das vojta-princip

7
Prof. Dr. Vaclav Vojta wurde am 12.07.1917 in Mokrosuky/Böhmen, Tschechische Republik, geboren und starb am 12.09.2000 in München. Er war Neurologe und Kinderneurolo- ge und emigrierte im August 1968 von Prag nach Deutschland, arbeitete an der Orthopädischen Universitäts- klinik Köln sowie am Kinderzentrum München und lehrte von 1990 bis zu seinem Tod an der Karls-Universität in Prag. Hintergrund Entstehungsgeschichte der Vojta-Methode Sie reicht in die 1950er Jahre zurück. Pro- fessor Vojta war damals als Neurologe an der Universität in Prag bei Prof. Dr. Ka- mel Henner tätig. 1954 wurde er beauf- tragt, die Therapie für Kinder mit infan- tiler Zerebralparese in das neue Rehabi- litationszentrum in Zeleznice (Nordost- böhmen) einzuführen. Der überwiegen- de Anteil dieser Kinder im Alter zwischen 3 und 15 Jahren litt an einer spastischen infantilen Diparese. Sie konnten alleine oder mit Hilfsmitteln gehen. Die dama- lige Therapie umfasste Relaxationsübun- gen, Gelenkmanipulationen und passives Bewegen der spastischen Extremitäten wider abnormale Haltungsmuster. Vojtas besonderes Anliegen war es, den Kindern ein freieres Bewegen zu ermögli- chen, was eine sichere Körperhaltung vo- raussetzt. Er dachte zu diesem Zeitpunkt keineswegs an eine bestimmte Behand- lungsmethode, sondern experimentier- te mit Manipulationen an der Körper- haltung aus unterschiedlichen Stellungen und Lagen. Manipulationen und ihre Auswirkungen. Vojta drückte ein diparetisches Kind mit Spitzfuß sanft auf die Schultern und for- derte es auf, dagegen zu drücken, in der Hoffnung, die Fußsohle erfahre eine vol- le Belastung. Mit der Zunahme des Ge- gendrückens des Kindes steigerte auch Vojta den Druck mit seinen Händen, und plötzlich sackte das Kind zusammen. Die Steuerungsebene dieses Haltungsverlusts über 3 Gelenke an beiden Beinen konnte nicht als Reaktion auf Rückenmarkebene angesehen werden. Als Neurologe fragte sich Vojta, ob es sich hier um eine Ana- logie des Taschenmesserphänomens han- deln könnte. Er übte daher bei demselben Kind in Bauchlage bei angebeugtem Knie- gelenk Druck auf die Fußsohle aus, und ein plötzliches Nachlassen der spastischen Kontraktur zeigte ein echtes Taschenmes- serphänomen. Gleichzeitig hatte der Junge mit einem Schmerzschrei den Kopf geho- ben und den Körper gestreckt. Diesen as- soziierten Reaktionen begegnete Vojta mit einem Bewegungsauftrag am Kopf unter Widerstand und beobachtete ganzkörper- liche Tonusregulierungen [4]. Reproduzierbarkeit und Weiterentwick- lung der Methode. Diese Bewegungs- muster konnten bei mehreren Kindern systematisch ausgelöst werden, als Hin- weis dafür, dass im Rahmen einer Norma- lisierung des Muskeltonus physiologische kinesiologische Einheiten aktiviert wer- den. Den Reaktionen auf spinal segmenta- lem Niveau mit Hyperämie und/oder reak- tivem Schwitzen folgten muskuläre Faszi- kulationen und führten zu gesamten Mus- kelkontraktionen. Vojta erkannte, dass es sich hier um weit ausstrahlende Prozesse, um Koordi- nationskomplexe unter Beteiligung eines größeren spinalen und kortikospinalen Systems handelte. Unter Anwendung der später entdeckten Auslösungszonen im Rumpfbereich und an den Extremitäten er- fuhren die Prozesse länger anhaltende, iso- metrisch gestaltende Muskelkontraktionen mit richtungwechselnden Kraftvektoren. Gezielt entstehende muskuläre Antworten an den Extremitäten, wie das Stützen auf einem Ellenbogen aus vorgegebener Hal- tung (Bauchlage), wurden als Teilmuster im gesamten Bewegungsprozess des Kör- pers identifiziert. Die so aktivierten Kinder wurden freier, und ihre spontanen Bewe- gungen entsprachen mehr den physiologi- schen Grundmustern, sie erfuhren Verän- derungen in der Atmung, der Wahrneh- mung von Körperhaltung und Bewegung bis hin zur Verbesserung der Dysarthrie. Diese Meilensteine weisen auf ein Akti- vierungssystem hin und gehören zur Ent- stehungsgeschichte des Vojta-Prinzips. Manuelle Medizin 2012 · 50:117–123 DOI 10.1007/s00337-012-0903-x © Springer-Verlag 2012 B. Streck Berlin Das Vojta-Prinzip Ein anderer Blickwinkel in der Rehabilitation  Unfallverletzter Übersichten Dieser Beitrag wurde erstpubliziert in Trauma und Berufskrankheit 13:29–35. 117 Manuelle Medizin 2 · 2012|

Upload: gatosurfer

Post on 03-Jan-2016

89 views

Category:

Documents


3 download

TRANSCRIPT

Page 1: Das Vojta-princip

Prof. Dr. Vaclav Vojta wurde am 12.07.1917 in Mokrosuky/Böhmen, Tschechische Republik, geboren und starb am 12.09.2000 in München. Er war Neurologe und Kinderneurolo-ge und emigrierte im August 1968 von Prag nach Deutschland, arbeitete an der Orthopädischen Universitäts-klinik Köln sowie am Kinderzentrum München und lehrte von 1990 bis zu seinem Tod an der Karls-Universität in Prag.

