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Fusionen gestalten Steuerung und Begleitung von Veränderungsprozessen im öffentlichen Sektor

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Fusionen gestalten Steuerung und Begleitung von Veränderungsprozessen im öffentlichen Sektor

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Welchen Einfluss haben Politik, Öffentlichkeit und Verwaltung auf das Ge-lingen einer Fusion? // Wie kann ein Fusionsprozess zugleich zielgerichtet geplant und mitarbeiterzentriert umgesetzt werden? // Wie kann man entgegenstehende Interessen zu einem Ausgleich führen? // Wie kann Leadership im Fusionsprozess verbessert werden? // Wie sehen die konkre-ten Herausforderungen im Management der Post-Merger-Integration aus und was sollte wann in Angriff genommen werden? // Wie können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv in den Gestaltungsprozess einbezo-gen werden? // Wie kann der Fusionsprozess ausreichend dokumentiert und kommuniziert werden? // Werden Führungskräfte eigentlich geboren oder entwickelt?

„Seit vielen Jahren vertrauen wir Public One bei der Bewältigung strategi-scher Veränderungsprozesse. Wir schätzen die kompetente und lösungsori-entierte Art der Beratung sowie die erfrischend neuen Ansätze der Exper-tinnen und Experten von Public One.“ Dr. Michael Wandersleb, Geschäfts-führer der Kommunalen Informationsdienste Magdeburg (KID)

Kontakt: Andreas Huber, [email protected], Tel: 030 243102-100 Inhaltsverzeichnis

1. Fusionen im öffentlichen Sektor aktiv gestalten ..................................... 1

2. Leadership und Governance bei Veränderungsprozessen....................... 2 Governance Consulting: Fähigkeiten gemeinsam entwickeln................................................... 3 Strategiefähigkeit entwickeln .................................................................................................. 3 Entscheidungsfähigkeit entwickeln.......................................................................................... 4 Analyse- und Prozessfähigkeit entwickeln................................................................................ 4 Das Team von Public One: Experten im Governance Consulting .............................................. 5

3. Folgend: Buchauszug aus „Huber, Jansen, Plamper: Public Merger – Strategien für Fusionen im öffentlichen Sektor“................................... 8

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1. Fusionen im öffentlichen Sektor aktiv gestalten

Die Welle der Unternehmenszusammenschlüsse hat endgültig den öffentlichen Sektor erreicht. In den vergangenen Jahren kommt es – zumeist mit nur geringer Beachtung der Medien – zu immer weiteren Zusammenschlüssen von öffentlichen Institutionen, staatli-chen und halbstaatlichen Organisationen, von Sparkassen und Stadtwerken über Universi-täten und Krankenkassen, Kirchenkreisen bis hin zu ganzen Kommunen und Kreisen. Während diese Zusammenschlüsse in der Regel nicht an das Spektakuläre der privatwirt-schaftlichen Fusionen wie Daimler / Chrysler, Mannesmann / Vodafone oder Aventis / Sanofi herankommen, scheinen die Konsequenzen für die betroffenen Anspruchsgruppen doch vergleichbar. Die bisherigen Forschungen zu den Misserfolgsraten bei den Unter-nehmenszusammenschlüssen sind ernüchternd: über drei Viertel der Transaktionen scheitern – ökonomisch wie sozial. Fusionen im öffentlichen Sektor gehorchen zu weiten Teilen fundamental anderen Ge-setzmäßigkeiten als im Privatsektor und können dennoch von den Erfahrungen aus dem Projektmanagement der Privatwirtschaft lernen. Ein wesentlicher Unterschied liegt in den Prozessen der vorvertraglichen Phase, also der Phase vor Vertragsunterschrift bzw. Umsetzung einer Fusion. Vergleichbarer sind hingegen die Fragen, welche die Profes-sionalität des Projekt-Managements einer Fusion und die gesamte Integration nach dem formalen Zusammenschluss betreffen. Basierend auf den langjährigen Erfahrungen im Zusammenhang mit strategischer Organi-sationsentwicklung und Fusionsbegleitung wird Public One zusammen mit den relevanten Akteursgruppen die zentralen Fragen der Zieldefinition, der Strategiebildung sowie der Umsetzungsplanung klären: − Welchen Einfluss haben Politik, Öffentlichkeit und Verwaltung auf das Gelingen

einer Fusion?

− Wie kann einen Fusionsprozess zugleich zielgerichtet planen und mitarbeiter-zentriert umsetzen?

− Wie kann man entgegenstehende Interessen zu einem Ausgleich führen?

− Wie kann Leadership im Fusionsprozess verbessert werden?

− Wie sehen die konkreten Herausforderungen im Management der Post-Merger-Integration aus und was sollte wann in Angriff genommen werden?

− Wie können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv in den Gestaltungspro-zess einbezogen werden?

− Wie kann der Fusionsprozess ausreichend dokumentiert und kommuniziert werden?

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2. Leadership und Governance bei Veränderungspro-

zessen

Seit 2000 berät Public One Führungskräfte aus öffentlichen und privaten Institutionen sowie politiknaher Institutionen bei der Entwicklung von Strategie, Organisation und Kompetenz. Der Fokus liegt dabei auf der Planung und Gestaltung der Veränderungspro-zesse und der Begleitung der Führungskräfte bei deren Steuerung und Umsetzung. Öffentliche Institutionen wie politiknahe Organisationen, Verbände, Behörden der Län-der und des Bundes oder Agenturen erfüllen ihre Aufgaben im Spannungsfeld zwischen Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft. Man erwartet von ihnen, dass sie professionell und kosteneffizient arbeiten und insbesondere die ihnen übertragene Aufgabe in beson-ders hoher Qualität erbringen. Die gestalterischen Spielräume zur Erfüllung dieser Erwar-tungen sind aber begrenzt. Auch sind ihre Entscheidungs- und Interaktionsmuster kom-plexer als bei vielen Organisationen aus anderen Sektoren, denn die Leistungen öffentli-cher Institutionen werden nur selten über den Markt koordiniert. Stattdessen wirken Ge-setze und politische Programme als grundsätzliche Steuerungsinstanzen. Die Erfolgswahrscheinlichkeit von Veränderungsprojekten erhöht sich jedoch deutlich, wenn auf die Besonderheit öffentlicher Organisationen und politiksensibler Bereiche mit passgenauen Methoden und Instrumenten eingegangen wird. Kurzum: öffentliche Verwal-tungen, staatlich finanzierte Projekte und Organisationen bedürfen besonderer Kompe-tenzen und Methoden bei der Umsetzung strategischer Veränderungsinitiativen. Governance Consulting ist für Public One die Kunst, bei vernetzten Aufgabenstellungen und komplexen Interessenslagen, Vorteile für alle Beteiligte in einem System zu reali-sieren. Unser Beratungsansatz ist ganzheitlich und integriert die unterschiedlichen Per-spektiven von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Denn die komplexen Herausforderun-gen moderner Organisationen erfordern auch in der Beratung neue Ideen und Verfah-ren. Wir gehen davon aus, dass es keine allgemeingültigen Lösungen gibt, sondern nur solche, die individuellen Problemlagen gerecht werden. Governance Consulting zielt daher darauf ab, kontextspezifische, zielgerichtete und nachhaltige Fähigkeiten gemeinsam zu entwickeln, die über den Tag hinaus Bestand haben. Dazu gehören Veränderungsprozesse in und zwischen Organisationen, die Public One als werteorientiertes Beratungsunternehmen professionell, zielgerichtet und in enger Abstimmung mit allen Akteuren begleitet. Deshalb ist der fortlaufende Dialog ein Grund-satz der Beratung.

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Governance Consulting: Fähigkeiten gemeinsam entwickeln Es gibt drei zentrale Fähigkeiten für die erfolgreiche Führung und Steuerung in komple-xen Problemlagen, an denen Governance Consulting ansetzt, um Governance-Kapazitäten gezielt zu entwickeln: Strategiefähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Analyse- und Prozessfähigkeit.

Strategie- fähigkeit

Entscheidungs- fähigkeit

Analyse- und Prozessfähigkeit

Diese drei Ansätze sind aufeinander abgestimmt und stärken sich wechselseitig. An dem grundlegenden Beratungsziel werden alle weiteren Schritte und Meilensteine ausgerich-tet. Liegt z.B. das Ziel in der systematischen Entwicklung der Entscheidungsfähigkeit eines Teams, einer Abteilung oder einzelner Führungskräfte, werden je nach Veränderungsbe-darf zusätzlich die Strategiefähigkeit, Analyse- und Prozessfähigkeit gestärkt. Dabei wird ein ausgewählter Mix aus fortlaufend erprobten Tools und innovativen Technologien ein. Strategiefähigkeit entwickeln

Mit Governance Consulting entwickeln Sie Strategiefähigkeit auch über den nächsten Schritt hinaus. Die Ziele und Aufgaben von öffentlichen Verwaltungen, Institution, Unternehmen und Verbänden unterliegen einer stetigen Veränderung, weil sie auf gesellschaftliche, politi-sche und wirtschaftliche Wandlungsprozesse in ihrem Umfeld ausgerichtet werden müs-sen. Zugleich findet eine interne Bewertung der Ziele nach widersprüchlichen Logiken statt. Das politisch und rechtlich Mögliche ist in der Regel finanziellen Einschränkungen unterworfen. Auch externe Interessengruppen artikulieren ihre Forderungen an staatliche Akteure. Die Fähigkeit für erfolgreiches Governance besteht darin, in diesem turbulenten Spannungsfeld kreative Handlungspotentiale zu entdecken und strategisch zu erschließen. Die frühzeitige Auseinandersetzung mit möglichen Entwicklungsszenarien in Politik, Wirt-schaft und Gesellschaft sichert die Zukunftsfähigkeit von Organisationen. Dafür werden die Ziele, die grundlegenden Aufgaben und die damit verbundenen Herausforderungen in ihrer wechselseitigen Beziehung analysiert und Entwicklungschancen in alternativen Sze-narien visualisiert. Im Ergebnis führt Governance Consulting zur Fähigkeit der strategi-schen Führung und Steuerung in einem komplexen und dynamischen Umfeld.

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Entscheidungsfähigkeit entwickeln

Mit Governance Consulting stärken Sie die Entscheidungsfähigkeit der Organisation als Gan-ze. Jede Organisation steht täglich vor der Herausforderung, eine Vielzahl von Entscheidun-gen zu treffen, in denen sich die heterogenen Ansprüche von Bürgern, Kunden und Mit-gliedern an unterschiedlichen Schnittstellen widerspiegeln. Zahlreiche Personen sind da-mit an vielfältigen Stellen und in wechselnden Konstellationen befasst. Insbesondere Füh-rungskräfte tragen hier umfangreiche Verantwortung, die sich in hoher Entscheidungs-dichte und in weitreichenden Delegationslasten niederschlägt. Die notwendigen Kompetenzen für zielgerichtetes, effektives und ergebnisorientiertes Entscheiden sind an Personen gebunden. Eine nachhaltige Personalentwicklung stärkt deshalb die Entscheidungsfähigkeiten in der gesamten Organisation. Governance Consul-ting befähigt Führungskräfte, im Entscheidungsprozess die Anforderungen außerhalb der Organisation mit den fachlichen Kompetenzen der Mitarbeiter in Einklang zu bringen. Die Organisation kann sich selbst und ihre Partner steuern sowie die Perspektiven von ande-ren Organisationen, Bürgern, Kunden und Mitgliedern im Entscheidungsprozess einbezie-hen. Eine fortlaufende und umfassende Personalentwicklung ist daher ein zentrales Mittel des Governance Consulting. Analyse- und Prozessfähigkeit entwickeln

Mit Governance Consulting befähigen Sie die Führungs- und Fachkräfte der Organisation, ihre Prozesse zu analysieren und nach Bedarf zielgerecht weiter zu entwickeln. Unnötige Abstimmungsbedarfe und intransparente Entscheidungswege verlangsamen jeden Entscheidungsprozess in öffentlichen Verwaltungen, Institutionen, Unternehmen und Verbänden. Gleichwohl kann jede Führungs- und Fachkraft selbst ein Bild darüber gewinnen, welche Aufgaben und Prozesse sie zu bewältigen hat und welche Kommunika-tionswege dafür existieren müssen. Denn sie sind die „Experten des Alltags“. Im Vorder-grund steht die Fähigkeit zur Analyse von Prozessen, Dienstleistungen und Produkten. Ziel ist es, die notwendige Aufgaben- und Wissensverteilung jederzeit bewerten und steuern zu können. Governance Consulting ermöglicht die Identifikation von Kernprozessen, die Aufdeckung von Änderungspotentialen und die Erschließung von Prozessinnovationen. Die Organisa-tion erhält dadurch neue Gestaltungsspielräume für ihr Prozessmanagement. Eine aus-führliche Dokumentation erleichtert den Transfer und die behutsame Implementation. Die Organisation wird befähigt, ihre Prozesse transparent, effizient und zielorientiert zu steu-ern.

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Das Team von Public One: Experten im Governance Consulting Public One wird von vier Managing Partnern geführt. Andreas Hubers primäre Tätigkeitsfelder sind Strategie- und Organisationsberatung so-wie Fusionen im öffentlichen Sektor. Zudem begleitete er national und international so-wohl im öffentlichen wie im privaten Sektor öffentliche Fusionsprozesse. In den letzten Jahren war er dabei für Sanofi-Aventis, die Univesität Duisburg-Essen und die Gewerk-schaft ver.di tätig. Für sie bereitete er insbesondere Führungskräfte auf Zusammenfüh-rungen von Organisationseinheiten vor und unterstützte die Veränderungsprozesse der Fusionen. Herr Prof. Dr. Jung hat umfangreiche Erfahrungen in der Moderation von Transformati-onsprozessen im öffentlichen Bereich sowie bei Nichtregierungsorganisationen. Neben seiner Professur hat Herr Prof. Dr. Jung einen Lehrauftrag im Bereich „Wandel und Ent-wicklung von Organisationen“ an der Leibniz-Universität Hannover. An der Wirtschaftsfa-kultät der Universität Witten/Herdecke wurde er mit einer organisationstheoretischen Arbeit zur „Form der Reform“ promoviert (summa cum laude). Stefan Friedrichs ist spezialisiert auf Managementberatung und Training im öffentlichen und privaten Sektor, Durchführung von Organisationsanalysen, Entwicklung und Evalua-tion von Personal- und Organisationsentwicklungsstrategien sowie auf die Konzeption von Fachnetzwerken, In dieser Funktion war er bereits vielfach für die gtz sowie die In-went tätig. Workshops und Konferenzen zu ausgewählten Themenbereichen. Zuletzt co-achte Herr Friedrichs Projektleiter im Umweltbundesamt (UBA) für den Einsatz in inter-nationalen Projekten. Felix Richter ist Managing Partner von Public One und hat über zwölf Jahre Berufserfah-rung in der Management- und Unternehmensberatung. Er ist Experte in den Bereichen Strategie- und Organisationsentwicklung für die öffentliche Verwaltung sowie ausgebilde-ter Metaplan-Moderator. Herr Richter war zuvor u.a. als Führungstrainée und Referent im zentralen Beteiligungscontrolling für die Deutsche Post AG aktiv, wo er verschiedene Un-ternehmenszusammenschlüsse begleitete. Darüber ist Herr Richter im Pool der Organisa-tionsentwickler und Moderatoren der gtz. Herr Prof. Dr. Jung, Herr Friedrichs sowie Herr Richter sind zertifizierte Trainer des Ma-nagement-Modells Capacity WORKS der gtz, qualifizieren nationale Consulting-Unternehmen und begleiten die Implementierung von Capacity WORKS in weltweiten Einsätzen.

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Referenzliste von Public One sowie der Geschäftsführer (Auszug) Bertelsmann-Stiftung | Bezirksregierung Lüneburg, Stadt Celle, EU-Sekretariat | British Centre for Management and Policy Studies (CMPS) | Bundesbeschaffungskonferenz | Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) | CVJM e/motion e.V. (Christlicher Verein Junger Menschen e.V.) | Deutsche Bahn AG | Deutscher Städte- und Gemeinde-bund | Diakonisches Werk der EKD, Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste | Dienstleistungsgewerkschaft ver.di | Digitale Virtuelle Bibliothek (DiViBib), Wiesbaden | Europäische Kommission | EU-China Information Society Project | eGovernment Soluti-ons (UK) | Flughafenumfeld-Entwicklungsgesellschaft Berlin-Brandenburg (FEBB) | Fraunhofer eGovernment-Zentrum Berlin | Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) | Gründungswerkstatt start2grow 2001, Stadt Dortmund | Healy Hudson AG | igedo Messe AG | Inwent - Internationale Weiterbildung und Entwicklung gGmbH | Kommunale Informationsdienste Magdeburg GmbH | Kooperationsausschuss ADV, (Koo-pA ADV) | Land Bremen, Senat für Umwelt, Bauen und Verkehr / BIS, Bremerhaven | Landeshauptstadt Magdeburg | Landkreis Lüchow-Dannenberg | Landkreis Osterholz | Media@Komm-Transfer | Ministerium des Innern, Budapest, Ungarn | Ministerium für Wirtschaft des Landes Schleswig-Holstein | Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt | Polnisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Soziales, Warschau, Polen | SAGA-Expertenkreis für technologische Standardisierung in der Bun-desverwaltung im Auftrag des Bundesministeriums des Innern Senatsverwaltung für In-neres in Berlin | sanofi-aventis Deutschland | Slowenisches Exekutivbüro für Struktur- und Regionalpolitik (GOSP) | Software AG | Staatskanzlei Bayern / Franziskanerorden Bosnien | Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalts | Stadt Baunatal | Stadt Bielefeld | Stadt Cottbus / Landkreis Spree-Neiße | Stadt Münster | Stadt Osterholz-Scharmbeck | Stadt Soest / KDVZ Iserlohn / Hellweg Online | Städte Ulm und Neu-Ulm | Türkisches Innenministerium, Turkish National Police, Ankara | Universität Duisburg-Essen | ver.di – Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft

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Ausgewählte Publikationen

− Friedrichs / Jung / Hoebel 2010 (im Erscheinen): Governance Consulting: Theorie und Praxis des Management Consultings in Sozialen Netzwerken, Metropolis Verlag − Habbel / Huber (Hrsg.) Wirtschaftsförderung 2.0 – Im Dialog mit der Wirtschaft, Her-ausgeberband, erscheint 2010 − Friedrichs 2009: Drivers for Innovation & Competitiveness; in: EU China Information Society, 2nd Edition − Huber 2006: Regional Governance - Erfolg durch neue Formen überörtlicher Zusam-menarbeit, zusammen mit Ralf Kleinfeld und Harald Plamper (Verlag: V&R unipress). Direktdownload: http://link.publicone.com/governance − Jung 2008: Die Form der Reform. Eine system- und formtheoretische Rekonstruktion der Verwaltungsreform als Beitrag zur Theorie der Reform. Dissertationsschrift (Ver-lag: Metropolis). − Andreas Huber, Akteursnetzwerke und Dialogstrukturen regionaler Kooperationen im Kulturbereich, S. 159-176, in: Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.), Regionale Koopera-tionen im Kulturbereich, Theoretische Grundlagen und Praxisbeispiele, Dezember 2009, 398S. − Andreas Huber / Birger P. Priddat, Public Merger als Integrationsmanagement, 33 Seiten, in: Patrick von Maravic, Birger P. Priddat (Hg.): Öffentlich – Privat: Verwaltung als Schnittstellenmanagement, Metropolis, 2008, 350 S., Reihe "Beiträge zur Reorgani-sation des Staates" − Huber 2004: Public Merger - Strategien für Fusionen im öffentlichen Sektor , Huber / Jansen / Plamper (Verlag: Gabler), 2006. Direktdownload: http://link.publicone.com/publicmerger − Huber 2005: Positionspapier für den Innovators-Club: „Interkommunale Zusammen-arbeit ermöglichen“, 2005. − Föhl, P. S.; Huber, A., Fusionen von Kultureinrichtungen. Ursachen, Abläufe, Potenziale, Risiken, Alternativen. Monographie, Essen, Klartext-Verlag, 2004, Direktdownload: http://link.publicone.com/kulturfusion

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3. Folgend: Buchauszug aus „Huber, Jansen, Plamper:

Public Merger – Strategien für Fusionen im öffentli-chen Sektor“

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Inhaltsverzeichnis

Teil 1: Hintergrund, Vorbereitung und Planung einer Fusion Stephan A. Jansen Public Merger Management......................................................................................................3 Harald Plamper Politische Voraussetzungen einer Fusion................................................................................ 39 Andreas Huber „Public Due Diligence“ – Von der Machbarkeitsstudie zur Entscheidungsfindung................ 57 Jobst Fiedler, Brigit Sponheuer Public Merger erfolgreich managen........................................................................................ 91

Teil 2: Kultur und Konflikte bei Fusionen Brigitta Hager Leitbildarbeit als identitätsstiftender Prozess bei Fusionen................................................... 121 Rolf Stellermann, Christian Fink Die Kulturdiagnose: Eine Methode, um ins Gespräch zu kommen....................................... 139 Friedrich Glasl Aktives Konfliktmanagement als Erfolgsfaktor für Fusionen............................................... 163 Jürgen Schulz, Ingo Dinger Rollenverteilung bei Fusionen - wie im antiken Theater?..................................................... 185 Sigi Kämmerer Fusionskommunikation – Schweigen zerstört Werte ............................................................ 203

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Inhaltsverzeichnis

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Teil 3: Der Faktor „Mensch“ bei Fusionen Michael Jaeger Personalabbau –persönliche Katastrophe oder fusionsbedingte Notwendigkeit? ..................225 Laurenz Andrzejewski Trennungskultur - die professionelle Gestaltung von Trennungen........................................245 Walter Hofmann Outplacement - ein sozialverträglicher Lösungsweg? ...........................................................263 Rinke Visser Fusionen als biographische Krise in Organisationen.............................................................283

Teil 4: Weitere Beispiele, Sektoren und Branchen Hubert Seiter Fusion der LVA Baden-Württemberg - Chance für mehr Kundennähe?...............................293 Thomas Föhl, Patrick S. Föhl Fusionen im Kulturbereich – Chance oder Sackgasse? .........................................................311 Reto Steiner Ursachen, Umsetzung und Erfolg von Gemeindefusionen in der Schweiz ...............339 Jens Loff Von der Vision zur Region Hannover ...................................................................................363 Matthias Kammer, Ulrike Schenk Dataport: Die Fusion der IuK-Dienstleister zweier Länder ...................................................377 Gunter Czisch Synergie durch Kooperation: Fusion der Rechenzentren Ulm und Reutlingen .....................405 Hans-Peter Züfle Fusion im Sozialbereich: Zieglersche Anstalten ...................................................................421

Anhang: Quellen, Stichworte & Autoren Literaturverzeichnis...............................................................................................................439 Stichworte .............................................................................................................................459 Autorenverzeichnis................................................................................................................467

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Teil 1 Hintergrund, Vorbereitung und Planung einer Fusion

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Stephan A. Jansen

Public Merger Management Theoretische und empirische Analysen zum Vergleich von Zusammenschlüssen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Sektor

1 Ausgangssituation: Trends des modernen Staates ........................................................ 5 1.1 Die Paradoxien des (modernen) Staates ................................................................ 5

1.1.1 Das Konstitutionsparadoxon des Staates.................................................. 6 1.1.2 Das Zielparadoxon des Staates................................................................... 6 1.1.3 Das Glokalisierungsparadoxon des Staates.............................................. 7 1.1.4 Das Veränderungsparadoxon Staates........................................................ 7 1.1.5 Das Effizienzparadoxon des Staates .......................................................... 8 1.1.6 Das Governance-Paradoxon des Staates ................................................... 8 1.1.7 Fazit: Fusionen als Antwort auf Staats-Paradoxien ............................... 11

1.2 Die Trends: Privatisierung, Private Partnering, Leasing ................................... 11 1.2.1 Ausgangspunkt: Haushaltsdefizit ........................................................... 11 1.2.2 Privatisierung ............................................................................................. 14 1.2.3 Public Private Partnerships (PPP) ............................................................ 16 1.2.4 Cross Border Leasing (CBL)...................................................................... 16 1.2.5 Interkommunale Zusammenarbeit (IKZ) ............................................... 17

2 Public Merger: Ein Versuch der Definition................................................................... 18 2.1 Begriffe, Beobachtungen und Beispiele ............................................................... 18 2.2 Motive für Public Merger – Das Primat der Politik........................................... 21

2.2.1 Die Skalenerträge-Hypothese: Economies and Diseconomies – Größe Größe vs. Flexibilität .................................................................................. 22 2.2.2 Die Synergie-Hypothese: Synergien und Kalorien................................ 23 2.2.3 Politische Motive: Unternehmerisch-symmetrische vs. politische top-down Zusammenschlüsse ................................................ 25

2.3 Prozesskette und 7 K-Modell für Public Merger ............................................... 26 2.3.1 Koordination............................................................................................... 29 2.3.2 Kultur........................................................................................................... 29 2.3.3 Kommunikation ......................................................................................... 30 2.3.4 Kernkompetenz und Know how.............................................................. 30 2.3.5 Kunden und Ko-Produzenten .................................................................. 31 2.3.6 Kernbelegschaft und Karriere .................................................................. 32 2.3.7 Kontrolle (Post Merger Audit).................................................................. 33

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Stephan A. Jansen

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Zusammenfassung: Die historisch fünfte Fusionswelle in der Privatwirtschaft ist mit dem Millennium abgeebbt. In den vergangen Jahren scheint sich hingegen eine Fusionswelle im öffent-lichen Sektor abzuzeichnen, deren Auswirkungen weder praktisch noch wissenschaft-lich in irgendeiner Weise absehbar sind. Die bisherige Forschungen über Erfolgswahr-scheinlichkeiten in der Privatwirtschaft zeigen durchgängig eine hohe Misserfolgsrate. Die Zusammenschlüsse im öffentlichen Sektor sind anders. Dieser Beitrag dient einer einführenden interdisziplinären theoretischen wie empirischen Analyse zum Vergleich der Zusammenschlüsse in Privatwirtschaft und im öffentlichen Sektor.

Zum Autor: Prof. Dr. rer. pol. Stephan A. Jansen ist seit September 2003 Gründungspräsident und Geschäftsführer der staatlich anerkannten ZEPPELIN UNIVERSITY gGmbH – Hoch-schule zwischen Wirtschaft, Kultur und Politik – sowie Inhaber des Lehrstuhls für Strategische Organisation & Finanzierung (SOFI) und Lehrbeauftragter an der Univer-sität Witten/Herdecke.

Jansen studierte nach der Ausbildung zum Bankkaufmann Wirtschaftswissenschaft an der Universität Witten/Herdecke und der Tokio Keizai University. Von 1998 bis 2003 leitete er das von ihm gegründete und finanzierte „Institute for Mergers & Acquisiti-ons (IMA)“ in Witten/Herdecke. Er ist Forschungsmitglied an der Stanford University (1999) und der Harvard Business School (2000 – 2001). Seine Forschungs- und Bera-tungsschwerpunkte sind Mergers & Acquisitions, Virtualisierung von Unternehmen und öffentlichen Institutionen sowie Organisations- und Netzwerktheorie. Zahlreiche Veröffentlichungen u.a. „Electronic Government“, „Mergers & Acquisitions“, „Oszil-lodox!“ (Wirtschaftsbuch des Jahres 2001). Chefredakteur des Fachmagazins „M&A REVIEW“ beim Fachverlag Handelsblatt.

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Public Merger Management

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1 Ausgangssituation: Trends des modernen Staates

“The urge to merge.”

Bonmot der angelsächsischen Presse

Zusammenschlüsse von Institutionen – seien es private oder öffentlichen – gelten per se als „strategisch“. Vieles spricht aber dafür, dass Zusammenschüsse weniger Ziel und vielmehr Mittel eines Strategischen Managements sind, die eher ein reaktives Moment aufweisen. Es gibt vielfach einen unmittelbaren Druck zum Zusammen-schluss – sei es der Markt oder die Politik. Für die Zusammenschlüsse in der öffentli-chen Hand ist es daher notwendig, die Verfasstheit des Staates bzw. der Politik zu analysieren, um ein validere Einschätzung über die Ursachen und Konsequenzen dieser sich abzeichnenden Fusionswelle im öffentlichen Sektor gewinnen zu können. Während in der Privatwirtschaft bereits nur bedingt ein Transfer der angelsächsischen Fusionsforschung aufgrund der unterschiedlichen Verfasstheit der Kapitalmärkte und weiterer institutioneller, rechtlicher und kultureller Eigenheiten möglich war, scheint es angesichts der spezifisch föderalen Verfassung in Deutschland bei Fusionen in der Öffentlichen Hand zwingend notwendig, eine sehr präzise Analyse des sich moderni-sierenden Staates anzulegen.

1.1 Die Paradoxien des (modernen) Staates

„Der Staat muss einfach werden. […] Die Ende 1999 eingesetzte Projektgruppe

`Bürokratieabbau´ ist aufgrund der Wichtigkeit und Dringlichkeit der Thematik zu einem eigen-

ständigen Referat des BMWA geworden.“

Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit:

Eckpunktepapier für den „Masterplan Bürokratieabbau“ vom 26.02.2003

Für den wissenschaftlichen Beobachter stellen sich seit dem frühen Beginn der schrift-lich dokumentierten Diskussion über Staatstheorien grundlegende Paradoxien in den

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Stephan A. Jansen

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Blick. Im folgenden werden sechs ausgewählte Paradoxien des Staates mit einer föde-ralen Verfassung ausgeführt, die mittelbar oder unmittelbar Konsequenzen für den Zusammenschluss im öffentlichen Sektor aufweisen. Diese Paradoxien sollen nicht mehr aber auch nicht weniger als eine Einführung in die Nicht-Trivialität des Staates verstanden werden, die als vorsichtige Erinnerung gegen einen Veränderungsopti-mismus dienen mag:1

PARADOXIENDES MODERNEN

STAATES

Konstitutions-Paradox

Veränderungs-Paradox

Governance-Paradox

Effizienz-Paradox

Globalisierungs-Paradox

Ziel-Paradox

1.1.1 Das Konstitutionsparadoxon des Staates „Dass der Souverän von der Verwaltung, der Exekutive der Politik, wiederum als Untertan und Sujet der Politik behandelt wird, erweitert den paradoxalen Zustand: ‚Der Bürger‘ taucht einerseits als Souverän, anderseits als Objekt seiner Souveränität im politischen Prozess auf und unter.“2 Der Bürger als Regierender und Regierter. Diese Spannung lässt sich kaum auflösen. Die Konsequenz ist, dass ‚die Bürger‘ in diesem für sie überkomplexen Prozess durch Absenz ihre Präsenz bekommen. Die Gruppe der Nichtwähler nimmt zu. Oder aber mit der Konsequenz, dass der Bürger sich daran zunehmend erinnert: „L`ètat est moi“. Die Beziehungsfähigkeit zwischen Objekt und Subjekt der Souveränität des Staates ist damit die wahre Herausforderung der politischen Arbeit.

1.1.2 Das Zielparadoxon des Staates

Bereits bei Aristoteles ist das „Ziel des Staates [...] das gute Leben“. Heute firmiert dies unter dem Terminus „Wohlfahrtsmaximierung“. Aristoteles selbst schränkt aber be-reits ein: „Keine von ihnen [Staatsverfassungen, Anm. SAJ] aber ist für den gemeinsa-men Nutzen da.“3 Er konstatiert damit Ungleichheiten im guten Leben. Der Staat ist

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Public Merger Management

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aber auch für die Umverteilung zuständig, so dass die Wohlfahrtsmaximierung immer auch eine Verschlechterung im guten Leben einzelner darstellt. Hier wird die Legiti-mationsressource der kollektiven Besserstellung als Invisibilisierung der individuellen Ungleichgleichheit über die Vokabel „Wohlstandsmaximierung“ geleistet. Diese Invi-sibilisierung scheint heute dekonstruiert. Heute ist das Beziehungsmanagement – sei es die immer im Verruf stehende Lobby-Arbeit, sei es die mitunter erheiternde Einbin-dung von Wissenschaftlern in Regierungskommissionen oder der hilflose Ruf nach „Electronic Democracy“ – eine zentrale Aufgabe, strategische Transparenzen und Intransparenzen hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der Ungleichheiten zu steuern.

1.1.3 Das Glokalisierungsparadoxon des Staates

Die Globalisierung führt nicht etwas zur Auflösung von Nationalstaaten, sondern zu einer Kompetenzentwicklung durch regionale Cluster-Bildung, wie der Harvard-Ökonom Michael Porter Anfang der 1990er Jahre belegte.4 Die Ebene des Wettbewerbs verschiebt sich zunehmend von nationalen territorialen Grenzen hinzu regionalen, wirtschaftlich und kulturellen Grenzen. Das Silicon Valley, die Boston Area oder - viel früher – Emilia Romagna sind bekannte Beispiele. Die Euregio-Region Bodensee ist eines der Beispiele für eine länderübergreifende Kooperation (Schweiz, Österreich und Deutschland) jenseits des Nationalstaates – aber mit vergleichsweise hohem Engage-ment der Zusammenarbeit von Kommunen, Verbänden, Wirtschaftsförderungen etc. Die Renaissance des Lokalen ist im Zeichen der Globalisierung nicht ein Reflex, son-dern eine – zumindest in Deutschland – sich selbst verstärkende Beziehungsintensität. Denn der „Wettbewerb der Systeme“ auf nationaler Ebene wie auch der Wettbewerb der regionalen Cluster führt gleichzeitig zu einer Notwendigkeit der multinationalen Beziehungsfähigkeit des Öffentlichen Sektors auf Basis der regional bzw. lokal einge-betteten und schwer imitierbaren systemischen Faktoren.

1.1.4 Das Veränderungsparadoxon Staates

„Veränderung“ in Öffentlichen Institutionen heißt bei den meisten Betriebswirten Verschlankung und Flexibilisierung. Vermutlich ist dies aber zu einfach. Wir nennen dies daher „Ent-waltung der Verwaltung für ein verlässliches Change Management“5. Entscheidend dabei ist im bürokratischen Staat – im Gegensatz zu vagabundieren Unternehmen – die Verlässlichkeit. Der Staat muss für das Vertrauen der Bürger in vielen Dingen gerade resistent gegen Veränderungen bleiben und scheint sich damit - aus der Sicht des Bürgers – genau gegen den Bürger zu stellen. Bürokratien und Beam-tentum sind keine zufälligen Erfindungen, sondern Erfindungen der Gesellschaft im Hinblick auf einen Bedarf an Verlässlichkeit, Sicherheit und Korruptionsvermeidung.

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Change Management beim Staat hieß lange Zeit vor allem Slim Fast-Diät. Bürokratie-abbau und die neoliberale Hoffnung eines schlanken Staates geht am Ziel vorbei: Es geht eben nicht nur um weniger Staat, es geht vor allem auch um einen professionelle-ren Staat. Die Professionalisierung wird vor allem in der Kommunikations-, Interakti-ons- und Transaktionsanforderung der Verwaltung erwartet.

Veränderungen in der Wertschöpfungskette des Staates müssen dabei immer – was vielfach an Stammtischen vergessen wird – die speziellen Kriterien von Öffentlichen Gütern mitdenken, die den Veränderungserwartungen erwartbar entgegenstehen.6

1.1.5 Das Effizienzparadoxon des Staates

Öffentliche Institutionen sind der oftmals mehr als berechtigten Zumutung von Bür-gern und Unternehmen ausgesetzt, eine steigende Dienstleistungsqualität bei gleich-zeitig deutlichen Kosteneinsparungen zu erreichen. Der Staat steht aufgrund der Un-terstellung der Ineffizienz in der Herausforderung zu bestimmen, welche Zielstellun-gen überhaupt vom Bürger gewollt sind. Das ist ähnlich komplex wie die Gewinnmaximierung von Unternehmen Kunden zu verkaufen, die aber wenigstens noch Aktionäre werden könnten. Das sind Bürger durch Zwangsmitgliedschaft. Daher wird nun munter über die Restrukturierung der Wertschöpfungskette gestritten und der Wechsel vom Dienstleistungs- bzw. Erfüllungsstaat zum Gewährleistungsstaat proklamiert, ohne genau zu wissen, was das heißt.7 Somit wird nun um Outsourcing, Franchising, Privatisierung, Re-Verstaatlichung, Public Private-Partnerships etc. ge-rungen, um das Fenster der Neuaufteilung der Wertschöpfung für privatisierbare Öffentliche Güter weiter aufzustoßen. Damit handelt es sich „um Formen der arbeits-teiligen und kooperativen Aufgabenerledigung [...] mit denen die Verwaltung ihre eigene Rolle im Prozess der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gleichzeitig neu definiert“.8 Damit wird die Beziehungsfähigkeit innerhalb der Wertschöpfungskette (inter- und extraorganisationale Beziehungen) mit den Schnittstellen „Verwaltung | Verwaltung“, „Verwaltung | Privatwirtschaft“ und „Verwaltung | Bürger“ politisch wie marktlich neu zu justieren versucht.

