winterausbildung

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Der Winter in der BERGFÜHRER AUSBILDUNG 66 · SKITOUREN-SPECIAL Interview Risikomanagement Bergführerausbildung Schon aus dem Titel bzw. der Bezeichnung Staatlich geprüfter Berg- und Skiführer geht hervor, dass im Verlauf der Bergführerausbildung die Winter- und Skiausbildung ein überaus wich- tiger Schwerpunkt ist. Aus dem Be- rufsbild (s. allmountain ab Seite 88) ergibt sich ein konkretes, klares Anforde- rungsprofil für den Bergführer, diesem muss auch in der Ausbildung im Winter Rechnung getragen werden. Ich bekomme nicht wenige Anfragen, ob es denn nicht einen Ausbildungs- gang ohne die Skiausbildung gibt. Hier ist zu sagen, dass diese, auch international, fest fixiert bzw. untrennbar mit der Bergführeraus- bildung verbunden ist. TEXT Peter Geyer FOTOS Archiv VDBS

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Schon aus dem Titel bzw. der Bezeichnung Staatlich und Skiausbildung ein überaus wich- Bergführerausbildung die Winter- bildung verbunden ist. fixiert bzw. untrennbar mit der Bergführeraus- gang ohne die Skiausbildung gibt. Hier ist zu geht hervor, dass im Verlauf der rungsprofil für den Bergführer, diesem muss ergibt sich ein konkretes, klares Anforde- sagen, dass diese, auch international, fest rufsbild (s. allmountain ab Seite 88) geprüfter Berg- und Skiführer TEXT Peter Geyer

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Der Winter in derBERGFÜHRERAUSBILDUNG

66 · SKITOUREN-SPECIALInterview RisikomanagementBergführerausbildung

Schon aus dem Titel bzw.

der Bezeichnung Staatlich

geprüfter Berg- und Skiführer

geht hervor, dass im Verlauf der

Bergführerausbildung die Winter-

und Skiausbildung ein überaus wich-

tiger Schwerpunkt ist. Aus dem Be-

rufsbild (s. allmountain ab Seite 88)

ergibt sich ein konkretes, klares Anforde-

rungsprofil für den Bergführer, diesem muss

auch in der Ausbildung im Winter Rechnung

getragen werden. Ich bekomme nicht wenige

Anfragen, ob es denn nicht einen Ausbildungs-

gang ohne die Skiausbildung gibt. Hier ist zu

sagen, dass diese, auch international, fest

fixiert bzw. untrennbar mit der Bergführeraus-

bildung verbunden ist.

TEXT Peter Geyer

FOTOS Archiv VDBS

Die grundlegenden Ziele derWinteraus-bildung sind identischmit denZielen inder Sommerausbildung.Sie sind jedoch

aufdie spezifischenAktivitätenbzw.auf denspeziellen Einsatzbereich imWinter ausge-richtet. Die Lerninhalte beziehen sichaufdieBereiche des Führens und des Lehrens.Wäh-rend eine ganzheitliche Führungsqualität,mit größtmöglicher Sicherheit undErlebnis-wert, beim Führen vermittelt wird, ist beimLehren die Umsetzung der methodischenund didaktischen Grundlagen das Ziel. Dar-über hinaus ziehen sich wiederkehrendeThemen durch die gesamte Ausbildung wieu. a. Aspekte der Ökologie bzw. das umwelt-gerechte Verhalten, Geologie, Orientierung,Wetterkunde…

Der Winter, mit der überaus komplexen Si-tuation der Beurteilung der Lawinengefahr,der KalkulationdespersönlichenRisikosunddes darauf abgestimmten schlüssigen Füh-rungshandeln, ist die Unfallprävention einThema das sich lückenlos durch die gesam-te Ausbildung zieht. Die hochprofessionelleEinstellungunddieVorbildwirkungder Aus-bilder tragen in diesem Bereich entschei-dend dazu bei,wie sich das persönliche Risi-kobewusstsein des einzelnen Ausbildungs-teilnehmers entwickelt.Die Erkenntnis,dassnicht jede Lawinensitua-tion imDetail beurteiltwerdenkann,dass esGrauzonen gibt, in der auch ein erfahrenerExperte mit seiner Weisheit ansteht undfolglich mit einer Alternative oder mit Ver-zicht reagierenmuss,stellt ein fundamenta-les Ausbildungsziel dar.