Hintergrund

Entstehungsgeschichte der Vojta-Methode

Sie reicht in die 1950er Jahre zurück. Pro-fessor Vojta war damals als Neurologe an der Universität in Prag bei Prof. Dr. Ka-mel Henner tätig. 1954 wurde er beauf-tragt, die Therapie für Kinder mit infan-tiler Zerebralparese in das neue Rehabi-litationszentrum in Zeleznice (Nordost-böhmen) einzuführen. Der überwiegen-de Anteil dieser Kinder im Alter zwischen 3 und 15 Jahren litt an einer spastischen infantilen Diparese. Sie konnten alleine oder mit Hilfsmitteln gehen. Die dama-lige Therapie umfasste Relaxationsübun-gen, Gelenkmanipulationen und passives Bewegen der spastischen Extremitäten wider abnormale Haltungsmuster.

Vojtas besonderes Anliegen war es, den Kindern ein freieres Bewegen zu ermögli-chen, was eine sichere Körperhaltung vo-raussetzt. Er dachte zu diesem Zeitpunkt keineswegs an eine bestimmte Behand-

lungsmethode, sondern experimentier-te mit Manipulationen an der Körper-haltung aus unterschiedlichen Stellungen und Lagen.

Manipulationen und ihre Auswirkungen. Vojta drückte ein diparetisches Kind mit Spitzfuß sanft auf die Schultern und for-derte es auf, dagegen zu drücken, in der Hoffnung, die Fußsohle erfahre eine vol-le Belastung. Mit der Zunahme des Ge-gendrückens des Kindes steigerte auch Vojta den Druck mit seinen Händen, und plötzlich sackte das Kind zusammen. Die Steuerungsebene dieses Haltungsverlusts über 3 Gelenke an beiden Beinen konnte nicht als Reaktion auf Rückenmarkebene angesehen werden. Als Neurologe fragte sich Vojta, ob es sich hier um eine Ana-logie des Taschenmesserphänomens han-deln könnte. Er übte daher bei demselben Kind in Bauchlage bei angebeugtem Knie-gelenk Druck auf die Fußsohle aus, und ein plötzliches Nachlassen der spastischen Kontraktur zeigte ein echtes Taschenmes-serphänomen. Gleichzeitig hatte der Junge mit einem Schmerzschrei den Kopf geho-ben und den Körper gestreckt. Diesen as-soziierten Reaktionen begegnete Vojta mit einem Bewegungsauftrag am Kopf unter Widerstand und beobachtete ganzkörper-liche Tonusregulierungen [4].

Reproduzierbarkeit und Weiterentwick-lung der Methode. Diese Bewegungs-muster konnten bei mehreren Kindern systematisch ausgelöst werden, als Hin-weis dafür, dass im Rahmen einer Norma-lisierung des Muskeltonus physiologische

kinesiologische Einheiten aktiviert wer-den. Den Reaktionen auf spinal segmenta-lem Niveau mit Hyperämie und/oder reak-tivem Schwitzen folgten muskuläre Faszi-kulationen und führten zu gesamten Mus-kelkontraktionen.

Vojta erkannte, dass es sich hier um weit ausstrahlende Prozesse, um Koordi-nationskomplexe unter Beteiligung eines größeren spinalen und kortikospinalen Systems handelte. Unter Anwendung der später entdeckten Auslösungszonen im Rumpfbereich und an den Extremitäten er-fuhren die Prozesse länger anhaltende, iso-metrisch gestaltende Muskelkontraktionen mit richtungwechselnden Kraftvektoren. Gezielt entstehende muskuläre Antworten an den Extremitäten, wie das Stützen auf einem Ellenbogen aus vorgegebener Hal-tung (Bauchlage), wurden als Teilmuster im gesamten Bewegungsprozess des Kör-pers identifiziert. Die so aktivierten Kinder wurden freier, und ihre spontanen Bewe-gungen entsprachen mehr den physiologi-schen Grundmustern, sie erfuhren Verän-derungen in der Atmung, der Wahrneh-mung von Körperhaltung und Bewegung bis hin zur Verbesserung der Dysarthrie.

Diese Meilensteine weisen auf ein Akti-vierungssystem hin und gehören zur Ent-stehungsgeschichte des Vojta-Prinzips.

Manuelle Medizin 2012 · 50:117–123DOI 10.1007/s00337-012-0903-x© Springer-Verlag 2012

B. StreckBerlin

Das Vojta-PrinzipEin anderer Blickwinkel in der Rehabilitation Unfallverletzter

Übersichten

Dieser Beitrag wurde erstpubliziert in Trauma und Berufskrankheit 13:29–35.

117Manuelle Medizin 2 · 2012  | 

Page 2: Das Vojta-princip

Konsequenzen aus Vojtas empirischen Beobachtungen

Die isolierte Betrachtung von Symptomen bei einem Patienten ist richtig und wich-tig, stellt aber bei der Bewertung und Be-handlung nur einen Teil des Ganzen dar. Die ganzkörperlich angebotene Vorge-hensweise macht für den Patienten erleb-bar, dass er die Heilungsmöglichkeiten in sich trägt. Arzt und Physiotherapeut we-cken diese von außen, und der Patient geht mit neuem Selbstvertrauen eigen-verantwortlich mit ihnen um.