1.1.6 Das Governance-Paradoxon des Staates

Diese Paradoxie der Verfassung ist die gewichtigste und letztlich die älteste in der wissenschaftlichen Diskussion. Ohne eine historische Rekonstruktion der Verfas-sungsgeschichte leisten zu wollen, soll hier vor allem an Aristoteles erinnert werden, der in Politika drei Staatsverfassungen unterschied: Die Königsherrschaft mit der Au-ßenseite der Tyrannis als Nutzen des Alleinherrschers, der Aristokratie mit der Außen-seite der Oligarchie als Nutzen der Wohlhabenden und der Politie mit der Außenseite der Demokratie als Nutzen der Mittellosen. Wesentlicher als seine Differenzierung ist

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die Einheit der Differenz: Keine ist vollendet und allein für die Staatsverfassung brauchbar.9 Hegel nimmt diese aristotelische Figur in seiner Staatsanalyse als „Wirk-lichkeit der sittlichen Idee“ auf: „Von diesem Standpunkt [den der Verfassungsformen, Anm. SAJ] ausgehend, kann man kaum die müßige Frage aufwerfen, welche Form [...] die bessere sei. Man kann nur sagen, die Formen aller Staatsverfassungen sind einsei-tige, die das Prinzip der freien Subjektivität nicht in sich zu ertragen vermögen und einer ausgebildeten Vernunft nicht zu entsprechen wissen.“10

Aristoteles und Hegel haben vergleichsweise früh auf eine mögliche Verwechslung der Modernisierung hingewiesen: Den unerreichbaren Wunsch eine einzige und eine stabile Verfassung zu schaffen! Verfassungen müssen nach diesen beiden Staatsden-kern vielmehr die Unmöglichkeit einer einzigen Verfassung akzeptieren und eine dialektische Wechselfähigkeit von Verfassungen im Hinblick auf die Zielstellung und den gesellschaftliche Entwicklung möglich machen. Wie aber kann eine Verfassung konkret aussehen in einer modernen, d.h. ausdifferenzierten Gesellschaft? Alteuropäi-sche Einheitsideen der Gesellschaft wurden im Zuge der Ausdifferenzierung in den letzten Jahrhunderten in einigen Ländern durch den Föderalismus versucht, handhab-bar zu machen. Der Föderalismus hat in Deutschland durchaus eine Tradition seit dem Deutschen Bund 1815, dem Deutschen Reich 1871 und der Weimarer Republik 1919. Im Nachkriegsdeutschland war der Föderalismus 1949 hingegen vielmehr eine Erfin-dung seitens der Alliierten und eine bewusste Zumutung insbesondere der zentralis-tisch agierenden Franzosen. Der Föderalismus arbeitet in der Unterscheidung „Zentra-lisierung | Dezentralisierung“ und damit an der Unterscheidung Bund, Länder und Kommune. Damit ist eine komplexe Steuerungsform gefunden, die eine Nachhaltig-keit sowohl in ihrer Lösungs- als auch Problemstruktur aufweist. Der Föderalismus steht auch im Jahr 2004 wieder einmal zur Disposition: Die Forderungen der Reform des Föderalismus kommen aus allen Richtungen der Gesellschaft beginnend von den Verbänden aller Colour, den Medien, der Opposition und nun auch aus dem Bundes-Justizministerium. Die Forderungen sind einschneidend, denn es geht um nichts ande-res als die Generalinspektion des von Carlo Schmid so bezeichneten „Provisorium Grundgesetz“ – knapp 15 Jahre nach dem es der (Mauer-)Fall gewesen sein müßte.

Die Kritiken führen zu folgenden Forderungen: (1) Neuer Geschäftsverteilungsplan von Bund und Ländern: „Entkeilung“ der Gewalten, d.h. die von dem französischen Staatsdenker Montesquieu zur Grundlage einer frei-heitlichen Staatsführung erklärte geschickte Ausbalancierung und Teilung von Regie-rung, Gesetzgebung und Rechtssprechung. Konkret: Abschaffung des Bundesrates. Insbesondere die so genannte „konkurrierende Gesetzgebung“ ist der Dienstbotenein-gang des öffentlichen Verschiebebahnhofs. Davon betroffen wären vor allem die Arti-kel 30, 31, 70 und 84 GG, die eine Umdrehung der jetzigen Logik von unten nach oben bedeuten würde, mit der Konsequenz: Landesrecht bricht Bundesrecht!

(2) Länderfinanzausgleich: Aus Bayern, Baden-Württemberg und Hessen kennen wir die Diskussion. In der Ära Adenauer (1953 – 1957) über den Artikel 107 nachträglich ein-

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geführt werden die Probleme immer deutlicher: 1). Keine Vorteile für die Zahlerländer und 2). keine Nachteile der Empfängerländer. Vorschlag der Entflechtungskommission der Bertelsmann-Stiftung: Reduzierung des Ausgleichs auf eine Notfallkasse, bei der nur die Hälfte dessen, was zum Länderdurchschnitt fehlt, aufgefüllt werden soll.

(3) Konnexität von Gesetzgebungskompetenz und pekuniärer Verantwortung: Die derzeitige Trennung der Gesetzgebungszuständigkeit von der pekuniären Verantwortung wird z.B. von Speyerer Finanzwissenschaftlern als einer der entscheidenden Konstruktions-fehler des Grundgesetzes gesehen. In der Tat: Rund 70 Prozent der staatlichen Steuer-einnahmen sind mittlerweile Verbundsteuern (z.B. Einkommens- und Umsatzsteuer). Sowohl die Selbstverantwortung der Einnahmen wie auch eine Hoheit über die Aus-gaben werden für Bund wie die Länder als wesentliches Reformziel gesehen.

(4) Zurückführung der Parteienmacht: Im Artikel 21 wird formuliert: „Die Parteien wir-ken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“ Die Praxis des Grundgesetzes sieht vollständig anders aus. Die Parteien haben sich – verfassungsinkonform – zum mächtigsten Spieler aufgeschwungen. 80 Prozent der Bürger sehen in einer Umfrage von 356.000 Befragten im Winter letzten Jahres durch McKinsey, Stern, ZDF und t-online dringenden Verbesserungsbedarf bei Parteien. Parteien belegen damit den ers-ten Platz der Reformbedarfe – vor der Rentenversicherung, den Arbeitsämtern und der gesetzlichen Krankenkasse. Welche Alternativen gab es: Den Verbändestaat, der vom Präsident des Bundesverfassungsgerichtes als „neo-korporatistische verbands-staatliche Gefahr der Politik“ bezeichnet? Eine direkte Demokratie, die von vielen als Stimmungsdemokratie kritisiert wird? Die derzeitig aufkommenden Alternativen sind nicht-parteiliche Vereinigungen wie das BürgerKonvent (Miegel), Initiative D21, Initia-tive Neue Soziale Marktwirtschaft, etc. Die Skepsis ist trotz großer finanzieller Bemü-hungen nicht gewichen. Alternativen scheinen nicht im Blick, wenngleich die Partei-enarbeit im politischen Spiel „Konsens durch oppositionellen Dissens“ ihre Währerst-immenmaximierung gehörig blockiert: Waren es noch 1995 88.500 Prozesse, die einen Gesetzesvorbehalt auslösten, lagen 2000 bereits 150.000 Prozesse bei den Verwaltungs-gerichten. Von Anfang 2002 bis Mitte 2003 waren es 250.000 unerledigte Verfahren – mit einem Investitionsvolumen von 5,5 Mrd. Euro.11 Da braucht es kein keynesianisti-sches deficit spending mehr... Das Geld ist schon da, nur das Gesetz noch nicht!

(5) Länderfusionen: Theo Waigel wusste es schon 1990. Bundesjustizministerin Zypries nun auch: Die Zusammenlegung von Bundesländern will der Bund. Neun Großregio-nen stehen nun zur Diskussion.

Der Föderalismus wird in den kommenden Jahren die beherrschende politische Aus-einandersetzung über Politik sein. Es geht um die derzeitigen Alternativen von Koope-rations- und Wettbewerbsföderalimus oder doch – wie die Spieltheorie den Betriebs-wirten vorschlugen – um Coopetition, also der Gleichzeitigkeit von Kooperation und Wettbewerb und damit um nichts anderes als eine neues Justieren von Kommunikati-onen zwischen Bund, Länder und Kommunen. Es könnte die Geburt eines Verantwor-tungs-Föderalismus sein; ein Föderalismus der die Stärken der Dezentralisierung

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nutzt und die Verantwortung zur Zusammenarbeit durch lose virtuelle oder formal-rechtliche Integration ernst nimmt.

1.1.7 Fazit: Fusionen als Antwort auf Staats-Paradoxien

Zusammenfassend muss konstatiert werden, dass das Globalisierungsparadoxon mit ihren Cluster-Effekten, das Veränderungsparadox mit der verlässlich-unveränderlichen Professionalisierung, das Effizienzparadoxon der Kostensenkung bei gesteigerter Dienst-leistungsqualität und dem konsequenteren Blick auf die Wertschöpfungskette von Public Goods sowie das Governance-Paradoxon eines neuen Verantwortungs-Föderalismus mit der inhärenten Verpflichtung zur Zusammenarbeit eine Ahnung entstehen lässt, wie der politische und wirtschaftliche Druck für öffentliche Institutio-nen sowie deren Entscheider für eine Staats-Modernisierung jedweder Art sich dar-stellt. Im Abschnitt 1.2 werden die verschiedene Optionen dieser Staats-Modernisierung skizziert, denen eines gemein ist: Die Notwendigkeit der Entwicklung einer neuen Beziehungsfähigkeit. Es sind Formen der interkommunalen sowie der inter-organisationalen Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Institutionen und zwi-schen öffentlichen und privaten Institutionen.

1.2 Die Trends: Privatisierung, Private Partnering, Leasing

1.2.1 Ausgangspunkt: Haushaltsdefizit Es ist die Zeit der Insolvenzrekorde. Einer müsste nahezu jedes Jahr einen Insolvenz-antrag stellen, wenn er ein Unternehmen wäre: Vater Staat. Mitte 2004 betrug die Staatsverschuldung 1,36 Billionen Euro – ohne Pensionen! Während Mitte 2003 noch ca. 1.669 Euro sekündlich hinzukamen, waren es im Jahr 2004 bereits 2.186 Euro. Die Verschuldung pro Kopf – von denen es in den nächsten Jahren demographisch bedingt immer weniger gibt – betrug Mitte 2004 durchschnittlich 16.411 Euro.12 Und dies bei einer Staatsquote von knapp 50 Prozent am Bruttoinlandsprodukt.13

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12

250

500

750

1000

1250

1500

1750

1969 1973 1977 1981 1985 1989 1993 1997 1998

233

386

583

766

875

1019

1599

1776 1803

39,1 42,1 48,7 49,9 48,0 45,8 50,6 49,0 48,0

Staatsausgaben in Mrd. DM(bis 1989 nur Westdeutschland)

Staatsausgaben in Prozent des Bruttoinlandsprodukt (Staatsquote)

Bei den Schuldentreibern können unstetig der Bund und stetig die Länder identifiziert werden. Die Kommunen hingegen hatten in den vergangenen Jahren eher eine Redu-zierung ihrer Haushalte hinnehmen müssen. Die Entwicklung der Gesamtentschul-dung nach Schuldnern ist der folgenden Abbildung zu entnehmen:14

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13

712 1080 1165 899 954

291

202198

516 500461

503547

586 616644

181

188191

188187

170

1387

118

1994 1995 1996 1997 1998 1999

Gemeinden

Länder

Sondervermögen (Bund)

Bund

1.645

1.9732.101

2.1892.257

2.3192500

2000

1500

1000

500

Mrd. DM

Das letzte Beispiel der Modernisierungsdiskussion ist der 1980er und 1990er-Klassikers des „Lean Managements“. Das Ziel eines „Lean State“ kommt immer wie-der. Die gesamte Wertschöpfungskette des Staates zur Produktion und Finanzierung der öffentlichen und meritorischen Güter steht zur Diskussion. Insbesondere die hohe Staatsquote und die durch den Maastricht-Vertrag scheinbar limitierte Neuverschul-dung lassen diese – in der Privatwirtschaft bereits gescheiterte – Phantasie immer wieder neu aufkeimen. Im Nachgang zu Walter Eucken wird diese Hoffnung immer wieder nicht nur von Ordoliberalen genährt.15 Wie die folgende Abbildung der histo-rischen und aktuellen Entwicklungen zeigt: zu Unrecht!16 Die Staatsquote wäre bei einer verkürzten Betrachtung negativ mit dem Wirtschaftswachstum korreliert.

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14

Als Strategien gegen die Haushaltsverschuldung haben sich u.a. die Privatisierung der öffentlichen Wertschöpfungskette, Public Private Partnerships und als neueste Spielart das Cross Border Leasing empfohlen. Weiterhin lassen sich als Konsequenz des Födera-lismus formal-rechtliche und virtuelle Formen der Zusammenarbeit unterscheiden. Im weiten Sinne sind dies Unterformen von Public Mergern, wie wir sie im Abschnitt 2 definieren werden.

1.2.2 Privatisierung „Der Staat kauft nur noch die Dienstleistung

,geklärtes Wasser‘ oder ,beleuchtete Straßen‘ ein. Wozu braucht eine Kommune auch ein

eigenes Klärwerk – oder gar eine Abteilung, die Glühbirnen in die Straßenlaternen dreht?

Diese Dinge müssen nur funktionieren!“

PriceWaterhouseCoopers, Edinburgh, 2001

„Die aktuelle Bundesregierung hat sich in der Koalitionsvereinbarung „Aufbruch und Erneuerung - Deutschlands Weg ins 21. Jahrhundert“ das Leitbild des aktivierenden Staates gegeben. Bundesregierung hat damit auch ihre Privatisierungspolitik in einen umfassenden Zusammenhang gestellt, der Staatsmodernisierung im Ganzen meint.“17

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Bei den Privatisierungserlösen macht sich dieser Strategiewechsel bemerkbar, wenn-gleich die Zahlen hinter der eigenen Planung18 deutlich zurückbleiben: 19

Dennoch zeigt sich in einer zusammenfassenden Analyse des Berliner Staats- und Verwaltungswissenschaftler Gunnar Folke Schuppert20, dass von einer Überschätzung der Aufgabenprivatisierung auszugehen ist, da sich die Bemühungen der materiellen Privatisierung (Verkäufe bzw. Börsenplatzierung) noch immer im überschaubaren Rahmen halten und die formellen Privatisierungen (Ausgründungen) lediglich kosme-tische Änderungen der organisationalen Designs zur Image-Verbesserung sind und zumeist mehr denn weniger Bürokratie auslösen. Auch wenn dem grundsätzlich zu-zustimmen ist, wird insbesondere durch die Privatisierung und Liberalisierung der 145 Mitglieder der Welthandelsorganisation WTO im Rahmen des General Agreement on Trade in Services, kurz: GATS, eine Dynamisierung erwarten lassen.

Dienstleistungen sind mit einem weltweiten Jahresumsatz von 1,34 Billionen Dollar in den OECD-Ländern für 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und 2/3 aller Beschäf-tigten verantwortlich. Allein Europa exportiert jährlich Dienstleistungen im Wert von 300 Milliarden Dollar; die Reinigung von Abwasser, den Verkauf von Versicherungen oder den Betrieb von Telefonnetzen. Würden Zölle und nationale Auflagen abgebaut, könnten laut einer OECD-Studie jährlich Wohlfahrtsgewinne von 130 Milliarden Dol-lar entstehen.21 Eine Reihe von Liberalisierungswünschen der Nationen zum 1.1.2005 betreffen zumeist öffentliche Dienstleistungen. Die staatliche Daseinsvorsorge steht zur Disposition, meinen Kritiker wie Attac. Dennoch muss festgehalten werden, dass zwar das Trinkwasser zur Diskussion steht, aber die empfindlichsten Bereiche Bil-dung, Gesundheit und audiovisuelle Dienstleistungen ausgeklammert werden. Die Diskussion über die Optimierung der öffentlichen Wertschöpfungskette wird nicht mehr länger in der eigenen Werkshalle geführt, sondern auf internationalen Konferen-zen in nicht minder undurchsichtigen Handelsrunden (wie z.B. Nahrung). Wir dürfen

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noch auf einige Verwechslungen von Prozesseffizienz mit Daseinsvorsorge gespannt sein – gerade in Deutschland.

1.2.3 Public Private Partnerships (PPP)

PPP sind zumeist gesellschaftsvertraglich definierte Kooperationen der Öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft bei der Planung, Erstellung, Finanzierung und dem Betrieb bislang öffentlich erbrachter Leistungen. Im Unterschied zur Privatisierung behält die Öffentliche Hand hier die Eigentumsrechte an den Vermögenswerten, wechselt also lediglich von Rolle des Produzenten in die des Konsumenten. In Deutschland spielt dieses Instrument noch immer eine untergeordnete Rolle (es sind noch immer keine validen Zahlen ermittelbar), während im Vorreiterland Großbritan-nien mittlerweile über 450 PPPs in einem Gesamtvolumen von über 30 Mrd. Euro aktiviert wurden, die 20 Prozent der britischen Nettoinvestitionen ausmachen.22 In Deutschland sind diese Formen vor allem im Bau- und Verteidigungssektor und zu-nehmend im Bereich der Informationstechnologie zu finden. Ein deutsches PPP-Recht hingegen nicht. Nun mehren sich gerade die Unzufriedenheiten in Großbritannien, da sich die Krankenhäuser bisher kaum erfolgreich privatisieren ließen und bei entspre-chenden Insolvenzen wie die British Energy mit Milliardenunterstützungen gerettet werden musste. Das Risiko lässt sich politisch und letztlich auch finanziell nicht out-sourcen – und genau dies war einer der politischen Beweggründe.

1.2.4 Cross Border Leasing (CBL) Das neueste Spiel der Privatisierung ist eines der Globalisierung. Das Prinzip des „Lease in – Lease out (LiLo)“ funktioniert über die Staatsgrenzen: verleasen und zu-rückmieten. 150 Straßenbahnen, Kliniken, Messehallen, Müllverbrennungsanlagen, Wasserwerke, Kongreßzentren und Abwässerkanäle im geschätzten Wert von 36 Mrd. Euro haben deutsche Kommunen nach Angaben des Innenministeriums NRW bereits 2003 in die USA verleast.23 Verleasen des Kanalnetzes für 99 Jahre für 500 Millionen Euro. Gleichzeitig least die Stadt für 30 Jahre die Anlage zurück und kauft am Ende dieser Laufzeit alle Recht zurück. Sie zahlt praktisch nur 480 Mio. Euro und macht einen Gewinn von 20 Mio. Euro. Dieser Gewinn der deutschen Kommune ist der Bar-wertvorteil einer Regelung der steuermindernden Abschreibung dieser Investitionen nach dem US-amerikanischen Steuerrecht.

Hier bestehen eine Vielzahl von Probleme wie der Kapazitätsschätzungen bei Lang-zeitleasing-Verträgen (z.B. wie lange wird die Technologie der Müllverbrennungsan-lage noch eingesetzt), dem Gerichtsstand USA bei hoher Komplexität der auf englisch verfassten Verträge und der wiederholten Ankündigung der Schließung der Steuer-Schlupflöcher durch die US-Steuerbehörde IRS. Zudem ist bei der Operation haus-

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haltsrechtlich fraglich, inwieweit die Verwendung der Einsparung möglicherweise nur für die geleaste Leistung selbst verwendet werden darf.

1.2.5 Interkommunale Zusammenarbeit (IKZ)

Hinsichtlich der faktischen Reaktion auf die zumeist noch im politischen Raum verbleibenden Föderalismus-Debatte lassen sich zwei Trends auf kommunaler Ebene erkennen, die spezifischer Beziehungsfähigkeiten bedürfen: Regionale Fusionen und interkommunales Electronic Government:24

Reale Konsequenzen des Föde-ralismus auf kommunaler Ebene

- Trend zu Groß-Regionen z.B. „Region Hannover“(20 Städte, Gemeinden in 2001), „Wirtschaftsregion Passau“„Region CottbusSpreeNeiße“

- Gemeindefusionen z.B. Fehmarn (2003) oder Sylt (in Vorbereitung)

- Fusionen von kommunalen Rechenzentren (z.B. dataport HH), Stadtwerken, Eigenbetrieben etc.

Virtuelle Konsequenzen des Föde-ralismus auf kommunaler Ebene

Langsamer Trend zu Virtuellen Metropolen

- Digitales Ruhrgebiet | d-nrw

- Digitaler Nordstaat (Idee)

- „Metropolregion Hamburg“(mit Schleswig-Holstein und Nieder-sachsen Machbarkeitsstudie)

- Baynet (Siemens, SAP ohne kommunale Einbindung)

Einige erste Beispiele dieser Interkommunalen Zusammenarbeit: (1) Das von der Pro-jekt Ruhr GmbH initiierte „digitale Ruhrgebiet | d-nrw.de“ versucht durch die verein-barte interkommunale Kooperation von über 50 Kommunen und zahlreichen Unter-nehmen für 6 Millionen Bürger, eine virtuelle „Metropole Ruhrgebiet“ in den nächsten vier Jahre aufzubauen. (2) Die Fusion von Kommunen, Kreisen und Regionen der „Region Hannover“ aus dem Jahr 2001 war der erste Zusammenschluß in Europa dieser Art. (3) Fusionen von interkommunalen Rechenzentren, von Stadtwerken und anderen Eigenbetrieben sind nur einige Beispiele dieses Transaktionstypus, die auch die städtischen Infrastrukturen nachhaltig verändern werden. (4) Die zweitgrößte Stadt Schleswig-Holsteins nach Lübeck heißt seit dem 1. Januar 2003 Fehmarn – nach der freiwilligen Gemeindefusion. Auch in der Schweiz – mit durchschnittlich 2.501 Einwohner pro Gemeinde (Deutschland: 5.931 und Österreich: 3.437) – wird nun ver-stärkt in die interkommunale Zusammenarbeit investiert: So haben 63 Prozent aller Gemeinden in den vergangenen fünf Jahren entsprechende Projekte begonnen. Acht Prozent aller Gemeinden haben konkrete Fusionspläne – 200 sind bereits in den ver-gangenen 15 Jahren verschwunden.25

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2 Public Merger: Ein Versuch der Definition

2.1 Begriffe, Beobachtungen und Beispiele

Interessanterweise war es zu Beginn der privatwirtschaftlichen Diskussion kein ge-meinsames Verständnis des Begriffes bzw. des Konzeptes von Mergers & Acquisitions (M&A) verfügbar. Nochmals verschärfter stellt sich die Situation im Bereich der öffent-lichen Unternehmen dar.

Die Unterscheidung zwischen Merger (Fusion) und Acquisition (Übernahme, Erwerb, Kauf als 100-prozentiger Erwerb der Anteile) wird nicht einheitlich verwendet. Bei der Privatwirtschaft liegt die Ursache in der fehlenden Definition des Unternehmens-begriffes im deutschen Recht. Die Anlehnung des Begriffes „Public Merger“ ist von daher eher als ein verkürzter Gattungsbegriff zu verstehen, da die Definition von „Public Institutions“, d.h. öffentlichen Institutionen noch weitaus unpräziser ist. Häu-fig wird ein Unterscheidungskriterium bezüglich der rechtlichen Selbständigkeit der beteiligten Akteure vorgeschlagen. Bleibt die rechtliche Selbständigkeit bestehen, han-dele es sich nach vielfacher Einschätzung um eine Akquisition, während bei einer für die Fusion erforderlichen Neugründung beide Gesellschaften ihre Rechtspersönlich-keiten verlören. Die Differenz spielt in der Praxis häufig keine bedeutende Rolle.

In der angelsächsischen Literatur wird schon recht früh eine weite Verwendung des M&A-Begriffes gewählt. So sehen beispielsweise Copeland und Weston, dass „the traditional subject of M&A’s has been expanded to include takeovers and related is-sues of corporate restructuring, corporate control, and changes in the ownership struc-ture of firms“26.

Ist es bereits für die Privatwirtschaft die Diskussion unscharf so lassen sich bisher – wohl bedingt durch die noch nicht begonnene wissenschaftliche Forschung und die vielschichtigen betroffenen Rechtsrahmen – keinerlei Systematisierung von unter-schiedlichen Formen der Zusammenschlüsse im öffentlichen Sektor finden. Die fol-gende Darstellung ist daher als ein erster Versuch zu werten, der unvollständig ist und im Laufe der weiteren Forschung ausgearbeitet werden muss.

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Kernaktivitätendes Public Mergers & Acquisitions

Weitergehende Bereiche des Public Mergers & Acquisitions

MERGERS & ACQUISITIONSvon Öffentlichen Institutionen im Lebenszyklus

Virtuelle Kooperationen

Virtuelle Metropolen

Amtshilfe und Shared Services (z.B. Kieler Verträge)

(Übernationale) regionale Cluster

Neu- undUmgründung

Derivative Gründungen

OriginäreGründungen

Spin-Offs

Spin-Outs

Split-Offs

Public Parafiski-Partnerships

KapitalbasierteKooperationen

Public Private-Partnership

Public Public-Partnership

Liquidation

Börsengang (IPO)Equity Carve Out

Teil- oder Voll-Privatisierung

Verkauf an privateTräger

Fusionen von Eigenbetrieben

Zusammenschlüsseund -akquisitionen

VerwaltungsinterneAbteilungsfusion

Länderfusionen

Zusammenschlussvon Non Profit-Organisationen

Spin Offs

Zusammenschluss von Gebietskörper-schaften

Ad hoc-Koopera-tionen, z.B. Katas-trophenschutz

Cross BorderLeasing

Horizontale Amts-zusammenlegung

Zusammenschluss von Sektoren-auftraggebern

Diese Darstellung basiert auf einer Lebenszyklus-Logik, in der im zunehmenden Alter unterschiedliche Formen der Public Mergers & Acquisitions auftreten können.27 Die Typologie ist weniger rechtlich, sondern vielmehr als betriebswirtschaftlich angelehnt zu verstehen. Die rechtliche Unterscheidungen sind aufgrund der unterschiedliche Behandlungen der Unternehmen in privater Rechtsform und solche in öffentlicher Rechtsform, der verschiedenen Landesrechte sowie der unterschiedlichen Vorschriften z.B. für Gemeinderatsbeschlüsse noch Teilgebiete der derzeitigen Forschung und Sys-tematisierung.

Die folgende Übersicht zeigt verschiedene Typen mit ausgewählten Foki und Beispie-len:28

M&A-Typus Branchen-Fokus Beispiele (Auswahl)

Virtuelle Kooperation Virtuelle Metropole durch interkommunale Zusammenar-beit bei E-Government

Projekt „Digitales Ruhrgebiet (d-NRW)“, Digitaler Nordstaat

Public Private Partnership Infrastrukturmaßnahmen (Logistik, Telekommunikation etc.)

Toll Collect, g.e.e.b

Zusammenschluss von Gebietskörperschaften

Zusammenschluss von kreis-freien Städten, Landkreisen und Kommunalverbänden zu Regionen

Hannover, Fehmarn, Sylt (in Diskussion) und Mecklenburg-Vorpommern (in Planung)

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M&A-Typus Branchen-Fokus Beispiele (Auswahl)

Zusammenschlüsse im Gesundheitssektor

Krankenhäuser, Kliniken, karitative Einrichtungen

Universitätskliniken: Charité, Benjamin-Franklin, Virchow. Zieglersche Anstalten, Konfessionelle Krankenhäuser in Köln

Zusammenschluss von Eigenbetrieben und Sektorenauftraggebern im Bereich Netz-Infrastruktur

Öffentlicher Personal- und Nahverkehr, Ver- und Entsor-ger, Rechenzentren etc.

Stadtwerke Ulm, dataport HH (Hamburg)

Zusammenschluss von Sozialversicherungsträgern bzw. Krankenkassen

Landesversicherungsanstalten, Allgemeine Ortskrankenkassen

LVA Baden und Württemberg, AOK Bayern

Zusammenschluss von wissenschaftlichen Institutio-nen

Forschungseinrichtungen und Universitäten bzw. Fakultäten

Fraunhofer Gesellschaft und GMD Darm-stadt Universität Essen und Duisburg, Fakultätszusammenlegungen in Bayern und Baden-Württemberg, FH und Uni Lüneburg

Zusammenschluss von Kulturinstitutionen

Opern, Theater, Museen etc. Berliner Opern (Bühnenservice); Neue Philharmonie Westfalen, Vereinigte Städti-sche Bühnen Krefeld und Mönchengladbach, Deutsche Oper am Rhein,

Stiftung Weimarer Klassik (SWK) mit Kunst-sammlungen zu Weimar (KuSa), Berlin Museum

mit dem Märkischen Museum

Zusammenschlüsse von öffentlich-rechtlichen Finanz-instituten

Sparkassen, Versicherungen, Landesbanken

Sparkasse KölnBonn, Sparkasse Bodensee, Sparkassen Versicherungen BW und Hes-sen-Nassau-Thüringen

Zusammenschlüsse von Non-Profit-Organisationen

Gewerkschaften Ver.di

Börsengang, Equity Carve Out

Betriebe mit Leistungsspektrum im Bereich der Daseinsvorsor-ge

Deutsche Telekom AG, Deutsche Bahn AG, Deutsche Post AG

Die Prognosen für die weitere Fusionstätigkeit sind einhellig: Das Verschmelzen ge-meinsamer Funktionsbereiche oder auch ganzer Einrichtungen der öffentlichen Hand wird in den nächsten Jahren erheblich zunehmen. So wird beispielsweise im Öffentli-chen Personen- und Nahverkehr (ÖPNV) bis 2010 eine Welle von Allianzen und Fusi-onen erwartet – von jetzt 400 Unternehmen auf dann 10.29 Auch im freigemeinnützi-gen und konfessionellen Gesundheits- und Sozialbereich sind zahlreiche Zusammen-

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schlüsse zu erwarten. So wird prognostiziert, dass sich die derzeit zirka 2 000 Kran-kenhäusern in Deutschland mit mehr als 1 000 Trägerorganisationen auf 1 500 bis 1 700 Krankenhäuser mit wenigen Hundert von Trägerorganisationen konsolidieren wer-den.30 Ähnliche Konsolidierungen werden beispielsweise für die gesetzlichen Kran-kenversicherungen, für die Kulturinstitutionen oder für die Sparkassen und Landes-banken politisch verstärkt diskutiert.

2.2 Motive für Public Merger – Das Primat der Politik

Warum kommt es eigentlich zu Zusammenschlüssen? Das ist eine Frage nach den Motiven und Zielen und damit letztlich eine nach der Erfolgseinschätzung. Die Motiv- und Zielforschung wird im Bereich M&A zunehmend durchgeführt. Die folgende Übersicht zeigt vier Motivkategorien für Zusammenschlüsse:31

SpekulativeMotive

Management Motive

Reale Motive

Die Monopol- bzw. Oligopol-Hypothese

Die Skalenerträge-Hypothese

Die Portfolio-Hypothese

Die Steuer-Hypothese

Die Synergie-Hypo-these (Kosten, Wachstum, Zeit)

Die (Wettbewerbs-) Strategie-Hypothese

Die Market Myopia-Hypothese

Die Economic Disturbance-Hypothese

Die Bargain-Hypothese

Die Raiding-Hypothese

Die Exit-Hypothese(Demerging, Divestiture, Equity Carve Out)

Die Hybris-Hypothese

Die Managerial Myopia-Hypothese

Die Free-Cash-Flow-Hypothese

Die Absicherungs-Hypothese

Die M&A-Kompetenz-Hypothese

Die Prestige-Hypothese

Die Unabhängigkeits-Hypothese

Die Change Manage-ment-Hypothese

Politische Motive

Die Verwaltungs-modernisierungs-Hypothese

Die Haushalts-Hypothese

Die Wahlkampf-Hypothese

Die Nationen-Wettbewerbs-Hypothese

Die Markt-Wettbe-werbs-Hypothese

Die Deregulierungs-Hypothese

Die Motivkategorien haben bei Zusammenschlüssen in der Privatwirtschaft und im Öffentlichen Sektor unterschiedliche Gewichtungen. Während in der Privatwirtschaft politische Motive nur bedingt eine Rolle spielen – zumindest auf der Ebene der Ent-scheider – sind bei Zusammenschlüssen von öffentlichen Institutionen in der Regel keine spekulativen Motive zu finden. Ohne auf die einzelnen Motivkategorien an dieser Stelle einzeln einzugehen,32 stehen hier lediglich kurze Hinweise zu den wich-tigsten Hypothesen mit Fokus auf den politischen Motivbereich:

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Stephan A. Jansen

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2.2.1 Die Skalenerträge-Hypothese: Economies and Diseconomies – Größe vs. Flexibilität

Die seit den 1960er Jahren verstärkt diskutierten Konzepte der economies of scale and scope zielen auf die Beziehung zwischen Größenordnung der Produktion bzw. Hetero-genität der Produktionsprogramme und der Wirtschaftlichkeit ab. Bei wachsender Betriebs- und Unternehmensgröße entstehen demgemäß Möglichkeiten der Kostende-gression in den Bereichen Beschaffung, Fertigung, Absatz, Organisation, F&E etc. Kosten werden hierbei als Stückkosten verstanden. Insbesondere bei einer partiellen Faktorvariation, also beim Vorliegen von Fixkosten, stellt sich die erwünschte Stück-kostendegression ein. Je höher die Ausbringungsmenge pro Periode bei konstantem Fixkostenblock und einer linear homogenen Produktionsfunktion, desto geringer sind die Kosten je Einheit. Auch in anderen Unternehmensbereichen als in der Produktion (insbesondere im Bereich der F&E und des Marketings) können sogenannte multiplant economies of scale erzielt werden.33 Hierbei erscheint jedoch Skepsis angebracht zu sein, da beispielsweise im Bereich des Marketings bei einem einheitlichen Auftritt erhebli-che Investitionen in die Kommunikation (z.B. Werbung, Verpackung, aber auch das Corporate Design) getätigt werden müssen und mit einem deutlich gestiegenen orga-nisatorischen Post Merger-Aufwand Gegenpositionen zu den größenbedingten Ein-sparungseffekten entstehen können. Auch in der Literatur ist die praktische Realisie-rung von produktionsfernen economies of scale umstritten.34 Transaktionskostentheore-tische Analysen sehen vielmehr, dass Unternehmenszusammenschlüsse die vermeintlichen Vorteile der economies of scale mit diseconomies of bureaucracy mitunter überbezahlen.35 Inflexibilität wird zum Gegenspieler der organisationalen Größe und lassen die ewig dauernde Diskussion um die optimale Betriebsgröße nicht sterben.36 Die Verwaltung der Größenvorteile ist in einigen Branchen kostenintensiver als die größenbedingten Einsparungen.37

Das Konzept der economies of scope hingegen versucht, Kostenvorteile der Unterneh-mensgröße bei heterogenen Produktprogrammen zu begründen. Die Beziehung in diesem Konzept liegt also zwischen Produktvielfalt und Wirtschaftlichkeit. Die Kosten der gemeinsamen Produktion eines diversifizierten Produktionsprogramms wären demnach geringer als die Kosten mehrerer getrennter, einzelner Produktionen. Mög-lichkeiten der Ausnutzung liegen dementsprechend bei Mehr-Produkt-Unternehmen vor, bei denen gleiche Faktoren in unterschiedlichen Produktbereichen bzw. Produkti-onsprozessen genutzt werden können, ohne in gleichem Maße zusätzliche Kosten zu verursachen. Aktuelle Beispiele lassen sich etwa mit der Modularbauweise oder den sogenannten „Plattformstrategien“ der Automobilhersteller anführen, die die Nutzung von gleichen Bauteilen in unterschiedlichen Fahrzeugtypen ermöglichen. Weiterhin kann hier das Allfinanzkonzept als Konvergenz von Bank- und Versicherungsleistun-gen oder die gemeinsame Nutzung von Stabsabteilungen genannt werden.

Unabhängig davon, ob die Skalenerträge tatsächliche Nettoeffekte aufweisen, wird deutlich, dass bei diesen Motiven für Unternehmenszusammenschlüsse aufgrund der

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operativen Integration deutliche Anforderungen an das Post Merger Management bestehen. Insbesondere die Sensibilisierung auf das Kalkül von economies und diseco-nomies wird entscheidend. Die Anforderungen an die Integration bzw. Harmonisie-rung von Prozessen wird dabei wesentlich.

2.2.2 Die Synergie-Hypothese: Synergien und Kalorien

Synergie ist nunmehr zu einer von Managern selbst belächelten gleichwohl ungebro-chen prominenten Legitimationsressource für Transaktionen in der Praxis. Theoretisch hingegen ist sie komplexer und sei anhand seines naturwissenschaftlichen Ursprungs eingeführt, der in griechischer Bedeutung das „Zusammenwirken“ von Substanzen mit überadditivem Resultat beschreibt, welches keiner der beiden Substanzen allein zugerechnet werden kann. Insbesondere Edith Penrose und Igor H. Ansoff haben den Begriff der Synergie als Verbundwirkung durch das Zusammenwirken der einzelnen Geschäftsbereiche in den 1960er Jahren in die (deutsche) Wirtschaftswissenschaft ein-geführt.38 Ähnlich sehen Jensen und Ruback in Bezug auf die Akquisition, dass „some of the gains are also likely to result from [...] synergies in combining independent organizations“39. Das Synergiekonzept besteht nach ihrer Einschätzung in der „poten-tial reduction in production or distribution costs“, die durch den Zusammenschluß realisiert werden können.40

Die Synergie-Hypothese operiert im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen als allgemeinste Erklärung, im Detail aber inhaltlich unterschiedlich: So wird die Syn-ergie bei der Monopol-Hypothese als „collusive synergies“, also durch Machtausübung reformulierbar, bei den Theorien der economies of scale and scope im Hinblick auf grö-ßen- bzw. produktionsumfangbedingte Degression der Produktions- und Vertriebs-kosten interpretierbar. Weiterhin wird der Synergieeffekt bei einer Akquisition im Rahmen der Portfoliotheorie in der Risikominimierung und der Verstetigung der Er-tragssituation sowie in einer stabileren Innenfinanzierung gesehen werden. Synergien lassen sich grundsätzlich hinsichtlich der Funktionsbereiche, hinsichtlich der wertket-tenorientierten Strategie sowie hinsichtlich der Spezifität für den potentiellen Erwerber unterscheiden:41

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Funktionale Orientierung Wertkettenorientierung Spezifität

Allgemeine Synergietypen Kostensynergien

(economies of scale and scope) Wachstumssynergien Finanz- und Steuersynergien Zeitsynergien (economies of

speed)

Synergie durch totale Addition: Identische Wertschöpfungsketten von Käufer und Verkäufer. Hier ist ein aktives Synergiemanagement unerläßlich. ( Gleichartigkeit)

Universelle Synergien: Von jedem Erwerber erzielbare Syner-gien, die vor allem im Verwal-tungsbereich des Unternehmens und anderen einer synergetischen Nutzung leicht zugänglichen Bereiche bzw. Systeme liegen.