DieWinterausbildungumfasst vier Lehrgän-ge, deren Lehrinhalte aufbauendundzielge-richtet aufdie spezifischenAktivitätenabge-stimmtsind.Wobei bestimmteKurse vonderReihenfolgeher fixiert sindundanderenachpersönlicher Planungabsolviert werden können.

Es sinddies folgende Lehrgänge,aufdie auchin diesen Ausführungen eingegangenwird:• Lawinenfachlehrgang• Skimethodik- undVariantenlehrgang• Skihochtourenlehrgang• Der Eisfallkletterkurs findet zwar auch imWinter statt, diesen will ich jedoch im Be-richt über den Eislehrgang behandeln.

Die Lehrgängesind terminlich sogelegt,dassauf die einzelnen Perioden desWinters, mitihrenspezifischenEigenheiten,eingegangenwerden kann. Es ist ein erheblicher Unter-schied, unterwelchenKriterieneineSchnee-decke im Vorwinter, im Hochwinter oder inder Frühjahrssituation beurteilt wird. Oderwie sich typischeWetterlagen auf die beste-henden Verhältnisse, je nach Periode, ver-schieden auswirken können.

In der Bergführerausbildung inDeutschlandist esgrundsätzlich so,dassalleAusbildungs-kurse prüfungsfrei sind und erst nach allenKursen in den verschiedenen Bereichen derstaatlichen Prüfung »die Karten auf denTisch gelegt werden müssen«. Es gibt zwarLehrgänge, nach deren Abschluss jeder Teil-nehmer eine Beurteilung seiner Kompetenzerhält, dies setzt jedoch keine Prüfung vor-

aus. Diese Regelung ermöglicht die Ausbil-dung so zugestalten,dass zwischenTeilneh-mernundAusbilderneinpartnerschaftlichesVerhältnis entsteht und zusätzlicher Stresseher vermiedenwird.

LawinenfachlehrgangDer Lawinenfachlehrgang ist einer der er-stenAusbildungskurse imZugederBergfüh-rerausbildung. Er ist auch vor den Sommer-kursen zuabsolvieren,dadieThematik Lawi-nen imHochgebirge,z.B.beimEiskurs im Ju-ni/Juli, immer relevant bzw. präsent ist.Für die meisten Kurse haben sich bestimm-teGebietebzw.Standorteals vorteilhaft her-auskristallisiert, soauch fürdiesen Lehrgang.Das Terrain rund umdie Heidelberger Hüttein der Silvretta weist die idealen Vorausset-zungen fürdiesenKurs aufundwird seit Jah-ren im Januar dafür genutzt. Die Infrastruk-tur der Hütte selbst bietet die Möglichkeitdie anstehenden Theorieeinheiten unge-stört durchzuführen.Der Ablauf des Kurses, der eineWoche dau-ert, wird charakterisiert von einem didakti-schen Mix aus Praxis und Theorie. Grundla-gen der Schnee- und Lawinenkunde, Krite-rien und Möglichkeiten der systematischenBeurteilung der Lawinensituation sowie

»Der eine oder andereKandidat bekommt da schon

mal ›ein dickes Brett‹ mit nachHause, an dem er noch zusägen hat.«

Strategien zur Reduzierung bzw. Optimie-rung des Risikos bilden einen inhaltlichenSchwerpunkt in diesem Mix. Der zweiteSchwerpunkt befasst sich mit der Planungund dem situationsangepassten Verhaltenbzw. dem entsprechenden Führungshan-deln im Gelände. Während die beiden ge-nannten Schwerpunkte die Prävention zumZiel haben,befasst sich der dritte inhaltlicheSchwerpunktmit der Situation,wennesmitder Prävention, aus welchen Gründen auchimmer, nicht funktioniert hat – dem Lawi-nenunfall. Beginnendmit derVerschütteten-suche mit dem LVS-Gerät bei Einfach- undMehrfachverschüttung in verschiedenstenLagen und Positionen, über effektive Such-strategienundBergemaßnahmenbishin zurOrganisation komplexer Rettungsaktionenreicht hier das Spektrum der Ausbildung.Sicherlich eine sehr anstrengendeWoche füralleTeilnehmer.VielNeuesauseinerüberauskomplexen Materie muss in diesen Tagenaufgenommen und verarbeitet werden.Wichtigdabei ist,dass jederdie Systematik inden einzelnen Bereichen erkennt und nachdem Lehrgang jede Möglichkeit nutzt diesezu festigen.