Im Folgenden wird ein Konzept darge-stellt, das die Chance bietet, vorhandene Ressourcen adäquat zu beurteilen und ihr Potenzial zu fördern.

IndikationenDie Vojta-Therapie wurde, wie oben be-schrieben, anfänglich in der motorischen Rehabilitation von neurologisch erkrank-ten Kindern eingesetzt, wo sie auch heu-te noch etabliert ist. Im Erwachsenen-alter beschränkte sie sich zunächst auf die Arbeit mit Patienten mit multipler Sklero-se und Querschnittgelähmten, wird aber heutzutage bei allen Erkrankungen mit physiotherapeutischer Verordnung ange-wendet, vorausgesetzt, dies erfolgt durch qualifizierte Vojta-Therapeuten.

Motorische EntwicklungMotorische Störungen gleich welcher Ge-nese gezielt zu versorgen, setzt voraus, nach Zusammenhängen zu fragen: FWie entwickelt sich menschliche Mo-

torik?

FWelches sind die Charakteristika der einzelnen Entwicklungsschritte und wie laufen diese ab?

Am Anfang der menschlichen Entwick-lung steht die Eizelle mit einem Potenzial, sich zu den unterschiedlichsten Organ- und Gewebestrukturen zu differenzieren. Wachstum und Differenzierung wechseln sich ab und lassen den Menschen von der Geburt bis zum freien Laufen auf 2 Füßen eine Vielzahl von Erfahrungen machen, die sich im Gehirn zu einem sinnhaltigen Netzwerk zusammenfügen.

Intrauterin beobachtete Bewegungs-muster, wie Daumenlutschen oder Stram-peln, können nach der Geburt fortgesetzt werden. Alle späteren motorischen Fer-tigkeiten, wie Fahrradfahren, Skilaufen bis hin zur Akrobatik, entwickeln sich auf den Grundlagen dieses angeborenen Pro-gramms, bei welchem es sich um ein ge-netisches, artspezifisches Programm der motorischen Entwicklung handelt, das über Gesetzmäßigkeiten verfügt und so ein Prinzip darstellt.

Hierauf bezog sich Vojta und sprach von der motorischen Ontogenese [4]. Die-ser Begriff umfasst den spezifischen Ver-lauf der Entwicklung eines Organismus oder Typus vom befruchteten Ei bis zum Abschluss von Wachstum und Differen-zierung.

Die genetisch verankerten Muster der motorischen Ontogenese des ersten Le-bensjahres, auch als Aufrichtungsontoge-nese bezeichnet [5], führen in die aufrech-te Haltung und Fortbewegung. Mit der Entwicklungskinesiologie beschrieb Vojta [7] die Haltungsmuster der motorischen Ontogenese mit ihren idealen Muskel-funktionen und Differenzierungen.

Dieses angeborene Programm dient dem Vojta-Prinzip als Analogie und bie-tet eine ideale Orientierung für die Ein-schätzung und Beschreibung von Hal-tung und Bewegung. Diese werden zwar oft als Antagonisten gesehen, stehen je-doch auch in der menschlichen Lokomo-tion, dem aufrechten Gang, in notwendi-ger Wechselwirkung.

RehabilitationIm modernen Bewusstsein wird Rehabi-litation (Re: wieder, zurück; habilis: fähig, passend) als ein stromlinienförmiges Wie-

dereingliedern in die Gesellschaft wahrge-nommen, welches zum einen durch Fitness und Wellness sowie Kraft und Schnellig-keit im Dienste der Leistungsfähigkeit und zum anderen durch Attraktivität erreicht werden soll. Patienten mit schweren Ver-letzungen und chronischen Erkrankun-gen stellen folglich eine Behinderung für ein derart ausgelegtes Rehabilitationspro-gramm dar und werden in einem solchen nicht adäquat berücksichtigt.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rückte mit der Etablierung einer internationalen Klassifikation der Funk-tionsfähigkeit, Behinderung und Gesund-heit (ICF: „International Classification of Functioning, Disability and Health“) ihr Bemühen um eine einheitliche Sprache zwischen Ärzten, Physiotherapeuten und Rehabilitationsträgern in den Vorder-grund. Unberücksichtigt blieb dabei, dass die Inhalte therapeutischer Maßnahmen im Sinne des jeweiligen Patienten absolu-te Priorität haben sollten.

Beurteilung der Ressourcen und Wahl geeigneter Maßnahmen. Bewegungs-verlust kann für den Patienten ein existen-zielles Problem bedeuten, sodass er bereit ist, alles einzusetzen, „was hilft“! Dies ver-führt dazu, Symptome beseitigen zu wol-len, Kraftverlust als isolierte Muskelschwä-che zu deuten und ein Krafttraining be-stimmter Muskeln in den Vordergrund zu stellen. Mangelnde Wahrnehmungsfähig-keit und geringe Erfahrung mit Körper-arbeit lassen den Patienten zudem unre-flektiert jegliches Therapieangebot konsu-mieren. Wesentliche Aufgabe des Behan-delnden muss es daher sein, den Patien-ten für die körperlichen Zusammenhän-ge zu interessieren, und ihm deutlich zu machen, dass es sich bei jeder Verletzung und Bewegungsstörung nicht um ein lo-kales Problem handelt, sondern dass stets eine Störung der Koordination vorliegt.

