metal-fans stehen im regen und feiern trotzdem...pedal steel guitar schien die instrumentierung auf...
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Montag, den 31. August 2009 Ostfriesische Nachrichten – Seite 7LOKALES
V O N W E R N E R J Ü R G E N S
Tannenhausen. Metal-Fans sind eben hart im Neh-men. Deswegen ließen sichdie meisten der rund 5000 Be-sucher, die an den vergange-nen drei Tagen zum „Wackenrocks Seaside“-Festival nachTannenhausen gepilgertwaren, auch nicht den Spaßnehmen, als wiederholt hefti-ge Regenschauer auf sie nie-derprasselten. Dafür gab esam Programm kaum etwas zumeckern. Ob klassischerHardrock, Thrash-Metal, In-dustrial oder sogar Folkloreund Country-Punk – da warfür jeden erdenklichen Ge-schmack etwas dabei.
Den Auftakt machte amFreitagnachmittag dieschwedische Glamrock-For-mation „Fatal Smile“ (wir be-richteten) gefolgt von denHeidelberger „Desperadoz“.Die Süddeutschen haben einFaible für Italo-Western, wassich auch im scheppernd-schleppenden Klang ihrerMusik widerspiegelt. Bei denHamburger „Kneipenterro-risten“ sollten zum erstenMal beim diesjährigen„Wacken rocks Seaside“ alle„Böhse Onkelz“-Fans auf ihreKosten kommen.
Benannt haben sich dieHanseaten nach dem gleich-namigen und nach Ansichtvieler Experten wegweisen-den „Onkelz“-Album ausdem Jahre 1988. Neben demTitelsong aus diesem Werkgab es einen ebenso gelungenwie kompetent dargebotenenQuerschnitt durch das Reper-toire der 2005 aufgelösten„Böhsen Onkelz“. Von „Mexi-co“ über „Terpentin“ und„Dick und durstig“ bis hin zu„Auf gute Freunde“ und„Heute trinken wir richtig“dürften kaum Wünsche offengeblieben sein.
Als nächstes war „NeueDeutsche Härte“ mit „Eisbre-cher“ aus München angesagt.Frontmann Alexx Wesselsky,der nebenbei für den „Män-nersender“ DMAX als „DerChecker“ Gebrauchtwagenunter die Lupe nimmt, wurdein den 90er Jahren bekanntals Mitbegründer von „Mega-hertz“. Diese Gruppe lag da-mals auf einer Wellenlängemit Bands wie „Rammstein“oder „Oomph!“. Die 2003 ausder Taufe gehobenen „Eisbre-cher“ bewegen sich in ähnli-chem Fahrwasser. Zackige„Beats“ mit Elektro-Einflüs-sen bilden die Basis für ton-nenschwere Bass- und Gitar-renwände, über die AlexxWesselsky seine grollendeStimme legt. Dass sich soetwas nicht zwangsläufigstumpfsinnig anhören muss,beweisen die Bajuwarenunter anderem mit dem Song„This is Deutsch“ aus ihremaktuellen Album „Sünde“.Darin wird völlig unver-krampft ein nahtloser ironi-scher Bogen vom NDW-Klas-siker „Da da da“ über dieElektro-Väter „Kraftwerk“ bishin zur DDR-Hymne „Aufer-standen aus Ruinen“ und„Die Sendung mit der Maus“geschlagen. Selbst eine derurbayerischen Institutionenschlechthin, nämlich dasHofbräuhaus, findet Erwäh-nung.
Danach kamen zwei derHeidelberger „Desperadoz“noch einmal auf die Bühne,dieses Mal als Teil von den„Dirty Deeds“. In Anlehnungan „Dirty Deeds Done DirtCheap“ haben sich die Hei-delberger als Cover-Band deraustralischen Hardrock-For-mation „AC/DC“ einen re-spektablen Ruf erworben.
Das Repertoire konzen-trierte sich am Freitag aufStücke aus der Ära des 1980verstorbenen Sängers BonScott. Neben Hits wie „HighVoltage“ oder „The Jack“kamen auch weniger geläufi-ge, deswegen keineswegs we-niger gute „AC/DC“-Perlenwie „Riff Raff“ oder „Sin City“zum Zuge. Mit „Highway toHell“ und „Whole LottaRosie“ bildeten nichtsde-stotrotz zwei kernige unver-wüstliche Rock-Klassikereinen würdigen Abschluss.
