialwert. Damit wurde das Einzelstück etwa doppelt so teuer wie eine normale Rv-4. Dass die itze-hoer Rocket eine litauische Kennung erhielt, lag auf der hand: Jede andere Registrierung wäre teurer gewesen, Litauen gehört zur EU, im Gegensatz zu n-registrierten Maschinen

hersteller kein Thema. Gegenüber dem »hersh-ey bar«-Flügel hat die Evo-Fläche 0,91 Meter mehr Spannweite bei 0,19 Meter weniger Flä-cheninhalt. Die Stallspeed ist mit Trapezfläche niedriger, die Topspeed höher, die Rollrate al-lerdings schlechter. Zum schnittigen Aussehen trägt auch die flachere Windschutzscheibe bei, die optional erhältlich war. Sie reicht weiter nach vorn als die Standardscheibe. Doch das ist nur Racer-Look – Geschwindigkeit bringt das »sloped windshield« nicht.

Steigen wir ein. Fränk nimmt vorn Platz, ich hinten. Grau in verschiedenen Tönen, von edel bis militärisch, dominiert den innenraum; Funktionalität, aber keineswegs Schlichheit. heizung – klar; Ledersitze – schon eher Luxus, aber sogar die sind heizbar. »Das wollten wir, weil man ja auch sehr hoch fliegt«, sagt Andrea, bevor ich die haube nach vorn schiebe. inline – ja! Alles andere kommt beim Duell gegen die Luft viel zu breit daher. Ein Panel und Bremsen gibt es nur vorn. Sonst sind alle Bedienelemen-te doppelt. Der »military style stick grip« am

erfordern Lima-Yankee-zugelassene keine andere Lizenz als Flugzeuge mit deutschem Callsign. Einzige Einschränkung: LY-Flugzeug müssen zu mindestens einem Prozent einem litauischen Staatsbürger gehören. im Fall der LY-iCE ist das ein Mitarbeiter von Termikas.

Beim Rundgang um den Tandemsitzer beeindruckt immer wieder die irisie-rende Lackierung, die den Farbton je nach Lichteinfall unterschiedlich er-

scheinen lässt. Da entstehen Effekte wie beim Blick durch welliges Wasser auf den Boden ei-nes Pools. Die Bauausführung kann sich eben-falls sehen lassen. So sind alle normalerweise offenen Stirn- und innenflächen an den Rudern und Flaps geschlossen, ebenso die angrenzen-

den Trag- und Leitwerkspartien. Das hat aero-dynamische vorteile. Auch die verkleidungen über den Ansteuerungen und Anlenkungen von Flaps und Rudern auf der Flügeluntersei-te zeugen vom Streben nach Widerstandmi-nimierung. LED-Blitz-, navigations- und Lan-delichter runden den Eindruck ab, dass kein Detail vernachlässigt wurde.

Wie leichtfüßig die Evolution ohne den Rechteckflügel ihrer vorgänger erscheint! iden-tische Rippen über die gesamte Spannweite – dieses Zugeständnis an den Amateurbau muss nicht gemacht werden, wenn die Tragfläche vorgefertigt vom hersteller kommt. Auch Flü-gelschränkung sowie verwundene Landeklap-pen und Querruder sind für einen industriellen

hochwertige Accessoires: LEDs als Positions- und Landelichter. Das Pitotrohr liegt weit außerhalb des Propellerstrahls. Die Rad- und Strebenverkleidungen machen aerodynamisch das Beste aus dem Festfahrwerk

Emanzipiert: Die Rocket Evo erinnert nur noch entfernt an die Rv-4. Flache Frontscheibe und »turtledeck« verschlanken die Silhouette

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Dicke Backen: Besser kann man einen io-540 kaum verpacken! Die runden Einlässe versorgen ihn optimal mit Kühl- und Ansaugluft

»Die Rocket erinnert mich oft an die T-37,wie sie in der Luft liegt, wie manKurven fliegt«Frank KrauseEx-Bundeswehrpilot

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Knüppel hat jede Menge Knöpfe: einen grü-nen, um den Autopiloten zu narkotisieren, und fünf weitere: für Funk, höhen- und Querruder-trimmung, Klappen und zur veränderung der Bildschirmdarstellung. Einer ist nicht belegt. »Damit«, so Fränk, »könnte man … na ja, viel-leicht eine Bordkanone mit Farbbomben-Mu-nition bedienen.«

Wenn wir jetzt zu einer Reise starten woll-ten, dürften wir direkt hinterm Rücksitz 20 Kilo-gramm Gepäck unterbringen, im erhöhten Be-reich des Stauraums weitere 15 Kilo. Außerdem passen in die beiden Bodenfächer links und rechts des hinteren Knüppels Schuhe, Trinkfla-schen oder ähnlich große Gegenstände.

Zur Piste 03, von der wir mehr als die halbe Länge verschenken: Das 500-Meter-Asphalt-stück im norden reicht. Mit 3000 Fuß pro Mi-nute steigen wir aus der Platzrunde. vollgas, 30,5 inch Ladedruck und 2630 Umdrehungen pro Minute in 2000 Fuß: 210 Knoten! Als ich die Drehzahl auf »2400/24« reduziere, was ei-nem Powersetting von 75 Prozent entspricht, sind es immer noch 180 Knoten. Ein amerikani-scher Rocket-Besitzer hat mal gesagt, er wolle drei Meilen pro Minute zurücklegen: that’s it. Wer lieber sparsam unterwegs ist , benügt sich mit 150 bis 160 Knoten – bei 40 Litern in der Stunde sind die 200-Liter-Tanks nach 800 nau-

tischen Meilen leer.