Folgende Parameter gehören zum Prinzip der menschlichen Lokomotion und sind daher Grundlagen des Vojta-Prinzips (.Infobox 1):FAutomatische Steuerung der Körper-

haltung/-lage (posturale Aktivität)FAufrichtung des Rumpfes gegen die

Schwerkraft über artspezifische Auf-richtevorgänge der Extremitäten in

Infobox 1 Grundlage des Vojta-Prinzips

Das Vojta-Prinzip nutzt ein Bahnungssystem, das die kinesiologischen Inhalte der Reflex-lokomotion als globale motorische Muster im zentralen Nervensystem (ZNS) abruft. Diese Muster sind angeboren und existieren unab-hängig vom Lebensalter.

Ihre kinesiologischen Inhalte und Muskel-spieleFstehen in Analogie zu den Prinzipien der

Körperhaltungssteuerung der motorischen Ontogenese und

Fführen in den aufrechten Gang oder zu Teil -mustern, die zum aufrechten Gang gehören.

118 |  Manuelle Medizin 2 · 2012

Übersichten

Page 3: Das Vojta-princip

den Schlüsselgelenken (Schulter- und Hüftgelenk)

FZielgerichteten Bewegungen der Ex-tremitäten im Sinne des Stützens und Stehens, verbunden mit Greifbewe-gungen an Händen und Füßen

Bei der Analyse der Muskelaktivitäten bei Fortbewegung und speziellen isolier-ten Bewegungen wird ersichtlich, dass es sich immer um globale, den ganzen Kör-per betreffende Muskelaktivitäten han-delt. Diese integrativen Prozesse des Ge-samtorganismus manifestieren sich in glo-balen Bewegungsmustern, die sich in 2 Ko-ordinationskomplexen widerspiegeln:Fdem Reflexkriechen undFdem Reflexumdrehen.

Das Setzen von bestimmten Reizen in der Therapie aus Bauchlage entspricht dem Reflexkriechen, aus Rücken- und Seiten-lage dem Reflexumdrehen. Die Reize er-folgen dabei als lokaler Gewebestretch oder Druck an bestimmten Punkten, die als Zonen (Auslösezonen) bezeich-net werden. Die ausgelösten Reaktionen sind immer wieder abrufbar und zeigen in Teilen die kinesiologischen Inhalte der menschlichen Lokomotion. Reflex be-deutet hier, dass mit bestimmten Reizen automatisch motorische Aktivitäten aus-gelöst werden. Anzahl und Lokalisation der Auslösezonen im Reflexkriechen sind in .Abb. 1 dargestellt.

Globale Bewegungsmuster

Reflexkriechen

InduktionDas Reizen einer Auslösungszone in Ver-bindung mit vorgegebenen Winkelstel-lungen an den Extremitäten und Drehung des Kopfs zu einer Seite initiiert muskulä-re Aktivitäten des Kriechvorganges.

Wie aus .Abb. 1  ersichtlich wird der Kopf in Bauchlage (Ausgangslage) in der Mitte um etwa 30°gedreht. Dadurch können Gesichts- und Hinterhauptseite unterschieden werden – auch in der Be-

zeichnung der Extremitäten. Es existieren insgesamt 9 Zonen:F4 Zonen an den Extremitäten, die das

Periost reizen, undF5 Zonen am Rumpf, die sowohl als

Periost- als auch als Dehnungsreiz an Muskelenden und im Bindegewebe wirken.

Die Reizart ist vorwiegend propriozep-tiv und erfolgt in bestimmter Druckrich-tung, die sich an der Lage des entspre-chenden Körperabschnitts orientiert. Werden mehrere Zonen gleichzeitig ge-reizt, kommt es zur Summation der Mus-kelaktivitäten im gesamten Körper, wo-durch die muskulären Antworten zügiger und vollkommener erscheinen.

ZieleDurch das Reflexkriechen werden die we-sentlichen Voraussetzungen von Fortbe-wegung induziert:1. die automatische Halte- und Lage-

steuerung, die2. den Prozess des Aufrichtens im

Rumpfbereich gegen die Schwerkraft erkennen lässt.

Dieses Geschehen ist an die Stützfunk-tion einer oberen (Gesichtsarm) und einer unteren Extremität (Hinterhauptsbein), die diagonal zueinander liegen, gebun-den. Die hierbei zu beobachtenden Mus-kelfunktionen, finden sich im kreuzkoor-dinierten Krabbeln, im Aufstehen und im Gehen wieder, woraus.

Zusammenfassung · Abstract

Manuelle Medizin 2012 · 50:117–123 DOI 10.1007/s00337-012-0903-x© Springer-Verlag 2012

B. Streck

Das Vojta-Prinzip. Ein anderer Blickwinkel in der Rehabilitation Unfallverletzter

ZusammenfassungMotorische Störungen jeder Art, unabhän-gig vom Alter des Patienten, werden nach den Gesetzmäßigkeiten der motorischen Ent-wicklung beurteilt und behandelt. Das Vojta-Prinzip basiert auf einem Bahnungssystem, das die Abläufe des genetischen, artspezifi-schen Programms, der motorischen Ontoge-nese, nutzt. Die automatische Steuerung der Körperhaltung/-lage (des Rumpfes) ist die Vo-raussetzung für freies und gezieltes Einset-zen der Extremitäten zum Greifen und Stüt-zen. Behandlungen, die sich des Vojta-Prin-zips bedienen, reduzieren Vermeidungsstra-tegien des Patienten und führen zur diffe-

renzierteren Leistung von Muskelaktivitäten. Dabei spielt die Muskelfunktionsdifferenzie-rung, die im Wechsel von stützender und ziel-gerichteter Motorik gefordert wird, eine be-deutende Rolle. Es lässt sich eine Beeinflus-sung des gesamten Organismus (Herz-Kreis-lauf-System, Vegetativum, Endokrinium) be-obachten.