Skimethodik- und VariantenlehrgangViele Ausbildungsteilnehmer behaupten,dass dieser Kurs der schönstewährend ihrerAusbildung war.Welcher Lehrgang wirklichder schönste ist kannman schwer sagen, eshängt sicher von den persönlichen Neigun-gen des Einzelnen ab.Als sich vorüber fünfzehn JahrendasVarian-tenfahren, das Freeriding im Berufsbild derBergführer etablierte und vorauszusehenwar, dass es neben dem Führen von Skitou-ren einen anhaltenden Schwerpunkt bildenwürde,reagiertedie zuständigeKommissionder Ausbildung und führte diesen Lehrgangein.Zudemhatmanschnell erkannt,dassdasFühren in Varianten und beim Freeriding ei-neeigenebzw.spezifischeProblematik bein-haltet.WährenddieKlientel desBergführersauf Skitourenmeist vomBergsteigenkommtund somit eher ein gewisses Risikobewusst-sein vorhanden ist, sind Freerider, rein vonder Einstellung her, etwas anders gelagert.Hier steht ›Steepanddeep‹ oder ›Powder forFun‹ imMittelpunkt unddie Erwartungshal-tung ist darauf fixiert. Dem ist in der Pla-nung, im taktischen Verhalten und im Füh-rungsstil entsprechendRechnungzu tragen.

Die InhaltediesesAusbildungskurses sind inzwei Schwerpunkte gegliedert. Einerseitswird an der Skitechnik gearbeitet und dieGrundsätze der Skimethodik vermittelt. An-dererseits die Führungstechnik- undTaktik inder Abfahrt geschult sowie die Systematikbei schnellen Entscheidungen trainiert. Di-sentis inGraubündenbietet für dieseAusbil-dung das optimale Gelände bzw. die bestenVoraussetzungen. Gepflegte Pisten für dieAusbildung in der Skitechnik/Methodik undein Freeride-Gelände mit schnellen Zugän-gen zu fantastischen Abfahrten in allenSteilheitenundExpositionen fürdenBereichFührungstechnik.NichtwenigeTeilnehmerwerdenbei diesemKurs das erste Mal mit der Terminologie derSkitechnik bzw. der Skimethodik konfron-tiert. Der Umfang hält sich jedoch in Gren-zen, es wird das praxisorientiert vermittelt,was ein Bergführer wirklich braucht und dieAusbildungsteilnehmermüssen ja keineSki-lehrer werden. Um das Thema etwas mehrzu konkretisieren, was muss nun ein Berg-führer wirklich können.Die Skitechnik eines›glücklichen Rutschers‹ reicht keinesfallsaus. So wie man von einem Führer voraus-setzt, dass er das Gelände in Fels und Eis be-herrscht und zusätzlich seinen Gästen eineeffiziente Technik demonstrieren bzw.TippszurVerbesserungdes persönlichenKönnensgeben kann, ist es auch auf Ski unabdingba-

68 · SKITOUREN-SPECIALBergführerausbildung

Ein Schwerpunkt, der sich durch diegesamte Winterausbildung zieht, ist dieFührungstechnik bzw. Taktik beiGruppenführungen. Beurteilung derSituation,Entscheiden und eine klare effektiveKommunikation mit den Teilnehmerngeht einem situativen Führungshandelnvoraus. Ein »wird schon gehn« gibtes dabei nicht!

»Es muss auch jedem klar sein, dass hier der Lernprozessnicht aufhört – denn ein Bergführer lernt nie aus!«

reVoraussetzung.Das tech-nische Können der Gästewird in diesem Bereich im-mer besser – und wermöchte schon als Führervon seiner Gruppe alsSchlussmann eingeteiltwerden.Im zweiten SchwerpunktdesKurses stehendie syste-matische Auswahl, die Pla-nung sowie die situations-angepasste Durchführungvon Abfahrten, immer un-ter den taktischen Ge-sichtspunkten des Füh-rungshandelns, auf demProgramm.ImGeländesinddabei schnelle Entschei-dungen gefragt. Beurtei-lung der Lawinensituation,Beurteilung der Gelände-struktur,welcheAbfahrtsli-nie birgt das geringste Risi-ko,wo ist der beste Schnee für das erwarteteErfolgserlebnis, müssen Vorkehrungen be-züglich der Sicherheit getroffen werden –systematische Beurteilungen, die einer Ent-scheidung vorausgehen müssen. Einer vonunzähligen schnellen Entscheidungen proTag, denn die Betroffenen bzw. die Gruppescharrt schon in freudiger Erwartung aufdenTraumpulvermit den Skiern.Ziel der Ausbildung ist es, die angehendenBergführer aufdieseSituationenbzw.Beson-derheiten beim Freeriding durch ein syste-matisches Entscheidungstraining und derAusbildung in der Führungstechnik in mög-lichst vielen Abfahrten vorzubereiten.Dassdabei der SpaßundpersönlicheErfolgs-erlebnissenicht zukurz kommen,liegt andergutenStimmung imLehrgangsowieamMe-tier selbst.