Spezifisch funktionale Synergien Administration Beschaffung Marketing/Vertrieb Produktion

Synergie durch Stärkung: Elemente der Wertschöpfungs-kette der akquirierten Unterneh-men verstärken die Wettbe-werbsposition des Käufers. ( gewisse Gleichartigkeit)

Endemische Synergien: Sind nur von einem Teil der Erwerber durch Bereinigung von Doppelaktivitäten erschließbar.

Technologie Management Human Resources Corporate Finance Logistik IT-Entwicklung / Investitionen

Synergie durch Transfer: Die zwei Wertschöpfungsketten sind verschieden. Bestimmte Teile der Wertschöpfungskette sind wech-selseitig auf das andere Unter-nehmen übertragbar.

( gewisse Komplementarität)

Einzigartige Synergien: Nur ein spezieller Käufer bringt die Fähig-keiten mit, Synergien zu generie-ren und auszunutzen. Der Kauf-preis liegt häufig unter dem Wert, den das Unternehmen für den Erwerber darstellt.

Zugangsynergien Beziehungen

(Kunden / Zulieferer / Politik) Wissen (Patente, Muster etc.) Märkte (Internationalisierung) Standards

Synergie durch Zusatz: Die beiden Wertschöpfungsketten sind vollkommen unverwandt. Durch Konvergenz der beiden Wertschöpfungskette lassen sich Synergien erzielen. ( Komplementarität).

Synergien erwecken vielfach den Charakter von Kalorien: Alle reden darüber, keiner hat sie je gesehen und am Ende machen sie dick. Die Skepsis der Synergieeffekte wird immer lauter, so z.B. der Unternehmensberater Roland Bickmann: „Plötzlich werden aus Synergiepotentialen Bremseffekte. Die Verunsicherung der Mitarbeiter überträgt sich auf den Kunden. Das Extrabisschen Einsatz der Kollegen, das zuvor die fünf Pro-zente Rendite brachte, wandelt sich in das Extrabisschen Gewerkschaftsdenke, Wider-stand, innere Kündigung.“ Einer Interview-Studie der Monitor Company von 81 Vor-ständen aus den umsatzstärksten Unternehmen der USA, Großbritannien, Italien, Frankreich und Deutschland zufolge, kann diese Skepsis geteilt werden – allerdings auf nationalem Level: 70 Prozent der befragten Top-Manager zweifeln daran, dass erwartete Synergien mit deutschen Unternehmen zu realisieren sind.42 Der Synergie-kritiker Mark L. Sirower sieht sich durch seine empirische Studie bestätigt, dass (1) synergieorientierte Akquisitionsstrategien durchschnittlich Wert zerstören und (2) die Höhe der Akquisitionsprämie streng linear negativ zur tatsächlichen Leistung des Fusionsunternehmens korreliert.43 In der Post Merger Phase ist dann abzuwägen, bei welchen Aktivitäten die Synergieerzielungskosten geringer als die Synergien selbst

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sind, die Prämie ließe sich dann als sunk costs ansehen. Die Bewertung aber sowohl der Synergien als auch der Synergieerzielungskosten sind allenfalls auf formaler Ebene vorliegend – und noch keineswegs ausreichend. Viele qualitative interdependente Primär- und Sekundäreffekte sind kaum berechenbar. In der Privatwirtschaft findet man solche Versuche selbst bei Großtransaktionen entsprechend selten.

2.2.3 Politische Motive: Unternehmerisch-symmetrische vs. politische top-down Zusammenschlüsse

Bei der Betrachtung der Motive fällt auf, das es neben den betriebswirtschaftlichen (realen) Zusammenschlussmotiven auch politische Motive gibt. Interessant ist es, auf Basis dieser Unterscheidung die faktische Entscheider-Ebene zu differenzieren:44

Unternehmerischinduzierte

Zusammenschlüsse im Öffentlichen Sektor(„Symmetrie-Fusionen“)

Politischinduzierte

Zusammenschlüsse im Öffentlichen Sektor(„Top-down-Fusionen“)

- Entscheiderebene: Die operativ Verantwort-lichen der sich zusammen-schließenden Einheiten (symmetrisch)

- Fusionsrichtung: i.d.R. horizontale Zusammenschlüsse

- Motive: Betriebswirtschaftliche und strategische Ziele (auch Wachstum) ggf. auch Management-Motive (aber: selbstdefiniert)

- Entscheiderebene: Die politisch Verantwort-lichen der sich zusammen-schließenden Einheiten (top-down)

- Fusionsrichtung: keine präferierte Richtung für Zusammenschlüsse

- Motive: Politische Motive (nahezu ausschließlich Kosten-Motiv durch Synergie und economies of scale mit Vorgaben)

Die Verwaltungsmodernisierung-Hypothese zielt auf die Möglichkeit ab, dass mit Zu-sammenschlüssen auch Reorganisationen und kundenbezogene Optimierung einher-gehen. Die Haushalts-Hypothese fokussiert hingegen auf eine konsequente Kostenein-sparungslogik. Empirisch ist mit dieser Hypothese das wesentliche Motiv benannt, wie in Kapitel 1 beschrieben.

Die Wahlkampf-Hypothese berücksichtigt die politische Ökonomie der Stimmenmaxi-mierung. Damit ist nicht nur eine Hypothese für, sondern auch gegen M&A formuliert. Zusammenschlüsse sind auch im Öffentlichen Sektor hochemotionale Transformatio-nen, die nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Kunden, d.h. letztlich auch Wähler be-trifft. Im Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Zusammenschlüssen haben Kunden hier eine unmittelbare Wirkung auf die politischen Entscheider.

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Ein weitere Legitimationsquelle für Zusammenschlüsse ist der Wettbewerb, der sich im öffentlichen Bereich auf zwei hier interessierenden Ebenen abspielt: Bei der Nationen-Wettbewerbs-Hypothese ist es der Wettbewerb der Systeme, d.h. es werden Zusammen-schlüsse im Hinblick auf eine Wettbewerbsfähigkeit in einem nationalstaatlichen Sinne politisch induziert. Dies gilt im föderalen System mit Konkurrenzföderalismus auich für einen Wettbewerb zwischen den Ländern. Eine weitere Ebene ist die Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit durch Zusammenschlüsse in Branchen, in denen der Staat pri-vatwirtschaftliche Konkurrenz hat. Dies wird hier als Markt-Wettbewerbs-Hypothese der Öffentlichen Hand beschrieben. Die letzte hier ausgewählte Hypothese zielt auf die Deregulierung und Liberalisierung ab. In einigen Branchen wurde durch politische Dezi-sion eine Deregulierung und Liberalisierung verfügt, die dadurch Konsolidierungsef-fekte beabsichtigen (z.B. Telekommunikation, Ver- und Entsorgung, Finanzdienstleis-tungen, Logistik etc.).

2.3 Prozesskette und 7 K-Modell für Public Merger

Das Geschäft der Übernahmen und Fusionen wird von vielen Beteiligten und von einigen Beobachtern als „Königsdisziplin“ bezeichnet. Dabei werden interessanterwei-se die Könige in dem Bereich der Unternehmensfinanzierung und des Investmentban-kings vermutet. Das Königliche hingegen erscheint für die funktional feinausdifferen-zierte Betriebswirtschaftslehre vielmehr darin zu liegen, dass für eine Übernahme und eine Fusion ein wohlausbalanciertes Zusammenspiel von sehr unterschiedlichen Funk-tionsbereichen notwendig wird. Erst in den vergangenen Jahren hat sich die Auffas-sung etablieren können, den M&A-Prozess als eine Querschnittsfunktion durch die BWL zu beschreiben. Die Verzahnung von fach- und branchenübergreifenden Kompe-tenzen in eine Prozesskette ist wissenschaftlich wie auch praktisch eine noch immer bestehende Herausforderung.

Bei Public Mergern ist eine weitere Vernetzung von politischen Prozessen zu berück-sichtigen. Als eine Übersicht soll daher diese idealtypische M&A-Prozesskette ste-hen:45

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MERGER: Verhandlungs- und Vertragsphase

- Einbeziehung von M&A-Diensten- Vorauswahl (Screening)- Kontaktsuche- Erstsondierung - Verhandlungsaufnahme- Bietungsverfahren

Ggf. Verhandlungsphase,Kaufpreisfindung bzw. -finanzierung

- Financial Forecasts- Desktop Due Diligence- Unternehmensbewertung- Finanzierungsalternativen

Vertragsphase und wettbewerbsrechtliche Prüfung

- Eröffnung Data Room- Due Diligence-Formen- Memorandum of Understanding- kartellrechtliche Pr üfung- Closing (Verträge)

Phas

e II

POST MERGER: Vernetzungsphase

Post Merger-Planung

- Planung des Integrations -prozesses

- Integrationspotentialanalyse- Integrationsverbote und -notwendigkeiten im Hinblick auf die Strategie

Vernetzungsmaßnahmen auf sechs Ebenen- organisatorische Vernetzung- strategische Vernetzung- administrative Vernetzung- operative Vernetzung- kulturelle Integration- externe Vernetzung

Phas

e III

Erfolgskontrolle (Post Merger Audit)- Wirtschaftlichkeitsnachrech -nungen (Akquisitionscontrolling)

- Realisierung der Synergien - Prozeßcontrolling- Balanced Scorecard

PRE MERGER: Strategische Analyse- und Konzeptionsphase

Wettbewerbs- undAkquisitionsumfeldanalyse

- Umweltanalyse und -prognose- Analyse des Umfeldes des

Zusammenschlusses (Wähler, Kunden…)

Phas

e I

Organisationsanalyse

- Analyse Organisationsziele und -potentiale

- Analyse strategischer Potentiale und Lücken

- Strategische Bilanz

Analyse der Motiveund Zielsetzungen mit Strategiekonzeption

- Motive und Zielsetzungen- Abwägung Allianz vs. Akquisition- Akquisitionskriterien

Akquisitionsstrategie

Politische Vorentschei-dungsphase

Einschränkend muss deutlich gemacht werden, dass diese Darstellung im Wesentli-chen auf den die als Symmetrie-Fusionen bezeichneten „unternehmerischen Zusam-menschlüssen“ basiert. Bei den Top-down-Fusionen sind die politischen Entschei-dungsprozesse in der Transaktionsphase entsprechend komplexer zu fassen.

Für das Post Merger Management von Zusammenschlüssen ist im privatwirtschaftli-chen Bereich das so genannte „7 K-Modell“46 entwickelt worden, um die weichen Faktoren von Zusammenschlüssen stärker in die Betrachtung einzubeziehen. Diese gelten in gleichem Maße für die Public Merger.

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KontrolleAudit und Controlling

Kernkompetenzund Know-how

Transfer und Genese

Koordination der VernetzungPlanung und Architektur

Kultur Kulturelle Differenzen

und Kultur desIntegrationsprozesses

Kunden und Ko-Produzenten

Externe Integration

Kommunikation Interne und externe Kommunikation

Übersetzung, Dialog

KernbelegschaftKarriere und Fluktuation

Ökonomische & psychischeKosten der Vernetzung

Einfluß auf das Market Capital, Human Capital, Intellectual Capital und Social Capital

Diese 7 K´s bilden die „Härte der weichen Faktoren“ in Fusionen ab. Die Härte wird spätestens bei der Bestimmung der Integrationskosten deutlich, die in den mittlerweile sehr komplexen Unternehmensbewertungsverfahren bisher kaum Berücksichtigung erfahren haben.

Im Zentrum stehen dabei die vier wesentlichen Kapitalien einer Organisation: Market Capital, Human Capital, Intellectual Capital und Social Capital. Während das Börsen-kapital relativ schnell auf die Ankündigungen von Zusammenschlüssen reagiert, sind die Auswirkungen auf die Produktivität und Leistungsfähigkeit der Belegschaften, auf die Wissensbasis, weitere immaterielle Aktiva und Innovationsfähigkeit wie auch auf die organisationalen Beziehungen, das Markenkapital und die Reputation des Unter-nehmens bei den Stakeholdern erst mittelfristig erkennbar. Die These hier lautet, dass Zusammenschlüsse auf die Vernichtung dieser flüchtigen Kapitalien erheblichen Ein-fluss haben.

Die zukünftigen Bemühungen in der Forschung wie auch in der politischen wie un-ternehmerischen Praxis müssen daher auf die Schätzung dieser Kostentreiber abzielen. Alle sieben K`s der Integration sind bereits im Pre Merger Management bei der Due Diligence hinsichtlich ihrer Kostenwirkungen zu berücksichtigen.

Zu ausgewählten Unterschieden und Auffälligkeiten des Fusionsmanagements im öffentlichen Sektor Stellung wird im folgenden anhand des 7 K`s-Modells im Kurz-überblick ein Vergleich zu den privatwirtschaftlichen Zusammenschlüssen gezogen:47

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2.3.1 Koordination

Grundsätzlich lassen sich bei Zusammenschlüssen dezentrale, zentrale und symbioti-sche Formen der Koordination der Integration unterscheiden.48 Während bei der zent-ralisierten Koordination Vorteile hinsichtlich der Schnelligkeit und Klarheit des Orga-nisationsplanes und der Führungsverantwortlichkeiten genutzt werden können, ent-stehen häufig deutliche Verzögerungen durch die Überlastung der zentralisierten Entscheidermannschaft und eine Vernachlässigung der Kunden- und Zuliefererbezie-hungen. Eine dezentrale Integrationskoordination mit entsprechenden Task Force-Strukturen kann unter Verzicht der Fiktion einer gemeinsamen und einheitlichen Or-ganisation das spezifische dezentrale Wissen in der Integration nutzen. Symbiotische Integration trifft man bei den überaus seltenen „Fusionen unter Gleichen“ an. Hier wird ein prinzipiell unplanbarer, evolutiver Verlauf angenommen und basiert auf einer gemeinsame, vertrauensbewußte Schaffung einer neuen gemeinsamen Organisa-tion (Novation statt Absorption). Bei dem Aspekt der Koordination wird auch bei die Zusammensetzung der neuen Leitungsebene elementar. Während bei den unterneh-merischen „Symmetrie-Fusionen“ die Machtgefälle und Größenverhältnisse zur Dis-kussion stehen und letztlich die Führung Ergebnisse der Verhandlungen sind, wird bei den politisch induzierten Zusammenschlüssen die neue Führungsebene von oben bestimmt.

2.3.2 Kultur

Eines der hartnäckigsten und gleichzeitig einfallslosesten Argumente für gescheiterte Fusionen ist der Verweis auf nationale und organisationale Kulturdifferenzen. Bei Public Mergern sind es nur sehr bedingt Nationalgrenzen überschreitende Transaktio-nen, so dass ein Fokus auf die organisationalen Kulturdifferenzen liegt. Es werden vermehrt sogenannte kulturelle Due Diligence mit entsprechenden Kulturprofilen vorgeschlagen. So intuitiv diese These insbesondere bei nationalen Kulturdifferenzen auch ist, erste empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass Differenzen in Kultur-profilen nicht signifikant mit dem Mißerfolg zusammenhängen, sondern im Gegenteil auch wertsteigernd wirken können. Der Versuch Kulturen zu harmonisieren, produ-ziert häufig erst übertriebene Abgrenzungen, alarmiert und aktiviert die Immunsys-teme der beiden Organisationen. Die Zerstörung der zuvor langsam entwickelten informellen Strukturen behindert das Entstehen der organisationsübergreifenden Netzwerke. Interessant wäre dabei die Überprüfung der These, dass organisationskul-turelle Probleme bei vielen Öffentlichen Institutionen aufgrund der stärker rechtsba-sierten und regelgebundenen Prozessen und Hierarchie-Systemen geringe Auswir-kungen haben als in der Privatwirtschaft.

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2.3.3 Kommunikation

Fusionen sind unentrinnbare Gerüchteküchen mit oft grausamen Horrorszenarien. Entlassungszahlen, Einsparungsvolumina und Während die Kommunikation bei privatwirtschaftlichen Transaktionen aufgrund der notwendigen Vertraulichkeit bis zum Closing sehr begrenzt bleiben muss, ist dies bei Transaktionen im öffentlichen Sektor grundsätzlich anders zu beurteilen, da hier unterschiedliche Kommunikations-adressen vorliegen: Unternehmerisch Beteiligte auf der Ebene der Partner des Zu-sammenschlusses mit möglicherweise kontroverser Meinungsbildung sowie die Poli-tik mit einer übergeordneten Zielstellung.

Bei den privatwirtschaftlichen Transaktionen werden hingegen erst mit der Ankündi-gung die Kommunikationsaufgaben angestoßen und zum entscheidenden Thema in der Integration. Die Profilierung der neuen Organisation z.B. im Rahmen des Fusi-onsmarketing und der Markendifferenzierung, sowie die Information der Mitarbeiter und die gemeinsamen Erörterung über die nächsten Schritte sowie zur Artikulation der Erwartungen und des Widerstandes seitens der Mitarbeiter sind wesentliche Auf-gaben des Kommunikationsmanagement. Dazu werden Integrationszeitungen, Intra-nets, Integrationsworkshops sowie Hotlines mit direktem Zugang zu Vorständen und Geschäftsführern eingesetzt. In die Kommunikationsstrategie sind die Kunden und Lieferanten mit einzubeziehen. Bei den „öffentlichen Transaktionen“ laufen hingegen diese Diskussionen und Kommunikationen oft schon vor dem Closing (z.B. im Rah-men sogenannter Machbarkeitsstudien). Damit wird die Kommunikationsaufgabe durch den politischen Willensbildungsprozess wesentlich früher notwendig – wenngleich vielfach unklar bleibt, wer welchen Kommunikationsauftrag übernehmen soll. Für die Zusammenschlüsse im öffentlichen Sektor wäre die These zu prüfen, inwieweit durch die fehlende Problematik der Vertraulichkeit ein besseres Pre Merger Management möglich wäre, d.h. eine sorgfältigere Due Dilligence und eine bessere Abschätzung der Integrationskosten. Bisher kann diese These jedoch nicht unterstützt werden, was zum einen daran liegen könnte, dass die Verantwortlichen nur sehr bedingt mit den In-strumenten des Pre Merger Managements vertraut sind und zum anderen die Ent-scheidungen eben vielfach politisch und nicht operativ getroffen werden, so dass es nicht um eine unternehmerische, sondern um eine politische Machbarkeitsstudie geht. Bei letzterer steuert das bereits politisch gewollte Ergebnis die dafür notwendigen Studien auf dem Weg der Entscheidung.

2.3.4 Kernkompetenz und Know how Wissen ist in vielen Bereichen der Verwaltung die wichtigste und zugleich flüchtigste Ressource. Die öffentlichen Verwaltungen bekommen erst im Zuge des Electronic Government ein gewisses Gefühl für die Potentialität des Wissens zum einen für die Erleichterung der Weberschen Aktenführung durch Digitalisierung (z.B. digitale Rat-

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häuser, virtuelle Gerichtsakte) sowie zum anderen durch die Angebote neuer Ge-schäftsmodelle (z.B. Geodaten, Lebenslagenangebote für Bürger). Bei den privatwirt-schaftlichen Transaktionen liegen die Motive zu einer Übernahme vielfach gerade in dem spezifischen Wissen des anderen Unternehmens. Hier geht es vor allem um Inno-vationen und neues Wissen über Märkte, Kunden und Produkte. Der Ansatz der Inno-vation und der Wissensgenese fehlt in der Regel als Motiv bei den Transaktionen im öffentlichen Sektor. Das Verbindende bei beiden Transaktionstypen ist jedoch der Wissensverlust. Durch hohe Personalfluktuation bzw. Umschaltung auf „Dienst nach Vorschrift“ nach der Fusion, die Unsicherheit der verbliebenen Relevanz des eigenen Wissens bei den Mitarbeitern und der Verlust von Daten bei der Harmonisierung von Computersystemen verlieren Organisationen Wissen. Durch die Flüchtigkeit des Wis-sens wird stark auf einen Wissenstransfer geachtet. Unternehmen versuchen dies durch Wissensmanagementsysteme, Corporate Universities und gemischte operative Teams zu realisieren. Bisher jedoch bei den privatwirtschaftlichen Transaktionen ohne Erfolg: Bei Großtransaktionen kann ein deutliches Absenken der Anzahl angemeldeter Patente sowie eine qualitative Verschlechterung beobachtet werden.49

2.3.5 Kunden und Ko-Produzenten

Fusionen sind zumindest in der Privatwirtschaft – zur Freude der Konkurrenz – Mo-mente der Selbstbeschäftigung. Kunden haben dafür kein Verständnis, da sie an Pro-dukten und nicht an der Organisation des Produzenten interessiert sind. Das vielfach mitlaufende Mißtrauen, dass die Erfolge von Fusionen auf dem Bruch von impliziten Verträgen mit Lieferanten und Kunden beruht, macht eine aktive und unmittelbare Auseinandersetzung mit allen Anspruchsgruppen hinsichtlich der positiven und nega-tiven Veränderungen, die durch die Fusion entstehen werden, zwingend. Sinnvoller-weise sollten sie direkt in den Integrationsprozess integriert werden.

Bei Public Mergern sind die Auftragnehmer, die Bürger, differenziert nach Kunden einerseits und Wähler andererseits zu berücksichtigen. Auftragnehmer wissen auf-grund der steigenden Marktmacht, dass hier auch Skalierung bei der Beschaffung als Synergie mitgedacht wird.50 Das Vergaberecht wie auch das Gesetz gegen Wettbe-werbsbeschränkungen enthalten zwar Regelungen, dennoch wird für die Bieter bei allen Vergabearten ein Signal der Preisreduktion gesetzt. Die Kunden müssen sich ebenfalls auf die Prozesse neu einstellen. Auch wenn die öffentlichen Güter nahezu durchgängig im staatlichen Monopol angeboten werden und es eine Zwangskommu-nikation mit dem Staat gibt, dürfen die Verunsicherungen und Verärgerungen nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. In Märkten, in den staatliche und private Anbieter konkurrieren (Versorgung, Telekommunikation, Finanzdienstleister etc.), sieht die Bedeutung hingegen „Kundenorientierung“ anders aus und vergleichbar mit den privatwirtschaftlichen Anbietern. Auffällig ist jedoch bei der strategischen Zielsetzung, dass die öffentlichen Transaktionen nahezu durchgängig Kosten-Merger sind, d.h. sie

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basieren auf einer Einsparungslogik und nur sehr selten auf einer Wachstums- und Innovationslogik.

In der Privatwirtschaft wurde auf Basis der Wertschöpfungskette des Betriebswirten Michael E. Porter eine Unterscheidung von Integrationstiefen vorgenommen, die als instruktiv auch für den Öffentlichen Sektor sein könnte.51 Nach dieser Typologie sind „back end-Fusionen“ von operationalen und „front end-Fusionen“ idealtypisch zu unterscheiden. Während die „back end-Fusionen“ im Wesentlichen die Verwaltungs-prozesse betreffen, sind im operationalen Bereich konkrete Synergien und Integration der Bereich der Produktion des (öffentlichen) Gutes angesprochen. „Front end-Fusionen“ hingegen zielen auf die kundenbezogenen Prozesse hin, d.h. die Filialnetze und Markenharmonisierungen. Eine zu überprüfende These für die öffentlichen Transaktionen wäre, dass die meisten Transaktionen vor allem im „back end-Bereich“ zu finden sind und dort nur geringe Synergiequellen erschließen können. Aufgrund der nur bedingten Kostensynergien im Personkostenbereich werden hier die operatio-nalen (vor allem Beschaffung) und die front end-Bereiche (neue Geschäftsmodelle, Wachstum, Konsolidierung der Filialstruktur, E-Government) relevanter.

Human Re sources

Cont rolling /Accounting

Corpora te F inance / Treasury

Info rma tion Technology

Research a nd Develo pme nt

Corporate Infra st ructure (Leadership und Organization)

Prim

ary

Activ

ities

Supp

ortin

g

Activ

ities

Procure-ment

SupplyChain

Manage-ment

Operations

Manufac-turing

Marketing&

Sales

Logistics&

Distribution

CustomerService

AfterSales

PRO

FIT MAR

GIN

PRO

FIT MAR

GIN

front-end merger

Marketing/Sales/Distribution

back-end merger

Administration / IT /HR / Finance

operationalmerger

Operations/R&DManufacturing/

Procurement

e.g. Automotive and Construction Industry Platform concepts (Ford, VW)Purchasing poolingJoint development (EADS)

e.g. Banking Industry / TelecommunicationIT / Networks harmonizationSustainable brand identities

e.g. Retailer / Pharmaceuticals / Utilityconsolidation of branches/subsidiaries networks (filling station)new brands (Aventis, Novartis)

2.3.6 Kernbelegschaft und Karriere

Der Bereich der Personalentwicklung steht nach einer Fusionsankündigung vor gro-ßen Aufgaben. Themen wie die Erhöhung der Bindung der Kernbelegschaft und eine

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schnelle Karriereplanung, die Anpassung der Incentive-Systeme, Weiterbildungspro-gramme, Mitarbeiterbefragungen, Kulturworkshops, Integrationsmoderation und die Abstimmung der nationalen Mitbestimmungsgesetze sind einige der Themen bei privatwirtschaftlichen Transaktionen. Mitarbeiterloyalität wird dabei zum Erfolgsfak-tor: McKinsey fand heraus, dass bei 85% der erfolgreichen Fusionen die Manager des Zielunternehmens das Unternehmen nicht verlassen haben. Durchschnittlich steigt die Fluktuation bei privatwirtschaftlichen Zusammenschlüssen jedoch auf das 12-fache des normalen Niveaus an. Bei öffentlichen Transaktionen ist dies nur bedingt der Fall, da hier die Möglichkeiten von Sozialplänen und Freisetzungen kaum gegeben sind. Damit sind auch viele Synergien

Die Herausforderung im Bereich Personal liegt in der Personalentwicklung. Für viele Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind Fusionen – aufgrund von im Vergleich zu Konzernen geringeren Reorganisationserfahrungen – noch einmal radikaler in der Transformation. Hier scheint es ratsam, diejenigen Mitarbeiter herauszufinden und in die Parallelorganisation der Integrationsaktivitäten einzubinden, die eine „unterneh-merische“ Multiplikatorenrolle einnehmen. Die Transformationserfahrungen der Deutschen Telekom bzw. der Deutschen Post können hier möglicherweise Hilfestel-lungen geben.

2.3.7 Kontrolle (Post Merger Audit)

Wann ist ein Zusammenschluss erfolgreich? Die Erfolgsmessung ist für die Privatwirt-schaft bereits ein weitreichendes Themengebiet, zu dem es noch keine abschließende Empfehlung gibt. Es gibt keinen eineindeutigen Erfolgsbegriff.52 Während börsenno-tierte Unternehmen zumeist an der Veränderung der Aktienkurse bewertet werden, wird es bereits bei nicht börsennotierten Unternehmen notwendig, sich auf andere Erfolgskennziffern einzulassen (Umsatz, Wiederverkauf, Zielerreichungsgrade etc.). In der Privatwirtschaft wird dem Post Merger-Audit bislang nur bedingt Bedeutung beigemessen. Entsprechende Kennzahlensysteme, Synergienachrechnungen und Goodwill-Amortisationsrechnungen sind nach eigenen Analysen in den vergangenen Jahren kaum durchgeführt worden.

Für die Privatwirtschaft wurde auf Basis des 7 K-Modells eine entsprechende Heuris-tik entwickelt, die Kostentreiber und Kennziffern für das Fusionsmanagement identi-fizieren hilft.53 Dieses kann für die Fusionen im öffentlichen Sektor in einigen Berei-chen analog verwendet werden.

Grundsätzlich ist die kaum mögliche Kontrollierbarkeit des Transaktionserfolges die wesentliche Erklärung, warum es in der Forschung noch keine hinreichenden empiri-schen Erhebungen über die Erfolgs- und Mißerfolgswahrscheinlichkeiten gibt.

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Das Post Merger-Audit kann gleichzeitig Auskunft über die Entwicklung der Integra-tionskosten geben und somit auch Lernkurven für eventuelle weitere Transaktionen ermöglichen.

Intellectual Capital

Intellectual Capital

Social CapitalSocial Capital

Human Capital

Human Capital

Market Capital

Market Capital

- Kosten der Post Merger-Teams und der Parallelorganisation (Produktivitätsverluste)

- Umsatz pro indirekten Mitarbeiter - steigende Versicherungsbeiträge- (Rechts-)Beratungskosten

- Interventionen zur Kultur-und Identitätsarbeit

- Cultural Due Diligence-Vergleiche

- Kapitalkostenentwicklung (Banken)(Bonitätsverschlechterung)

- Logistik-Kostenentwicklung- Kundenfluktuationsrate

(Wanderungsmatrix)- Preis- und Qualitätsentwicklung bei

Zulieferern (Rückrufkosten etc.)- Qualfizierung / Training der Zulieferer- Corporate Reputation- Anzahl der fusionsbedingten

Kundenbeschwerden- Anzahl der Garantiefälle- Entwicklung der Servicequalität

- Interventionen interne Kommunikation (Business TV, Newsletter)- Investor Relations (Internationale Standards)- Fusionsmarketing - Marken(neu)positionierung (Werbeerfolgskontrolle)- Anzahl der positiven Meldungen und Analystenmeinungen

(Nutzung des Clipping Dienstes)- Übersetzungsleistungen (Sprache)

- Fluktuationskosten - Absenzzeiten / Ausfallkosten - Sozialpläne - Weiterbildungsaufwendungen - Anpassung der Gehälter (Harmonisierung der Incentive-Systeme)- Kosten Durchführung der Klimaanalysen (Fusionsbarometer)- Interventionswirksamkeitsanalyse (qualitativer Vergleich)- Kosten für Schwund und Sabotage (Maschinenstillstandszeiten)- Entwicklung der Recruitingkosten pro High Potential

Deduktiv-summarische Bewertung- Tobins Q - Calculated Intangible Value (CIV)

Induktiv-analytische Bewertung - Intangible Asset Monitor- Intellectual Capital Navigator

Technische Aspekte- Integration der IT-Architektur - Migration der Daten - Schulungen für neue Anwendungen

Innovationsaspekte- Patentanzahl und Produkt-Pipeline - F&E-Kostenentwicklung zu Patentanzahl

- Technische Aspekte: Harmonisierungs-kosten von Soft- und Hardware

- Schulungsaufwand- Mehraufwand durch Analystencoverage- Post Merger Audit (war room)

Kosten und Kennziffern der Koordination

Kosten und Kennziffern der Kultur

Kosten und Kennziffern Kunden | Ko-Produzenten

Kosten und Kennziffern der Kommunikation

Kosten und Kennziffern der Kernbelegschaft

Kosten und Kennziffern des Knowledge-Managements

Kosten und Kennziffern der Kontrolle

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Harald Plamper

Politische Voraussetzungen einer Fusion

1 Mergers von oben oder Mergers auf einer Ebene........................................................ 41 2 Sichtbare Vorteile gegen unsichtbare Nachteile........................................................... 43 3 „Auf zu neuen Ufern!“ oder „Vorhandenes bewahren!“? .......................................... 44 4 Handelnde und Zuschauer; Vertrauen und Misstrauen............................................. 45 5 Karotten, Knüppel und Geburtshelfer .......................................................................... 47 6 Die neue Institution: Politiknähe oder Politikferne ..................................................... 48 7 Politik und Politiker im Verhältnis zu den sieben Ks.................................................. 50

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Zusammenfassung: In diesem Beitrag geht es um Politik oder genauer um Mergers mit den Augen von Politikern gesehen. Zunächst werden einige Besonderheiten des politischen Mergerge-schäftes herausgearbeitet, bevor ein Zusammenhang mit den sieben Ks von Stephan Jansen hergestellt wird. Bedeutsam ist zunächst die Art und Weise, wie Mergers zu-stande kommen. Sind es von oben verordnete Mergers oder von den zu fusionieren-den Institutionen bzw. von deren Müttern vereinbarte Zusammenschlüsse? Je nach dem ist die Rolle der Politiker anders. Bestandswahrung bestimmt im Wesentlichen das Verhalten der Politiker, wenn sie Mergers vereinbaren.

Über den Autor: Harald Plamper begleitet die Region Lombardei in Norditalien bei einem Fusionspro-zess. Er war viele Jahre Personaldezernent in Nürnberg und von 1995 bis 1999 Vor-stand der Kommunalen Gemeinschaftsstelle (KGSt), einem kommunalen Fachverband. Seitdem ist er als freier Berater und Dozent im öffentlichen Sektor (darunter als Gast-professor an der Università Commerciale Luigi Bocconi in Mailand) tätig.

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Politische Voraussetzungen einer Fusion

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1 Mergers von oben oder Mergers auf einer Ebene

Zunächst ist es wichtig, zwischen Mergers von oben, also solchen von einer höheren Ebene verordneten oder wenigstens vorangetriebenen1, und Mergers auf einer Ebene, die durch Arrangements Gleicher zustande kommen2, zu unterscheiden3. Die Rolle der Politiker ist jeweils eine andere. Darüber hinaus gibt es Mergers, die zwischen beiden anzusiedeln sind. Dazu wäre der bekannte Fall der Sparkassenfusion in Sach-sen zu zählen4, aber auch die Gemeinde- und Kreisreformen, wenn sie mit kräftiger Unterstützung der jeweiligen Länder zustande gekommen sind5.

Abbildung 1: Mergers von oben oder Mergers auf einer Ebene – Beispiel Gemeindereform

Mergers von oben

Mergers auf einer Ebene

13a

3b

3

2

1 Zwangsfusion2 freiwilliger Gemeindezusammenschluss 3 Gemeindereformen in den Ländern

3a Reformgesetz mit Zustimmung (bzw. Nichtablehnung ) der betroffenen Gemeinden

3b Freiwilliger Gemeindezusammenschluss nach kräftiger Unterstützung des Landes

Die Unterscheidung einschließlich der Schattierungen ist wichtig, um die politischen Akteure genauer beschreiben zu können:

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1. Bei Mergers von oben sind es die Politiker in Regierung und Parlament, die über die Fusionsbetroffenen hinweg oder gar gegen sie Entscheidungen treffen. Diese Mergers bringen es leichter mit sich, dass mehr oder weniger realistische Sparvor-gaben gemacht werden, die mit der Fusion erreicht werden sollen. Nur selten sind es Wachstumsvorstellungen, die in solche Fusionsüberlegungen Eingang finden. Ebenso selten spielen Kundenbedürfnisse eine Rolle.6.

2. Bei Mergers auf gleicher Ebene entscheiden die Politiker in den fusionswilligen Institutionen. Hier denkt man eher über Wachstum und Kundenbedürfnisse nach.

3. In den „Grauzonenmergers“ sind es meist die übergeordneten Politiker, die den Fusionskandidaten Karotten, d.h. Vorteile, anbieten, damit diese den Weg zur Fu-sion beschreiten. Beteiligt sind also Politiker auf zwei Ebenen.

Dieses Bild ist auch für andere Bereiche als für Gemeindezusammenschlüsse von Be-deutung. Für die jetzt anschwellende Welle von Krankenhausfusionen beispielsweise verschiebt sich die Argumentationsebene: Während bisher zu geringe Einnahmen im Verhältnis zu den nötigen oder nötig erscheinenden Ausgaben in einem relativ fest gefügten Markt wichtig waren, und deshalb nach Rationalisierungsvorteilen gesucht wurde (vor allem eine Angelegenheit der Betriebswirte im Top-Management und dann erst der Politiker), ist mit der Einführung der DRGs (Diagnosis Related Groups = Fall-pauschalen) und den erweiterten Möglichkeiten, in den Krankenhäusern auch ambu-lante Leistungen zu erbringen, der Markt in Bewegung geraten. Es gibt zu viele Betten, und deren Verringerung bewirkt zwangsläufig und mit großer Wahrscheinlichkeit das Schließen von bzw. das Vereinigen bisher getrennter Einrichtungen und ein dann folgendes aktives Gestalten unter den neuen Gegebenheiten. Das den neuen Markt bestimmende Regelwerk führt aber nicht dazu, dass Krankenhausfusionen von oben aktiv betrieben würden. Darauf hätten zwar die Länder mit ihren Landesplanungen und der Finanzierung der Investitionen Einfluss. Er wurde aber und wird nur selten geltend gemacht7. Auch die stationäre Leistungen finanzierenden Krankenkassen hätten Fusionen verlangen können, hatten aber keine Gestaltungsmacht. Und heute können sich die Krankenkassen sogar eher zurücklehnen und darauf warten, bis ihnen die Früchte der Marktveränderung in den Schoß fallen: weniger Betten durch Verlust vieler kleiner Krankenhäuser und Fusionen von Krankenhäusern zu wettbewerbsfähi-gen Einheiten8. Die Fusionen im Krankenhausbereich wären also eher bei „2“ anzu-siedeln.

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Politische Voraussetzungen einer Fusion

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2 Sichtbare Vorteile gegen unsichtbare Nachteile

Für die politische Diskussion ist es bedeutsam, sichtbare Vorteile benennen und wenn möglich sogar beziffern zu können, während die Nachteile meist unbenannt und un-beziffert zu bleiben haben. Bei der Zusammenlegung von Amtsgerichten oder Schulen und anderen Ämtern spielten Rationalisierungsvorteile (weniger Verwaltungsauf-wand) und die erhoffte Qualitätsverbesserung durch Spezialisierung der Richter, Leh-rer oder Techniker oder durch Jahrgangsklassen statt jahrgangsübergreifender Klassen in Zwergschulen eine Rolle. Lediglich bei den Schulen fanden die größeren Entfer-nungen Eingang in die Überlegungen, weil man Grundschülern keine langen Fahrten zumuten wollte. Bei der Zusammenlegung von Gerichten und Ämtern, die gewöhn-lich von Erwachsenen aufgesucht werden, war die Entfernung dagegen kaum bedeut-sam. Ganz unbeachtet geblieben sind die Zentralitätsverluste und Kulturveränderun-gen, die sich aus den Fusionen ergeben haben. Bürgermeister, Lehrer, Amtsrichter und Forstrat waren neben den Pfarrern und Ärzten im Dorf oder in der Kleinstadt Säulen des bürgerlichen Zusammenlebens, die plötzlich verschwunden waren. Hinzu kam, dass das Wohnen am Ort nicht mehr gefragt war. Man wohnte lieber weiter weg und entging so dem lästigen Hineinragen des Berufs in die Freizeit.

