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German Finance ManagementTRANSCRIPT
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Von Christian Baier, Patrick Beitel und Ingo Böhner
Bonität ist ein unterschätzter Wettbewerbsfaktor. Wenn Unternehmen Fremdkapital aufnehmen, entscheidet besonders die Bonität über die Konditionen, vor allem über den Zinssatz. Die Bonität hat über den Zinssatz nicht nur Auswirkungen auf das Bilanzergebnis, sondern auch auf die Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten und somit direkt auf die Wachstumschancen des Unterneh-mens. Und gerade Wachstum steht bei Konsumgüterher-stellern nach der Krise wieder ganz oben auf der Agenda.
Doch obwohl bei großen Konsumgüterherstellern die Bonitätseinstufung den Jahresgewinn um zweistellige Millionensummen verschiebt, haben viele dieser Unter-nehmen das Problem nicht im Visier. Dabei gibt es einen systematischen Ansatz, die eigene Bonität zu managen.
Wie wird die Bonität eines Unternehmens ermittelt – und wie lässt sie sich verbessern? Die Bonitätseinstufung, das sogenannte Credit Rating, übernehmen Ratingagen-turen wie Standard & Poor’s oder Moody’s. Bei Stan -dard & Poor’s beispielsweise gibt es eine Ratingskala von AAA (höchste Bonität) bis C (schlechteste Bonität), wobei schlechte Einstufungen – ab BB+ und darunter auch als Sub-Investment Grades bezeichnet – die Zinsbelas tung der betroffenen Unternehmen massiv nach oben schrau-ben (Gra k 1, Seite 18). Die Folgen solch einer Einstufung sind geringere Pro tabilität und ein erschwerter Zugang zu Fremd kapital jenseits des Bankkredits.
Viele europäische Konsumgüterproduzenten sind als Sub-Investment Grades eingestuft (oder besitzen gar kein Credit Rating, weil sie von den Agenturen nicht bewertet werden). Wie wichtig für sie eine Verbesserung des Credit Ratings ist, illustriert ein Beispiel: Die Bonität eines weltweit agierenden Getränkeherstellers wird
Wie Konsumgüterunternehmen ihr Credit Rating verbessernWer seine Zinsbelastung senken will, braucht ein systematisches Programm für eine bessere Bonitätseinstufung durch die Ratingagenturen.
Finanzmanagement
derzeit mit BB+ bewertet, was am Kapitalmarkt einem Zinssatz von 5,98 Prozent pro Jahr entspricht. Eine Ver-besserung um nur eine Stufe, also auf BBB-, würde den Zinssatz um 82 Basispunkte auf 5,16 Prozent senken. Angenommen, das Unternehmen verfügte über Fremd-kapital in Höhe von 5 Milliarden Euro, brächte dies eine jährliche Zinsersparnis von ca. 41 Millionen Euro. Eine Steigerung um zwei Stufen, also auf BBB, würde sogar eine Reduzierung um 161 Basispunkte oder rund 81 Millionen Euro bedeuten.
Eine Heraufstufung ihres Credit Ratings wird Konsum-güterherstellern freilich nur dann gelingen, wenn sie ihre für die Bonitätsbewertung relevanten Kennzahlen verbessern. Doch viele Unternehmen kennen diese Finanzkennzahlen nicht genau oder wissen nicht, wie Ratingagenturen die einzelnen Kennzahlen gewichten. Deshalb geht es für diese Hersteller zunächst darum, die Kriterien und Mechanismen des Ratings besser zu verstehen – um dann mit entsprechenden Maßnahmen eine systematische Verbesserung der Kennzahlen und in der Folge ein höheres Rating zu erreichen.
Am besten geschieht dies im Rahmen eines umfassenden Credit-Rating-Programms. Dieses umfasst drei Schritte: einen Vergleich der eigenen Kennzahlen mit denen der Hauptwettbewerber, die Ermittlung des eigenen Ist- und Ziel-Ratings mit einer Quanti zierung des Einsparpoten-zials (bei Erreichen des Ziel-Ratings) und die Erarbeitung von Maßnahmen zur Ausschöpfung dieses Potenzials.