Fliegerisch stellt die F-1 Rocket Evoluti-on keine hohen Ansprüche an den Pilo-ten. Der Strömungsabriss kündigt sich durch Unruhe an, »clean« senkt sich bei

59 Knoten iAS die nase, mit vollen Klappen bei 52. Kurven erfordern so gut wie keinen Seiten-rudereinsatz; auf den kommt’s nur bei bei Start und Landung an – Taildragger eben. Der Ge-schwindigkeitsbereich ist allerdings so groß, dass ein festes Trimmblech am Seitenruder unmöglich immer passen kann. Deshalb soll noch eine elektrische Seitenrudertrimmung eingebaut werden. Das Flugzeug liegt satt in der Luft, die Knüppelkräfte sind höher, als man es von so einer kunstflugtauglichen Maschine dieser Auslegung erwartet. Fränk übernimmt und fliegt einen Loop mit 2 g, dann eine Rolle, alles sehr rund und harmonisch, »Gentlemen’s Kunstflug«, wie er sagt. »Mit dem Rechteckflü-gel schafft sie 140 Grad pro Sekunde«, kom-mentiert er, »mit der Evo-Fläche 20 Grad weni-ger.« Aber das scheint dem Mann vor mir nicht so wichtig zu sein wie das Fluggefühl: »Die Rocket erinnert mich oft an die T-37, wie sie in der Luft liegt, wie man Kurven fliegt …« Ganz so schnell wie der Jet, den Fränk aus seiner Bundeswehrzeit kennt, ist sein erstes eigenes

de. Die Speeds im Anflug hingegen sind ziem-lich gewöhnlich: 100 Knoten in Gegenrichtung zur »03«, 85 mit halb ausgefahrenen Klappen im rechten Queranflug, 60 Knoten full flaps im Endanflug.

Schnell reisen, iFR, Kunstflug: vielleicht gibt es dafür ein Flugzeug, das ein bisschen weniger kostet – je nachdem, was man unter »schnell« versteht. Aber gibt es fürs gleiche Geld ein hei-ßeres als diese nachtblaue Schönheit?

DiE EvoLUTion DER RoCKET

vom Bausatz zum Flugzeug : Andrea beim verladen in Yakima/USA; ein Termikas-Mitarbeiter mit der Spezial-Cowling; Fränk als Seifenkisten-Pilot in Litauen

MEnSCh & MASChinE

Solide iFR-Ausstattung – zwei große Displays von GRT dominieren das Panel, links ein

Garmin GnS 430 (1). Das Spornrad entkoppelt sich in engen Kurven vom Seitenruder (2).

in den Stauraum passen 35 Kilo Gepäck (3)

Keine Zauberei: 60 Knoten und volle Klappen im Endanflug – zur Landung kommt die Rocket auch nicht schneller rein als eine Cessna 172

Flugzeug zwar nicht, aber für die 500-Meilen-Strecke nach Prienai braucht er damit nicht mal drei Stunden. Kein großes Ding, wenn einmal im Jahr der Litauen-Trip ansteht, um von Ter-mikas die Wartung erledigen zu lassen – die man bei einem Experimental aber auch selbst machen dürfte.

Wir melden uns zur Landung, der Flugleiter nennt uns »Lima Yanky« – nicht »Charly Echo« wie er es bei einer Cessna oder Piper tun wür-

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Entstanden ist die Rocket ursprünglich aus der Rv-3 von van’s Aircraft. Bei diesem Kitplane-Einsitzer ragt die tropfenförmige Kabinenhaube über den Rumpf hinaus. Der Amerikaner John harmond zog den hinteren Rumpfrücken höher, sodass die haube ohne Anstieg geradlinig daran ansetzt (»turtledeck«). vor allem aber waren ihm die vierzylinder-Motoren mit 150 bis 180 PS zu schwach, für die der Ganzmetall-Tiefdecker ausgelegt war: harmon baute einen Sechszylin-

der-Lycoming mit 285 PS ein. Außerdem kürzte und verstärkte er die Flügel und montierte ein größeres, stabileres Leitwerk – entstanden war die harmon Rocket. Als dann die Rv-4 rauskam, überarbeitete er den Zweisitzer in ähnlicher Weise: Jetzt hieß das Flugzeug harmon Rocket ii. von diesem Typ hat der Texaner Mark Frederick einige Exemplare fertiggestellt, auch Bruce Bo-hannons Steigzeit-Rekordmaschine Flying Tiger, bevor ihm in den neunziger Jahren die idee kam,

den Bausatz selbst anzubieten, und zwar als Quickbuild Kit. Fertigungspartner für die nun F-1 Rocket genannte Maschine war die tschechische Firma high Performance Aircraft (hPA). Dort entstand auch ein neuer Flügel mit trapezförmi-gem Grundriss, der den Rechteckflügel (»hersh-ey bar« – nach dem klobigen amerikanischen Schokoriegel) ablöste. Mit der Trapezfläche wurde der Zusatz Evolution oder kurz Evo in die Typenbezeichnung aufgenommen. Seit dem

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