Zu den sichtbaren und benannten Vorteilen kommen bisweilen Vorteile, die den Ent-scheidungsträgern zwar bekannt sind, zu denen sie aber lieber schweigen:

Man möchte im Sattel sitzende, doch ungeliebte Behördenchefs los werden und kann dies am ehesten mit einer Fusion erreichen, in dem man erklärt, dass nach der Fusion die Karten neu gemischt werden (wobei der oder die alten Behörden-chefs keine Trümpfe mehr in Händen halten).

Man möchte politisch missliebige Einrichtungen zur Räson bringen und glaubt dies am ehesten über eine Fusion erreichen zu können. So kam es des Öfteren zu Gemeindezusammenschlüssen, in denen in der neuen Gemeinde die gleiche Mehrheit das Sagen bekam wie im Land.

Einem werden Karotten (meist in Form von Zuschüssen) vors Maul gehalten. Man frisst sie auf, ohne dass darüber groß diskutiert würde.

Solche Karotten können der Institution zu gute kommen (so sind Gemeindezu-sammenschlüsse mit Sonderfinanzzuweisungen, mit Investitionszuschüssen für Gemeindezentren, Gemeindehallen und Schwimmbäder „honoriert“ worden).

Sie können aber auch den handelnden Personen zugute kommen (großzügige Pensionsregelungen für Bürgermeister zu fusionierender Gemeinden, besserer Stellenkegel, höhere Besoldung, Beförderung, höhere Aufwandsentschädigungen).

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Bisweilen zeigt sich eine gewisse Hybris hin zu „big is beautiful“9. Das vereinigte Größere hat einfach besser zu sein als die getrennten Einzelnen. Da man sich um nach-trägliche Überprüfung nicht kümmert, kommen Politiker mit dieser Haltung über die Runden – sprich die nächsten Wahlen.

Mit zunehmender Finanzkrise, die viele „öffentliche Hände“ erfasst hat, sind kosten-trächtige Maßnahmen schwerer zu rechtfertigen. So ist die Möglichkeit nicht mehr von der Hand zu weisen, dass statt Karotten Knüppel drohen, damit Fusionen zustande kommen (es gibt z. B. weniger Finanzzuweisungen als bisher).

3 „Auf zu neuen Ufern!“ oder „Vorhandenes bewahren!“?

Nur selten weisen Public Mergers den Weg in eine zwar ungewisse doch hoffentlich große Zukunft10. Diese Zukunft wird eher in Kauf genommen als aktiv angegangen, da es bequemer ist, das Vorhandene zu bewahren als zu neuen Ufern aufbrechen. Dann sind die Fusionsregelungen relativ kurz und die Bewahrensklauseln lang. Die aktuelle Situation wird als kritisch und die Fusion als unabweisbar, überfällig und absolut notwendig dargestellt, wenn der Bestand auch in Zukunft gewahrt werden soll. Dies bedeutet Reagieren auf den kritischen Zustand statt proaktives Gestalten. Die Gründe für dieses Verhalten lassen sich nur vermuten:

Die Psychologie lehrt uns, dass wir das Gegenwärtige höher schätzen als das Künf-tige.

Auf das Bewahren des Vorhandenen kann man sich eher verständigen als auf eine gemeinsame Vorstellung von der gewünschten Zukunft. Die Menschen rücken un-gern von ihren Sichtweisen und Vorlieben ab, und gerade in der Zukunftsgestal-tung zeigen sich die unterschiedlichen Ideologien, die sich letztlich in Parteipro-grammen wieder finden. Man schiebt die nötige Verständigung über die Zukunft lieber beiseite und erhofft sich Sukkurs über die eigene Zukunftsvorstellung bei den nächsten Wahlen.

In der Privatwirtschaft lassen sich die Zukunftsaussichten leichter abschätzen. Schließen sich die beiden Pharmaunternehmen Aventis und Sanofi (zunächst feind-liche, dann freundliche Übernahme durch Sanofi im Jahr 2004) zusammen, kann man aus den Produkten (inklusive solcher, die sich in den „Pipelines“, sprich For-schung, Entwicklung und Zulassung, befinden) und den Vertriebstrukturen ab-schätzen, wie die Entwicklung des vereinten Unternehmens verlaufen wird. Eben-so wäre dies der Fall, wenn sich stattdessen Aventis und Novartis (wie ursprüng-

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lich von diesen beiden gegen Sanofi gedacht) zusammengeschlossen hätten. Dies ist im öffentlichen Bereich nicht immer der Fall. Es mag für Sparkassen zutreffen, ebenso für Energie- und Wasserversorgungsunternehmen, kaum aber für Gemein-de- und Kreiszusammenschlüsse oder für die Zusammenlegung von Ämtern. Die Entwicklung der Gemeinden seit den 70er Jahren bis heute spiegelt kaum die bei der Gemeindereform gehegten Zukunftsvorstellungen wider. Ebenso wenig lässt sich sagen, welche Vorteile die in den 70er Jahren erfolgte Eingliederung bei-spielsweise des Amtsgerichts Münsingen in das Amtsgericht Reutlingen gebracht hat und ob es die damals behaupteten Vorteile waren.

Die Zahl der Veto-Spieler, das sind die Akteure, die neue Lösungen verhindern können11, ist im öffentlichen Bereich wesentlich größer als im privaten. Wenn ein Veto-Spieler die Fusionskarawane daran hindern kann, sich auf den Weg zu ma-chen, bzw. sie zum Halten bringt12, wird durch bewahrende Zusagen versucht, ihn zum Mitmachen oder wenigstens zum Dulden zu bewegen. Der dazu nötige politi-sche Kompromiss hat stets eine bewahrende Wirkung13. Dabei ist auf kommunaler Ebene die Personalvertretung als Veto-Spielerin von besonderer Bedeutung14. Des-halb kam und kommt es bei solchen Fusionen oft zu weitreichenden Garantien für die Beschäftigten (keine Kündigung, keine Rückgruppierung, keine Versetzung an einen anderen Ort, Erhalt der Sozialleistungen, weitere Bindung an die Tarife)15.

Die verschiedenen Entwicklungen lassen sich gut mit dem Beziehen eines Doppel-zimmers (die Fusionswilligen kommen in einem Bett zu liegen) oder eines Zweibett-zimmers (die Fusionswilligen schlafen weiter in getrennten Betten) beschreiben. Be-reits räumlich lassen sich Doppel- (Vision!) und Zweibettzimmer (Bewahren!) erken-nen.16

4 Handelnde und Zuschauer; Vertrauen und Misstrauen

Anders als viele politische Aktionen müssen Mergers – jedenfalls solche, die auf einer Ebene stattfinden sollen – längere Zeit geheim gehalten werden, um die Absicht nicht zu gefährden und um zu vermeiden, dass sich die Protagonisten politisch kompromit-tieren. Die sonst übliche Ankündigungspolitik ist hier schädlich. Dies bereits bringt es mit sich, dass sich der Kreis der handelnden und verhandelnden Personen auf wenige beschränken muss. Auf lokaler Ebene sind dies gewöhnlich die Verwaltungschefs und die Vorsitzenden der Fraktionen bzw. der Mehrheitsfraktionen im Rat. Erst wenn man sich mit den Fusionspartnern weitgehend einig weiß, werden die Gremien eingeschal-tet. Dann aber eilt die Entscheidung: Auf jeden Fall sind Grundsätze verabredet, oft sind auch schon Einzelheiten ausgehandelt und Alternativen gibt es keine mehr. Die

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Vertreter in den Gremien mögen zwar die endgültig Entscheidenden sein. Sie bleiben doch nur Zuschauer.17

Ich wage die These, dass Mergers auf einer Ebene eher zustande kommen, wenn bei den Fusionswilligen klar ist, dass nur wenige die Richtung vorgeben können. Je mehr Beteiligte, gar je mehr Veto-Spieler, umso weniger Fusionen auf einer Ebene (und umso mehr Mergers von oben)!

Hier tut sich ein Dilemma für die notwendige Public Due Diligence auf. Sobald man sie veranlasst, bleibt das Fusionsvorhaben nicht mehr geheim – und die Veto-Players werden aktiv.

Bei allen Mergers auf einer Ebene ist es notwendig, dass die Verhandlungsführer nicht nur Vertrauen in eine gute Zukunft des vereinten Unternehmens oder der fusionierten öffentlichen Einrichtung gefasst haben, in denen die Vorteile für ihre Einrichtung ge-genüber weiter bestehender Selbstständigkeit überwiegen, sondern auch in die laute-ren Absichten der jeweiligen Verhandlungspartner. Bereits vorhandenes Vertrauen oder während der Verhandlungen aufgebautes persönliches Vertrauen sind also nötig, wenn Zusammenschlüsse zustande kommen sollen. Außerdem kommt es darauf an, dass die Beteiligten von der Durchsetzungsfähigkeit ihrer Gegenüber ausgehen kön-nen. Da spielt die formale Kompetenz eine geringere Rolle als die Fähigkeit, das aus-gehandelte Ergebnis in den eigenen Reihen erfolgreich zu vertreten. Die Verhand-lungsführer müssen darüber hinaus in der Lage sein, die verschiedenen Integrations-stufen vom Pre-Merger über Konzeption und Umsetzung des Merger bis zur endgültigen Integration im Post-Merger (HUBER, BERGMANN 2003, S. 306 Bild 2, PLAM-

PER 2003, S. 260 Bild 3) zu begleiten und dafür genügend Unterstützung in den eigenen Reihen zu erhalten und zu bewahren. Jedenfalls muss die fortdauernde Unterstützung der Politiker für den Merger sichtbar sein, sowohl bei den Top-Managern als auch bei den Beschäftigten vor Ort, die den Merger vollziehen müssen.

Anders ist die Situation bei von oben verordneten Mergers. Da kann es durchaus vor-kommen, dass die Politiker in den bisher selbständigen Einheiten nicht gefragt, pro-forma befragt oder wenn gefragt, mit ihren Argumenten nicht gehört werden.18 In diesen Fällen haben die Protagonisten zugunsten der bisherigen Einrichtungen eher die Funktion von Lobbyisten, deren Einfluss im Verlauf der Zeit durchaus schwanken kann. Von Vertrauen ist dann allenfalls wie bei der Seriosität oder fehlenden Seriosität eines Lobbyisten die Rede.

In der Privatwirtschaft findet sich die zuletzt beschriebene Situation nur bei Fusionen innerhalb eines Konzerns oder bei feindlichen Übernahmen.

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5 Karotten, Knüppel und Geburtshelfer

Wahrscheinlich mehr als in der Privatwirtschaft werden Karotten und Knüppel ver-wendet, um Mergers zustande zu bringen. Dies war bereits bei der großen Welle der Gemeinde- und Kreisreformen im Westen in den 70er Jahren und im Osten seit der Einheit der Fall. Auch hier sind Karotten und Knüppel, die von den Ländern einge-setzt wurden und werden (also bei Mergers von oben) und solche, die von den fusi-onswilligen Körperschaften zugunsten der sich zierenden bis ablehnenden Körper-schaften angeboten werden (also bei Mergers auf einer Ebene) zu unterscheiden. Die Länder benutzten Vorwegentnahmen aus den Finanzausgleichstöpfen (höhere Schlüs-selzuweisungen) oder Förderzusagen für kommunale Einrichtungen wie Feuerwehr-häuser, Schulen, Schwimm-, Turn- und Gemeindehallen als Karotten, während die fusionswilligen Gemeinden die Ausweisung von Baugebieten, die bevorzugte Ansied-lung von Gewerbe, die Sanierung von Einrichtungen, den Erhalt von Schulen, das Offenhalten des Dorfrathauses und vieles mehr zusagten. Über die Knüppel hingegen verfügten vor allem die Länder durch die Drohung mit dem Entzug von Fördergel-dern, mit der Nichtgenehmigung von Bauleitplänen, mit der Herabstufung in der Landesplanung etc. Die fusionswilligen Gemeinden mussten dagegen aufpassen, dass sie die sich zierenden Gemeinden nicht mit Knüppeln in die oft offenen Arme der ebenfalls fusionswilligen Nachbargemeinden trieben.

Vor allem bei Mergers auf einer Ebene kann es nötig werden, rechtzeitig Geburtshelfer hinzuzuziehen, die den Weg zur Fusion begleiten und tatkräftig zur Geburt verhelfen. Doch muss die Geburt auch dann nicht ohne Komplikationen verlaufen. Die Beglei-tung ist meist dadurch gekennzeichnet, dass allfällig auftretende Ereignisse und Fra-gen, die zum Misstrauen auf einer oder mehreren Seiten führen können, schnellstmög-lich und neutral geklärt werden. Im Wesentlichen geht es darum, den Status der zu fusionierenden Einrichtungen zu erheben, die Werte zu ermitteln und Vorschläge für die jeweiligen Gewichte der bisherigen Einrichtungen oder ihrer Tochterunternehmen zu machen19. Die Begleitung benötigt das Vertrauen aller in ihre Seriosität und Unabhängigkeit. Da die Politiker sich vor dem Volk rechtfertigen müssen, kommt es bei den Geburtshelfern besonders darauf an, dass sie auch in der Öffentlichkeit als unbestechlich anerkannt sind. Nicht umsonst werden gern „elder statesmen“ für diese Aufgabe herangezogen.

Für die Mergers von oben kann eine Begleitung, die das Vertrauen der zu fusionieren-den Einheiten genießt, angebracht sein, wenn die entscheidende Einrichtung zwar Entschlossenheit im Sinne der Fusion doch Offenheit bei deren Ausgestaltung de-monstrieren will. Mit ihr soll es gelingen, dass die zu fusionierenden Einrichtungen, wenn schon nicht zustimmen, so doch zugestehen müssen, dass man ihre Belange so weit wie möglich berücksichtigt hat20.

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6 Die neue Institution: Politiknähe oder Politikferne

Vielleicht wäre es besser, nach Politikernähe und Politikerferne bei der neuen Instituti-on zu fragen, weil viele Entscheidungen unter dieser Zielsetzung getroffen werden. Da kommt es für Politiker darauf an, ob das Politikfeld, in dem die neue Institution agie-ren soll, en vogue ist, wie das Verhältnis von Einfluss und zu erwartenden Prügeln ist, wie transparent das Geschehen in der neuen Institution sein soll oder welche persönli-chen Vor- und Nachteile zu erwarten sind. Je nach den Antworten auf diese Fragen wird man die neue Institution politiknäher oder politikferner positionieren21. Politiker werden das Feld eher den Verwaltungsleuten überlassen und sich heraushalten, wenn

das Politikfeld unbedeutend ist,

der mögliche Einfluss auf das Geschehen gering ist (zentrale Entscheidungen sind Experten vorzubehalten)

die Gefahr, Prügel für einmal getroffene Entscheidungen einstecken zu müssen, dagegen groß ist,

die persönlichen Vorteile (Aufwandsentschädigung, Qualität des Tagungsorts etc.) gering sind und

das Haftungsrisiko groß ist.

Ein besonderes Problem stellt die Frage dar, welchen Einfluss die jeweiligen abgeben-den Institutionen haben sollen (entsprechend der Bevölkerungszahl im Einzugsgebiet, der jeweiligen Bedeutung der öffentlichen Dienstleistung in den abgebenden Instituti-onen bzw. in der Bevölkerung, entsprechend den Umsätzen, dem Gewinn oder dem Verlust, dem einzubringenden Vermögen oder einfach gleichmäßig aufgeteilt). Die Verhandlungsführer argumentieren leicht aneinander vorbei, wenn die jeweiligen Bezugspunkte wenig miteinander zu tun haben.. Dann kommt es darauf an, vor einer Verbindung die jeweilige Relevanz zu erfassen. Dies kann nur in vollkommener Transparenz für alle Beteiligten geschehen! Hier benötigen die Politiker die Unterstüt-zung von außen (siehe oben: Geburtshelfer).

Eine weitere bedeutsame politische Frage ist im Ewigkeitswert der zu treffenden Fest-legung zu erkennen. Oft soll die Entscheidung ein für alle mal getroffen werden und Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse oder neue Bewertungen sollen unbe-rücksichtigt bleiben22. Hierin zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zur Privatwirt-schaft, weil dort die Mergervereinbarungen Spielraum lassen für den Fall, dass sich aufgrund der Nach-Merger-Dynamik neue Lösungen anbieten. Der Wert eines Mer-gers würde in der Privatwirtschaft drastisch sinken, wenn man weitere Veränderun-gen verbieten wollte23. Anders bei Public Mergers!24 Da kann die Vereinbarung eher

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7 Politik und Politiker im Verhältnis zu den sieben Ks

Es lohnt sich, die sieben Ks (JANSEN 2001 S. 229 f mit weiteren Nachweisen) unter poli-tischen Gesichtspunkten bzw. mit den Augen der Politiker unter die Lupe zu nehmen und ihre Stellenwerte zu untersuchen.

Abbildung 2: Jansen - 7 Ks der Integration

Koordination

Erfolgsfaktoren

Kultur

Kommunikation

Know-HowKunden und Konkurrenz

Kernbelegschaftund Karriere

Kontrolle

Koordination

Erfolgsfaktoren

Kultur

Kommunikation

Know-HowKunden und Konkurrenz

Kernbelegschaftund Karriere

Kontrolle

Koordination der Integration Daran denken die Politiker außerordentlich wenig, weil sie erwarten, dass das Mana-gement sie bei ihren Überlegungen und Entscheidungen unterstützt oder diese vorbe-reitet hat. Viele Merger-Überlegungen sind vom Top-Management ausgegangen, weil sie die Zeichen der Zeit früher erkannt haben als die Politiker. Diese Aussage stellt keine Breitseite gegen die (träge) Politik dar, vielmehr den nüchternen Hinweis auf die geforderte hauptberufliche professionelle Beschäftigung des Top-Managements mit der Zukunft ihrer Einrichtung – sie treffen ihre Kollegen auf Verbandsversammlun-

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gen, lesen Fachzeitschriften, haben Zugang zu Experten etc.. So werden Sparkassenfu-sionen oder Fusionen der Energieversorger kaum von den Politikern initiiert sondern meistens vom Top-Management, also den Sparkassenvorständen oder den Vorständen der Stadtwerke. Die Integration der vereinigten Einheiten ist meist Sache des Mana-gements, solange sicher gestellt ist, dass die Vereinbarung auch dem gewünschten Geist nach umgesetzt wird.

Kultur Hier ist zu unterscheiden zwischen Mergers von oben und Mergers auf gleicher Ebe-ne.

Bei den Mergers von oben wird gewöhnlich keine Rücksicht auf die verschiedenen Kulturen genommen. Man pflegt ohnehin die Vorstellung, dass Organisation gleich Organisation sei, unterliegen doch alle dem gleichen Reglement (beispielsweise der Gemeindeordnung eines Landes). Weder bei den Gebietsreformen noch bei den vor kurzem verordneten Zusammenschlüssen finden sich Überlegungen zu den Kulturen der jeweiligen Institutionen.25 Mit der Tatsache unterschiedlicher Kulturen (trotz glei-chem Reglement) müssen sich später die mit der Umsetzung der Merger befassten Personen auseinandersetzen26.

Während also Organisationskulturen unbeachtet bleiben, spielen unterschiedliche Kulturen in den jeweiligen Territorien durchaus eine Rolle. In den 70er Jahren war es fraglich, ob man eine katholische Gemeinde mit einer evangelischen, eine schwäbische Gemeinde mit einer badischen (Schwenningen und Villingen zu Villingen-Schwenningen), eine eher links ausgerichtete Gemeinde mit einer konservativen ver-einigen sollte, nur weil die Landesplanung mit ihren Entwicklungsachsen oder Ober-zentren dies anbot.

Bei Mergers auf gleicher Ebene spielen organisationskulturelle Gesichtspunkte eher eine Rolle, zumindest für das Top-Management und in ihrem Gefolge auch für die Politiker. Schließlich tragen sie die Verantwortung für den Erfolg der Merger. Hier allerdings tut sich ein Zwiespalt auf, weil Top-Manager und Politiker eher bereit sind, die vorhandenen Unterschiede zu belassen oder sogar festzuschreiben (Standorte bleiben erhalten, Versetzungen werden nicht vorgenommen, die Abteilungen werden parallel weiter geführt). Wenn dies geschieht, bedeutet Erfolg lediglich, dass kein Desaster eingetreten ist (man im Zweibettzimmer miteinander auskommt), und nicht, dass man das Beste aus der Fusion gemacht hat (Doppelzimmer).

Kommunikation Politiker fühlen sich für die Kommunikation mit der Bevölkerung verantwortlich, kaum aber für die Kommunikation mit den Beschäftigten. Gegenüber den Beschäftig-ten ist vielmehr das Top-Management gefordert. Dies gilt gewöhnlich auch, wenn die Politiker verlangen, dass die Fusion zu Einsparungen führt, die später vom Personal getragen werden müssen.

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Know-How und Kernkompetenzen Der Verlust von Know-How stellt bei Public Mergers ein geringes Problem dar, weil Personalarrangements bevorzugt werden, die zu keinem oder keinem schnellen Ver-lust an Arbeitsplätzen führen. Man sichert Weiterbeschäftigung zu und nutzt bei Spar-vorgaben allenfalls die Fluktuation. Die Zahl der Vorstände wird eher erhöht, um alle vorhandenen unterbringen zu können, und wird erst mit deren Ausscheiden auf das gewünschte Maß reduziert.

Kunden und Ko-Produzenten Auch hier halten sich die Politiker eher zurück, weil sie es als Aufgabe des Top-Management betrachten, dafür zu sorgen, dass die neue Einrichtung läuft. Allenfalls im mit Politikern besetzten Verwaltungsrat wird über Schwierigkeiten diskutiert. Mehr als in der Privatwirtschaft ist aber zu befürchten, das die für die Fusion nötigen Mittel nicht zur Verfügung gestellt werden, seien es Sachinvestitionen oder Beratung. Leicht kann es zu Engpässen kommen, die sich in einer Verschlechterung des Service oder in einer Vernachlässigung des Wettbewerbs niederschlagen. Der Druck von Kun-den und vor allem der Konkurrenz wird im öffentlichen Bereich weniger wahrge-nommen.

Kernbelegschaft und Karrieren In jedem Merger liegt eine längere Zeit der Ungewissheit: Kommt er zustande? Wie wird er vollzogen? Die Beschäftigten sehen ihre bis anhin vorgestellte und vielleicht aktiv betriebene Zukunft in Gefahr.

Dies kann die Beschäftigten durchaus lähmen, obgleich sich deren tatsächliche Lage meist weniger kritisch darstellt als in der Privatwirtschaft. Das subjektive Empfinden ist hier allerdings wichtiger als die tatsächliche Lage. Es wird stark von den Personal-vertretungen oder Betriebsräten und den hinter ihnen stehenden Gewerkschaften beeinflusst, dies in zweierlei Hinsicht:

indem die Lage dramatisiert wird,

indem alles getan wird, um die Beschäftigten abzusichern.

Die Politiker sehen sich hier wiederum weniger beteiligt und betrachten es als Aufga-be des Top-Managements, mit der Ungewissheit der Beschäftigten umzugehen und sie aufzulösen.

Kontrolle Dieses K stellt sich als echter Mangel im öffentlichen Bereich dar. Selten werden Fusi-onsziele so klar definiert und daraus einzelne Schritte abgeleitet, dass sie für eine be-gleitende oder gar rückblickende Kontrolle (Evaluation) in Frage kommen können. Das Interesse daran fehlt im Allgemeinen. Eher gibt es subjektive Beobachtungen, die sich zu – kaum begründbaren – Auffassungen wie die Fusion sei erfolgreich verlaufen oder die Fusion sei gescheitert, verdichten können.

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Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass es kaum Evaluationen öffentlicher Mergers gibt.

Fazit Nach diesen Ausführungen lässt sich ein kurzes Fazit ziehen:

Der Einfluss der Politiker auf das Fusionsgeschehen bezieht sich mehr auf das Zustandekommen als auf die Fusion selbst.

Politiker sind seltener Initianten von Mergers. Allenfalls bei von oben verordneten Fusionen ergreifen Politiker die Initiative.

Politiker achten auf die Reaktionen aus der Öffentlichkeit, weniger auf die Reakti-onen aus dem Kreis der Beschäftigten.

Politiker sind eher bereit, den Ewigkeitswert bestimmter Festlegungen zu bestim-men. Damit verringert sich die Möglichkeit für die fusionierte Einrichtung, die of-fene Zukunft für sich zu nutzen.

Die sieben Ks nach Jansen werden von den Politikern ganz unterschiedlich gese-hen.

Anmerkungen 1 Dazu ist der vom Land Baden-Württemberg befohlene Zusammenschluss der Landesversi-

cherungsanstalten Baden und Württemberg (Seiter unter 4.1) zu zählen. 2 Dazu gehören die meisten Fusionen von Sparkassen (2005 Stadtsparkasse Köln und Sparkas-

se Bonn zur Sparkasse KölnBonn) oder Energie- und Wasserversorgungsunternehmen (2000 EWAG der Stadt Nürnberg, FÜW der Kommunen des Umlandes und MEG für die Gasver-sorgung des Gesamtgebiets).

3 Jansen spricht in seinem Beitrag von politisch induzierten Zusammenachlüssen (Top-Down-Fusionen) und unternehmerisch induzierten Zusammenschlüssen (Symmetrie-Fusionen). Die hier so bezeichneten Mergers von oben sind von einer höheren Ebene veranlasst, während eine Top-Down-Fusion nach Jansen durch die politische Zielsetzung gekennzeichnet ist. Das Land verordnet beispielsweise einen Gemeindezusammenschluss gegen den Willen der be-troffenen Gemeinden: Merger von oben! Ein Kreis fügt seine zwei Kreiskrankenhäuser zu ei-ner Einheit zusammen, obwohl die Krankenhausleitungen sich dagegen sperren: Top-Down-Fusuion! Die zwei Krankenhäuser erkennen die Vorteile einer Verschmelzung: Symmetrie-Fusion nach Jansen und Merger auf einer Ebene nach meiner Nomenklatur!

4 In der Sachsen-Finanzgruppe sind heute mehrere Sparkassen zusammengeschlossen: Die kommunale Trägerschaft ist nicht mehr gegeben und durch die öffentlich-rechtliche Träger-schaft der Sachsen-Finanzgruppe ersetzt. Letztere hält darüber hinaus Anteile an der Sachsen LB. Der Anstoß zur Fusion in einer Land und Kommunen übergreifenden sächsischen Spar-kasse war 1998 vom Freistaat Sachsen gekommen. Das in der Folge geschaffene (und von den Kommunen bekämpfte) Gesetz durchlief ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof für

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den Freistaat Sachsen, ein Volksbegehren und 2001 einen Volksentscheid, bei dem es gekippt wurde. Das heute für diese Finanzgruppe entscheidende Gesetz stammt vom 25. 11. 2002 und berücksichtigt die Haltung der Kommunen, die Sparkassen als kommunale Angelegenheiten betrachten.

5 So fördern mehrere Schweizer Kantone Gemeindezusammenschlüsse. Ein großer Zusam-menschluss kam 2003 im Kanton Tessin zustande (Lugano plus 8 Gemeinden zu La Nuova Lugano). Der Kanton Luzern befasst sich im Rahmen seines Gemeindereformprojektes 2000+ auch mit Zusammenschlüssen. Im großen und ganzen sind aber die Zusammenschlüsse in der Schweiz eher bei 2 anzusiedeln. Die Kantone werden tätig, wenn die Gemeinden die Fu-sion wollen. So bei Nesslau und Krummenau im Kanton St. Gallen. Erst nach klaren Entscheidungen für die Fusion hat der Kantonsrat am 3. Mai 2004 sein Gemeindegesetz revidiert. Weitere Gemeindezusammenschlüsse sind in der kommunalen (und weniger in der kantonalen) Diskussion.

6 Bei der neuen LVA Baden-Württemberg waren es nicht die Landespolitiker, die auf Kunden-bedürfnisse Wert gelegt hätten, sondern die TOP-Manager, die aus der Fusionsnot eine Fusi-onstugend hin zu räumlicher Dezentralität gemacht haben (Siehe Seiter unter 4.1)

7 Beispielsweise in Berlin bei der Zusammenführung großer Krankenhäuser. Diese Fusionen wären eindeutig bei „3“ anzusiedeln. Sie sind durch die übergroße Bettenkapazität nach der Vollendung der Einheit und durch die Finanzlage Berlins bedingt.

8 Darüber hinaus gibt es eine Privatisierungswelle, weil die bisherigen öffentlichen und frei-gemeinnützigen Träger die notwendigen Investitionen und die Reorganisationen in den Be-triebsabläufen nicht mehr zu schultern vermögen.

9 So die Hybris-Hypothese von Roll – siehe Jansen 2003 S. 77 10 Einen interessanten zukunftsgerichteten Weg haben Schleswig-Holstein und Hamburg mit

der Gründung der Dataport (Anstalt des öffentlichen Rechts), in die zu Beginn des Jahres 2004 die bisherige Datenzentrale Schleswig-Holstein und auf Hamburger Seite das Lan-desamt für Informationstechnik sowie die Abteilung für Informations- und Kommunikati-onstechnik des Senatsamts für Bezirksangelegenheiten aufgegangen sind. Der Weg wurde durch eine Vision begleitet – also auf zu neuen Ufern! (Siehe Kammer 2003)

11 Tsebelis 2002, S. 19 gebraucht eine positiv formulierte Definition: „Veto players are individual or collective actors whose agreement is necessary for a change of the status quo. It follows that a change in the status quo requires the unanimous decision of all veto players.”

12 D. h. „aufgrund der Option eines „non-decision-making“ den Prozess öffentlichkeitswirksam zu stören und zu blockieren“ (Reiners 2004, S. 102)

13 Man erklärt den alten Behördensitz zur Hauptzweigstelle statt ihn aufzulösen, schreibt die bisherige Verteilung der Mittel fort, addiert lediglich die alten Organisationsstrukturen und beschränkt sich auf neue Türschilder.

14 Und wie Reiners 2004, S. 102 für die Reform in Baden-Württemberg zeigt, auch auf Landes-ebene

15 Erst in jüngster Zeit müssen sich die Personalvertretungen bzw. Betriebsräte und die hinter ihnen stehenden Gewerkschaften dem Diktat der leeren Kassen beugen und akzeptieren, dass tarifliche Bindungen entfallen. Dies ist vor allem in den Branchen der Fall, die zuneh-mendem Wettbewerb ausgesetzt sind (Versorgungs- und Entsorgungsunternehmen, Ver-kehrsunternehmen, Krankenhäuser).

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Politische Voraussetzungen einer Fusion

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16 Siehe Fiedler und Sponheuer unter 1.3.1 Erfolgsfaktor 3: Mit einem ganzheitlichen

Transformationsprozess etwas Neues schaffen. 17 Die Unterscheidung „Handelnde und Zuschauer“ hat nichts mit der ebenfalls relevanten

Unterscheidung „Entscheider und Betroffene“ (siehe Schulz und Dinger unten 2.2.2) zu tun. Zuschauer sind nicht Betroffene und umgekehrt.

18 Gute Beispiele aus jüngerer Zeit sind die Fusion des Süddeutschen Rundfunks und des Süd-westfunks zum Südwestrundfunk im Jahr 1998 (Staatsvertrag der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vom 31. Mai 1997), die Fusion der Opernhäuser in Berlin durch das Gesetz Stiftung „Oper in Berlin“ vom 17. 12. 2003. Damit ist die Trägerschaft der Opern und des Balletts nebst den zugehörigen Service- und Verwaltungsbetrieben auf die Stiftung übergegangen. Allerdings bleiben die künstlerischen Leitungen der Opernhäuser und des Balletts erhalten. In beiden Fällen hatten sich die Einrichtungen gegen die Fusionen gewehrt und im Verlauf der Diskussion Zugeständnisse erhalten. Die Überlegungen bezüg-lich Berlin sind dargestellt in „Oper in Berlin – Strukturkonzept“ (www.kultur.berlin.de-/4_kultur/inhalt/1_kulturpolitik/3_opern/pdf/opernkonzept.pdf). Der Südwestrundfunk geht auf seine Vergangenheit nicht mehr ein.

19 So kommt es in Italien immer häufiger zur Fusion von regionalen Gesundheitsbetrieben mit kommunalen Sozialbetrieben für Pflegeeinrichtungen von Betagten und Behinderten. SDA Bocconi, die Business School der Università Commerciale Luigi Bocconi, begleitet die jeweili-ge für das Gesundheitswesen zuständige Region (Land) und die für die Sozialeinrichtungen zuständigen Kommunen bei der Klärung der bisherigen Produktspektren, der Nutzerkreise, der Vermögenswerte und der zu erwartenden Vorteile und macht Vorschläge für den Zu-sammenschluss und zu den Anteilen, die die bisherigen Träger am neuen Unternehmen ha-ben sollen. Ohne die Begleitung durch einen unabhängigen Dritten würden diese Fusionen wahrscheinlich nicht zustande kommen. Auch in Deutschland hat sich die Einschaltung von Dritten bewährt, siehe den Zusammenschluss der Stadt Hannover und des Landkreises Han-nover zur Region Hannover (Beitrag von Loff). Von diesen Geburtshelferfällen abgesehen kann sich die Einschaltung von Dritten zur Begleitung einer an der Fusion beteiligten Ein-richtung lohnen. Schließlich stellt eine Fusion kein Tagesgeschäft dar, für das man Kapazität vorhält. Jede Fusion ist zusätzlich zum Tagesgeschäft zu bewältigen. Dies ist dann ähnlich wie in der Privatwirtschaft eine ganz normale Unternehmensberatung.

20 Dass auch dies nicht immer gelingt, musste der Konstanzer Philosoph Jürgen Mittelstraß erfahren, der nach einem allseits akzeptierten Konzept für die Fusion der Universitäten Duis-burg und Essen suchen sollte. Dazu kam es nicht. Seit 2003 ist die vom Land Nordrhein-Westfalen oktroyierte Fusion im Gange.

21 Bisweilen sind Politiknähe oder Politikferne verfassungsrechtlich vorgegeben. So darf beim Bayerischen Rundfunk der Anteil der von Staatsregierung und Landtag in die Kontrollorgane entsandten Vertreter ein Drittel nicht übersteigen. Es sind die bedeutsamen politischen, welt-anschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen angemessen zu beteiligen. (Art. 111a Abs. 2 S. 2 + 3 Verfassung des Freistaats Bayern)

22 Gute Beispiele für Veränderungen sind auf europäischer Ebene die bereits 1951 vereinbarte Montanunion (Vergemeinschaftung von Kohle und Stahl) und die 1957 vereinbarte Euratom mit der (in den Ansätzen stecken gebliebenen) Vergemeinschaftung radioaktiven Materials zu deren friedlicher Nutzung. Beide Wirtschaftszweige haben ihre damals immense strategi-sche Bedeutung verloren. Der Ewigkeitswert einer Mergervereinbarung dagegen zeigt sich beispielhaft an der Nachwirkung des Staatsvertrages zwischen dem Freistaat Bayern und

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Harald Plamper

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dem Land Sachsen-Coburg von 1920 (Sachsen-Coburg wurde mit Bayern vereinigt) bei den bayerischen Kreis- und Gemeindereformen der 70er Jahre.

23 Höchst und Rhone-Poulenc haben sich erst Ende 1999 zu Aventis zusammen geschlossen, das 2004 (schließlich friedlich) von Sanofi übernommen wird.

24 Eine historische Stadtkarte von Köln zeigt für das vergangene Jahrhundert drei Wellen von Zusammenschlüssen (20er, 50er und 70er Jahre).

25 Dies ist anders in der Privatwirtschaft. Dort ist es doch anerkannt, dass Unternehmen „fun-damentally heterogeneous“ sind. (Peteraf 1993, S. 179). Deshalb spielt die cultural-due-diligence-Prüfung eine so große Rolle.

26 Beispielsweise sind die Kulturen in den Rathäusern von Nürnberg und Fürth (beide sind seit etwa 100 Jahren zusammen gewachsen) grundverschieden.

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Andreas Huber

„Public Due Diligence“ – Von der Machbarkeitsstudie zur Entscheidungsfindung Realistische Fusionserwartungen, realisierbare Synergiepotenziale, Machbarkeitsstudien und die Schlüsse daraus

1 Warum gerade diese Fusion? ......................................................................................... 59 1.1 Fusionserwartungen im öffentlichen Sektor ....................................................... 61 1.2 Die zwei oder drei Baustellen ............................................................................... 63 1.3 Arten von Synergien .............................................................................................. 64 1.4 Von der Kooperation zur Fusion .......................................................................... 66 1.5 Fusionsformen ........................................................................................................ 68 1.6 Funktionalfusionen sind politisch einfacher als Totalfusionen ........................ 71

2 Die Machbarkeitsstudie .................................................................................................. 74 2.1 Die Machbarkeitsstudie im Privatsektor ............................................................. 74 2.2 Die Entwicklung einer Public Due Diligence...................................................... 77 2.3 Welche Untersuchung sollte wann durchgeführt werden?............................... 79 2.4 Vom Ziel- über den Strategie- bis zum Umsetzungsprozess ............................ 82 2.5 Quantitative und qualitative Aspekte der Machbarkeitsstudie ....................... 85

3 Fazit ................................................................................................................................... 88

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Andreas Huber

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Zusammenfassung: Dieser Aufsatz beschäftigt sich mit Fusionserwartungen und Synergiepotenzialen und gibt eine Antwort auf die Frage, wann und warum in einem Fusionsprozess eine Machbarkeitsstudie erstellt werden soll und auf welche Wirkungen eine solche Studie abzielt. Eine Machbarkeitsstudie wird naturgemäß zu Beginn einer Fusion bzw. be-reits bei den Vorverhandlungen erarbeitet. Darüber hinaus wird eine Erweiterung der „klassischen“ Machbarkeitsstudie angeregt und neben den organisatorischen, rechtli-chen und finanziellen Fragen insbesondere auch politische Aspekte und Bedürfnisse der Öffentlichkeit zu betrachten. Fusionen im öffentlichen Sektor gehorchen ein Stück weit anderen Gesetzmäßigkeiten als solchen im Privatsektor. Aus diesem Grund ist es erforderlich, eine eigene Form der Machbarkeitsstudie zu finden: die „Public Due Diligence“

Kurztext zum Autor: Andreas Huber ist als Forscher und Berater im Bereich von Fusionen im öffentlichen Sektor tätig. Er ist einer der Gründer der Forschungsgruppe »Public Merger« an der Zeppelin-University in Friedrichshafen am Bodensee und Visiting Researcher am dortigen Lehrstuhl für Politische Ökonomie. Zuvor arbeitete er mehrere Jahre als Ma-nagementberater. Seine Arbeitsschwerpunkte lagen im Bereich des Strategischen Ma-nagements, bei Fusionen im öffentlichen Sektor und Synergiepotenzialanalysen. Herr Huber hat unter anderem folgende Körperschaften bei der Vorbereitung, Durchfüh-rung bzw. Nachsorge von Fusionen begleitet: die Region Cottbus-Spree-Neiße, die Gewerkschaft ver.di und das Landesumweltamt Brandenburg. Gegenwärtig führt er eine Begleitforschung bei der fusionierten Uni Duisburg-Essen durch und arbeitet er als Trainer und Koordinator von Seminaren und Konferenzen zum Thema Fusionen für Organisationen und Verbände.