1. Position im Wettbewerbsvergleich bestimmen
Ein Benchmarking mit anderen Konsumgüterunterneh-men zeigt, bei welchen Finanzkennzahlen das eigene Unternehmen besser oder schlechter abschneidet als die Wettbewerber. Es liefert damit zugleich erste Hinweise auf Schwachstellen oder Ansatzpunkte für Verbesse-
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Wer systematisch an seiner Bonität arbeitet, kann den Zins für Fremdkapital deutlich senken.
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Finanzmanagement
rungsmaßnahmen. Ein solcher Vergleich er fordert die Einbeziehung aller für das Credit Rating maßgeblichen Kennzahlen. Bei Konsumgüterherstellern sind dies (Gra k 2, rechts):operative Kennzahlen wie Umsatzrendite, Kapital rendite und Kennzahlen zur Zinsdeckung, Cash ow-Kennzahlen wie das Verhältnis von freiem operativem Cash ow zu Fremdkapital und Finanzierungskennzahlen wie Verschuldungsgrad, ausgedrückt im Anteil des Fremdkapitals am Gesamt-kapital.
Zur Berechnung dieser Kennzahlen sind teils erhebliche Anpassungen notwendig – etwa bei den Operating Leases –, um die beteiligten Wettbewerber tatsächlich
vergleichen zu können und somit das Benchmarking aussagekräftig zu machen.
2. Ist- und Ziel-Rating ermitteln, Einsparpotenzial
berechnen
Im nächsten Schritt geht es zunächst darum, das eigene Rating präzise zu bestimmen. Das Ist-Rating bezeichnet die Bonitätseinstufung, die das Unternehmen auf Grund seiner aktuellen Kennzahlen erhält oder erhielte, wenn es von Ratingagenturen bewertet würde. Zur Bestimmung des Ist-Ratings nutzt McKinsey ein Softwaretool, mit dem sich auf Basis quantitativer Analysen ermitteln lässt, welche Kennzahlen für das Credit Rating ausschlag-gebend sind und mit welchen Anteilen sie in das Rating ein ießen. Mit Hilfe von Sensitivitäts analysen kann das
1. Die Zinsbelastung wächst mit absteigendem Credit Rating – und zwar ab
BBB- überproportional
1 30-Tage-Spread zwischen europäischen Unternehmensanleihen und 10-jährigen deutschen Staatsanleihen, Stand: 21. Januar 2011Quelle: Bloomberg, McKinsey
AA+ AA- A BBB+ BBB-AA A+ A- BBB BB+ BB
50
150
250
350
450
100
200
300
400
500
Zinsabstand zwischen ratingbasierter Unternehmensanleihe und Staatsanleihe1
74 76 7991
104118
132 136
215
297
379
Investment Grade
Sub-Investment
GradeRatings
Zu zahlender Zinssatzin Prozent
AA+
AA
AA-
A+
A
A-
BBB+
BBB
BBB-
BB+
BB
3,75
3,77
3,80
3,92
4,05
4,19
4,33
4,37
5,16
5,98
6,80
Basis-punkte
Ratings
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Unternehmen zudem genau berechnen, inwieweit es die-se Kennzahlen optimieren muss, um sein Credit Rating zu verbessern. So geben die Analysen wichtige Hinweise darauf, wo Verbesserungsmaßnahmen ansetzen sollten.
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse – und zuge-schnitten auf die speziellen Rahmenbedingungen des jeweiligen Unternehmens – lassen sich dann Ziele für die einzelnen Kennzahlen und das Credit Rating ins-gesamt festlegen. Das Ergebnis ist ein sogenanntes Ziel-Rating, also die angestrebte Bonitätseinstufung, die durch entsprechende Maßnahmen erreicht werden soll.Anhand der aktuellen zinstragenden Schulden kann das Unternehmen nun das absolute Zinseinsparpotenzial leicht berechnen: Es ist die Differenz zwischen den
bei Ist- und Ziel-Rating am Kapitalmarkt zu zahlenden Zinsen. Und dieser Zinsvorteil beträgt – wie im Beispiel des eingangs zitierten Getränkeherstellers – häu g einen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr. Wie genau sich der Zinsaufwand in den Folgejahren sukzessive verrin-gert, hängt natürlich auch von den Finanzierungskondi-tionen und vor allem dem Fälligkeitspro l ab. Mit Hilfe dieser Informationen lässt sich der jährliche Ein spar-effekt dann exakt berechnen.
