grodek

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“Grodek” Georg Trakl Georg Trakl wurde am 3.2.1887 als Sohn eines Eisenhändlers in Salzburg geboren. Während seines Pharmaziestudiums in Wien begann er Gedichte zu publizieren und schloß 1910 die akademische Ausbildung ab; anschließend lebte er in Innsbruck. Im 1. Weltkrieg diente Trakl als Sanitätsfähnrich. Zerbrochen am Leiden seiner Zeit, wählte er Anfang November 1914 im Lazarett von Krakau den Freitod durch eine Überdosis Kokain. Trakl gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des österreichischen Expressionismus. Sein Gesamtwerk ist geprägt von Schwermut, Trauer und der Suche nach Gott. Tod, Verfall und der Untergang des Abendlandes sind zentrale Aussagen seiner tiefen Lyrik voller Symbole und Metaphern. Herbst und Nacht bilden die Leitmotive seiner Dichtung. Trakl starb am 3.11.1914 in Krakau. Das Kriegsgedicht „Grodek“ von dem expressionistischen Dichter Georg Trakl aus dem Jahre 1914 entstand unter dem Eindruck der Schlacht in Galizien, in der Trakl als Sanitäter teilnahm. Er zeichnet in dramatischer Weise die Schrecken des Krieges, die ihn tief erschütterten und an denen er auch zugrunde gehen sollte. Das Gedicht ist weder in Strophen unterteilt noch weist es ein durchgängiges Metrum auf. Wie der Krieg selbst, so ist auch die Form vom Chaos geprägt. Trakl personifiziert zu Beginn die Wälder, die vom Schlachtlärm tönen. Es scheint, als ob die Wälder selbst kämpfen, als wären sie selbst Akteure und nicht Opfer. Der Mensch stört die abendliche Natur, die neben dem zeitlichen Aspekt des Tagesendes auch „herbstlich“ d.h. jahreszeitlich vom nahen Ende zeugt, das eben die „tödlichen Waffen“ bringen. Schon zu Beginn weist Trakl also dreimal auf das nahe Ende hin. Das Motiv des Endes findet sich in dem Adjektiv „sterbende“ Zeile 5 und in Zeile 10 „schwarze Verwesung“ wieder. Das Motiv des Herbstes, sowie das Tönen

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Grodek

Georg Trakl

Georg Trakl wurde am 3.2.1887 als Sohn eines Eisenhndlers in Salzburg geboren. Whrend seines Pharmaziestudiums in Wien begann er Gedichte zu publizieren und schlo 1910 die akademische Ausbildung ab; anschlieend lebte er in Innsbruck. Im 1. Weltkrieg diente Trakl als Sanittsfhnrich. Zerbrochen am Leiden seiner Zeit, whlte er Anfang November 1914 im Lazarett von Krakau den Freitod durch eine berdosis Kokain. Trakl gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des sterreichischen Expressionismus. Sein Gesamtwerk ist geprgt von Schwermut, Trauer und der Suche nach Gott. Tod, Verfall und der Untergang des Abendlandes sind zentrale Aussagen seiner tiefen Lyrik voller Symbole und Metaphern. Herbst und Nacht bilden die Leitmotive seiner Dichtung. Trakl starb am 3.11.1914 in Krakau.