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„Public Due Diligence“ – Von der Machbarkeitsstudie zur Entscheidungsfindung

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1 Warum gerade diese Fusion?

“Die größten Chancen entwickeln sich aus der Krise. Krisen zwingen die Menschen zum Wandel und

die Erneuerung schafft häufig neue Möglichkeiten.“ (chinesische Weisheit)

Eine Fusion ist ein aufwändiges Unterfangen, das über einen längeren Zeitraum politi-sche, administrative und soziale Energie kostet. Es stellt sich deshalb immer die Frage, warum gerade diese Fusion durchgeführt werden soll und was die konkreten Erwar-tungen im Hinblick auf die Resultate sind? Weshalb sollen die Beteiligten sich diesen Aufwand antun und wie sollen sie die Kraft raubende Zeit der Veränderung durch-stehen?

Damit sind drei Fragen angesprochen, die als Hintergrund für diesen Beitrag dienen:

Warum soll eine Fusion durchgeführt werden?

Was sind realistische Erwartungen im Hinblick auf die Resultate?

Woher soll man die Gewissheit und die Kraft für den Veränderungsprozess neh-men?

Fusionen im öffentlichen Sektor stehen – anders als Fusionen im Privatsektor – schon während der Vorverhandlungen und ab dann unablässig unter der Beobachtung der Öffentlichkeit. Diese Öffentlichkeit setzt sich aus allen Bürgern zusammen, die direkt und indirekt betroffen sind oder sich betroffen fühlen. Sie können sowohl aufgrund ihrer Rolle als Bürger, Steuerzahler, Politiker, Verwaltungsmitarbeiter, Kunden oder auch als sonstige Personen öffentlichen Interesses betroffen oder in den Prozess invol-viert sein. Diese gesamte Öffentlichkeit sieht sich bei Fusionen im öffentlichen Sektor mehr oder weniger als zu beteiligen an. Im Privatsektor sind die Vorverhandlungen, die Machbarkeitsstudie („Due Diligence“) und der Vertragsabschluss hingegen eine geheime und unsichtbare Sache.

Sowohl die Erwartungen und Hoffnungen in Bezug auf die positiven Auswirkungen einer Fusion im öffentlichen Sektor als auch der Umgang der Öffentlichkeit mit dem Thema der Fusion sind gerade in der ersten Phase der Anbahnung einer Fusion andere als die im Privatsektor: der gesamte Verhandlungsprozess muss transparenter und auch verständlicher sein, denn die Öffentlichkeit will zumindest an der Diskussion teilnehmen bzw. verstehen, worum es geht. Je mehr eine Organisation die Emotionen

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Andreas Huber

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weckt oder eine politische Relevanz aufweist, umso größer wird das öffentliche Inte-resse sein. Bei der Fusion zweier Stadtwerke oder zweier sonstiger Eigenbetriebe wird die Öffentlichkeit weniger Notiz nehmen als beider Fusion von Organisationen, die im Rampenlicht stehen, wie etwa Theater , Opern, Hochschulen oder Kommunen.

Gelingt es nicht, die betroffene bzw. beteiligte Öffentlichkeit von der Notwendigkeit einer Fusion zu überzeugen, dann besteht die Gefahr, dass der Fusionsprozess von dieser Seite empfindlich gestört werden kann. Fusionsgegner aus den Reihen der Be-teiligten oder Betroffenen können dann versuchen, die Öffentlichkeit in Form der Presse oder der Parteien zu mobilisieren, um die eigenen Ziele durchzusetzen oder die Fusion ganz zu verhindern. Anders als bei Fusionen im Privatsektor lassen sich diese Personen aus strukturellen Gründen nicht aus dem Fusionsprozess ausschließen. Es muss folglich mit ihnen und der Öffentlichkeit umgegangen werden, wenn die Fusion erfolgreich sein soll.

Der Anstoß zu einer Fusion kann sowohl Ausdruck eines politischen Veränderungs-willens sein oder auch aus einer zukunftsgerichteten unternehmerischen Überlegung aus der Organisation selbst heraus kommen. Es bedarf entweder einer großen Stärke der Agierenden, diesen langen Veränderungsprozess durchzustehen, oder eines ent-sprechend großen Leidensdrucks bis hin zu einem Untergangsszenario. Wenn man die Fusion zur Region Hannover betrachtet (vgl. Beitrag von LOFF), kann man erkennen, dass solch ein Fusionsprozess mitunter Jahrzehnte dauern kann, bis eine kritische Masse an Befürwortern zusammenkommt. Bezüglich der Untergangsszenarien legt eine erste übersichtsartige Untersuchung bei Fusionen im Kulturbereich (vgl. FÖHL, 2003 und FÖHL, HUBER 2004) den Schluss nahe, dass gerade diejenigen Fusionen am erfolgreichsten waren, bei denen es wirtschaftlich gesehen keine Alternative mehr gab und dieser Umstand gleichzeitig allen Handelnden einsichtig war. Wahrscheinlich unterstützt ein „gewisser Druck“ auf die Organisationen die Bereitschaft zur Verände-rung.

Gleichwohl tun alle Organisationen gut daran, sich ein umfassendes Bild von der eigenen und der fremden Organisation zu machen, bevor sie sich auf das Fusionsaben-teuer einlassen. Dabei müssen die Stärken und Schwächen des jeweiligen Partners identifiziert und Vorschläge für die konkrete Umsetzung gemacht werden. Darüber hinaus ist es auch besonders notwendig, miteinander in ein ernsthaftes Gespräch über die Zusammenarbeit und gewisse politische Fragen zu kommen. Weitet sich das Ge-spräch zu einem echten Dialog über eine gemeinsame Zukunft, dann hat eine Fusion eine reelle Chance auf Erfolg.

Mit einer profunden Machbarkeitsstudie erhält man im günstigen Fall konkrete Aus-sagen über zu erwartende Auswirkungen und Ergebnisse einer Fusion. Mit der Studie kann Handlungsdruck erzeugt werden, der die politische und öffentliche Diskussion ein Stück weit zu verobjektivieren und einzelne Argumente zu bestärken oder abzu-schwächen vermag. Folgende Aspekte sollten betrachtet werden:

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„Public Due Diligence“ – Von der Machbarkeitsstudie zur Entscheidungsfindung

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Bestandsaufnahme über den aktuellen Zustand / Sachstand der Organisationen

Analyse der Entwicklungsfähigkeit der Organisationen

Stärken und Schwächen analysieren und bewerten

Synergiepotenziale prognostizieren

1.1 Fusionserwartungen im öffentlichen Sektor

Durch Fusionen im öffentlichen Sektor sollen gewünschte Resultate erreicht werden, von welchen die Entscheider annehmen, dass sie durch eine andere Form der Organi-sationsentwicklung nicht zu realisieren wären:

1. überproportionale Einsparungsmöglichkeiten,

2. Vergrößerung der Macht- und Einflusssphäre,

3. Hoffnung auf günstigere Entwicklungsperspektiven für die Zukunft.

Die allgemein angespannte Finanzlage im öffentlichen Sektor bewirkt, dass die politi-schen und administrativen Einheiten – wie etwa Ministerien, Kommunen oder Ver-bände – immer weniger Finanzmittel zur Verfügung haben, um nachgeordnete Orga-nisationen – wie etwa Hochschulen, Kliniken oder Behörden – damit zu finanzieren. Die Zuwendungsgeber streichen den Empfängern schrittweise oder abrupt das Budget zusammen und zwingen sie auf diese Weise, ihrerseits die Finanzierung zu überden-ken und / oder neu auszurichten. Wenn es nicht gelingt, neue Finanzquellen, etwa durch Kooperationen mit privaten Geldgebern zu finden (z.B.: durch Public Private Partnerships), dann bleibt nur das Schrumpfen und Einsparen als Ausweg. Ist es für die Geldgeber dringend erforderlich, überproportional große Einsparungsziele zu erreichen, dann helfen nur radikale Schnitte bei den finanzierten Organisationen.

Eine Möglichkeit zur drastischen Einsparung besteht darin, zwei oder mehr Organisa-tionen zusammenzuführen, Doppelarbeiten zu eliminieren, Synergiepotenziale zu realisieren und bestimmte Sparquoten festzusetzen. In solch einem Fall spricht man von einer Kostenfusion (cost merger). Hier sind die Ziele auf der finanziellen Ebene in der Regel klar definiert und es geht um die Umsetzung in der Organisation. Meist geben die „Besitzer“ bzw. Zuständigen klare Vorgaben, wie viel Prozent des aktuellen Budgets in den kommenden Jahren eingespart werden muss. Dieser Sparzwang zwingt die Organisationen dann zu drastischen Einschnitten und Veränderungen des eigenen Organisationsaufbaus oder eben zu einem Zusammengehen mit anderen Organisationen. Diese Fusionen sind Top-down-Prozesse und mehrheitlich politik- und finanzgetrieben. Ein Großteil der Fusionen im öffentlichen Sektor kann der Grup-pe der Kostenfusionen zugeordnet werden, denn es geht vordringlich um Einspa-rungsziele und Konsolidierung der Haushalte.

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Ein weiterer Grund für eine Fusion kann auch der Wunsch der Entscheider sein, ihre Macht- und Einflusssphäre zu vergrößern. Eine solche Machtfusion (political merger) kann sowohl aus egoistischen Machüberlegungen geschehen als auch ganz im Sinne der Organisationsziele liegen. Wenn heute immer wieder über Neu- und Umvertei-lung der föderalen Aufgabenerbringung diskutiert wird, dann sind größere politische Einheiten durchaus ein wichtiger Faktor, die Macht der eigenen Organisation zu erhal-ten und auszubauen. Die Fusionen der Gewerkschaft ver.di und des Senders SWR können als Beispiele dafür genannt werden, wie durch eine Fusion ein größeres politi-sches Gewicht angestrebt wird.

Sind weder Finanzen noch Marktausdehnung vordringlich und geht es um eine güns-tigere Entwicklungsperspektive für die Zukunft, dann kann es sich um den Typus der Wachstumsfusion (growth merger) handeln. Hierbei werden sich Organisationen aus dem öffentlichen Sektor mit Organisationen mit gleichem oder sich ergänzendem Leistungsangebot zusammenzutun, um künftig ein noch breiteres oder auch tieferes Angebotsspektrum zu besitzen.

Die wohl am weitesten verbreitete Erwartung und Hoffnung der Entscheider im öf-fentlichen (und auch privaten) Sektor ist die, dass eine Fusion auch kurzfristig zu Einsparungen verhelfen würde und dass dadurch die notwendige Konsolidierung rasch erreicht werden könnte. In den wenigsten Fällen wird diese Annahme haltbar sein und somit ein frommer Wunsch der Beteiligten bleiben. Es scheint vielmehr so zu sein, dass kurzfristige Einsparungen nur durch radikale Schnitte in die Organisation möglich sind. Bei dieser Methode kann (und wird) durch die Politik eine nahezu be-liebige Sparquote festgesetzt werden, die dann durch die Organisation erreicht werde muss. Die Höhe der Sparquote wird sich nach der erwünschten Qualität der Auftrags-erfüllung richten. Das ist eine zutiefst politische Frage und muss dort behandelt wer-den! Dem gegenüber steht natürlich der hoheitliche und gesellschaftliche Auftrag, dem sich die Politik nicht entziehen kann.

Ist die Politik jedoch versucht, die erwünschten Einsparungen relativ kurzfristig durch eine Fusion und durch die Realisierung möglicher Synergiepotenziale zu erreichen, besteht eine reale Gefahr, dass ihre Erwartungen enttäuscht werden. Selbst bei Fusio-nen in der Privatwirtschaft sind die Fusionskosten durch die Einsparungen aufgrund von realisierten Synergiepotenzialen kaum wett zu machen, sondern nur durch Wachstum.

Es scheint also, dass größere Einsparungen nur durch Einschnitte in die Organisation möglich werden. Diese könnten jedoch auch ohne eine Fusion gemacht werden. Das bedeutet zunächst, dass zur Realisierung von kurzfristigen Sparzielen eine Fusion nicht dienlich ist. Ganz anders sieht es mit den mittel- bis langfristigen Einsparungs-möglichkeiten aus, denn durch eine Fusion kann einer Organisation eine neue strate-gische und organisationale Ausrichtung gegeben werden. Dennoch hoffen viele Ent-scheider schon auf recht kurzfristige positive Veränderungen aufgrund einer Fusion. Dieser Hoffung soll hier entgegengetreten werden: weder Fusionen im Privatsektor

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„Public Due Diligence“ – Von der Machbarkeitsstudie zur Entscheidungsfindung

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noch Fusionen im öffentlichen Sektor zeitigen kurzfristige Einsparungen aufgrund von realisierten Synergiepotenzialen.

1.2 Die zwei oder drei Baustellen

In der Realität werden sich Fusionen nicht ausschließlich der Macht-, Kosten- oder Wachstumsfusion zurechnen lassen, sondern eine Mischung aus mehreren sein: knap-pe Ressourcen zwingen zu Konsolidierung oder Wachstum, politischer Einflusswille erfordert Ausbreitung, Wachstumspotenzial ergibt sich aus Kostensynergien und Einsparungen und so weiter. Die Begründungszusammenhänge können entsprechend hin- und her gewendet werden.

Wenn man vor diesem Hintergrund die Fusion der HypoVereinsbank betrachtet, dann standen zunächst die Kosten im Vordergrund. Dieser ersten Phase, die hier ungefähr ein Jahr dauerte, folgte eine zweite längere Phase folgt, die als Wachstumsphase zu bezeichnen ist.

Abbildung 1: Die Zwei-Baustellenlogik der HypoVereinsbank (HVB), Jansen, 2004, S.461

Es wäre eine interessante wissenschaftliche Frage, ob der Wille nach Einfluss und Macht die Idee einer Fusion aufkommen lässt, doch zunächst nichts geschieht, weil sich politische und organisationale Systeme nicht so einfach bewegen lassen. Erst bei

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Eintreten einer finanziellen Krise werden die gedanklichen „Vorarbeiten“ zu einer Argumentationskette im Zusammenhang mit Einsparungspotenzialen verknüpft und das Vorhaben als eine Kostenfusion bezeichnet. Wenn dann wiederum – vielleicht erst nach einigen Jahren der Fusionierung – bestimmte Einsparungsziele erreicht sind, wird über ein mögliches Wachstum diskutiert, das sich aus der Fusion ergeben könnte.

Vielleicht ist es auch nur eine Frage des Beobachtungszeitpunktes und -blickwinkels, der darüber entscheidet, welchen Aspekt von Fusion man wahrnimmt. Womöglich sind sogar alle drei Fusionsarten immer zeitgleich vorhanden und wechseln sich nur in der Sichtbarkeit und Dominanz ab? Oder, dritte Möglichkeit, es handelt sich um „Verkaufsargumente“ gegenüber erstens der eigenen Managementriege bzw. Partei (Machtgewinn), zweitens den Investoren, Kunden und Bürgern (kurzfristige Einspa-rungen) und drittens der Verwaltung (Wachstumspotenzial).

Wenn man diesen Gedanken weiterdenkt und die möglichen Auswirkungen auf Fusi-onen im öffentlichen Sektor betrachtet, was ergeben sich dann für Auswirkungen auf den Gesamtprozess? Was wäre, wenn eine Fusion im öffentlichen Sektor im Gegensatz zu einer Fusion im Privatsektor diese drei Fusionsanlässe nicht hintereinander, son-dern nebeneinander hätte?

Wenn sich also im öffentlichen Sektor die verschiedenen Fusionsarten nicht auf ver-schiedene Fusionen verteilen, sondern (mehr oder weniger) bei jeder Fusion (gleichzei-tig oder in verschiedenen Phasen) auftreten und damit alle Fusionen im öffentlichen Sektor eine Phase als Kostenfusion, eine als Wachstumsfusion und eine als Machtfusi-on durchmachen würden, dann hätte das Auswirkungen auf den gesamten Begrün-dungszusammenhang von Fusionen zumindest im öffentlichen Sektor und würde die Sicht auf Fusionen im öffentlichen Sektor verändern. Sie wären dann – wie oben schon angesprochen – von den Erwartungen auf kurzfristige Konsolidierung befreit und könnten stärker als eine strategische Methode zur zukunftssichernden Organisations-entwicklung begriffen werden.

Wenn weiterhin die Bedeutung der gezielten und verfeinerten Kommunikation in die verschiedenen Systeme Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit hinein einen noch grö-ßeren Stellenwert erhalten wird, müsste jedes Teilsystem mit den Informationen ver-sorgt werden, die in seinem Wahrnehmungssystem eine gewisse Relevanz haben und im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie bedeutend sind. Das würde ungeahnte An-forderungen an eine Öffentlichkeitsarbeit bei Fusionen im öffentlichen Sektor stellen, der bislang nur wenige Organisationen gerecht geworden sind.

1.3 Arten von Synergien

Es lassen sich drei Arten von Synergien durch Kooperationen unterscheiden: horizon-tal, vertikal und lateral.

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„Public Due Diligence“ – Von der Machbarkeitsstudie zur Entscheidungsfindung

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Eine horizontale Synergie liegt dann vor, wenn sich mehrere gleichartige Organi-sationen zusammenschließen und so allein durch ihre Größe ein stärkeres Markt- bzw. Politikgewicht erhalten. Diese Synergie entsteht durch die Bündelung mehre-rer Leistungen eines Produktsortiments bzw. einer Wertschöpfungskette zweier Organisationen. Der Infrastrukturkonzern HERA in der Region Romagnia zwi-schen Bologna und Rimini ist ein Beispiel dafür: hier haben alle Kommunen der Region ihre Eigenbetriebe (Strom, Wasser, Gas etc.) in einen Konzern zusammen-geführt (vgl. BOCCONI, 2004). Innerhalb der jeweiligen Sparten hat also eine hori-zontale Konzentration stattgefunden. Für die HERA bestand der Anlass zu dieser großen Fusion darin, auf dem europäischen Markt als großer Anbieter auftreten und etwa mit den französischen Wasserkonzernen mithalten zu können. Die Zu-sammenführung dieser primären Arbeitsfelder verlangt eine hohe fachliche Kom-petenz, denn zumeist sind verschiedene Systeme, Methoden und Ansichten zu in-tegrieren. Am einfachsten realisierbar sind Synergiepotenziale zwischen Sekundär- und Tertiärleistungen von Organisationen: Dazu zählen etwa Buchhaltung, EDV, Controlling/ Leistungserfassung, Einkauf, Hol- und Bringedienste, Informations- und Sicherheitsdienste, Besucher-/ Mitarbeitercafeteria, Fortbildung, Küche, Perso-nalverwaltung, Technische Abteilung, Wäscherei usw. Diese Leistungen können als Unterstützungsdienste für die eigentlichen Kerntätigkeiten oder Primärleistungen verstanden werden. Ein erhoffter Synergieeffekt besteht darin, durch eine größere Anzahl von Fällen, die Kosten pro Leistung zu reduzieren (economies of scale). Je einfacher eine Leis-tung standardisierbar und automatisierbar ist, umso größer kann dieser Skalenef-fekt sein. So verwundert es nicht, dass etwa der Einsatz von IT-Systemen regelmä-ßig hohe Skaleneffekte zeitigt: mitunter können die Hälfte der Server abgeschafft werden, weil die andere Hälfte aufgrund der heutigen hohen Rechenleistung auch doppelt so viele Geschäftsvorfälle erledigen kann. Eine andere Form der Synergie besteht darin, sich aufgrund der größeren Fallzahlen mehr spezialisieren zu kön-nen. Auf diese Weise entsteht Expertentum innerhalb der eigenen Organisation und man wird unabhängiger von externen Dienstleistern: durch Einstellen von Fachleuten für sehr sektorale Fragen, wie etwa besonderes Körperschaftsrecht, Ri-sikofinanzierung oder Organisationsentwicklung.

Durch die Bündelung mehrer unterschiedlicher und sich ergänzender Leistungen können vertikale Synergien erschlossen werden. Aufgrund etwa der Nachbar-schaft und Ähnlichkeit von Aufgaben, Sektoren bzw. Branchen können Organisati-onen zusammen versuchen, durch eine Verbesserung der Schnittstellenübergänge entlang der Prozesskette vertikale Synergiepotenziale zu erschließen. Dabei kann dann nicht nur der Doppelaufwand reduziert werden wie bei der horizontalen Synergie, sondern auch der Schnittstellenaufwand insgesamt. Ein Beispiel dafür ist die Region Empoli in Italien: dort wurden sämtliche Gesundheits- und Sozialbe-triebe (Krankenhäuser, Alten- und Kinderheime, Kindergärten, Sozialstationen etc.) im Besitz von Region, Kreis und Kommunen in eine neue Körperschaft in

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Streubesitz zusammengeführt (vgl. BOCCONI, 2004). Auf diese Weise sollen nahezu alle Lebenslagen der Bürger im Sozial- und Gesundheitsbereich innerhalb einer Körperschaft erreicht werden. Weitere Kooperationspartner von Krankenhäusern können in diesem Sinne etwa folgende Organisationstypen sein: Altenheime, und -wohnanlagen, Ambulante Pflegedienste, andere Kliniken, niedergelassene Ärzte, Forschungsinstitute/-laboratorien (z.B. Diagnostik, Therapie chronischer Erkran-kungen), Hospize, Rehabilitationseinrichtungen, Sanatorien, Kureinrichtungen, Krankenkassen, Sozialträger, selbständige Therapeuten, Selbsthilfegruppen (Par-kinson, Alzheimer, Neurodermitis), Sportstättenbetreiber, Fitnesscenter (Präventi-on) usw.

Eine laterale Synergie liegt dann vor, wenn sich ergänzende Produktsortimente bzw. unterschiedliche Sparten zusammengeführt werden. Das Ziel der Synergie kann dabei etwa insbesondere in der gemeinsamen Nutzung von Vertrieb und Marketing liegen. Im Bereich der Banken und Versicherungen sei hier an die Bei-spiele der Allianz oder der Credit Suisse erinnert. Eine Fusion zur Realisierung la-teraler Synergien ist in Reinform kaum zu finden. Meist wird es eine Mischung verschiedener Fusionserwartungen und -hoffnungen geben.

1.4 Von der Kooperation zur Fusion

Die verbindliche und formalisierte Zusammenarbeit von Organisationen ist kein neues Phänomen und erreicht auch heute schon einen beträchtlichen Umfang. Neu hinzu-kommt, dass einerseits die Grenzen für die Zusammenarbeit der Organisationen fle-xibler werden und sich sehr schnell verschieben können und andererseits dass der Druck der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse weiter zunehmen wird. Die interorganisationale Zusammenarbeit kann die unterschiedlichsten Formen an-nehmen: von der ad-hoc-geprägten strategischen Zusammenarbeit über formalisierte Kooperationen in Einzelfragen bis hin zu gemeinsamen Serviceeinheiten im Vertrieb oder der Produktion oder bis hin zu der eigentlichen Zusammenlegung von ganzen Organisationen.

Für die Zusammenarbeit je nach unterschiedlichem Intensitätsgrad bietet sich folgen-des Modell an.

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„Public Due Diligence“ – Von der Machbarkeitsstudie zur Entscheidungsfindung

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Abbildung 2: Zusammenarbeitsmodell (eigene Darstellung)

Ad-hoc-Zu-sammenarbeit

Gemeinsame Planung undStrategie

gemeinsame Ressourcen- &Kapazitäten-steuerung

Interorganisat-ionale Zahl-ungsverein-barungen

Fusion vonProduktion oderVertrieb

TotalfusionAd-hoc-Zu-sammenarbeit

Gemeinsame Planung undStrategie

gemeinsame Ressourcen- &Kapazitäten-steuerung

Interorganisat-ionale Zahl-ungsverein-barungen

Fusion vonProduktion oderVertrieb

Totalfusion

Bei dieser Einteilung steigt der Grad an Verbindlichkeit zwischen den Organisationen immer weiter an. Die interorganisationale Zahlungsvereinbarung – in Kommunen etwa bei gemeinsamen Gewerbegebieten vorzufinden – ist dabei die intensivste Ko-operationsform, bei der noch nicht zwei oder mehr Organisationen bzw. Teile davon verschmolzen werden. Durch eine darüber hinausgehende Verschmelzung von Orga-nisationen sollen weitere Synergien und Einsparpotenziale realisiert und dadurch die politische und wirtschaftliche Handlungsfähigkeit garantiert werden. Das intensive Kooperieren bis hin zu einer Verschmelzung gemeinsamer Funktionsbereiche oder auch ganzer Körperschaften wird wahrscheinlich in den nächsten Jahren aufgrund des Kostendrucks auf den öffentlichen Sektor noch erheblich zunehmen.

Die letzte Fusionswelle im öffentlichen Sektor war die große Anzahl der westdeut-schen Kommunalfusionen in Form der Gemeinde- und Kreisreformen der Siebziger Jahre bzw. in den ostdeutschen Ländern seit den Neunziger Jahren.. Das Bewusstsein für die Folgeerscheinungen von Fusionen auf die Organisationen und die Mitarbeiter war und ist dabei sehr unterschiedlich ausgeprägt. Fusionen im öffentlichen Sektor fanden bisher zu selten statt, als dass sich Fusionsexperten oder Fusionsmanager ent-wickeln konnten, welche sowohl das notwendige fachliche Wissen, Erfahrungen in Projektmanagement, Krisenkommunikation und Change Management gleichermaßen beherrschen. Wer früher in einer Fusion im öffentlichen Sektor involviert war, war dies das erste und meist auch letzte Mal. Veränderungsprojekte dieser Größenordnung bedürfen jedoch eines vertieften Wissens.

Insgesamt können folgende Bereiche aus dem öffentlichen Sektor genannt werden, in denen Fusionen voraussichtlich eine wachsende Bedeutung haben werden:

Gemeinde- und Kreisreformen (mecklenburgischen Landkreise), insbesondere beim Zusammenschluss kreisfreier Städten mit den darum herum liegenden Land-kreisen zu Regionen (z.B. Region Hannover, Region Cottbus-Spree-Neiße)

Verbände, Nonprofit-Organisationen und Sozialversicherungsträger (ver.di, LVA, etc.)

öffentliche Unternehmen im Bereich Strom, Wasser, Telekom, Gas, Infrastruktur (u.a. Salzburg AG, Linz AG, HERA)

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Hochschulen, Institute, Opern, Theater, Museen und weitere Einrichtungen aus dem Bildungs- und Kulturbereich (z.B. Berliner Opern, Neue Philharmonie Westfa-len, Uni Duisburg-Essen, Uni und FH Lüneburg)

Dienstleistungseinheiten (z.B. Datenzentralen S-H und LIT HH)

Einrichtungen aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich (bspw. Zieglersche Anstal-ten, Charité, Klinik Lübeck-Kiel)

Die einzugehenden Kooperationen können dabei zunächst gemäß dem oben genann-ten Zusammenarbeitsmodell von der informellen Kooperation bis zur Totalfusion reichen. Gleich um welche Art von Fusion es sich handelt, stets wird man versuchen, Einsparungen durch die Realisierung von Synergiepotenzialen zu erreichen.

Synergiepotenziale sind seltsame „Gesellen“.Wenn es um die Konkretisierung geht, entwickeln sie sich nicht selten zu flüchtigen und unsicheren Hoffnungen, die etwa an der Realität einer veralteten IT-Infrastruktur, einem starren Dienstrecht oder schlechter Presse scheitern. Oft entpuppen sich die kurzfristig erhofften Einsparungen als nicht realisierbar. Gleichzeitig waren gerade diese kurzfristigen Einsparungen Hauptbe-standteil der Diskussion, ob eine Fusion durchgeführt werden soll oder nicht.

1.5 Fusionsformen

Zahlreiche Organisation gehen strategische Allianzen oder Joint Ventures ein. Sie haben also nicht als „Marke“ fusioniert, sondern bestimmte Bereiche ausgelagert. Diese Teilfusionen treten nach ihrer Art und Durchführung oft als „Back-end-„ oder „Front-end-merger“ auf (generell zur Merger-Theorie: JANSEN 2001 und Beitrag in diesem Buch).

Wenn man das oben vorgestellte Kooperationsmodell dahingehend betrachtet, ab wann es für die Organisationen zu größeren strukturellen Veränderungen kommt, dann ist das bereits ab der internen bzw. interorganisationalen Verschmelzung von Abteilungen der Fall. Vier Fusionsformen können dabei unterschieden werden:

1. Zusammenarbeit einzelner Abteilungen

2. Bündelung von Marketing und Vertrieb

3. Bündelung von Eigenbetrieben

4. Totalfusion.

Bis auf die Totalfusion sind diese Kooperationsformen auch nur innerhalb der eigenen Organisation denkbar.

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„Public Due Diligence“ – Von der Machbarkeitsstudie zur Entscheidungsfindung

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Abbildung 3: Aufgliederung der Fusionsformen (eigene Darstellung)

Keine Namens- bzw. Rechtsformänderung

Manchmal Namens-bzw. Rechtsformänderung

Oft Namens- bzw. Rechtsformänderung

ZUSAMMENSCHLUSSVON ABTEILUNGEN(Neuorganisation & Aufgaben-umverteilung: „klassische“Organisationsentwicklung)

„ORGANISAT.-MERGER“

BÜNDELUNG VONMARKETING & VERTRIEB (gemeinsam: Messeauftritte, PR, Museumsshops, Touris-mus, Tickets…)

„FRONT-END-MERGER“

BÜNDELUNG VONEIGENBETRIEBEN(Fusion von Funktionalberei-chen:Krankenhäuser, Facilities, Verwaltungen, IT, Services…)

„BACK-END-MERGER“

Meist Namens- bzw. Rechtsformänderung

TOTALFUSION(Fusion der gesamten Organi-sationen zu einer neuen Körp-erschaft: Reg. Hannover, ver.di, LVA Nord, Berliner Opern…)

„MERGER“

Fusion vonProduktion oderVertrieb

Totalfusion

1.) Zusammenschluss von einzelnen Abteilungen sind die immer wieder zu beobach-tenden organisationsinternen Fusionen. Hier handelt es sich um eine eher „klassische“ Organisationsentwicklung und um Neu- bzw. Umverteilung von Aufgaben und Zu-ständigkeiten. Bei größeren dezentralen Organisationen kann diese Neuorganisation im Binnenverhältnis genauso viel Unruhe und Unsicherheit hervorrufen wie eine Fusion zwischen mehreren Organisationen. Im Unterschied zu den Fusionen kommt es in der Regel nicht zu Namens- oder Rechtsformänderungen. Die verschmolzenen Abteilungen agieren weiterhin als Teil derselben Körperschaft. Der Zusammenschluss von Abteilungen kann als die „leichteste“ Form der Fusion bezeichnet werden, da die politischen und administrativen Widerstände vergleichsweise gering sein werden. Gleichwohl werden die Organisationen bei der Fusion vermutlich alle Höhen und Tiefen eines normalen Fusionsprozesses durchmachen. Auch hier wird keine Synergie erzielt werden, es sei denn, die Fusion wird umsichtig geplant und durchgeführt.

2.) Die Bündelung von Marketing und Vertrieb öffentlicher Leistungen kann als ein weiterer Fusionstyp angesehen werden. Hierbei bleiben die meisten Funktionsbereiche der Ursprungsorganisationen getrennt und nur das „Vertriebsnetz“ wird gemeinsam betrieben. Dazu gehören etwa gemeinsame Ticketservices von Theatern, gemeinsame Museumsshops, Dachmarkenmarketing (Opernstiftung Berlin, KBB GmbH Berlin), gemeinsame Vertretungen im Ausland, typische Verkaufs- und Fördergesellschaften unter anderem aus den Bereichen Tourismus, regionale Wirtschaftsförderung und Gewerbeflächen, gemeinsame Messeauftritte von Universitäten und Forschungsein-richtungen. Eine Fusion von derartigen „Verkaufs- bzw. Vertriebsstellen“ wird als „Front-end-merger“ bezeichnet, weil die Kundenschnittstellen zusammengefasst wer-

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den, ohne dass im Hintergrund sehr viel Veränderung notwendig wird. Auch hier gilt, dass der Erfolg der Fusion maßgeblich an der Wahl der Integrationsstrategie hängt. Beispiele: Opernstiftung Berlin, KBB GmbH Berlin, Museum Store Association USA als Dachorganisation.

3.) Ein aktueller und perspektivisch häufig auftretender Fusionstyp ist die Bündelung von Eigenbetrieben. Dabei werden einzelne Funktionalbereiche der Körperschaften herausgelöst und in eine andere bzw. neue Gesellschaften bzw. Körperschaft übertra-gen. Dies kann innerhalb einer Organisation geschehen, oder auch zwischen Organisa-tionen. Als typische Fusionspartner gelten Organisationen und (öffentliche) Unter-nehmen aus den Bereichen IT, Bühnenbetriebe, Baubetriebshöfe (Werkstätten, Fahr-zeugflotten), ÖPNV, Stadtwerke, Bibliotheken, Krankenhäuser, Kindertagesstätten, Altenheime, landwirtschaftliche Einrichtungen usw. In manchen Organisationen wird nicht mehr nur über die gemeinsame Erbringung von Dienstleistungen diskutiert, sondern schon (Aus-) Gründungen von öffentlichen Unternehmen aus ehemaligen Eigenbetrieben betrieben (etwa: Theaterservice-GmbH Wien oder Bühnenservice-GmbH in Berlin). Hier werden also die Themen Outsourcing und PPP gestreift. Die Organisationen wollen durch die Fusion Größenvorteile realisieren und durch die gemeinsame Aufgabenerbringung deutlich an Kosten sparen. Die Fusion von Funkti-onsbereichen wird oft „Back-end-merger“ genannt.

Der öffentliche Sektor ist auch Träger von Gesundheits- und Kulturdienstleistungen. Als politisch Verantwortliche und zugleich als Besitzer und Träger diskutieren viele Organisationen, ob und wie sie ihren Gesundheits- und Sozialbereich weiter entwi-ckeln wollen und können. Als Träger müssen sie sich die Fragen des Betriebs von Einrichtungen stellen, als hoheitliche Körperschaft müssen sie sich die politische Frage stellen, wie sie die Herausforderungen der anstehenden Reformen im Gesundheits-, Sozial- und Kulturbereich meistern werden (etwa: Kultureinrichtungen von Bund, Ländern und Kommunen). Dabei wird wahrscheinlich neben dem regelmäßig auftau-chenden Thema „Privatisierung“ auch über das Fusionieren von Einrichtungen disku-tiert werden. So haben italienische Regionen und Kommunen schon den Versuch un-ternommen, alle Gesundheits- und Sozialeinrichtungen eines Territoriums unter einem Dach zusammenzuführen. Die Frage, in wie weit dies politisch auch bei uns gewollt wird bzw. angegangen wird, wird die Zukunft zeigen. Beispiele: HERA (Italien), Büh-nenservice GmbH der Berliner Opern, Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm, Gesundheits- und Sozialbetrieb Empoli (Italien).

4.) Bei einer Totalfusion gehen zwei oder mehr komplette Organisationen zusammen und werden im günstigsten Falle zu einer neuen Organisation. Diese Art birgt das größte Veränderungspotenzial aber auch die meiste politische Brisanz und verlangt genügend Vorbereitungs- und Diskussionszeit. Beispiele: Region Hannover, die Gewerkschaft ver.di, die LVA Baden-Württemberg, die Neue Philharmonie Westfalen, Scandlines, die Universität Duisburg/Essen, die Zieglerschen Anstalten, die Charité, die Linz AG, die Salzburg AG, die Uni und die FH

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Lüneburg, Theater Altenburg Gera GmbH, Stiftung Weimarer Klassik und Kunst-sammlungen, Vereinigte Städtische Bühnen Krefeld und Mönchengladbach, Philhar-monie Greiz/Reichenbach, alle mecklenburgischen Landkreise oder die Datenzentra-len Schleswig-Holstein/Hamburg.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass verbindliche Kooperationen eher zu- als abnehmen werden. Dabei werden vermutlich auch Totalfusionen eine wichtige Rolle spielen. Sie stellen jeweils eine mehr oder weniger tief greifende Veränderung für die Organisationen dar (vgl. LA PIANA 1998; MC LAUGHLIN 1998; POISTER 2003). Es kann vermutet werden, dass die Komplexität einer Organisationsveränderung entsprechend dem Maß an notwendigen Rechtsformänderungen ansteigen wird. Je größer die Kom-plexität aber ist, umso wichtiger wird eine umfassende Vorbereitung (Change-Management) (vgl. PLAMPER 2003). Diese Vorbereitung muss dringend eine politische „Aufklärungsarbeit“ und Öffentlichkeitsarbeit enthalten. Selten wissen nämlich die verantwortlichen Akteure genügend über derartige Kooperations- und Fusionsprozes-se und die Bedingungen von erfolgreichen Fusionen und haben falsche Erwartungen an die realisierbaren Synergiepotenziale (PLAMPER 2003)

1.6 Funktionalfusionen sind politisch einfacher als Totalfusionen

Fusionen im öffentlichen Sektor unterliegen besonderen politischen Gesetzen. Was im Privatsektor eine sinnvolle und notwendige Fusion wäre, kann im öffentlichen Sektor aus politischen Gründen ausgeschlossen oder nahezu nicht realisierbar sein. So ist es unwahrscheinlich, dass Körperschaften wie etwa Mannheim und Ludwigshafen oder Mainz und Wiesbaden oder Bremen und Niedersachsen den politischen Willen auf-bringen werden, mit dem anderen Partner zu fusionieren bzw. sich selbst abzuschaf-fen. Abgesehen von der inhaltlichen Frage, ob dies überhaupt sinnvoll wäre, liegen diese Organisationen in unterschiedlichen politischen Räumen, hier sogar in unter-schiedlichen Bundesländern. Bei Fusionen im öffentlichen Sektor hat man es immer mit zwei (oder mehr) Politikarenen zu tun und mehreren Körperschaften. Die Kom-plexität des politischen Prozesses wächst dabei exponentiell mit der Anzahl der Ak-teure. Selbst wenn sich also die Akteure vor Ort einig wären, dass eine Fusion die Wahl der Stunde sei, bedürfte es noch der Einigkeit auf übergeordneter Landesebene. Und bei dem Beispiel Mainz und Wiesbaden kommt außerdem hinzu: welches Land würde denn eher auf seine Hauptstadt verzichten wollen, Hessen oder Rheinland-Pfalz?