3. Maßnahmen planen und umsetzen
Erst im dritten und letzten Schritt geht es um die eigent-lichen Maßnahmen, mit denen das Unternehmen sein Credit Rating verbessern und somit die errechnete Zinsersparnis erzielen kann. Hierbei kommt es zunächst
2. Praxisbeispiel – Finanzkennzahlen eines Konsumgüterherstellers im
Wettbewerbsvergleich
1 Vor Abschreibung und Amortisation; 2 Betriebliches Ergebnis/Fremd- plus Eigenkapital (adjustiert); 3 Finanzmittel aus dem operativen Geschäft; 4 Freier operativer CashflowQuelle: Standard & Poor’s, McKinsey
Operative Kennzahlen
Operatives Ergebnis1/ Umsatz, in Prozent
14,2
19,9
18,9
21,1
15,3
Kapitalrendite2
in Prozent
16,0
26,0
18,5
14,4
12,0
EBIT-ZinsdeckungMultiple
4,6
15,4
5,0
4,0
3,6
EBITDA-ZinsdeckungMultiple
5,6
17,1
5,9
5,1
4,6
Cashfl ow-Kennzahlen Finanzierungskennzahlen
FFO3/Fremdkapital in Prozent
28,2
64,8
45,3
23,1
26,4
FOCF4/Fremdkapitalin Prozent
14,5
42,2
20,0
9,7
7,1
Fremdkapital/EBITDAMultiple
2,0
1,2
2,5
4,0
4,9
Fremdkapital/Fremd- plus Eigenkapitalin Prozent
35,6
37,6
44,4
58,1
55,6
Eigene Zahlen
Ø Wettbewerber AA und A+
Ø Wettbewerber A und A-
Ø Wettbewerber BBB+/BBB/BBB-
Ø Wettbewerber Sub-Investment Grade (unter BBB-)
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darauf an, die Ansatzpunkte für wesentliche Verbesse-rungen zu identi zieren: Bei schlechten operativenKennzahlen sollte das Unternehmen jeden Posten seiner Gewinn-und Verlust-Rechnung auf Optimierungspoten-ziale hin untersuchen, während es sich bei mangelnder Liquidität auf sein Cash ow-Statement konzentrieren und angesichts einer hohen Verschuldung seine Bilanz unter die Lupe nehmen sollte.
Das Beispiel eines europäischen Konsumgüter -herstellers veranschaulicht die Vorgehensweise: Im Wett bewerbsvergleich schnitt das Unternehmen – bei re lativ solidem Cash ow und geringer Verschul -dung – insbesondere in den operativen Feldern schlecht ab. Auch bei der Ermittlung des Ist-Ratings erwiesen sich die operativen Kennzahlen als Schlüsselfaktoren. Folglich begann der Hersteller, seine Gewinn-und Ver lust-Rechnung systematisch zu durchleuchten. Dabei offenbarte das Unternehmen erhebliche De zite gegenüber dem Wettbewerb, insbesondere beim
3. Praxisbeispiel: Verbesserungsmaßnahmen und -potenziale eines
Konsumgüterherstellers
1 Für operatives Leasing und aktienbasierte Vergütung; 2 Inklusive Zinserträgen, Erträgen aus verbundenen Unternehmen und Joint Ventures sowie weiteren wiederkehrenden betriebsfremden Erträgen Quelle: Bloomberg, Geschäftsberichte, McKinsey
Waren einsatz, aber auch bei den Vertriebs- und Ver-waltungs kosten. Dank dieser Erkenntnisse konnte das Management nun ziel gerichtete Verbes serungs-maßnahmen einleiten, so etwa die Optimierung von Spezi kationen, verstärktes Multiple Sourcing und Bundling sowie spezielle Schulungen für Einkaufs- und Logistikmitarbeiter (Gra k 3). Ausgelöst durch Bemühungen zur Verbesserung des Credit Ratings, durchlief das Unternehmen eine „Fitnesskur“ für das operative Geschäft, mit direkten Auswir kungen auf den Ertrag und indirekter Wirkung auf die Bonität.