Das Kriegsgedicht Grodek von dem expressionistischen Dichter Georg Trakl aus dem Jahre 1914 entstand unter dem Eindruck der Schlacht in Galizien, in der Trakl als Sanitter teilnahm. Er zeichnet in dramatischer Weise die Schrecken des Krieges, die ihn tief erschtterten und an denen er auch zugrunde gehen sollte. Das Gedicht ist weder in Strophen unterteilt noch weist es ein durchgngiges Metrum auf. Wie der Krieg selbst, so ist auch die Form vom Chaos geprgt. Trakl personifiziert zu Beginn die Wlder, die vom Schlachtlrm tnen. Es scheint, als ob die Wlder selbst kmpfen, als wren sie selbst Akteure und nicht Opfer. Der Mensch strt die abendliche Natur, die neben dem zeitlichen Aspekt des Tagesendes auch herbstlich d.h. jahreszeitlich vom nahen Ende zeugt, das eben die tdlichen Waffen bringen. Schon zu Beginn weist Trakl also dreimal auf das nahe Ende hin. Das Motiv des Endes findet sich in dem Adjektiv sterbende Zeile 5 und in Zeile 10 schwarze Verwesung wieder. Das Motiv des Herbstes, sowie das Tnen der dunklen Flten im Rohr verstrkt den Eindruck von Verwesung, Dunkelheit und Tod. Die Gerusche der herbstlichen Natur rahmen die Schlacht ein. Sie klingen wie ein Klagen, bzw. werden schlielich so interpretiert. Der Tod, die Nacht umfngt die Krieger, und lsst ihre Klage verstummen, die nur noch wirr und bruchstckhaft ihren zerbrochenen Mndern entrinnt. Der Soldat wird auf einen Krperteil reduziert, es ist nicht die Klage eines Sterbenden, sondern nur noch die Klage eines Mundes. Es folgt eine Stille, die Weide ist blutgetrnkt. Auf einem Platz, der eigentlich dem Menschen und seinem Leben dient, der Fleischzucht, ist der Tod eingezogen. Die monde Khle verweist auf Wahnsinn und Klte wiederum auf Stillstand, Leere, Stille und Tod. Die Farbe Rot, das Gewlk, in dem ein zorniger Gott, wohl der Kriegsgott Mars, wohnt, verstrkt den Eindruck von Leid und unmenschlichen Chaos. Es gibt kein Entkommen, niemand und kein Ort wird verschont. Alle Straen, alle Wege des Menschen, die er selbst erst gebaut hat, fhren in den Tod, der mit der Farbe Schwarz symbolisiert wird. In der Nacht, in der nur am Himmel oben Licht ist, geht unsicher ein Schatten durch den stillen Hain, die Schwester aber findet kein Leben mehr, nur noch Geister der toten Helden und blutende Hupter, wieder nur Teile des Menschen. Die Einheit ist zerrissen. Der Schatten der Schwester, der sich zwischen all dem Tod und Leid noch bewegt stellt in seiner weiblichen Frsorge eine kleine Hoffnung dar. Untersucht man die Klangkulissen, die Trakl aufbaut, fllt auf, dass auf die Gerusche des Waldes und auf den Lrm der Schlacht, der wilden Klage eine Stille folgt, selbst der Hain schweigt. Dann aber regt sich wieder leise die Natur. Die Natur ist also nicht durch den lrmenden Menschen zerstrt worden, nur er selbst ist tot und somit stumm. Trakl benutzt vor allem dunkle Farbsymbolik. Den bunten, herbstlichen Wldern stellt er goldene Ebenen und blaue Seen entgegen. Gold symbolisiert normalerweise Idylle und Glck, Reichtum und Leben, Blau steht fr Sehnsucht und Unendlichkeit, fr Transzendenz. Trakl baut hier einen Kontrast auf zwischen der Schnheit und Gleichgltigkeit der Natur und dem zerstrerischen Wesens des Krieges bzw. des Menschen. Die Sonne rollt dstrer ber die Szenerie hin. Das Oxymoron Sonne und dster verweist auf einen Widerspruch, ein nicht Zusammenpassen, ein entfesseltes und sinnloses Chaos. Die Sonne wirkt wie eine zerstrerische Kraft, nicht als Licht und Lebensspender. Der Zeilensprung verdeutlicht die rollende Bewegung derselben. Und selbst das dstre Licht wird von der Nacht geschluckt. Das rote Gewlk des Blutes kontrastiert die monde Khle. Eine krftige und warme Farbe wird einem blassen und kaltem Mond gegenbergestellt, das Leben dem Tod. Der schwarzen Verwesung folgt zugleich ein goldenes Gezweig der Nacht. Der Vernichtung auf der Erde trotzen die ewigen Sterne am Himmel. Der Kontrast Leben/Tod wird erneut am Kontrast blutende Hupter und Schatten bzw. dunkle Flten deutlich. Die Endzeit ist eingleitet. Die Syntax wirkt abgehackt, asyndetische Reihungen verstrken den Eindruck von Chaos, von ungebremster Zerstrung und dem fortlaufenden Einprasseln von Sinneseindrcken. Oft fehlt die logische Verknpfung zwischen Satzteilen wie in Zeile 9: die mondne Khle steht in keinem logischen Zusammenhang zum Restsatz, sie ist eher ein neuer Eindruck, der sich in den schon bestehenden mischt. Nachdem das lyrische Ich seine Eindrcke und Beobachtungen geschildert hat, spricht es am Ende direkt. Mit der Apostrophe, oh, stolze Trauer, kritisiert Trakl ironisch den Ehrbegriff, der dem Krieg neben dem Notwendigen auch noch das Tugendhafte zuspricht. Aus den Opfern auf den ehernen Altren, aus dem gewaltigen Schmerz des Krieges entwchst die Zukunft, die aber noch unsicher ist, da die Enkel noch nicht geboren sind. Es scheint, dass nur das Entsetzen und die Sorge um die kommende Generation die Flamme der Existenz noch am Brennen hlt.

Georg Trakl bringt in seinem Gedicht sein persnliches Entsetzen ber die Realitt des Krieges zum Ausdruck. Der Krieg zerstrt jede Harmonie, entfesselt ein Chaos, entmenschlicht die Beteiligten und steht im absurden Gegensatz zur Ruhe der Natur. Allerdings scheint es, dass es doch noch etwas wie Hoffnung auf Rettung gibt. Die Schwester, die Frsorge und Liebe des Weiblichen ist noch fhig die ungeborenen Enkel zur Welt zu bringen, also neues Leben zu schaffen. Die Liebe von Brdern zu Schwestern ermglicht es durch die heie Flamme des Geistes, d.h. durch das Wecken des Verstandes durch den aktuellen Schmerz kommende Generationen zu ermglichen. Neben Rettung aus eigener menschlicher Kraft gibt es aber auch noch eine transzendente Ebene. Die Geister der Helden unter dem Sternenhimmel weisen auf eine Zukunft hin, nach der Zerstrung. Auch wendet sich Trakl selbst an eine hhere Instanz, die Rettung bringen soll. Die Opfer heute werden Ansporn fr das Morgen. Die Mythologisierung durch Anspielungen auf die Antike idealisiert die Kriegsrealitt und beschnigt bzw. verschweigt persnliche Leidensschicksale. Dies knnte Trakls Hoffnung auf Bewahrung kommender Generationen durch die alten Ideale zum Ausdruck bringen