Es spricht jedoch nichts dagegen, dass beide Städte zusammenarbeiten und mögliche Synergien realisieren. Eine Funktionalfusion in Form eines Zusammenschlusses von

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Eigenbetrieben oder anderen Service- und Unterstützungsleistungen ist politisch we-sentlich „unverdächtiger“ und unproblematischer als tatsächliche politische Fusionen.

Dieses Bild der Zusammenarbeit kann man noch weiter führen: Man stelle sich einmal vor, dass eine Kommune sogar große Teile ihrer Dienstleistungen an einen Eigenbe-trieb ausgelagert und diesen zusätzlich mit einer ganzen Zahl an hoheitlichen Aufga-ben beliehen hat. Dieser Eigenbetrieb fusioniert nun mit einem ähnlichen Eigenbetrieb einer anderen Kommune zu einem neuen großen kommunalen Dienstleister. Denkbar sind hier alle Bereiche von den Kindergärten bis hin zu den Stadtwerken und von der Straßenreinigung bis hin zur Übernahme der gesamten IT-Syteme.

Abbildung 4: Politikarenen und Back-End-Merger (eigene Darstellung)

VorstandA

VorstandB

Service-Bereich

A1

Eigen-betrieb

A2

Service-Bereich

B1

Eigen-betrieb

B2

I. Getrennte Leistungserbringung

VorstandA

VorstandB

Service-BereichA1+B1

II. Gemeinsame Leistungserbringung

Eigen-betriebA2+B2

Die Kommunen bleiben dabei sowohl Anteilseigner des Eigenbetriebes als auch Hauptkunden und -auftraggeber. Sie können dann weiterhin entscheiden, welche Leistungen sie wie häufig abfragen: Straßenreinigung einmal im Monat oder alle zwei Monate, Straßenbeleuchtung nachts ab zwölf ausgeschalten oder erst ab ein Uhr usw. Dies bedeutet jedoch, dass die politischen Körper weiterhin entsprechend ihrer politi-schen Präferenzen über die Art und Weise der Leistungserbringung entscheiden kön-nen und die Standards für den fusionierten Eigenbetrieb setzen. Es ist für ein Dienst-leistungsunternehmen kein Problem, die eine Straße häufiger und die andere seltener zu reinigen.

Damit kann ein Hauptargument der Politik entkräftet werden, nämlich dass sich eine Körperschaften durch eine Fusion seiner politischen Steuerungsfähigkeit beraubt. Die

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Kommune würde sich auf diese Weise sogar zu einer Art „Kommunal-Holding“ ent-wickeln, die bestimmte Anteile an kommunalen Dienstleistern besitzt und deren Leis-tungserbringung steuert. Bei anderen Körperschaften aus dem öffentlichen Sektor könnte es sich analog verhalten.

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2 Die Machbarkeitsstudie

ʺA M&A venture always begins in the red. Despite the fact that companies enter a merger or an acquisition to create value, the immediate effect of most deals is the exact opposite. Companies usually pay a considerable premium for their acquisitions. That premium is the capitalized future of the companyʹs earnings stream, and it must be paid back before the company can go for-ward. Put bluntly, a company falls into a value hole when it buys another company, and its first job is to climb out.ʺ (Neil Mon-nery, Art Peck: The Work Begins After the Deal Is Closed; BCG Perspectives, 2000)

2.1 Die Machbarkeitsstudie im Privatsektor

In der Privatwirtschaft nennt man eine vorab erstellte Machbarkeitsstudie „Due Dili-gence“, was soviel wie „Sorgfaltspflicht“ heißt. Diese „Sorgfaltspflicht“ soll bei der Ermittlung des Wertes eines Unternehmens zum Tragen kommen, um eine vertrau-enswürdige Verhandlung über den Kaufpreis zu gewährleisten. In dieser Due Diligen-ce werden Erträge, Kosten, Vermögenswerte, Verbindlichkeiten und sonstige be-triebswirtschaftlich interessanten Werte erfasst und bewertet.

Zu einer solchen Machbarkeitsstudie gehören: Bestandsaufnahme über den aktuellen Zustand / Sachstand der Organisationen

Analyse der Entwicklungsfähigkeit der Organisationen

Analyse der Stärken, Schwächen, Chancen und Gefahren einer Fusion (SWOT)

Analyse der Synergiepotenziale

Bei Fusionen in der Privatwirtschaft werden mit dem Fusionsakt die Eigentumsanteile der beteiligten Unternehmen zusammengeführt. Dies geschieht zumeist durch Kauf oder Tausch von Unternehmensanteilen. Bei größeren Unternehmen werden dabei hohe Kaufsummen gezahlt bzw. große Mengen an Aktien getauscht. Für die Kaufver-handlungen ist es deshalb erforderlich, möglichst genaue Informationen über den tatsächlichen Wert der Unternehmen zu ermitteln. Auch bei Fusionen im öffentlichen Sektor werden in vielen Fällen Eigentumsanteile und Besitztümer in die neue Körper-schaft übertragen. Dies kann durch Aufnahme des betreffenden Teiles der anderen Organisation in die eigene oder durch Ausgründung (Joint Venture) geschehen.

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Der Wert eines Unternehmens setzt sich dabei nicht nur aus den (reellen) Vermögens-werten zusammen, sondern beinhaltet auch (ideelle und immaterielle) Werte und Aspekte wie etwa Marken- und Rechtebesitz, Patente, spezielles Wissen. Diese Aspek-te werden ebenfalls in die Bewertung einbezogen und zusammen mit den zu erwar-tenden Veränderungen in der Zukunft in einem komplexen Dokument den Verhand-lungspartnern als Gutachten präsentiert.

Viele dieser Aspekte lassen sich nur schwerlich monetarisieren, sondern müssen auf der Ebene qualitativer Ausführungen bleiben, was ihre Aussagekraft jedoch nicht zu schmälern braucht. Gerade auch die qualitativen Aspekte sagen in ihrer Gesamtheit etwas über die Zukunfts- und Erfolgsaussichten der jeweiligen Organisation aus. Jan-sen führt eine Vielzahl möglicher Machbarkeitsstudien an, die sich mit den Aspekten Finanzen, Kultur, Umwelt, Recht und weiteren mehr beschäftigen. (JANSEN, 2001, S. 188ff. und 245ff. und 2004, S.134ff.) Je nach Fall und Erfordernis der spezifischen Fusi-on wird man die unterschiedlichsten Aspekte heranziehen und in einer auf die jewei-lige Situation zugeschnittenen Mischung anwenden.

In einer Due-Diligence werden auch die Kosten für die Planung und Umsetzung einer Fusion und im besten Falle auch die anschließende Integration berechnet. Entgegen allen Vermutungen werden bei Fusionen im Privatsektor weit seltener umfangreiche Machbarkeitsstudien erstellt. Man versucht sogar, ohne derartige Voruntersuchungen auszukommen oder sich auf nur wenige Kennzahlen aus der Bilanz und dem Control-ling zu beschränken. Vielleicht ist damit die hohe Scheiternsrate zu erklären. Von allen Fusionen erreichen nämlich im Privatsektor knapp 70% und im Bankensektor knapp 85% nicht die erwarteten Ziele. (vgl. JANSEN, 2001, 2003 und 2004)

Dies muss umso mehr verwundern, als für jede kleinere Anschaffung in der Regel ein Betriebskosten- und Renditeplan erstellt werden muss, der die Sinnhaftigkeit der An-schaffung belegen, während für Fusionen als Großinvestition in teilweise Milliarden-höhe ein gutes „Bauchgefühl“ ausreichen soll, wie Jansen konstatiert. Wenn die Machbarkeitsstudie auch noch ergibt, dass der Wert des neuen Unternehmens plus die zu erwartenden Gewinnsteigerungen höher ist als der Kaufpreis des gegenwärtigen Unternehmens zuzüglich der Integrationskosten, dann scheinen die Entscheider einer Fusion um so gelassener entgegenzusehen.

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Abbildung 5: Kalkül der Synergien und Integrationskosten (JANSEN 2004, S.136)

Interessant wäre eine detaillierte Untersuchung, aus welchen Gründen so viele Fusio-nen in der Privatwirtschaft den Erwartungen nicht gerecht werden: wegen der zu hohen Erwartungen oder wegen zu naiver bzw. unterlassener Durchführung der Stu-die und unterlassenen oder unvollständigen Gutachten? Oder werden bei den Gutach-ten einige eigentlich wichtigen Aspekte, wie etwa die Integrationskosten, zu wenig oder gar nicht beleuchtet? Oder verhält es sich so, dass die Verantwortlichen den Empfehlungen der Gutachten nicht folgen?

Mit ziemlicher Sicherheit spielen mehrere Aspekte eine Rolle. Grundsätzlich kann aber festgehalten werden, dass die vorbereitenden Gutachten für Fusionen im privaten und öffentlichen Sektor gleichermaßen gut konzipiert und durchgeführt sein müssen, um die relevanten und bedeutsamen Aspekte angemessen abzubilden. Nur dann kann das Gutachten vor einer Fusion die tatsächliche spätere Entwicklung ein Stück weit vor-ausahnen und den Handlenden als Anhaltspunkt für den Projektverlauf dienen.

Es gibt keinen Grund, weshalb der öffentliche Sektor diese Fehler des Privatsektors nachmachen sollte! Viele Fusionen im öffentlichen Sektor werden womöglich mehr aus politischen denn aus wirtschaftlichen Gründen angestrebt. Hierin sind sich Fusio-nen im privaten und öffentlichen Sektor ähnlich, denn auch dort wird mit vermeintli-chen Einsparungseffekten argumentiert, etwa durch Größenvorteile, die nicht selten aus „dem Bauch heraus“ benannt werden. Die Größe einer Körperschaft allein macht diese nicht effizienter und kundenfreundlicher als eine kleine. Gerade große Organisa-tionen wissen, wie aufwändig der Betrieb sein kann und welche „Begleitkosten“ dabei entstehen.

Vielleicht wollen die Verantwortlichen gar nicht wissen, ob eine aus politischen Grün-den geplante Fusion wirtschaftlich sinnvoll ist. Aber auch wenn eine Fusion mittel- bis

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langfristig (politisch) sinnvoll ist, jedoch kurzfristig (wirtschaftlich) sinnlos erscheint, müssen die Entscheider über diese Tatsache Bescheid wissen. Nur so können sie ab-wägen, ob der politische Erfolg über den (kurzfristigen) wirtschaftlichen Misserfolg zu stellen ist. Es ist alle Male besser, übertriebene kurzfristige Fusionserwartungen zu begraben, als unrealistische Erwartungen zu haben, die dann wie bei den Fusionen im Privatsektor in über 70% der Fälle enttäuscht werden.

Unter Kenntnis der womöglich niedrigen kurzfristigen Einsparpotenziale kann in der Kommunikation nach Innen und Außen ja genau darauf verwiesen werden, dass es sich um ein strategisches Projekt handelt, welches die Zukunft dauerhaft sichern soll und nicht die Kassen kurzfristig füllen wird. Letztendlich stellt sich hier die Frage, wie viel eine politische Idee kosten darf und wie hoch der politische „Preis“ dafür ist. In allen Fällen sollte es jedoch im Interesse einer gründlichen Entscheidungsabwägung stehen, die vermutlichen Kosten und Erträge einer Fusion zu kennen.

2.2 Die Entwicklung einer Public Due Diligence

Es empfiehlt sich, auch bei einer Fusion im öffentlichen Sektor eine Machbarkeitsstu-die zu erstellen, um die Entwicklung und den Fusionsprozess besser einschätzen zu können. Der Prozess wird sich ohnehin immer anders entwickeln als zunächst erwar-tet, aber mit einer Machbarkeitsstudie können bestimmte Tendenzen, Chancen und Gefahren vorab erkannt und zielgerichtet bearbeitet werden. Dieses Kapitel kann nur einen kleinen Einblick geben in die komplexe Erstellung einer Machbarkeitsstudie. Allein die Anfertigung einer solchen Machbarkeitsstudie ist ein eigener Prozess inner-halb eines Fusionsprozesses.

Eine Machbarkeitsstudie im öffentlichen Sektor soll die politische Diskussion unter-stützen und politische Argumente soweit möglich verobjektivieren. Damit sollen Ar-gumentszusammenhänge bestärkt oder abgemildert werden und Behauptungen be- oder entkräftet werden. Gleichzeitig wird mit der Untersuchung selbst Handlungs-druck erzeugt, denn erstens entstehen je nach Detailgrad der Studie nicht unerhebliche Kosten und zweitens stellt das Erstellen der Studie bereits eine Intervention in das innere System einer Organisation dar. Während der Studie werden bekannte und unbekannte, offene und verdeckte Informationen über die betreffende Organisation zu Tage gefördert und in ein Gutachten eingebettet. Dieses Gutachten wird den aktuellen Sachstand, die Entwicklungsmöglichkeiten und weitere die Fusion betreffende Aspek-te enthalten. Das Resultat der Studie wird ein mehr oder weniger aussagekräftiger Text über die Organisationen sein. Damit und darüber werden die politischen Gre-mien und die Verantwortlichen in der Verwaltung diskutieren müssen. Natürlich hat die Öffentlichkeit ein großes Interesse an dieser Machbarkeitsstudie. Wenn das Ergeb-nis lautet, dass eine Fusion notwendig und durchführbar ist, haben die Fusionsgegner

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einen schwereren Stand, ansonsten die Fusionsbefürworter. Je nach Überzeugung kann also die Machbarkeitsstudie eine gewisse politische Brisanz entwickeln.

Eine zentrale Frage ist der Umfang des tatsächlichen Synergiepotenzials. In der politi-schen Debatte dominiert dabei meist die betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise der Zusammenarbeit: Wie viel Euro sparen wir durch eine Zusammenarbeit konkret? Was kostet die Umsetzung wirklich?

Die tatsächlich interessanten Fragen sind jedoch kaum in Euro umzurechnen: Um wie viel sicherer wird die Zukunft durch diese strategische Veränderung? Wie sehr erhö-hen sich die internen Steuerungsmöglichkeiten in der Organisation? Um wie viel bes-ser können Budgets geplant und dezentral verantwortet werden? Wie verbessern sich die Aspekte Wirtschaftlichkeit, Auftragserfüllung und Mitarbeiter- bzw. die Kunden-zufriedenheit? Und um wie viel verringert sich der Bürokratieaufwand der Kunden („administrative burdens“)? Gerade diese letzten Fragen sollten ebenfalls von politi-scher Bedeutung sein. Es erscheint daher notwendig, den Begriff des Synergiepotenzi-als für die Anwendung im öffentlichen Sektor zu erweitern und weitere qualitative und politische Aspekte beizufügen.

Folgende Gesichtspunkte sollten bei einer Fusion im öffentlichen Sektor deshalb hin-sichtlich Effizienz und Effektivität genauer betrachtet und untersucht werden:

1. Wirtschaftliche Qualität (Kosten-Nutzen)

2. Fachliche Qualität (Auftragserfüllung)

3. Service-Qualität (Kundenzufriedenheit)

4. Führungs-Qualität (Leadership)

5. Team-Qualität (Mitarbeiterzufriedenheit)

6. Umsetzbarkeit und Zeitraum (Projektmanagement)

7. Aufwand und Wahrnehmung (Öffentlichkeitswirksamkeit)

Weitere sinnvolle Aspekte sind etwa:

Einsparpotenzial

Fristigkeit der Einsparmöglichkeit

Zu erwartende Hindernisse/Nebenwirkungen

Notwendige Investitionen

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2.3 Welche Untersuchung sollte wann durchgeführt werden?

Die Machbarkeitsstudie für den öffentlichen Sektor (“Public Due Dilligence“) unter-scheidet sich von der Machbarkeitsstudie für den Privatsektor darin, dass sie als ein eigener Teilprozess innerhalb der Fusion betrachtet werden kann, denn sie besitzt bereits Interventionscharakter. Sie wird nicht in einem Zug angefertigt und für die Fusionsverhandlungen und die Kaufpreisermittlung verwendet, sondern es wird sinnvollerweise mit einer kleinen Vorstudie begonnen, welche immer weiter konkreti-siert wird. Je nach Fortschritt der Fusion im öffentlichen Sektor werden dann weitere Aspekte hinzukommen bzw. die Untersuchung vertieft und detailliert. Es kommt nicht selten vor, dass erforderliche Informationen etwa über die Prozesskosten einzelner Leistungen gar nicht bereit liegen, weil die Organisation noch keinen Produkthaushalt erstellt hat oder die Prozesse nicht beschrieben hat. Mit einer weiteren Verbreitung der Kostenrechnung im öffentlichen Sektor wird sich dieser Aspekt hoffentlich von selbst erledigen.

Abbildung 6: Phasen einer Fusion (eigene Darstellung)

PRE-MERGER MERGER POST-MERGER

Vision

Konzeption

Umsetzung

Integration

PRE-MERGER MERGER POST-MERGER

Vision

Konzeption

Umsetzung

Integration

Politik-management

Fusions-management

Integrations-management

Politik-management

Fusions-management

Integrations-management

Wenn man sich die drei großen Phasen einer Fusion im öffentlichen Sektor – Pre-Merger, Merger und Post-Merger – und die dazugehörigen Aktivitäten bzw. Heraus-forderungen betrachtet, dann kann man daraus die Zeitpunkte für die jeweiligen As-pekte der Machbarkeitsstudie ableiten. Eine weitere Unterteilung der drei Phasen in

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zu erledigende Aufgaben könnte in etwa folgendermaßen gemacht werden. In dieser Tabelle sind einige Aspekte der jeweiligen Phasen und Bereiche beispielhaft aufge-führt.

Abbildung 7: Unterteilung in Aktivitäten und Herausforderungen (eigene Darstellung)

Stadium Pre-Merger Merger Post-Merger

Frage Was sind Nutzen und Nachteile einer Fusion?

Wo will die zu fusionierende Organisation hin und wie gelangt sie dorthin?

Wie wurde die Fusion verinnerlicht und angenommen?

Thema Anbahnung einer Fusion & Entschei-dung

Strategische Planung und Durchführung einer Fusion

Verankerung & Nachbetreuung

Haupt- aktivität

Politik-management

Fusions- management

Integrations-management

Phasen Vision Konzeption Durchführung Integration

typische Aufgaben

Vorbereiten des politischen Umfel-des

Machbarkeitsstudie & SWOT (Erfolgskri-terien und Risiken)

Erfolgskriterien formulieren

Visionsbildung (Zentralität / Dezen-tralität)

Umsetzungspla-nung (Feinzielfor-mulierung & Strate-gieauswahl)

OE-, PE- und IT-Konzept

BSC und Controlling

interne PR: Erhö-hung MA-Akzeptanz

OE: Umgestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation

PE: Anreizsysteme, Abfindungen / Kündigungen, MA-Entwicklung & Schulung

IT: Anpassen der funktionalen und technischen Unter-stützung

Akzeptanz-management

Kulturwandel

Team- und Ver-trauensbildung

Öffentlichkeitsarbeit (interne und externe PR)

Bis zur tatsächlichen Umsetzung und der sich daran anschließenden Integration und Nachsorge wird sich die zuerst vage Fusionsidee immer weiter verdichten und kon-kretisieren, um schließlich in die tatsächlichen Veränderungen der Organisation zu münden. Die Hauptaktivität bei der Vorbereitung einer Fusion wird demnach das Politikmanagement sein, die Durchführung der Fusion bedarf eines professionellen Fusionsmanagements, welches weit schauend plant und zielgerichtet steuert. Für eine dauerhafte Verankerung der Organisationsentwicklung und für erwünschte Verhal-tensänderungen wird ein umfassendes und partizipatives Integrationsmanagement bei der Nachbetreuung notwendig sein. Je weiter eine Fusion fortschreitet, um so mehr

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sollten die Aktivitäten auf die gesamte Mitarbeiterschaft übergehen, damit es einer-seits zu einer Durchdringung der gesamten Organisation und zu einer tatsächlichen Akzeptanz kommt.

Abbildung 8: Von der Fusionsidee bis zur Integration (eigene Darstellung)

Fusionsprozess

Fusions-idee

Fusions-gespräche

Fusions-verhand-lungen

Fusions-planung

Fusions-durch-

führung

Fusions-integration

Fusions-entschei-

dung

PRE-MERGER MERGER POST-MERGER

Folgende Einzelschritte bzw. Einzelgesichtspunkte könnten für die Erstellung der Machbarkeitsstudie sinnvoll sein:

1. Ziele & Visionen herausfinden (Warum fusionieren?)

2. Erste Fusionspotenzialstudie (Quantitative und qualitative Auswirkungen?)

3. Grobkonzept testen (Wie reagiert die Organisation?)

4. Zweite Fusionspotenzialstudie (Wer, wann , wie, mit wem?)

5. Operationalisierung vorbereiten (Welche Einzelbeiträge?)

6. Fusionsaudit (Wie erfolgreich ist die Fusion?)

Diese sechs Einzelschritte bzw. Gesichtspunkte könnten auch in nur einem Schritt durchgeführt werden. Es erscheint jedoch sinnvoll, die gesamte Machbarkeitsstudie in die Teilbereiche zu gliedern und sie selbst als Teilprozess der Fusion zu verstehen und dementsprechend zu konzipieren. Eine grobe Einteilung entsprechend der Fusions-phase könnte entsprechend des Schaubildes auf der nächsten Seite aussehen.

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Abbildung 9: Die Einzelaspekte der Machbarkeitsstudie (eigene Darstellung)

Fusionsprozess

Ziele & Vis-ionen her-ausfinden

Fusions-idee

Fusions-gespräche

Fusions-verhand-lungen

Fusions-planung

Fusions-durch-führung

Fusions-integration

1. Fusions-potenzial-

studie

Warum fusionieren?

Welche quantitativen und qualitativen Aus-wirkungen hat das?

Grobkon-zept testen (Top-Down)

Wie reagiert die Organisation

auf die Fu-sionspläne?

Opera-tionali-sierung

Wer leistet welchen Bei-

trag zur Fusion?2. Fusions-potenzial-

studie

Wer fusioniert wann wie

und mit wem?

Fusions-entschei-

dung

Fusions-audit

Wie erfolgreich ist die Fusion?

PRE-MERGER MERGER POST-MERGER

1

2

3

4

5

6

2.4 Vom Ziel- über den Strategie- bis zum Umsetzungsprozess

Der erste Schritt bei der Erstellung einer Machbarkeitsstudie sollte eine Arbeit mit den Leitungsgremien und Verantwortlichen aus Politik bzw. Verwaltung über die Ziele und Visionen sein.

Zielprozess 1. Herausarbeiten von gemeinsamen Zielen und Visionen

2. Daraus Ableiten der künftigen Strategien

3. Operationalisieren der Aufgaben und Einteilung in Untereinheiten.

Analyseprozess 1. Stärken und Schwächen

2. Untersuchung des Transformationsaufwands der jetzigen Organisation

3. Bewertung der Synergiepotenziale

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Organisationen sind die Konkretisierung und Umsetzung von Wertvorstellungen, Ideen, Idealen, Wünschen und Hoffnungen ihrer Gründer. Wenn man sich geschichtli-che Organisationsgründungen anschaut, etwa die Gründung der Universität Bologna, der Schweiz, die deutschen Sozialversicherungen oder die Ausrufung der Republik während der Badischen Revolution, dann kann man erkennen, dass die Gründer und Pioniere bei den ersten Schritten der noch jungen Idee immer voller Elan, Energie und Wagemut waren. Hesse drückte das sehr treffend aus: ʺUnd jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben.ʺ (Hesse, Stufen) Dieser Satz charakterisiert, was Gründungen besonders auszeichnet, nämlich eine ungeheure Energetisierung und Vitalisierung der Beteiligten, die bis hin zu Selbstaufgabe reichen kann und auch persönliche Opfer einschließt.

Dieses hohe Energieniveau ist auf Dauer nicht zu halten. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass die Organisationen gleichsam an der eigenen Hitze der Ideen und des Idealismus „verbrennen“. Der Sturm und Drang der Gründung wird normalerweise schwächer und die bisweilen überbordende emotionale Beteiligung ein Stück weit abnehmen. Die Organisationen werden sich etablieren, den gesellschaftlichen Gege-benheiten anpassen und irgendwie „bürgerlicher“ werden. Das ist ein natürlicher und notwendiger Vorgang.

Gleichwohl bedarf es immer wieder einer Rückbesinnung auf die Anfänge, auf die eigentliche Idee der Organisation: Weshalb gibt es diese Organisation überhaupt? Mit welchen Zielen wurde sie gegründet? Was wollten die Gründer damit erreichen und ist das heutige Ziel noch das gleiche? Was ist eigentlich die Daseinsberechtigung die-ser Organisation? Was brauchen wir heute und in Zukunft für die Verwirklichung unserer Gründungsidee? Hat sich die Idee bereits überlebt oder besteht sie weiterhin? In Berlin gibt es eine Stiftung für Schiffbauerwitwen und -waisen, aber seit Jahrzehn-ten schon keine Schiffbauer mehr. Der Stiftungszweck ist damit gewissermaßen hinfäl-lig geworden. Was kann diese Stiftung zukünftig tun?

Durch Interviews, geführte Gespräche, Workshops und Klausursitzungen sollen sich die Verantwortlichen aus Politik, Mitgliedschaft und Verwaltung intensiv mit den Zielen und Visionen beschäftigen, um die Beweggründe für die Fusion nicht nur he-rauszufinden, sondern auch zu formulieren. Das Ziel dieses ersten Teils der Machbar-keitsstudie ist die Formulierung eines „Mission Statement“ für die eigene Organisati-on und am besten schon für das gemeinsame Vorhaben bzw. die gemeinsame Organisation.

Mögliche Fragen für den Zielprozess: 1. Was sind die Motive und die Visionen der beteiligten Organisationen?

2. Was erwarten die Akteure von der Fusion?

3. Können durch eine Fusion die „Mission“ und der Auftrag besser erfüllt werden?

4. Welche strategischen Gründe sprechen für eine Fusion?

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Andreas Huber

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5. Welches Interesse haben die Organisationen an der Fusion: Konsolidierung, Wachstum oder Machtzugewinn?

6. Stehen die Führungskräfte und Verantwortlichen hinter der Fusionsidee?

7. Wie belastbar sind die Beziehungen der Führungskräfte untereinander?

8. Befindet sich die Körperschaft in einer strukturellen bzw. finanziellen Krise?

9. Wie werden die Mitarbeiter und die „Kunden“ voraussichtlich auf die Fusion reagieren?

10. Haben die Organisation bzw. die Führungskräfte bereits früher Erfahrungen mit Fusionen gemacht?

11. Wie ist die jeweilige Organisationskultur: wird die Übernahme von Verantwor-tung und das Eingehen von Risiko belohnt oder nicht?

Es erscheint wichtig, die Gründe für das Interesse an einer Fusion zu erkennen und auch offen zu benennen. Je früher im Fusionsprozess dies beide (oder alle) Partner tun, umso besser. Manchmal entwickeln Fusionsprozesse ein Eigenleben und driften von der Ausgangssituation scheinbar unkontrolliert weg. Dann ist es gut, einen schriftli-chen Beweis der Vorsätze und Visionen zu haben und sich gegenseitig daran zu erin-nern. Die Motive mögen einstmals wertegetrieben, ökonomisch, politisch, historisch, sozial oder von allem etwas gewesen sein. Kurz: man sollte besonders die Gründe für eine strategische Organisationsentwicklung im Allgemeinen und bei einer Fusion im speziellen achten.

Was soll mit der Fusion konkret erreicht werden? Die Durchführung einer Konsolidie-rung, der Ausbau des Leistungsangebots oder die Ergänzung und Unterstützung bei der Auftragserfüllung? Es kann ein legitimes Motiv sein, wenn sich zwei finanzschwa-che Organisationen zusammentun, ihre internen Prozesse bereinigen und verschlan-ken und anschließend besser dastehen (dieses Motiv wird man wohl mehr im Nonpro-fit-Bereich finden denn im öffentlichen Sektor). Es kann auch sein, dass eine finanz-schwächere und inhaltlich diversifizierte Organisation, wie etwa die Volkshochschule, mit einer sehr sektoral aufgestellten Organisation wie etwa einer Bibliothek und / oder der kommunalen Fortbildungseinrichtung zusammengeht und beide dabei Vorteile erhalten.

Durch eine Fusion können auch ein größeres Angebot an Produkten oder ein besserer Vertrieb sichergestellt werden. So können beispielsweise die Präsenz in den Medien erhöht (ver.di) und hoheitliche Grenzen überschritten werden (Fusionen innerhalb von Verkehrsverbünden), die Wahrnehmung der Bürger ihrer Region verändert werden (Region Hannover, Salzburg AG), spezialisiertes Personal eingestellt bzw. geschult werden (spezieller Statikfachmann in Nürnberg-Erlangen etc.). Darüber hinaus kön-nen mehr lokale und regionale Akteure eingebunden und informiert werden (etwa bei

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„Public Due Diligence“ – Von der Machbarkeitsstudie zur Entscheidungsfindung

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regionalen Wirtschaftsverbänden wie der Region Stuttgart). In diesem Fall könnte ein Front-End-Merger, also die Fusion der Vertriebskanäle, der erste oder vielleicht auch ausreichende Schritt sein.

Bieten zwei Organisation ein ähnliches oder sich in Teilen oder gar gänzlich überlap-pendes Angebot an, kann dies für die Kunden verwirrend sein. Als Beispiele hierfür können etwa die Landesversicherungsanstalten (für Arbeiter) und die Bundesversiche-rungsanstalt (für Angestellte) gelten. Hier werden ähnliche Leistungen für teilweise nur sehr unzeitgemäß unterschiedene Zielgruppen angeboten. Eine Fusion nur der Vertriebskanäle (front-end) erscheint hier nicht das Mittel der Wahl zu sein, da es strukturelle Schwächen nicht verdecken kann. Je klarer die eigenen Motive und Visio-nen und die der Partnerorganisation sind, umso zielgerichteter kann auf die Verwirk-lichung zugesteuert werden.

2.5 Quantitative und qualitative Aspekte der Machbarkeitsstudie

Die erste Fusionspotenzialstudie sollte für den Zielfindungsprozess durchgeführt werden. Günstig erscheint es, wenn sie schon als ein Teil in die Diskussion um die Ziele und Visionen eingebetet werden kann, denn in der ersten Machbarkeitsstudie geht es insbesondere auch um die Frage, welche Teile der Organisation sinnvoll fusio-niert werden können.

Je nach konkreter Aufgabenstellung wird man in dieser ersten Fusionspotenzialstudie die unterschiedlichen Funktionsbereiche und / oder erbrachten Leistungen einer quan-titativen und qualitativen Betrachtung unterziehen.

Nicht abschließende Beispielliste an denkbaren Untersuchungsobjekten: Personalwirtschaft

Buchhaltung

Informations- und Kommunikationstechnologie und andere Infrastruktur

Fuhrpark

Eigenbetriebe

Facility Management

Vertriebsbüros

Abteilung Organisationsentwicklung und Steuerung

Reinigung

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Andreas Huber

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Küche

Kurz: alle beliebigen zu untersuchenden Bereiche der Organisationen

Günstig ist es, wenn durch ein Leitungsgremium eine gewisse Vorauswahl der zu untersuchenden Leistungen und Bereiche stattgefunden hat. Ansonsten kann der Aufwand für die Erhebung der Prozesse umständlich und zeitraubend sein. Die zu untersuchenden Leistungen und Bereiche werden dann hinsichtlich der vorgeschlage-nen mehrdimensionalen Gesichtspunkte betrachtet werden:

1. Wirtschaftliche Qualität (Kosten-Nutzen)

2. Fachliche Qualität (Auftragserfüllung)

3. Service-Qualität (Kundenzufriedenheit)

4. Führungs-Qualität (Leadership)

5. Team-Qualität (Mitarbeiterzufriedenheit)

6. Umsetzbarkeit und Zeitraum (Projektmanagement)

7. Aufwand und Wahrnehmung (Öffentlichkeitswirksamkeit)

In der ersten Fusionspotenzialstudie wird man die einzelnen Gesichtspunkte eher qualitativ betrachten, wohingegen bei zunehmender Konkretisierung immer mehr die quantitativen Aspekte beigefügt werden.

Abbildung 10: Untersuchungsmatrix zur qualitativer Untersuchung (eigene Darstellung)

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Personalwirtschaft

Buchhaltung

Reinigung

etc.

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„Public Due Diligence“ – Von der Machbarkeitsstudie zur Entscheidungsfindung

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Aus dieser ersten Analyse kann in einem weiteren Schritt eine Empfehlung für den weiteren Fusionsprozess erarbeitet werden. Dabei wird das oben bereits erwähnt Zu-sammenarbeitsmodell mit den Ergebnissen der obigen Untersuchungsmatrix zusam-mengebracht.

Abbildung 11: Zusammenarbeitsmodell (eigene Darstellung)

Ad-hoc-Zu-sammenarbeit

Gemeinsame Planung undStrategie

gemeinsame Ressourcen- &Kapazitäten-steuerung

Interorganisat-ionale Zahl-ungsverein-barungen

Fusion vonProduktion oderVertrieb

TotalfusionAd-hoc-Zu-sammenarbeit

Gemeinsame Planung undStrategie

gemeinsame Ressourcen- &Kapazitäten-steuerung

Interorganisat-ionale Zahl-ungsverein-barungen

Fusion vonProduktion oderVertrieb

Totalfusion

Daraus lassen sich Aussagen über Vorteile und Nachteile einer Fusion oder Kooperati-on einzelner Teilbereiche bzw. Leistungseinheiten ableiten und in einer übersichtlichen und verständlichen Form aufarbeiten. Gerade wenn man an die Bedeutung der Öffent-lichkeit bei Fusionen im öffentlichen Sektor denkt, erscheint dieser Schritt als ein not-wendiger Prozessschritt.

Abbildung 12: Ableitung der Untersuchungsergebnisse nach Intensität der Zusammenarbeit

Leistung / Bereich

Ad-hoc-Zusam-menar-beit

Gemein-same Planung und Strategie

Gemein-same Ressour-cen- & Kapazi-tätssteu-erung

Interor-ganisati-onale Zah-lungsve-reinba-rungen

Fusion von Produk-tion oder Vertrieb

Totalfu-sion

Personalwirtschaft

Buchhaltung

Fuhrpark

Reinigung

etc.

Die erste Fusionspotenzialstudie beruht auf dem Zielprozess und macht vorsichtige Aussagen über zu erwartende Synergiepotenziale und Auswirkungen in den einzel-

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nen Bereichen. In den weiteren Konkretisierungsstufen kommen auch die quantitati-ven Aspekte der „klassischen“ Due Diligence bzw. Machbarkeitsstudie hinzu.

3 Fazit

Alle Fusionen stellen große Anforderungen an die Professionalität und Integrität der für die Fusion verantwortlichen und beteiligten Akteure. Sie sind Ausnahmesituati-onen der Organisationsentwicklung und bedürfen einer besonderen Betreuung und Begleitung. Ob es sich dabei um ein internes oder externes Team von erfahrenen Be-gleitern handelt, ist zunächst nicht relevant. Wichtiger erscheint es, überhaupt eine Fusionsprojektgruppe zu etablieren, die sich – für eine gewisse Zeit – ganz der sorgfäl-tigen und umsichtigen Konzeption, Planung, Durchführung und Integration der Fusi-on widmet (Due Diligence). Mit einer derartigen Gruppe können notwendige und sinnvolle Interventionen geplant und durchgeführt werden.

Gleichwohl sind Fusionen aber auch geeignete Hebel für eine tiefgreifende und radi-kale Organisationsentwicklung, denn während der relativ abgegrenzten, projektarti-gen Zeit der Fusion befindet sich die Organisation gewissermaßen in einem Schwebe-zustand. Da können größere Veränderungen des Organisationsaufbaus und tiefere Einschnitte in die Abläufe durchgeführt werden, als es ansonsten gegen die Wider-stände innerhalb der Organisation möglich wäre. Fusionen können also auch genutzt werden, alte Strukturen los zu werden und neue einzuführen. Die Beweglichkeit der Organisationen wird umso größer sein, je mehr der Untergang bzw. eine Schließung droht. Je größer der Leidensdruck ist, umso einsichtiger werden die Beteiligten in eine Fusion einwilligen und mitmachen.