SchlüsselwörterPsychomotorische Funktion · Motorische Ontogenese · Körperhaltung · Reflexlokomotion · Muskelfunktionsdifferenzierung

The Vojta principle. Another view of rehabilitation of the injured

AbstractMotor disturbances of every kind are evaluat-ed and treated independently from the age of the patient according to the patterns of motor development. The Vojta principle re-lies on a facilitation system that uses the pat-terns of the genetic, species-specific program referred to as motor ontogenesis. Auto matic control of the body position (of the trunk) is the prerequisite for free and targeted use of the limbs when grasping and supporting oneself. This procedure reduces the patient’s avoidance strategies and enables a more dif-ferentiated performance of muscle activities.

The issue of muscle function differentiation, which is challenged when switching from support to purposeful motor functions, plays an important role. Influence is exerted on all levels of the entire organism, such as the car-diovascular system, autonomic nervous sys-tem and metabolic processes.

KeywordsPsychomotor performance · Motor ontogenesis · Posture · Locomotion, reflex · Muscle function differentiation

Infobox 2 InternetlinkFwww.vojta.com: Vojta Therapie/Grundlagen

119Manuelle Medizin 2 · 2012  | 

Page 4: Das Vojta-princip

3. gezielte Schrittbewegungen der freien Extremitäten (Hinterhauptsarm und Gesichtsbein) folgen und die Qualität der muskulären Steuerung des Rump-fes widerspiegeln.

Diese Steuerung ist im besonderen Ma-ße an die Führung des Kopfs durch den Behandelnden während dieses Koordina-tionsablaufs gebunden.

Beurteilung der BewegungsantwortenÜber Reizung unterschiedlicher Zonen kommt es zu Bewegungsantworten im Reflexkriechen, die unter dem Gesichts-punkt der Muskelfunktionsdifferenzie-rung erläutert werden.

Muskelfunktionsdifferenzierung. Sie ist bezüglich der Beurteilung von globalen Bewegungsmustern von wesentlicher Be-deutung, denn sie ist unverzichtbares Ele-ment für antigravitatorische, aufrichtende, lokomotorische und/oder feinmotorische Vorgänge.

An den stützenden Extremitäten – Ge-sichtsarm und Hinterhauptsbein – wer-den die Kraftvektoren der stützenden Muskulatur von proximal nach distal ak-tiviert.

Am Gesichtsarm verläuft die Kraftwir-kung von der Wirbelsäule über das Schul-terblatt zum Ellenbogen, der sich zuneh-mend der Unterlage nähert und zum Fi-xationspunkt wird. Die Aufrichtung des Schultergürtels als Teilmuster wird er-möglicht, wenn der Rumpf von ventral gegen die Schwerkraft gehoben und sy-nergistisch mit der dorsalen Muskulatur aufrichtend in Richtung Ellenbogen be-wegt wird. Die Aufrichtung des Schulter-gürtels sichert den Stütz am Gesichtarm

und ermöglicht dem Hinterhauptsarm ein Vorwärtsbewegen im Sinne eines Schrit-tes. Die Kraftvektoren dieser Muskelkon-traktionen verlaufen von distal nach pro-ximal. Der entstehende Drehimpuls am Kopf zur anderen Seite wird gebremst, und die ventralen und dorsalen Muskel-aktivitäten am Rumpf werden im halten-den Bewegungsmuster zum stützenden Arm summiert.

Analog findet die Muskeldifferenzie-rung in stützender Aktivität am Becken und am Hinterhauptsbein statt. Die von proximal nach distal aktivierte Becken- und Beinmuskulatur in Richtung Fersen-zone (Tuberculum lateralis tuberis calca-nei) lässt dort einen Fixationspunkt entste-hen. Im Bahnungsprozess kommt es zum Aufrichten des Beckens (Teilmuster) und Anheben des Oberschenkels proximal im Hüftgelenk. Bei gehaltener Ausgangsstel-lung führen fortlaufende Muskelkontrak-tionen zu einer isometrischen Extensions-bewegung im Kniegelenk und am Fuß in die Dorsalextension mit Inversion. Dieser stehende Impuls auf dem Hinterhaupts-bein findet seinen Höhepunkt, wenn die ventrale Muskulatur (Bauch- und innere Beinmuskulatur) im haltenden Sinne das Becken gegen die Schwerkraft aufrichtet und dann das Gesichtsbein für die Schritt-bewegung frei wird.

Das Reflexkriechen zeigt als Koordina-tionskomplex einen zyklisch ablaufenden Prozess mit unterschiedlichen Schrittpha-sen der Reflexlokomotion (s. vergleichen-de Lokomotionsanalyse von Grillner [1]). In ihm wird deshalb immer, auch wenn beispielsweise nur eine Extremität betrof-fen ist, mit einem Lagewechsel der Ext-remitäten – abwechselnd Gesichts- und Hinterhauptsarm – gearbeitet.