Neben den Operations bleiben aber auch Cash ow und Bilanz zentrale Ansatzpunkte für Ratingverbesserungen. So sind mit Blick auf die Cash ow-Kennzahlen ein pro-fessionelles Working-Capital- und Investitionsausga-ben-Management gerade für Konsumgüterhersteller von herausragender Bedeutung. Derweil steht bei den Finanzierungskennzahlen in aller Regel die Senkung zins tra gen der Schulden im Vordergrund. McKinsey
Unter-
nehmen
Ist-Wertein Prozent vom Umsatz
Jeweilige
Best Practice
Geschätztes Potenzial
in %-PunktenPosition
- Spezifi kationen optimieren
- Multiple Sourcing/Bundling verstärken
- Fähigkeiten in Einkaufs- und
Logistikorganisation aufbauen
- Vertriebsleistung verbessern
- Vertriebs- und Verwaltungskosten senken
- Produktentwicklung optimieren
- Basisentwicklung outsourcen
- Werbebudget kürzen
ÍWareneinsatz
Í Vertriebs-/
Verwal tungskosten,
F&E, Werbung
ÍOperatives Leasing
ÇOperatives Ergebnis
ÅAnpassungen1
ÇEBITDA
Í Abschreibung und
Amortisation
ÇEBIT 2
-67
-33
8
8
4
12
-6
6
-56
-31
5
N/A
3
N/A
-3
N/A
~ -3-5
~ -2
Priorisierte Maßnahmen
Umsatz 100 100
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Kernaussagen
1. Ein höheres Credit Rating – und damit eine geringere Zins-last – steigert die Pro tabilität, sichert Liquidität und verbessert die Wachstumsaussichten von Konsumgüterunternehmen.
2. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer gründlichen Diagnose der eigenen Situation und zielgerichteten Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzkenn-zahlen.
3. Eine Heraufstufung durch die Ratingagenturen kann für viele Konsumgüterhersteller jährliche Zinseinsparungen im zweistelli-gen Millionenbereich bedeuten.
1 Dr. Christian Baier ist Berater im Berliner Büro von McKinsey. Er ist Mitglied des
Konsumgütersektors und beschäftigt sich mit Corporate-Finance-Themen bei Konsumgüter-
und Handelsunternehmen.
2 Dr. Patrick Beitel ist Partner im Frankfurter Büro von McKinsey und Leiter der
deutschen Corporate Finance Practice. Zu seinen Klienten zählen Banken, Börsen und
Kapitalmarktdienstleister.
3 Dr. Ingo Böhner ist Berater im Kölner Büro von McKinsey. Er ist Mitglied des Konsum-
gütersektors sowie der Corporate Finance Practice und beschäftigt sich vor allem
mit dem Thema Corporate Finance bei Konsumgüterherstellern und Handelsunternehmen.
Autoren
hat – neben Ansätzen zur Verbesserung operativer Kennzahlen – auch für diese Aufgaben spezielle Pro-gramme entwickelt, um die Situation der Unterneh-men zu analysieren und Maßnahmen zu erarbeiten.
Optimale Kapitalstruktur mit dem
Credit-Rating-Programm
Das Credit-Rating-Programm hat sich inzwischen vielfach bewährt und Unternehmen geholfen, ihre Fremdkapitalkosten zu reduzieren und damit die Pro tabilität zu erhöhen. Es liefert aber auch Zahlen und Argumente für Bankverhandlungen und er -leich tert so die Kreditbewilligung und Liquiditäts-sicherung – beides wichtige Voraussetzungen für das Erreichen der Wachstumsziele. Last but not least trägt das Programm sehr wirkungsvoll dazu bei, die Kapitalstruktur des jeweiligen Unternehmens zu optimieren und effektiver mit Rating agenturen zu kommunizieren.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen?
Die Autoren freuen sich auf Ihre Zuschrift.
Bitte E-Mail an: [email protected]
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