Wie auch immer eine Fusion zustande kommt, stets sollte eine Machbarkeitsstudie erstellt werden, um den Fusionsprozess zu unterstützen. Dabei muss dringend auf eine Ausgewogenheit von Top-Down-Prozess aus dem Management und der Einbin-dung der Mitarbeiterschaft in einem Bottom-up-Prozess geachtet werden. Die Fusion gerät sonst in die Gefahr, nicht den notwendigen Rückhalt innerhalb der Organisation zu erhalten. Ohnehin ist die Fusion schwer genug - auch ohne den ansonsten auftre-tenden Widerstand der Belegschaft. Diesen zusätzlichen Stressfaktor sollten sich die Entscheider ersparen und stattdessen lieber ernst gemeinte Beteiligungsangebote ma-chen. Diese sollten gleichwohl die Steuerungsfähigkeit nicht beeinträchtigen. Wie bei einer guten Mitarbeiterführung ist auch dies ein Balanceakt und bedarf des Finger-spitzengefühls.

Die für eine Fusion Verantwortlichen sollten stets darauf drängen, dass sie von den Zuwendungsgebern / der Politik eine eigenes Budget für die Fusion erhalten, mit dem sie zielgerichtete Interventionen planen und durchführen können. Auch der Austausch

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„Public Due Diligence“ – Von der Machbarkeitsstudie zur Entscheidungsfindung

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mit Experten und anderen Organisationen, die bereits Fusionserfahrungen gemacht haben, dienen der Professionalität der Umsetzung. Von entscheidender Bedeutung ist auch, dass sich die Verantwortlichen und Besitzer intensiv mit dem Gründungsimpuls und den Zielen und Visionen der Organisation beschäftigen. Die Beschäftigung mit dem eigentlichen Grund und der Daseinsberechtigung der Organisation kann eine wichtige Rolle im gesamten Fusionsprozess einnehmen.

Abschließend soll darauf hingewiesen werden, dass die Machbarkeitsstudie oder Public-Due-Diligence ein Werkzeug für die Entscheidungsfindung darstellt. Nicht mehr und nicht weniger. Die eigentliche Anstrengung, nämlich das Management des Prozesses und die Herausforderung nach echtem Leadership, kann diese Studie nicht einfacher machen. Sie kann jedoch die Transparenz des Fusionsprozesses insgesamt erhöhen und indirekt die Bereitschaft der Betroffenen und Beteiligten verbessern hel-fen. So führt kein Weg an der Erstellung einer Machbarkeitsstudie vorbei.

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Andreas Huber

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Abbildung 13: Beispiel einer Due Diligence für ein Krankenhaus in öffentlicher Trägerschaft

I. Krankenhausplanung, Fördermittel und Vergütung; Kooperation mit niedergelassenen Ärzten, DRG-Simulation:

Aktueller Krankenhausplan, Betten je Fachabteilung nebst Stationsplan, LKA Leistungs- und Kalkulations-aufstellungen, DRG-Auswertung, Sonstige Bescheide, Schriftwechsel o.ä. über aufsichtsrechtliche Maß-nahmen oder Verfahren nach dem KHG oder dem Landeskrankenhausgesetz, Verträge mit niedergelasse-nen oder nicht am Krankenhaus angestellten Ärzten, Sonstige Kooperationsverträge (Forschungs- und Entwicklungsverträge etc.)

II. Eigentums- und Beteiligungsverhältnisse:

Angabe der prozentualen Beteiligung des Landkreises / der Stadt an der Gesellschaft, Organigramme, Garantien, Bürgschafts- oder Patronatserklärungen, die von der Gesellschaft abgegeben wurden, Verträge über gesellschaftsrechtliche Beteiligungen der Gesellschaft an anderen Unternehmen, einschließlich stiller Beteiligungen

III. Vermögensverhältnisse:

Jahresabschlüsse der letzten drei Geschäftsjahre, Grundbuchauszüge und Informationen über Belastun-gen, Nutzungsverträge, Aufstellung über die genutzte Software, Softwareverträge, Bestehende Versiche-rungsverhältnisse, Aufstellung sämtlicher Bankkonten, bestehende Darlehen (als Geber und Nehmer), Forderungen und Verbindlichkeiten

IV. Dienst-, Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse:

aktuelle Personalstatistik, Aufführung aller Mitarbeiter (gegebenenfalls anonymisiert), die einen besonderen gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsschutz genießen (z. B. Schwerbehinderung, Tarifvertrag, Mit-glieder Personal-/Betriebsrat), Sämtliche Anstellungsverträge mit Leitenden Mitarbeitern, Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband, geltenden oder nachwirkenden Dienst- oder Betriebsvereinbarungen, Verträge und Vereinbarungen zur Mitgliedschaft in Zusatzversorgungseinrichtungen, Übersicht über im Krankenhaus beschäftigte Beamte, Übersicht Zivildienstleistende und Auszubildende, Soll-Stellenplan

V. Sonstige Rechtsverhältnisse

Konzessionen, Betriebsgenehmigungen und sonstige öffentlichrechtliche Erlaubnisse, die zum Betrieb des Krankenhauses erforderlich Sind, Anhängige oder drohende Schadensersatz-, Haftpflicht-, Straf- und Bußgeldverfahren gegen den Träger, die Gesellschaft oder Leitende Mitarbeiter wegen krankenhausrele-vanter Themen mit Angabe des wirtschaftlichen Risikos bzw. Volumens, Kurzdarstellung der Ist-Situation (Betriebsform, Kosten) in den Bereichen Reinigung, Hol- und Bringedienst, Küche, Wäscherei, Apotheke, Labor sowie bestehende Kooperationen mit externen Dienstleistern und beabsichtigte Änderungen, Mit-gliedschaften in Verbänden, Versorgungseinrichtungen und Einkaufsorganisationen

VI. Sonstiges: …

(Quelle: eigene Darstellung nach MÜNCH 2004)

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Jobst Fiedler, Birgit Sponheuer

Public Merger erfolgreich managen Erfolgsfaktoren und Lehren aus Integrationsprozessen im privaten Sektor

1 Besonderheiten von Fusionen im öffentlichen Sektor................................................. 93 2 Erfolgsmessung von Fusionen und die Erfolgsfaktoren des

Integrationsmanagements............................................................................................... 96 3 Strategie............................................................................................................................. 99

3.1 Erfolgsfaktor 1: Fusionsziele vorab klar und messbar definieren. ................ 99 3.2 Erfolgsfaktor 2: Integration ist Aufgabe des Topmanagements .................. 100 3.3 Erfolgsfaktor 3: Mit einem ganzheitlichen Transformationsprozess

etwas Neues schaffen ............................................................ 102 3.4 Erfolgsfaktor 4: Den Kunden ins Zentrum der Verbesserungs-

bemühungen stellen .............................................................. 103 3.5 Erfolgsfaktor 5: Kulturelle und organisatorische Integration

gleichermaßen vorantreiben................................................. 104 3.6 Erfolgsfaktor 6: Machbare Effizienzsteigerungen identifizieren,

quantifizieren und realisieren .............................................. 106 3.7 Erfolgsfaktor 7: Alle relevanten Interessensgruppen situations-

gerecht in den Integrationsprozess einbinden................... 109 4 Integrationsprozess........................................................................................................ 110

4.1 Erfolgsfaktor 8: Handlungsdruck erzeugen und aufrecht erhalten............ 110 4.2 Erfolgsfaktor 9: Zwischenergebnisse verbindlich festhalten ....................... 111 4.3 Erfolgsfaktor 10: Geeignetes Tempo für den Integrationsprozess finden.... 111 4.4 Erfolgsfaktor 11: Strikte Ausrichtung auf die Fakten – aber emotionale

Aufbruchstimmung erzeugen.............................................. 114 5 Einbindung der Mitarbeiter.......................................................................................... 114

5.1 Erfolgsfaktor 12: Promotoren in der Organisation identifizieren und gezielt wirken lassen ..................................................... 114

5.2 Erfolgsfaktor 13: Offen(siv) kommunizieren und die Ängste der Mitarbeiter ernst nehmen .............................................. 115

5.3 Erfolgsfaktor 14: Vorgehen mit paritätisch besetzten Integrationsteams interaktiv gestalten ................................................................ 117

6 Fazit ................................................................................................................................. 118

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Jobst Fiedler, Birgit Sponheuer

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Zusammenfassung: Fusionen in der öffentlichen Verwaltung vollziehen sich in einem engen Korsett aus Erwartungen unterschiedlichster Interessensgruppen, politischen Vorgaben und ver-waltungsspezifischen Rahmenbedingungen. Diesen Herausforderungen zu begegnen stellt für Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung, die einen solchen Integrations-prozess managen sollen, eine enorme Aufgabe dar. Dies gilt umso mehr, als dass es bisher nur wenige Referenzprojekte dieser Art in Deutschland gibt. Sehr wohl gibt es dahingegen zahlreiche erfolgreiche, aber auch weniger bzw. nicht erfolgreiche Integra-tionen in der Privatwirtschaft, von denen die öffentliche Verwaltung lernen kann, wobei jedoch ihre besonderen Rahmenbedingungen immer im Blick behalten werden sollten.

In Anlehnung an eine Kategorisierung von Roland Berger Strategy Consultants wird im folgenden Beitrag aufgezeigt, inwiefern sich Integrationsprozesse in der öffentli-chen Verwaltung von privatwirtschaftlichen Fusionen unterscheiden und welche Er-folgsfaktoren sich daraus für das Management eines Integrationsprozesses in der öffentlichen Verwaltung ableiten lassen können. Vierzehn Erfolgsfaktoren zu den Bereichen Strategie, Integrationsprozess und Einbindung der Mitarbeiter werden identifiziert und beleuchtet. Damit erhält der Fusionsmanager der öffentlichen Verwal-tung einen pragmatischen Handlungsleitfaden, mit dem Fehler im Integrationsmana-gement vermieden und die angestrebten Ziele erreicht werden können.

Über die Autoren: Jobst Fiedler, Partner und Mitglied der Geschäftsführung von Roland Berger Strategy Consultants, leitet seit 1996 das Public Services Competence Center. Er ist Jurist und Verwaltungswissenschaftler. Von 1977 bis 1980 führte er als Projektleiter beim Interna-tionalen Institut für Management und Verwaltung (Wissenschaftszentrum Berlin) Beratungsprojekte im Bereich der regionalen Beschäftigungspolitik durch. Danach war er Abteilungsleiter der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Hamburg, anschließend Leiter der Bezirksverwaltung Hamburg-Harburg. Zugleich war er als Berater für die OECD und die EU tätig. Als Oberstadtdirektor von Hannover (1990 bis 1996) hat Dr. Fiedler einen breit angelegten Prozess der Verwaltungsmodernisierung initiiert und verantwortet. Seit seinem Einstieg bei Roland Berger 1996 hat er zahlrei-che große Projekte im öffentlichen Sektor begleitet, darunter umfassende Transforma-tionsprozesse von Behörden, Kommunen und Ländern.

Birgit Sponheuer ist Diplomkauffrau und Seniorberaterin im Public Services Compe-tence Center von Roland Berger Strategy Consultants. Sie ist Spezialistin für Post Mer-ger Integration, Human Resources sowie für Marketing und Branding. Als Beraterin bei Roland Berger hat sie in verschiedenen Projekten in der öffentlichen Verwaltung, insbesondere auch bei großen Fusionen, an organisatorischen Fragestellungen gearbei-tet.

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Public Merger erfolgreich managen

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1 Besonderheiten von Fusionen im öffentlichen Sektor

Fusionen stellen für öffentliche Institutionen noch beinahe unerschlossenes Neuland dar. Fusionsmanager und politisch Verantwortliche aus der öffentlichen Verwaltung können sich daher kaum an Erfahrungen ihrer Kollegen aus anderen öffentlichen Institutionen orientieren. Auch in der Wissenschaft ist dieses Thema bisher kaum beleuchtet worden. Allerdings bieten Fusionen auch im öffentlichen Sektor die Chan-ce, diese als gemeinsamen Neuanfang zu nutzen, der es erlaubt, über bisherige Verän-derungsgrenzen hinweg neue Wege zu beschreiten und Leistungen erheblich wirt-schaftlicher und gleichzeitig kundenfreundlicher zu erbringen. Daher werden sie für verschiedenste öffentliche Institutionen zunehmend interessant. Ein Neuanfang mit verbesserter Leistungsfähigkeit bei gleichzeitig höherer Wirtschaftlichkeit kann jedoch nur gelingen, wenn die Fusion tatsächlich dazu genutzt wird, die neue Organisation konsequent neu auszurichten, anstatt die Fusionspartner nur soweit wie nötig anein-ander zu koppeln.

Im privaten Sektor sind Merger und Akquisitionen hingegen an der Tagesordnung. Die Aufgabe, zwei oder mehrere ehemals voneinander unabhängige Organisationen zu verschmelzen, ist aber im Wesentlichen für beide Bereiche die gleiche Herausforde-rung. Öffentliche Institutionen können daher von Erfahrungen aus der Privatwirt-schaft profitieren, wenn sie die Unterschiede zwischen Public- und Private Merger berücksichtigen.

Fusionen sind nach unserer privatwirtschaftlichen Erfahrung nur dann erfolgreich, wenn die neue gemeinsame Organisation sich eigene Ziele setzt. Dies ermöglicht es, sich von der jeweiligen Vergangenheit zu lösen und erzeugt eine neue Identifikation durch neue gemeinsame Herausforderungen. Dieser hohe Anspruch stößt in der Regel auf Erwartungen der Beteiligten aus Politik und Verwaltung, die dem entgegenlaufen. Häufig findet sich eine Auffassung nach dem Motto: Schon der Zusammenschluss berührt so viele Interessen und ist so aufwendig und konfliktreich, da können wir nicht auch noch eine grundlegende Neuausrichtung von Strategie, Führungs- und Geschäftsprozessen sowie Kundenverständnis mit in Anspruch nehmen. Diese wichti-gen Aufgaben werden daher in vielen Fusionsprozessen in der öffentlichen Verwal-tung vernachlässigt.

Der zunehmende Budget- und Leistungsdruck wird eine solche Vernachlässigung jedoch in Zukunft nicht mehr zulassen, denn dadurch wird das Potenzial, welches im Neuanfang einer Fusion liegt, verschenkt. Die folgenden Ausführungen zeigen daher auf, wie bei Fusionen ganzheitliche Transformationsprozesse mit dem Ziel einer stra-tegischen und organisatorischen Neuausrichtung angelegt und gesteuert werden müs-sen.

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Jobst Fiedler, Birgit Sponheuer

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Ein nüchterner Blick auf die unterschiedlichen Schwierigkeiten und Grenzen für er-folgreiche Fusionen im privaten wie öffentlichen Sektor könnte gerade für öffentliche Fusionen den Schluss nahe legen, sie ganz zu vermeiden. Es gibt jedoch auf Grund demographischer Entwicklungen, steigender Kundenbedürfnisse, neuer Technologien und Steuerungstechniken in erheblicher Zahl überholte, subkritische Größenzuschnit-te öffentlicher Institutionen. Daneben rufen Budget- und Effizienzgründe nach einer Reduzierung der übergroßen Ausdifferenzierung der öffentlichen Fachbehördenland-schaft. Kurzum, es gibt sehr viele zwingende Gründe für Fusionen, dass die resignati-ve Schlussfolgerung, Fusionen wegen ihrer Komplexität zu verschieben oder gar zu unterlassen, nicht zu verantworten ist.

Es lassen sich zahlreiche Bereiche aus dem öffentlichen Sektor nennen, für die Fusio-nen eine wachsende Bedeutung haben:

Kliniken, auch Universitätskliniken

Sozialversicherungsträger , insbesondere LVAen

Gesetzliche Krankenkassen

öffentliche Unternehmen im Ver- und Entsorgungs- sowie im Verkehrsbereich

Dienstleistungsorganisationen verschiedener Bundesländer

Fachbehörden innerhalb eines Landes

Bezirksregierungen

Zusammenschluss kreisfreier Stadt- und Landkreise zu neuartigen Regionalorga-nisationen

und schließlich gerade in den neuen Bundesländern Gemeinde- und Kreisrefor-men

Aus Budget-, Organisations-, und insbesondere aus demographischen Gründen wer-den im nächsten Jahrzehnt auch Schulen, Bundesländer und Geschäftsstellen der A-gentur für Arbeit diesen Entwicklungen unterliegen. Es ist also unverzichtbar, darauf vorbereitet zu sein, Fusionen öffentlicher Institutionen mit Kompetenz und entspre-chendem methodischen Rüstzeug anzugehen.

Public Merger unterliegen auf Grund der besonderen Situation öffentlicher Institutio-nen und den meist noch für sie geltenden Besonderheiten des öffentlichen Dienstrech-tes ihren eigenen Gesetzen. Dieser Beitrag wird zunächst die wesentlichen Unterschie-de zwischen Private- und Public Merger aufzeigen und aus dem Vergleich mit dem privaten Sektor die Erfolgsfaktoren für das Management von Integrationsprozessen in der öffentlichen Verwaltung vorstellen. Dabei werden nur die Organisationen einbe-zogen, die noch in öffentlicher Eignerschaft stehen – also nicht nur öffentliche Gebiets-

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Public Merger erfolgreich managen

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körperschaften und Verwaltungen, sondern auch öffentliche Organisationen in Privat-rechtsform.

In drei Bereichen unterscheiden sich Fusionen im öffentlichen Sektor von Fusionen zwischen privatwirtschaftlichen Unternehmen:

Einfluss der Politik

Eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten und

Eingeschränkte Verfügbarkeit von Managementinstrumenten.

Die Politik übt auf die meisten Fusionen im öffentlichen Sektor großen Einfluss aus. In der Regel ist die Entscheidung zu einer Fusion politisch veranlasst, oft verbunden mit entsprechenden Vorgaben und Zielen. Darüber hinaus kann die Politik auch meist auf den laufenden Integrationsprozess Einfluss nehmen. Dies wird immer dann kritisch, wenn Politik und Verwaltung unterschiedliche Interessen und Zielsetzungen verfolgen oder sich die Interessen im Laufe des Integrationsprozesses ändern, z.B. in Folge von Wahlen. Je nach Institution können auch Selbstverwaltungsgremien und die Öffent-lichkeit den Integrationsprozess beeinflussen. Dagegen sind in der Privatwirtschaft in der Regel nur Großinvestoren in der Lage, von außen in den Integrationsprozess ein-zugreifen. Das komplexe Geflecht von Entscheidungsträgern und Akteuren in der öffentlichen Verwaltung bedingt aufwändigere Entscheidungswege und verringert dadurch die Integrationsgeschwindigkeit.

Auch die Gestaltungsmöglichkeiten bei einer Fusion im öffentlichen Sektor unter-scheiden sich von denen in der Privatwirtschaft. Die Verwaltung ist an enge Vorgaben bzw. gesetzliche Aufträge gebunden, so dass Leistungen nicht grundsätzlich zur Dis-position gestellt werden können. Ein Outsourcing von Unterstützungsdienstleistungen ist dahingegen meist sehr wohl möglich.

Auch im öffentlichen Dienstrecht liegen erhebliche Restriktionen. Es schützt zunächst die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ermöglicht es, Unsicherheit und Ängste während des Integrationsprozesses in Grenzen zu halten, da de facto betriebsbedingte Kündigungen auch für Angestellte und Arbeiter bislang ausgeschlossen sind. Ande-rerseits beschränkt es aber auch die Gestaltungsfreiheit in der Fusion, in dem es kaum Möglichkeiten lässt, Anreize zu schaffen. Außerdem können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meist nur auf freiwilliger Basis in andere Abteilungen oder Niederlassun-gen versetzt werden, was die Umsetzung eines neuen Organisationskonzeptes erheb-lich erschweren kann. Ein weiteres Hindernis bei Fusionen im öffentlichen Bereich ist, dass Zweifler oder gar "Saboteure" der Fusion nicht aus dem Prozess ausgeschlossen werden können. Die Privatwirtschaft hat hier deutlich mehr Sanktionsmöglichkeiten. Schließlich stehen meist nur geringfügige Mittel für Personalentwicklungsmaßnahmen zur Verfügung, z.B. um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf neue Aufgaben vorzube-reiten. Nicht zuletzt setzt das öffentliche Dienstrecht auch der möglichen Realisierung von Synergien Grenzen, da der kostenwirksame Abbau von Personal nur auf dem

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Jobst Fiedler, Birgit Sponheuer

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Wege der Fluktuation möglich ist. Dies beruht auf dem trotz z.T. großer Finanzprob-leme aufrecht erhaltenen Selbstverständnis öffentlicher Institutionen als "sozialer Ar-beitgeber", das Entlassungen ausschließt. Diese Faktoren sind sowohl bei der Gestal-tung als auch bei der Umsetzung der neuen Organisation zu berücksichtigen.

Eine weitere Besonderheit öffentlicher Fusionen ist, dass die Beteiligten in der Regel über keine Erfahrungen mit ähnlich großen Transformationsprozessen verfügen und entsprechende Fähigkeiten daher noch nicht ausgeprägt sind. Darüber hinaus ist der Wissens- und Erfahrungsstand in Bezug auf Managementinstrumente in Verwal-tungen meist sehr unterschiedlich, und vielfach müssen entsprechende Instrumenta-rien erst speziell für den Integrationsprozess entwickelt werden. So kann die Wirt-schaftlichkeit der beiden Fusionspartner nur schwer verglichen werden, wenn die vorhandenen Kostenrechnungssysteme keine vollständige Transparenz und Ver-gleichbarkeit der Kosten und der Wirtschaftlichkeit ermöglichen. In vielen Fällen fehlt zudem ein ausgereiftes, für beide Fusionspartner passendes Controlling-Instrumen-tarium, mit dem eine Überwachung des Fusionsfortschrittes nach innen und nach außen überprüft werden könnte. Zudem muss für den Integrationsprozess meist ein spezielles Berichtssystem installiert werden, und zwar für die neue Gesamtorganisati-on, wobei dies allerdings in der Regel auch in der Privatwirtschaft notwendig ist.

2 Erfolgsmessung von Fusionen und die Erfolgsfaktoren des Integrationsmanagements

In der Privatwirtschaft wurden größere Erfahrungen mit Fusionen gemacht aber nicht alle sind positiver Art. 50- 70% aller Fusionen in der Wirtschaft scheitern – gemessen an der Wertentwicklung des Aktienkurses. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Vier zentrale Fehlerquellen lassen sich dabei identifizieren:

Die Akquisitionsprämie ist zu hoch, d.h., der Kaufpreis kann nicht bzw. nicht schnell genug durch Synergien in adäquater Höhe eingelöst werden. Dies hat z.T. auch seine Ursache darin, dass die Bewertung der Fusion (Due Diligence) häufig fast ausschließlich auf Basis von Zahlen durchgeführt wird, ein Vergleich der Or-ganisationen und der Kulturen dahingegen vernachlässigt wird, so dass Synergie-potenziale falsch eingeschätzt werden.

Es gibt keine bzw. eine falsche Logik und Strategie bei der Fusion.

Es fehlt an einem kulturellen Fit zwischen den Fusionspartnern, verbunden mit einer Vernachlässigung dieses Themas während der Integrationsphase

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Das Integrationsmanagement wird unprofessionell durchgeführt

Für den öffentlichen Sektor ist nun weder die Entwicklung des Aktienkurses als Maß-stab des Erfolges einer Fusion relevant, noch wird bei öffentlichen Fusionen ein Kauf-preis gezahlt. Das ändert jedoch grundsätzlich nichts an der Notwendigkeit, den Er-folg einer Fusion an geeigneten Zielen zu messen. Geeignete Indikatoren aus verschie-denen Bereichen können einen differenzierteren Erfolgsmaßstab liefern, aus dem auch geeignete Indikatoren für den öffentlichen Sektor abgeleitet werden können. Kriterien für die Erfolgsmessung von Fusionen bei Unternehmen können für interne und exter-ne Bereiche definiert werden. Intern stehen Produkte, Mitarbeiter und Kosten im Fo-kus, extern die Kunden, Märkte und nicht zuletzt die Investoren. Vorschläge für kon-krete Erfolgsparameter aus diesen Bereichen lassen sich Abbildung 1 entnehmen.

Abbildung 1: Kriterien für die Erfolgsmessung von Fusionen

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

• Kein Exodus von Leistungsträgern

• Keine unerwünschte Fluktuation

• Gleiche oder verbesserte Mitarbeiterzufriedenheit

• Schnelle Identifikation mit dem "neuen" Unternehmen

INTERN

Produkte/Leistung

• Ideen für neue Produkte

• Kürzere Produktentwicklungs-zeiten/"Time to market"

Kosten

• Realisierung angestrebter Einsparungen

Investoren

• Höhere Marktkapitalisierung als die Summe der beiden Fusionspartner vor der Fusion

• Positive Entwicklung des Aktienkurses im Vergleich zum Marktindex

EXTERN

Kunden

• Gleichbleibende oder steigende Kundenloyalität und Kundenzufriedenheit

• Steigende Anzahl von Kunden

Märkte

• Eroberung neuer Märkte

• Marktanteil höher als die Summe der Partner vor der Fusion

KRITERIENfür die

ERFOLGS-MESSUNG

Für Fusionen in der öffentlichen Verwaltung gilt es, im Abgleich mit den individuellen Zielen der jeweiligen Fusion, konkrete, messbare Indikatoren fest zu legen, anhand derer der Erfolg des Integrationsprozesses bestimmt werden kann. Quantitativ leicht messbar ist die Wirkung von Kostensenkungsmaßnahmen durch realisierte Synergien. Darüber hinaus lassen sich aber auch aus dem in Abbildung 1 abgebildeten Kriterien-

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katalog eine Reihe relevanter Kriterien auswählen, die ebenfalls für die Erfolgskontrol-le von Public Mergern in Frage kommen. Insbesondere sind hier Kriterien aus den Bereichen Kosten, Produkte, Mitarbeiter und Kunden (v.a. Kundenzufriedenheit) zu nennen.

Damit eine Fusion erfolgreich sein kann, muss sie professionell durchgeführt werden. Roland Berger Strategy Consultants hat zahlreiche Integrationsprozesse sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor begleitet. Aus dieser Erfahrung wurden vier-zehn Erfolgsfaktoren bzw. Handlungsleitlinien für Public Merger entwickelt, die sich drei Bereichen zuordnen lassen: Strategie, Integrationsprozess und Einbindung der Mitarbeiter. Abbildung 2 bietet eine Übersicht.

Abbildung 2: Übersicht über die Erfolgsfaktoren des Integrationsmanagements im öffentlichen Sektor

STRATEGIE • Fusionsziele vorab klar und messbar definieren

• Integration ist Aufgabe des Topmanagements

• Mit einem ganzheitlichen Transformationsprozess etwas Neues schaffen

• Den Kunden ins Zentrum der Verbesserungsbemühungen stellen

• Kulturelle und organisatorische Integration gleichermaßen vorantreiben

• Machbare Effizienzsteigerungen identifizieren, quantifizieren und realisieren

• Alle relevanten Interessengruppen situationsgerecht in den Integrationsprozess einbinden

INTEGRATIONS-PROZESS

• Handlungsdruck erzeugen und aufrecht erhalten

• Zwischenergebnisse verbindlich festhalten

• Geeignetes Tempo für den Integrationsprozess finden

• Strikte Ausrichtung auf die Fakten – aber emotionale Aufbruchstimmung erzeugen

EINBINDUNG DER MITARBEITER

• Promotoren in der Organisation identifizieren und gezielt wirken lassen

• Offen(siv) kommunizieren und die Ängste der Mitarbeiter ernst nehmen

• Vorgehen mit paritätisch besetzten Integrationsteams interaktiv gestalten

Auf die einzelnen Erfolgsfaktoren und ihre besondere Bedeutung für den öffentlichen Sektor wird im Folgenden näher eingegangen. Die Reihenfolge ihrer Nennung sagt dabei jedoch nichts über ihre Bedeutung für den Erfolg der Fusion.

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3 Strategie

3.1 Erfolgsfaktor 1: Fusionsziele vorab klar und messbar definieren

Bei jeder Fusion bedarf es klarer Zielgrößen, die mit allen Interessensgruppen abge-stimmt sind, und mit denen gemessen werden kann, ob und wann die Fusion erfolg-reich ist.

Die Gründe für Fusionen sind im privaten und öffentlichen Sektor sehr unterschied-lich. Im Privatsektor sind die Auslöser und Treiber für Fusionen in der Regel marktbe-dingt, etwa als Antwort auf die zunehmende Globalisierung, auf veränderte wirt-schaftspolitische Rahmenbedingungen (z.B. Deregulierung) oder auf fusionsförderli-che Kapitalmarktentwicklungen. Darüber hinaus lösen grundlegende technologische Veränderungen und „Branchenumbrüche" ebenso Fusionen aus wie Marktsituationen, in denen Unternehmen nur noch durch Akquisitionen wachsen können. Die Hauptur-sachen für Public Merger liegen dahingegen entweder in politischen Ambitionen oder in der Notwendigkeit, Kosten in großem Umfang einsparen zu müssen.

Abgeleitet aus den Beweggründen für eine Fusion sind die strategischen und operati-onalen Ziele konkret und messbar zu definieren, denn nur so kann der Erfolg der Fusion überprüft werden. Die messbaren Ziele dienen zudem auch als Antriebsmotor und als Bewertungsmaßstab für Entscheidungen, die im Laufe des Integrationsprozes-ses zu treffen sind.

Auch bei den Zielen zeigen sich zwischen Privatwirtschaft und öffentlichem Bereich erhebliche Unterschiede. Abbildung 3 stellt die unterschiedlichen Zielsetzungen zwi-schen privaten und öffentlichen Fusionen gegenüber.

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Abbildung 3: Ziele bei Fusionen im Privaten und im öffentlichen Sektor

STRATEGIE

Öffentlicher SektorPrivater Sektor

KOSTEN

• Gewinnung neuer Kunden und Märkte

• Einkauf von Technologien, Produkten und Know-how

• Erschließung neuer Geschäfts-felder durch horizontale oder vertikale Integration

• Politische und inhaltliche Zusammenführung

• Verbesserung des Leistungsniveaus

• Sicherung der Wettbewerbs-fähigkeit bei Preisen und Kosten

• Abbau von Überhangkapazitäten

• Einsparung von Verwaltungskosten

Aus den strategischen Zielen ist ein operationalisiertes Zielsystem zu entwickeln, d.h., jedes Ziel muss hinsichtlich Inhalt, Umfang und Zeitrahmen klar abgesteckt werden. Es bietet sich dabei an, mindestens die Dimensionen Kundenorientierung, Wirtschaft-lichkeit, Mitarbeiterorientierung und Zukunftsfähigkeit (d.h. Flexibilität im Hinblick auf zukünftige Anforderungen) zu berücksichtigen und – unter Beachtung der strate-gischen Ziele der Fusion – entsprechend zu gewichten.

Die politischen Entscheidungsträger sollten gemeinsam mit den Fusionspartnern noch vor dem Fusionsbeschluss eine Einigung über die konkreten strategischen und opera-tionalen Ziele der Fusion erzielen und diese schriftlich festhalten. Neben Inhalt und Zeitrahmen ist auch eine exakte Quantifizierung der angestrebten Effekte zu fixieren. Hierzu können die oben aufgeführten Indikatoren für die Erfolgsmessung von Fusio-nen zu Grunde gelegt werden.

3.2 Erfolgsfaktor 2: Integration ist Aufgabe des Topmanagements

Eine Fusion bedeutet für alle Beteiligten erhebliche Veränderungen. Die Unklarheit über die Zukunft und die Auswirkungen auf den eigenen Arbeitsplatz verunsichern viele Mitarbeiter zunächst. Neben einer offenen und umfassenden Kommunikation ist hier das Topmanagement gefragt, sich an die Spitze der Integrationsbewegung zu stellen und gemeinsam die Fusionsaufgabe zu forcieren.

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Dieser Erfolgsfaktor gilt für die öffentliche Verwaltung ebenso wie für private Unter-nehmen. Unentschlossenheit oder Unstimmigkeiten im Topmanagement setzen sich nahtlos in der Organisation fort und schaden den Integrationsprozess nachhaltig. Gelingt es nicht, im Topmanagement Einigkeit zu erzielen und diese auch nach außen hin zu vertreten, so wird die Unsicherheit unter den Mitarbeitern zunehmen und gleichzeitig die Bereitschaft, Veränderungen zu akzeptieren und umzusetzen, deutlich sinken. Identifikation und "Leadership" sind wesentliche Grundvoraussetzungen einer erfolgreichen Fusion. Das bedeutet, dass das Topmanagement nach außen stets eine gemeinsame Meinung vertritt und keinen Zweifel an der Entschlossenheit zum ge-meinsamen Handeln lässt. Gerade in Fusionen mit gleichberechtigten Partnern – wie dies in der öffentlichen Verwaltung in der Regel der Fall ist – kommt dieser Einheit eine besondere Bedeutung zu.

Damit die Verwaltungsspitze ihr Engagement für die Fusion vorleben kann, müssen die wesentlichen Positionen möglichst früh besetzt werden. Das gilt für Besetzungen und Aufgabenverteilung auf der ersten Leitungsebene wie für die Benennung der zukünftigen Abteilungsleiter, d.h. der zweiten Leitungsebene. Je eher diese Personen benannt sind, desto stärker werden sie sich für die Entwicklung ihres eigenen, zukünf-tigen Aufgabenfeldes engagieren. Bleibt dahingegen in der Integrationsphase noch ungeklärt, welche Kandidaten für die entscheidenden Positionen ausgewählt werden, entwickelt sich ein Konkurrenzkampf der möglichen Kandidaten untereinander, der zwar auf der einen Seite zu besonderer Leistung anspornen kann, allerdings aber auch die Gefahr in sich birgt, dass sich Blockaden und „Gräben“ auftun, die den Integrati-onsprozess eher behindern, als dass sie ihm förderlich sind. Idealerweise wird die Frage der künftigen ersten Leitungsebene direkt mit der Fusionsentscheidung getrof-fen. Davon wird und kann jedoch auch abgewichen werden, wenn während der Integ-rationsphase andere Fähigkeiten benötigt werden als in der späteren Führungsrolle. In diesem Fall sollte jedoch von Beginn an kommuniziert werden, dass nach der Integra-tion ein Führungswechsel stattfinden wird.

Spätestens nachdem die Eckpunkte der neuen Organisation erarbeitet wurden, kann dann auch die zweite Führungsebene benannt werden, selbst wenn die genaue Aufga-benverteilung in der neuen Organisation noch nicht abschließend verabschiedet ist. Die ausgewählten Führungskräfte sind dann während der Integrationsphase maßgeb-lich für die Erarbeitung des detaillierten Organisationskonzeptes und die Implemen-tierung der Maßnahmen verantwortlich.

Um die geeigneten Kandidaten zu bestimmen, kann ein Management-Audit wertvolle Hilfestellung leisten, d.h., dass hierbei die Kandidaten auf ihre Eignung und ihr Po-tenzial für eine zukünftige Position evaluiert werden. Dies erleichtert der Geschäfts-führung die Auswahl der richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und verleiht diesen Entscheidungen gleichzeitig auch eine nach außen hin dokumentierbare Grundlage. In jedem Fall sollten nur solche Kandidaten ausgewählt werden, welche die Fusion auch wirklich befürworten und unterstützen.

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3.3 Erfolgsfaktor 3: Mit einem ganzheitlichen Transformationsprozess

Im Integrationsprozess stellt sich die Aufgabe, aus den unabhängigen und häufig unterschiedlich aufgestellten Organisationen eine einheitliche, leistungsfähige Ge-samtorganisation zu schaffen. Dabei bietet sich mit der Fusion für beide Partner die Möglichkeit, sich weiter zu entwickeln und die Vorteile aus beiden Organisationen zusammenzuführen. Häufig besteht jedoch die Gefahr, dass einer der Partner in einer schwächeren Position ist oder im Laufe des Integrationsprozesses in diese Rolle gerät. Dies wird insbesondere dann so empfunden, wenn die Struktur und Besonderheiten des einen Partners undifferenziert auf den anderen Fusionspartner übertragen werden sollen. Eine solche Gewinner- und Verlierersituationen muss durch geeignete Mittel im Integrationsprozess in jedem Fall verhindert werden.

In der Privatwirtschaft wird unterschieden zwischen Übernahmen und so genannte "Mergers of Equals", d.h. einem Zusammenschluss gleichberechtigter Partner. In bei-den Fällen gibt es jedoch in der Regel klare Mehrheits- und Entscheidungsverhältnisse. In der öffentlichen Verwaltung handelt es sich bei Fusionen fast ausschließlich um "Mergers of Equals" – zumindest soweit es um Mitsprache und Entscheidungsbefug-nisse im Integrationsprozess geht. Daher muss der Integrationsprozess hier besonders auf Abstimmung und Konsens ausgerichtet sein.

Wesentlichstes Kriterium für einen solchen Prozess ist es, gemeinsam eine neue Ge-samtorganisation zu schaffen, und nicht nur die bestehenden Organisationen über einzelne "Brückenköpfe" zusammenzuführen. Nur so können die Leistungsfähigkeit gegenüber den Kunden und die Wirtschaftlichkeit durch Prozessverbesserungen und fusionsbedingte Rationalisierungen erhöht werden. Zunächst sollten dazu die bisheri-gen Organisationen auf ihre Vor- und Nachteile untersucht werden. Anschließend müssen gemeinsam Optionen für die neue Gesamtorganisation entwickelt und an-hand nachvollziehbarer, sachlicher Kriterien bewertet werden. Erfahrungsgemäß be-darf dies gerade in der öffentlichen Verwaltung eines ausführlichen Abstimmungspro-zesses mit allen betroffenen Teilen der Organisationen. Zumindest für die Eckpunkte der zukünftigen Organisation werden auch die übergeordneten Verwaltungs- und Politikebenen einbezogen. Als sehr hilfreich hat sich erwiesen, für den Ausgleich der Interessen der beiden Fusionspartner einen unparteiischen Dritten einzuschalten, der zwischen den Partnern vermittelt und die Sachlichkeit und Objektivität der Diskussion und Entscheidungsfindung sicherstellt. Erfolgreich ist eine Fusion erst dann, wenn sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beider Fusionspartner vollständig mit der neuen Gesamtorganisation identifizieren.