Resümee. Die gezielten Schrittbewegun-gen stehen, sowohl als isometrisch gestal-tete Bewegungsmuster als auch als räum-lich vollzogene Bewegungen z. B. an den phasischen Extremitäten, in Abhängigkeit zur gesteuerten Rumpfhaltung und damit Wirbelsäulenbewegung.

Eingebettet in diesen Vorgang werden an den Akren der Extremitäten ein Wech-sel von der physiologischen Fausthaltung bis zur voll entfalteten Handöffnung und/oder an den Füßen ein Greifen im stehen-den Sinn und Öffnen des Fußes für den Schritt gebahnt. Die akrale Entwicklung steht im Reflexkriechen im Dienste der Greiffunktion.

Fallbeispiel ReflexkriechenIn .Abb. 2  ist das Vojta-Prinzip bei einem Patienten mit einer Plexusparese des rechten Arms dargestellt. Bei der La-gerung des Patienten in der Ausgangslage des Reflexkriechens wird der linke, gesun-de Arm passiv als Gesichtsarm positioniert (.Abb. 2a). Die Zone des Ellenbogens (Epicondylus humeri) wird über Druck mit Richtung zur Schulter gereizt, bei gleich-zeitiger Führung am Kopf. Dadurch neh-men die Muskelkontraktionen am Rumpf zu, was in einer asymmetrischen Reaktion der Wirbelsäule mündet, da die paretische Extremität nur geringfügig aktiviert wer-den kann (fehlender Einsatz des M. latis-simus sowie der Außenrotatoren der Ska-pula, .Abb. 2d). Dadurch wird die Stütz-aktivität am linken Ellenbogen verstärkt, und es kommt zur Skapulabewegung mit Anheben der gestörten Schulter (Hinter-hauptschulter) gegen die Schwerkraft, wo-durch das Gelenk für die passiv erfolgen-de Schrittbewegung des paretischen Arms frei wird (.Abb. 2b–d). Das hierdurch er-zielte Muskelrelief wird beschrieben, und die Muskelanalyse wird dokumentiert, be-vor der Seitenwechsel erfolgt. Die Verän-derung sind insbesondere am Rumpf und am Schultergürtel zu beobachten und füh-ren letztlich von kranial nach kaudal und von proximal nach distal.Die Aufnahmen des Gesamtkörpers (.Abb. 2e–g) zeigen, wie sich die Bewe-gung von Kopf und Rumpf zu den Schlüs-selgelenken (Schulter-/Hüftgelenke) und weiter über die Extremitäten mit den Mit-telgelenken – Ellenbogen-/Kniegelenke – zu den Akren – Hände und Füße – fort-

Akromion Rumpfzone Proc. styloideus radiiAponeurose des M. glutaeus medius

Proc. lattuberis calcanei

Epicondylusmed. femoris

Epicondylusmed. humeri

med. SkapularandSpina iliacaant. sup.

Abb. 1 9 Reflexkrie-chen in Ausgangslage (Bauchlage) mit Auslö-sungszonen. Erläute-rung s. Text. (Quelle s. .Infobox 2, mit freundl. Genehmigung der Vojta-Gesellschaft)

120 |  Manuelle Medizin 2 · 2012

Übersichten

Page 5: Das Vojta-princip

setzt: In der Ausgangslage (.Abb. 2e), in welcher der paretische Arm passiv als Ge-sichtsarm gelegt wurde, befinden sich bei-de Beine in kompletter Beugung und Be-lastung, wobei die Füße über die Tisch-kante hinausreichen. Im aktivierten Zu-stand (.Abb. 2f) nimmt die Belastung am Rumpf und am Stützarm zu, die Auf-richtung der Hinterhauptschulter beginnt und der Schritt des linken Arms wird ein-geleitet, er bewegt sich allmählich nach kranial (.Abb. 2g).

Reflexumdrehen

BewegungsablaufDieser Koordinationskomplex startet in der Rückenlage und führt über die Sei-

tenlage weiter in den Krabbelgang. The-rapeutisch wird aus der Rückenlage bei 30° Kopfdrehung zu einer Seite gearbeitet und fortführend die Beine aus der Seiten-lage unterschiedlich gelegt und/oder ge-halten. Auslösungszone ist die so genann-te Brustzone, im Interkostalraum im Be-reich der 6./7. Rippe.

Als wesentliche Reaktionen werden beobachtet:FAm Rumpf kommt es – bezogen auf

die Ein- und Ausatmung – zur ver-tieften Atmung mit Entfaltung des Brustraums und rhythmischen Mus-kelkontraktionen am Bauch.

FZunehmende Wirbelsäulenexten-sion und Aktivierung der ventra-len Rumpfmuskulatur verändern die

Beckenstellung und induzieren eine Beugeantwort an den Beinen in Hüft- und Kniegelenk sowie eine Extension im Sprunggelenk.

FDie Armbewegungen zeigen die Vor-bereitung zum stützenden Ablauf des weiteren Drehvorganges.

Beurteilung der Bewegungsantworten Bezogen auf die Muskelfunktionsdifferen-zierung stellt der Rumpf den haltenden Hintergrund für das Stützen und Greifen von Armen und Beinen dar. Die Beugung der unteren Extremitäten zeigt die Wir-kung der Kraftvektoren von distal nach proximal, die im Drehvorgang zur Seite am unten liegenden Bein in die Extension wechselt. Die akrale Bewegungsantwort steht hier, anders als im Reflexkriechen, im Dienste der stützenden Funktion, er-kennbar an der vollständigen Handöff-nung, Abduktion und Entfaltung mit dor-saler Bewegung im Handgelenk.