Das Finale des Festivals amFreitag blieb indes „J.B.O.“(gesprochen: „JäyBieOh“)vorbehalten. Ursprünglichstand das Kürzel für „JamesBlast Orchester“. Das passteder Plattenfirma eines gewis-sen James Last nicht in denKram, woraufhin rechtlicheSchritte eingeleitet wurden.Dies war beileibe nicht dieeinzige juristische Auseinan-dersetzung, die die 1989 in Er-langen gegründete und fürihre schrill-bunte Bühnen-show berüchtigte Fun-MetalTruppe in ihrer langjährigenKarriere beschäftigte. Hin-sichtlich ihrer Texte nehmendie Franken eben selten einBlatt vor den Mund. Da wirdder Anti-Arpartheids-Song„Gimme Hope Jo’anna“ un-gefragt zum Drogen verherr-lichenden „Gimme DopeJo’anna“ umfunktioniert. An-stelle der einst von „TruckStopp“ eingeforderten Coun-try-Stars Dave Dudley, HankSnow und Charlie Pride wer-den Radiosender aufgerufen,mehr Metal und Hardrock imStile von „Sepultura“, „IronMaiden“ oder „Led Zeppelin“zu spielen.
Was die musikalische Aus-richtung ihrer Vorlagen be-trifft, zeigen sich „J.B.O“ ex-trem freizügig. Ob zünftigeVolksmusik („Bolle reistejüngst zu Pfingsten“) oderDisco-Stampfer („In Zaire“),ist ihnen relativ egal. Dankschneidiger Gitarrenriffs ver-stehen sie es ohnehin bril-lant, jedwede Stilrichtunggemäß ihren Vorstellungenakustisch entsprechend ein-zuebnen. Gleiches geschiehtmit den Texten. Statt „Vamosa la Playa“ heißt es „Geh’n wirhalt zu ‘Slayer’“, und selbstre-dend trinkt der wahre Metal-
Fan nicht den von Udo Jür-gens besungenen „Griechi-schen Wein“, sondern „Kelti-sches Bier“.
Wer meint, solche Albern-heiten wären nur ein Themafür Minderheiten, liegt falsch.Die Jungens von „J.B.O.“konnten am Freitag stolz ver-künden, dass ihre frisch aufdem Markt erschienene CD „IDon’t Like Meta – I Love It“just in der vergangenenWoche auf Anhieb auf Platz
sechs der deutschen Album-Charts eingestiegen ist.
Am Sonnabend startete dasFestival erneut mit einerskandinavischen Eröffnung,als gegen Mittag die norwegi-sche Formation „SAHG“ dieHauptbühne betrat. Zusätz-lich wurde nun auch die klei-nere Nebenbühne, die so ge-nannte „Wet Stage“, freige-geben, so dass die einzelnenBands in schnellerer Abfolgeohne größere Umbaupausen
spielen konnten. Auf besagter„Wet Stage“ tummelten sichzunächst zwei Gruppen miteinem engen Bezug zum„Wacken“-Festival. „Victimsof Madness“ ist eine perma-nent wechselnd besetzteTruppe aus insgesamt knapp20 festen Musikern, vondenen sich die meisten überdas „Wacken Forum“ im In-ternet kennen gelernt haben.Die Dresdener „Stone-Rocker“ von „Gorilla Mon-
soon“ hatten 2005 ein vonden „Wacken“-Organisatoreninitiiertes Nachwuchsfestivalgewonnen.