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3.4 Erfolgsfaktor 4: Den Kunden ins Zentrum der Verbesserungsbemühungen stellen

Ein Integrationsprozess ist in erster Linie eine interne Herausforderung für die Fusi-onspartner. Um die damit einhergehenden Aufgaben zu bewältigen, bedarf es eines hohen Einsatzes an Management-, Mitarbeiter- und Budgetkapazitäten. Dies birgt die Gefahr in sich, dass die Bemühungen um den Kunden in dieser Zeit in den Hinter-grund gedrängt werden. Damit sich die fusionierte Institution jedoch erfolgreich ge-genüber Kunden und der Öffentlichkeit positionieren kann, darf sie während der Integrationsphase nicht nur um die eigenen Probleme "kreisen", sondern muss die Anforderungen der Kunden gezielt als Maßstab für Verbesserungen ansetzen. Auch bei Integrationsprozessen im privaten Sektor lässt sich dieses Problem in einigen Fäl-len beobachten. Wirkt sich dieses Verhalten jedoch zum Nachteil des Kunden aus, so wird dies relativ schnell sichtbar, da Umsatzrückgänge, Marktanteilsgewinne der Wettbewerber und negatives Kundenfeedback durch ein leistungsfähiges Controlling sehr schnell erkannt werden. Entsprechende Mechanismen sind in der öffentlichen Verwaltung dahingegen meist indirekter. Es bietet sich auch hier an, einen externen Fusionsbegleiter einzusetzen, der die Fusionsmanager gezielt immer wieder aus ihrer Binnensicht herauslöst und die Belange des Kunden in den Mittelpunkt rückt.

Es ist ein zentrales Ziel der Verwaltung, die Leistungen für die Bürger nicht nur wirt-schaftlich, sondern auch kundenorientiert und bürgernah zu erbringen. Für den Integ-rationsprozess ergeben sich hieraus zwei Herausforderungen:

Während der Integrationsphase muss die volle Handlungsfähigkeit der Instituti-on gewährleistet sein

Die Belange der Kunden müssen bei allen Entscheidungen über die neue Organi-sation als Bewertungskriterium mit berücksichtigt werden.

Je nach Größe und Komplexität dauert der Integrationsprozess mehrere Jahre. Um die volle Leistungsfähigkeit auch während der organisatorischen Umstrukturierungen aufrechtzuerhalten, müssen die Veränderungsschritte sorgfältig geplant, in die richtige Reihenfolge gebracht und mit wohldosiertem Tempo durchgeführt werden. Sofern es sich um eine Organisation handelt, die gleichförmige Koordinierungs- und Basisein-heiten aufweist, bietet sich ein Stufenplan an, d.h. zunächst die Umsetzung in einzel-nen Pilotbereichen, und dann eine sukzessive Einführung der Veränderungen in den anderen Bereichen.

Daneben bieten die Umstrukturierungen auch die Chance, Bisheriges zu überdenken, brauchbare Ansätze des Fusionspartners zu übertragen und dadurch eine noch kun-denorientiertere Organisation zu schaffen. Um dies zu erreichen, muss das Kriterium der Kundenfreundlichkeit in die Bewertung aller Entscheidungsoptionen mit einflie-ßen. Nicht selten steht dieses Kriterium dabei im Konflikt mit dem Kriterium der Wirt-

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schaftlichkeit. Dieses Dilemma muss bereits in der Definition der operationalisierten Ziele gelöst werden, so dass bei Einzelentscheidungen eine klare Priorisierung mög-lich ist.

3.5 Erfolgsfaktor 5: Kulturelle und organisatorische Integration gleichermaßen vorantreiben

Die Vielzahl der Aufgaben im Integrationsprozess erfordert die Priorisierung von Themen. Ein Blick auf die Ursachen , warum so viele Fusionen nicht die erhofften Effekte für die Fusionspartner erbracht haben, zeigt, dass die einseitige Konzentration auf vermeintlich "harte" Themen wie die Erarbeitung einer neuen Organisationsstruk-tur oder die Identifizierung und Realisierung von Synergieeffekten zu kurz greift. Vielmehr sind der fehlende kulturelle Fit und die Vernachlässigung dieses Themas in der Integrationsphase die Hauptursache für gescheiterte Fusionen, wie Abbildung 4 zeigt (s. nächste Seite).

Die "soft facts" einer Organisation wie Unternehmenskultur und Führungsverhalten werden durch die "hard facts" geprägt. Daher sind bei der Erarbeitung der neuen Gesamtorganisation die Wirkungen einzelner organisatorischer Elemente auf die Un-ternehmenskultur genau zu analysieren. Hierzu zählen beispielsweise die Ausgestal-tung der Hierarchie, die Zuteilung von Aufgaben auf Funktionsbereiche und die Defi-nition von Freiheitsgeraden bei der Ausübung von Tätigkeiten.

Die zentrale Herausforderung der kulturellen Integration ist die Herausbildung einer gemeinsamen Identität und Arbeitskultur. Vier zentrale Hebel spielen im Integrati-onsprozess eine Rolle:

Rechtzeitige, offene Kommunikation

Aktives Konfliktmanagement

Geeignete Anreizsysteme

Aktiver Kulturwandel

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Abbildung 4: Schwierigkeiten während der Integrationsphase

1 = nicht wichtig; 4 = sehr wichtig

Quelle: M&A-Review 1995

Bedeutung

Kommunikationsprobleme

Verschiedene Kulturen

Unterschiedliche Kundenstrukturen

Unterschiede in den Marketing-/Kundenstrategien

Verschiedene Unternehmensziele

1 2 3 41 = nicht wichtig; 4 = sehr wichtig

Quelle: M&A-Review 1995

Bedeutung

Kommunikationsprobleme

Verschiedene Kulturen

Unterschiedliche Kundenstrukturen

Unterschiede in den Marketing-/Kundenstrategien

Verschiedene Unternehmensziele

1 2 3 4

Zu Beginn des Integrationsprozesses hat sich ein Kulturaudit als geeignetes Instru-ment erwiesen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Unternehmenskultur zu identifizieren und darauf aufbauend ein gemeinsames Verständnis für die neue Organisation zu schaffen. Der Audit deckt unterschiedliche Erfahrungswelten, Sicht-weisen und Erwartungen auf, die bei der Integration berücksichtigt werden können. Eine kulturelle Integration erfordert aber auch Aufbruchstimmung und Verände-rungswillen. Offene, rechtzeitige Kommunikation und geeignete Anreizmöglichkeiten sind dafür die wichtigsten Voraussetzungen. Da letztere in der öffentlichen Verwal-tung in der Regel nicht monetär sein können, sollten Beförderungsmöglichkeiten oder Profilierungschancen geschaffen werden. Für den aktiven Kulturwandel spielt die bereits erwähnte Leadership-Komponente, eine wichtige Rolle, d.h. das Vorleben der Integration durch das Topmanagement. Schließlich bietet es sich an, eine Reihe von gemeinsamen Veranstaltungen durchzuführen. Solche Veranstaltungen führen die beiden Fusionspartner zusammen und ermöglichen – jenseits der Arbeitsebene – Kon-takte und die Integration "von unten".

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3.6 Erfolgsfaktor 6: Machbare Effizienzsteigerungen identifizieren, quantifizieren und realisieren

Die Realisierung von Effizienzsteigerungen durch Synergien stellt bei Fusionen fast immer ein wesentliches Ziel dar. In der Privatwirtschaft sind Synergien neben Wachs-tumseffekten dazu notwendig, den Preis der Akquisition zu bezahlen. Man kann un-terscheiden zwischen Marktsynergien und Kostensynergien. Während bei wachs-tumsgetriebenen Mergern Marktsynergien im Vordergrund stehen, spielen Kosten-synergien bei restrukturierungsbedingten Mergern eine größere Rolle. Daneben lassen sich horizontale und vertikale Synergien unterscheiden, d.h. Synergien innerhalb einer Stufe der Wertschöpfungskette und entlang der Wertschöpfungskette. Aus diesem Spannungsfeld lassen sich vier generelle Typen von Synergieebenen unterscheiden, die in Abbildung 5 dargestellt sind.

Abbildung 5: Klassifizierung von Synergieeffekten

Horizontale Synergien Vertikale Synergien

Verbesserung des Markt-zugangs –Daimler-Benz/Chrysler, Deutsche Bank/ Bankers Trust, EADS

Zugangssicherung zu Ressourcen/Absatzwegen,Erhöhung des Mehrwertes– RWE/Rheinbraun,VW-Europcar, AOL/

Time Warner

Niedrigere Stückkosten/ Kapazitätsauslastung –Allianz/Dresdner Bank, VEBA/Viag, RWE/VEW

Schnittstellenoptimierung –ECR

Markt-synergien

Kosten-synergien

Wachstums-Merger

Restruktu-rierungs-Merger

Horizontale Synergien Vertikale Synergien

Verbesserung des Markt-zugangs –Daimler-Benz/Chrysler, Deutsche Bank/ Bankers Trust, EADS

Zugangssicherung zu Ressourcen/Absatzwegen,Erhöhung des Mehrwertes– RWE/Rheinbraun,VW-Europcar, AOL/

Time Warner

Niedrigere Stückkosten/ Kapazitätsauslastung –Allianz/Dresdner Bank, VEBA/Viag, RWE/VEW

Schnittstellenoptimierung –ECR

Markt-synergien

Kosten-synergien

Wachstums-Merger

Restruktu-rierungs-Merger

Synergieeffekte lassen sich in fast jedem Unternehmensbereich realisieren. Eine sorg-fältige Prüfung der möglichen Synergiepotenziale ist dabei bereits vor der Schließung der Fusion im Rahmen der Due Diligence zu prüfen, um eine Obergrenze für den Kaufpreis bzw. die Akquisitionsprämie setzen zu können. Allerdings lassen sich die

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Effekte auf den verschiedenen Ebenen unterschiedlich leicht realisieren. Horizontale, wachstumsorientierte Marktsynergien hängen von der Marktentwicklung und dem Kundenverhalten ab, sind aber intern leichter durchzusetzen. Horizontale Kostensyn-ergien sind dagegen schmerzhaft, aber in der Regel unabhängig von äußeren Faktoren möglich. Vertikale Kostensynergien sind ebenfalls relativ leicht umzusetzen, da über Wertschöpfungsstufen hinweg weniger Integrationsarbeit zu leisten ist als für horizon-tale Synergien, obwohl in der Regel dort das größere Potenzial vermutet werden kann.

In der öffentlichen Verwaltung spielen Marktsynergien – wenn überhaupt – eine deut-lich geringere Rolle. Da öffentliche Institutionen meist nicht in direktem und offenen Wettbewerb um Kunden stehen und der Zugang zu Ressourcen durch eine Fusion nicht überproportional zunimmt, bleiben nur Kostensynergien, um die angestrebte Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Leistung zu erreichen. In vielen unterstüt-zenden Servicebereichen wie z.B. Presse/Öffentlichkeit, Personal oder Grundsatz sind Synergien offensichtlich, da durch die Fusion die doppelte Wahrnehmung von Aufga-ben und damit Kapazitäten abgebaut werden können. In den produzierenden bzw. nach außen gerichteten Funktionsbereichen gibt es dahingegen durch die Fusion zu-nächst keine offensichtlichen Synergiepotenziale, da in gleichem Maße wie die Größe der Organisation auch die zu betreuende Kundenbasis zunimmt. Erst Prozessverbes-serungen und die damit einhergehende höhere Leistungsfähigkeit der Organisation schaffen die Möglichkeit für Synergien. Dabei sind nicht nur fusionsbedingte Effi-zienzverbesserungen möglich, sondern auch solche, die ohne die Fusion ebenfalls hätten realisiert werden können.

Auch wenn sich selbst offensichtliche Synergiepotenziale intern nur schwer durchset-zen lassen, sollten diese Bemühungen mit Nachdruck verfolgt werden. Zum einen werden übergeordnete Institutionen die Potenziale einfordern, zum anderen verschaf-fen realisierte Potenziale an der einen Stelle möglicherweise Spielraum für zusätzliche Kapazitäten in anderen Bereichen der Organisation.

Um Synergien zu identifizieren, sollten zunächst mögliche Potenziale „top down“ grob kalkuliert werden. Dies kann auf der Basis externer Benchmarks und vergange-ner Erfahrungen erfolgen. Hierdurch gewinnt die Geschäftsführung bzw. Leitung der Verwaltung bereits eine realistische Vorstellung über die zu realisierende Größenord-nung. Anschließend empfiehlt sich eine „bottom-up“- Kalkulation aus den einzelnen Bereichen heraus. Damit werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv an diesem Prozess beteiligt und ihre Akzeptanz erhöht. Zudem werden durch die „bottom-up“-Kalkulation die groben „top down“- Schätzungen verifiziert und operationalisiert. Wichtig ist eine möglichst genaue Quantifizierung der zu erwartenden Effekte durch die einzelnen Maßnahmen. Das Vorgehen ist in Abbildung 6 verdeutlicht.

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Abbildung 6: Exemplarisches Vorgehen zur Identifizierung von Synergiepotenzialen

TOP DOWN – 1. und 2. Leitungsebene

• Grobschätzung auf Basis der strategischen Ziele

• Orientierungshilfe für Detailschätzung

• Systematisches Monitoring/Plausibilitätsprüfung

SYNERGIEPOTENZIALE

• Detaillierte und operationalisierte Synergie-potenzialplanung aus allen Bereichen

• Realisierungsplanung inkl. Zeitplanung und Umfang der zu realisierenden Potenziale

BOTTOM UP – Integrationsteam

TOP DOWN – 1. und 2. Leitungsebene

• Grobschätzung auf Basis der strategischen Ziele

• Orientierungshilfe für Detailschätzung

• Systematisches Monitoring/Plausibilitätsprüfung

SYNERGIEPOTENZIALE

• Detaillierte und operationalisierte Synergie-potenzialplanung aus allen Bereichen

• Realisierungsplanung inkl. Zeitplanung und Umfang der zu realisierenden Potenziale

BOTTOM UP – Integrationsteam

Sobald die Synergiepotenziale identifiziert sind, empfiehlt es sich, diese nach Wirkung und Schwierigkeit der Umsetzung zu priorisieren. Dabei sind zunächst solche Effekte zu realisieren, die bei der Umsetzung auf möglichst wenig Widerstand treffen und gleichzeitig die größte Wirkung zeigen. Anschließend sollten die ebenfalls leicht um-setzbaren, aber weniger wirkungsvollen Maßnahmen realisiert werden. Maßnahmen mit großer Wirkung, aber auch zu erwartendem großen Widerstand in der Organisati-on sind selektiv umzusetzen, während solche mit geringer Wirkung und großen Wi-derständen gar nicht angegangen werden sollten, insofern die daraus resultierenden Effekte nicht unbedingt zur Erreichung der gesetzten Ziele notwendig sind. Das Vor-gehen bei der Priorisierung möglicher Synergien bei öffentlichen Fusionen ist in Ab-bildung 7 dargestellt.

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Abbildung 7: Arten von Synergiepotenzialen und Vorgehen zur Priorisierung

Arten von Synergiepotenzialen Priorisierung

Umsetzbarkeit

hoch

gering

Wirkunggering hoch

1.2.

3.4.

• Abbau von Duplizitäten

– Abteilungen

– einzelne Stellen

• Prozessverbesserungen

– Größeneffekte

– Verbesserte technische Ausstattung

– Abbau von Schnittstellen, Prozessschritten etc.

• Bessere Ausnutzung von Überhangkapazitäten in einzelnen Bereichen

Arten von Synergiepotenzialen Priorisierung

Umsetzbarkeit

hoch

gering

Wirkunggering hoch

1.2.

3.4.

• Abbau von Duplizitäten

– Abteilungen

– einzelne Stellen

• Prozessverbesserungen

– Größeneffekte

– Verbesserte technische Ausstattung

– Abbau von Schnittstellen, Prozessschritten etc.

• Bessere Ausnutzung von Überhangkapazitäten in einzelnen Bereichen

3.7 Erfolgsfaktor 7: Alle relevanten Interessensgruppen situationsgerecht in den Integrationsprozess einbinden

In der Privatwirtschaft sind die Anteilseigner und dort meist nur die Hauptaktionäre von entscheidender Bedeutung für die grundlegende Fusionsentscheidung. Wenn diese einmal getroffen ist, ist es vor allem Aufgabe des internen Topmanagements, die Fusion entsprechend den Ausgangszielen und den hier aufgeführten Vorgehensmaxi-men voran zu treiben. Externe haben dann kaum noch Einfluss auf den internen Integ-rationsprozess. Auf einer anderen Ebene liegt es, dass bei privaten Fusionen selbstver-ständlich Kunden und Zulieferer in geeigneter Form einzubeziehen sind, um Markt-positionen erfolgreich auszubauen.

Im öffentlichen Bereich dahingegen stellt sich die Rolle der politischen Eigner der vorher separaten Organisationen, sowie der weiteren Stakeholder und auch der Me-dien sehr viel schwieriger dar. Während bei öffentlichen Organisationen in AG- oder GmbH- Form noch Parallelen zur Privatwirtschaft gegeben sind, sind Behörden in

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Fusionen auch während des Fusionsprozesses in erheblichem Ausmaß externen, zum Teil gegeneinander laufenden Kräften ausgesetzt. Die jeweiligen externen Interessen können aus zahlreichen Gründen auch während des Fusionsprozesses mit zusätzli-chen Anforderungen, Auflagen und Barrieren Einfluss nehmen, sei es aus Klientel-, Regional-, fachpolitischen oder parteipolitischen Interessen. Da öffentliche Behörden schon wegen der politisch-parlamentarischen Kontrolle, der sie unterliegen, Systeme mit offenen Grenzen sind, reichen die üblichen Loyalitätsverpflichtungen gegenüber dem Dienstherrn oft nicht aus, um "Spiele über Bande" mit Externen auszuschalten. Beteiligte, die sich als Verlierer fühlen, können so für persönliche, aber auch fachliche oder regionale Interessen mittelbar Zugang zu Externen herstellen, die sich dann zu Sprechern ihrer Belange in politischen Gremien oder den Medien machen. Diese ex-terne "Klagemauer", die bei Fusionen im öffentlichen Sektor durchaus genutzt wird, steht Beteiligten in privaten Organisationen nicht zur Verfügung.

Um dies bei Fusionen öffentlicher Institutionen steuerbar und eingrenzbar zu halten, ist die neue Organisationsspitze (Vorstand, Verwaltungschef etc.), weil sie auf sich allein gestellt ist, oft überfordert. Hier verbleibt auch während des Fusionsprozesses eine starke Verpflichtung der jeweils verantwortlichen politischen Ebene, sich zu Gunsten des Integrationsprozesses und seiner zentralen Ziele zu engagieren. Nur so können die Kräfte von außen, die den Fusionsprozess aufweichen oder blockieren wollen, gebremst werden. Für die Fusionsmanager ist es dementsprechend ein ent-scheidender Erfolgsfaktor, die Interessenlagen der einzelnen Gruppen sorgfältig zu analysieren und aufzudecken, zielgerichtet zu kommunizieren, und, wenn erforder-lich, Richtungsentscheidungen mit den betroffenen Gruppen abzustimmen.

4 Integrationsprozess

4.1 Erfolgsfaktor 8: Handlungsdruck erzeugen und aufrecht erhalten

Mangelnder Veränderungswille ist in der Privatwirtschaft ebenso wie in der öffentli-chen Verwaltung einer der größten Feinde des Fusionsmanagers. Während jedoch im privaten Sektor viele Entscheidungen „top down“ getroffen werden können, sind Entscheidungsprozesse in der Verwaltung häufiger stark konsensorientiert. Da gleich-zeitig der Druck durch Wettbewerb meist fehlt oder nur schwach ist, muss der Hand-lungsdruck intern erzeugt werden. Nur wenn dies gelingt, kann mit der Fusion die Gesamtorganisation optimiert werden und die Integration zügig erfolgen. Hand-lungsdruck kann entweder durch positive Signale oder durch negative Szenarien erzeugt werden. Positiv motivierender Handlungsdruck kann dadurch erreicht wer-

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den, indem die Chancen der Fusion aufgezeigt werden. Beispielsweise kann herausge-stellt werden, wie sich die neue Organisation im künftigen Markt-, Budget- oder Sta-tus-Wettbewerb mit vergleichbaren Organisationen als "Best-Practice" positionieren kann oder wie sie mit den anstehenden Veränderungen lange geplante Verbesserun-gen und eigene Vorstellungen von der optimalen Arbeitsgestaltung realisieren kann. Reichen diese Anreize nicht aus, sollten auch die Gefahren einer Verschleppung der Fusion verdeutlicht werden: unnötige Kosten, Reibungsverluste und Frustration der Beteiligten, ineffektives Arbeiten bis hin zur gegenseitigen Blockade der Fusionspart-ner. Nicht nur die Verwaltungsspitze, auch die politisch Verantwortlichen sollten sich hier engagieren.

4.2 Erfolgsfaktor 9: Zwischenergebnisse verbindlich festhalten

Angesichts der Komplexität des Integrationsprozesses und der zahlreichen Schnittstel-len und Abhängigkeiten der Themen müssen die erzielten Ergebnisse und verabschie-deten Entscheidungen sorgfältig dokumentiert werden. Diese schriftliche Fixierung dient jedoch nicht nur der Dokumentation, sondern auch der bindenden Fortschritts-kontrolle des Projektes. Sofern nicht unvorhersehbare Änderungen der Rahmenbedin-gungen grundsätzliche Anpassungen erfordern, sollten alle getroffenen Vereinbarun-gen für beide Seiten verbindlich sein. Auch wenn es sich um umstrittene Mehrheits-entscheidungen handelte, werden sie im weiteren Verlauf des Projektes nicht mehr in Frage gestellt. Diese Übereinkunft ermöglicht es, das Tempo der Fusion aufrechtzuer-halten und Entscheidungen rechtzeitig zu treffen und vor allem auch umzusetzen.

4.3 Erfolgsfaktor 10: Geeignetes Tempo für den Integrationsprozess finden

Das geeignete Tempo für den Integrationsprozess zu finden ist eine der schwierigsten Aufgaben für den Fusionsmanager. Zum einen darf der Prozess nicht zu langsam sein, sonst „versanden“ Aktivitäten und die Aufbruchstimmung geht verloren bzw. wird erst gar nicht erzeugt. Zum anderen darf und kann ein solcher Prozess auch nicht zu schnell erfolgen, da zum einen die erforderlichen Abstimmungsprozesse eine gewisse Zeitspanne erfordern und zum anderen die Akzeptanz für die Veränderungen steigt, wenn sie sich über eine gewisse Zeit hinziehen.

Aus zahlreichen Beispielen ist ersichtlich, dass es eine Art "Schallmauer" von ca. 100 Tagen nach Ankündigung der Fusion geben kann. Innerhalb dieser Frist erwarten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass Aktivitäten auf den Weg gebracht werden und

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sich Veränderungen abzeichnen. Verstreicht diese Frist aber, ohne dass ein "Fahrplan" für die Integration in den Köpfen verankert wird, dann sinkt die Bereitschaft für Ver-änderungen spürbar. Ebenfalls ist es wichtig, dass an einer bestimmten Stelle im Integ-rationsprozess ein "Point of no return" festgelegt wird. Dieser Punkt kann eine grund-legende Richtungsentscheidung oder die Freigabe einer größeren Investition sein. Je eher dieser Punkt überschritten wird, desto leichter fällt in der Regel anschließend die gemeinsame Integration, da nicht mehr die Frage des "Ob", sondern das "Wie" im Vordergrund steht.

In der Praxis hat sich ein dreistufiges Vorgehen für die Integration bewährt: Analyse-phase, Konzeptionsphase und Migrationsphase. Um die Phase der Unsicherheit über die zukünftige Gestaltung der gemeinsamen Organisation möglichst gering zu halten, empfiehlt sich zunächst eine kurze, kompakte Analysephase und die anschließende Entwicklung eines Grobkonzeptes. Die Analysephase sollte nach anderthalb bis ma-ximal drei Monaten abgeschlossen sein. Das anschließend zu entwickelnde Grobkon-zept sollte bereits alle wesentlichen Richtungsentscheidungen enthalten. Hierzu gehört auch die Entscheidung über den zukünftigen Hauptsitz und die Aufgaben der ande-ren Standorte. Neben der Bennennung der Führungskräfte ist häufig gerade diese Entscheidung besonders umstritten. Sofern keine einvernehmliche Einigung zwischen den Fusionspartnern herbeigeführt werden kann, sind die politisch Verantwortlichen in der Pflicht, eine Entscheidung herbeizuführen. Für die Stufe des Grobkonzeptes reichen drei bis sechs Monate in der Regel aus. In der zweiten Phase wird das Grob-konzept ausgestaltet, die konkrete Aufbau- und Ablauforganisation entwickelt und ein detaillierter Masterplan für die Umsetzung erarbeitet. Darüber hinaus müssen in die-ser Phase weitere wichtige Themen wie die Integration der IT-Systeme, die Vereinheit-lichung des Controllings sowie die zukünftige Gestaltung der Personalentwicklung behandelt werden. Die Dauer dieser Phase kann erheblich schwanken, jedoch sollte ein Zeitraum zwischen neun und zwölf Monaten angestrebt werden. Denn je länger der Zeitraum zwischen der Ankündigung der Fusion und der Implementierung der neuen Organisation ist, desto schwieriger wird es, Veränderungswillen und eine posi-tive Einstellung gegenüber der Fusion aufrecht zu erhalten. Daher sollten bereits die ersten Monate genutzt werden, um frühzeitig einzelne "Quick Hits" zu realisieren, die einen Vorgeschmack auf die zukünftige gemeinsame Welt geben können.

Nach dieser Konzeptionsphase von 12-18 Monaten folgt schließlich die Migration der Organisation aus den bisher getrennten Organisationen in die neue Gesamtorganisati-on. Dieser Prozess kann noch einmal bis zu drei Jahren in Anspruch nehmen. Abbil-dung 8 verdeutlicht exemplarisch das Stufenkonzept eines Integrationsprozesses.

Grundsätzlich benötigt der Integrationsprozess von Beginn an eine klare Terminierung der einzelnen Schritte und Meilensteine. Das Stufenkonzept steigert die Akzeptanz innerhalb der Organisation. Zudem müssen dadurch nicht alle Probleme sofort und gleichzeitig gelöst werden. Wichtig ist auch, dass die Erwartungen von politisch Ver-antwortlichen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sorgfältig in Betracht gezogen

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und gesteuert werden. Geschwindigkeit und Meilensteine sollten dabei ehrgeizig, aber immer realistisch sein.

Abbildung 8: Stufenkonzept für den Integrationsprozess

Konzeptionsphase Migrationsphase

Migration der Organisation

PROJEKTKOMMUNIKATION und CHANGE MANAGEMENT

Erarbeitung des

Grobkonzeptes

Ausgestaltung des Grobkonzeptes und Umsetzungs-

planung

InterneBestands-aufnahme

ExterneBestands-aufnahme

Stärken-Schwächen-

Analyse

1,5-3 Monate

3-6 Monate

9-12 Monate

bis zu 3 Jahren

Analyse-phase Konzeptionsphase Migrationsphase

Migration der Organisation

PROJEKTKOMMUNIKATION und CHANGE MANAGEMENT

Erarbeitung des

Grobkonzeptes

Ausgestaltung des Grobkonzeptes und Umsetzungs-

planung

InterneBestands-aufnahme

ExterneBestands-aufnahme

Stärken-Schwächen-

Analyse

1,5-3 Monate

3-6 Monate

9-12 Monate

bis zu 3 Jahren

Analyse-phase

4.4 Erfolgsfaktor 11: Strikte Ausrichtung auf die Fakten – aber emotionale Aufbruchstimmung erzeugen

Entscheidungen über die zukünftige Gestaltung der Organisation müssen stets auf der Basis belegbarer Fakten getroffen werden. Die Implikationen von alternativen Ent-scheidungen müssen sorgfältig analysiert und die Auswirkungen organisatorischer Varianten auf Kosten und die Leistungsfähigkeit hin berechnet werden. In vielen In-tegrationsprozessen versuchen zunächst beide Partner, ihre bisherige Praxis als die am

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besten geeignete für die zukünftige Gesamtorganisation durchzusetzen. Ein Interes-senausgleich kann nur dann gelingen, wenn alle Alternativen mittels objektivierter Kriterien verglichen werden können und die Diskussion dadurch sachlich und faktenorientiert geführt werden kann. Die Bewertungskriterien für die Optionen sind dabei aus dem Zielsystem der Fusion abzuleiten.

Während in der Privatwirtschaft noch eher persönliche Präferenzen mancher Top-Manager ausschlaggebend für eine Entscheidung sein mögen, muss die Verwaltung ihre Entscheidungen gegenüber Mitarbeitern, Bürgern und der Politik glaubwürdig und überzeugend kommunizieren. Nur so können auch Entscheidungen durchgesetzt werden, die für Teile der Organisation auch unangenehme Einschnitte bedeuten.

Neben die strikt sachliche und faktenorientierte Entscheidungsfindung muss ein stark emotional geprägter Integrationsprozess treten, der Aufbruchstimmung, Neugier und schließlich Überzeugung und Stolz für das neue Unternehmen bzw. die neue Gesamt-organisation erzeugt. Dies ist zum einen Aufgabe der internen Kommunikation, vor allem aber eine Frage des Vorlebens durch die Führungskräfte.

5 Einbindung der Mitarbeiter

5.1 Erfolgsfaktor 12: Promotoren in der Organisation identifizieren und gezielt wirken lassen

Eine Integration braucht über die erste und zweite Leitungsebene hinaus führende Köpfe und Identifikationsfiguren in der gesamten Organisation, die den Integrations-prozess aktiv und motiviert vorantreiben. In der Praxis lässt sich häufig eine 20-60-20-Teilung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beobachten: 20% sich echte Befürworter und Promotoren der Fusion, 60% nehmen zunächst eine abwartende Haltung ein, und 20% versuchen als offene Gegner oder verdeckte "Saboteure", den Integrationsprozess zu beeinflussen oder gar zu behindern. Für den Fusionsmanager stellt sich daraus die Aufgabe, zumindest einen Teil der abwartenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Überzeugungsarbeit zu Promotoren zu machen, und die 20% "Saboteure" mög-lichst weitgehend aus dem Integrationsprozess heraus zu halten.

Die Promotoren dagegen sollten frühzeitig identifiziert und in den Integrationsprozess mit eingebunden werden. Sie bearbeiten nicht nur die fusionsrelevanten Themen, sondern ihre Aufgabe liegt insbesondere darin, die "Fühler" auszustrecken, mit ihren Kolleginnen und Kollegen über die Fusion zu sprechen, Feedback einzuholen und so

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ein aktuelles Stimmungsbild über den Integrationsstand gerade auch hinsichtlich der kulturellen Integration geben zu können. Die Auswahl dieser Personen sollte sich nicht an der Hierarchie orientieren. Vielmehr gilt es, Meinungsführer und solche Per-sonen auszuwählen, die bei ihren Kolleginnen und Kollegen Vertrauen genießen. Darüber hinaus kann natürlich auch die Funktion eine Rolle spielen, beispielsweise sind Fusionsbefürworter aus dem Personalrat wertvolle Promotoren.

5.2 Erfolgsfaktor 13: Offen(siv) kommunizieren und die Ängste der Mitarbeiter ernst nehmen

Jede Fusion bringt Veränderungen mit sich. Diese Tatsache löst bei vielen Mitarbeite-rinnen und Mitarbeitern Unsicherheit und Ängste aus. Unter die konkreten Befürch-tungen über die mittel- bis langfristige Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes mischen sich auch diffuse Sorgen, z.B., ob man durch zukünftige Aufgaben über- oder unter-fordert ist, ob die eigene Position in der Organisation möglicherweise geschwächt wird oder ob sich die eigenen Perspektiven verändern. Auch wenn Einschnitte für die Mitarbeiter bei Fusionen von öffentlichen Verwaltungen häufig durch die geringe Veränderungsgeschwindigkeit abgeschwächt werden, gilt es, die Ängste der Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter während des Integrationsprozesses sorgfältig zu beobachten. Diese Stimmungen in der Organisation unterliegen erheblichen Schwankungen. Ab-bildung 9 zeigt den typischen Verlauf eines solchen Spannungsbogens.

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Abbildung 9: Typische Stimmungskurve während des Integrationsprozesses

Ankündigung der Fusion

Ankündigung des Integrationsplanes

• Unsicherheit über Job und Karriere• Gerüchte

Meilenstein-Meetings

Stabilisierung durchKommunikation

Integrationsarbeit

?

Ankündigung der Fusion

Ankündigung des Integrationsplanes

• Unsicherheit über Job und Karriere• Gerüchte

Meilenstein-Meetings

Stabilisierung durchKommunikation

Integrationsarbeit

?

Das wirkungsvollste Mittel gegen diese Ängste ist aktive, offene und umfassende Kommunikation. Schon zu Beginn des Integrationsprozesses ist ein detaillierter Kom-munikationsplan zu entwickeln, der die Einzelaktivitäten über die nächsten Monate enthält. Insbesondere ist darauf zu achten, dass unterschiedliche Interessen verschie-dener Gruppen adäquat berücksichtigt werden. Selbst wenn zu Beginn des Prozesses noch keine Ergebnisse erarbeitet sind, kann bereits über Ziele und Vorgehen in der Integrationsphase berichtet werden. Sobald die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine konkrete Vorstellung davon erhalten, welche Ziele verfolgt werden und welche Ent-scheidungen und Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt anstehen, wird Vertrauen auf-gebaut und die "Gerüchteküche" gebremst. Im Laufe des weiteren Arbeitsprozesses können dann sukzessive die erarbeiten Ergebnisse kommuniziert werden, sobald die endgültige Einigung erzielt ist. Wichtig ist, kontinuierlich über den Fusionsfortschritt zu berichten und die nächsten Schritte bekannt zu machen. Geeignete Medien für diesen internen Kommunikationsprozess sind Newsletter, Intranet, ggf. anderweitige unternehmensinterne Instrumente wie z.B. die Mitarbeiterzeitschrift. Zu gegebener Zeit sollten auch Mitarbeiterversammlungen und andere Veranstaltungen durchge-führt werden.

Je nach Institution kann auch die Kommunikation nach außen eine erhebliche Rolle spielen, welche die positive Weiterentwicklung der Institution nach außen vermittelt und "Störfeuer" von externen Anspruchsgruppen vermeiden hilft. Eine positive Positi-

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onierung nach außen wirkt sich zudem auch positiv und identitätstiftend auf die Stimmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus.

5.3 Erfolgsfaktor 14: Vorgehen mit paritätisch besetzten Integrationsteams interaktiv gestalten

Damit die Entscheidungen, die im Laufe des Integrationsprozesses zu treffen sind, akzeptiert werden, müssen die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Erarbeitung der Entscheidungen aktiv einbezogen werden. Dabei ist darauf zu achten, dass beide Fusionspartner gleichermaßen beteiligt sind. Das Wissen dieser Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter ist für die Gestaltung der neuen Organisation ohnehin unver-zichtbar. Kriterien für die Auswahl von Mitarbeitern sind insbesondere konzeptionelle Fähigkeiten, Aufstiegs- und Entwicklungspotenzial sowie Durchsetzungsfähigkeit. Die ausgewählten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden das paritätisch besetzte Integrationsteam. Dieses Team führt die Analysen durch, erarbeitet Entscheidungsvor-lagen für das Grob- und Feinkonzept der neuen Organisation, entwickelt die Umset-zungsplanung und setzt schließlich die vereinbarten Maßnahmen um. Für die zahlrei-chen Einzelaufgaben können Unterteams gebildet werden. Zur bestmöglichen Ab-stimmung zwischen den einzelnen Themen muss sich das gesamte Team jedoch regelmäßig treffen und dabei den Zwischenstand der Arbeiten sorgfältig kontrollieren.

Ein interaktives Vorgehen bei der Erarbeitung der Neukonzeption, bspw. durch Workshops, ist besonders wichtig. Auf diese Weise können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Ideen aktiv einbringen und diskutieren, wodurch die Akzeptanz steigt und gleichzeitig schon Multiplikatoren für die Umsetzung gewonnen werden.

Die intensive Beteiligung vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Erarbeitung der zukünftigen Organisation trägt auch dazu bei, möglichen Ängsten entgegenzu-wirken, sofern diesen Mitarbeitern von ihren Kollegen entsprechendes Vertrauen entgegengebracht wird.

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6 Fazit

Es ist sowohl in der Privatwirtschaft als auch in der öffentlichen Verwaltung eine e-norme Herausforderung, eine Fusion und den Integrationsprozess erfolgreich zu ma-nagen. Jedoch kommen in der öffentlichen Verwaltung einige Aspekte hinzu, welche die Aufgabe zusätzlich erschweren: der Einfluss der Politik, die Einschränkungen des öffentlichen Dienstrechtes und häufig auch die Notwendigkeit, benötigte Manage-mentinstrumente erst noch zu entwickeln und zu installieren. Die Ausführungen zu den Erfolgsfaktoren für Fusionen im öffentlichen Sektor zeigen jedoch, dass sich viele Erfahrungen aus dem privaten Sektor – mit entsprechenden Anpassungen – für öffent-liche Fusionsmanager nutzen lassen. Die beschriebenen Erfolgsfaktoren geben Denk-anstöße für die Planung und Durchführung des Integrationsprozesses und können gleichzeitig auch potenzielle Fehler- und Gefahrenquellen in laufenden Fusionen auf-decken.

Der Integrationsprozess gelingt schließlich nur dann, wenn ein ausreichender „Lei-densdruck“ und damit ein Wille zur Veränderung gegeben ist, wenn der Weg zur Integration klar beschrieben ist und der Glaube an die Fähigkeit vorherrscht, diesen Weg auch beschreiten zu können. Erst wenn diese drei Faktoren zusammen größer sind als die "psychologischen Kosten" der Fusion, also die Überwindung und die Wi-derstände, besteht eine gute Chance für einen Erfolg der Fusion. Ob die Fusion letzt-lich erfolgreich ist, muss an der Zufriedenheit der Kunden bzw. Bürger, der Identifika-tion und Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch an der Erfüllung der politischen Ziele der Fusion gemessen werden.

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