Resümee. Im Koordinationskomplex des Reflexumdrehens kommt es deutlicher zu erkennbaren Bewegungen der Extre-mitäten, die beim Säugling meist kom-plett, beim Erwachsenen jedoch weniger raumgreifend erscheinen. Entscheidend sind die Muskelaktivitäten, die während des Bahnungsgeschehens sehr genau be-obachtet werden können.

Eine Summierung der muskulären Forderungen erfolgt zum einen durch Hinzunahme der Zonen aus dem Reflex-kriechen und deren Kombination, zum anderen durch Bremsen der induzierten Bewegung. Die Ausgangslage des Reflex-umdrehens ist die Rückenlage, die Auslö-sungszone die Brustzone (.Abb. 3).

Die Bewegungsantworten zeigen, wie oben beschrieben, eine Entwicklung von Muskelaktivitäten im Rumpf, die mit neuem Einstellen des Beckens die Bei-ne in eine Flexionshaltung über alle Ge-lenke führen und die Arme für die wei-tere Drehbewegung aktivieren. Die Qua-lität bezüglich zielgerichteter Bewegung und in Leichtigkeit ablaufender Dynamik wird mit der Haltung an den Händen und Füßen ausgedrückt.

Abb. 2 8 Fallbeispiel Reflexkriechen. a–d Obere Extremitäten, a Ausgangslage des Reflexkriechens, b–d aktivierter Zustand, c,d von kaudal, e–g Achsenorgan, e Ausgangslage, f,g aktivierter Zustand. Weitere Erläuterung s. Text

121Manuelle Medizin 2 · 2012  | 

Page 6: Das Vojta-princip

Fallbeispiel ReflexumdrehenEin Patient mit heftigen Schmerzen im rechten Knie bei fortgeschrittener post-traumatischer Arthrose nach Tibiakopf-fraktur vor 30 Jahren wurde stationär zur operativen Versorgung mit einer Kniepro-these aufgenommen.

Rechts bestand ein Streckdefizit von 15°/20°, die Beugung war nur unter Schmerzen bis 60/70° möglich. Das linke Knie zeigte regelrechte und altersentspre-chende Bewegungsumfänge. In Bauchla-ge bestand eine Beugekontraktur im rech-ten Hüftgelenk von etwa 15/20°. Der rech-te Unterschenkel war gegenüber links um-fangvermehrt und zeigte eine Varikose. Die Temperatur des rechten Beins war im Vergleich zum linken Bein erhöht.

Der Patient konnte nur kurze Strecken unter Schmerzen gehen. Immer wieder hatte er in den letzten Jahren die übliche Physiotherapie mit manueller Therapie, Bewegungstraining usw. erhalten.

Präoperativ wurde mit dem Zeitpunkt der stationären Aufnahme die Vojta-The-rapie durchgeführt, aus den Ausgangsla-gen der Rücken- und Seitenlage Reflex-

umdrehen und aus der Bauchlage Reflex-kriechen. Der Patient reagierte unmittel-bar mit vertiefter Atmung, die deutliche Muskelreaktionen am Rumpf auslöste. Die Bauchmuskulatur reagierte im Rhythmus der tiefen Ein- und Ausatmung und der Brustkorbbewegungen, sodass eine Exten-sion und Rotation der Wirbelsäule gefor-dert wurden. An den Extremitäten kam es zu den beschriebenen Bewegungsantwor-ten des jeweiligen Koordinationskomple-xes: Das Auslösen der Brustzone bewirk-te eine Beugung der Beine, wobei das ge-schädigte rechte Knie eine verstärkte Fle-xion erreichte (.Abb. 4a). Unter intensi-ver Atemverstärkung nahm die Beugung beider Beine zu, zudem wurde eine Span-nung im Rumpf in Extension beobach-tet (.Abb. 4b). In .Abb. 4c ist eine fast symmetrische Beugung der Beine mit dor-sal eingestellten Füßen erreicht, der Kopf will zur rechten Seite drehen, und das Be-cken weist eine geringe Schrägstellung als Start zum Drehen auf die Seite auf.

Der Patient war über die Anstrengung erstaunt, da „er doch gar nichts tue“. Er erhielt keine verbalen Bewegungsaufträ-

ge, so entstand das Gefühl des Nichtstuns. Therapeutisch wurde er immer wieder er-innert, bei geschlossenen Augen zu ver-folgen, was geschieht. Mit dieser Vorge-hensweise wird eine bessere Körperwahr-nehmung geschult, und der Patient lern-te, dass sein Körper automatisch gesteuert wird, was er als befreiend erlebte.

Nach 3 Behandlungen hatte sich der Anfangsbefund deutlich verändert, das Streckdefizit im rechten Knie war aufge-hoben, die Beugung war schmerzfrei bis 90° möglich. Das Gehen war leichter und schmerzfrei möglich. Nach 2 Wochen Vojta-Therapie wurden der Plan einer Knieprothesenimplantation verworfen und weitere Behandlungen empfohlen.

Nach 3 Wochen stationärer Behandlung wurde der Patient entlassen und 1-mal wö-chentlich ambulant therapiert, für die rest-liche Zeit wurde ein Programm von höchs-tens 3 Übungen für zu Hause empfohlen.