SkihochtourenlehrgangDieser Lehrgangbildet den letztenAbschnittder gesamten Ausbildung. In ihm kommenneben den neuen skihochtourenspezifi-schen Inhalten sämtlicheAusbildungsinhal-te aller vorausgegangenenKurse zurAnwen-dung. Der zweiwöchige Lehrgang findet je-weils imMärz statt, wobei sich für die ersteWoche ein Stützpunkt am Berninapass eta-bliert hat.Die Führungstätigkeit bei Skitouren imwin-terlichen Hochgebirge bildet den Schwer-punkt in diesen Tagen. Dazu bekommen dieTeilnehmer den letzten didaktischen Schliffals Ausbilder bzw. Lehrer in der VermittlungvonTechniken und Fertigkeiten aus demBe-reich des Skibergsteigens. VerschiedensteThemen,wie dieOrientierungmit GPS,Spal-tenbergung,Wetterkundeusw.werdenwie-derholt bzw.auf die speziellenBedingungenimWinter eingegangen.

Auf den Tagestouren rund um den Bernina-pass werden die Taktik sowie die Technikender Gruppenführung auf anspruchsvollenSkihochtouren im Detail geschult. In steilenRinnenundCouloirs,die entsprechendabge-sichertwerdenmüssen,wird jedemTeilneh-merbewusst,wie anspruchsvoll seine späte-re Arbeit als Bergführer sein kann. Zur Beur-teilungder Lawinensituation kommtdieBe-urteilung des absturzgefährdetenGeländesund folglich das situativ richtige Führungs-handeln hinzu.Fürdie zweite Lehrgangswoche sindgroßzü-gigeGebietsdurchquerungenvorgesehen.Jenach Verhältnissen undWetterlage werdengruppenweise verschiedene anspruchsvolleDurchquerungen im Detail geplant, organi-siert und durchgeführt. So ist es möglich,dass in dieserWocheder Lehrgang z.B. in derOrtlergruppe, amTödi, und in den südlichenÖtztalernunterwegs ist.Charakterisiertwer-den diese Tage durch ein Anwendungsler-nen.DieTeilnehmerplanen,entscheidenundführen selbständig, immerbestrebt die opti-male Lösung für die jeweilige Situation zufinden.

Während dieser Woche ist mindestens einBiwak geplant. Nicht deshalb, dass die Teil-nehmer eben mal im Schnee schlafen, son-dern hier steht die Organisation und dieFührsorgemaßnahmen, die der Führer ge-genüber seinen Anvertrauten inne hat, imVordergrund. Ein großartiger Lehrgang, indemvieleDetails aus verschiedenstenBerei-chen nochmals konkretisiert und abge-stimmtwerden.WienachallenAusbildungs-kursen bekommt jederTeilnehmer ein Feed-back von den Ausbildern auf denWeg. In ei-nem persönlichen Gespräch wird im Detailerörtert wo er steht und inwelchemBereichnochDefizite sindbzw.wieerdieseaufarbei-ten kann.Der eine oder andere Kandidat be-kommt da schon mal ›ein dickes Brett‹ mitnach Hause, an dem er noch zu sägen hat.IchhoffeausmeinenAusführungen ist zuer-kennen, dass auch der Winterteil der Berg-führerausbildung mit seinen spezifischenModulen überaus komplex und für keinenTeilnehmer ein lockerer Winterspaziergangist. Es muss auch jedem klar sein, dass hierder Lernprozess nicht aufhört – denn einBergführer lernt nie aus! �

Ein partner-schaftlichesVerhältnis zwi-schen Ausbildernund Teilnehmerngarantiertu.a. den Erfolg.Schließlich mussdie Ausbildungauch allen Spaßmachen.

Die Beurteilung der Schneedecke als "geheimnisvolle Unbekannte" ist zwarüberaus komplex, liefert aber wichtige Informationen über die aktuelleSituation bzw. über die Tendenz der Lawinengefahr. »Wissen schafft Möglichkeitenund Spielräume.«

In allmountain 1/2009: Hochtouren & Eisklettern in der Bergführerausbildung, von Peter Geyer