Unterdessen gab es auf derHauptbühne Thrash Metaldargeboten von „Flotsam &Jetsam“ aus Phoenix/Arizonasowie keltischen Folk-Metal mit „Suidarka“ undeine abgefahrene Punk-Ka-barett-Show der Berliner „Ka-mikaze Queens“. Nach derHamburger Industrial-For-
mation „Parity Boots“ undden friesischen Power-Rockern „Mob Rules“ durftensich die Zuschauer auf denersten richtig großen Namendieses Festivaltages freuen.Hank III. ist der Enkel derCountry-Ikone Hank Wil-liams. Mit akustischer Gitar-re, Banjo, Kontrabass undPedal Steel Guitar schien dieInstrumentierung auf denersten Blick nicht so recht zueiner Metal-Veranstaltung zupassen. Aber wie schon derOpa entpuppte sich auch derEnkel als musikalischer Re-bell, der zwar an Traditionenfesthält, diese jedoch mitPunk- und Hardcore-Ele-menten geschickt aufzupep-pen versteht.
Die schottischen Folklore-Piraten von „Alestorm“ tatensich im Anschluss daran aufder „Wet Stage“ ein bisschenschwer, zumal ihnen nach ei-genem Bekunden ihr Schlag-zeuger „irgendwie abhan-den“ gekommen war und siedaher mit einer Rhythmus-maschine arbeiten mussten.
Alle Mann an Bord hatte aufder Hauptbühne „Der W.“alias Stephan Weidner. Der
Mitbegründer der einst um-strittenen „Böhsen Onkelz“wandelt inzwischen auf Solo-Pfaden und hat, wie er selberin einem seiner Lieder meint,die „Schatten“ seines frühe-ren Ichs längst hinter sich ge-lassen. Speziell in seinen Bal-laden wie „Asche zu Asche“oder „Ein Lied für meinenSohn“ mit der ergreifendenTextzeile „Mein Leben, mehrkann ich dir nicht geben“ of-fenbarte Weidner eine raueund ehrliche Poesie, die imdeutschen Sprachraum ihres-gleichen sucht.
„Debauchery“ und „Secretsof the Moon“ erhöhten aufder „Wet Stage“ noch einmalSchlagzahl und Phonstärke.Obwohl beide Bands einenebenso starken Eindruck hin-terließen wie „Volbeat“ aufder Hauptbühne, dürften sienicht eingeschnappt sein,wenn man konstatiert, dassdas zur reinen Makulaturwurde, als endlich „Slayer“die Hauptbühne betraten.Um halbwegs nachvollziehenzu können, was die kaliforni-schen Thrash-Metaller leis-ten, versuche man spaßes-halber, das Vibrationstempoder elektrischen mit einernormalen Zahnbürste nach-zuahmen. Sänger und BassistTom Araya und seine dreiMitstreiter machen das mehrals eine Stunde und mit vierInstrumenten gleichzeitig imTakt. Zwar nahmen sich dieHerren am Sonnabend dasein oder andere kleine Päu-schen, servierten ihren Fansaber ein sattes Paket, das vonälteren Stücken wie „Manda-tory Suicide“ (1988) bis hin zuneueren Werken wie „Eyes ofInsane“ (2006) äußerst breitgefächert ausfiel.
Der dritte Festivaltag amgestrigen Sonntag begannbereits am Vormittag und botunter anderem mit Metal-Kö-nigin Doro Pesch, den deut-schen Hardrock-Knallern„Axxis“ und „U.D.O.“ sowieder scheinbar unkaputtbarenSpaßtruppe „Torfrock“ aber-mals zahlreiche Höhepunkte.Als letzte Band verließengegen Mitternacht die Mittel-alter-Rocker von „In Extre-mo“ die Hauptbühne.
Metal-Fans stehen im Regen und feiern trotzdemDie meisten der 5000 Zuschauer auf dem Mehrzweckgelände in Tannenhausen lassen sich von den widrigen Witterungsverhältnissen nicht beirren
Hart im Nehmen: Diese und viele andere Metal-Fans wollten sich den Spaß an der Musik von den zahlreichen Regenschauern nicht vermiesen lassen. Fotos: Jürgens
Doppelt gut: Die beiden „Guitar Heroes“ von „Volbeat“.
Eigenwillig: Country-Rebel Hank Williams III.
„Checker“ Alexx Wesselsky
„Dirty Deeds“ erinnerten an die Bon-Scott Ära von „AC/DC“
Gut gebrüllt: „Slayer“-Frontmann Tom Araya.
2 . WACKEN ROCKS SEASIDE-FESTIVAL IN AURICH