3 Monate später waren längere Spazier-gänge schmerzfrei möglich. Der Patient war so motiviert, dass er bis heute seine Übungen durchführt, die 1-mal im Jahr kontrolliert und ggf. korrigiert werden.

Abb. 4 8 Fallbeispiel Reflexumdrehen. a Verstärkte Flexion des geschädigten rechten Knies nach Auslösen der Brustzone, b unter Atemverstärkung Zunahme der Beugung beider Beine, Spannung im Rumpf in Extension, c fast symmetrische Beugung der Beine mit dorsal eingestellten Füßen, links>rechts, Startposition zum Drehen auf die Seite

Brustzone

a

BrustzoneRichtung

der Kopfdrehung

Widerstandam Kopf

b

Abb. 3 8 Reflexumdrehen. a Ausgangslage, b Aktivierung zum Drehen nach rechts. (Quelle: s. .Infobox 2, mit freundl. Genehmigung der Vojta-Gesellschaft)

122 |  Manuelle Medizin 2 · 2012

Übersichten

Page 7: Das Vojta-princip

Fazit für die Praxis

FDie motorische Rehabilitation mit dem Vojta-Prinzip verändert die her-kömmliche Vorstellung von Bewe-gungstherapie. Anstatt mit willkürli-chen, isolierten Bewegungsaufträgen die Symptome des Patienten exogen zu behandeln, wird das ihm eigene genetisch angelegte Programm ge-nutzt.

FAnstatt eine fehlende Kniebeugung durch wiederholtes Üben der Beu-gung, die spastische Hand eines he-miparetischen Patienten durch stän-dige passive Bewegung zu behan-deln, werden die im Patienten vor-handenen Bewegungsmuster der mo-torischen Individualentwicklung ab-gerufen.

FDer Therapieverlauf richtet sich selbstverständlich nach den spezi-fischen, akuten Problemen des Er-krankten, bezieht aber immer den Ge-samtorganismus mit ein: die gesam-te Skelettmuskulatur, was Wirbelsäu-len-, Schulter- und Hüftbewegungen bis zu den differenzierten Funktionen der Extremitäten betrifft, und die Ge-sichtsmuskulatur, was Mienenspiel, Saug-, Kau- und Schluckbewegungen, die wie die Stimmmodulation zum Atembereich gehören, beinhaltet.

FDaneben nutzt die ganzkörperli-che Therapie auch die emotionalen und sinnlichen Muster des Patienten und unterstützt seine Bereitschaft zu eigenverantwortlicher Initiative, was wiederum die schöpferische Arbeit des Therapeuten stärken kann.

Korrespondenzadresse

B. StreckHagenstr. 17,14193 [email protected]

Interessenkonflikt. Die korrespondierende Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

1. Grillner S (1975) Locomotion in vertebrates: cen-tral mechanisms and reflex interaction. Physiol Rev 55(2)247–304

2. Orth H (2005) Das Kind in der Vojta-Therapie. Else-vier, München

3. Rohen JW, Lütjen-Drecoll E (2002) Funktionelle Embryologie. Schattauer, Stuttgart New York

4. Vojta V (2008) Die zerebralen Bewegungsstörun-gen im Säuglingsalter, 8. Aufl. Thieme, Stuttgart New York, S 262–264

5. Vojta V (2008) Die zerebralen Bewegungsstörun-gen im Säuglingsalter, 8. Aufl. Thieme, Stuttgart New York, S 154

6. Vojta V (2008) Die zerebralen Bewegungsstörun-gen im Säuglingsalter, 8. Aufl. Thieme, Stuttgart New York, S 152

7. Vojta V (2008) Die zerebralen Bewegungsstörun-gen im Säuglingsalter. Thieme, Stuttgart New York, S 12, 268

8. Vojta V, Peters A (2007) Das Vojta-Prinzip. Springer, Berlin Heidelberg New York

9. Vojta V, Schweizer E (2009) Die Entdeckung der idealen Motorik. Pflaum, München

Konservative Orthopädie

Traditionell ist das Fach Orthopädie so-

wohl konservativ als auch chirurgisch

ausgerichtet. Gerade die Verschränkung

beider Aspekte eröffnet umfassende The-

rapieansätze und gewährleistet die hohe

Behandlungsqualität. Deshalb setzt sich

die Ausgabe 2/2012

von Der Orthopäde

in seinem Leitthema

„Aktuelle Aspekte

in der konservati-

ven Orthopädie“

mit verschiedenen

nicht-chirurgischen

Therapiekonzepten und Ihrer Verwendung

innerhalb der Orthopädie auseinander.

Die Schwerpunkte des Leitthemenheftes

sind unter anderem:

– Akupunktur in der Orthopädie

– Osteopathie in der Orthopädie

– Anschlussheilbehandlung nach

Knietotalendoprothesenimplantation

– Konservative Orthopädie und Sport-

wissenschaft

– Psychosomatische Aspekte

in der Orthopädie

Bestellen Sie diese Ausgabe zum Preis von

35,– € bei

Springer Customer Service Center

Kundenservice Zeitschriften

Haberstr. 7

69126 Heidelberg

Tel.: +49 6221-345-4303

Fax: +49 6221-345-4229

E-Mail: [email protected]

P.S. Vieles mehr rund um Ihr Fachgebiet

finden Sie auf www.springermedizin.de

Lesetipp

123Manuelle Medizin 2 · 2012  |